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Streik in Prato – Florenz

Erstellt von DL-Redaktion am 16. Juli 2023

Italien: Die Ciompi in Florenz – Den Aufstand denken

Quelle     :     Untergrundblättle – CH

Von               :      Anonymous

Zu Besuch an den Toren der Mondo Convenienza. Die roten Fahnen der Basisgewerkschaft Si Cobas zieren die Allee.

In der Via Gatinella in Prato, einem Industrievorort von Florenz, haben sich Streikposten vor dem Warenlager des Küchenlieferanten Mondo Convenienza eingerichtet. Das Haupttor ist für den Lieferverkehr gesperrt. Ein Seitentor wird aufgeworfen. Bei Einbruch der Dämmerung verlassen die Chefs und Manager in Kolonne das Grundstück. Ein paar Tage vorher reisten die Oberen des Küchen- und Möbellieferanten aus ganz Italien nach Bologna. Ein Manager aus Florenz steuerte einen Lieferwagen in die dortige Mahnwache der SI Cobas und verletzte einen 50-jährigen Kollegen schwer. 12 weitere Chefs prügelten dann auf die ArbeiterInnen ein und verteilten Morddrohungen.Vor dem Tor wird ein weisses Tuch als Sitzgelegenheit für das Abendessen ausgebreitet. Auf der gegenüberliegenden Strassenseite wird unterdessen ein Open-Air-Kino aufgebaut. Dort treffe ich Agnès Perrais und Alessandro Stella. Agnès Perrais ist eine Filmkünstlerin aus Paris. Ihr neuer Dokumentarfilm über den Ciompi-Aufstand des 14. Jahrhunderts aus dem benachbarten Florenz hat an diesem Abend seine Premiere in Italien. Die grosse anarchistische Mystikerin des 20. Jahrhunderts, Simone Weil, nannte diesen Aufstand aus dem Jahr 1378 den ersten veritablen Arbeiteraufstand der Geschichte.

Alessandro Stella war aktiv in der Arbeiterautonomie, einer Bewegung von Dissidenten, die sich in den 70er Jahren bis in die kleinsten Dörfer um freie Radiosendungen und schicke Zeitschriften herum organisierte. Hinter dem Begriff der Autonomia steht die Einsicht, dass die Befreiung das Werk der ArbeiterInnen selbst sein muss. Im Jahr 1976 traf er die Entscheidung für den bewaffneten Kampf. Über Mexiko ging er Anfang der 80er Jahre ins Exil nach Frankreich. Heute arbeitet Stella als Historiker und ist Forschungsdirektor am CNRS in Paris.

Es geht los. Die Mannschaft hat sich vor der Leinwand versammelt. Die Zikaden halten den Atem an. Popcorn wird gereicht. Die Blätter der Bäume rahmen das Bild. – Ciompi – Es ist ein Film über die Stadt. Ein Film über die harte Arbeit einer rechtlosen Unterschicht. Gedreht wurde der Film mit einer Super-8- und einer 16-mm-Kamera. Der Blick von Agnès Perrais auf die urbane Landschaft ist lyrisch und zart. In sorgfältig komponierten Montagen wechselt die emotionale Intensität florentinischer Fresken mit Strassenszenen aus dem Florenz des 21. Jahrhunderts. Schlachtrufe kämpfender ArbeiterInnen wehen durch die Gassen. Der Rhythmus der Maschinen in einer Textilfabrik folgt mit seinem strengen Takt.

Im Hintergrund führt die rauchige Stimme von Alessandro Stella chronologisch durch die Geschichte des Aufstands. In für zeitgenössischen Film langsam anmutenden Sequenzen zeigt uns der Film die zeitgerechte Schönheit von Florenz. Kontrastiert wird die Geschichte der Ciompi – der Florentiner Arbeiter in der Kleidungsindustrie – mit Aufnahmen des 9-monatigen erfolgreichen Streiks der Si Cobas aus dem Jahr 2021 bei Textprint, einer Textilfabrik in Prato. Im gleichen Jahr wurde die Textilarbeiterin Luana D’Orazio aus Prato, Mutter von 5 Kindern, mit 22 Jahren von einer Maschine bei der Arbeit in den Tod gerissen. Ich lausche und werde unmerklich an Walter Benjamins Betrachtung „Der Erzähler“ erinnert. Ich schaue über meine Schulter. Ich sitze inmitten der Streikenden. Männer mit muskulösen Oberarmen in der hintersten Reihe.

Alle Augen sind auf die Leinwand gerichtet. Hier wird eine Geschichte erzählt. „Immer häufiger verbreitet sich Verlegenheit in der Runde, wenn der Wunsch nach einer Geschichte laut wird“, schreibt Walter Benjamin. „Es ist, als wenn ein Vermögen, das uns unveräusserlich schien, das Gesichertste unter dem Sicheren, von uns genommen würde. Nämlich das Vermögen, Erfahrungen auszutauschen.“

Die historische Erfahrung, die der Film vermittelt, wird gesprochen von einem Alten des Aufstands, vor kämpfenden ArbeiterInnen. Doch es sind unsere eigenen weltlichen Erfahrungen als ArbeiterInnen, die hier durch den Abstand der Geschichte hindurch mit sanftem Pathos in die Perspektiven der Stadt eingewoben werden. Das Unterste, die Klassenkämpfe in der Stadt, die Mühsal der Arbeit, wird dabei nach oben gekehrt. Die ArbeiterInnen kommen zum Vorschein und beleben mit ihren Schreien und Aktionen die historische Landschaft. Es wird klar, dass das hier, was erzählt wird, ist unsere Zeit.

In traumhaften Sequenzen entsteht mit der Erzählung des erfolgreichen Streiks der Si Cobas eine Utopie zur Zukunft hin. Und Utopie, das ist der Traum einer Sache, dem nur das Bewusstsein fehlt, um sie wirklich zu haben. Mit die schönsten Aufnahmen gelingt – Ciompi – von der Piazza Tasso in Florenz und den umliegenden Strassen. Die typischen Häuser der Ciompi mit zwei bis drei Stockwerken und einem kleinen Hinterhof finden sich dort. Gleich neben der Piazza Tasso liegt der Landschaftsgarten Torrigiani aus dem 18. Jahrhundert im englischen Stil. Damals wie heute ist der Besuch des Gartens den reichen Familien der Florentiner Hierarchie gestattet. Oder man hat das Glück, eingeladen zu werden. Florenz wird von der Sozialdemokratie regiert.

Die Aufnahmen von Florenz sind teilweise bis zu 5 Jahre alt. Mittlerweile hat sich das Stadtbild jedoch weiter verändert. Das ehemalige Arbeiterviertel um die Piazza Tasso wurde innerhalb weniger Jahre gentrifiziert. Es gibt kaum noch eine Ecke in der Innenstad, in der nicht irgendetwas verkauft oder gehandelt wird. Noch vor Covid sammelten sich Jugendliche auf zentralen Plätzen in der Innenstadt, um gemeinsame Abenteuer auszuhecken. Das ist weitgehend Vergangenheit. Restaurants und Absperrungen prägen heute das Bild.

Die Jugendarbeitslosigkeit ist zwar mit 20% noch hoch, doch kein Vergleich zu den 30% von vor 5 Jahren. Zudem hat die faschistische Regierungschefin Meloni kürzlich einen während Covid aufgelegten Sozialfonds für arbeitslose Jugendliche gestrichen. Die Jugend leidet gerade wohl am meisten unter der faschistischen Rhetorik, die das gesamte Land von Links bis Rechts in einer Art Erziehungsanstalt für die Werte von Arbeit und Familie verwandelt. Doch dass der Kapitalismus in Italien durch Repression und Moralpredigten wieder an Dynamik gewinnt, ist unwahrscheinlich.

Der italienische Staat hat zusammen mit Griechenland die höchste Verschuldung in der Eurozone. Gleichzeitig ist das Vermögen italienischer Haushalte gestützt auf den Immobilienbesitz und damit weitgehend fiktiv. Mit dem Anstieg der Zinsen für Hypotheken wird es schwieriger für ArbeiterInnen der sogenannten Mittelschicht, Schulden gegen das eigene Haus aufzunehmen, um flüssig zu bleiben. Es gibt Inflation und stagnierende Löhne. Ein „guter“ brutto-Arbeiterlohn steht bei 1600 Euro pro Monat. Ein gutes Gehalt der oberen Mittelschicht bei 3000 Euro. Die Steuerbelastung beträgt gut 60%. Die Mieten steigen.

Die streikenden ArbeiterInnen von Mondo Convenienza schleppen Küchen 6 Tage die Woche für bis zu 14 Stunden am Tag bei einem Stundenlohn von 6 Euro. Sie verdienen dabei 1149 Euro pro Monat. Ohne angemessene Ausrüstung, bezahlte Überstunden und ohne Beachtung des Arbeitsschutzes. Die Löhne der TextilarbeiterInnen von Textprint lagen bei 3 Euro pro Stunde. Sie arbeiteten 7 Tage die Woche. Drogen, um durchzuhalten, gibt es bisweilen frei Haus.

Als die Bosse das Gelände von Mondo Convenienza verliessen, standen wir aufrecht und schwiegen. Ein junger Arbeiter wandte sich ab. Ich sehe Hass, Abscheu. Im Jahr 2021 wurde der Gewerkschaftler Adil Belakhdim bei einer Blockade von einem durchbrechenden Lkw in einem Industriegebiet der Stadt Novara im Norden von Italien getötet. Im Jahr 2022 wurden die Arbeitskämpfe der SI Cobas des Terrorismus angeklagt und Gewerkschafter aus Piacenza unter Hausarrest gestellt. Dabei fordern die SI Cobas nur, was ohnehin schon ein Mindeststandard im nationalen Arbeitsgesetz ist. Doch das Arbeitsgesetz wird systematisch umgangen. Die Wirtschaftsmacht Italiens basiert auf kleinen und mittelständischen Unternehmen, die vor allem in der Mitte und im Süden Italiens und konzentriert in bestimmten Branchen, wie der Logistik und der Landwirtschaft, mit informeller Beschäftigung konkurrieren. Ein reguläres Lohnniveau können sich viele dieser Firmen nicht leisten.

Angesichts des ganzen Schlamassels denken sich manche Rezensenten der Dokumentation im bürgerlichen Kulturbetrieb eine Welt ohne Arbeit, und vor allem bitte ohne Arbeiterinnen und Arbeiter. Sie rutschen auf den Stühlen und finden, sie hätten keine Zeit für diese Geschichte. Andere sind der Meinung, der Ciompi-Aufstand solle für den Tourismus aufgearbeitet werden. Wieder andere warnen vor der im Film porträtierten Gewalt. Doch mit – Ciompi – hat Agnès Perrais ein intellektuell stimulierendes Werk geschaffen, das uns dazu ermutigt, den Aufstand in der Jetztzeit neu zu denken.

Soweit nicht anders angegeben und keine Quellenangabe (Name einer Organisation oder Internet-Adresse) vorhanden ist, gilt für die Texte auf dieser Webseite eine Copyleft (Public Domain) Lizenz.

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Grafikquellen          :

Oben        —       Il tumulto dei ciompi by Giuseppe Lorenzo Gatteri (18 September 1829 – 1 December 1884)

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König ohne Land

Erstellt von DL-Redaktion am 20. Mai 2023

Nach der Rentenreform: Emmanuel Macron ist zunehmend entrückt. 

Von Harriet Wolff

Es ist ein Symptom dafür, dass die Machtfülle des französischen Präsidenten völlig aus der Zeit gefallen ist. So rigoros Teile Frankreichs die präsidentielle Machtfülle infrage stellen, so wenig Kompromissbereitschaft zeigt sich bislang.

Der französische Staatspräsident ist ein Getriebener, einer, der immer glänzen will, auch wenn es nichts zum Glänzen gibt. Aber vielleicht hilft ja diesmal beten. Gut möglich, dass Emmanuel Macron, der sich mit zwölf Jahren römisch-katholisch taufen ließ, das tat, als er Mitte April die Baustelle der 2019 fast abgebrannten Pariser Kathedrale Notre-Dame besuchte. Am selben Tag noch unterzeichnete er das höchst umstrittene neue Rentengesetz: 

Schrittweise steigt das gesetzliche Rentenalter in den meisten Fällen damit von 62 auf 64 Jahre. Die Beitragsjahre für eine volle Rente steigen auf 43. Das System sei nur so „überlebensfähig“, sagt ­Macron. Millionen in Frankreich haben, teils auch gewalttätig von ­Demonstranten- wie von ­Polizeiseite aus, an bis jetzt 13 landesweiten Streiktagen seit Jahresbeginn gegen die Reform protestiert. Auch viele nicht gewerkschaftlich organisierte Menschen sind dabei.

Der rechtsextreme Rassemblement National (RN) wettert im Parlament gegen die Rentenreform, will es sich aber nicht mit seinen vielen Wäh­le­r:in­nen in der Polizei verderben, die die Demos begleiten müssen. Außerdem ist er dort verständlicherweise nicht erwünscht.
 Anfang Juni soll ein weiterer großer Demotag folgen – zwei Tage bevor eine kleine Fraktion in der Nationalversammlung versuchen wird, das Gesetz doch noch per Abstimmung zu kippen. Eine Aussicht, die der Regierung unter Premierministerin Élisabeth Borne sowie Macron natürlich nicht schmeckt – auch wenn als sicher gilt, dass der konservativere Senat erneut gegen eine Reformaussetzung ist. 
Im März überstand Bornes Regierung zwei Misstrauensanträge. Zuvor hatte die 62-Jährige einen Ver­fah­rens­kniff angewendet – sie umging mit Artikel 49.3 eine Parlamentsabstimmung zur Reform und beschloss so das höhere Rentenalter. Was die meisten ihrer Landsleute seitdem noch stärker gegen sie, aber vor allem gegen Macron aufbringt. Denn klar war, dass Macron qua seiner Machtfülle die Premierministerin dazu gedrängt hatte, autoritär und kompromisslos vorzugehen. Danach segnete auch der Verfassungsrat die Reform ab und verwarf schließlich Anträge auf Volksabstimmungen in der Sache. Nur bedingt vergleichbar mit dem Bundesverfassungsgericht, ist der ­Conseil ­constitutionnel stark politisch geprägt. Staats-, Nationalversammlungs- und Senatspräsidenten ernennen die Mitglieder.


Macron lässt Première Borne, seit einem Jahr im Amt, Mitglied von Macrons eigener Partei Renaissance und eine gestandene Verwaltungsexpertin, regelmäßig im Regen stehen – durch seine Art des alles an sich Reißenden. Gestaltungsspielräume erlaubt er in diesen verfahrenen Zeiten nicht. Funfact am Rande: Vor Weihnachten verkündete der Präsident höchstselbst, dass Kondome für junge Leute bis 25 Jahre ab sofort gratis seien. Tja, wozu hat man ein Gesundheitsministerium? Der Präsident, der 2017 mit dem Motto antrat, einer für alle zu sein, einer, der auf keinen Fall vertikal durchregiert (was man ihm damals schon nicht abnahm), macht momentan als rastloser Pseudoheilsbringer Stippvisiten quer durch Frankreich. Fast schon wäre der im Grunde Dia­log­un­fä­hig­e ein Grund zum Lachen – wäre die Lage in und außerhalb Frankreichs eben politisch nicht so kompliziert. Da helfen auch keine simplifizierenden „100 Tage“, die er nach seiner durchgepeitschten Rentenreform ausrief zur „Wiederbelebung“ Frankreichs bis zum 14. Juli. Und da wird es auch keine schwammige „Reformagenda“ richten.

Gelang es Macron nach den Gelbwestenprotesten durch seine Erfindung einer, letztlich rein symbolisch gebliebenen, nationalen „großen Debatte“, 2019 kurzfristig wieder Oberwasser zu bekommen und zumindest seine Fanbasis zu konsolidieren, so nimmt ihm echtes Interesse an seinen Landsleuten diesmal niemand mehr ab. Zunehmend kommt auch Kritik aus der eigenen Partei. So meinte kürzlich der Abgeordnete Ludovic ­Mendes in Le Monde, dass man sich intern eine kritische Debatte verbiete, „obwohl wir doch keine Ideen mehr haben und die Mitstreiter verlieren“.

Gut möglich, dass sich Renaissance darob vor den Wahlen 2027 auflöst – Macron darf qua Verfassung kein drittes Mal antreten. Präsidentschafts­ambitionen haben wohl unter anderen der Ex-Premier und heutige Bürgermeister von Le Havre Édouard Philippe und der seit 2017 amtierende Finanzminister Bruno Le Maire. Wer von den konservativen und tief zerstrittenen Republikanern einst ins Rennen ziehen wird? Nicolas Sarkozy sicher nicht; er wurde gerade wieder zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, gegen die er noch einmal Berufung einlegt. Die früher mächtigen Sozialisten dümpeln richtungslos im linken interfrak­tio­nellen Sammelbecken NUPES vor sich hin, ähnlich wie EELV, die französischen Grünen. Und die Götterdämmerung von Jean-Luc Mélenchon, der als linker, volkstribunartiger Kandidat von La France insoumise nur knapp die Stichwahl 2022 verpasste, die hat parteiintern zum Glück definitiv begonnen.

Frankreich, dessen Wirtschaft trotz allem im Aufwind ist, ist spürbar in einer politischen, einer sozialen Krise. Und diesem Präsidenten, der anders als hierzulande mit kolossaler Wirkungs- und Gestaltungsmacht ausgestattet ist und eigentlich die Nation befrieden müsste, fällt nichts Besseres ein, als jüngst in einem Bür­ge­r:in­nen­in­ter­view erneut seinen polemischen Satz: „Arbeit findet man, man muss nur über die Straße gehen“, zu bekräftigen.

Hier unterscheiden sich alle Politiker-innen nicht – sie sind zu faul auch nur einen Finger zu krümmen.

Die Krise ist vielschichtig: Sie ist unter anderem eng verbunden mit Macrons Hybris. Die goutiert die Gesellschaft, konkret das wachsende Prekariat und die abstiegsgefährdete Mittelschicht, auf Dauer nicht – Macron dringt außerhalb seiner bröckelnden Stammwählerschaft (knapp 25 Prozent der Französ:innen, davon viele über 65 Jahre) nicht mehr durch. Er scheint vergessen zu haben, dass ihm seine Wiederwahl in erster Linie nicht gelang, weil man ihn so fähig fand, sondern nur, weil zumindest 2022 noch gerade so der Abwehrreflex gegen einen Sieg Marine Le Pens vom rechts­ex­tre­men RN funktionierte. Le Pen wird wohl zum vierten Mal 2027 kandidieren. Momentan liegt ihre Partei, die derzeit 88 von 577 Parlamentssitzen innehat, beunruhigend stark im Aufwind. Sie präsentiert sich, auch durch das smarte Auftreten ihres neuen 27-jährigen Vorsitzenden Jordan Bardella, geschickt im Schatten der aktuellen Proteste und gibt sich als Hüterin des vermeintlich guten alten Frankreichs. Ihr sozialer Anstrich kaschiert die rechtsextremen Positionen etwa zu Migration oder Kriminalität.

Frankreichs Krise ist aber auch eine des politischen, stark zentralistischen Systems. Viele Menschen stellen sich dort die drängende Frage, ob die Verfasstheit der sogenannten Fünften Republik noch zeitgemäß ist und modernen Anforderungen an eine Demokratie genügt. Diese Fran­zö­s:in­nen haben recht. Der Präsident hat zu viel Macht, das Parlament und die Regierung zu wenig. Die Fünfte Republik, die mittlerweile 65 Jahre auf dem Buckel hat, sollte perspektivisch abgelöst werden – von einer Sechsten Republik, erdacht von einer paritätisch besetzten Verfassungsversammlung, die den Kompromiss, die Koalitionenbildung und ein Verhältniswahlrecht fördert. Diese Debatte wird zumindest im linken Meinungsspektrum geführt.

Doch Achtung, Politik und soziale Ak­teu­r:in­nen fremdeln in Frankreich oft heftig mit dem Wesen von Kompromissen – ein Fakt, der im hinkenden Vergleich des deutschen Regierungs- und Sozialstaatssystems mit dem französischen beachtet gehört. Soll polemisch heißen: So rigoros Teile Frankreichs etwa die präsidentielle Machtfülle infrage stellen, so wenig Kompromissbereitschaft zeigt sich bislang letztlich in der DNA Frankreichs. Hierarchisches Denken ist schlicht noch stark verankert.

Quelle         :           TAZ-online          >>>>>         weiterlesen

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Oben           —     Manifestation contre la réforme des retraites 2023 à Paris le 11 février. Affiche.

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Ein neuer Frühling

Erstellt von DL-Redaktion am 3. Mai 2023

1. Mai und Gewerkschaften

Ein Debattenbeitrag von Esther Lynch

Beschäftigte in Europa wehren sich gegen niedrige Löhne und steigende Lebenshaltungskosten. Aber für die Gewerkschaften bleibt noch viel zu tun.

Der 1. Mai ist für uns ein Tag zum Feiern. Aber wir erheben auch Einspruch. Am Tag der Arbeit feiern wir die Erfolge der Gewerkschaftsbewegung. Unsere erfolgreiche Kampagne für den Acht-Stunden-Tag stand am Beginn des internationalen Tags der Arbeiterbewegung. Und wir bleiben der Tradition der Gründer unserer Bewegung treu, wenn wir weiter konkrete Verbesserungen der Bedingungen für arbeitende Menschen fordern.

Kurz vor dem 1. Mai 1913 schrieb Rosa Luxemburg in einem Artikel, dass „das Gespenst der Teuerung (…) ein flammendes Zeugnis für die lebendige Wahrheit und die Macht der Ideen der Maifeier“ sei. Deshalb hat die europäische Gewerkschaftsbewegung in diesem Jahr erst recht einen Anlass, auf die Straße zu gehen. Alarmierend steigende Lebenshaltungskosten werden von Unternehmen verursacht, die auf zynische Weise die Preise und ihre Profite immens steigern und dies auf Versorgungsprobleme schieben, die durch die Pandemie und den Krieg in der Ukraine entstanden seien. Gleichzeitig müssen Beschäftigte den größten Reallohnverlust seit Beginn des Jahrhunderts hinnehmen.

Nichtsdestotrotz wurde nur in einer Handvoll europäischer Länder eine Übergewinnsteuer auf solche zusätzlichen Profite eingeführt. Ich nenne diese Teuerung ja lieber „Gierflation“. Aber viele führende Politiker sind abermals entschlossen, die breite Bevölkerung für eine weitere Krise bezahlen zu lassen, an der sie keinerlei Schuld tragen. Austerität 2.0 kommt auf uns zu: Politiker fordern Lohnzurückhaltung, gleichzeitig schießen die Zinsen in die Höhe, Macron setzt in Frankreich auf undemokratische Weise eine Rentenreform durch, und in Dänemark wird ein Feiertag gestrichen.

Aber wir sehen heute in Europa auch, dass die Menschen sich wehren. Ein Dutzend Mal haben die Beschäftigten in ganz Frankreich gestreikt. Großbritannien erlebte 2022 die ausgedehntesten Arbeitskämpfe seit den 1980er Jahren, und in Deutschland kam es Ende März zum „Super-Streiktag“. Krankenpflegerinnen in Lettland, Arbeiter in tschechischen Reifenfabriken und Transportarbeiter in den Niederlanden haben sich in den vergangenen Monaten erfolgreich eine bessere Bezahlung erstritten.

Gewerkschaften wehren sich auch erfolgreich gegen Taktiken, die Organisierung in weiteren Betrieben zu verhindern. Beschäftigte bei Amazon in Deutschland haben immer wieder gegen die Arbeitsbedingungen dort gestreikt, in Großbritannien in diesem Jahr erstmals. Überall in Europa organisieren sich die Beschäftigten und erringen Erfolge. Wir können an diesem 1. Mai stolz sein. Die Herausforderung ist jetzt, aus diesem Frühling der Arbeiterbewegung dauerhafte Verbesserungen zu erstreiten.Deshalb wird eine Erneuerung der Gewerkschaftsbewegung beim Kongress des Europäischen Gewerkschaftsbunds in diesem Monat oberste Priorität haben. 1.000 Delegierte und Teilnehmer, die mehr als 45 Mil­lio­nen Beschäftigte repräsentieren, werden nach Berlin kommen und einen Aktionsplan für die kommenden vier Jahre beraten.

In zwei Dritteln aller EU-Mitgliedstaaten liegt der Mindestlohn unter der Armutsgrenze

Noch immer profitieren zu wenige Beschäftigte von den Vorteilen gewerkschaftlicher Organisierung und tariflich abgesicherter Arbeitsverhältnisse. Sie erhalten in der Regel eine höhere Entlohnung als in Betrieben, in denen die Arbeitgeber allein die Löhne festlegen. In Deutschland sind 52 Prozent der Beschäftigten über Tarifverträge abgesichert, aber in der Hälfte der EU-Mitgliedstaaten liegt diese Quote unter 50 Prozent. Der Europäische Gewerkschaftsbund hat sich bereits erfolgreich für eine EU-Richtlinie zu angemessenen Mindestlöhnen eingesetzt.

In zwei Dritteln aller EU-Mitgliedstaaten liegt der Mindestlohn unter der Schwelle, an der den Beschäftigten das Abrutschen in die Armut droht. Deutschland gehörte auch dazu, bis der Mindestlohn auf 12 Euro erhöht wurde – ein Beispiel, dem andere EU-Staaten folgen sollen.

Quelle        :         TAZ-online          >>>>>      weiterlesen

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Oben        —     Wien Hauptbahnhof, Hinweis auf Auswirkungen eines Streiks in Deutschland.

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Macrons – Rentenpolitik

Erstellt von DL-Redaktion am 4. April 2023

Der Staat und die Reproduktion des globalen Kapitals

File:Manifestation contre la réforme des retraites, Paris, le 28 mars 2023 — 44.jpg

Quelle     :     Untergrundblättle – CH

Von   :   Morteza Samanpour

Das Beispiel der Neuregelung des Rentenalters in Frankreich. Die Weigerung der französischen Regierung, der Forderung und dem öffentlichen Willen in der Rentenfrage nachzukommen, die derzeit durch eine Art „Ausnahmezustand“ gelöst wird, ist nicht nur spezifisch für Macron und die neoliberalen Kräfte der französischen Gesellschaft.

Sie zeigt auch grössere Veränderungen in den Funktionen von Regierung und Politik sowie eine Veränderung im Verhältnis der Regierung zum Kapital an.In Frankreich sind in den vergangenen Wochen Millionen Menschen in mehr als 250 Städten auf die Strasse gegangen, um Nein zu den neoliberalen Rentenreformen der Macron-Regierung zu sagen. Zusätzlich zu den Strassenprotesten haben öffentliche Streiks weite Teile der französischen Gesellschaft einbezogen: Lehrer:innen, Krankenschwestern, Hafen- und Flughafenarbeiter;innen und Energiearbeiter:innen, Schüler:innen und Studierende, Beschäftigte im städtischen Nahverkehr usw. verweigerten an vielen Stellen die Arbeit.Durch die Weigerung der Arbeiter:innen der Stadtreinigung, den Müll zu sammeln, türmen sich in Paris bereits 7.000 Tonnen Müll auf dem Strassenboden, dessen Gestank die Tiefe der öffentlichen Unzufriedenheit widerspiegelt und vom Verfall der virtuellen Demokratie erzählt. Dies ist nicht das erste Mal, dass die Nicht-Privilegierten, Gewerkschaften und unabhängige Organisationen der Linken in Frankreich gegen Rentenreformen kämpfen. Im Dezember 2019, kurz vor Beginn der Corona-Pandemie, kam es aus Protest gegen die neoliberale Rentenpolitik zum grössten Streik in der Geschichte Frankreichs seit Mai 1968, Die Pariser U-Bahnen stellten den Betrieb für mindestens einen Monat ein. Aber welches Ergebnis hatten die jahrelangen Kämpfe und Proteste gegen die Änderung der Rentengesetze?Unter völliger Missachtung der lauten Stimmen der Demonstranten und gegen das Gesetz und den Willen des Parlaments billigte die Regierung Macron am 16. März 2023 die „Rentenreform“ per Dekret unter Berufung auf den Verfassungsartikel 49.3. Schon einmal hatte Macron diesen juristischen Trick angewandt und die Wut gegen die neoliberale Änderung des Arbeitsrechts einfach übergangen. Damit hat Macron die Gesellschaft einmal mehr ausgetrickst und verhöhnt!

Was bedeutet eine solche Missachtung der Regierung gegenüber Arbeiter:innen, Gewerkschaften, Demonstrant:innen und zumindest den Oppositionsfraktionen im Parlament? Was sagt diese Form des neoliberalen Autoritarismus über die Rolle und die Stellung des Staates im zeitgenössischen Kapitalismus aus? Welche politischen Lehren kann man daraus für die Organisierung ziehen?

Dieser Text versucht zu zeigen, dass die Weigerung der französischen Regierung, die Forderung und den öffentlichen Willen in Bezug auf die Rentenfrage zu akzeptieren, die derzeit durch eine Art „Ausnahmezustand“ gelöst wird, nicht nur spezifisch für Macron und die neoliberalen Kräfte der französischen Gesellschaft ist: sie weist auch allgemein auf grössere Veränderungen in der Funktion von Regierung und Politik und eine Veränderung im Verhältnis zwischen Staat und Kapital hin. Diese Veränderungen können auch etwas zum Verständnis der kapitalistischen Verhältnisse im globalen Süden beitragen.

Von der Wohlfahrts- und Entwicklungsregierung bis zur Integration in das globale Kapital

Sehen wir uns zuerst kurz und knapp die schädlichen Auswirkungen von Macrons Rentenreformgesetzen an. Das Rentenalter wird von 62 auf 64 Jahre angehoben, und damit werden die Subalternen bis in ihre letzten Lebensjahre als Lohnsklaven:innen gehalten, die bis zu ihrem Tod ihre Arbeitskraft auf dem hart umkämpften Markt verkaufen müssen.

Aus einer Sicht existenzieller sozialer Rechte bedeutet dies, dass die herrschende Klasse Zeit, Leben und Arbeitskraft der Lohnempfänger:innen nutzt, um die Verwertung des investierten Kapitals so weit wie möglich zu steigern und sich gesellschaftliche Erträge privat anzueignen 1. Nicht umsonst haben die existenzielle Sorgen um Themen wie Leben und Tod mit der Reduzierung menschlicher Lebensmöglichkeiten im Rahmen kapitalistischer Kostenüberlegungen dramatisch zugenommen. Abgesehen von diesen „philosophischen“ Fragen wird der Mutterschaftsurlaub nach den neuen Gesetzen nicht als Teil der Arbeitsjahre gezählt, und wie bei allen Angriffe des Kapitals auf die gesellschaftliche Reproduktion sind es die Frauen, die den höchsten Preis zahlen.

Kurz gesagt, das Ergebnis solcher Reformen ist nichts anderes, als die gesellschaftliche Reproduktion noch schwieriger zu machen; während im Bereich existenzieller Bedürfnisse seit Jahren eine umfassende Krise vorangetrieben wird, die im Kern ein privatkapitalistischer Verwertungsangriff (Kommodifizierung) auf Wohnen, Bildung und Gesundheit ist, mussten sich Millionen Menschen zur Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse bereits verschulden und daher in Not geraten sind.

Aber die zentrale Frage ist: Wie kann der französische Präsident dieses Gesetz in einer sogenannten „demokratischen“ Gesellschaft trotz weit verbreiteter und vielfältiger Proteste durchbringen? Vielleicht ist es hier hilfreich, auf die charakteristische historische Natur und Funktion des Staates im zeitgenössischen Kapitalismus zu achten; Eine Frage, die über die besonderen Merkmale der französischen Gesellschaft hinausgeht. Seit Jahrzehnten sind die Nationalstaaten auf der ganzen Welt zu Ausführenden des transnationalen Kapitals, insbesondere des Finanzkapitals, geworden, und ihre Funktion als Institutionen, die für die Reproduktion des Kapitals verantwortlich sind, hat gravierende Veränderungen erfahren. Ein – wenn auch knapper – Vergleich mit der historischen Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg macht die Sache etwas klarer.

Der Wohlfahrtsstaat in Westeuropa und Nordamerika war neben der Bereitstellung öffentlicher sozialer Dienstleistungen für die Bürger auch für die Repräsentation des nationalen Industriekapitals verantwortlich, d.h. für die Bereitstellung der wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Bedingungen für die umfassende Reproduktion des Produktivkapitals. Auf globaler Ebene reifte das, was Marx im Kapital das soziale Gesamtkapital nannte, aus der Einheit der nationalen Kapitalien – Kapitalien, die in geopolitischer und wirtschaftlicher Konkurrenz mit anderen nationalen Staaten und Kapitalien neben eigener nationalen Staaten standen2.

Der Aufstieg des transnationalen Kapitals mit der Herrschaft des Finanzkapitals als dominierender Fraktion des Kapitalismus verändert auch die Rolle und Funktion des Staates: anstatt die Interessen des national-industriellen Kapitals zu vertreten, übernimmt der Staat die Rolle der Integration in das transnationale Kapital, insbesondere das Finanzkapital. Die politischen Folgen einer solchen wesentlichen Veränderung für den nationalen Staat, der den Raum für die Reproduktion des transnationalen Kapitals bietet, sind enorm und zielen letztendlich auf die Zerstörung der demokratischen Kräfte der Gesellschaft.

In Frankreich zum Beispiel gab es keinen Mangel an sozialen Bewegungen, die sich im letzten Jahrzehnt gegen neoliberale Gesetze und Deregulierungen formierten und sich in kontinuierlichen und umfangreichen Kämpfen engagierten: von? Nuit debout? bis zu Gelbwesten, von Kämpfen gegen Arbeitsgesetze und gegen die Rentenreformen. Und das Ergebnis? Unterdrückung der Bewegung mit umfassender Polizeibrutalität (Blinden, Verhaften und Einsperren usw.) und schliesslich die Erschöpfung der wütenden Menschen über einen langen Zeitraum.

Auf der anderen Seite der Welt, in der damals sogenannten „Dritten Welt“, war der zentrale Begriff für den postkolonialen Staat die „Entwicklung“: das Wachstum der industriellen Produktivkräfte und die wirtschaftspolitische Unabhängigkeit von Ost und West3. Der aus der Biologie stammende Begriff der Entwicklung, der bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht und sich auch in Hegels eurozentristischer Geschichtsphilosophie manifestiert, war einer der Zeitbegriffe (Temporalität), die in der Geschichte des Kolonialismus eine besondere Rolle spielten. Durch den Begriff der Entwicklung wurde der Kolonialismus historisch gerechtfertigt: Die kolonialisierten Gesellschaften wurden als Gesellschaften dargestellt, die nicht in der Lage seien, „zivilisatorisch fortschrittliche“ Potenziale zu entwickeln (oder zu verwirklichen).

Diese Gesellschaften mussten daher von aussen und durch die Gewalt der Kolonisatoren missioniert und erneuert werden. In der postkolonialen Ära nach dem Zweiten Weltkrieg und mit der Veränderung der Bedeutung von Entwicklung durch die Vereinigten Staaten – der sogenannten „Truman-Doktrin“ – wurde der Begriff der Entwicklung von seinen kolonialen Konnotationen gelöst und von den Staaten der sogenannten Dritten Welt selbst akzeptiert: Also war Entwicklung nun ein nationales Projekt für Wirtschaftswachstum, Wohlstand und Besiedlung sowie kulturellen und politischen Fortschritt, insbesondere bei der Verleihung von Bürgerrechten.

Als Khomeini 1979 – direkt nach seiner Rückkehr in den Iran – über kostenloses Wasser, Strom und Gas für die „armen Klassen“ sprach, und als er sagte: „wir werden Euch auf den Stand der Menschheit bringen“, wurden seine Worte im Kontext der historischen Ära der „Entwicklung“ verstanden; Eine Ära, die jedoch kurz vor der Revolution 1979 zu Ende gegangen war oder abgebaut wurde. Entwicklung als postkolonialer Traum und politisch-ökonomisch-kulturelles Projekt sollte mit seiner Verwirklichung durch den nationalen Staat in nicht allzu ferner Zukunft die Wunden des Kolonialismus in der historischen Vergangenheit heilen. Die „Dritte Welt“ sollte den Punkt erreichen, an dem der Westen historisch stand, durch den Tunnel der Zeit und basierend auf dem linearen und forschungsorientierten Geschichtsbild, das seine Wurzeln im Zeitalter der Aufklärung hatte.

