Feindbild Migrant – Reaktionen auf Solinger Attentat
Erstellt von Redaktion am 28. August 2024
Von Arnold Schölzel (von der Jungen Welt)
Wolfgang Rattay /REUTERS
Nach der Ermordung von drei Kindern im britischen Southport am 29. Juli organisierten die Faschisten des Vereinigten Königreichs mit einigem Erfolg Pogrome gegen Migranten. Das gelang in der Bundesrepublik nach den Mordanschlägen von Mannheim und Solingen nicht, es ist aber angebracht, in den Satz das Wort »noch« einzufügen.
Denn die Ursachen, die in Großbritannien den rechten Aufruhr bedingten, liegen hier ebenso wie in anderen großen kapitalistischen Industrieländern vor:
Das ist zum einen die Nachwirkung der Weltwirtschaftskrise von 2008/2009. Sie wurde faktisch nie überwunden und frisst sich wie ein unterirdischer Schwelbrand auch durch die Bundesrepublik. Der Lebensstandard sinkt, die Kommunen erodieren – nicht zuletzt wegen Unterfinanzierung der Aufnahme von Zuwanderern, die Gewaltkriminalität steigt. Hinzu kommt zum anderen die aus der BRD gewohnte Hetze vor allem der CDU/CSU gegen Migranten.
Das Feindbild steht trotz großem Bedarf an »nützlichen« Zuwanderern. Diese Doppelgleisigkeit entspricht dem Geschäftsmodell des deutschen Kapitals: Billiglöhner, die auf die Reallöhne drücken, werben und zugleich mit rassistischen Parolen für Spaltung sorgen – seit mindestens 130 Jahren. Die AfD – in dieser Hinsicht ein Wurmfortsatz der Unionsparteien – baute die Hetze erfolgreich aus.
2015 nannte Alexander Gauland, der es in der CDU bis zum hessischen Staatskanzleichef gebracht hatte, die Flüchtlingskrise zu Recht »ein Geschenk für uns«.
Der Anschlag von Solingen geschah wenige Tage vor Landtagswahlen, bei denen die AfD stärkste Partei werden kann. In der CDU/CSU setzte der übliche, diesmal aber panische Überbietungswettbewerb mit Vorschlägen ein, die das Grundrecht auf Asyl und andere Rechte ignorieren.
Wenn Sahra Wagenknecht den Vorschlag von Friedrich Merz, die Aufnahme für Syrer und Afghanen zu stoppen, unterstützt, schließt sie sich diesem Trend an.
Die Reaktionen der Regierungskoalition erschöpfen sich in Phrasen. Was soll eine Beschränkung auf kürzere Messer gegen individuellen Terror wie in Solingen ausrichten oder gegen organisierten, zu dem der IS – ein immer noch von der Türkei gesponsertes Beiprodukt der endlosen westlichen Kriege im Nahen und Mittleren Osten – seine Anhänger aufruft? Was sollen schnellere Abschiebungen, zu denen Bündnis 90/Die Grünen und SPD jetzt aufrufen? Ja, die Flüchtlingspolitik nicht nur der amtierenden Bundesregierung ist verfehlt, wie Wagenknecht sagt. Kein Anlass, das Feindbild Migrant der etablierten Parteien einschließlich AfD zu übernehmen.
Siehe auch
- Kristian Stemmler: Unkontrolliert nach rechts
- Kurdischer Dachverband warnt vor Unterstützung der Türkei für »Islamischen Staat«
Quelle: https://www.jungewelt.de/artikel/482450.feindbild-migrant.html
Aus: Ausgabe vom 27.08.2024, Seite 8 / Ansichten
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