Diese Träume, für die auch die anti-kolonialen Bewegungen weltweit gekämpft hatten, wurden aber nicht nur durch die Hände des Westens und des Imperialismus, sondern ab den 1970er Jahren von postkolonialen Regierungen im Einvernehmen mit den supranationalen Finanzagenturen IWF, Weltbank und privaten Investoren zerstört: also durch die gewaltsame und möglichst vollständige Integration der nationalen Ökonomie in den fremdbestimmten Weltmarkt. Die Mission des „Entwicklungslandes“ änderte sich von der „Entwicklung“ zur Integration in einen global-hierarchischen Kapitalismus. Soziale und politische Rechte, Wohlstand, Wirtschaftswachstum und Sicherung der Grundbedürfnisse sind zu ideologischen und leeren Wörtern geworden. Nicht nur wurden die Wunden des Kolonialismus nicht geheilt, sondern auch das Erbe des Kolonialismus wurde von den postkolonialen „nationalen“ Staaten genutzt, um sich in das globale Kapital zu integrieren.

Vom Mythos zur Realität der liberalen Demokratie

Die Geschichte des zeitgenössischen Kapitalismus, der die globalen Machthierarchien vertieft und die globalen Ungleichheiten in beispielloser Weise verschärft hat, hat gezeigt, dass die sogenannten „sich entwickelnde“ Gesellschaften sich keinem selbst entwickelten Ziel nähern, sondern ihre Gesellschaften ausgeliefert sind. Westeuropa und Nordamerika haben kein historisches Modell und keinen Massstab für historische Zeit (Zeitlichkeit), die andere Gesellschaften nachvollziehen könnten. Die Verneinung einer homogenen, linearen und segmentierten historischen Zeit, die in der Aufklärungsbewegung und der Philosophie Hegels wurzelt, ist nicht nur ein Produkt postkolonialer Studien, sondern wurzelt in der objektiven Realität aus der Bewegung des globalen sozialen Widerspruchs im Kapitalismus.

Datei:Manifestation contre la réforme des retraites, Paris, le 28 mars 2023 — 37.jpg

Waren es früher Faschismus und Krieg, die in den Werken von Bloch, Benjamin und Adorno die europäische Philosophie der linearen Zeit in Frage gestellt haben, so ist es nun das Erbe des Kolonialismus und der globalen Ungleichheiten, die die Zeitphilosophie zwangen, die Pluralität historischer Zeiten zu akzeptieren. Im Gegensatz zum kulturellen Pluralismus der Postkolonialisten:innen wird diese Pluralität historischer Zeiten aktiv vom Kapital bzw. dem prozessierenden sozialen Antagonismus geschaffen. Die historischen Entwicklungen der heutigen Welt haben auch gezeigt, dass der Kapitalismus keinen logischen Zusammenhang mit der Demokratie hat, auch nicht in Form einer formalen Demokratie, d. h. Gleichheit vor dem Gesetz und Bürgerrechten.Weder die religiöse autoritäre Diktatur (mit der Brutalität der Revolutionsgarden) in der Islamischen Republik sind getrennt vom kapitalistischen Körper, noch der Autoritarismus der Macron-Regierung mit seinen Verstössen gegen die Demokratie in Frankreich. Die Berichterstattung über die Gelbwesten in Radio und Fernsehen der Islamischen Republik Iran als Beweis für die Tiefe der Krise und die Repression der Demonstranten:innen im Westen ist ebenso absurd und lächerlich wie die liberale Erzählung des französischen Fernsehen vom revolutionären Jina-Aufstand im Iran als eine Bewegung, die einen Rechtsstaat wie in Frankreich anstrebt. Wenn es im Kapitalismus Rechte gibt, sind sie das Produkt von Geschichte und Klassenkampf im weitesten Sinne. Ja, es stimmt, dass der Kapitalismus Lohnarbeit auf der allgemeinen Ebene voraussetzt, aber er endet nicht notwendigerweise mit „freier“ Lohnarbeit4.

Fazit

So wie die Ära der Entwicklung im globalen Süden seit Jahrzehnten vorbei ist, so ist auch im globalen Norden die Zeit nationaler Wohlfahrtsstaaten längst vorbei. Das Kapital erreicht seine Einheit nicht mehr auf nationaler Ebene. Neben der Neugruppierungen des Kapitals schafft der Staat vor allem die Bedingungen für die Reproduktion des transnationalen Kapitals durch Deregulierung und Neoliberalisierung der Wirtschaft. Das Finanzkapital spielt dabei die entscheidende Rolle für die Herstellung eines Massstabs der globalen Profitraten.

Die Globalisierung des Kapitals bedeutet daher gerade keinen Verlust der Macht des Staates gegenüber scheinbar transnationalen feindlichen Kräften, sondern er erlangt eine doppelte neue Bedeutung: der Staat hat nun entscheidende Aufgaben bei der Integration des nationalen Raums und wie auch der nationalen Zeit in den globalen Kapitalraum. Das sind zwangsläufige Folgen der Entnationalisierung des Territoriums und der gesellschaftlichen Zeiten, die traditionell davon abhängen. Mit einem Wort, die Mission des nationalen Staates in der historischen Gegenwart ist nichts anderes als die Denationalisierung der Wirtschaft als Voraussetzung für den Eintritt in den globalen Markt und die Reproduktion des globalen Kapitals.

Deswegen wird der Wille des „Bürgers/ der Bürgerin“ immer mehr beiseite geschoben, und die Exekutive des Staates geniesst eine doppelte Macht im Vergleich zu Legislative und Kontrollinstitutionen. Im globalisierten Zeitalter verschwindet der Staat nicht, sondern seine Funktion und sein Wesen, insbesondere seine herausgehobenen Institutionen wie die Regierung, werden neu definiert. Mit Frankreichs Verfassungsartikel 49.3 kann die Regierung der Legislative die Macht auf trickreiche Weise entziehen und Gesetze willkürlich durchbringen. Er besagt, dass ein von der Regierung unter Berufung auf ihn eingebrachtes Gesetz als angenommen gilt – es sei denn, ein innerhalb von 24 Stunden eingereichter Misstrauensantrag gegen die Regierung erhält eine Mehrheit.

Er darf nur drei Mal pro Sitzungsperiode angewandt werden. Allerdings gibt es eine Ausnahme: wenn sich das geplante Gesetz auf das Staatsbudget bezieht – und das ist auch bei der Rentenreform der Fall. Die formale liberale Demokratie ist unter solchen Bedingungen tot, weil die Menschen nicht in der Lage sind, durch Wahlen und parlamentarische Vertretung politisch an ihrem kollektiven Schicksal teilzunehmen. Der Autoritarismus der französischen Regierung ist nicht nur Macron eigen, sondern dem Staat im zeitgenössischen Kapitalismus eigen.

Organisation und Politik von unten stehen in einer solchen Situation vor grossen Herausforderungen. Die objektive Situation diktiert die populäre Politik, sich so weit wie möglich von der parlamentarischen Demokratie und der rechtlichen Intervention zu distanzieren und stattdessen dem Staat und der herrschenden Klasse gesellschaftspolitisch entgegenzutreten. Dies ist ein Thema, das in Zukunft einer gesonderten Diskussion bedarf.

Morteza Samanpour

Fussnoten:

1 Nach Macrons neoliberalen Gesetzen wird die Zahl der Versicherungsprämienjahre von 41 auf 43 steigen. Das bedeutet, dass eine Person im Alter von 64 Jahren nur dann Anspruch auf eine volle Altersrente hat, wenn sie 43 Jahre gearbeitet hat.

2 Siehe den letzten Teil des zweiten Bandes von Marx‘ Kapital.

3 Sandro Mezzadra and Robert Neilson, The Politics of Operation: Excavating Contemporary Capitalism (Durham and London: Duke University Press, 2019)

4 In Frankreich mussten Frauen bis 1965 eine offizielle und gesetzliche Erlaubnis ihrer Ehemänner einholen, um arbeiten zu dürfen. Als Marx das Kapital (1867) veröffentlichte, waren die Disziplinar- und Strafvorschriften für die Beendigung des Arbeitsvertrags umfangreich, in dem Sinne, dass Einzelpersonen einen Vertrag frei schliessen, aber nicht davon zurücktreten konnten. Dies sind nur historische Beispiele, um den Mythos des Kapitalismus als Gleichheit vor dem Gesetz zu negieren, was einer gesonderten Diskussion bedarf, um im Detail analysiert zu werden.

Erstveröffentlichung auf Farsi

Author Jules*         /       Source    :    Own wirk        /        Date     :    28 March 2023, 16:55:36

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Unten         —      Dans le cortège parisien de la manifestation du 28 mars 2023 contre la réforme des retraites.

Verfasser Jules*         /     Source    :      Own work      /       Date    :      28. März 2023, 16:27:28

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Paris und Feuer-lahmes Berlin

Erstellt von DL-Redaktion am 2. April 2023

’Paris’ brennt und ’Berlin’ ist lahmgelegt.
Bürgerprotest im deutsch-französischen Ländervergleich

Von Dr. Nikolaus Götz

Fast gleichzeitig ist es im Frühjahr 2023 in der Französischen Republik und in der Bundesrepublik Deutschland zu größeren sozialen Auseinandersetzungen gekommen. Während jedoch das Verlangen der deutschen Protestler um eine bessere Entlohnung für Ihre Arbeitsleistungen eher friedlich in den gewerkschaftlich-staatlichen Interaktionsstrukturen verläuft, kam es bei den französischen Protesten wegen der Rentenreform sofort zu Massendemonstrationen mit Gewaltausschreitungen. Die auf Erregungsjournalismus getrimmte Berichterstattung der Massenmedien orientierte sich deshalb eher auf das „brennende Paris“ mit ’action’, als dass sie den nur ’Konsumenten am Bildschirm’ das „lahmgelegte Berlin“ mit den ’deutschen Trillerpfeifen’ zeigte. Dem politisch aufmerksamen Betrachter fallen jedoch nicht nur die offensichtlichen Unterschiede bei der medialen Berichterstattung auf, sondern er kann auch nationale Unterschiede zwischen Deutschen und Franzosen in der jeweils angewandten Strategie der Konfliktlösung erkennen.

„Jede Gegenwehr ist berechtigt“, schreibt ein ’Autonomer’ in einer Onlinezeitung (1) bei der Beschreibung der aktuellen französischen Krawalle, die gewisse „Casseurs“ (2) nicht nur in Paris, sondern auch in Bordeaux, Marseille oder anderswo in Frankreich veranstalten. Bei sozialen Protesten versammelt sich „der französische Bürger“ direkt auf der Straße. So verlässt er sein individuelles Zuhause, wechselt damit seinen Status vom ’Privatmann’ zum ’Citoyen’ und solidarisiert sich nun als politischer Akteur mit seinen gleichdenkenden Landsmännern. Der Franzose braucht dafür überwiegend keine Gewerkschaft oder Partei, die ihm politische Ziele vorgibt. Das versammelte „kleine Volk“ in den Straßen erzwingt sich so die Aufmerksamkeit der „großen Köpfe“, die im repräsentativen parlamentarischen System stellvertretend für „das Volk“ die ’res publica’ erledigen. Damit knüpft die auf dem ’Place de la République’ aufmarschierte französische Volksmasse an ihren traditionellen Geist der „ungezähmten Gallier“ mit der berühmten Revolution von 1789 an. Oftmals jedoch stürzen die heißspornigen Jugendlichen vom vermummten ’Black block’ als ’Kämpfer gegen das Scheißsystem’ ihre übrigen Mitbürger, die aktuell zu 100 000enden friedlich protestierenden Franzosen in die unsägliche Gewaltspirale, die sofort mediale Beachtung findet. Via Fernsehen wird das kolportierte „brennende Paris“ mit seinen Bildern weltweit Symbol für renitenten aber erfolgreichen französischen Bürgerprotest.

Doch “Gewalt erzeugt Gegengewalt“, weswegen es auch in der Deutschen Verfassung legimitierend heißt: „Alle (Staats-) Gewalt geht von Volk aus.“ (3) Der angerichtete Kollateralschaden bei den aktuellen Protesten zwischen den französischen Staatsbürgern und der staatsschützenden Polizei ist wieder unübersehbar und trägt bekanntermaßen eher zur Eskalation eines Konfliktes bei, als dass er die Konfliktursachen lösen würde (4). Dennoch meinen viele Deutsche bewundernd: Die Franzosen wissen sich zu wehren und ihre ’Rechte’ zu erkämpfen, während wir Deutsche nur in der Kneipe herum maulen! Auch jubelt der eingangs zitierte Anonymus offen heraus, dass „Arbeit“ nicht für ihn gemacht ist und, dass das „System“ zu bekämpfen sei. Genau nach dieser Denk- und Handlungsweise haben schon vor der Coronazeit die ’Casseurs’ oder die ’linken’(?) autonomen Schläger der ’Black blocks’ mit dazu beigetragen, die überwiegend friedlichen Proteste der französischen Gelbwesten zu beenden. Bedauerlicher Weise haben diese „nur Krawallbrüder“ die engagierten Bürgerproteste der französischen Gelbwesten damals durch ihre ’Action’ kriminalisiert und so die weitere Teilnahme von politisch aufgeklärten, friedlich protestierenden Franzosen eher verhindert. Dadurch wurden die berechtigten umfangreichen Interessen und die erarbeiteten Korrekturvorschläge am politischen französischen System (5) durch diese „Lustdemonstranten“ zum Erliegen gebracht. Obgleich ’Autonome’ wie dieser Artikelschreiber sich vielleicht in die Tradition des ’revolutionären Syndikalismus’ stellen, stehen sie in Wirklichkeit politisch im Lager der Bourgeoisie, sind contraproduktiv und tragen zur wirtschaftlich-politischen Systemstabilisierung bei. Eigentlich sind sie damit ’rechts’, auch wenn sie das Gegenteil behaupten. Und so brennt „Paris“ wieder, wie denn die Bilder der Massenmedien es dem braven deutschen KonsumCitoyen der Gegenwart abschreckend zeigen. Doch die Mobilmachung der Bürger in Frankreich läuft jetzt erst so richtig an: „Aux armes citoyens, formez vos bataillons….“, ist jetzt überall in Frankreich zu hören (dt.: Zu den Waffen Bürger, bildet eure Bataillone..)!(6)

Dass der französische Bürgerprotest gegen die politische Vorgehensweise ihres Präsidenten Emmanuel Macron berechtigt ist, tritt bei vielen Kommentatoren in den Hintergrund. Um seine Reformpläne der Erhöhung des Rentenalters von 62 auf 64 Jahre durchzusetzen, hat der Präsident der Republik nämlich sogar eine parlamentarische Abstimmung der Regierungsvorlage in der Französischen Nationalversammlung verhindert. Den umgehend folgenden Sturzversuch seiner Regierung durch ein Misstrauensvotum hat er gerade noch überlebt. Auch das politische System von Frankreich ist, so zeigt es gerade der direkt gewählte „Vorsteher“ dieser République Française, keine echte „Volksherrschaft“. Der Repräsentant seines Volkes, der sogenannte „König“ Macron, kann den breit artikulierten Volkswillen die ’volonté de tous’ ignorieren und machen, was er für politisch richtig erachtet. Deshalb ist die aktuelle politische Systemkrise dieser ’levée des masses’ (Massenerhebung) direkt auf ihren Herrscher zurückzuführen. Die um politische Vermittlung besorgten französischen Gewerkschaften raten nun dem Präsidenten Macron, die Rentenreform einfach fallen zu lassen, um eben weiteren Schaden durch die Wut der Volksmasse seiner „république en marche“ auf allen Straßen der französischen Nation zu vermeiden (7). Gut ist, dass der französische „Roi Macron“ das geplante Treffen mit dem englischen König Karl III. abgesagt hat. Dieser besucht nun das friedliche Deutschland, in dem gerade nichts mehr geht und fährt: „Ruhe ist nämlich die erste Bürgerpflicht“, seitdem es Berliner Herrscher gibt! Die im Lohnkampf zu verteilende „tarte des revenues“ (der Einkommenskuchen) ist im deutschen Präsidialpalast Bellevue (Zur guten Aussicht!) schon aufgetischt worden. Ob jedoch „das Volk“ den Kuchen bekommt oder wieder nur „die Großindustrie“, ist in der aktuellen Streiklage noch ungeklärt.

Im März des Jahres 2023 flattern so erneut die bunten Fahnen der Berichtserstattung laut. Mit Paris steht auch Berlin im Blickpunkt der Betrachtung. Nach der schrecklichen Fernsehmanipulation der Corona-Pandemie ab dem März 2020 und dann dem im März 2022 folgenden bösartigen Krieg des Russen gegen das arme ukrainische Volk bläst jetzt ein neuer ’Wind of change’ in die deutschen Fernsehstuben. Nach den kapitalstärkenden Vorberichten der ’Macht um 8’ zur Börsenlage folgen sodann die abwinkenden Expertenerklärungen um eine Gehaltserhöhung’ für die arbeitenden, stets lohnabhängigen ’Proletarier’ in den 16 Bundesrepubliken. Die rein willkürlich vorgenommenen Preiserhöhungen des Warenkorbes und die unverschämte Gewinnsucht des Managements in den international organisierten Wirtschaftsunternehmen mit der sogar angedrohten Hungersnot (sic.) haben zu einem seit langem nicht erlebten, einem verschärften Streik in der Bundesrepublik Deutschland geführt. Zu dieser Tarifverhandlungskrise haben auch die Verteuerungen der Versicherungsbranche und die ungebremste Lust der Banken für ’illegale’ Geldgeschäfte beigetragen: Diese Unternehmen sitzen nämlich alle mit im nun leeren Geldboot der Crédit Suisse. Doch zu solcher Analyse sind die gesendeten Medienexperten nicht fähig! Die deutschen Tarifkämpfe verlaufen ’klassisch’, wobei die Forderung nach Ausgleich der Inflation und der erfolgten Preiserhöhung für alle Arbeitnehmer 10,5% mehr Lohn betragen soll. Und „wie immer“ sind die „da oben“ aber nicht für die „da unten“! Während die Franzosen die ’königlichen’ Verhandlungspartner zur Beschleunigung des Umverteilungsprozesses oftmals nach der bewährten pädagogischen Lehrmethode „Schläge auf den Hinterkopf erhöhn das Denkvermögen!“ festnageln, müssen die Deutschen Gewerkschaften endlich, aber friedlich, das komplette Transportwesen lahm legen – natürlich ausgenommen die Notfalldienste. Bei dem methodischen Empörungsjournalismus erzählen die alten schwarzen Volksempfänger lieber die Mär von „Paris in Flammen“ als über die eher ’trockenen’ Verhandlungsergebnisse der Gewerkschaftsvertreter. Der lustlose Kommentar vom ’Boss der Bosse’, der jedes Mal von „Erpressung“ redet, wird erneut als „brandneu“ dem fast schon eingeschlafenen Deutschen Michel verkauft. Doch „Ausschreitungen“ wie in Frankreich nach dem Motto: „Keine Keilerei ohne Polizei“, gibt es bei den deutschen Biedermännern nicht, zumal die protestbereiten Deutschen sich ihren politischen Unmut oder auch zurückgehaltenen ’Zorn’ vorher beim zuständigen Ordnungsamt genehmigen lassen. Die Frage nach den Gewinnern der aktuellen Krise ist dabei in Deutschland ebenso offen wie in Frankreich. Die mediale Abschlussfrage der Fernsehreporter zielt deshalb erneut in Richtung Westen. Und dort gibt es bekanntermaßen „Nichts Neues“.

Anmerkungen:

1 Siehe: www.untergrund-blättle.ch/politik/europa/frankreich-randale-in-paris-7621.html

2 Unter einem ’Casseur’ (frz.) wird ein ’Schläger’ oder ’Krawallbruder’ verstanden. Diese treten natürlich vermummt auf, um unerkannt zu bleiben, zumal sie (während Demonstrationen) Steine werfen, Autos anzünden oder sonstige als Straftat angesehene Handlungen begehen.

3 „Alle Staatsgewalt geht von Volk aus.“ Vgl.: Grundgesetz der BRD, Artikel 20. Die vom Volkskörper ausgehende Gewalt macht „das Staatswesen“ und nicht etwa ’Gott’ oder ein ’Monarch’. Jean Jacques Rousseau jedoch lehnt alle repräsentativen Staatsinstitutionen ab. Er geht von einer radikalen Unveräußerbarkeit der Volkssouveränität aus.

4 Siehe beispielsweise: www.francetvinfo.fr/meteo/secheresse/mega-bassines-c-etait-des-armes-de-guerre-face-a-des-manifestants-denoncent-avec-emotion-les-manifestants-de-sainte-soline_5735084.html

5 Siehe die Übersetzung aller Forderungen der französischen Gelbwesten bei: GÖTZ, Nikolaus: Die französischen Gelbwesten. Eine Bürgerbewegung mit ihren politischen Forderungen. Saarbrücken 2019 (Veröffentlichte Artikel auf der Onlinezeitung scharf-links.de)

6 Zwischen 650 000 bis 900 000 Demonstranten erwarten die französischen Mainstream Medien, während die Organisatoren von längst die Zahl in Millionen Teilnehmer rechnen (3,5 Millionen nach der Gewerkschaft CGT). Siehe entweder: www.francetvinfo.fr/economie/ retraite/reforme-des-retraites/ direct-reforme-des-retraites-emmanuel-macron-recoit-elisabeth-borne-et-les-cadres-de-la-majorite-ce-midi_5735072.html oder: www.francetvinfo.fr/econo mie/retraite/reforme-des-retraites/infographie-reforme-des-retraites-visualisez-en-un-graphi que-le-record-de-la-mobilisation-de-2023-par-rapport-aux-precedents-mouvements _5632952 . html

7 Vgl: www.francetvinfo.fr/economie/retraite/reforme-des-retraites/direct-reforme-des-retraites-la-france-insoumise-et-les-communistes-refusent-de-rencontrer-elisabeth-borne_ 574 3568.html

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Oben       —     Paris avenue de Clichy grève éboueurs mars 2023

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Zwei gegensätzliche Modelle

Erstellt von DL-Redaktion am 1. April 2023

Streiks machen Schlagzeilen in Deutschland wie in Frankreich.

Reichstagsgebäude von Westen.jpg

Folgen wir unserer Sprache, müssten hier die Gewählten Vertreter der Reichsbürger sitzen. Aber die Politik zeigt schon eigenartige Auslegungen wenn sie sich selber schützen will.

Von  :    JAYRÔME C. ROBINET

Doch Tradition, Funktion und die Ziele der Gewerkschaften in beiden Ländern könnten kaum unterschiedlicher sein. Während deutsche Gewerkschaften die Lage der Ar­bei­te­r:in­nen verbessern wollen, lehnen die französischen Kompromisse ab.

Seit Anfang März sind die Straßen in mehreren Städten Frankreichs mit Müll übersät, Berge von Müllsäcken türmen sich mit ihrem Gestank auf, nach Angaben der Pariser Stadtverwaltung liegen mittlerweile fast 10.000 Tonnen nicht abgeholter Müll in der französischen Hauptstadt. Der Streik bei der Müllabfuhr ist Teil der aktuellen Proteste gegen die Rentenreform. In Deutschland höre ich häufig, dass Frankreich bei sozialen Protesten einen Vorsprung hätte und dass in meiner alten Heimat der Geist der Revolution noch herrschen würde. Nun möchte ich mit diesem Mythos aufräumen. Um zu verstehen, warum Streiks und Demonstrationen in Frankreich nicht wirklich einem „revolutionären Geist“ folgen, müssen wir uns anschauen, wie Gewerkschaften im Unterschied zu Deutschland funktionieren und wie außerdem das präsidentiell-parlamentarische Regierungssystem in Frankreich mitunter einer „präsidentiellen Monarchie“ ähnelt.

Zweifellos sind sowohl in Deutschland als in Frankreich Gewerkschaften legitime Organe zur Vertretung der Interessen von Ar­beit­neh­me­r:in­nen. Hinsichtlich der Organisationsformen wie auch der Ziele und Vorgehensweisen unterscheidet sich die Gewerkschaftsarbeit in den zwei Ländern. Der Politologe René Lasserre beschreibt in einer Essaysammlung die Entstehung und Methoden der Gewerkschaften auf beiden Seiten des Rheins. Der Kontrast sei so groß, dass man in vielerlei Hinsicht sagen könnte, dass es sich eigentlich um zwei gegensätzliche Modelle handelt.

Seit ihren Ursprüngen am Ende des 19. Jahrhunderts steht die französische Gewerkschaftsbewegung unter dem Zeichen des Pluralismus: zum einen der Organisationsformen, darunter Berufssyndikalismus und Industriesyndikalismus; zum anderen der Ideologien, darunter Anar­chis­t:in­nen, Mar­xis­t:in­nen, So­zia­lis­t:in­nen und Chris­t:in­nen. Die Folge der Zerstrittenheit unter den Gruppen waren zahlenmäßig schwache Organisationen. Laut einer vom französischen Arbeitsministerium veröffentlichten Studie lag im Jahr 2019 der gewerkschaftliche Organisationsgrad insgesamt – im öffentlichen und privaten Sektor zusammen – bei 10,3 Prozent. In gewisser Weise sind französische Gewerkschaften eine Minderheitsbewegung.

Dazu kommt nun der vielleicht wichtigste Punkt: Der Syndikalismus in Frankreich ist stark geprägt von einer Tradition des Protests gegen die soziale Ordnung. Im Grunde sind französische Gewerkschaften nicht so sehr ein Mittel zur Verteidigung der Interessen der Arbeiter:innen, sondern sie verstehen sich vielmehr als Instrument zur Umgestaltung des kapitalistischen Systems. Obwohl sich heute die Gewerkschaften in der Grande Nation nicht mehr auf den revolutionären Syndikalismus der direkten Aktion berufen würden, sondern sich in vielfältiger Form am wirtschaftlichen und sozialen Leben beteiligen, bleiben sie dem sozialen Dialog gegenüber misstrauisch. Sie sind weitgehend auf Konfrontation eingestellt, anstatt auf Engagement oder Teilhabe, die ihre Autonomie einschränken könnte. Insbesondere lehnen sie jede Form der Zusammenarbeit mit den Ar­beit­ge­be­r:in­nen oder dem Staat ab, auch wenn diese Zusammenarbeit konstruktiv sein könnte. Das zeigt sich auch darin, dass in Frankreich die meisten Be­am­t:in­nen streiken dürfen.

Im Gegensatz dazu haben sich die deutschen Gewerkschaften im Zuge der Sozialdemokratie von Anfang an als eine relativ homogene Massenbewegung entwickelt. Nach der Aufhebung des Bismarck’schen Verbots im Jahr 1890 und infolge der Industrialisierung Deutschlands bevorzugte man die moderne Form der Industriegewerkschaft. Ab 1914 wurden mächtige und effiziente Organisationen gegründet. Und nun kommt der vielleicht wichtigste Punkt: Am Ende der Weimarer Republik und während der großen Wirtschaftskrise der dreißiger Jahre führten Meinungsverschiedenheiten zwischen So­zi­al­de­mo­kra­t:in­nen und Kom­mu­nis­t:in­nen sowie die Rivalitäten mit den christlichen Gewerkschaften zu einer Schwächung der Gewerkschaftsbewegung und schließlich zu ihrer Kapitulation vor den Nazis. Wie so oft zog Deutschland dann die Lehre aus der Geschichte: Nie wieder schwache Gewerkschaften, die vor dem Staat kapitulieren. So wurde in der Nachkriegszeit die Gewerkschaftsbewegung auf der Grundlage der parteipolitischen Neutralität wiederaufgebaut. Es entstand eine quasi einheitliche Gewerkschaftsbewegung, in der ein großer Mehrheitsverband, der DGB, heute knapp 6 Mil­lionen Mitglieder vereint. Die Tendenz ist sinkend, trotzdem liegt der gewerkschaftliche Organisa­tions­grad insgesamt in Deutschland entscheidend höher als in Frankreich.

Aber die Franzosen haben schon früher ihre politischen Versager in die Verbannung geschickt und machen Heute aus dem Vorraum ihres Palast, einen Platz für Camper. 

Während deutsche Gewerkschaften nun versuchen, die unmittelbare Lage der Ar­bei­te­r:in­nen durch Tarifverhandlungen im Rahmen der bestehenden Gesellschaft zu verbessern, lehnen die französischen Gewerkschaften Kompromisse im Namen einer utopischen Zukunft ab. Wer will, mag hier den revolutionären Geist Frankreichs spüren, in der Sache ist das aber eher kontraproduktiv.

Die Schwäche der Gewerkschaften in Frankreich, ihr Widerwille, Kompromisse einzugehen und damit einhergehende Verpflichtungen anzunehmen, hindert sie daran, eine reale soziale Aufgabe zu übernehmen. Dem Dialog abgeneigt, stellen sie den Konflikt in den Vordergrund: Mit Demonstrationen und Generalstreiks wollen sie den Kapitalismus zum Kippen bringen. Die deutschen Gewerkschaften sind da realistischer.

So ist es kein Zufall, dass die wirtschaftliche und industrielle Situation Frankreichs heute so miserabel ausschaut. Während die deutsche Wirtschaft ihr Wachstumsmodell auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und den Export stützt, setzt die Wirtschaftspolitik in Frankreich auf den Konsum und die Kaufkraft der Haushalte. Der Politikwissenschaftler Felix Syrovatka hält das für den Grund, warum die Deutschen die Rentenreformen besser akzeptiert hätten. Weil für eine Wirtschaft, die auf der Wettbewerbsfähigkeit von Exporten beruht, die Senkung der Lohnkosten wichtiger sei als der Erhalt der Kaufkraft der Rentner:innen.

Aber könnte der starke Rückgang der Industrie in den letzten zwanzig Jahren in Frankreich auch auf die Vorgehensweise der Gewerkschaften zurückzuführen sein? Regelmäßig wird das Land ja für Tage, Wochen oder Monate buchstäblich blockiert. Wir erinnern uns an die Gelbwesten-Bewegung: Drei Jahre später ist es wieder so weit. Wieder wird das öffentliche Leben in Frankreich durch landesweite Proteste eingeschränkt – diesmal gegen die Rentenreform. Stilllegung der wichtigsten Raffinerien, Streik der Müllabfuhr, Ausfälle im Zug- und Flugverkehr, Streik an Schulen, Demonstrationen mit Ausschreitungen und Zusammenstößen mit der Polizei, Bushaltestellen verwüstet und Mülltonnen angezündet – womit das erwähnte Abfallproblem teilweise gelöst ist.

Die Kehrseite der Medaille ist, dass die französischen Gewerkschaftsführungen in Wirklichkeit wenig Gestaltungsfreiraum haben. In Deutschland ist ein Streik nur das letzte Mittel – in Frankreich ist er gewissermaßen eine Vorstufe zu jeglichen Verhandlungen. Gemäß René Lasserre ist die Abneigung gegen den sozialen Dialog in Frankreich nicht nur auf die Gewerkschaften zurückzuführen, sondern sie wird auch von einem nicht unerheblichen Teil der Ar­beit­ge­be­r:in­nen geteilt, insbesondere in den kleinen und mittleren Unternehmen. Dies bleibt nicht ohne Folgen. Denn das erfordert das ständige Eingreifen des Staates, der in der Tat der eigentliche Regulierer und Schiedsrichter der gesellschaftlichen Verhältnisse ist.

Quelle         :         TAZ-online           >>>>>        weiterlesen

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Einigung: Post – Ver.di

Erstellt von DL-Redaktion am 25. März 2023

Tarifabschluss bei der Post – ein Abschluss, der Fragen aufwirft

La grève des mineurs du Pas-de-Calais, 1906.jpg

Quelle       :        Scharf  —  Links

Von  :    Suitbert Cechura

Ein harter Job und schlechte Bezahlung: Auch wenn der Laden brummt, darf man sich nicht zu viel erwarten – die schweren Zeiten verbieten es!

Zu Beginn der Tarifrunde mit dem Post-Konzern – noch vor der ersten Verhandlungsrunde – gab die Verdi-Gewerkschaft ihr Ziel bekannt: „Die Beschäftigten brauchen dringend einen Inflationsausgleich und sie erwarten darüber hinaus eine Beteiligung am Unternehmenserfolg.“ (Pressemitteilung Verdi, 5.1.23)

Die Vorbereitung auf die Tarifrunde lief vorbildlich, mit großer Mobilisierung und Warnstreiks. Die Mitglieder stellten sich mit 85,9 Prozent bei der Urabstimmung hinter ihre Gewerkschaft und stimmten für einen Streik. Statt zu streiken, setzte sich Verdi dann aber mit den Arbeitgebern zusammen und schloss ganz rasch einen Tarifvertrag ab, der weder einen Reallohnverlust verhindert noch eine Beteiligung am 8-Milliardengewinn der Post beinhaltet. Dieses Verhalten der Tarifkommission, die sich für ihren schnellen Erfolg lobte, wirft eine Reihe von Fragen auf.

Von Beginn an ein Abschluss á la IG-Metall oder IG BCE angestrebt?

Auffällig ist, dass die Tarifkommission nach dem Abschluss von den ursprünglichen Zielen offenbar nichts mehr wissen will, wenn sie das Ergebnis schönrechnet und den Erfolg daran festmacht, dass die Gegenseite ihre Angebote verbesserte habe: „Positiv sind die hohe Einmalzahlung im April, die Erhöhung der monatlichen Inflationsausgleichssonderzahlung um 20 Prozent gegenüber dem letzten Angebot der Arbeitgeber und das Vorziehen der tabellenwirksamen Festbetragserhöhung um acht Monate. Mit diesem Tarifergebnis wird unser wichtigstes Ziel, einen Inflationsausgleich insbesondere für die unteren Einkommensgruppen zu schaffen, nach den aktuellen Prognosen der zu erwartenden Preissteigerungsrate erreicht.“ (Andrea Kocsis, Verdi Pressemitteilung, 11.3.23)

Die Inflationsausgleichssonderzahlung von 1020 € gleicht aber den Reallohnverlust des letzten Jahres in keiner Weise aus. Über den teilt Verdi selber mit: „Die Tariferhöhungen in 2021 und 2022 blieben zusammen um fünf bis sieben Prozent hinter der Inflationsrate zurück.“(Verdi, WiPo-Informationen, 1/23) Jetzt mag zwar rechnerisch die ab Mai vereinbarte Ausgleichssonderzahlung von 180 € der offiziellen Inflationsrate entsprechen, nur weiß auch die Gewerkschaft, dass die offiziellen Inflationsraten Durchschnittswerte darstellen und gerade Menschen mit geringem Einkommen, wie viele Postzusteller, von der Inflation stärker betroffen sind: „Inflation ist nicht für alle gleich. Die hohen und weiter steigenden Preise treffen Haushalte mit kleinen Einkommen und mit Kindern besonders stark.“ (WiPo, 1/23)

Hinzu kommt: „Die ‚Inflationsprämien‘ sind zudem – ebenso wie die in den letzten Jahren vereinbarten Corona-Prämien und sonstigen Einmalzahlungen – nicht tabellenwirksam, das heißt sie erhöhen nicht die Ausgangsbasis für künftige Tariferhöhungen und mindern so dauerhaft die Lohnentwicklung und die Kaufkraft. Die Einmalzahlungen fallen weg, aber auch wenn die Inflationsraten in den kommenden Jahren wieder geringer werden, sinkt das Preisniveau insgesamt nicht.“ (WiPo, 1/23)

Also stellen die Sonderzahlungen keine Erhöhung der Tariflöhne dar, ein dauerhafter Reallohnverlust wird damit festgeschrieben. Denn die Tariferhöhung von 15 Prozent war ja auf ein Jahr berechnet und nicht auf zwei Jahre. Eine Verlängerung der Laufzeit hatte Kocsis noch nach der dritten Verhandlungsrunde abgelehnt (Pressemitteilung Verdi, 10.2.23). Nun erfolgt die Tariferhöhung erst im nächsten Jahr und bemisst sich an Prognosen und nicht an den Notwendigkeiten der Beschäftigten.

Mit ihren unterschiedlichen Sonderzahlungen folgt Verdi jetzt ganz der Regierungslinie, an die sich auch die Schwestergewerkschaften von IG Metall und IG BCE gehalten haben. Mit den Steuer- und Sozialabgaben-freien 3000 € als Abfindung für den Verzicht auf Lohnerhöhungen hat die Regierung die Maßstäbe für die deutschen Tarifrunde vorgegeben, die offenbar auch Verdi umsetzen will. Sonst könnten ja noch – man stelle sich das vor – Verhältnisse wie in Frankreich oder Großbritannien einreißen, wo sich die Arbeitervertretungen um die Interessen ihrer Mitglieder kümmern, statt sich an die Regierungslinie zu halten.

Das Wort Abfindung ist hier übrigens wörtlich zu nehmen, sollen sich doch die Arbeitnehmer mit den Reallohnverlusten abfinden und auf einen Ausgleich verzichten, der den Reallohn auf Dauer sichert. Die Gewerkschaften stellen sich so ihrer nationalen Verantwortung bei der Verhinderung des neuerdings wieder aufgetauchten Gespenstes einer „Lohn-Preis-Spirale“. Diese Bezeichnung stellt – man erinnere sich nur an die beiden letzten Jahre – die Welt auf den Kopf, denn es waren die Preise, die auf breitere Front stiegen, und nicht die Löhne, die vielmehr der Entwicklung hinterherhinkten.

Warnstreiks usw.: ein Tariftheater zur Mitgliedergewinnung?

Ging es hier also wieder einmal um ein Tariftheater? Dies vermuteten schon einige Medien im Vorfeld und der Abschluss scheint ihnen Recht zu geben. Offenbar war die ganze Tarifauseinandersetzung nicht auf die Durchsetzung der anfangs formulierten Forderungen gerichtet. Verdi wollte sich vielmehr unübersehbar als die kämpferische Alternative zu den anderen Gewerkschaften präsentieren und so Mitglieder für sich gewinnen. Verdi-Chef Werneke verkündete stolz, „rund 45.000 Neueintritte bei der Gewerkschaft seien nicht zuletzt auf die Tarifauseinandersetzungen beim ehemals staatlichen Unternehmen zurückzuführen“ (Junge Welt, 17.3.23).

Mitglieder und Sympathisanten sollten sich bei den Streikaktionen anscheinend im Gemeinschaftsgefühl ergehen. Man war in der Öffentlichkeit präsent, erntete auch Anerkennung, das war’s dann. Damit die aktivierten Mitglieder nicht auf die Idee der Durchsetzung ihrer Forderungen kommen, wurde der Streik abgeblasen und eine schnelle Vereinbarung präsentiert.

Und jetzt der Abschluss im Öffentlichen Dienst?

Zu erwarten ist, dass Verdi hier seine Mitglieder genauso verschaukelt wie beim Postabschluss und eine Vereinbarung akzeptiert, die statt Reallohnsicherung einen Strauß von Sonderzahlungen bietet – ebenfalls in Übereinstimmung mit der Regierungslinie. Vor der Tarifrunde im Öffentlichen Dienst wurde anscheinend auch kein Abschluss angestrebt, der bei den Mitgliedern zu große Erwartungen weckt.

Schließlich wird bei Verdi-Mitgliedern der Spruch des ehemaligen Vorsitzenden Bsirske kolportiert, der gewarnt haben soll: Wer die Mitglieder auf die Bäume treibt, müsse sie auch wieder runterholen können. Solchen Warnungen kann man entnehmen, dass die Verdi-Funktionäre ihre Mitglieder offenbar als Tarifstatisten behandeln, die sich auf Kommando als Streikkomparsen aufführen, bei Bedarf aber auch wieder brav arbeiten gehen. Das Problem scheint die Tarifkommission zur Zeit wieder bei ihren Mitgliedern zu sehen.

Denn die prekäre Lage ist auch aus Verdi-Sicht klar: „Die zentrale Herausforderung für die Tarifpolitik besteht in diesen Zeiten darin, trotz der starken Preissteigerungen die Realeinkommen der Beschäftigten und ihrer Familien zu sichern. Im Jahr 2022 ist dieses Ziel deutlich verfehlt worden, die preisbereinigten Reallöhne sanken um über drei Prozent, nach der ‚alten‘ Berechnung der Inflationsrate um über vier Prozent. Dies kann der Tarifpolitik allerdings nicht angelastet werden, da ganz überwiegend noch Tarifverträge galten, die in Zeiten der Pandemie bei viel geringeren Inflationsraten abgeschlossen worden waren.“ (WiPo, 1/23)

Und die Verdi-Mitglieder?

Das muss die Gewerkschaft natürlich herausstellen: Die Misserfolge kann man ihr nicht anlasten. Und die Mitglieder müssen es glauben. Aber werden sie sich dieses Ergebnis jetzt bieten lassen? Es liegt an ihnen, in der Urabstimmung zum Tarifabschluss, die noch bis zum 30. März läuft, diese Vermutung entweder zu bestätigen, indem sie Ruhe geben, oder zu dementieren, indem sie dagegen stimmen. Unmut gibt es an der Verdi-Basis durchaus. David Maiwald (JW, 17.3.) hat sich dort erkundigt. „Viele Kollegen wissen“, so äußerte sich ein Postzusteller, „und zwar weil Verdi das kommuniziert hat, dass diese Sonderzahlung langfristig weniger Geld in der Tasche bedeutet. Außerdem wird anteilig auf die Arbeitszeit ausgezahlt“, was gerade bei den Teilzeit- und Abrufkräften weitere Einbußen bedeutet.

Kritische Gewerkschafter (siehe die Homepage: netzwerk-verdi.de) fürchten auch, dass der jetzige Abschluss von der Arbeitgeberseite propagandistisch genutzt wird und die Behauptung untermauert, dass mehr einfach nicht drin ist. Darauf sollte man nicht hereinfallen! Wer natürlich schon beim Aufstellen der Forderung davon ausging, dass wie gewöhnlich bloß die Hälfte und damit ein Reallohnverlust rauskommen wird, der liegt mit diesem Abschluss richtig. Wer sich gegen den Reallohnverlust stemmen will, muss sich mit der Gewerkschaftsführung anlegen.

Zuerst erschienen bei Telepolis

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Oben       —      La grève des mineurs du Pas-de-Calais

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Wann fällt Macron ?

Erstellt von DL-Redaktion am 19. März 2023

Frankreich: Rentenreform um jeden Preis?

Von Steffen Vogel

Es ist eine Kraftprobe mit ungewissem Ausgang: Mit seiner geplanten Rentenreform hat Emmanuel Macron große Teile des Landes gegen sich aufgebracht. Die Gewerkschaften rufen vereint wie lange nicht zu Streiks auf, Millionen Menschen strömen zu den Großdemonstrationen. Bereits zu Beginn waren die Proteste massiver, als es selbst die klassenkämpferische Gewerkschaft CGT erwartet hatte. In Umfragen lehnen drei Viertel der Französinnen und Franzosen das Vorhaben ab. Derzeit ist es sogar alles andere als ausgemacht, dass Macrons Reform bis zum geplanten Abschluss der parlamentarischen Beratungen am 27. März eine Mehrheit in der Nationalversammlung finden wird.

Das stellt den französischen Präsidenten vor ein gewaltiges, aber zu einem guten Teil selbstverschuldetes Dilemma: Macron hat seine politische Glaubwürdigkeit an das Gelingen dieser seiner wichtigsten innenpolitischen Reform geknüpft. Daher steht und fällt mit ihr auch seine Bilanz als Staatschef. Kapituliert Macron vor dem Volkszorn, wird er unweigerlich als gescheiterter Modernisierer gelten. Schaltet er hingegen auf stur und setzt die Reform gegen den Mehrheitswillen und am Ende nötigenfalls sogar per Dekret durch, riskiert er eine weitere Spaltung des Landes, zulasten der französischen Demokratie.

Die massive Ablehnung, die der Rentenreform allenthalben entgegenschlägt, selbst aus Teilen der Regierungsfraktion, erklärt sich nur zum Teil aus den konkreten Plänen von Macron und Premierministerin Élisabeth Borne. Diese sind weniger weitreichend als noch im ersten, durch die Pandemie gestoppten Anlauf von 2019.[1] So soll der Rentenbeginn nun von 62 auf 64 Jahre angehoben werden, statt wie ursprünglich geplant auf 65 Jahre. Da das Vorhaben aber Gruppen stärker belastet, die in der Arbeitswelt ohnehin benachteiligt sind, fügt es sich in den Augen vieler in das größere Panorama einer zunehmend von Ungleichheit und Ungerechtigkeit geprägten Gesellschaft – und in das Bild einer abgehobenen Elite, die blind ist für die soziale Lage einer Mehrheit der Französinnen und Franzosen. Damit sind alle Zutaten vorhanden, die es für eine harte Auseinandersetzung braucht – vor allem in einer politischen Kultur, in der Konflikt wichtiger ist als Konsens.

Von außen betrachtet mag die Empörung irritieren. Denn das französische Rentensystem ist überdurchschnittlich teuer und extrem komplex: Die jährlichen Kosten entsprechen knapp 14 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, in Deutschland sind es zehn, im OECD-Schnitt acht Prozent.[2] Zudem existieren gleich 42 Rentensysteme, die oft nur bestimmten Berufsgruppen offenstehen und teils hoch defizitär sind. Allein schon die von der Regierung geplante Abschaffung zumindest eines Teils der vielen Spezialkassen würde eine Reform rechtfertigen. Dass Millionen Menschen vermeintlich dafür demonstrieren, weiterhin mit 62 Jahren in den Ruhestand eintreten zu dürfen, erscheint gerade in Deutschland, wo schon die Rente mit 70 debattiert wird, wie aus der Zeit gefallen.

Tatsächlich aber gehen bereits jetzt viele Französinnen und Franzosen deutlich später in Rente, zumindest sofern ihr Körper es mitmacht. Denn um eine abschlagsfreie Rente erhalten zu können, müssen sie 42 Beitragsjahre vorweisen, künftig sollen es 43 Jahre sein. Genau diese zeitgleiche Erhöhung des Renteneintritts und der Beitragsjahre führt aber zu Ungerechtigkeiten, insbesondere mit Blick auf drei Gruppen. Das gilt erstens für Menschen, die nicht studiert haben: Wer mit 20 Jahren erwerbstätig wird, kann bisher mit 62 Jahren in den Ruhestand gehen. Nach der neuen Regelung hätte er hingegen erst mit 63 lange genug Beiträge eingezahlt und würde ein weiteres Jahr später das Renteneintrittsalter erreichen – müsste also zwei Jahre länger arbeiten. Für Akademiker hingegen ist die Altersgrenze schon jetzt ohne Belang, da sie aufgrund ihres Studiums ohnehin länger arbeiten müssen, um abschlagsfrei zu sein. Wer künftig beispielsweise mit 23 Jahren die Uni abschließt, hat nach dem neuen System die fälligen Beitragsjahre an seinem 66. Geburtstag beisammen, also nur ein Jahr später als zuvor. Und für alle, die noch länger studieren, greift wie bisher die Höchstgrenze von 67 Jahren, ab der jeder spätestens ohne Abzüge in Rente gehen darf. Akademiker leiden damit weniger unter der Reform als ihre geringer qualifizierten Altersgenossen – die überdies schon jetzt weniger von ihrer Rente haben. Denn nicht zuletzt aufgrund der unterschiedlichen Arbeitsbedingungen stirbt statistisch gesehen beispielsweise eine Arbeiterin drei Jahre früher als eine Managerin, und ein Arbeiter lebt sogar über sechs Jahre kürzer als ein Manager.[3] Diese im wahrsten Sinne des Wortes existenzielle Ungleichheit würde durch die Reform noch verstärkt.

Ähnlich ergeht es, zweitens, den Müttern, für die sich die Anrechnung von Kindererziehungszeiten ungünstig auswirkt. Dadurch werden sie im Durchschnitt etwas länger zusätzlich arbeiten müssen als Männer. Auch in diesem Fall verschärfen die Regierungspläne bestehende Ungerechtigkeiten: Da Frauen im Schnitt deutlich weniger verdienen als Männer, fallen ihre Renten entsprechend um 40 Prozent niedriger aus – in deren Genuss sie nun obendrein später kommen würden.[4] Selbst der Minister für Parlamentsbeziehungen, Franck Riester, musste einräumen, Frauen würden durch die Reform „ein wenig bestraft“.[5]

So aber fühlen sich, drittens, insgesamt viele ältere Arbeitnehmer. Derzeit ist in Frankreich nur ein knappes Drittel der über 60jährigen noch im Beruf, in der EU liegt der Durchschnitt immerhin bei 45 Prozent.[6] Selbst wer körperlich fit genug und arbeitswillig ist, findet ab einem gewissen Alter in Frankreich schwerer einen Job als anderswo. Ein höheres Renteneintrittsalter bedeutet für viele daher nicht, dass sie länger im Beruf bleiben müssen, sondern dass sie länger arbeitslos sein werden. Auch das trifft geringer Qualifizierte häufiger als Akademiker. Es sind diese sozialen Unwuchten, die derzeit landesweit Menschen auf die Straße treiben.

Ungerecht, aber notwendig?

Die Befürworter von Macrons Plänen bemühen dagegen den Sachzwang. So erklärte der ehemalige Fraktionschef der Regierungspartei, Gilles Le Gendre ganz offen: „Ich sage nicht, dass diese Reform gerecht ist, sondern dass sie notwendig ist.“ Die Regierung argumentiert, angesichts der alternden Bevölkerung drohe den Rentenkassen ein Milliardendefizit, das früher oder später das Rentensystem gefährden werde. Ihre Reform sei daher unabdingbar, um den Solidarvertrag zu retten.[7]

Wie hoch dieses Defizit tatsächlich ausfallen wird, ist allerdings stark umstritten, auch weil es von schwer kalkulierbaren Faktoren wie der erwarteten Arbeitslosenquote abhängt. Macrons Kritiker werfen ihm vor, bewusst ein düsteres Bild zu zeichnen, tatsächlich gehe es ihm bei seiner Reform vor allem um die erwarteten Mehreinnahmen von 20 Mrd. Euro jährlich, die er unter anderem zur von der EU angemahnten Haushaltskonsolidierung einplanen könnte.[8]

Den Sozialstaat verteidigen

Quelle          :        Blätter-online            >>>>>         weiterlesen

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Oben        —     Manifestation contre la réforme des retraites au Mans, le 15 mars 2023

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KOLUMNE * Red Flag

Erstellt von DL-Redaktion am 12. März 2023

Die Fesseln des undemokratischen Sreikrechts

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Von Elisa Aseva

Es gibt Dinge, die in Deutschland nicht zum intuitiven Allgemeinwissen gehören. Zum Beispiel der Fakt, dass Menschen mehr Geld verdienen sollten.

Seit Kurzem verfolgt mich ein kleiner, unscheinbarer Satz. Eigentlich war es bei dem Telefonat um ein konkretes Anliegen gegangen, doch meine Bekannte und ich hatten uns zuletzt zu Beginn der Pandemie gesprochen, und so verfielen wir bald in eines dieser gegenwärtig so typischen Blitz-Aufholgespräche.

In unter zehn Minuten tauschten wir Trennungen, Todesfälle und andere Alltagsumbrüche, als seien es Panini-Karten. „Ach so, ich wusste nicht, dass du da nicht mehr bist. Und ist der neue Job denn okay?“, fragte meine Bekannte. „Ja schon. Aber eben wieder nur Mindestlohn, es bleibt also stressig.“ – „Was, echt? Soll jetzt nicht blöd klingen, aber du könntest doch mehr verdienen.“ Es soll hier nicht um meine individuellen Chancen und Hinde­rungen gehen, der Satz hallt anders nach. Morgens, während ich beim Warten am überfüllten U-Bahnhof dabei zusehe, wie ein junger, nicht-weißer Typ mit der Reinigungsmaschine Muster auf den Boden zeichnet.

Als ich in der U-Bahn dann Zeugin werde, wie eine unübersichtlich wackelnde Kleinkindbande von einer Erzieherin und einem Praktikanten auf die freien Sitze verteilt und bei Anfahrt des Zuges bereits mit Apfelschnitzen versorgt wird. Und auch, als ich nach Feierabend in den Supermarkt springe und der Kassierer die Waren roboterschnell über den Scanner zieht, als wolle er ein sagenhaftes nächstes Level freispielen.

IHR MÜSSTET ALLE MEHR VERDIENEN. Es gibt statistische Wahrheiten, die in diesem Land nicht in das intuitive Allgemeinwissen einfließen. Mit der neoliberalen Umstrukturierung des Arbeitsmarktes und der massiven Privatisierung von staatlicher Infrastruktur wurde die soziale Landschaft Deutschlands grundlegend umgegraben. Viele einst gut bezahlte Mittelstandsjobs wie etwa bei der Deutschen Post wurden so in den Niedriglohnsektor geschoben, der folgende allgemeine Lohnverfall lässt sich durchaus als kalkuliert beschreiben.

Das Bekenntnis zum aggressiven Lohndumping verschaffte Deutschland ohne Zweifel einen klaren Wettbewerbsvorteil innerhalb des europäischen Staatengefüges. Erarbeitet wird er vor allem von Frauen, Mi­gran­t*in­nen und ostdeutschen Arbeiter*innen. Sind also diese Gruppen gemeint, wenn Bundesfinanzminister Christian Lindner mal wieder von den Leistungsträgern spricht, für die er Politik machen will?

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Tatsächlich arbeitet in Deutschland je­de*r Fünfte für einen Stundenlohn, der unter 12,50 liegt. Ein Aufstieg in höhere Gehaltsklassen gelingt nicht zufällig selten, er gibt schlicht kein wirtschaftliches Interesse. Nur in Lettland, Litauen, Estland, Polen und Bulgarien ist die Lohn­ungerechtigkeit ausgeprägter.

Lohnbeschäftigte werden oft zu individueller Anstrengung zur Verbesserung ihrer Lage ermutigt, dabei läge ihre tatsächliche Macht im kollektiven Zusammenschluss. Doch auch die Arbeitnehmerrechte sind in Deutschland stärker beschnitten als beispielsweise in Ländern wie Frankreich oder Italien. Gerade anlässlich der aktuellen Entscheidung der Post-Beschäftigten zum Streik sollte an die reaktio­näre Schlagseite des deutschen Streikrechts erinnert werden. Streikformen, die anderswo als selbstverständlich gelten und wichtige demokratische Mittel von Ar­beit­neh­me­r*in­nen darstellen, sind im Land der strukturellen Ungleichheit verboten.

Quelle        :     TAZ-online            >>>>>         weiterlesen

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Oben     —   Eine wehende rote Fahne

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Unten      —   Kita-Warnstreik der Sozial- und Erziehungsdienste am 13. Mai 2022 in Hamburg

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Afrika und der Papst

Erstellt von DL-Redaktion am 9. Februar 2023

Bei Laune halten ist zu wenig

Vom Himmel hoch kommich nicht her

Ein Debattenbeitrag von Aram Ziai

Es ist eine höchst fragwürdige und interessengeleitete Annahme: Die Armen müssen nur in die moderne Weltwirtschaft integriert werden, dann wird alles gut. Wenn grüner Wasserstoff nach Europa importiert wird, dient dies primär nicht der Armutsbekämpfung im Süden.

Hände weg von Afrika? Den Postkolonialismus überwinden!“, hieß es kürzlich in der taz. Die Kritik bezog sich auf den Appell des Papstes, die Ausbeutung des afrikanischen Kontinents zu überwinden. Hinter dem Appell verstecke sich eine „paternalistische Attitüde“ und eine „kolonialistische Perzeption Afrikas als Opfer und Rohstofflieferant“. Stattdessen verweist der Artikel auf das „gigantische Entwicklungspotenzial“ Afrikas und fordert eine partnerschaftliche Agrarstrategie Europas („Hand in Hand in Afrika“), gerade auch angesichts dessen, dass China seinen wirtschaftlichen und politischen Einfluss „skrupellos“ ausbaue. Ziel sei eine „nachhaltige Entwicklung“, mit der Afrika „der Sprung in die moderne, postkarbonisierte Weltwirtschaft gelingt“.

So weit, so plausibel, möchte man meinen. Bei näherem Hinsehen zeigen sich jedoch eine Reihe von Lücken und Ungereimtheiten. So mag es erstens vielleicht abgedroschen sein, aber Afrika ist tatsächlich seit dem Kolonialismus nicht aus der Rolle als Rohstofflieferant herausgekommen. Unter anderem aufgrund der Zolleskalation auch der europäischen Länder, die für verarbeitete Produkte meist deutlich höhere Zölle verlangen, und aufgrund der Investitionsabkommen, die es Regierungen verbieten, auf wertschöpfender Produktion im Inland zu bestehen. Laut UN machen für 45 der 54 Länder Afrikas Rohstoffe über 60 Prozent der Exporte aus. Opfer ist Afrika durchaus ebenfalls, etwa im Hinblick auf die hierzulande im Überfluss gehorteten Covid-19-Impfstoffe, deren Patente durch das Beharren der EU und vor allem Deutschlands die ersten Jahre nicht freigegeben wurden, zugunsten der Gewinne der öffentlich geförderten Pharmaunternehmen.

Oder im Hinblick auf die Finanztransfers vom Süden in den Norden: Laut dem European Network on Debt and Development fließen durch Schuldendienst, Gewinnrückführung multina­tio­naler Unternehmen, Steuerflucht und irreguläre Überweisungen (mutmaßlich Gelder aus Kriminalität und Korruption) etwa 1000 Milliarden. US-Dollar jährlich von den armen in die reichen Länder – netto, also nach Abzug von ausländischen Direktinvestitionen, offizieller Entwicklungshilfe und Rücküberweisungen von Migrant:innen. Der Schuldenstand der Länder des Südens hat mittlerweile die Höchstwerte der Schuldenkrise der 1980er Jahre erreicht, für die Länder mit mittleren und niedrigem Einkommen beträgt er im Schnitt 200 Prozent des Bruttoinlandsproduktes.

Zum Vergleich: Die BRD hat 1953, zu Beginn des Wirtschaftswunders, einen umfangreichen Schulden­erlass bekommen, weil ihr Schuldenstand 25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betrug. Einige Schuldner sind halt gleicher als andere. Was zweitens die eingeforderte partnerschaftliche Agrarstrategie angeht, so gab und gibt es sie bereits, etwa in Form der German Food Partnership und des Africa Agriculture and Trade Investment Fund. Hier stehen jedoch – genau wie bei den ach so skrupellosen Chinesen – die Interessen eigener Großunternehmen wie Bayer Crop Science und BASF im Vordergrund. Auch in neueren Initiativen wird immer wieder die Erzählung bedient, dass man durchaus im Süden Geschäfte machen und gleichzeitig die Armut bekämpfen könnte, über Public-private-partnerships und Win-win-Situationen. Genau das wurde im ersten „Entwicklungsprogramm“ 1949 auch behauptet, mit dem Ziel, die unabhängig werdenden Länder des Südens vom Überlaufen ins kommunistische Lager abzuhalten und gleichzeitig den Zugriff auf die Rohstoffe und Märkte des Südens zu sichern. Damals wie heute ist es eine höchst fragwürdige und interessengeleitete Annahme: Die Armen müssen nur in die moderne Weltwirtschaft integriert werden, dann wird alles gut – als ob sie das nicht schon längst wären, aber halt meist als Verlierer im globalen Kapitalismus. Das Entwicklungsversprechen soll sie bei Laune halten.

Daran ändert auch – drittens – ein grüner Anstrich wenig, wie er in den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen anklingt und ebenso in dem unter der Ampelregierung hierzulande forcierten Run auf die Gewinnung erneuerbarer Energien im Globalen Süden. Wenn grüner Wasserstoff in Megaprojekten des Südens nach Europa importiert wird, dient dies primär nicht der Armutsbekämpfung im Süden, sondern der Aufrechterhaltung einer imperialen Lebensweise der globalen Mittelklasse, die überwiegend immer noch im Norden angesiedelt ist. Einer Lebensweise, die auf billige Rohstoffe und billige Arbeit anderswo angewiesen und nicht verallgemeinerbar ist, also nur einer privilegierten Minderheit vorbehalten bleiben muss. Schon 1996 hat das (des Linksradikalismus unverdächtige) Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie darauf hingewiesen, dass, wenn wir in Deutschland nur unseren gerechten Anteil an den Ressourcen des Planeten nutzen wollen, unser Energieverbrauch um 80 bis 90 Prozent sinken muss. Bundeskanzler Scholz behauptet selbst 26 Jahre später unverdrossen, die Klimaziele seien nicht durch Verzicht zu erreichen. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf.

Quelle      :          TAZ-online          >>>>>         weiterlesen

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Oben        —   El papa Francisco en el papamóvil durante la JMJ de 2013

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Lücken im Gesetz

Erstellt von DL-Redaktion am 30. Januar 2023

Neues Lieferkettengesetz

Ein Debattenbeitrag der Gastkommentarin  JULIANE KIPPENBERG

Ausgerechnet Deutschland will zertifizierte Unternehmen nicht für Fahrlässigkeit haften lassen. Doch auch die Zertifikate selbst sind problematisch.

Anfang des Jahres ist das Lieferkettengesetz in Deutschland in Kraft getreten – ein wichtiger Schritt, um Menschenrechte in globalen Lieferketten zu schützen. Aber das Gesetz hat einen entscheidenden Schwachpunkt: Ihm fehlt eine Regelung, nach der Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen haften, die sie durch Missachtung ihrer Sorgfaltspflichten verursacht haben.

Das in der Europäischen Union geplante Lieferkettengesetz, das 2023 in die entscheidende Phase der Verhandlungen kommt, soll laut Entwurf der EU-Kommission weitergehen und Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen haftbar machen. Doch ausgerechnet Deutschland setzt sich für eine massive Verwässerung ein. Die Bundesregierung plädiert nämlich dafür, dass Unternehmen, die zertifiziert sind, von der Haftung für Fahrlässigkeit ausgenommen werden.

Sozialaudits, Prüfungen der Richtlinien und Norm­anforderungen, und Zertifizierungssyste­me haben in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen; jedoch zeigt sich immer wieder, dass Audits für Zertifizierungen nicht selten gravierende Probleme übersehen oder missachten. So können sich Unternehmen mit Zertifizierungen und Siegeln schmücken, obwohl sie sich fahrlässig oder unverantwortlich verhalten.

Ein Fall aus Brasilien illustriert dies: Am 25. Januar 2019 brach der Staudamm einer Eisenerzmine in Brumadinho, mehrere Millionen Kubikmeter giftiger Minenschlamm töteten mindestens 270 Menschen. Nur vier Monate zuvor hatte das brasilianische Tochterunternehmen des deutschen Zertifizierers TÜV SÜD den Damm für stabil erklärt. Das Bergbauunternehmen hatte die Prüfer unter Druck gesetzt, die Sicherheit des Staudamms trotz offensichtlicher Risiken zu bescheinigen. Das ergab eine Untersuchung durch den brasilianischen Kongress.

Schlupfloch „Safe Harbour“

Ende 2022 hat sich der Ministerrat der Europäischen Union auf eine gemeinsame Position für das EU-Lieferkettengesetz geeinigt. Deutschland hatte sich im Vorfeld für eine „Safe Harbour“-(Sicherer Hafen)-Klausel eingesetzt. Diese würde die zivilrechtliche Haftung für Unternehmen abschwächen, die sich an freiwilligen Branchen- oder Industrieinitiativen beteiligen. Der Vorschlag stieß auf wenig Gegenliebe bei den anderen EU-Staaten und wurde schließlich abgelehnt.

Damit ist das Thema indes nicht vom Tisch: In einer vertraulichen Protokollnotiz hat die Bundesregierung angemerkt, dass sie weiter an ihrer Forderung festhält und beabsichtigt, dem Gesetz in den entscheidenden Verhandlungen am Ende des EU-Gesetzgebungsprozesses nicht zuzustimmen, wenn es keine „Safe Harbor“-Regelung beinhaltet. Damit stellt die Bundesregierung die Interessen von Unternehmen über die der Opfer von Rechtsverletzungen entlang globaler Lieferketten – und bricht Wort mit dem Bekenntnis des Koalitionsvertrags zu einem wirksamen Lieferkettengesetz.

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Die zivilrechtliche Haftung ist ein wichtiges Mittel, mit dem Betroffene vor nationalen Gerichten in Europa ihr Recht einklagen können und mit dem Katastrophen, wie sie in Brasilien geschehen ist, verhindert werden können. Aber sie muss auch für Unternehmen gelten, die auditiert und zertifiziert sind. Audits haben oft massive Mängel: Sie werden innerhalb weniger Tage vorgenommen, sind oft oberflächlich und geben keine Gelegenheit zu vertieften Untersuchungen oder vertraulichem Kontakt mit Betroffenen.

Wenn Firmen die Audits selbst bezahlen, besteht die Gefahr, dass „wohlgesonnene“ Prüfer den Auftrag bekommen. In einigen Fällen haben Firmen darauf gedrängt, dass Auditberichte geschönt und Informationen über unternehmerisches Fehlverhalten weggelassen wurden. Hunderte von Menschen sind bei vermeidbaren Katastrophen an Arbeitsplätzen ums Leben gekommen, an denen zuvor Sozialaudits und Zertifizierungen vorgenommen wurden.

Der Dammbruch in Brumadinho in Brasilien ist nur ein Beispiel. Ein Fabrikbrand bei Ali Enterprises in Pakistan im Jahr 2012 und der Einsturz des Rana-Plaza-Gebäudes in Bangladesch im Jahr 2013 sind weitere Beispiele für verheerende Tragödien an Standorten, die geprüft oder zertifiziert wurden. Kinderarbeit und andere gravierende Menschenrechtsverletzungen werden ebenfalls von Audits sehr häufig nicht aufgedeckt – unter anderem weil Audits oft nur ein paar Tage lang sind.

160 Millionen Kinder arbeiten

Quelle         :       TAZ-online          >>>>>        weiterlesen

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Oben     —     Khaleda was working in the Rana Plaza building when it collapsed on 24 April 2013. “There were 10 to 12 of us trapped under the rubble, we thought that we were going to die,“ says Khaleda. „We were saying goodbye to each other. I was rescued from the collapse after being buried for 16 hours.“ Khaleda was treated for her injuries and later on received rehabilitation support from the UK aid funded Centre for the Rehabilitation of the Paralysed (CRP). She was also able attend a 3-month vocational skills training by the UK funded ILO programme and now works as a dress maker. “I want to open my own tailoring shop in the future; ultimately I would like to become self-employed. After the training, my confidence has increased and I have enough courage and experience to manage a shop.” For more details of the UK’s work on improving safety and working conditions in the ready made garment sector in Bangladesh read our news story: www.gov.uk/government/news/rana-plaza-one-year-on-uk-aid-… Picture: Narayan Debnath/DFID

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Zu Armut+Weltkriegsgefahr

Erstellt von DL-Redaktion am 20. Januar 2023

Rationierung der Arbeiterklasse und die Politik des Burgfriedens

Quelle:    Scharf  —  Links

Von  :  Von Iwan Nikolajew

  1. Prolog

Die Krise ist nicht mehr zu verdrängen. Der antirussische transatlantische Wirtschaftskrieg des deutschen Imperialismus ist gescheitert und schlägt auf ihn notwendig zurück. Dies war schon vor der Entfesselung eines antirussischen Wirtschaftskrieges absehbar und wurde dennoch ausgeblendet. Traditionell blendet der deutsche Imperialismus grundsätzlich die realen Kräfteverhältnisse aus, will mit dem Kopf durch Wand durchbrechen und scheitert jedes Mal an der Realität der Kräfteverhältnisse, glaubt die realen Kräfteverhältnisse ignorieren zu können bis er an ihnen seinen Meister findet.

  1. Ein neuer Versuch zum Griff nach der Weltmacht

Zwei Versuche des deutschen Imperialismus die Weltmacht zu ergreifen endeten mit verheerenden Niederlagen, die zweite noch größer als die erste. Doch immer überlebte der deutsche Imperialismus seine historischen Niederlagen, wurde nicht revolutionär gestürzt und reorganisierte sich wieder. Zwar war er nach der zweiten historischen Niederlage weit von der Weltmacht entfernt, konnte aber zu einem zentralen Bündnispartner des US-Imperialismus aufsteigen und wurde in das US-amerikanische transatlantische Bündnissystem, dessen originärer Ausdruck der NATO-Pakt ist, integriert. Das EU-Bündnis ist sekundär abgeleitet vom NATO-Pakt und reproduziert die US-Hegemonie in der gesamten imperialistischen Kette in sich selbst und damit auch das transatlantische Verhältnis. Die US-Hegemonie innerhalb der imperialistischen Kette wurde vom deutschen Imperialismus akzeptiert und zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt. Unter dem Schutz der US-Hegemonie konnte sich das deutsche Kapital einen großen Weltmarktanteil sichern, sicherte sich eine bedeutende ökonomische Funktion innerhalb der imperialistischen Kette indem es sich weigerte, an die Spitze vorzustoßen; die politische Unterordnung des deutschen Imperialismus unter dem hegemonialen US-Imperialismus machte erst die sozioökonomische Machtstellung des deutschen Kapitals möglich. Die hohe sozioökonomische Position des deutschen Imperialismus im Weltmarkt wurde durch eine politische Entmachtung erkauft und Politik ist konzentrierte Ökonomie. Jalta und Potsdam wurden dem deutschen Imperialismus aufgezwungen, solange, bis der deutsche Imperialismus innerlich akzeptierte. Zufrieden war der deutsche Imperialismus mit der US-Hegemonie und verteidigte diese US-Hegemonie in seinem eigenen Interesse. Was für den US-Imperialismus gut ist, daß ist auch für den deutschen Imperialismus gut. Dieses asymmetrische US-deutsche Bündnis bestimmt in letzter Instanz die Politik des deutschen Kapitals. Dies ging solange gut, wie der US-Imperialismus in der imperialistischen Kette seine Hegemonie behaupten konnte. Doch mit dem Ende der US-Hegemonie im Weltmarkt in neoliberaler Form, beginnen auch für den deutschen Imperialismus existentielle Probleme. Es fällt nicht nur dem US-Imperialismus schwer, seinen Abstieg vom Thron des Hegemons zu akzeptieren, sondern auch dem deutschen Imperialismus, dessen Kapital im wahrsten Sinn des Wortes von der US-Hegemonie in letzter Instanz profitiert hat. Aus eigenen materiellen Interessen schwört der deutsche Imperialismus dem US-Imperialismus Nibelungentreue, denn er kann sich eine eigenständige imperiale Existenz nicht mehr vorstellen, wird aber bei Strafe des Untergangs sich wieder fangen und den alten Sonderweg beschreiten.

Schon lange bewegt sich der US-Imperialismus auf einem Abwärtspfad. Spätestens mit dem Zusammenbruch der Börsenspekulation der 90er Jahre im Jahr 2000, dem Zusammenbruch des „neuen Marktes“, ist der US-Imperialismus als hegemonialer Imperialismus der imperialistischen Kette angeschlagen und seine Politik ist eine Flucht nach vorn. Die US-Mehrwertproduktion ist zu gering, die Pyramide des fiktiven Kapitals zu tragen. Spätestens seit Anfang des 21. Jahrhunderts ist der US-Imperialismus auf seiner Flucht nach vorn, die US-Mehrwertproduktion durch eine imperialistische Expansionspolitik mit Wert zu unterfüttern und damit den US-Dollar als Weltgeld. Diese Flucht nach vorn materialisierte sich in der Inszenierung des 11. September 2001 durch den US-Imperialismus als Vorwand für eine imperialistische Expansion in den Mittleren Osten (Operation Syriana) zur Kontrolle der strategischen Rohstoffe, vor allem Öl und Gas, welche den Wert des US-Dollar unterfüttern sollten. Immer auch war die „Operation Syriana“ nicht nur unmittelbar gegen die halbkolonialen Länder der Peripherie des Mittleren Ostens gerichtet, sondern auch mittelbar gegen den wieder langsamen aufsteigenden russischen Imperialismus und der aufstrebenden hochentwickelten Halbkolonie China; der 11. September 2001 war auch ein Präventivangriff gegen den russischen Imperialismus und gegen China. Jedoch scheiterte die „Neuordnung des Mittleren Ostens“ an dem Widerstand der Peripherie, aber vor allem an dem Widerstand des russischen Imperialismus und Chinas. Auf den Schlachtfeldern des Irak und Syriens mußte der US-Imperialismus deutliche Niederlagen akzeptieren. Ein tendenzieller Rückzug des US-Imperialismus aus dem Mittleren Osten und Zentralasiens setzte ab 2017 ein, der nicht mit einer Kapitulation des US-Imperialismus zu verwechseln ist. Lediglich gruppierte sich der US-Imperialismus um, vom Mittleren Osten dichter an Rußland und China heran (Ukraine und Taiwan). Jedoch scheiterte der US-Imperialismus mit seinem Rückzug aus Afghanistan, der sich in eine wilde Flucht verwandelte. Dies ist mehr als ein Fehler, sondern ein Zeichen der Schwäche und provoziert geradezu einen Angriff des russischen Imperialismus. Ein Rückzug kann akzeptiert werden, aber eine Flucht nicht. Die US-amerikanische Flucht aus Afghanistan, welche eine Flucht des NATO-Paktes nach sich zog, verbunden mit einer Neuformierung direkt gegen die Interessen des russischen Imperialismus (Ukraine), bzw. Chinas (Taiwan); die Transformation der indirekten Auseinandersetzung zwischen den transatlantischen Metropolen und Rußland, sowie China zu einer direkten Auseinandersetzung, führen zur gegenwärtigen Eskalation, welche schnell in den Dritten Weltkrieg führen kann. Die Flucht nach vorn ist dem US-Imperialismus nun versperrt. Es prallt der US-Imperialismus nun auf die Mauer des russischen Imperialismus und Chinas, denn das Umgehen dieser Mauer durch die Expansion in den Mittleren Osten ist gescheitert und damit auch, Rußland und China gegeneinander auszuspielen. China und Saudi-Arabien werden zu großen Teilen ihre Ölgeschäfte in Yuan abwickeln und China lädt im Dezember 2022 die ölproduzierenden Staaten ein, den Ölhandel in Yuan an der Börse in Shanghai abzuwickeln. Schritt für Schritt geht der Petro-Dollar seinem Untergang entgegen und damit auch der US-Dollar als Weltgeld und somit auch der US-Imperialismus, der am US-Dollar hängt, da er in letzter Instanz die Verschuldung der USA in eigener Währung erlaubt. Umso mehr der US-Imperialismus notwendig gezwungen ist die direkte Auseinandersetzung mit dem russischen Imperialismus zu suchen, die direkte Auseinandersetzung mit China zu suchen, desto mehr nähern sich Rußland und China an, denn zusammen sind Rußland und China stärker als die USA mit ihren transatlantischen Verbündeten, beginnen sich immer deutlicher gegen den transatlantischen Imperialismus zu verbünden. Weder die USA, noch Rußland oder China können sich die Konfrontation freiwillig aussuchen; diese Konfrontation wird ihnen vom Wertgesetz aufgeherrscht. Es kann nur einen Hegemon geben, aber nicht derer zwei oder mehr. Ebensowenig kann der Kampf um die Hegemonie innerhalb der imperialistischen Kette ausgewichen werden. Das Scheitern des US-Imperialismus im Mittleren Osten mit der Operation Syriana führt nur zu einer Eskalation auf der höheren Ebene der unmittelbaren imperialistischen Konfrontation. China ist zwar militärisch erstarkt, aber immer noch dem US-Imperialismus unterlegen und bedarf des militärischen Schutzes durch den russischen Imperialismus, vor allem den atomaren russischen Schutzschirm, um sich militärisch gegen den US-Imperialismus zu behaupten. Zwar hat China quantitativ-ökonomisch in einigen Kennzahlen den US-Imperialismus überholt, jedoch kann China militärisch nicht mit den USA gleichziehen. Ohne den militärischen Schutz des russischen Imperialismus wäre schon längst ein US-amerikanischer „Präventivkrieg“ gegen China erfolgt. Je enger sich Rußland und China verbünden, desto größer ist die Abschreckungswirkung gegenüber dem wild um sich schlagenden US-Imperialismus, denn das Scheitern des US-Imperialismus im Mittleren Osten und Zentralasien in der Frage der Kontrolle der strategischen Rohstoffe und die russisch-chinesische Mauer gegen den US-Imperialismus verunmöglichen die Unterfütterung des US-fiktiven Kapitals mit Wert. Wird das fiktive US-Kapital nicht mit Wert unterfüttert, wird es sich notwendig entwerten und die Entwertung des fiktiven Kapitals wird auf die Entwertung des mehrwertheckenden Kapitals übergreifen, von den USA auf den gesamten Weltmarkt. Entweder der US-Imperialismus als hegemonialer Imperialismus implodiert in der Entwertung von Kapital oder er explodiert in der Flucht nach vorn in einem Dritten Weltkrieg gegen Rußland und China. Bis jetzt kann sich der US-Imperialismus nicht entscheiden und läuft verzweifelt und wild um sich schlagend umher, weiß nicht ein und weiß nicht aus, sucht den nichtexistierenden Ausweg. Diese konkrete Situation konzentriert sich in der Ukraine und in Taiwan. Der US-Imperialismus lenkt seinen inneren Druck nach außen, denn im Inneren steht die USA kurz vor dem Bürgerkrieg zwischen einer neoliberalen Fraktion des Kapitals und der nationalliberalen Fraktion innerhalb der herrschenden Klasse. Die Situation ist in den USA sehr angespannt und diese Spannung und dieser Druck übersetzt sich die aggressive US-Außenpolitik, die das Resultat einer verzweifelten Flucht nach vorn ist. Über die aggressive Außenpolitik versucht der US-Imperialismus die USA im Inneren zu Befrieden und muß notwendig nach Innen und Außen scheitern.

Für den US-Imperialismus sind Rußland und China „Schurkenstaaten“, bzw. Feindstaaten, weil sie die Hegemonie des US-Imperialismus bedrohen, damit ist dann der Krieg, in welcher Form auch immer, von Seiten des US-Imperialismus legitimiert. Feind bedeutet Krieg. China und Rußland werden zu Feinden erklärt und damit auch jede Opposition, welche sich dagegen ausspricht, denn sie sind dann der „innere Feind“. Jede Feinderklärung an einen „äußeren Feind“ ist gleichzeitig eine „Feinderklärung“ an den „inneren Feind“. Wer sich der Feindschaft verweigert, ist dann ebenfalls der „Feind“ oder: „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.“ Dies gilt auch für den deutschen Imperialismus, welcher sich aus eigenen Interessen der Politik des US-Imperialismus anschließt, dessen Politik sich nicht auf die Politik des US-Imperialismus reduzieren läßt, denn der deutsche Imperialismus sieht seine Position durch das Wiedererstarken des russischen Imperialismus ebenfalls gefährdet. Zusammen mit dem US-und britischen Imperialismus eskaliert der deutsche Imperialismus als dominante Macht innerhalb des EU-Bündnisses den Ukraine-Konflikt, ist aber nicht Herr dieses Bündnisses. In letzter Instanz entscheidet der US-Imperialismus, d.h. der deutsche Imperialismus ist selbstständig aus eigenen Interessen in diesen Konflikt eingetreten, kann aber aus diesen Konflikt nicht mehr alleine und selbständig austreten, ist in dieser Frage an den US-Imperialismus gekettet. Einen deutsch-russischen Sonderfrieden im transatlantischen antirussischen Wirtschaftskrieg wird es nicht ohne weiteres, ohne einen Bruch mit dem US-Imperialismus, geben. Die Sprengung der Nord-Stream I und Nord-Stream II-Pipelinestränge, außer einem Strang, durch den US-Imperialismus, macht eine schnelle Beendigung der Energiekrise und des transatlantischen Wirtschaftskrieges unmöglich, bzw. erschwert einen solchen deutsch-russischen Wirtschaftsfrieden. Während der US-Imperialismus zwei Wirtschaftskriege führt, einen gegen den russischen Imperialismus und einen gegen den deutschen Imperialismus, führt der deutsche Imperialismus nur einen Wirtschaftskrieg-gegen den russischen Imperialismus, der wiederum ebenfalls zwei Wirtschaftskriege führt, einen gegen den US-Imperialismus und einen gegen den deutschen Imperialismus. Ohne mit dem US-Imperialismus zu brechen, kann es keine deutsch-russische Verständigung geben und so bleibt die transatlantische Nibelungentreue zum US-Imperialismus erhalten, denn das deutsche Kapital scheut das Risiko eines offenen Bruchs mit dem US-Imperialismus. Erst dann wird es sich vielleicht ändern, wenn die Not auch in Deutschland zum Bürgerkrieg treibt und/oder die reale politische innere Blockade des US-Imperialismus verstärkt sich mit den Zwischenwahlen im November 2022 in den USA, treibt die USA in Richtung Bürgerkrieg, so daß der US-Einfluß abnimmt und der deutsche Imperialismus alleine dem russischen Imperialismus gegenübersteht. Das wäre dann ein „kalter Bruch“ des US-Imperialismus mit dem deutschen Imperialismus. Auf sich allein gestellt, ist der deutsche Imperialismus zu schwach, um sich mit dem russischen Imperialismus zu konfrontieren und muß erst einmal eine Verständigung mit dem russischen Imperialismus suchen, um aufzurüsten. Der deutsche Imperialismus ist immer mehr auf sich allein gestellt und weiß nicht wohin, verfällt tendenziell in Orientierungslosigkeit.

Aber auf jeden Fall ist für das deutsche Kapital die Arbeiterklasse der zentrale Feind. Umso widersprüchlicher die Weltmarktsituation des deutschen Kapitals, desto mehr versucht das Kapital sich an der Arbeiterklasse schadlos zu halten. Eine Schockpolitik gegen die Arbeiterklasse wird eingeleitet. Über die Schockpolitik soll das Reproduktionsniveau der Arbeiterklasse qualitativ abgesenkt werden. Eine Neuzusammensetzung der Arbeiterklasse, vermittelt über die Neuzusammensetzung des Kapitals, steht an. Die bisher gemachten Eroberungen der Arbeiterklasse im Kapitalismus stehen damit zur Disposition. Ob nun die transatlantische Fraktion innerhalb der herrschenden Klasse die Oberhand behält oder die deutschnationale Fraktion sich durchsetzt, ändert für die Arbeiterklasse kein Jota. Das Kapital als Ganzes fordert den Verzicht von der Arbeiterklasse und das Gesamtinteresse des Kapitals steht höher als die interfraktionellen Widersprüche innerhalb der herrschenden Klasse. Die Schockpolitik des Kapitals gegen die Arbeiterklasse konkretisiert sich im Energienotstand. Die qualitative Erhöhung der Energiepreise treiben die inflationären Tendenzen an und so werden die Reallöhne qualitativ abgesenkt, ebenso die sozialen Transfereinkommen. Das Kapital versucht tendenziell die hohen Energiepreise auf die Arbeiterklasse abzuwälzen, kann dies aber nur teilweise durchsetzen. Ein gewaltiger Nachfrageeinbruch ist die Folge und verhindert eben die vollständige Überwälzung der Preise auf die Arbeiterklasse. Eine deflationäre Tendenz bricht sich langsam Bahn, das Kapital entwertet sich, denn es ist in einem Zweifrontenkrieg gefangen. Hohe Energiekosten auf der einen Seite-einen drastischen Rückgang der Nachfrage auf der anderen Seite. Die Zahl der Konkurse und Massenentlassungen schnellt nach oben. Der „plötzliche“ antirussische Wirtschaftskrieg ist auch für das Gesamtkapital des deutschen Imperialismus ein Problem, denn er verstärkt schockartig die schon vorhandenen Entwertungstendenzen. Mit den „normalen“ Mitteln kann die Akkumulation nicht mehr gewährleistet werden. Es bedarf eines Energienotstandes. Schon die Drohung mit dem Energienotstand kennzeichnet den Beginn des Energienotstandes. Wenn das deutsche Kapital Energiemangel leidet, dann erst Recht die Arbeiterklasse und dort vor allem die Bezieher sozialer Transferleistungen. Die Arbeiterklasse soll Energie sparen, damit die Akkumulation von Kapital nicht behindert wird. Rationierung im Kapitalismus erfolgt erst einmal unmittelbar über das Wertgesetz. Ein steigender Energiepreis rationiert deutlich, bis keine Energie mehr verbraucht wird und die Häuser im Winter dunkel und kalt werden, bzw. jede Nachfrage nach anderen Waren eingestellt wird. Erst wenn massenhafter sozialer Absturz droht, wird der bürgerliche Staat intervenieren und über diesen setzt sich das Wertgesetz dann mittelbar durch. Dann rationiert der bürgerliche Staat die Energiezufuhr und jeder erhält nur eine Ration an Energie zugeteilt, die nicht ausreichend ist. Der Mangel wird tendenziell gleichverteilt, um die Möglichkeit von Revolten zu reduzieren. Jedoch kann die Rationierung letztlich keine Revolten verhindern, denn die tendenzielle Gleichverteilung des Mangels verhindert nur kurzfristig grobe Ungleichgewichte und Revolten, langfristig macht sie jedoch eine allgemeine Revolte möglich. Ob Rationierung der Energiezufuhr durch das Wertgesetz oder durch den bürgerlichen Staat- es ist immer eine Rationierung auf Kosten der Arbeiterklasse zugunsten der Akkumulation von Kapital. Eine Rationierungspolitik ist in einer parlamentarisch-demokratischen Form des bürgerlichen Staates nicht zu realisieren. Es bedarf des bürgerlichen Ausnahmestaates (Bonapartismus, Diktatur, Faschismus). Nicht „Demokratie“ etc. steht dann im Vordergrund, sondern die „nationale Sicherheit“. Im Namen der „nationalen Sicherheit“ wird die Energiezufuhr rationiert und diese Rationierung der Arbeiterklasse gegen die Arbeiterklasse repressiv umgesetzt. Der Energienotstand ist dann eben undemokratisch, dafür aber verteidigt der Notstandsstaat die „nationale Sicherheit“ gegen den „äußeren Feind“, wie den „inneren Feind“. Immer mehr erwähnt das Kapital den Begriff Krieg bzw. Kriegszustand und bezieht diesen objektiv auf den transatlantischen antirussischen Wirtschaftskrieg. Ein Kriegszustand ist ein Ausnahmezustand, ist ein Notstand, da ist dann das parlamentarisch-demokratische System für die Dauer des Krieges mehr oder minder suspendiert, ebenso wie die parlamentarisch-demokratische Klassenjustiz. Die Klassenjustiz der bürgerlichen Gesellschaft geht im Ausnahmezustand zur Sonderjustiz über und letztlich zum Kriegsrecht, denn das Kriegsrecht ist das auf den Begriff gebrachte Feindrecht. Und im Kriegsrecht ist jedes parlamentarisch-demokratische Recht ausgelöscht, bzw. es tritt ein „Rechtsstillstand“ für die Dauer des Ausnahmezustandes ein. Im Ausnahmezustand bzw. „Ernstfall“ herrscht nur noch die Staatsräson und diese kennt keine juristischen Grenzen mehr, dann erst ist der bürgerliche Staat von dem Einfluß der Arbeiterklasse befreit, weil alle Eroberungen der Arbeiterklasse im Kapitalismus zerstört. Carl Schmitt kleidete dies in die Worte: „Souverän ist der, wer über den Ausnahmezustand entscheidet“. Noch sind wir nicht an diesen Punkt gelangt, aber wir marschieren auf diesen Punkt zu. Es kommt nur der Arbeiterklasse zu, diesen Marsch auf diesen Punkt zu verhindern.

Nicht der antirussische, transatlantische Wirtschaftskrieg erschafft die Krise, die Rezession, sondern es ist umgekehrt. Die Krise, die Große Krise seit den Jahren 2007/2008, ist es, welche die materiellen Grundlagen und die Notwendigkeit des antirussischen, transatlantischen Wirtschaftskrieges legt. Überwunden wurde die Weltwirtschaftskrise nie, man versuchte sie abzumildern, zu verwalten, doch die gesellschaftliche Urgewalt des Wertgesetzes läßt sich nicht steuern. Umso mehr die Entwertung von Kapital im Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate als durchschnittliche Bewegungsform des Kapitals unterdrückt wird, desto härter wird letztlich die nicht abwendbare Entwertung von Kapital ausfallen. Das Jahr 2019 stellt die Grenze des neoliberalen Krisenmanagements dar, denn dies Jahr ist geprägt von weltweiten proletarischen und kleinbürgerlichen Revolten und von einem scharfen Einbruch im fiktiven Kapital, im Segment des Repromarktes. Ein weiter so war nicht mehr möglich und die wertgesetzrationale Entwertung des Kapitals beginnt sich Ende 2019 zu realisieren, auch der deutsche Imperialismus beginnt in die Rezession abzurutschen und es steht damit eine Neuzusammensetzung des Kapitals-Neuzusammensetzung der Arbeiterklasse an und damit die Eskalation der immanenten Widersprüche der kapitalistischen Produktionsverhältnisse. Die „Corona-Krise“ ist der materielle Ausdruck der Eskalation der imanenten Widersprüche des kapitalistischen Produktionsverhältnisses. Durch die notwendige Neuzusammensetzung des Kapitals-Neuzusammensetzung der Arbeiterklasse, wurde biochemischer Kampfstoff niedrigschwelliger Art durch einen Unfall oder bewußt freigesetzt. Sofort ging jeder kapitalistische Nationalstaat in den Zustand der „Selbstverteidigung“ über, interpretierte die Freisetzung eines niedrigschwelligen biochemischen Kampfstoffes als einen Angriff auf seine „nationale Sicherheit“, nicht aber als eine normale Pandemie. Die Corona-Pandemie wurde von der Bourgeoisie weltweit als „Ernstfall“ eingestuft, als ein militärisches oder paramilitärisches Ereignis und wurde auch so gekontert- mit einem weltweiten Notstand. Eine zivile Pandemiebekämpfung wurde nur in Ausnahmefällen in Betracht gezogen, die Mehrheit der bürgerlichen Staaten präferierte den Notstand. Nicht die Corona-Pandemie trägt die Schuld an dieser Entwicklung, sondern sie legte nur die bis dahin verdeckte Krise offen, deckte nur das Mißtrauen der kapitalistischen Staaten untereinander auf, d.h. die eskalierende internationale Konkurrenz auf dem Weltmarkt und hob die schon vorhandenen Krisentendenzen auf eine höhere Stufenleiter. Der „Corona-Notstand“ war die Standardantwort des Kapitals auf die Corona-Pandemie bzw. auf die „Corona-Krise“. In der „Corona-Krise“ wurde die Neuzusammensetzung des Kapitals-Neuzusammensetzung der Arbeiterklasse auf eine höhere Stufenleiter gehoben und damit auch die immanenten Widersprüche des kapitalistischen Verwertungsprozesses und somit die „Corona-Krise“ forciert. Diese „Corona-Krise“ war nur der Anfang und nicht das Ende eines historischen Prozesses zur Neuzusammensetzung des Kapitals-Neuzusammensetzung der Arbeiterklasse, sowie der Krisenschub des Jahres 2019 nicht das Ende der Großen Krise war. Die „Corona-Krise“ war nur der Beginn der finalen Krise der Großen Krise und löste neue Krisenschübe der Großen Krise aus, welche die immanenten kapitalistischen Widersprüche weiter zuspitzten und nah an den Dritten Weltkrieg führen. Vorerst entladen sich die kapitalistischen Widersprüche in einem Weltwirtschaftskrieg, dessen Zentrum derzeit der transatlantische antirussische Wirtschaftskrieg ist. Der Weltwirtschaftskrieg kann schnell sich verselbständigen und in den Dritten Weltkrieg hinüberwachsen, bzw. der Dritte Weltkrieg wäre die Fortsetzung des Weltwirtschaftskrieges mit anderen Mitteln. Auch mit militärischen Mitteln deglobalisiert bzw. entflechtet sich der Weltmarkt und es entstehen imperialistische Blöcke, welche um einen konkreten Hegemon zentriert sind und in scharfer Konkurrenz zueinanderstehen. Die Weltmarktkonkurrenz des multipolaren Weltmarktes ist eine Konkurrenz der imperialistschen Blöcke, eine Konkurrenz der imperialistischen „Großräume“ um die Hegemonie innerhalb der imperialistischen Kette. Der Wirtschaftskrieg, der Weltwirtschaftskrieg, ist die vorherrschende Form der Weltmarktkonkurrenz im multipolaren Weltmarkt. Nicht nur von Rußland wird sich der deutsche Imperialismus entflechten, sondern auch im zweiten Schritt von China und dies alles auf Kosten der Arbeiterklasse. Und im dritten Schritt wird sich auch der deutsche Imperialismus von den USA entflechten müssen, denn dieser kann dem deutschen Imperialismus nicht mehr viel bieten und erst Recht keinen „Schutz,“ der deutsche Imperialismus wird sich selbst „schützen“ müssen. Ein gefallener Hegemon nutzt dem deutschen Kapital nichts. Das Schicksal des US-Imperialismus entscheidet sich auf den Schlachtfeldern der Ukraine und gleichzeitig entscheidet sich dort das Schicksal des deutschen Imperialismus. Entweder Absturz zusammen mit dem US-Imperialismus oder Aufbruch auf den deutschen Sonderweg. Die Arbeiterklasse kämpft um ihre eigenen Klasseninteressen, gegen die transatlantische und nationalliberale Tendenz gleichzeitig. Der Feind steht im eigenen Land! Die eigene Bourgeoisie ist der Feind! Das Proletariat lehnt den imperialistischen Krieg ab, wie auch den Wirtschaftskrieg, denn die Kosten des imperialistischen Krieges und des Wirtschaftskrieges werden auf die Arbeiterklasse übergewälzt. Konkret lehnt die Arbeiterklasse den transatlantischen antirussischen Wirtschaftskrieg ab, wie auch die Aufrüstung der Ukraine, die EU und die NATO.

Auch auf den Schlachtfeldern der Ukraine und auf den möglichen Schlachtfeldern auf „Taiwan“ wird die Neuzusammensetzung des Kapitals-Neuzusammensetzung der Arbeiterklasse ausgekämpft, beginnt sich der multipolare Weltmarkt, die multipolare Weltordnung, zu organisieren. Zentral jedoch wird der Stellvertreterkrieg um die Ukraine zwischen Rußland und den transatlantischen Metropolen nicht militärisch ausgetragen, sondern im Wirtschaftskrieg, denn die transatlantischen Metropolen, in EU und NATO vereint, sind militärisch zu schwach und nicht auf einen militärischen Krieg vorbereitet, im Gegensatz dazu der russische Imperialismus. Es bleibt also den transatlantischen Metropolen nur die Wahl zwischen einem Atomkrieg, der mit einem konventionellen Krieg eingeleitet wird oder einem Wirtschaftskrieg. So verlegten sich die transatlantischen Metropolen auf den Wirtschaftskrieg, weil sie glaubten, die könnten Rußland rasch in die Knie zwingen. Doch das genaue Gegenteil geschah. Statt Rußland gingen und gehen die transatlantischen Metropolen in die Knie; der antirussische Wirtschaftskrieg zerrüttet die sozioökonomische materielle Basis der transatlantischen Metropolen und setzt nationalistische Kräfte frei, welche das transatlantische Bündnissystem mit seinem Zentrum aus NATO und EU, in Frage stellen. Wenn die Arbeiterklasse sich nicht deutlich ihren Klasseninteressen gemäß organisiert, ist sie nur das Objekt, das Ausbeutungsobjekt für das Kapital und wird von diesem passiv einer Neuzusammensetzung unterzogen, auch vermittels Krieg. Der Krieg ist nur ein Moment zur Neuzusammensetzung des Kapitals-Neuzusammensetzung der Arbeiterklasse, ein Moment von vielen Momenten. Es kommt darauf an, daß die Arbeiterklasse in die Offensive geht, sich dabei einer Neuzusammensetzung unterzieht und das kapitalistische Produktionsverhältnis stürzt, das Kapitalverhältnis eben keiner Neuzusammensetzung unterzieht, sondern seiner konkreten Negation zuführt. Geschieht dies nicht, beginnt das Kapital sich neuzusammenzusetzen und die Arbeiterklasse unter seinen Verwertungszwang zu subsumieren.

Das Kapital muß die Arbeiterklasse präventiv desorganisieren, um den proletarischen Widerstand gegen die Rekonstruktion der Verwertungsbedingungen so klein wie möglich zu halten. Im „Corona-Notstand“ wurde die räumliche „Distanzierung“ eingeübt, welche auch notwendig tendenziell zur „sozialen Distanzierung“ führt und somit auch tendenziell zur „politischen Distanzierung“, d.h. über den „Corona-Notstand“ wurden die sozialen und politischen Beziehungen gelockert, das bisherige neoliberale Verhalten aufgebrochen und desorientiert. In die Klassenbeziehungen intervenierte der bürgerliche Staat immer deutlicher und begann nach dem Notstandsprinzip die Klassenbeziehungen neu zu ordnen. Dem Notstandsprinzip unterwarf sich auch bereitwillig die Gewerkschaftsbürokratie des DGB und setzte ebenfalls die Waffe „soziale Distanzierung“ gegen ihre Basis ein. Mit der „Corona-Krise“ nahm auch die Entfremdung zwischen Gewerkschaftsbürokratie und Gewerkschaftsbasis weiter zu, wie auch in den Betrieben zwischen Gewerkschaftsbürokratie und Betriebsräten, zwischen Betriebsräten und der Belegschaft. Alleine über die Technik, über das Internet, läßt sich die erfolgte „soziale Distanzierung“ nicht aufheben. Es gibt keinen Ersatz für die politische Meinungsbildung in Präsenz, im Gegenteil: die Entfremdung im Kapitalismus wird durch die „räumliche“ Distanzierung graduell vergrößert. Die Arbeiterklasse distanziert sich im „Corona-Notstand“ objektiv von der Gewerkschaft und die Gewerkschaftsbürokratie von ihrer Basis, wie der Betriebsrat von der Gewerkschaft und die Belegschaft vom Betriebsrat. Über die Zugangskontrollen, Zugangsbeschränkungen, Fixierung von räumlichen Abständen zwischen Personen, Vorschrift des Mundschutzes in Innenräumen und außerhalb von Innenräumen etc. wurde das bisherige normale Verhalten der Arbeiterklasse und die Kommunikation innerhalb der Arbeiterklasse zerstört und eine Notstandsnormalität gesetzt, welche als „neue Normalität“ bezeichnet wurde. Willkürlich wurde der „Corona-Notstand“ mal erweitert, mal reduziert und gekrönt mit einer Zwangsimpfung eines nur im Notmodus zugelassenen Impfstoffes, d.h. der Impfstoff hat niemals die reguläre und vorgeschriebene Testphase durchlaufen. All dies ist Rationierung. So wurde auf leisen Sohlen die Arbeiterklasse auf Akzeptanz der Rationierung ausgerichtet.

Desorganisation der Arbeiterklasse bedeutet gleichzeitig Ausdehnung des Handlungsspielraums des bürgerlichen Staates in Notstandsform, welcher dann die Vermittlung der verschiedenen Interessen in der bürgerlichen Klassengesellschaft wahrnimmt, statt daß die bürgerliche Gesellschaft dieses aus sich selbst heraus herstellt. Statt einer demokratischen und freiwilligen Vermittlung der unterschiedlichen Interessen in der bürgerlichen Klassengesellschaft, wird nun vom bürgerlichen Notstandsstaat dies autoritär geleistet. Über die Atomisierung der Klasse in den Betrieben und außerhalb den Betrieben setzt das Kapital und damit auch der bürgerliche Staat als ideeller Gesamtkapitalist die Neuzusammensetzung der Arbeiterklasse durch die Neuzusammensetzung des Kapitals von oben, hierarchisch vom individuellen und kollektiven Kapitalkommando ausgehend in digitaler Form durch. Erst die ökonomische, soziale und politische Atomisierung der Arbeiterklasse durch das Kapital im „Corona-Notstand“ schafft die materielle Basis für die kapitalistische Vergesellschaftung der Arbeit in digitaler Form. Eine digital geprägte und gesteuerte Neuzusammensetzung der Arbeit der Arbeiterklasse durch das gesellschaftliche und individuelle Kapitalkommando stellt zwangsweise die kapitalistische Vergesellschaftung der Arbeit her, eine Vergesellschaftung gegen die Arbeiterklasse. Eine autonome proletarische Vergesellschaftung der Arbeit durch die Arbeiterklasse soll somit präventiv verhindert werden, der proletarische Eigensinn und die proletarische Eigeninitiative durch digitale Kontrolle und Disziplinierung bekämpft werden. Nicht die Arbeiterklasse vergesellschaftet sich digital, sondern wird vom Kapital digital vergesellschaftet. Mit der „Corona-Krise“ beginnt eine Epoche des autoritären Kapitalismus. In letzter Instanz entscheidet der Notstandsstaat. Alle gesellschaftlichen Regelungen müssen das Wohlwollen des bürgerlichen Notstandsstaates finden. Jede Entscheidung ohne den bürgerlichen Staat, ist aus Sicht des Notstandsstaates eine Entscheidung gegen die „nationale Sicherheit“ und damit ein Angriff auf den „Staat“. Die SARS-Corona-Pandemie wurde vom bürgerlichen Staat, von der Bourgeoisie, nicht als ein zivil-medizinisches Problem angesehen, sondern als „Bedrohung der nationalen Sicherheit“ und wurde somit über den Notstand militärisch bzw. paramilitärisch bekämpft. Dies impliziert auch, daß jeder Widerstand gegen eine autoritäre Politik der „nationalen Sicherheit“ als „Feind“ bekämpft wird. Es wurde und wird nicht nur ein „Krieg“ gegen das Virus geführt, sondern gleichzeitig ein „Krieg“ gegen jeden, der den „Krieg“ gegen das Virus nicht akzeptierte, denn dessen Verhalten gibt der Ausbreitung des SARS-Corona-Virus Raum und ist damit ebenso der „Feind“ wie das „Corona-Virus“. Bei dem „Corona-Notstand“ ging es nie zentral um die Corona-Pandemie, sondern um die „nationale Sicherheit“, welche durch die Corona-Pandemie angeblich gefährdet wurde. Mit der Corona-Pandemie und dem „Corona-Notstand“ zog mit dem „Corona-Notstand“ das Paradigma der „nationalen Sicherheit“ ein. Jede Handlung, jedes Verhalten, wird durch die Brille der „nationalen Sicherheit“ bewertet. Die „neue Normalität“ ist die Normalität der „nationalen Sicherheit“. Wer von dieser „neuen Normalität“ abweicht, gefährdet die „nationale Sicherheit“ und ist damit ein „Feind“ und muß vernichtet werden. Im Namen der „nationalen Sicherheit“ erzwingt der Notstandsstaat Distanz, vor allem räumliche Distanz auch im kapitalistischen Produktionsprozeß, die mit mikroelektronischen Instrumenten überwacht wird. Jede Verringerung der räumlichen Distanz verlangt nach einer Genehmigung, wie erst Recht das Betreten des Betriebes (Impfpass als Zugangsberechtigung). Wer diesen repressiven Regeln negativ gegenübersteht ist ein „Feind“ und muß nicht nur räumlich, sondern auch sozial und politisch von den Massen isoliert werden. Es geht um Selektion des „Feindes“ aus der Gesamtheit der Arbeiterklasse oder der Gesamtbevölkerung bzw. der Volksgemeinschaft-formiere Gesellschaft. Die Arbeiterklasse soll sich voneinander distanzieren und atomisieren. Auf diese Weise werden die proletarischen Massenorganisationen zerstört, welche die schärfsten Waffen der Arbeiterklasse im Klassenkampf sind. Über die „Politik der Distanzierung“ werden die sozialen und damit auch folgend politischen Beziehungen in der Arbeiterklasse dermaßen aufgelockert, daß der bürgerliche Staat in Notstandsform in dieses soziale und politische Vakuum vorstoßen und seine Notstandsregulierungen realisieren kann, d.h. der bürgerliche Staat in Notstandsform formt sich seine Volksgemeinschaft-formierte Gesellschaft und somit wird die „Neue Normalität“ die Normalität der „nationalen Sicherheit“ und damit des Notstands.

Der „Energienotstand“ ist nur die Fortsetzung des „Corona-Notstands“ mit anderen Mitteln. Im Energienotstand tritt die Rationierung deutlicher als im „Corona-Notstand“ hervor. Es wird die Temperatur in den Innenräumen rationiert, erst einmal in den Betrieben, später vielleicht auch in den Haushalten. Der bürgerliche Staat fordert zum Energiesparen auf und bereitet umfassende Energierationierungen im Bereich Gasversorgung und Strom vor und damit letzlich in der gesellschaftlichen Produktion und Distribution. Auch die Nahrungsmittelversorgung und die Gesundheitsversorgung sind davon betroffen. Über die Energierationierung ist auch der Nahrungsmittelsektor, wie der Gesundheitssektor rationiert. Für den Gesundheitssektor heißt dies Exekution der Triage, d.h. nicht die schwersten Krankheiten oder Verletzungen werden sofort behandelt, sondern im Gegenteil, die rationierten Ressourcen werden auf die nicht schwer Erkrankten oder Verletzten konzentriert, womit die Mehrheit eine gesundheitliche Versorgung erhält, eben auf Kosten der Gesundheit und des Lebens einer Minderheit, welche die Hilfe am nötigsten bräuchte. Eine Rationierung beendet nicht den Mangel, sondern verwaltet ihn nur; eine Rationierung rettet nicht jedes Leben, sondern opfert auch Leben, verurteilt auch durch Entzug von Hilfe Menschen zum Tode. Aber immer rationiert der bürgerliche Staat in Notstandsform zu Gunsten der Kapitalverwertung, niemals zu Gunsten der Arbeiterklasse. Das Gesamtkapital wird positiv rationiert-die Arbeiterklasse wird negativ rationiert. Der Notstandsstaat mit seiner Rationierung vertritt das Interesse des Gesamtkapitals gegen die Arbeiterklasse und seine Aufgabe ist es, die Arbeiterklasse in große Not und Verelendung zu stoßen, damit die Verwertung von Kapital gesichert ist. Es gilt für die Arbeiterklasse den Mangel zu beseitigen und nicht auf eine Verwaltung des Mangels zu drängen, denn die Verwaltung des Mangels ist die Verwaltung des Mangels der Arbeiterklasse zu Gunsten der Akkumulation von Kapital. Erst Recht der bürgerliche Ausnahmestaat (Bonapartismus, Diktatur, Faschismus) in der konkreten Form des Notstandsstaates vertritt tendenziell und graduell deutlicher das Klasseninteresse der herrschenden Klasse, da die Eroberungen der Arbeiterklasse im Kapitalismus im Ausnahmezustand zerstört werden. Eine Politik der Rationierung durch den Notstandsstaat ist ein Großangriff des Kapitals auf die Arbeiterklasse, ist ein Teil des Problems, aber nicht Teil einer Lösung.

Die Rationierung des Energienotstands ist in den Notstandsgesetzen geregelt, gehört aber nicht zum Kern der Notstandsgesetze, die bisher niemals exekutiert wurden. Der äußere Ring der Notstandsgesetze bilden die Sicherstellungsgesetze bzw. Wirtschaftssicherstellungsgesetze. Es geht um die Sicherstellung von Energie, Sicherstellung der Produktion, Sicherstellung der Nahrungsmittel, Sicherstellung der Kommunikation, Sicherstellung der Gesunheitsversorgung, Sicherstellung des Transports etc. Sicherstellung ist nur ein verschleiernder Begriff für Rationierung und Rationierung ist ein wesentliches Moment einer Kriegswirtschaft. Die Sicherstellungsgesetze dienen der Umstellung von einer Friedenswirtschaft auf eine Kriegswirtschaft, können auch eine „friedensähnliche Kriegswirtschaft“ unterstützen. Im Gegensatz zu dem Kern der Notstandsgesetze wurden die Sicherstellungsgesetze bereits im Oktober 2001, nach den vom US-Imperialismus inszenierten Terror-Anschlägen in den USA, per NATO-Beschluß und damit einstimmig, aktiviert. Dieser NATO-Beschluß hat den „Spannungsfall“ ausgerufen und damit die Sicherstellungsgesetze aktiviert und kann nur wieder durch einen einstimmigen NATO-Beschluß zurückgenommen werden, was sehr unwahrscheinlich ist. Nur der Kern der Notstandsgesetze bedarf einer parlamentarischen Zweidrittelmehrheit, nicht aber die Sicherstellungsgesetze, denn sie beziehen sich auf den „Spannungsfall“, während der Kern der Notstandsgesetze sich auf den „Verteidigungsfall“ bezieht. Damit kann auf Basis der seit Oktober 2001 aktivierten Sicherstellungsgesetze die Rationierung im Falle eines Energienotstandes vorgenommen werden. Die geheimen Pläne der Rationierung gemäß den Sicherstellungsgesetzen können jederzeit umgesetzt werden. „Nationale Sicherheit“ und Notstandsgesetze sind auf sich bezogen und damit auch die Sicherstellungsgesetze als erste Stufe der Notstandsgesetze. Im Rahmen des Paradigmas der „nationalen Sicherheit“ gewinnt auch das Staatsgeheimnis, wie auch das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis an Bedeutung, welches die Atomisierung und die Isolierung der Arbeiterklasse voneinander noch verschärft. Es kann praktisch jede Äußerung in der Öffentlichkeit als Verletzung des Staatsgeheimnisses oder des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses angesehen werden und damit eine „Bedrohung der nationalen Sicherheit“ sein. Im Notstandsstaat vermitteln sich das gesellschaftliche Kapitalkommando und das individuelle Kapitalkommando graduell stärker als in der Epoche des parlamentarisch-demokratischen Kapitalismus. Die Grenzen zwischen dem Betriebs- und Geschäftsgeheimnis auf der einen Seite und dem Staatsgeheimnis auf der anderen Seite beginnen zu verschwimmen, vor allem im Bereich der „kritischen Infrastruktur“, die sehr flexibel durch den bürgerlichen Staat bestimmt werden kann. Dort ist jeder vermeintliche Angriff auf das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis gleichzeitig ein Angriff auf das Staatsgeheimnis. Vor allem in der „kritischen Infrastruktur“ ist die Überwachung der Lohnarbeiter durch Kapital und bürgerlichen Staat groß und bezieht sich auch, wenn es sein muß, auf die Lieferanten und Konsumenten, auf die gesamte Lieferkette. Die formelle staatliche Sicherheitsüberprüfung kann über die gesamte Lieferkette/Wertschöpfungskette ausgedehnt werden. Mit einem polizeilichen/geheimdienstlichen Raster werden die Belegschaften nach „Sicherheitsrisiken“ bzw. „Sicherheitsrisikopersonen“ durchsucht und zwar immer regelmäßig und nicht nur bei Einstellung in das Unternehmen oder dem Staatsapparat. Üblich ist heute schon allgemein eine „wilde“ Sicherheitsüberprüfung, d.h. eine nicht staatlich autorisierte Sicherheitsüberprüfung durch Benutzung des Internets. Diese Sicherheitsüberprüfungen mit dem Ziel der Ermittlung von „Sicherheitsrisiken“, in welcher Form auch immer, werden mit dem Begriff der „kritischen Infrastruktur“ aufgewertet. Die Jagd auf „Betriebsfeinde“, „Staatsfeinde“, „Terroristen“ ist mit der Aufwertung von Sektoren zur „kritischen Infrastruktur“ eröffnet und es drohen Entlassungen und Berufsverbot, denn das Ziel der Sicherheitsüberprüfungen ist es, „Schwarze Listen“ von proletarischen Kernen zu erstellen, um die Betriebe von diesen „gefährlichen Elementen“ zu säubern. Jeder „Betriebsfeind“ ist ein potentieller „Staatsfeind“, jeder „Staatsfeind“ ist ein potentieller „Betriebsfeind“. Jede Gefährdung der „Betriebssicherheit“ ist eine potentielle Gefährdung der „Staatssicherheit“, jede Gefährdung der „Staatssicherheit“ ist eine potentielle Gefährdung der „Betriebssicherheit“. Die Aufwertung von volkswirtschaftlichen Sektoren zur „kritischen Infrastruktur“ führt zu einer auch offiziellen Ausweitung der Waffe Berufsverbote auf die Mehrwertproduktion und der Distribution der Waren in der Zirkulationssphäre. In der „kritischen Infrastruktur“ ist damit auch der Aktionsradius der Gewerkschaften stark eingegrenzt und die relative Tarifautonomie der Gewerkschaften ist deutlich eingeengt, dies gilt auch für die Betriebsräte. In der „kritischen Infrastruktur“ realisiert sich tendendenziell der Ausnahmezustand, denn es gelten nicht mehr die üblichen verfassungsrechtlich gesicherten Rechte, sondern es setzt sich ein Sonderrecht. Die Beweislast wird real umgekehrt. Nun muß jede Organisation, jedes Individuum, nachweisen, daß keine „Gefahr für die kritische Infrastruktur“, d.h. „Gefahr für die „nationale Sicherheit“ vorliegt und auch die Gewerkschaften werden damit indirekt aufgefordert, wie alle anderen Organisationen auch, die in dem Sektor der „kritischen Infrastruktur“ tätig sind, Berufsverbote in ihrem Bereich zu erlassen bzw. die staatlichen oder privaten Berufsverbote zu unterstützen oder sie werden selbst eines Berufsverbots bzw. Funktions- und Organisationsverbots belegt und damit real zerschlagen. Entweder die Gewerkschaften und andere gesellschaftliche Organisationen des Proletariats akzeptieren die realen Einschränkungen in der „kritischen Infrastruktur,“ egal ob sie aktiv oder nur präventiv gelten, oder sie werden zerschlagen und aus den Betrieben der „Kritischen Infrastruktur“ gesäubert. Akzeptieren die Gewerkschaften die Strukturen der „kritischen Infrastruktur“ werden sie in den bürgerlichen Staat eingebaut und fungieren dann objektiv als Arbeitsfront und sind eng mit den repressiven Staatsapparaten des bürgerlichen Staates verbunden, sind in dem Fall dann offen die Betriebspolizei bzw. der Betriebsgeheimdienst. Über die „kritische Infrastruktur“ wird die Kriegswirtschaft institutionalisiert als ein Moment des Energienotstands. Im Wirtschaftskrieg werden viele oder gar alle Sektoren der Volkswirtschaft potentiell zur „kritischen Infrastruktur“. In der „kritischen Infrastruktur“ materialisiert sich der Notstand tendenziell schon bevor er zum Notstand wird. „Kritische Infrastruktur“ bedeutet auch konkret den Inlandseinsatz der Bundeswehr. So übt in Estland die Bundeswehr die „Verteidigung“ von Hafenanlagen gegen „Sabotage“, d.h. gegen den inneren Feind. Es geht konkret um den Bundeswehreinsatz im Inneren ohne den Kern der Notstandsgesetze zu aktivieren, denn die bürokratischen Hürden sind hoch, den formalen Notstand auszurufen. Ohne weiteres kann über den Begriff „Amtshilfe“ ein Bundeswehreinsatz im Inneren ausgelöst werden, auch zum Schutz der „kritischen Infrastruktur“ Hafen. Firmiert dann unter dem Begriff „Objektschutz“. Aus diesem Grund stellt die Bundeswehr auch „Heimatschutz“-Einheiten auf, die auf die Bekämpfung des „inneren Feindes“ ausgerichtet werden. Nun versucht die Bundeswehr wegen der vermeintlichen Gefahr eines großflächigeren Stromausfalls auch eine enge Zusammenarbeit zwischen Bundeswehrspezialeinheiten wie KSK und GSG 9 als Spezialeinheit der Polizei zu errichten. Im Hafen sind dann Polizei, Geheimdienst und Bundeswehr mit den Hafenarbeitern konfrontiert. Auch der Streik fällt bei der Bourgeoisie unter dem Begriff „Sabotage“. In letzter Instanz ist Streik nicht mit „kritische Infrastruktur“ vereinbar. „Kritische Infrastruktur“ trägt immer den Ausnahmezustand in sich und ist eine Negation von „ziviler Wirtschaft“ bzw. von Zivilgesellschaft. Damit ist auch ausgesagt, daß notfalls in der „Kritischen Infrastruktur“ eine Dienstpflicht ausgesprochen werden kann, d.h. arbeitsrechtliche und tarifrechtliche Normen außer Kraft gesetzt werden können. Lohnarbeiter können dann zwangsweise „dienstverpflichtet“ werden und ähneln dann sehr deutlich Soldaten, dürfen nicht selbst streiken und können auch anderweitig als Streikbrecher eingesetzt werden.

Formaljuristisch müßten dann die Notstandsgesetze aktiviert werden, real jedoch wird im Notstand darauf verzichtet, denn „Not kennt kein Gebot“ bzw. Notstand kennt kein Gebot. In letzter Instanz steht der Notstand über den Notstandsgesetzen, denn ein Notstand, der sich in Gesetze faßt, ist kein Notstand. Notstand kennt kein Gesetz; der Notstand selbst ist das Gesetz bzw. der Notstand ist das Anti-Gesetz. Deshalb besteht Carl Schmitt auch darauf, daß „der Souverän nur dann Souverän ist, wenn er über den Ausnahmezustand entscheidet“. Im Ausnahmezustand ist die Gesetzesbindung annulliert und die Not verlangt danach, daß die Gesetzesbindung nicht gesetzlich aufgehoben werden kann, sondern der Akt der Ausrufung des Ausnahmezustandes selbst nicht-gesetzlich, anti-gesetzlich, übergesetzlich sein kann. Ein Ausnahmezustand, der sich auf den Artikel 48 Weimarer Reichsverfassung beruft oder auf die Notstandsgesetze des Bonner Grundgesetzes ist kein vollwertiger Ausnahmezustand, da er sich immer noch auf ein Gesetz beruft. Der Ausnahmezustand ist nur dann ein vollwertiger Ausnahmezustand, wenn er von der Exekutive situativ aus eigener Machtfülle und eigenem Machtbewußtsein verhängt wird, ohne und gegen gesetzliche Legitimation. Ausnahmerecht ist Kriegsrecht. Der Krieg, gegen den „inneren Feind“ und/oder „äußeren Feind“ ist der situative Grund für die Entscheidung zum Ausnahmezustand/Ausnahmerecht und Kriegsrecht. Das Ausnahmerecht, gekrönt im Kriegsrecht, ist das Nicht-Recht und entscheidet nur über „Freund“ und „Feind“ und damit über „Leben und Tod“. Historisch kommt das Femerecht dem Ausnahmezustand und Ausnahemrecht am nähesten. Der Ausnahmezustand ist die allgemeine Feme. Ausnahmezustand ist konzentrierte Macht der herrschenden Klasse und Macht, die Klassenmacht der herrschenden Klasse im Sinne der Klassenherrschaft einer Minderheit über eine Mehrheit, in diesem Stadium, kennt das Kapital kein Recht mehr, kennt kein Gesetz mehr, sondern kennt nur noch sich selbst-Macht-Klassenmacht einer Minderheit über die Mehrheit. Dann gibt es auch keine Klassenjustiz mehr, sondern nur noch die unbeschränkte Macht der herrschenden Klasse¸ die Klassenjustiz des Kapitals behindert im Ernstfall das Kapital in seiner Klassenherrschaft und wird vernichtet. Der „Ernstfall“ steht außer und über dem Gesetz und seine politische Form ist der Ausnahmezustand. Es geht im „Ernstfall“ nicht um „das Leben“, sondern nur um das „Überleben“, bzw. um „Leben und Tod“. Was „Ernstfall“ ist und was nicht, entscheidet allein die herrschende Klasse, entscheidet die Bourgeoisie und damit gegen die Arbeiterklasse. In der Organisierung von normalen volkswirtschaftlichen Sektoren zu einem Sektor in der „Kritischen Infrastruktur“ materialisiert sich tendenziell die „friedensähnliche Kriegswirtschaft“, vollzieht sich eine tendenzielle innere Militarisierung der bürgerlichen Gesellschaft in Richtung einer Volksgemeinschaft-formierte Gesellschaft. Mit der Organisierung eines Sektors der „Kritischen Infrastruktur“ beginnt es, aber damit ist der Prozess der inneren Militarisierung nicht abgeschlossen. Letztendlich wird der ganze Ausbeutungsprozß als „Kritische Infrastruktur“ organisiert werden und innerhalb der „Kritischen Infrastruktur“ haben Gewerkschaften keinen Platz, wenn diese ihre Aufgaben als Gewerkschaften erfüllen wollen, d.h. wenn sie konsequent die Interessen ihrer in ihr organisierten Lohnarbeiter vertreten. Wer sich der Schockpolitik aktiv und auch passiv verweigert, hat ebenfalls keinen Platz mehr in der „Kritischen Infrastruktur“. Über die „Kritische Infrastruktur“ wird die Betriebsgemeinschaft organisiert und die Betriebsgemeinschaft zerschlägt real die reformistische Mitbestimmungsordnung über den Betriebsrat und der tendenziell paritätischen Besetzung des Aufsichtsrats aus den Reihen von Belegschaft und Gewerkschaft, wie auch die gewerkschaftliche tarifliche Absicherung. Dies wirkt sich dann auch in die Sektoren aus, welche noch nicht offiziell zur „Kritischen Infrastruktur“ erklärt werden.

Der Burgfriede wird so erzwungen. Die „nationale Sicherheit“ ist ein anderer Begriff für den Burgfrieden im deutschen Imperialismus. „Nationale Sicherheit,“ daß ist der Landfriede und sein Gehorsam. Wer widerspricht, gar Widerstand leistet oder auch nur den Gehorsam verweigert, begeht in der einen oder anderen Form, aber vor allem über die juristische Form hinaus, einen „Landfriedensbruch“. Eine andere Meinung als die Staatsmeinung des bürgerlichen Staates wird nicht geduldet. Burgfrieden heißt zuerst einmal die Negation der Meinungsfreiheit. Ohne Meinungsfreiheit keine proletarische Demokratie, ohne Meinungsfreiheit keine proletarische Organisierung und die proletarische Organisation ist die stärkste Waffe des Proletariats im Klassenkampf. Die Zensur sichert den Burgfrieden, schützt den „Landfrieden“ und damit die „nationale Sicherheit“. Im Oktober 2022 wird der Paragraph 130 StGB, der sich auf die „Volksverhetzung“ bezieht dementsprechend verschärft, in dem er immer weiter gedehnt wird. Hier steht zwar nicht der „Landfriede“ im Vordergrund, sondern der „öffentliche Frieden“, der gefährdet wird, wenn man eine Handlung gemäß dem Völkerstrafgesetzbuche billigt. Es wird nicht die letzte Verschärfung des Paragraph 130 StGB sein und diese zukünftigen Verschärfungen werden immer mehr auf den Kern der deutschen Gesellschaft beziehen. Jede von der Volksgemeinschaft-formierten Gesellschaft abweichende Handlung wird dann als „Gefährdung des öffentlichen Friedens“ verfolgt werden und damit auch als „Gefährdung der nationalen Sicherheit“. In den Betrieben wird dieses repressive Regime dann den „Betriebsfrieden“ zum Inhalt haben und jeden proletarischen Widerstand in den Betrieben als „Störung des Betriebsfriedens“ verfolgen. „Betriebsfrieden“, „öffentlicher Frieden“, „Landfrieden“ sind alles Formen der „nationalen Sicherheit“ und damit des Burgfriedens. Wer diesen „Frieden“ des Kapitals stört, ist nicht nur ein „Betriebsfeind“, sondern gleichzeitig auch ein Staatsfeind und muss aus der Volksgemeinschaft-formierten Gesellschaft ausgestoßen werden, wie auch erst Recht aus der Betriebsgemeinschaft, wird naturwüchsig als „gemeinschaftsfremd“ von der Bourgeoisie behandelt. Im Namen der „nationalen Sicherheit“ des bürgerlichen Notstandsstaates werden die „feindlichen Elemente“ aus der Burggemeinschaft mit ihrem Burgfrieden, nichts anderes ist die Volksgemeinschaft-formierte Gesellschaft, eliminiert, politisch, sozial und auch physisch, wenn es sein muß. Ein „Feind“ der Volksgemeinschaft-formierte Gesellschaft bzw. der Betriebsgemeinschaft ist man schon dann, wenn man eine abweichende reformatorische oder gar reformistische Position bezieht, d.h. die soziale Egalität, die soziale Gleichheit, in den Vordergrund stellt. Für das Kapital ist dies der „innere politische Feind“. Umso mehr sich der transatlantische deutsche antirussische Wirtschaftskrieg negativ auf den deutschen Imperialismus auswirkt, desto mehr radikalisiert sich das Kapital. Das deutsche Kapital ist in der Defensive. Ohne weiteres würde ein deutsch-russischer Ausgleich die Große Krise abmildern, doch dies wird aus politischen Gründen verworfen, denn es wäre eine Niederlage des deutschen Imperialismus gegenüber dem russischen Imperialismus. Nicht nur das Kräfteverhältnis zwischen dem deutschen und russischen Imperialismus würde sich ändern, sondern auch das Kräfteverhältnis zwischen der Arbeiterklasse und dem deutschen Kapital. Die Niederlage des transatlantisch-deutschen antirussischen Wirtschaftskrieges gegen den russischen Imperialismus führt zu einem internationalen und nationalen Gesichtsverlust des deutschen Kapitals. Der deutsche Imperialismus wäre geschwächt und vor allem die Arbeiterklasse könnte dann zumindest tendenziell in die Offensive gehen. Aus diesem Grunde verweigert die deutsche Bourgeoisie jeden Ausgleich mit der russischen Bourgeoise und radikalisiert sich bis jetzt. Dies wird im Oktober 2022 von dem Vorstandsvorsitzenden von Audi indirekt ausgesprochen, als er ein Ende des Ukraine-Krieges aus wirtschaftlicher Schwäche ablehnt. Ein Zurückweichen des Westens würde „unsere“ Gesellschaftsordnung“ ins Wanken bringen. Da ist sie wieder: Die Angst des Kapitals vor der Arbeiterklasse, die Angst der Bourgeoisie vor dem Klassenkampf und zeigt die objektive Schwäche des deutschen Kapitals auf. Der Feind steht im eigenen Land, muß es für die Arbeiterklasse heißen und davor fürchtet sich die Bourgeoisie und setzt deshalb zur Flucht nach vorn in den Notstandsstaat an. Eine Niederlage des deutschen Imperialismus im antirussischen Wirtschaftskrieg gefährdet die Klassenherrschaft der deutschen Bourgeoisie. Eine Niederlage des deutschen Imperialismus gefährdet den deutschen Burgfrieden, der von der herrschenden Klasse als „öffentlicher Frieden“, „Betriebsfrieden“, „Landfrieden“ oder „unsere Gesellschaftsordnung“ bezeichnet wird. Ein Ende des Burgfriedens bedeutet Klassenkampf bis hin zum revolutionären Bürgerkrieg. Dagegen setzt die Bourgeoisie den Notstandsstaat mit seinem Notstandskampf gegen den „Feind“. Doch wieder einmal wird der deutsche Imperialismus scheitern an seinem „Osten“ (Russland 1918-Sowjetunion 1945-Rußland 2022-2023). Es wird auch jetzt keinen Siegfrieden oder Endsieg geben, sondern wieder eine verheerende Niederlage für den deutschen Imperialismus. Der Vorstandsvorsitzende von Audi spricht hier für das deutsche Kapital insgesamt, d.h. für das deutsche Gesamtkapital und damit für die langfristigen Interessen des deutschen Imperialismus. Die Bundesregierung handelt nicht gegen das deutsche Gesamtkapital, sondern für dieses. Das deutsche Gesamtkapital, insbesondere das deutsche Monopolkapital, steht vollständig hinter der antirussischen Politik der deutschen Bundesregierung. Nicht, daß das deutsche Gesamtkapital laut seine Zustimmung zur Politik der deutschen Bundesregierung bekundet im Gegenteil, die Zustimmung des deutschen Gesamtkapitals zur antirussischen Politik der Bundesregierung ist eine schweigende Zustimmung. Es gibt keinen lauten Widerspruch von Seiten des deutschen Gesamtkapitals zur gegenwärtigen aggressiven antirussischen Politik der Bundesregierung. Schweigen ist Zustimmung. Das deutsche Gesamtkapital schweigt sich trotz der schweren Schäden an der deutschen Akkumulation aus, Schäden die an die Substanz des deutschen Kapitals gehen, während man vor kurzem noch laut über die vermeintlichen negativen Effekte des Mindestlohns Klage führte, welche auf jeden Fall weitaus geringer wären, als der transatlantische deutsche Wirtschaftskrieg gegen Rußland. Dieses Mißverhältnis in der Reaktion des deutschen Kapitals auf die Einführung des Mindestlohns und auf den antirussischen Wirtschaftskrieg macht deutlich, daß das deutsche Gesamtkapital auch unter großen Verlusten bereit ist, den transtatlantischen deutschen Wirtschaftskrieg gegen Rußland zu führen und auch eine Notstandsdiktatur befürwortet, wenn es sein muß, um den Sieg im Wirtschaftskrieg zu erringen. Die höheren Energiekosten des Kapitals sollen durch qualitative Reallohnsenkungen und weiterer Flexibilisierung der Ware Arbeitskraft kompensiert werden. Massiv droht das Kapital mit Abwanderung aus Deutschland, wenn es von der Arbeiterklasse keine Kompensation erhält.

Aber das Kapital hat noch einen anderen Feind, den „inneren sozialen Feind“. Immer ist Volksgemeinschaft-formierte Gesellschaft und ihre Zelle, die Betriebsgemeinschaft eine „Leistungsgemeinschaft“. Wer sich der „Leistungsgemeinschaft“ verweigert, wird sozial und notfalls auch physisch aus der kapitalistischen „Leistungsgemeinschaft“ als „politischer Feind“ exekutiert. Der „soziale Feind“ jedoch verweigert sich nicht der kapitalistischen „Leistungsgemeinschaft“, sondern kann die Anforderungen dieser kapitalistischen „Leistungsgemeinschaft“ nicht erfüllen. Die Ware Arbeitskraft ist soweit vernutzt, daß sie nicht mehr als Ausbeutungsmaterial fungieren kann, gilt dann auch nicht mehr als ein Moment der industriellen Reservearmee, denn diese Ware Arbeitskraft ist potentiell noch im kapitalistischen Ausbeutungsprozeß einsetzbar. Eine auch nicht potentiell einsatzfähige Ware Arbeitskraft ist keine Ware Arbeitskraft und damit überflüssig, d.h. der soziale Träger dieser Nicht-Ware Arbeitskraft hat keine Daseins-bzw. Existenzberechtigung mehr, sie ist gleichzeitig mit seiner Ware Arbeitskraft als Ware Arbeitskraft erloschen. Das Recht auf Leben ist im Kapitalismus an eine als Ware Arbeitskraft fungierende Ware Arbeitskraft gebunden. Fungiert die Ware Arbeitskraft nicht mehr als solche im kapitalistischen Verwertungsprozeß, dann ist das Recht auf Leben gleichzeitig erloschen. In Zeiten flotter Akkumulation sichert die Arbeiterklasse durch ihren relativ erfolgreichen Klassenkampf auch dieser vernutzten Ware Arbeitskraft eine soziale Existenzgrundlage. Doch in Krisen, vor allem Großen Krisen, wie jetzt, wird die Arbeiterklasse in die Defensive gedrängt und die vernutzte Ware Arbeitskraft ist dem Kapital hilflos preisgegeben. Das Kapital strebt für die vernutzte Ware Arbeitskraft und damit für die für die Ausbeutung überflüssige Ware Arbeitskraft, d.h. für den „sozialen Feind“, die Euthanasie an. Euthanasiemaßnahmen sind für das Kapital Kostensenkungsmaßnahmen. Eine Ware Arbeitskraft, die nicht vom Kapital potentiell ausgebeutet werden kann, ist nur ein Kostenfaktor und Kostenfaktoren werden im Kapitalismus eliminiert. Der „soziale Feind“ des Kapitals sind die Kosten, denen niemals ein Profit gegenüberstehen wird. Dieser „soziale Feind“ behindert die Akkumulation von Kapital und ist nur darum „Feind“, denn er „schadet“ dem deutschen Imperialismus und indem er dem deutschen Kapital schadet, ziehen die Weltmarktkonkurrenten einen Vorteil aus der Existenz eines „sozialen Feindes“ in Deutschland. Umgekehrt. Wenn der „soziale Feind“ in Deutschland reduziert wird, wirkt sich dies auf die Akkumulation des deutschen Kapitals positiv aus. Eine soziale Existenz, die nicht kompatibel ist mit dem kapitalistischen Ausbeutungsprozeß führt zur Einstufung zum „sozialen Feind“ durch das Kapital. Doch um den „sozialen Feind“ zu reduzieren, bzw. zu vernichten, ist es notwendig, zuerst den „politischen Feind“ zu vernichten, denn dieser verhindert ein radikales Vorgehen gegenden „sozialen Feind“. Die Repression des Notstandsstaates richtet sich deshalb zentral auf den „politischen Feind“ und es wird versucht auf diesem Weg den „politischen Feind“ auf den Status eines „sozialen Feindes“ zu reduzieren, konkret die Säuberung der Betriebe und Verwaltungen des bürgerlichen Staatsapparates über Berufsverbote und das Anlegen von Schwarzen Listen zur Erfassung von „subversiven Kräften“, d.h. von Lohnarbeitern und proletarischen Organisationen, welche von der Bourgeoisie als „politisch unzuverlässig“ und damit als „ Sicherheitsrisiko“ eingestuft wurden. Das Ziel ist die Überführung der „Subversiven von der aktiven Arbeiterarmee in die industrielle Reservearmee. In der industriellen Reservearmee sollen die „subversiven Elemente“ im Hartz IV-System konzentriert werden und sich dort einer Bewährung unterziehen. Doch die Umerziehung des „politischen Feindes“ beginnt schon in der aktiven Arbeiterarmee mit der Drohung der Entlassung und der damit verbundenen Arbeitslosigkeit, mit der Gefahr hin, bald in das Hartz IV-System abzurutschen. Die Bedrohung des „politischen Feindes“ bei Verweigerung der Umerziehung auch gleichzeitig noch zum „sozialen Feind“ zu werden und damit einer potentiellen Euthanasie zum Opfer fallen zu können, soll die Bereitschaft zum Bruch mit dem proletarischen Widerstand erhöhen. Im bürgerlichen Notstandsstaat gefährden beide, der „soziale Feind“ und der „politische Feind,“ gleichzeitig die „nationale Sicherheit“ und werden entschieden von dem bürgerlichen Notstandsstaat bekämpft. Das Hartz IV-System war immer eine Waffe zur Bekämpfung des „sozialen Feindes“ und diente zur Abschreckung des „politischen Feindes“ bestimmte Grenzen nicht zu überschreiten. Dieses Hartz IV-System war immer ein Notstand für die industrielle Reservearmee und die Randbelegschaften. Eine gesellschaftliche Reproduktion der Ware Arbeitskraft ist im Hartz IV-System nur dann tendenziell gesichert, wenn nur ergänzend zu einer Lohnarbeit im prekären zweiten Arbeitsmarkt der Randbelegschaften Arbeitslosengeld II bezogen wird. Wer es nicht schafft in die aktive Arbeiterarmee, konkret in die Randbelegschaft, aufzusteigen, kann nur tendenziell überleben und sich nur auf einem Niveau unterhalb des gesellschaftlich notwendigen Reproduktionsniveaus der Ware Arbeitskraft reproduzieren. Im Hartz IV-System materialisiert sich die vollständige Entwertung der Ware Arbeitskraft. Auch das „nackte Leben“, das „nackte Überleben,“ ist im Hartz IV-System nicht gesichert. Überleben kann man dort nur, wenn man gegen das Hartz IV kämpft, Widerstand leistet und permanenter Widerstand zehrt bei einer Mehrheit der Hartz IV-Bezieher an den Kräften. Es ist ein Zermürbungskrieg zwischen dem bürgerlichen Staat, materialisiert im Hartz IV-System, und dem „sozialen Feind“, wer die größten Kraftresourcen hat.

Die Brutstätte des Virus „Notstand“, „Ausnahmezustand“ ist das Hartz IV-System. Aus dem Labor des Hartz IV-Systems ist der Notstandsvirus entsprungen. Die Zu- und Abrichtung der industriellen Reservearmee und der Randbelegschaften für die Ausbeutung, die Selektion der industriellen Reservearmee von der vernutzten Ware Arbeitskraft, der „Übervölkerung,“ war aus der Sicht des Kapitals erfolgreich, so daß das Notstandsregime in Krisenzeiten auf die gesamte bürgerliche Gesellschaft ausgeweitet werden kann. Seit dem März 2020, dem „Corona-Notstand“, marschiert das Hartz IV-System in die Mitte der Gesellschaft und dehnt sich dort aus. Mit dem „Corona-Notstand“ bricht die Notstandstendenz aus dem Hartz IV-System aus und infiziert die gesamte bürgerliche Gesellschaft. Politik wird immer mehr auf Notstand reduziert. Notstand ist reduzierte Politik. Mit dem Hartz IV-System wird der „soziale Feind“ bekämpft, mit dem Notstand überhaupt (formeller Notstand-informeller Notstand über die Generalklausel des „übergesetzlichen Notstande“) wird der „politische Feind“ der konzentrierten bürgerlichen Repression zugeführt. Hartz IV mag seinen Namen in „Bürgergeld“ ändern, doch seinen Klassencharakter wechselt es nicht. Für die Bourgeoisie ist der Hartz IV-Bezieher kein Bürger, sondern nur ein „sozialer Feind“. Über die Bekämpfung des „Bürgers“ im Hartz IV-System geht der Notstand über in die allgemeine Bekämpfung des Bürgers über das Hartz IV-System hinaus. „Bürger“ heißt jetzt „Untertan“. Ein „Bürger“ existiert nur in Unterordnung unter dem Notstandsstaat bzw. Notstandspolitik, wer sich nicht dem Notstandsstaat bzw. der Notstandspolitik unterordnet ist kein „Bürger“, sondern ein „Feind“. Das Hartz IV-System dient der Umerziehung vom „Feind“ zum „Bürger“, deshalb firmiert Hartz IV jetzt als „Bürgergeld“. Den Kernbelegschaften in Hartz IV-Bezug wird etwas entgegengekommen. Hartz IV wird „bürgerfreundlicher“, öffnet sich für Kernbelegschaften und schließt sich wieder hinter ihnen. Die Modifikationen von Hartz IV sollen den Absturz der Kernbelegschaften abfedern, modifizieren und einen harten Bruch verhindern.

Notstand-Ausnahmezustand ist die Negation von Politik und die Reduktion von Politik auf vermeintliches Sachzwanghandeln. Das Notstandshandeln erscheint als alternativlos. Zum Notstand soll es keine Alternative mehr geben, verkündet die Bourgeoisie. Ohne Notstand droht Chaos, droht Not und Tod. Nur mit dem Notstand, mit dem Ausnahmezustand, kann Chaos, Not und Tod abgewendet werden, politische Handlungsspielräume existieren nicht. Damit ist es auch nicht legitim dem Notstand, dem Ausnahmezustand, Widerstand entgegenzusetzen, denn der Notstand, der Ausnahmezustand, würde alle schützen, d.h. die „national Sicherheit“. Wer die „nationale Sicherheit“ gefährdet, gefährdet „ uns alle“, tönt es aus den Reihen der Bourgeoisie. Notstand ist Verwaltungshandeln zum Schutze des Status quo, Krisenverwaltung der Akkumulation und deshalb Burgfrieden. Die Krise, die Entwertung von Kapital, soll dann der „gemeinsame Feind“ von Arbeiterklasse und Kapital sein, sie säßen angeblich in einen Boot und die Arbeiterklasse soll verzichten. Burgfriede heißt im Kapitalismus Verzicht der Arbeiterklasse für das Kapital. Burgfrieden ist nichts anderes als der Belagerungszustand, wie der Notstand bzw. der Ausnahmezustand im 19. Jahrhundert bezeichnet wurde. Der „äußere Feind“ bzw. anders ausgedrückt die „äußere Gefahr,“ soll den Burgfrieden erzwingen und wer den Burgfrieden bricht, ist der „innere Feind, ist die größere Gefahr als der „äußere Feind“, bzw. ist der gefährlichere „Feind“ bzw. der Verräter, der den Dolchstoß in den Rücken der aufrechtkämpfenden Bourgosie führt. Zum Burgfrieden gehört immer die Dolchstoßlegende. Während der „äußere Feind“ das Schwert in der Hand hält, hält der „innere Feind“ den Dolch oder das Gift bereit-so zumindest in der politischen Praxis einer in die Enge getriebenen Bourgeoisie und diese politische Praxis materialisiert sich im Ausnahmezustand-Notstand, bzw. im Drohen damit. Wenn die proletarischen Massenorganisationen kapitulieren, bevor der Notstand exekutiert wird, dann umso besser für die Bourgeoisie. Dann hätte man eine „freiwillige, demokratische“ Notstandspolitik, welche für das Kapital wohlfeiler wäre als ein formal exekutierter Notstand. Warum Zwang, wenn es auch „freiwillig“ und „demokratisch“ geht. Eine Notstandspolitik ohne einen formalen Notstand, und unter Umstände auch ohne einen realen Notstand, ist potentiell möglich. Die Notstandspolitik muß also formal vom exekutierten Notstand geschieden werden, real aber ist immer eine Notstandspolitik das Produkt eines angedrohten Notstandes/Ausnahmezustandes. Eine Notstandspolitik „ohne Notstand“ ist immer das Resultat einer Kapitulation der proletarischen Massenorganisationen vor der Bourgeoise. Die Bourgeoisie „überzeugt“ die Arbeiterbürokratie der proletarischen Massenorganisationen mit ihrem Angebot-Folterwerkzeuge des Ausnahmezustands auf der einen Seite-materielle Privilegien auf der anderen Seite, „überzeugt“ die Arbeiterklasse mit Folter und Terror auf der einen Seite und „Überleben“ auf der anderen Seite. Eine atomisierte Arbeiterklasse wird vor dem Notstand/ Ausnahmezustand kapitulieren müssen. Notstand heißt immer Not der Arbeiterklasse. Es wird immer Verzicht und Unterwerfung abgefordert. Der „Staatsbürger verschwindet und der Soldat marschiert auf. Statt „Zivilgesellschaft“ nun Kaserne, statt Butter nun Kanonen. Nur mit organisiertem Widerstand kann der Ausnahmezustand/Notstand zu Fall gebracht, kann die Not der Arbeiterklasse abgewendet werden. Es ist eine Frage des Klassenkampfes: die Bourgeoisie fordert Kanonen, die Arbeiterklasse fordert Butter. Unter Umständen wird diese Frage mit Waffen entschieden.

Die Rede des Bundespräsidenten im Oktober 2022 gibt die Richtung der Bourgeoisie vor. Verzicht fordert die Bourgeoisie von der Arbeiterklasse und auch ein „soziales Pflichtjahr“. Aufrüstung muß vor allem gegen Rußland forciert werden, denn Rußland wird indirekt als Feind bezeichnet. Ruhe und Ordnung beim Verzicht wird von der Arbeiterklasse gefordert. Opposition oder gar Widerstand gegen eine solche Politik wird von der Bourgeoisie nicht geduldet. Damit geht der Bundespräsident/das Bundespräsidialamt auf einen strikten Gegenkurs zu den Massenprotesten, welche sich gegen die hohen Energiepreise und gegen den Wirtschaftskrieg richten. Deshalb hält sich die Bundesregierung, welche für diese Politik unmittelbar verantwortlich ist, bedeckt und bleibt der Rede des Bundespräsidenten fern. Nicht weil sie eine andere Politik einschlägt, als der Bundespräsident fordert, sondern weil die Anwesenheit der Bundesregierung bei der Rede des Bundespräsidenten als Zustimmung von den Massen gewertet werden würde und dies würde die Massenproteste vergrößern. Es ist objektiv das Spiel „guter Polizist-böser Polizist“ aufgrund der derzeitigen objektiven Kräfteverhältnisse zwischen den beiden antagonistischen Klassen und das Kräfteverhältnis innerhalb der Bourgeoisie selbst, was nicht ausschließt, daß dieses objektive Zusammenspiel innerhalb des Kapitals auch in ein subjektives Zusammenspiel umschlägt. Der Bundespräsident positioniert den autoritären Staat, während der Bundeskanzler und seine Regierung versuchen, mit kleinen Zugeständnissen an die Massen die Massenloyalität zu erhalten. Grundsätzlich gibt es keine Differenzen zwischen dem Bundespräsidialamt und dem Bundeskanzleramt, nur taktische Unterschiede gegenüber der Arbeiterklasse. Es geht nicht um die Verhinderung der Deflationspolitik, sondern nur um die Aufrechterhaltung der Illusion, daß alles seinen ordnungsgemäßen, sozialen bzw. gerechten und demokratischen Gang geht. Damit soll dem proletarischen Widerstand die Legitimität genommen werden, denn dann wäre jeder proletarische Widerstand gegen die Deflationspolitik ein Angriff auf die „Demokratie“. Proletarischer Widerstand wäre unter diesen Umständen eine Feindhandlung, eine „Gefahr für die nationale Sicherheit“ und der bürgerliche Notstandsstaat spricht sich dann das Recht zu, repressiv jeden proletarischen Widerstand zu zerschlagen. Damit findet eine Umkehrung statt: der Notstandsstaat wird zur „Demokratie“, die Deflationspolitik, egal in welcher Form sie erscheint (offen deflationäre Politik, inflationäre Deflationspolitik oder Kriegsökonomie) wird zur „demokratischen Notwendigkeit“. Wer sich dieser „deflationären Notwendigkeit“ widersetzt, widersetzt sich dann in der bürgerlichen Ideologie der „Demokratie“ und ist damit der „innere Feind“. Der Bundespräsident fordert „Kanonen statt Butter“, während der Bundeskanzler diese Forderung ein wenig abmildert und eben real durchsetzt. Es ist nur eine objektive und vielleicht auch subjektive Arbeitsteilung innerhalb der Bourgeoisie. Die Arbeiterklasse kann sich nur selbst verteidigen. Es geht nur darum, wie der Burgfriede am optimalsten gegen die Arbeiterklasse organisiert werden kann. Burgfriede heißt immer Unterordnung der proletarischen Klasseninteressen unter die bürgerlichen Klasseninteressen, heißt Kapitulation der Arbeiterklasse im Klassenkampf. Und Burgfriede heißt immer „Verteidigung der nationalen Sicherheit“, bzw. „Verteidigung der „Nation“ gegen die „inneren und äußeren Feinde“. Damit ist der „Burgfriede“ der Großangriff des Kapitals auf das Proletariat.

Der Massenprotest gegen die hohen Energiepreise, die eine inflationäre Tendenz antreiben, ist zersplittert und unterpolitisiert, ist im Unmittelbaren verfangen und findet kein eigentliches Ziel, hat die Illusion in sich, wieder im Jahr 2019, vor der „Corona-Krise“ anzuschließen. Doch seit dem Jahr 2020 ist der neoliberale Weltmarkt zusammengebrochen. Eine Rückkehr des neoliberalen Weltmarktes ist nicht mehr möglich. Die Arbeiterbürokratie und die Bourgeoisie können notfalls mit diesem zersplitterten Massenprotest leben, denn er läßt sich leicht kanalisieren. So wird versucht zu spalten. Der Teil des Massenprotestes, welcher versucht den Wirtschaftskrieg zu beenden, wird von dem bisher hegemonialen transatlantischen Kapital als „innerer Feind“ gesehen und entschieden bekämpft, während der Teil des Massenprotestes, welcher lediglich finanzielle Kompensationen vom bürgerlichen Staat verlangt, von dieser Fraktion der Bourgeoisie unterstützt wird. Finanzielle Kompensationen können niemals die ökonomischen Schäden ausgleichen und werden über eine steigende Staatsverschuldung finanziert, welche nur eine zeitlich nach hinten geschobene Steuererhöhung ist und damit einer aufwärtsstrebenden Akkumulation bedarf. Die Illusion der finanziellen Kompensation verschleiert die reale Deflationspolitik. Für die transatlantische Bourgeoise ist der Massenprotest, der sich auf eine kompensatorische Politik beschränkt, der „Freund“ und dieser „Freund“ wird gegen den „Feind“ ausgerichtet, welcher das Ende des transatlantischen Wirtschaftskrieges fordert und damit auch die Reparatur der Nord-Stream-Pipelines, wie die das Anfahren der unbeschädigten Röhre der Nord-Stream II-Pipeline. Entschieden lehnt es die Arbeiterbürokratie ab, einen Massenprotest gegen die Regierung und ihren transatlantisch-imperialistischen antirussischen Wirtschaftskrieg zu organisieren und stützt damit die Regierung gegen den Massenprotest. Dies ermöglicht einen wachsenden kleinbürgerlichen und bürgerlichen Einfluß in den Massenprotesten. Die nationalliberale Bourgeoise versucht vor allem den Teil der Massenproteste zu stützen, welche sich auf ein Ende des transatlantischen Wirtschaftskrieges beziehen, während sich die transatlantische Bourgeoisie und die Arbeiterbürokratie sich auf den Teil der Massenproteste beziehen, welche mit finanziellen Kompensationen den antirussischen Wirtschaftskrieg weiterführen wollen. Hingegen muß der proletarische Klassencharakter der Massenproteste gegen beide Fraktionen der Bourgeoisie verteidigt werden. Sofortiges Ende des Wirtschaftskrieges, denn der Feind steht im eigenen Land. Dies verbunden mit egalitären Forderungen nach einer radikalen Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich und Arbeiterkontrolle über die Betriebe, gibt es eine antikapitalistische, proletarische Alternative. Diese proletarische Alternative wird die Bourgeoisie entschieden bekämpfen.

Egalitäre Forderungen greifen die Rationierung an, egal ob sich diese Rationierungen unmittelbar auf das Wertgesetz beziehen oder nur mittelbar. Rationierung heißt Absenkung der gesellschaftlich notwendigen Reproduktion der Arbeiterklasse, während egalitäre Forderungen sich auf eine Erhöhung der gesellschaftlichen Reproduktion der Arbeiterklasse beziehen. Statt Verzicht für alle, Erhöhung für alle. Egalitäre Forderungen sprengen den Burgfrieden des Kapitals und haben damit das Gesamtkapital gegen sich. Die Arbeiterklasse verzichtet auf den Verzicht. Die Klassenlinie des Klassenkampfes verläuft an der Frage des Verzichts. Der Klassenkampf des Proletariats richtet sich gegen jeglichen Verzicht, das Proletariat kann nur auf das Kapital verzichten, aber nicht auf seine gesellschaftliche Reproduktion.

Die Bourgeoisie hat in der Frage des Verzichts und der Einschränkungen derzeit das Kleinbürgertum als Verbündeten gefunden, welches versucht den Verzicht als progressiv zu verkaufen. Statt auf einen Sturz des Kapitalismus zu setzen, sieht die kleinbürgerliche Klima- und Umweltbewegung nur den „fossilen Kapitalismus“ als Feind an, nicht aber den Kapitalismus an sich und wird somit ein Moment in der Restrukturierung der kapitalistischen Ausbeutung über die Neuzusammensetzung des Kapitals-Neuzusammensetzung der Arbeiterklasse. Jedoch bedarf es, wenn man es ernst nimmt mit Umweltschutz und Klimaschutz, eines Sturzes des Kapitalismus an sich und nicht nur des fossilen Kapitalismus. Indem sich das Kleinbürgertum letztlich positiv auf den Kapitalismus bezieht und nur den „fossilen Kapitalismus“ ablehnt, den sie auch mit der Arbeiterklasse gleichsetzt. Im Kleinbürgertum ist real die Kritik am fossilen Kapitalismus eine Kritik an der Arbeiterklasse, denn der „Lebensstil“ der Arbeiterklasse ginge auf Kosten der ökologischen Ressourcen, d.h. dieser „ökologische Fußabdruck“ muß unter kapitalistischen Bedingungen herabgesetzt werden und das geht nur massenhaft; konkret geht es um die Absenkung der gesellschaftlichen Reproduktion der Arbeiterklasse. Hier trifft sich die kleinbürgerliche Klima- und Umweltbewegung mit dem Kapital mit dem Ziel einer Neuausrichtung der kapitalistischen Ausbeutung der Natur durch den Menschen und damit auch einer Neuausrichtung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Diese kleinbürgerliche Klima- und Umweltbewegung ist auf das „nicht-fossile“ Kapital ausgerichtet und agiert als Massenbewegung für diese besondere Kapitalfraktion und damit für die Restrukturierung des Gesamtkapitals. Ausdrücklich bezieht sich die kleinbürgerliche Klima- und Umweltbewegung auf einen Notstand, fordert den „Klimanotstand“ und damit ebenfalls wie das Kapital eine Schockpolitik. Konkret geht es um den Verzicht auf fossile Energieträger, bei der kleinbürgerlichen Klima- und Umweltbewegung, wie auch bei dem „nicht-fossilen Kapital“. Dieser Verzicht auf fossile Energieträger soll vermittels eines „Klimanotstandes“ realisiert werden, welcher dann zur Neuzusammensetzung des Kapitals-Neuzusammensetzung der Arbeiterklasse und damit zur qualitativen Reduktion des gesellschaftlich notwendigen Reproduktionsniveaus der Arbeiterklasse führt. Da das „nicht-fossile“ Kapital die benötigte Quantität der Energiezufuhr nicht erbringen kann, muß der Energieverbrauch abgesenkt werden und damit das Reproduktionsniveau der Arbeiterklasse, deren „ökologischer Fußabdruck“ aufgrund der „imperialen“ oder „herausgehobenen“ Lebensweise zu hoch ist. Die Kampfansage an den „fossilen Kapitalismus“ ist damit auch gleichzeitig eine Kampfansage gegen die kapitalistischen Staaten, die sich weigern, einen „nicht-fossilen“ Weg zu beschreiten und damit sind konkret Rußland und China zu Feindstaaten erklärt. Der Kampf gegen den „fossilen Kapitalismus“ ist nichts anderes als der Kampf des transatlantischen Imperialismus gegen den fossilen russischen Imperialismus und der fossilen Weltfabrik China. „Klimaschutz“ geht Hand in Hand mit einer autarkischen Politik der transatlantischen Metropolen, welche die „Energiefreiheit“ und „Energiesicherheit“ auf die kapitalistische Tagesordnung setzt. Mit dem Programm „Klimaschutz-Energiefreiheit-Energiesicherheit“ versuchen die transatlantischen Metropolen und damit auch der deutsche Imperialismus eine politische Massenbasis gegen den „inneren Feind“ und dem „äußeren Feind“ aufzubauen. Unter dem kapitalistischen Programm von „Klimaschutz-Energiefreiheit-Energiesicherheit“ realisiert sich die Neuzusammensetzung des Kapitals-Neuzusammensetzung der Arbeiterklasse, realisiert sich die „nationale Sicherheit“ und damit die imperialistische Aggression gegen den russischen Imperialismus und China, welche sich auf den Schlachtfeldern der Ukraine und den möglichen Schlachtfeldern auf „Taiwan“ materialisiert. Damit werden die imperialistischen Kriege auch mit dem Programm von „Klimaschutz-Energiefreiheit-Energiesicherheit“ legitimiert.

Die Ideologie der Überwindung des „fossilen Kapitalismus“ ist vor allem auch der Versuch einer präventiven Konterrevolution gegen die Arbeiterklasse, denn statt auf den Sozialismus zu zielen, wird nur auf einen vermeintlich progressiveren nicht-fossilen Kapitalismus abgestellt. Der Angriff auf eine sozialistische Perspektive des Klassenkampfes vollzieht sich in den Formen eines anti-fossilen Kapitalismus. Nichts fürchtet der anti-fossile Kapitalismus mehr als egalitär-sozialistische Tendenzen und stellt konsequent die sozialistische Tradition der Arbeiterbewegung in eine Reihe mit dem „fossilen“ Kapitalismus und konkret ein in einer Reihe mit dem russischen Imperialismus und China. Für die „nicht-fossile“ Kapitalfraktion ist der Hauptfeind nicht die fossile Kapitalfraktion, sondern die Arbeiterklasse und deshalb der Ruf nach dem „Klimanotstand“. Der Terminus „fossiler Kapitalismus“ ist die Kriegserklärung des Kapitals an die Arbeiterklasse, was sich in der Forderung nach einem „Klimanotstand“ materialisiert. Der „Klimanotstand“ ist der „Energienotstand“. Es geht um die Absenkung des gesellschaftlichen Reproduktionsniveaus der Arbeiterklasse über die Absenkung des Energieverbrauchs. Der „Corona-Notstand“ war nur die erste Phase der Absenkung des gesellschaftlichen Energieverbrauchs und damit die erste Phase in der qualitativen Absenkung des gesellschaftlich notwendigen Reproduktionsniveaus der Arbeiterklasse. Somit ist der Energienotstand nur die Fortsetzung des „Corona-Notstandes“ mit einer anderen Schwerpunktsetzung und Begründung und nichts Neues. Diesmal ist der „Feind“ nicht das „Corona-Virus“, sondern Rußland und China, denen zur Last gelegt wird, die „Energiefreiheit“ und ökonomische Freiheit, wie auch als „fossiler Kapitalismus“ das Klima zu bedrohen und ihre vermeintlichen Verbündeten innerhalb Deutschlands als „innerer Feind“, die angeblich die „nationale Sicherheit“ Deutschlands bedrohen, weil sie materielle Einschränkungen ablehnen, die dennoch vermittels Notstand realisiert werden müssen. Folgerichtig ist dann die Ablehnung von Einschränkungen ein „Feindhandeln“ und wird mit Repression überzogen. Ein „Energienotstand“ steht immer in der Tradition des „Corona-Notstandes. Wer vom „Corona-Notstand“ nicht sprechen will, soll auch vom „Energienotstand“ schweigen. „Corona-Notstand“, „Klimanotstand“ „Energienotstand“ sind nur verschiedene Formen des Notstands und ein Großangriff auf das gesellschaftlich notwendige Reproduktionsniveau des Proletariats. Es steht auch eine Konfrontation zwischen einem finanzkapitalistisch verfassten transatlantischen Imperialismus und einem klassisch-industriellen russischen Imperialismus an einer Seite mit dem hochentwickelten Peripherie-Staat China, welches ebenfalls als Weltfabrik ein klassischer Industriekapitalismus ist. Mit dem Begriff „Klimanotstand“ wird die tendenzielle De-Industrialisierung Deutschlands, wie der transatlantischen Metropolen überhaupt das Wort geredet, im Namen des „Klimanotstandes“ ein „Energienotstand“ organisiert und eine imperialistische Aggression gegen das „fossile Rußland“ und das „fossile China“ in Gang gesetzt, mit dem Ziel der Verhinderung einer eigenständigen Industrialisierung Rußlands und Chinas bzw. ihrer De-Industrialisierung, denn nur eine abhängige Industrialisierung unter der Hegemonie eines finanzkapitalistisch transatlantischen Imperialismus kann von den transatlantischen Metropolen geduldet werden. Der „Klimanotstand“, „Energienotstand“ zielt objektiv auf die Bildung von imperialistischen Blöcken, die sich protektionistisch abschotten und sich wieder reindustrialisieren, nachdem sie sich zuvor deindustrialisiert haben. Das Ziel ist der Aufbau einer neuen Industrie, welche weniger Ressourcen verbraucht und damit der alten Industrie überlegen ist. Die „alte Industrie“ wird zerstört, damit eine „neue Industrie“ aufwachsen kann bzw. Neuzusammensetzung des Kapitals-Neuzusammensetzung der Arbeiterklasse. Mit der Zerstörung der „alten Industrie“ werden auch die Gewerkschaften zerstört und der Aufbau einer „neuen Industrie“ geht dann erst einmal ohne Gewerkschaften vor sich, die sich erst dort herausbilden müßten. Da der proletarische Widerstand in der „alten Industrie“ hoch ist, ist in letzter Instanz der Notstand notwendig. Wesentlich in der Neuzusammensetzung des Kapitals ist eben die Neuzusammensetzung der Arbeiterklasse, ihre Desintegration und Spaltung, vor allem in industrielle Reservearmee und aktive Arbeiterarmee und damit auch Unterwerfung oder Zerstörung der proletarischen Massenorganisationen durch eine notstandsgestützte Schockpolitik.

Das Modell Deutschland, die Hegemonie des Weltmarktkapitals über das Binnenmarktkapital, ist in der Krise. Mit dem transatlantischen antirussischen Wirtschaftskrieg und einen potentiellen Wirtschaftskrieg mit China brechen zentrale Märkte weg. Der Weltmarktanteil des deutschen Kapitals geht zurück. Die terms of trade verschieben sich zuungunsten des deutschen Kapitals, da die Exporte fallen, ebenso die Importe, die jedoch aufgrund der steigenden Energiepreise geringer fallen als die Exporte. Das deutsche Kapital verliert fast gänzlich seinen russischen Markt und auch der Warenaustausch mit China wird immer geringer. In eine Existenzkrise stürzt das Weltmarktkapital, während das Binnenmarktkapital schon in einer solchen ist und unter der Last der Krise langsam zusammenbricht. Der Zusammenbruch der gesellschaftlichen Nachfrage aufgrund der steigenden Energiepreise trifft vor allem zuerst das Binnenmarktkapital. Die Weltmarktsektoren des Sektors I (Produktionsmittelindustrie) trifft die Entwertung nur zeitversetzt und damit die Kernbelegschaften erster Ordnung, die in dem Sektor I, den Weltmarktsektoren, konzentriert sind. Ohne eine wohlfeile Rohstoffzufuhr kann das deutsche Kapital nicht existieren, steht das Modell Deutschland zur Disposition. Ohne wohlfeile Rohstoffzufuhr kann die deutsche Exportwaffe ihre ökonomischen Blitzkriege nicht mehr führen und damit auch nicht mehr die EU dominieren. Die Einheit der EU und erst Recht die Eurozone steht mit der Krise des Modell Deutschland in Frage. Auch in Deutschland kann es zur Zerrüttung der sozioökonomischen Verhältnisse kommen und sich in proletarischen oder kleinbürgerlichen Revolten entladen und auf der anderen Seite in Wahlerfolgen AfD, welche die parlamentarische Vertretung der nationalliberalen Fraktion des Kapitals ist. Damit ist die Existenzfrage von NATO-Pakt und EU-Bündnis gestellt, denn beide sind Formen eines transatlantischen Konsenses innerhalb der westeuropäischen Metropolen unter der Hegemonie des US-Imperialismus. Die Große Krise in Form des transatlantischen antirussischen Wirtschaftskrieges zwingt tendenziell jede Metropole auf ihren eigenen nationalen Pfad der Akkumulation und damit den deutschen Imperialismus immer mehr zurück auf den deutschen Sonderweg mit seiner Pendelpolitik zwischen Ost und West und zur Vitalisierung der traditionellen Mitteleuropakonzepte des deutschen Imperialismus als Ersatz für die zerfallende EU und den zerfallenden NATO-Pakt. Wenn das Modell Deutschland nicht mehr transatlantisch realisiert werden kann, wird es über ein Mitteleuropa-Konzept realisiert, welches auch eine militärische Komponente als Ersatz für den NATO-Pakt bereithält. Die Neuzusammensetzung des Kapitals-Neuzusammensetzung der Arbeiterklasse findet auch ihren Ausdruck in der Neuzusammensetzung der imperialistischen Kette in der Form von imperialistischen Blöcken. Nicht der deutsche Imperialismus paßt sich Westeuropa an, bzw. den westeuropäischen Imperialismen, sondern, der deutsche Imperialismus paßt die westeuropäischen Metropolen an seine nationalen Verwertungsinteressen an, wenn er dies durchsetzen kann. Zwei Mal ist der der deutsche Imperialismus daran gescheitert, 1918 und 1945, was nicht heißt, daß ein dritter Griff zur Weltmacht unmöglich ist. Ein deutscher Sonderweg konkret heute setzt eine gewisse Verständigung mit Rußland und China voraus, d.h. ein neues Rapallo ist nötig, wenn der deutsche Imperialismus ohne große Schäden aus den Umbruch in den multipolaren Weltmarkt herauskommen will. Das Modell Deutschland in einem US-transatlantischen System ist so nicht möglich, es sei denn, der US-Imperialismus läßt dem deutschen Imperialismus wieder einen größeren Spielraum, z.B. nach den Zwischenwahlen in den USA im November 2022. Damit bewegt sich der deutsche Imperialismus tendenziell immer mehr auf der Linie seines klassischen Sonderweges. Es bleibt derzeit offen, ob sich der Sieg der Republikaner bei den Zwischenwahlen in den USA mäßigend auf die derzeitige US-Regierung einwirkt und damit indirekt dem deutschen Imperialismus mehr Spielraum gibt und ob über eine gewisse deutsch-chinesische Verständigung eine deutsch-russische Verständigung eingeleitet werden kann. Vieles ist sehr fraglich, denn die deutsche Regierung selbst ist in sich tief gespalten und damit so schwach, daß sie selbst nicht aktiv werden kann. Es droht jederzeit das Ende der Regierung und Neuwahlen.

Nur unter dem Notstand läßt sich die Neuzusammensetzung des Kapitals-Neuzusammensetzung der Arbeiterklasse realisieren, in der Produktionssphäre der Fabrik, wie auch in der bürgerlichen Gesellschaft. Das Ziel dieser Neuzusammensetzung des Kapitals-Neuzusammensetzung der Arbeiterklasse ist die Absenkung der gesellschaftlich-notwendigen Reproduktion vermittels Rationierung und damit über die Ausschaltung der Gewerkschaften aus der Fabrik, wie aus der bürgerlichen Gesellschaft überhaupt und die Ersetzung der Gewerkschaften durch die Betriebsgemeinschaft bzw. gesamtgesellschaftlich die Ersetzung der bürgerlichen Gesellschaft durch die Volksgemeinschaft. Betriebsgemeinschaft und Volksgemeinschaft sind „Leistungsgemeinschaften“. Die gesellschaftlich notwendige Reproduktion der Ware Arbeitskraft soll ihre moralisch-gesellschaftlich-politische Bestimmung verlieren, deshalb Ausschaltung der Gewerkschaften bzw. ihre Umfunktionierung in eine Arbeitsfront durch Einbau in den bürgerlichen Staat. Durch die Digitalisierung werden auf der Ebene des unmittelbaren Produktionsprozesses in der Fabrik die Arbeit weiter in ihre verschiedenen Einzelteile zerlegt, kontrolliert und einer Lohngruppe zugerechnet. Über die Einführung eines digitalen Zentralbankgeldes, ideologisch legitimiert durch den „Klimaschutz,“ soll dann der Konsum der Ware Arbeitskraft rationiert werden. Heute schon werden von Banken „Klimaschutzprogramme“ eingesetzt, welche den ökologischen Fußabdruck eines Kunden berechnen sollen. Die konkrete Rationierung erfolgt über die Berechnung des ökologischen Fußabdrucks. Jede Lohngruppe kann dann mit einem ökologischen Fußabdruck ins Verhältnis gesetzt werden. Noch einfacher ist es bei den Beziehern sozialer Transfereinkommen. Der ökologische Fußabdruck bestimmt dann konkret, ob ein Kauf getätigt werden darf oder nicht. Bei einem digitalen Zentralbankgeld sind bestimmte Warengruppen sofort für bestimmte Individuen und Gruppen gesperrt, auch wenn Einkommen zum Kauf dieser Warengruppen vorhanden ist. Bestimmten Lohngruppen sind bestimmte Waren vorbehalten. Nicht alle Waren sind für alle frei käuflich, d.h. die gesellschaftlich notwendige Reproduktion der Ware Arbeitskraft wird rationiert, ein bestimmter Warenkorb wird einer bestimmten Lohngruppe zugeordnet, die Lohnarbeiter können nicht ihren Warenkorb zur gesellschaftlich notwendigen Reproduktion selbst zusammenstellen, denn Art der Ware und die Menge einer Ware wird rationiert. Digitalisierung ist ein anderer Begriff für Kontrolle und Rationierung, ein anderer Begriff für die aufziehende „neue Normalität“, welche deutlich auf die industrielle Reservearmee zielt, aber vor allem auf den „sozialen Feind“, für die nicht mehr einsetzbare Ware Arbeitskraft. Hier besteht die Gefahr, daß der „soziale Feind“ zu Tode rationiert wird. Vor allem der „soziale Feind“ wird als Versuchspersonen für die Rationierung unter digitalen Bedingungen benutzt. Das Hartz IV-System ist die erste Anwendung für die digitale-EDV-gestützte Rationierung. Das Arbeitslosengeld II und auch die Sozialhilfe etc. sind die ersten Momente dieser kapitalistischen Rationalisierung. In Australien wird die Sozialhilfe vermehrt elektronisch-digital ausgezahlt und die Sozialhilfebezieher können nicht mehr alle Waren dafür erwerben, denn bestimmte Waren, z.B. Alkohol, sind für die gesperrt. Im Hartz IV-System ist das kapitalistische Elend konzentriert und damit am deutlichsten von der Bourgeoisie stigmatisiert, kann materiell und ideologisch von dem Rest der Lohnarbeiterklasse abgespalten werden und ist dann dem Kapital schutzlos ausgeliefert. Das schwächste Glied in der Arbeiterklasse kann dem Kapital auch nur wenig politischen Widerstand entgegensetzen. Mit einer EDV-digital gestützten Rationierung kann das Kapital den „sozialen Feind“ deutlich dezimieren und dies ist ein Ziel in der Neuzusammensetzung des Kapitals-Neuzusammensetzung der Arbeiterklasse, bzw. der kapitalistischen Rationalisierung oder Restrukturierung des Verwertungsprozesses als Gegenmaßnahme zur Entwertung des Kapitals in der durchschnittlichen Bewegung des Kapitals im Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate. Mit der „Klimapolitik“ wird die Restrukturierung des Kapitals ideologisch abgestützt und dienst als Legitimationsbeschaffung. Der Begriff des „ökologischen Fußabdrucks“ hat eine sozialdarwinistische-faschistische Tendenz inne, denn der „ökologische Fußabdruck“ ist nur dann Null, wenn nichts produziert wird und damit, wenn kein menschliches Leben existiert. Ohne weiteres führt die Ideologie des „ökologischen Fußabdrucks“ in die bewußte und politisch entschiedene Massenvernichtung von Menschen. Die Absenkung des Energieverbrauchs bedeutet immer Absenkung der gesellschaftlichen Produktion und damit unter kapitalistischen Bedingungen der Rückgang der durchschnittlichen Lebenserwartung aufgrund der Absenkung des gesellschaftlichen Lebensniveaus und damit ein Sieg der „Natur“ gegenüber dem Menschen. Das ist dann die „natürliche Ausmerze“ des Faschismus, denn die bürgerliche Gesellschaft opfert die Schwächsten und Verletzlichsten der Gesellschaft für die Verwertung des Kapitals. Die Tendenz geht dahin, jedem Menschen ein Co2-Konto zuzurechnen. Ist das Konto erfüllt, dann steigt der Preis für weiteren Konsum oder er wird gar blockiert. Dies trifft die Arbeiterklasse und senkt den Lohn herab, hingegen die Bourgeoisie kann ohne weiteres ein Co2-Zuschlag zahlen. Die Rationierung über den „ökologischen Fußabdruck“ bzw. über ein Co2-Konto geht gegen die Arbeiterklasse und zwingt die Arbeiterklasse zum Verzicht. Die Grenzen des „ökologischen Fußabdrucks“ setzt die Bourgeoisie fest-gegen die Arbeiterklasse. Durch eine radikale Vernichtung der Weltbevölkerung kann ohne weiteres der „ökologische Fußabdruck“ reduziert werden, konkret über Tod durch Verelendung und Hunger, durch Pandemien oder Kriege. Mit der Ideologie des „ökologischen Fußabdrucks“ kann dies dann legitimiert werden; das ökologische Gleichgewicht stellt sich auf diese Weise wieder her. Die Rettung des Klimas erfordert dann Menschenopfer.

Mit dem „Klimanotstand“ geht das Kapital gegen die Arbeiterklasse vor, statt die ökologischen Grundlagen zu schützen, indem sie versucht über diesen Weg den Verzicht in den Massen zu verankern. Es geht der Bourgeoisie um „Anpassung“ des gesellschaftlich notwendigen Reproduktionsniveaus an die Verwertung des Kapitals, welche ideologisch als „Anpassung“ des „Menschen“ an die „Grenzen der Natur“ erscheint. Für das Kapital ist die Natur die Natur des Kapitals, die Natur des Kapitalismus, d.h. die Bourgeoisie setzt notwendig ideologisch Natur und Kapitalismus gleich vermittels des Werts, welcher an der Oberfläche der kapitalistischen Produktionsverhältnisse als Preis erscheint. Und in der bürgerlichen Ökonomie steht Preis für Knappheit oder Verfügbarkeit und so hat auch dann das „Klima“ oder die „Natur“ einen Preis. Wenn die „Güter“, so die bürgerliche Ökonomie, knapp sind, steigt der Preis, d.h. umso größer der ökologische Fußabdruck, desto höher der Preis, desto höher der Verzicht, natürlich für die Arbeiterklasse, für die Massen. Oder bürgerlich-systemtheoretisch ausgedrückt: Die Grenzen des ökologischen Systems begrenzen auch die anderen Subsysteme. Dann haben wir „Natur“, „Klima“, Verzicht. Und so ist dann auch der Notstand in der Form des „Klimanotstandes“ oder „Energienotstandes“ ein notwendiger Verzicht, eine Anpassung an die „Grenzen der Natur“ und somit ein „natürlicher Verzicht“ im Sinne der kapitalistischen Produktionsverhältnisse. Das Kapital fordert von der Arbeiterklasse eine „Anpassung“ bzw. Unterwerfung unter ein neues Akkumulationsmodell und wickelt es in die Form „Anpassung“ an die „Natur“, was „natürliche Anpassung“ an die Ausbeutung real meint. Wer sich dieser „natürlichen Anpassung“ widersetzt ist ein „Feind“, der „natürlich“ exekutiert werden muß, denn er gefährdet „uns alle“, bzw. das „Überleben der Menschheit“.

Es können jedoch die ökologischen Grundlagen nur durch die proletarische Weltrevolution gesichert werden, d.h. gegen das Kapital, gegen den Kapitalismus. Nicht der fossile Kapitalismus ist das Problem, sondern der Kapitalismus selbst ist das Problem. Eine ökologische Politik, eine positive Klimapolitik, ist im Kapitalismus nicht möglich, dazu bedarf es den Sozialismus. Wird der Schulterschluß mit dem Proletariat verweigert, wird die ökologische Politik-Klimapolitik-notwendig reaktionär und legitimiert den Notstand und die Schockpolitik gegen die Arbeiterklasse, legitimiert diese dann die Politik der „nationalen Sicherheit“. Mit der Forderung nach einem „Klimanotstand“ von Seiten der „Klimabewegung“ zeigt es sich, daß ein großer Teil der „ökologischen Bewegung“ ein Bündnis mit reaktionären Kapitalfraktionen sucht, statt die Nähe der Arbeiterklasse zu suchen, die als Feind angesehen wird, ebenso wie die parlamentarisch-demokratische Form des bürgerlichen Staates. Statt einer „Klimademokratie“ wird auf ein „Klimanotstand“ bzw. auf eine „Klimadiktatur“ gesetzt. Auf diese Weise will die kleinbürgerliche Klimabewegung die Arbeiterklasse zum Verzicht zwingen. Der Begriff „Klimanotstand“ weist schon darauf hin, daß die kleinbürgerliche „Klimabewegung“ sich zentral auf die herrschende Klasse bezieht, eine Lobbygruppe der „nicht-fossilen“ Kapitalfraktion ist und von dort in letzter Instanz politisch wie finanziell über Stiftungen des „nicht-fossilen“ Kapitals geführt wird, also eine Bewegung von oben ist, welche eine Bewegung von unten imitiert, um eben eine „Klimabewegung“ bzw. eine „ökologische Bewegung“ präventiv zu verhindern. Eine authentische Bewegung von unten würde sich statt auf „Klimanotstand“ auf „Klimademokratie“ beziehen und die Nähe der Arbeiterklasse suchen, um ihre Ziele auf demokratischen Wege und egalitär durchzusetzen, statt elitär die Hoffnung in einen „Klimanotstand,“ bzw. Diktatur oder Öko-Diktatur zu suchen. Der hierarchische Aufbau der „Klimabewegung“ und ihre elitär-antidemokratischen Züge sind es, welche ein Bündnis mit der Arbeiterklasse verhindern. Es zeigt sich in den Aktionen von der Gruppe „Letzte Generation“ ein infantiler Narzißmus, welcher einem Bündnis mit der Arbeiterklasse entgegensteht, denn ihre irrationalen Handlungen internationale Kunstwerke der Menschheit zu beschädigen, steht ihrem Anliegen entgegen und ist ein Zeichen für einen kleinbürgerlichen Nihilismus. Da diese internationalen Kunstwerke auch ihre eigene individuelle und kollektive, wie soziale Geschichte der „Letzten Generation“ und darüber hinaus konkret reproduzieren, beschädigen sie sich mit der Beschädigung dieser Kunstwerke selbst und handeln damit irrational und sind dann im negativen Sinn die „letzte Generation“ oder wohl besser die „letzte Stunde“. Die „letzte Generation“ manifestiert einen elitär-antidemokratischen Nihilismus und Irrationalismus und sind ein Stoßtrupp der Bourgeoisie, aber kein Bündnispartner der Arbeiterklasse. Für diese gegenwärtige kleinbürgerliche „Klimabewegung“ ist der Feind die Arbeiterklasse, aber der „Freund“ und Verbündete das Kapital in Form des „nicht –fossilen Kapitals“ und die Umweltzerstörung durch das Kapital hält an, exekutiert auch von der „nicht-fossilen“ Fraktion des Kapitals, denn die Zerstörung der ökologischen Lebensgrundlagen geht auch in einem „fossil-freien Kapitalismus“ weiter, Umweltzerstörung geht über die negativen Effekte der fossilen kapitalistischen Produktion hinaus, denn Umweltschutz ist mehr als „Klimaschutz“, ohne Umweltschutz gelingt auch kein „Klimaschutz“, denn der „Klimaschutz“ ist nur ein Moment im „Umweltschutz“. Auch ein Elektro-digitaler Kapitalismus verbraucht auf kapitalistischer Weise Rohstoffe und zerstört die ökologischen Lebensgrundlagen. Nur die Diktatur des Proletariats legt die Grundlage für die Bewahrung der ökologischen Grundlagen.

  1. Der proletarische Weg des Klassenkampfes

  • Generalstreik gegen die Inflation, Armut und Weltkriegsgefahr

  • Radikale Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich, ansetzend an der alltäglichen kollektiven Sabotage der Ausbeutung (auch in der „kritischen Infrastruktur“ und international organisiert als Kampflosung gegen die wachsende Arbeitslosigkeit und gegen das Wachsen der prekären Arbeitsverhältnisse. Wenn alle weniger arbeiten, ist Arbeit für alle da.

  • Gleitenden Lohnskala gegen die inflationären Tendenzen.

  • Arbeiterkontrolle über die Produktion und Verteilung als ersten Schritt zur Errichtung proletarischer Doppelherrschaftsorgane

-Aufbau proletarischer Hundertschaften gegen die Repression des bürgerlichen Staates und seiner neofaschistischen Organisationen.

Iwan Nikolajew Hamburg im Januar 2023 Maulwurf/RS

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Oben      —     Kommunistische Vorstellung der Klassengesellschaft, die Zeichnung entstand auf Basis eines Flugblattes der „Union russischer Sozialisten“ 1900/01

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DKP sorgt für Inhalte

Erstellt von DL-Redaktion am 29. Oktober 2022

Bündnis „Solidarisch durch die Krise“
– erklärt die Welt in schwarz-weiß

Quelle       :        Scharf  —  Links

Von    :        Herbert Schedlbauer

Die Organisatoren „Solidarischer Herbst“, bestehend aus den DGB-Gewerkschaften ver.di und GEW, aus dem Paritätischen Gesamtverband, der Volkssolidarität sowie den Umweltverbänden BUND und Greenpeace, riefen auch in Düsseldorf am 22. Oktober zur Demonstration. Doch am Ende waren es großzügig gerechnet nur etwa 4.500 Teilnehmer aus ganz NRW, die in der Landeshauptstadt auf die Straße gingen. Bundesweit blieb die Zahl mit gut geschätzten 22.000 Teilnehmern deutlich unter den Erwartungen der Veranstalter. Allein die mitmobilisierende Gewerkschaft ver.di hat rund 1,8 Millionen, der Naturschutzbund BUND 670.000 Mitglieder.

In Düsseldorf sorgten die Deutsche Kommunistische Partei (DKP), linke Gruppen und Parteien für Hintergrundwissen und Inhalte auf der Demonstration. Liest man den Aufruf von Attac, den Gewerkschaften ver.di und GEW, dem Paritätischen Wohlfahrtsverband, von Campact sowie der Umweltorganisationen Greenpeace und BUND, bekommt man den Eindruck, dass die Unterzeichner ein Interesse daran haben, gemeinsam mit Rot-Grün-Gelb, aufkommenden Protest innerhalb der Bevölkerung kanalisieren zu wollen.

DKP und die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) waren gut sichtbar mit Transparenten, Plakaten und Fahnen inmitten der Demonstration mit eigenen Blöcken zu sehen und hören. Mehrere Hundert Zeitungen der DKP „unsere zeit“ wurden in Düsseldorf verteilt. In zahlreichen Gesprächen informierten die Kommunisten und die Arbeiterjugend, worauf es ankommt. Wie der Protest gegen Hochrüstung und Sozialabbau verstärkt werden muss.

Der Aufruf und die Herangehensweise des Bündnisses stießen von Beginn der Veröffentlichung auf Kritik. Weder nannten die darin befindlichen Organisationen die wirklichen Hintergründe der Belastungen der Menschen und die Ursachen der Inflation. Stattdessen allgemeine Floskeln als Resultat einer fehlenden Analyse, die Gesellschaft dürfe sich nicht spalten lassen. Im Kapitalismus ist die Gesellschaft immer gespalten. Die gegensätzlichen Interessen zwischen Kapital und Arbeit lassen sich nicht miteinander verbinden. Mit dem Aufruf „Solidarisch durch die Krise“ stellt sich das Bündnis hinter den Sanktions- und Kriegskurs der Bundesregierung. Folglich wird auch die Hochrüstung mit keinem Wort erwähnt. Statt sich auf die eigene Kraft zu besinnen, betätigen sich die Gewerkschaften als SPD-Erfüllungsverein. Der BUND als Wasserträger einer olivgrünen Kriegspolitik durch Bündnis90/Grüne. Das ging so weit, dass man mit dem Aufruf gleich die Drohung verbreitete: „ … verschwörungsideologische Äußerungen sowie Verharmlosung von Putins Angriffskrieg auf die Ukraine werden auf den Veranstaltungen des Bündnisses konsequent unterbunden.“ Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer beim Paritätischen Wohlfahrtsverband, maßte sich an, Demonstranten die ein Ende der Sanktionspolitik forderten, sollten zu Hause bleiben. Davon ließen sich Marxistische Kräfte jedoch nicht einschüchtern. Sie sorgten für Aufklärung, machten darauf aufmerksam, dass es notwendig ist, den Kampf gegen die Verelendung der Bevölkerung und deren massive Belastungen aufzunehmen. Mittlerweile ist diese zunehmende Armut in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

2016-04-23 Anti-TTIP-Demonstration in Hannover, (10069).jpg

Die DKP hält es für unverzichtbar, den Zusammenhang von Krieg und Krise aufzuzeigen. Friedens- und soziale Bewegung zusammenzuführen. Gegen Lüge und NATO-Kriegshetze aufzuklären. Die Kommunisten fordern eine gesetzliche Senkung der Energiepreise auf das Niveau von Juni 2021. Die Streichung der Mehrwertsteuer für Lebensmittel und Energie. Eine Beendigung des Wirtschaftskrieges! Im Interesse der arbeitenden Menschen, der Jugend und Rentner müssen Hochrüstung und Waffenlieferungen gestoppt werden. Damit decken sich die Forderungen der DKP mit einem immer größer werdenden Teil der Bundesbürger. Die wollen vernünftigerweise verhandeln statt schießen lassen! Wie neuste Umfragen belegen.

Dass die Bundesregierung und die Herrschenden nicht nur keine Lösungen haben, sondern Verursacher der explodierenden Energie- und Lebensmittelpreise sind, wurde im Bündnis bewusst ausgeklammert. Der Aufruf blendet den Wirtschaftskrieg gegen Russland, die Ausrichtung Baerbockscher Außenpolitik mit dem Ziel, Russland „zu ruinieren“, aus. Damit befindet man sich in guter Gesellschaft der Mainstream-Presse. Solchen politischen Scharfmachern, wie Baerbock, Habeck, Scholz, Lindner, Hofreiter, Merz und Strack-Zimmermann. Die Sanktionen gegen Russland werden nicht als Verursacher steigender Energie- und Lebensmittelpreise benannt. Dabei ist der Hochrüstungskurs der Regierung und die Sanktionen der Grund für die galoppierende Inflation. Die Gelddruckmaschinen bei der Bundesdruckerei laufen rund um die Uhr. Die Regierungs-Ampel erfüllt mit der Auftragserteilung für immer mehr Waffen das Streben der Rüstungskonzerne nach Profitmaximierung. Die Kasse klingelt.

Kein Frieren für die NATO! Enteignung der Energiekonzerne! Kein weiteres Drehen an der Eskalationsspirale! Wir brauchen Milliarden für Bildung und Gesundheit statt fürs Sterben!

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Oben      — Liebknecht-Luxemburg-Demo-2018 Infostand der DKP

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Arbeitskampf in den USA

Erstellt von DL-Redaktion am 23. Oktober 2022

Der Zorn des neuen Proletariats

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Von Johannes Hör und Matthias Weigand

Sie sind jung, fleißig, selbstbewusst – und wollen sich nicht länger ausbeuten lassen. Jetzt streiten Starbucks-Beschäftigte US-weit für ihre Rechte.

Der Eingang zur Starbucks-Filiale auf der Commonwealth Avenue in Boston ist verbarrikadiert. Seit fast zwei Monaten wird hier gestreikt, rund um die Uhr. An der gläsernen Front kleben Plakate mit Forderungen und Parolen, auf einem Tisch liegen Spiele und Pappteller, daneben steht eine Thermoskanne. Ein Stück Karton weist auf Telefonnummern einer Bereitschaftshilfe hin. Es ist ein gleißend heller Septembertag, drei Streikende sitzen unter einem Sonnenzelt. Alle zwei Stunden wechseln die Angestellten sich ab. Der Filialleitung werfen sie unlautere Beschäftigungspraktiken vor.

Und sie sind nicht allein: Seit einigen Monaten gründen sich in den Vereinigten Staaten mit rasantem Tempo neue Gewerkschaften – ausgerechnet in dem Land, in dem Entlassungen unter dem Begriff „hire and fire“ zur Normalität gehören. Starbucks ist mit fast 400.000 Angestellten der größte Kaffeehauskonzern der Welt. 15.000 Läden werden allein in den USA betrieben. Mittlerweile sind die Angestellten des Kaffeegiganten bei Gewerkschaftsgründungen besonders umtriebig. Aus gutem Grund.

Lange galt das Unternehmen in der Öffentlichkeit als progressiver Arbeitgeber. Starbucks legt Wert auf ein familiär wirkendes Betriebsklima. So werden die Angestellten „Partner“ genannt und das Einarbeiten „Weiterbildung“. Der Konzern versteht sich als queer- und trans*­freund­lich, Geschäftsführer Howard Schultz hat in der Vergangenheit stets lautstark die Demokratische Partei unterstützt.

Starbucks legt Wert auf ein familiär wirkendes Betriebsklima. Angestellte werden „Partner“ genannt, es geht queer- und trans*­freund­lich zu. Gewerkschaften passen nicht zu diesem progressiven Image, meint der Konzernchef

In den Filialen wird der Kundenkontakt von sogenannten Baristas getragen, die in Schichtarbeit Getränke und kleine Gerichte zubereiten. Aufsteigen kann man zum Baristaausbilder und zur Schichtleitung. Die jeweiligen Filialleitungen – die meist keine Erfahrung mit der Arbeit vor Ort in den Läden haben – treffen die Personalentscheidungen und erstellen die Dienstpläne.

Die Arbeitszeiten, die in einer Filiale anfallen, verwaltet ein firmeneigener Algorithmus, das Stundenbudget wird auf Basis vergangener Umsätze berechnet. Häufig geschieht es, dass Baristas zu Stoßzeiten wegen niedriger Personalzuteilung nicht alle Bestellungen bedienen können. Die Folge: Die Umsätze sinken – was zu einer noch dünneren Personaldecke in der nächsten Schicht führt, ein Phänomen, das manche Angestellte als „cycle of doom“ bezeichnen, als „Kreislauf des Untergangs“.

Starbucks bietet seinen Beschäftigten Zusatzleistungen, etwa eine Krankenversicherung, keine Selbstverständlichkeit in den USA. Auch die Gebühren für ein Onlinestudium an der Arizona State University werden vom Konzern übernommen. Wer in den Genuss dieser Extras kommen will, muss mindestens 20 Arbeitsstunden pro Woche leisten. Das Problem: Eine Mindestarbeitszeit ist in den meisten Bundesstaaten nicht gesetzlich zugesichert.

Das freundliche Image täuscht

Vor allem wegen der großzügig wirkenden vertraglichen Extras galt Starbucks lange als Bastion gegen eine gewerkschaftliche Selbstorganisation der Mitarbeitenden. Dem netten Image standen aber stets herbe Vorwürfe gegenüber: die Macht des Unternehmens über die Ausbildung und die Krankenversicherung seiner Angestellten; die Überlastung von Baristas; die Missachtung von Beschwerden aus der Belegschaft.

Am 9. Dezember 2021 beschlossen die Angestellten eines Cafés in Buffalo, sich zu organisieren. Seither haben fast 400 weitere Starbucks-Läden über die Gründung einer eigenen Ar­beit­neh­me­r*in­nen­ver­tre­tung abgestimmt. Die Betriebsräte bei Starbucks sind, wie allgemein in den USA, sehr autonom – sie bezeichnen sich selbst als „union“, jede Filiale muss einzeln über ihren Tarifvertrag verhandeln. Das ist eine der Bedingungen, die die Konzernleitung stellte, um sich auf den Vorstoß einzulassen. Immer wieder kam es zu Verzögerungen, doch nun, im Oktober 2022, beginnen endlich die Tarifvertragsverhandlungen in über 230 Starbucks-Filialen. Es ist der Start für die zweite, entscheidende Phase in der Geschichte dieser so jungen und so kampflustigen Bewegung.

Große, etablierte Gewerkschaften gelten in den USA als eingerostete, träge Apparate und werden oft als irrelevant betrachtet, angesichts des Niedergangs der verarbeitenden Industrie. Eine komplizierte Geschichte von Korruption und Rassismus – oft wurden schwarze, aus den Südstaaten migrierte Ar­bei­te­r*in­nen als Streikbrecher angeworben – machte das Image nicht besser. Entscheidend für die Verdrängung der Gewerkschaften waren auch der Lobbyismus der Arbeitgeber, der stets auf offene politische Türen stieß, und die Zersplitterung und Flexibilisierung des Arbeitsmarktes.

Die Eckpunkte gewerkschaftlicher Organisation in den Vereinigten Staaten sind bald ein Jahrhundert alt: 1935 wurden sie im sogenannten Wagner Act abgesteckt. Mit ihm wurde auch das National Labor Relations Board (NLRB) gegründet, das bis heute über die Einhaltung der entsprechenden Gesetze wacht. Um eine Gewerkschaft zu gründen, müssen mindestens 30 Prozent eines sogenannten „bargaining units“, also eines Betriebs – in diesem Fall einer Filiale – eine Abstimmung unter den Mitarbeitenden einfordern. Wenn bei einer solchen geheimen Abstimmung mehr als die Hälfte der Mit­ar­bei­te­r*in­nen zustimmt, ist der Arbeitgeber verpflichtet, über einen Tarifvertrag zu verhandeln. Von den Beschäftigten gewählte Vertreter*innen, sogenannte „stewards“, sollen anschließend die Einhaltung des Vertrags überwachen.

Versuche der Verzögerung und der Sabotage dieses komplizierten Prozesses müssen von den Gewerkschaften beim NLRB angezeigt werden. Allerdings herrscht auch dort Personalmangel, weshalb die Auseinandersetzungen sich oft in die Länge ziehen. Die junge, sich gerade erst entfaltende Bewegung der Starbucks Workers United verfügt bislang über keine finanziellen Mittel, einzelne Filialen vernetzen sich untereinander und mit anderen Gewerkschaften über soziale Medien. Lose sind die Starbucks Workers an die weit größere Gewerkschaft Workers United angebunden, die wiederum einem Dachverband angehört. Im Gegensatz zu traditionsreichen größeren Gewerkschaften sind die neuen Bewegungen stark von der Basis getragen, viele Mitglieder gehören gesellschaftlichen Minderheiten an.

Die Konzerne schlagen mit Anwälten zurück

Ihnen gegenüber stehen die Starbucks-Anwälte von Littler Mendelson, einer Kanzlei, die sich auf „union busting“ spezialisiert hat, auf die Zerschlagung jeglichen gewerkschaflichen Engagments. Die Rechtsprofis fechten Abstimmungsergebnisse und Entlassungsklagen an, verzögern mit legalen Kniffen Abstimmungen und Verhandlungen. Konzerne wie Starbucks lassen sich solcherlei Unterstützung einiges kosten: Für einzelne Gerichtstage stellen diese Kanzleien mitunter mehrere hunderttausend Dollar in Rechnung. Im Internet kursieren Handbücher zur „Gewerkschaftsvermeidung“. Bei Starbucks wurde im September ein Extrakonto nur für Angestellte ohne Gewerkschaftsbindung angekündigt.

Howard Schultz, der langjährige CEO von Starbucks, hat in Reden und Interviews mehrfach betont, eine Gewerkschaft nicht als Teil des Unternehmens akzeptieren zu können. Mehr als 100 Mit­ar­bei­te­r*in­nen wurden im Zusammenhang mit der neuen Gewerkschaftsbewegung schon gefeuert, in vielen Filialen wurde das Personal ausgetauscht, einige Baristas sind im Begriff, ihre Krankenversicherung zu verlieren, weil ihnen nicht ausreichend Arbeitsstunden zugeteilt werden.

Jahrzehntelang haben Beschäftigte in den USA stagnierende Löhne und schwindende soziale Mobilität mehr oder minder klaglos hingenommen. Doch die öffentliche Meinung hat sich unter dem Eindruck der Finanzkrise gewandelt. Jetzt tritt eine neue, noch ganz junge Generation von Ar­beit­neh­me­r*in­nen an – und diese hat sich nicht zuletzt durch die Black-Lives-Matter-Proteste stark politisiert.

Zurück zur Starbucks-Filiale in Boston, in der seit zwei Monaten gestreikt wird. An der nahe gelegenen Universität ist heute der erste Vorlesungstag nach den Semesterferien. Immer wieder kommen Studierende mit Kaffeedurst vorbei, doch statt eines Latte Macchiato bekommen sie hier nun Infomaterial zum Arbeitskampf in die Hände gedrückt. Manche gehen gleich weiter, zum nächsten Starbucks-Laden, nur fünf Minuten entfernt. Andere aber werden neugierig, bleiben stehen – und beginnen angeregte politische Diskussionen, untereinander und mit den aufgebrachten Baristas.

„Wir sind immer unter­besetzt und überarbeitet“

Quelle        :         TAZ-online          >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen      :

Oben     —     Starbucks Center in Seattle, Washington (headquarters of Starbucks Coffee). Photographed by user Coolcaesar on May 30, 2016.

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Eine Wurzel für Revolution

Erstellt von DL-Redaktion am 7. August 2022

Wie sich die Linke wieder in der Arbeiter-innenklasse verankern kann

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Quelle     :     Untergrundblättle – CH

Von    :   Lotta D. Classe  –   ajourmag.ch

Rein in die Gewerkschaften? Oder eine Kampagne gegen Klassismus und Diskriminierung von Armutsbetroffenen? Und wie passt Klassenpolitik mit Antirassismus und Feminismus zusammen? Die kommunistische Gruppe Angry Workers aus London meint: wir müssen uns wieder im Alltag der Arbeiter:innen-Klasse verwurzeln. Während sechs Jahren haben sie in der Londoner Lebensmittelbranche und Logistik gearbeitet und versucht, Selbstorganisation, Solidarität und Kämpfe in der Klasse zu stärken. Über ihre Praxis haben sie das Buch «Class Power. Über Produktion und Aufstand» geschrieben.

Wir schreiben das Jahr 2014. Einige Londoner Aktivist:innen aus linksradikalen und feministischen Gruppen packen ihre sieben Sachen und ziehen in den proletarisch und migrantisch geprägten Stadtteil Greenford in West-London – weitab der hippen Quartiere und der linken Szene. Inspiriert von den Kämpfen migrantischer Arbeiter:innen in der norditalienischen Logistikbranche suchen sie sich Jobs in der Logistik- und in der Lebensmittelbranche. Sie schliessen sich zur Gruppe Angry Workers zusammen, um als Revolutionäre in der Arbeiter:innen-Klasse, konkret in den Betrieben und Quartieren, Wurzeln zu schlagen. Den Ort ihrer Agitation wählen sie nach strategischen Gesichtspunkten: Greenford liegt im sogenannten Westlichen Korridor, der für die logistische Erschliessung Londons unverzichtbar ist. Dort liegt der grösste Flughafen Europas, der Heathrow Airport. Dieser stellt Londons globale Anbindung sicher. Und er ist der mutmasslich grösste Arbeitsplatz Grossbritanniens. Am Flughafen arbeiten um die 80’000 Menschen. Weitere 10’000 schuften in den umliegenden Lagerhäusern. In Greenford und dem nahegelegenen Perivale arbeiten weitere 15’000 in Lagerhäusern, 40’000 im (re-industrialisierten) Industriegebiet Park Royal. Die wichtigsten Industrien sind Warendistribution und Lebensmittelverarbeitung.

Für die Angry Workers war die Region aus mehreren Gründen strategisch vielversprechend: Die Nahrungsmittelindustrie und die Logistikbranche gehören zu den wichtigsten und wachsenden Branchen Grossbritanniens. In der Region gibt es eine beachtliche Konzentration industrieller und logistischer Arbeitsplätze. Die dort schuftenden Arbeiter:innen sind an einem strategisch elementaren Punkt im kapitalistischen Produktionsnetzwerk. Sie verfügen folglich über viel strategische Macht. Denn 60 Prozent aller Lebensmittel für die acht Millionen Einwohner:innen Londons werden im Westlichen Korridor abgefertigt, verpackt und verarbeitet. Trotz dieser für eine klassenkämpferische Linke interessante Konstellation interessiert sich laut den Angry Workers die Linke Londons – bestehend aus Corbyn-Fans, einer akademisch geprägten Linken und eingesessenen trotzkistischen Organisationen – kaum für den Stadtteil und seine Bewohner:innen.

Der strategisch machtvollen Position steht allerdings eine subjektive Machtlosigkeit und organisatorische Schwäche gegenüber. In Greenford wohnt und arbeitet ein multinationales Prekariat. Die Behauptung Westeuropa sei eine postindustrielle Gesellschaft offenbart sich hier als Gerede. Taylorisierte Arbeitsprozesse sind weit verbreitet, das Arbeitstempo hoch, die Monotonie zermürbend. Die Manager spielen verschiedene Geschlechter und migrantische Gruppen gegeneinander aus. Greenfords Arbeiter:innenklasse ist grossteils aus Südasien und Osteuropa migriert. Dass das Migrationsregime und die kapitalistischen Arbeitsmärkte zusammenhängen ist hier offensichtlich: Migrantische Arbeiter:innen müssen etwa bestimmte Bedingungen erfüllen, um den Aufenthaltsstatus nicht zu verlieren. Das verursacht grossen Stress und macht sie erpressbar. Daher muss eine erfolgreiche Klassenpolitik stets intersektional sein und die politischen Spaltungen der Klasse sowie Diskriminierungen entlang von race und gender ernst nehmen. Weitverbreitet sind zudem «Null-Stunden-Verträge». Das heisst, Arbeiter:innen haben keine garantierten Arbeitsstunden und sie wissen nie, ob ihr Lohn bis ans Monatsende reichen wird. Das Management instrumentalisiert dies und bemüht sich, einen Wettbewerb unter den prekären Arbeitskräften zu entfesseln. Die Arbeitsverhältnisse und Managementformen in Greenford sind also beispielhaft für einen wachsenden Teil des Proletariats Grossbritanniens (und darüber hinaus). Daher, so die Überlegung der Angry Workers, ist es umso wichtiger, wirkmächtigen Gegenstrategien zu finden, die diesem Teil der Arbeiter:innen-Klasse Erfolge ermöglichen.

Solidaritätsnetzwerk und Zeitung

Wie gehen die Angry Workers vor? Wichtige Mittel ihrer Organisierung sind ein Solidaritätsnetzwerk und eine eigene Zeitung. Diese spielen zusammen: beim Verteilen der Zeitungen kommt man ins Gespräch, im Solidaritätsnetzwerk sucht man gemeinsam nach Lösungen. Die Zeitung berichtet darüber. Das Solidaritätsnetzwerk nimmt zudem den Alltag jenseits der Lohnarbeit in den Blick. Denn insbesondere migrantische Arbeiter:innen sind in den alltäglichen Gängeleien von Behörden und Bossen vereinzelt. Das Solidaritätsnetzwerk will mit gegenseitiger Hilfe und direkter Aktion dazu befähigen, selbst Lösungen zu finden bei Problemen mit Vermieter:innen, Arbeitsämtern, Einwanderungsbehörden oder bei rassistischer und sexistischer Gewalt (ähnliche Initiativen gibt es hierzulande auch in Zürich und Basel). Es geht also darum die Selbstorganisation innerhalb der Klasse zu stärken – als Gegenmodell zum Expertenwissen von Anwält:innen, Gewerkschaftsfunktionär:innen und Journalist:innen sowie als Antwort auf die Ausnützung der misslichen Lage von Migrant:innen durch mittelständische migrantische «Community Leaders».

Wie ist das Solidaritätsnetzwerk organisiert? Mit Plakaten, in der Zeitung und durch Gespräche rufen die Angry Workers zu regelmässigen Arbeiter:innen-Versammlungen in einem leicht zugänglichen Ort (z. B. Fast-Food-Restaurant) auf. Parallel dazu haben sie eine «Soli-Netzwerk-Telefonnummer» und eine Rechtsberatung eingerichtet. Vor allem Migrant:innen (meist Männer, aber auch einige Frauen) melden sich oder kommen zu den Versammlungen. Sie befinden sich oft in sehr schwierigen Situationen, kennen ihre Rechte nicht und waren abhängig von Leuten aus ihrer «Community». Wie sie in ihrem Buch beschreiben, gelang es den Angry Workers nicht wirklich, aus der «Dienstleister-Rolle» herauszukommen. Auch wenn die Kontakte bestehen blieben, beteiligten sich Arbeiter:innen selten aktiv. Einige Erfolge gab es dennoch: Etwa im Fall einer Lagerarbeiterin aus Punjab, die von einem «Ratgeber für Visumsfragen» aus ihrer «Community» gefälschte Papiere für einen Visumsantrag erhielt. Letzterer weigerte sich dann das Geld zurückzuzahlen. Erst als eine grössere Gruppe von Arbeiter:innen mit Flugblättern und Plakaten sein Büro aufsuchte, gab er nach und zahlte der Arbeiterin ihr Geld zurück. Im Fall einiger ungarischer Lagerarbeiterinnen gelang es, ausstehende Urlaubsgelder einzutreiben – ebenfalls indem mehrere Arbeiter:innen gemeinsam das Büro der Leiharbeitsfirma aufsuchten und Druck machten.

In Kontakt mit der lokalen Arbeiter:innenschaft kommen die Angry Workers auch beim Verteilen ihrer Zeitung «Workers Wild West». Diese umfasst Berichte von Arbeiter:innen über ihre Arbeitssituation und ihre Kämpfe. Zudem berichtet die Zeitung über die Aktivitäten des Solidaritätsnetzwerks und Arbeitskämpfe weltweit. Dabei analysieren sie die Stärke und Schwächen der jeweiligen Kämpfe. Die Zeitung veröffentlichen sie zwei bis drei Mal im Jahr – jeweils 2’000 Exemplare. Diese verteilen sie allerdings nicht auf der Strasse, sondern gezielt an die Arbeiter:innen spezifischer Betriebe, um mit diesen ins Gespräch zu kommen.

Militante Untersuchung

Die Angry Workers beleben eine sozialrevolutionäre Praxisform wieder, die in weiten Teilen der Linken verlorengegangen ist: Die sogenannte militante Untersuchung oder Arbeiter:innen-Untersuchung. Zum einen geht es darum, den Alltag von Arbeiter:innen zum Ausgangspunkt der Analyse zu machen – am Arbeitsplatz und darüber hinaus. Sie schliessen dabei an frühere Diskussionen dissidenter marxistischer Strömungen an – etwa die Analysen der Johnson-Forest-Tendency aus den USA, der französischen Gruppe Socialisme ou Barbarie und des italienischen Operaismus. Bei der Arbeiter:innen-Untersuchung geht es darum, die eigene Politik nicht einzig auf alte, dicke Wälzer bärtiger Männer abzustützen, sondern aus dem Alltag der arbeitenden Klasse und den dort manifesten Widersprüchen heraus zu entwickeln. Nicht aus Mitleid mit den «harten Schicksalen», nicht aus liberaler Empörung über das Scheitern der Meritokratie und auch nicht aus rein wissenschaftlichem Interesse. Sondern aus der strategischen Überlegung, dass die Arbeiter:innenklasse dank ihrer Stellung im Kapitalismus das kreative Potential, das nötige Produktionswissen und die strategische Macht hat, eine Revolution anzustossen, durchzusetzen und am Leben zu erhalten. Aber auch aus der ethischen Haltung heraus, dass die Linke an der Seite der Verlierer:innen des Kapitalismus stehen muss.

Zum anderen ist die Arbeiter:innen-Untersuchung ein Mittel der Agitation, um sich in der Klasse zu verankern, um die Bedingungen für Klassenkämpfe zu untersuchen, mit kollektiven Kampfformen zu experimentieren und solidarische Beziehungen in der Klasse aufzubauen. Inspiriert wurden sie von der Renaissance des Syndikalismus und neuer Debatten um Basisorganisierung. Sie setzten sich daher mit der Diskussion um das Organizing-Konzept «Deep Organizing» und den erfolgreichen, militanten Kämpfen der Basisgewerkschaft SI COBAS in der norditalienischen Logistik auseinander.

Arbeiter:innen-Untersuchungen führten die Angry Workers beispielsweise in eine Lebensmittelfabrik und in ein Verteilzentrum eines grossen Detailhändlers. Das Ziel war dabei, Produktionswissen zu sammeln und unter den Arbeiter:innen zu verallgemeinern sowie herauszufinden, wo im Produktionsprozess potenziell die Macht der Arbeiter:innen liegt. Welche Abteilungen können den Produktionsprozess am stärksten beeinflussen oder stören? Wo gibt es ein Zusammengehörigkeitsgefühl? Welche Rolle spielen Maschinen im Produktionsprozess? Zentral war aber auch, die politischen Spaltungen in der Klasse zu analysieren: Wie sind die Machtbeziehungen am Arbeitsplatz? Welche Techniken nutzen die Manager und Vorgesetzten, um die Produktivität hochzuschrauben? Welche Hierarchien in der Belegschaft schaffen sie? Diese Fragen dienen keiner reinen Theoriearbeit. Sie sind begleitet vom Versuch, informelle Bewegungen der Klasse zu befördern: Welche Kampfformen versprechen Erfolg, eine Unterschriftensammlung oder doch eher ein Bummelstreik? Welche Forderungen sind aufzustellen? Wie wirken sich die Spaltungen unter den Beschäftigten, z.B. zwischen verschiedenen Nationalitäten oder zwischen Temporären und Festangestellten aus?

Durch diese im Alltag verankerte Analyse vermeiden sie rein formal-abstrakte, soziologische Definitionen der Arbeiter:innen-Klasse ebenso wie das antiquierte, stereotype Bild vom Facharbeiter im Blaumann. Beide sind politisch wenig nützlich. Stattdessen entwickeln die Angry Workers ein hochaufgelöstes Bild der Klasse, das auch das Zusammenspiel von Migrationsregime, betrieblichen Hierarchien und Geschlechterordnung beachtet. Sie arbeiten systematisch heraus, wie Hierarchien unter den Arbeiter:innen entstehen, wie diese durch das Management geschaffen oder instrumentalisiert werden für ihre Teile-und-Herrsche-Strategie. So werden verschiedene migrantische Gruppen im Betrieb oft gegeneinander ausgespielt. Manager setzten gezielt Vorarbeiter:innen aus einer spezifischen migrantischen Gruppe ein, sodass Arbeiter:innen aus derselben Gruppe in einen Loyalitätskonflikt geraten: Ethnizität und Klasse konkurrenzieren sich hier und werden instrumentalisiert, um die Belegschaft zu spalten. Oft setzen die Manager auch auf erst seit kurzem migrierte Arbeiter:innen, weil diese ihre Rechte noch nicht gut kennen, sich sprachlich weniger gut wehren können, illegalisiert sind oder für ihren Aufenthaltsstatus auf eine Arbeitsstelle angewiesen sind.

Wichtig ist auch der Graben zwischen Festangestellten und Temporären. Als Arbeiter:innen sich in einem Getränkelager gegen die Streichung einer Überstunden-Prämie wehrten, bot das Management einigen Temporären eine Festanstellung an und durchbrach so die Solidarität unter den Arbeiter:innen. Die Festangestellten erhielten die Prämie weiterhin und wirkten als Streikbrecher:innen. Später stellte das Unternehmen über eine andere Firma neue Temporäre an, die über den Überstunden-Konflikt nichts wussten. Auch das Geschlecht ist zentral. Frauen sind nicht nur von Mehrfachbelastung betroffen, sie werden auch in der Lohnarbeit benachteiligt. Sie erhalten tiefere Löhne, auch weil sie systematisch in vermeintlich «unqualifizierte» Positionen eingeteilt werden. Oft ist diese Zuteilung komplett willkürlich. Denn auch hochspezialisierte Tätigkeiten, die lange Erfahrung benötigen, gelten als «unqualifiziert», wenn sie etwa an einem Fliessband erfolgen. Männer hingegen, die alle zwei Sekunden einen Knopf an einer Maschine bedienen, gelten als «angelernt» und sind dadurch in einer höheren Lohnkategorie. Erschwerend kommt für Frauen hinzu, dass sie Belästigungen und Übergriffen durch Arbeiter und Vorgesetzte ausgesetzt sind.

Die militante Untersuchung soll aber auch Arbeiter:innen vernetzen, solidarische Kontakte und Produktionswissen ausbilden helfen und Kampferfahrung und -erfolge ermöglichen. An diesen Zielen gemessen, könnte man einwenden, haben die Angry Workers wenig Spektakuläres erreicht. Es gelang ihnen zwar, dass Arbeiter:innen in der Lebensmittelfabrik, in der sie länger arbeiteten, wieder übers Streiken sprachen, ja während Lohnverhandlungen sogar damit drohten. Erstmals tauschten sich Arbeiter:innen aus den verschiedenen Fabriken des Lebensmittelunternehmens aus. Mit ihrer Präsenz zeigten die Angry Workers zudem auf, dass es Arbeitskolleg:innen gab, die bereit waren, gegen das Management praktisch vorzugehen. Doch viel weiter gingen die konkreten Resultate nicht. Ihre Klassenpolitik brachte keine schnellen Erfolge. Klar wird: so eine Praxis braucht Zeit, Geduld und Durchhaltevermögen – als Freizeit-Aktivismus ist das nicht zu haben.

Strategisches Denken zurückgewinnen

Interessant am Buch sind auch die Bemühungen der Angry Workers, Antworten auf die Strategielosigkeit der Linken zu finden. Sie diagnostizieren, dass die revolutionäre Linken die Frage nach der Revolution mit vagen Visionen von Multitude, Generalstreik oder Aufstand umschifft. Ihre Organisierungsarbeit wollen sie nicht als Selbstzweck verstanden wissen, sondern als Aufbauprozess für eine tiefgreifende gesellschaftliche Transformation. Dass zwischen alltäglichen Kämpfen und Revolution eine grosse Kluft besteht, ist ihnen bewusst. Daher versuchen sie zumindest eine konzeptuelle, strategische Brücke zu schlagen. Wie eine Übernahme der Produktionsmittel und der gesellschaftlichen Macht durch die Ausgebeuteten aussehen könnte, wollen die Angry Workers möglichst konkret durchdenken. Dass diese «Simulationsübung» holzschnittartig ausfällt, ist nicht verwunderlich. Sie zeigt aber auf, wie wichtig es ist, sich nicht vom «There-is-no-Alternative»-Denken einnehmen zu lassen und das strategische Denken aufzugeben.

Am Beispiel der USA blicken die Angry Workers auf die Kämpfe der letzten Jahre zurück und sprechen drei Klassensegmente an, die – etwas überspitzt – drei Kampfformen wählten: erstens die marginalisierten Proletarier:innen und die Massenproteste und Riots nach dem Mord an George Floyd, zweitens die Massenarbeiter:innen in der kleinen Streikwelle während des Covid-Lockdowns und des Striketober 2021 und drittens die Proteste der Tech- und Wissens-Arbeiter:innen bei Google und Co. Daran machen sie drei Elemente fest, die – wenn sie zusammenkommen – einen revolutionären Prozess ausmachen können: Erstens, eine «massenhafte proletarische Gewalt gegen die Staatsgewalt und die Sprengung des privaten Rahmens durch das Zusammenkommen auf Strassen und Plätzen», zweitens die «kollektive produktive Macht» der Arbeiter:innen, drittens das «widerständige Produzentenwissen» der Wissensarbeiter:innen. Wie sie betonen, spiegelt sich diese Dreiteilung auch geographisch, auf globaler Ebene, symbolisiert durch die Fabriken in Shenzen, die IT-Büros im Silicon Valley und die proletarischen Viertel in Lagos. Das Problem sehen die Angry Workers in der Trennung der drei Klassensegmente, die bisweilen auch von Gewerkschaften oder der Linken reproduziert werden. «Was wir brauchen», schliessen sie daraus, «ist ein direkter Austausch zwischen marginalisierten Proletarier:innen, Massenarbeiter:innen und Wissensarbeiter:innen, die als Teil einer Klassenbewegung ihre Aufgabe der gesellschaftlichen Transformation erkennen und dabei materielle Spaltungen und Wissenshierarchien innerhalb der Klasse überwinden.»

Eine zentrale Gefahr für jeden revolutionären Prozesse diskutieren sie am hypothetischen Beispiel eines Arbeiter:innen-Aufstandes in Grossbritannien. Aufständischen Gebieten droht, dass sie sich materiell nicht reproduzieren können, also das Essen ausgeht oder die Materialien für die industrielle Produktion versiegen, weil sie vom Weltmarkt abgeschottet werden. Um dies zu verhindern, fokussieren sie auf die «Zentren der [ökonomischen] Macht», auf die «Getreidekammern, Fabriken, Häfen und Kraftwerke», wie sie schreiben. Die Angry Workers betonen daher, dass ein erfolgreicher Arbeiter:innen-Aufstand die essenziellen Industrien – etwa Landwirtschaft, Lebensmittelverarbeitung, Energieproduktion, Wasserversorgung, Transport, Kommunikation etc. – übernehmen, verteidigen und transformieren muss. Daher denken sie, dass eine «aktive Minderheit» von 30 bis 40 % des Proletariats als produktiver, materieller Kern den Aufstand tragen muss. Parallel zu diesem produktiven Aufstand müssten grössere, kollektivistische «Haushaltseinheiten» eingerichtet werden – zum Beispiel in ehemaligen Hotels oder Bürogebäuden – in denen dann Güter verteilt, Haus- und Care-Arbeit gemeinsam organisiert wird und politische Entscheidungen gefällt werden.

Hier stellt sich allerdings die Frage, ob die Angry Workers nicht die Vernetztheit, die sie ja grundsätzlich bedenken und die Abhängigkeit von Technologie unterschätzen. Wie einige Marxist:innen anhand des Marxschen Maschinenfragments behaupteten, ist der gegenwärtige Kapitalismus dadurch geprägt, dass Technologie und der Einsatz von Wissen zur eigentlichen Triebfeder kapitalistischer Produktion geworden sind, während die Arbeiter:innen zu Wächter:innen des Herstellungsprozess werden. Weniger der Einsatz physischer Arbeitskraft stellt den Produktionsprozess sicher, sondern die korrekte Anwendung wissenschaftlichen Wissens, ein hochtechnologisierter Maschinenpark sowie Fehlerbehebung und -prävention. Kurzum: Wenn in zahlreichen Industrien und in der Logistik Computertechnologie und Internet-Vernetzung ein integraler Bestandteil eines funktionierenden Maschinenparks ist, besteht nicht die Gefahr, dass ein fehlendes Software-Update, ein gekappter Breitbandanschluss oder das Fehlen weniger Spezialist:innen die Güterproduktion und -verteilung komplett lahmlegen kann? Welches ist also die Rolle von Technologie und Wissen in einer Revolution?

Ein zweiter Punkt: Gelingt ein lokaler Aufstand, braucht es nicht mehr als «Getreidekammern, Fabriken, Häfen und Kraftwerke»? Wir werden weiterhin ältere, behinderte und erkrankte Menschen pflegen, Kinder betreuen usw. usf. Die Gesellschaft reproduziert sich nicht nur mit materiellen Gütern, sie bedarf Tätigkeiten des Pflegens und Sorgens und die sozialen Beziehungen, die sich dadurch ausbilden und vertiefen. Eine wahrhafte soziale Revolution muss die Spaltung der Klasse in unbezahlte Reproduktionsarbeiter:innen und Lohnarbeiter:innen hinter sich lassen. Den Bereich der sozialen Reproduktion haben die Angry Workers zwar nicht vergessen. Sie analysieren die Haushalte in Greenford, behandeln deren Probleme im Solidaritätsnetzwerk und betonen, dass es in einer Phase der Transformation ebenso wichtig ist, Zentren der kollektivierten sozialen Reproduktion zu schaffen wie die essenziellen Industrien zu übernehmen. Doch müsste sich diese strategische Bedeutung nicht stärker in der Organisierungspraxis zeigen? Und ergeben sich hier nicht vielversprechende Möglichkeiten für eine Allianz mit der feministischen Bewegung?

Basis-Initiativen könnten daher danach fragen, wie die Organisierung am Arbeitsplatz mit Vernetzungen und Gegenstrukturen in der Sphäre der sozialen Reproduktion verschaltet werden können. Interessant wäre es, die Methoden der Arbeiter:innen-Untersuchung und Basisorganisierung auf die soziale Reproduktion anzuwenden: Wie ist die Haus- und Care-Arbeit in diesem oder jenem Gebiet organisiert? Wo findet sie statt, wer leistet sie? Welche kollektiven Arbeitsformen existieren bereits, wo finden sie statt und wie könnten diese verallgemeinert werden? In Community-Center könnte mit der Kollektivierung von Reproduktionsarbeit experimentiert werden (z. B. Essenszubereitung, Sorge-Arbeiten, Selbst-Sorge-Gruppen). Wenn man sich die kapitalistische Ökonomie als Verkettung von Arbeitsschritten vorstellt und die soziale Reproduktion am Anfang dieser Kette steht (Arbeitskräfte herstellen und erhalten) ist zudem zu fragen: Wo ist die Abhängigkeit kapitalistischer Unternehmen von einer reibungslosen Reproduktion der Arbeitskräfte besonders hoch, wo liegt also strategische Macht im Bereich der sozialen Reproduktion? Und für den Bereich des Wohnens: Wie kann organisatorische Macht aufgebaut werden, um Wohnraum mittels direkter Aktionen zu vergesellschaften? Hier ergeben sich also Anschlussmöglichkeiten für eine revolutionäre Stadtteilarbeit (vgl. das Buch «Revolutionäre Stadtteilarbeit» und die Gruppe ROSA), welche die soziale Reproduktion in einem Quartier in den Fokus nimmt.

Einen «Masterplan» für Basisorganisierung können die Angry Workers auch nicht vorlegen. Sie sehen ihre Organisierung als Versuch, als Experiment, um die wahrgenommene Alternativlosigkeit in der Linken zu überwinden. Ihr Ziel bleibt dabei die politische Organisierung der Klasse, also eine Klassenpolitik, die sich nicht an einer abstrakten Vorstellung der Lohnabhängigen-Klasse orientiert, sondern im täglichen Leben und Kämpfen der Arbeiter:innenklasse eingebettet ist. Sie streben keine formale Organisation an, der Menschen beitreten können, um dann nichts mehr zu unternehmen. Vielmehr stellen sie sich eine Organisierung vor, die aus vielen lokalen Kollektiven besteht, die auf der Selbstorganisation der Klasse aufbauen und sich über die radikale gesellschaftliche Veränderung austauschen.

Das Buch der Angry Workers ist absolut lesenswert! Aus den vielen dichten Beschreibungen lernen wir ungemein viel über die Lebensbedingungen der Arbeiter:innenklasse West-Londons und ihre Einbettung in die lokalen und globalen Supply-Chains. Man fragt sich sogleich, wie denn die Logistik-Cluster in der eigenen Region organisiert sind, wo der Fertig-Food im Detailhändler herkommt und wieso die Linke so wenig darüber weiss. Was das Buch von vielen akademischen oder journalistischen Schreibübungen – ja selbst von manchen Gesprächen unter Genoss:innen – unterscheidet: Stets spricht aus ihren Untersuchungen ein ehrliches, menschliches Interesse am Alltag der Menschen und der unbändige Wille, die herrschenden Verhältnisse nicht hinzunehmen.

Das Buch ist eine Einladung, jegliches rein instrumentelles oder sozialkaritatives Verhältnis zum Proletariat zu überwinden und eine Quelle für eigene Organisierungsprojekte. Inspirierend ist zudem, wie diese Kommunist:innen direkte, solidarische – auch freundschaftliche – Beziehungen mit anderen Arbeiter:innen aufbauen, mit ihnen Kampferfahrungen und Wissen sammeln und dies mit strategischen Überlegungen für eine andere Welt kombinieren. Diese kommunistische Zärtlichkeit gegenüber der Klasse ist in den gegenwärtig düsteren Zeiten nötiger denn je.

Soweit nicht anders angegeben und keine Quellenangabe (Name einer Organisation oder Internet-Adresse) vorhanden ist, gilt für die Texte auf dieser Webseite eine Copyleft (Public Domain) Lizenz.

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Grafikquellen          :

Oben     —  Demonstration an der Universiät von Wisconsin, USA. / 

Verfasser  :    marctasman (CC BY-SA 2.0 cropped)

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Copyright-Symbol überprüft.svg Dieses Bild wurde ursprünglich von marctasman at https://flickr.com/photos/89585333@N00/5527109848 (Archiv) auf Flickr gepostet. Es wurde am 20. Oktober 2018 von FlickreviewR 2 überprüft und es wurde bestätigt, dass es unter den Bedingungen des cc-by-sa-2.0 lizenziert ist.

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Unten       —       Proteste am 10. März

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Ein Lob den Streiks

Erstellt von DL-Redaktion am 3. August 2022

Arbeitsniederlegung an Flughäfen und in Krankenhäusern

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Eine Kolumne von Samira El Ouassil

Erst das Krankenhauspersonal, dann die Lufthansa-Mitarbeiter: In Deutschland stehen Streiks derzeit auf der Tagesordnung. Warum Stimmungsmache dagegen unredlich ist – und nur ökonomischer Ungehorsam wirkungsvoll.

Eigentlich dürfte hier gar keine Kolumne stehen. Im Geiste meines nun kommenden Lobes des Streiks sollte ich mich solidarisch mit allen Streikenden zeigen, dem SPIEGEL keinen weiteren Buchstaben schenken und diese Seite weiß lassen. Allerdings komme ich nicht umhin zu erklären, was an einer kollektiven Niederlegung der Arbeit so subversiv ist, ohne hier nun doch, nun ja, zu arbeiten (auch wenn ich natürlich schon die Kommentare vor meinem geistigen Auge sehe, die das hier nicht als Arbeit bezeichnen würden).

Denn beim Streiken geht es, glaubt man dem französischen Soziologen Pierre Bourdieu, um nicht weniger als um die Verteidigung demokratischer Errungenschaften. Während des Generalstreiks im Jahr 1995 am Gare de Lyon in Paris, dem größten in Frankreich seit den Sechzigerjahren, ergriff Bourdieu das Wort, beschrieb den Streik als Kampf gegen die »Zerstörung der Zivilisation« und sorgte damit unter den Intellektuellen seines Landes für einen Eklat.

Nach Wochen der landesweiten Infrastruktur-Stilllegung, die von der Bevölkerung unterstützend akzeptiert wurde, nahm die Regierung des damaligen Premiers Alain Juppé eine geplante Rentenreform zurück. Die Öffentlichkeit hatte die existenzielle Verzweiflung hinter den Handlungen verstanden: Worum die Streikenden auf der Straße kämpften, war das Anrecht darauf, nicht in Ausbeutungsverhältnissen zermürbt zu werden; das Anrecht auf vernünftige Arbeitsbedingungen und auf Würde, ja, sogar am Arbeitsplatz.

Schaut man sich allerdings heute in Deutschland beispielsweise die desaströsen Arbeitsverhältnisse in Krankenhäusern an, insbesondere während der Hochphasen der Pandemie, kann von würdevollen Arbeitsbedingungen und einer adäquaten Bezahlung keine Rede sein.

Trotz des Applauses und der Schnittblumen zum Tag der Pflege kam es überraschenderweise zu keiner merklichen Verbesserung der Situation für Menschen in Gesundheitsberufen. Für die patientennahen Arbeitskräfte in den nordrhein-westfälischen Kliniken blieben also nur zwei Möglichkeiten: entweder wie viele Kolleg:innen in einem großen »Pflexit« den Beruf verlassen oder auf der Straße dafür kämpfen, dass andere Bedingungen hergestellt werden.

Nachdem die Chefs der Unikliniken ein 100-Tage-Ultimatum hatten verstreichen lassen, gingen die Beschäftigten im Gesundheitswesen in einen Streik, der sich über elf Wochen hinzog. In diesen fast drei Monaten, in denen Corona noch wütete, versuchten die Arbeitgeber mehrmals, den Streik juristisch zu brechen und kritisierten ihn öffentlich. Aber die Arbeitnehmer:innen hielten durch und erzielten einen präzedenzfallhaften Erfolg. Ihre Zähigkeit zahlte sich aus.

Dieser Streik allein zeigt, wie wirksam ökonomischer Ungehorsam als politisches Instrument sein kann. Als Boykott von Lohndumping funktioniert ein Streik wie ein Shitstorm auf der Straße. Nicht von ungefähr nutzt auch Fridays for Future diese Form, um Protest effizienter zu gestalten. Vielleicht gibt es keinen aufmerksamkeitswirksameren Hebel, um die Ausbeutungslogik von Firmen wie Gorillas oder die katastrophale Entlassungspolitik der Lufthansa sichtbar zu machen.

Das Bodenpersonal der Lufthansa hat ab Mittwoch nach einem Aufruf von Ver.di die Arbeit niedergelegt. 1000 Flüge sind ausgefallen, über hunderttausend Passagiere waren betroffen. Die »Bild« titelte »Der fiese Frank versaut uns die Ferien«, an anderer Stelle »Diese Ver.di-Streikenden lassen unsere Flüge platzen« sowie »Das haben wir nicht VERDIent!«

Bei aller handwerklicher Schönheit dieser Headlines agitiert die Zeitung verstörend gegen Arbeitnehmer:innen, profitiert von der menschlich absolut verständlichen Wut der betroffenen Reisenden und verkennt willentlich, dass die Lufthansa-Gruppe aufgrund von Lohndumping und drastischem Stellenabbau den Beschäftigten keine andere Option ließ, als die Arbeit auszusetzen.

Quelle        :            Spiegel-online            >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —          Streik des Bodenpersonals am Flugplatz Schönefeld SXF

Verfasser       :

© Ralf Roletschek

GNU-Kopf Die Erlaubnis zum Kopieren, Verteilen und/oder Modifizieren dieses Dokuments wird unter den Bedingungen der GNU Free Documentation License, Version 1.2, nur in der von der Free Software Foundation veröffentlichten Fassung erteilt; ohne invariante Abschnitte, ohne Front-Cover-Texte und ohne Back-Cover-Texte. Eine Kopie der Lizenz ist im Abschnitt GNU Free Documentation License enthalten. 1.2 Nur

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Unten       —     02.05.2018, Berlin: Diskussion: Eröffnungspanel: Die Revolution disst ihre Kinder – alte Linke, neue Rechte und das Internet Speaker: Friedemann Karig, Stefan Niggemeier, Samira El Ouassil, Nils Markwardt. Die re:publica ist eine der weltweit wichtigsten Konferenzen zu den Themen der digitalen Gesellschaft und findet in diesem Jahr vom 02. bis 04. Mai in der STATION-Berlin statt. Foto: Gregor Fischer/re:publica

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Eine befreite Gesellschaft?

Erstellt von DL-Redaktion am 27. Juli 2022

Über unsere  gesellschaftlichen Verhältnisse

Quelle     :     Untergrundblättle – CH

Von      :        Jonathan Eibisch

Warum Anarchist*innen endlich von der Fiktion einer „befreiten Gesellschaft“ wegkommen müssen. Der Aufruf zu einer anarchistischen Demo schliesst mit der Aufforderung dazu, eine „befreite Gesellschaft“ nicht zu erträumen, sondern zu erkämpfen.

Dazu sollen „radikale Politik in die breite Gesellschaft“ getragen und autonome Strukturen organisiert werden. Leicht lassen sich derartige Aussagen als billige Phrasendrescherei abtun. Besitzbürger*innen dämonisieren den Radikalismus der entsprechenden Gruppierungen, wohl wissend, dass diejenigen, die für derartige Positionen eintreten keineswegs die autonome Macht haben, um ernsthaft an der Verteilung von Eigentum oder politischer Macht zu rütteln. So dient ihre Verurteilung linksradikaler Phrasen letztendlich zur Verschleierung der Gewalt mit dem sie ihre eigenen Privilegien angeeignet haben und aufrecht erhalten.

Aus anarchistischer Perspektive sind Appelle, eine „befreite Gesellschaft“ einzurichten hingegen ernstzunehmen. Immerhin steckt dahinter überhaupt noch die Vorstellung, dass eine „andere Welt möglich“ ist und es in der Macht einer selbstorganisierten, kämpfenden Bewegung ist, diese entgegen der bestehenden Herrschaftsordnung zu verwirklichen. Damit ist die Phrase von der „befreiten Gesellschaft“ als Projektion eigener Sehnsüchte zu verstehen, die als solche aus dem Leiden unter den herrschaftlichen Verhältnissen der Gegenwart hervorgeht. Ohne diesen Motivation wird es kaum möglich, über das Bestehenden hinaus zu denken, also einer sozial-revolutionär, statt einer reformerische Herangehensweise nachzugehen.

Doch der fiktionale Charakter der sogenannten „befreiten Gesellschaft“ ist offensichtlich. Mit ihr wird ein endgültiger Zustand der Erlösung suggeriert, welcher nach einer fulminanten Endschlacht quasi von selbst hereinbrechen würde. Zur Selbstvergewisserung zogen Marxist*innen, welche die theoretische Figur der „befreiten Gesellschaft“ erfanden und bedienten, vermeintliche Gesetzmässigkeiten der historischen sozioökonomischen Entwicklung heran, welche eindimensional nach einem teleologischen Geschichtsverständnis verlaufen würde.

Statt der Behauptung „es rettet uns kein höheres Wesen“, wurde radikal-humanistisch (und eurozentristisch) die Weiterentwicklung der modernen Menschheit als metaphysische Orientierung eingesetzt. Im Übrigen wurde damit auch das moderne Weltverständnis auf die Vergangenheit zurück projiziert, was verlangte zu behaupten, dass vorherige oder aussereuropäische Gesellschaftsformen fundamental anders gewesen wären. (Ja, das waren und sind sie auch – nur eben nicht in der Konstruktion ihrer Andersartigkeit durch die globale hegemoniale Elite.)

Anarchist*innen gehen davon aus, dass die Gesellschaftsform in einem langen und anhaltenden Prozess auf verschiedenen Ebenen sozial revolutioniert werden muss. Ein Paradox besteht dabei darin einerseits „alles verändern“ zu wollen und andererseits zu wissen, dass derartige Veränderung per se nur prozesshaft auf verschiedenen Wegen geschehen und nie abgeschlossen werden kann. Wir wollen keine etwas freiere Gesellschaft, sondern eine, in welcher soziale Freiheit im qualitativen Unterschied zu heute umfassend und für alle Menschen verwirklicht werden kann. Und trotzdem können wir sie nur etappenweise erkämpfen, Schritt für Schritt aufbauend auf den bisherigen Erfolgen, statt auf der Illusion eines grossen Schlages von oben/aussen, der nie kommen wird. Emanzipation bedeutet, dass Menschen aktiv werden, ermächtigen, sich organisieren und sich in ihrem Engagement und ihren Auseinandersetzungen selbst verändern.

Die Fiktion einer „befreiten Gesellschaft“ zu bedienen, nährt die Probleme der abstrakten Utopie. Dagegen treten Anarchist*innen für die Konkretisierung der Utopie mit einem recht unspektakulären Verständnis von ihr ein. Es lohnt sich für die konkrete Utopie einer libertär-sozialistischen Gesellschaftsform zu kämpfen. In ihr sollen Freiheit, Gleichheit, Solidarität, Selbstbestimmung und Vielfalt für alle Menschen verwirklicht werden. Sie bedeutet eine grundlegende Transformation politischen Form des Staates hin zu einer Föderation dezentraler autonomer Kommunen sowie der ökonomischen Form des Kapitalismus hin zu einer dezentralen und partizipativen sozialistischen Wirtschaftsweise.

Die libertär-sozialistische Gesellschaft hat noch andere Kriterien, um welche es an dieser Stelle nicht geht. Und Anarchie wird sie in Frage stellen und damit auf das Ziel der Überwindung jeglicher Herrschaftsverhältnisse hin ausrichten. Damit hört der Prozess der Einrichtung und Weiterentwicklung von Gesellschaft als auch nicht „nach“ der sozialen Revolution auf, sondern ist fortlaufend voran zu bringen. Damit dies gelingen kann, könne die stahlharten Rahmenbedingungen jedoch aufgebrochen und geändert werden.

Mit der Phrase „der befreiten Gesellschaft“ wird nichts von diesen Aspekten assoziiert. Mit ihr wird keine Verbindung zwischen pragmatischem und konkret-utopischem Denken geschlagen, sondern der Schein-Widerspruch zwischen Reform und Revolution in die Richtung eines Pseudo-Radikalismus aufgehoben.

In umso krasserem Licht erscheint die Parole, weil zwar landläufig angenommen und gefühlt wird, dass die bestehende Herrschaftsordnung von Grund auf marode ist, während das konkret-utopische Sehnen fast vollständig versiegt ist. Und das selbst (und/oder gerade ?) unter Linksradikalen. Mit anderen Worten dient die Phrase „der befreiten Gesellschaft“ im Grunde genommen dazu, sich über die eigene Enttäuschung hinwegzutäuschen und die eigenen Ohnmachtserfahrungen verbalradikal zu kaschieren.

Darüber hinaus wird mit ihr ein falsches Herrschaftsverständnis tradiert. Nämlich jenes, nach welchem Herrschaft von einem Aussen her auf die vermeintlich organische und „gute“ Gesellschaft auferlegt werden würde. Selbstverständlich profitieren privilegierte Gruppen von der bestehenden Herrschaftsordnung und haben deswegen von Zwang, Gewalt und Verblödung gestütztes Interessen, diese aufrecht zu erhalten, worunter die meisten anderen leiden. Wir haben es mit einem Phänomen systemischer Herrschaft zu begreifen – deren Akteur*innen freilich trotzdem angreifbar sind.

Wer Herrschaftsverhältnisse insgesamt überwinden will, muss sie aber als solche – als gesellschaftliche Verhältnisse – begreifen, statt anzunehmen, man könne die „blöden“, „bösen“ oder „fiesen“ Herrschenden irgendwie raus werfen, damit die Leute dann ihre Angelegenheiten selbst regeln könnten. Es ist nun mal leider deutlich komplizierter und verlangt zumindest die eigene Verstrickung in Herrschaft (aus der eine solch ultimative Projektion nach „der befreiten Gesellschaft“ heraus entspringt) einzugestehen und einen adäquaten Umgang damit zu finden.

Meine Position ist in diesem Zusammenhang klar: Meiner Ansichten nach sollten Anarchist*innen für eine libertär-sozialistische Gesellschaftsform kämpfen, diese propagieren, veranschaulichen und sich mit anderen Strömungen unter diesem Label verbünden. Es gilt freiheitliche, gleiche und solidarische Institutionen und Beziehungen in der Hülle der alten Gesellschaftsordnung zu schaffen.

Zugleich sollten Anarchist*innen jeglicher verfestigter Ordnung gegenüber skeptisch bleiben und sie in Frage stellen, statt ein Regime durch ein anderes zu ersetzen – und sei es mit den aufrichtigsten Anliegen. Beides gleichzeitig zu verfolgen, führt zu einem Paradox, welches die potenziell produktive Spannung hervorbringt, welche den Anarchismus meiner Wahrnehmung nach auszeichnet. In dieser Herangehensweise liegt meines Erachtens nach auch der Unterschied zu linksradikaler Politik begründet.

Soweit nicht anders angegeben und keine Quellenangabe (Name einer Organisation oder Internet-Adresse) vorhanden ist, gilt für die Texte auf dieser Webseite eine Copyleft (Public Domain) Lizenz.

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Oben     —       Unbearbeitetes, dafür zeitnah hochgeladenes Foto vom 1. Mai 2013 in Hannover: Der Deutscher Gewerkschaftsbund hatte zu den Demonstrationen unter dem Motto „Gute Arbeit. Sichere Rente. Soziales Europa“ aufgerufen. Vielleicht letztmals zogen Demonstranten und unterschiedlichste Gruppierungen vom Freizeitheim Linden zum Klagesmarkt, den die Stadt Hannover im Zuge der Umbaumaßnahmen von Hannover City 2020 + demnächst mit Häusern bebauen will. Auch 2013 nahmen insbesondere Familien mit Kindern an den Feierlichkeiten teil und konnten vielleicht letztmals gleichzeitig in der Grünfläche des Gartendenkmals Alter St. Nikolai Friedhof Erholung finden …

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Löhne+Wirtschaftswachstum

Erstellt von DL-Redaktion am 12. Juli 2022

Mythos namens Lohn-Preis-Spirale

Entwicklung der Nominal- und Reallöhne in Deutschland[1]

Von  :  Marcel Fratzscher

Lassen steigende Löhne Unternehmen pleitegehen? Im Gegenteil! Das deutsche Wirtschaftsmodell beruht auf gut bezahlter Arbeit.

Das Schreckgespenst der Lohn-Preis-Spirale ist in aller Munde. Überzogene Lohnforderungen der Beschäftigten, so die Befürchtung, könnten Unternehmen auf Jahre hinaus zu hohen Preissteigerungen zwingen, was zu einer schädlich hohen Inflation und im Extremfall sogar zu einer anhaltenden Stagflation (eine hohe Inflation bei gleichzeitig geringem Wachstum) führe. Was ist dran an diesem Mythos? Ein nüchterner Blick auf die derzeitige Realität zeigt eher das gegenteilige Bild: Die Lohn­ent­wicklung ist schwach, die Inflation wird von den Unternehmen und durch importierte Energie getrieben. Somit würde auch die konzertierte Aktion der Bundesregierung scheitern, wenn es ihr primäres Ziel wäre, Beschäftigte zu Lohnverzicht zu drängen.

Eine Lohn-Preis-Spirale kann unter zwei Voraussetzungen entstehen: Zum einen, wenn Beschäftigte und Gewerkschaften so große Macht in den Verhandlungen mit den Ar­beit­ge­be­r*in­nen haben, dass sie Löhne und Arbeitsbedingungen praktisch diktieren können. Die zweite Bedingung: Beschäftigte und Gewerkschaften orientieren sich bei ihren heutigen Lohnforderungen an der Inflation von gestern und nicht an einer für die Zukunft realistischen Inflationsrate. Wenn beide Bedingungen zutreffen, dann können Lohnerhöhungen die Zahlungsfähigkeit oder -willigkeit der Unternehmen übersteigen, sodass diese die höheren Lohnkosten in Form gestiegener Preise an die Kon­su­men­t*in­nen weitergeben.

Das wiederum könnte die Lohnerhöhungen weiter befeuern und zu einer exzessiven Inflation führen. Ein solches Koordinationsproblem zwischen Ar­beit­ge­be­r*in­nen und Ar­beit­neh­me­r*in­nen kann dann meist nur die Zentralbank brechen, die mit einer massiven Zinserhöhung die Wirtschaft in eine Rezession zwingt, mit enormen wirtschaftlichen und sozialen Folgen wie Unternehmenspleiten und hoher Arbeitslosigkeit.

Vielmehr eine Preis-Preis-Spirale

Nie jedoch waren die Voraussetzungen für eine Lohn-Preis-Spirale in Deutschland in den letzten 70 Jahren weniger gegeben als heute. Die realen Löhne und damit die Kaufkraft der Einkommen dürften mit durchschnittlichen Lohnerhöhungen von 4 bis 5 Prozent und einer Inflation von über 7 Prozent in diesem Jahr deutlich sinken. Vieles spricht dafür, dass die Lohnentwicklung eher zu schwach als zu stark ist. Denn einige große Unternehmen in Deutschland fahren hohe Gewinne ein und schütten Dividenden aus.

Das Wachstum der Produktivität ist weiterhin robust und der Anstieg der Lohnstückkosten eher moderat. Es scheint also, dass zumindest in manchen Branchen die Unternehmen das größte Stück des Kuchens für sich beanspruchen und ihre Beschäftigen zum Verzicht drängen.

Somit ist die Lohn-Preis-Spirale nicht mehr als ein Mythos. Mit einem moralischen Unterton, der implizit Beschäftigten und Gewerkschaften die Verantwortung für die hohe Inflation gibt. Was heute existiert, ist vielmehr eine Preis-Preis-Spirale, bei der sich die über die Energiekosten importierte Inflation und von Unternehmen bestimmte Konsumentenpreise gegenseitig verstärken. Wenn überhaupt, dann könnte in Zukunft eine Preis-Lohn-Spirale entstehen, wenn denn die Löhne so stark steigen sollten, dass sie die Inflation der Konsumentenpreise übertreffen.

Nun befürchten Kritiker*innen, die Gewerkschaften könnten den Bogen in den kommenden Jahren überspannen. Aber dies ist eher unwahrscheinlich, auch weil die Macht der Gewerkschaften in den letzten Jahrzehnten deutlich abgenommen hat. Weniger als die Hälfte aller Beschäftigten sind heute über Tarifverträge abgedeckt. Zudem haben Gewerkschaften in der Wirtschaftskrise der 2000er Jahre und nach der globalen Finanzkrise 2008 durchaus bewiesen, dass sie ihren Beitrag zur Bewältigung von Krisen zu leisten bereit sind.

Lohnerhöhungen können aus einer gesamtwirtschaftlichen Sicht zu stark, aber auch zu schwach sein. Denn je stärker die Kaufkraft schrumpft, desto höher ist auch der Schaden für die Wirtschaft. Umgekehrt können zu starke Lohnerhöhungen zu Beschäftigungsverlusten und Arbeitslosigkeit führen. Dies zeigt, dass langfristig die Interessen der Ar­beit­ge­be­r*in­nen und Ar­beit­neh­me­r*in­nen nicht gegeneinander stehen können.

Quelle        :       TAZ-online         >>>>>        weiterlesen

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Wohnen als Lebensmittel

Erstellt von DL-Redaktion am 26. Juni 2022

Mieter, vor allem in Städten, sind die Verlierer der Wohnungskrise

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Von Max Rathke

Die Wohnungskrise verschärft den Gegensatz zwischen Mietern und Vermietern. Die Politik bietet keine Lösungen. Mieter müssen deshalb ihre Interessen selbst wahrnehmen.

Es ist eigentlich ein bescheidener Wunsch. Jeder Mensch will eine günstige Wohnung, die Licht, Luft und Raum zur freien Entfaltung bietet. Doch für die Mehrheit der Mieterinnen und Mieter in Deutschland wird dieser Wunsch immer mehr zu einem unerfüllbaren Traum. Sie sind die Verlierer der Wohnungskrise, die sich insbesondere im letzten Jahrzehnt stetig verschärft hat.

Denn der Anteil des Einkommens, der durch die Miete gefressen wird, ist in den letzten 30 Jahren stark angestiegen. Das verdeutlichen Daten des Instituts der deutschen Wirtschaft. So mussten Anfang der 1990er Jahre Mieterhaushalte im Mittel 15 Prozent ihres Nettoeinkommens für die Kaltmiete ausgeben. Mittlerweile sind es ungefähr 25 Prozent.

Besonders verschärft hat sich die Lage für Großstadtmieter. Ein Forschungsteam um den Soziologen Andrej Holm ermittelte, dass die Hälfte aller dortigen Mieterhaushalte mehr als 30 Prozent des Nettoeinkommens für die Warmmiete aufwendet. Gut ein Viertel der Haushalte müssen sogar jeden Monat mindestens 40 Prozent ihres Einkommens an den Vermieter überweisen. Die kommende Steigerung der Nebenkosten ist hier noch nicht berücksichtigt.

Die Profiteure dieser Entwicklung sitzen am anderen Ende der Nahrungskette. Die reichsten 10 Prozent haben am stärksten von den steigenden Preisen am Wohnungsmarkt profitiert. Sie herrschen über fast zwei Drittel des gesamten Immobilienvermögens. Im letzten Jahrzehnt konnte diese kleine Elite allein durch die steigenden Immobilienpreise Vermögensgewinne von 1,5 Bil­lio­nen Euro realisieren.

Was wir als „Rückkehr der Wohnungsfrage“ erleben, ist das Aufflackern einer historischen Krise, die schon seit Beginn der kapitalistischen Gesellschaft schwelt. „Was man heute unter Wohnungsnot versteht, ist die eigentümliche Verschärfung, die die schlechten Wohnungsverhältnisse der Arbeiter durch den plötzlichen Andrang der Bevölkerung nach den großen Städten erlitten haben; eine kolossale Steigerung der Mietpreise; eine noch verstärkte Zusammendrängung der Bewohner in den einzelnen Häusern, für einige die Unmöglichkeit, überhaupt ein Unterkommen zu finden.“ Diese Beschreibung ist 150 Jahre alt und stammt von Friedrich Engels.

Engels analysiert in diesem Aufsatz, warum sich die Wohnungsfrage im Kapitalismus immer wieder neu stellt. Im Kern ist der Mietvertrag „ein ganz gewöhnliches Warengeschäft“ zwischen zwei Bürgern. Das Interesse des Vermieters an einer profitablen Verwertung seines Immobilienkapitals und das Interesse des Mieters an guten Wohnbedingungen stehen dabei im Gegensatz zueinander. Der gesellschaftliche Kontext, in dem sich dieser Gegensatz vollzieht, führt zur Entstehung eines strukturellen Machtgefälles.

Das Machtgefälle zwischen Mieter und Vermieter hat seine Ursache in der kapitalistischen Produktionsweise. Sie erzeugt eine große Masse eigentumsloser Arbeitskräfte, die – weder räumlich noch sozial gebunden – nur mithilfe der Lohnarbeit überleben kann. Die wirtschaftliche Dynamik führt zur räumlichen Zusammenballung von Kapital und Menschen in globalen Metropolregionen. Im Kapitalismus ist Boden eine Ware und die Verteilung urbaner Räume vollzieht sich nach Marktgesetzen. Konkret bedeutet das: Die zahlungskräftigsten Akteure erhalten den ersten Zugriff. Unter diesen Bedingungen lohnt sich die Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum für Geringverdiener nicht. Wer nicht genug zahlt, zählt nicht. Und so beschreibt Engels, wie Mieter in regelmäßigen Abständen aus ihren Quartieren an die Ränder der Städte vertrieben werden. Er beschreibt, wie Vermieter ihre Gewinne durch alle möglichen Tricks und „Prellereien“ über die vereinbarte Miete hinaus zu steigern versuchen. Schilderungen, die heute bei von Gentrifizierung und überhöhten Nebenkosten betroffenen Mietern Déjà-vus auslösen.

Die Verschärfung der Wohnungskrise im letzten Jahrzehnt hat die Umverteilung der Macht zwischen Vermietern und Mietern nochmals beschleunigt. Seit 2010 steigen die Preise für Baugrund und Wohnimmobilien unablässig an. Nach der Finanzkrise wurden Investitionen in Immobilien lukrativer. Seitdem strömt immer mehr anlagensuchendes Kapital auf den Wohnungsmarkt. Wachsender Zuzug in die Städte und eine viel zu geringe Bautätigkeit begünstigen diese Dynamik zusätzlich. Weil die Wohnungspreise steigen, werden immer weniger Mieter zu Eigentümern. Diejenigen, die es noch können, treibt die Angst vor hohen Mieten zum Immobilienkauf. Infolgedessen dreht sich die Preisspirale weiter, wodurch sich am Ende abermals die Attraktivität des „Betongolds“ erhöht.

Die Zuspitzung des Gegensatzes zwischen Eigentümern und Nichteigentümern am Wohnungsmarkt erfordert die selbstständige Organisierung der Mieter. Sie können ihre Lage nur verbessern, wenn sie die Vereinzelung überwinden und gemeinsam für ihre Interessen kämpfen. Einen anderen Weg gibt es für sie nicht.

Denn die herrschende Politik reagiert, indem sie Illusionen nährt. Mehr sozialer Wohnungsbau, Mietenbremsen und Erhaltungssatzungen sollen nach Aussage der regierenden Ampelkoalition für Entlastung sorgen. Die Hoffnung ist allerdings trügerisch. Steigende Bodenpreise sowie die Rohstoff- und Klimakrise werden den Neubau unvermeidlich immer teurer machen. Mietpreisbremsen und Erhaltungssatzungen haben sich in der Praxis als stumpfe Waffen gegen steigende Mieten erwiesen.

Viele Mieter versuchen deshalb, ihr Recht vor Gericht durchzusetzen. Aber der rechtliche Weg mündet häufig in einer Sackgasse. Gerichtsverfahren kosten viel Geld und viele Nerven. Die meisten Mieter haben dafür keine Ressourcen übrig. Noch aussichtsloser ist der rechtliche Weg bei mächtigen Gegnern wie der Vonovia, dem größten Wohnungsunternehmen in Deutschlands, dem mehr als 355.000 Wohneinheiten gehören. Selbst wenn das Unternehmen weiß, dass es verlieren wird, geht es häufig den Weg durch alle Instanzen, um den Rechtsstreit in die Länge zu ziehen. Der milliardenschwere, börsennotierte Konzern bezahlt die Rechtskosten aus der Portokasse.

Quelle        :       TAZ-online           >>>>>         weiterlesen

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Oben     —     Unternehmenszentrale Vonovia SE

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1. Mai – Feiertag

Erstellt von DL-Redaktion am 1. Mai 2022

Der Tag der Klassenversöhnung

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Quelle:    Scharf  —  Links

Von Suitbert Cechura

Feiertage gelten für die meisten Menschen als etwas Positives: An diesem Tag muss man nicht arbeiten und kann sich endlich einmal um eigene Interessen oder die Familie kümmern. Deshalb ist der Anlass für die Feier, dem der Tag gelten soll, den meisten Menschen eher gleichgültig. Schließlich muss man nicht gläubig sein, um den Himmelfahrtstag oder Fronleichnam zu feiern. So begegnen die Mehrzahl der Menschen auch dem ersten Mai – dem Tag der Arbeit. Ein seltsamer Feiertag – denn was wird da gefeiert?

Der Tag der Arbeit“

So lautet der Titel für diesen Feiertag, der in diesem Jahr bedauerlicher Weise auf einen Sonntag fällt und somit keine zusätzliche Freizeit verschafft. Der Titel ist eigentlich falsch, denn gefeiert wird ja nicht die Arbeit. Wie soll das auch gehen? Arbeit ist schließlich überwiegend Anstrengung und Belastung. Auch wird nicht jede Arbeit gefeiert. Der Tag der Arbeit gilt nicht der Hausarbeit oder der Gartenarbeit, sondern der Lohnarbeit, von der eigentlich keiner mehr reden will. Denn Lohnarbeit verweist auf die Abhängigkeit derer, die von ihrer Arbeit leben müssen, weil sie im Wesentlichen über nichts anderes verfügen als über sich selbst. Sie sind also arm, weil sie kein Kapital besitzen, auch wenn niemand das so sehen will. Und weil alles in dieser Gesellschaft Eigentum und Geschäftsmittel ist, sind diejenigen, die nur über sich als Eigentum verfügen, gezwungen, sich als Arbeitskraft zu verkaufen, um an Geld für den Lebensunterhalt zu kommen. Dieses Zwangsverhältnis zu feiern ist natürlich absurd und so werden viele Anstrengungen unternommen, dieses Verhältnis schön zu reden. Da ist nicht mehr vom Gegensatz von Kapital und Arbeit die Rede, obgleich für Unternehmen der Lohn eine Kost darstellt, der den Gewinn beschränkt und daher gering zu halten ist. Vielmehr heißt es schon seit langem Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Eine seltsame Ausdrucksweise für ein Tauschverhältnis. So soll der Arbeitgeber etwas geben und dafür auch noch bezahlen und der Arbeitnehmer etwas bekommen und das gleich doppelt – Arbeit und Geld. Da steht die Welt auf dem Kopf. Schließlich gibt der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft zur freien Verfügung an den Arbeitgeber, der sie so in Anspruch nimmt, dass sie ihm mehr bringt als das, was sie kostet. Beschäftigung muss sich schließlich lohnen und findet nur statt, wenn eine Rendite absehbar ist.

Um aus einem Abhängigkeitsverhältnis einen Feiertag zu machen, muss schon einiges passieren: „In der Zeit des Nationalsozialismus wurde der 1.Mai ab 1933 durch die Nationalsozialisten zum gesetzlichen Feiertag. Das Reichsgesetz vom 10. April 1933 benannte ihn als ´Tag der nationalen Arbeit`.“ (Wikipedia) Gewürdigt wird mit dem Feiertag die Leistung, die Arbeiter und Angestellte für die Nation erbringen. Sie stehen zwar im Dienst eines Unternehmers und arbeiten für dessen Gewinn, aber der Staat profitiert immer auch vom Geschäftemachen seiner Wirtschaft durch Steuern und ist von daher interessiert an dessen Wachstum. Dafür braucht es eine billige und willige Arbeiterklasse. Dieser Dienst wird an diesem Tag gewürdigt. Heute würde eher von Respekt gesprochen, den sie mit ihrer Leistung verdienen und für den sie sich nichts kaufen können.

Internationaler Kampftag der Arbeiterklasse“

Auch dieser Titel wird dem 1.Mai zugeschrieben. Der verweist auf die Geschichte: „Anfang 1886 rief die nordamerikanische Arbeiterbewegung zur Durchsetzung des Achtstundentags zum Generalstreik am 1.Mai auf – in Anlehnung an die Massendemonstration am 1.Mai 1856 in Australien, welche ebenfalls den Achtstundentag forderte.“(Wikipedia)

Kämpfen am ersten Mai will heutzutage niemand. Zudem ist ein Generalstreik zur Erzwingung irgendwelcher Forderungen in Deutschland verboten und würde nicht zu einer Feier, sondern zu einem Einsatz der Polizei führen. Dabei haben sich die Gründe für einen Kampf seit über mehr als 150 Jahren nicht geändert. Vielfach wird die Klage über die Schwierigkeit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie geführt, womit zum Ausdruck kommt, dass die Zeit für das Verdienen des Lebensunterhalts kaum Zeit für die Familie lässt und auch heute die Frage der Arbeitszeit und ihrer Beschränkung aktuell ist. Auch der Lohn wird immer wieder von der Inflation aufgefressen und erfordert eine ständige Korrektur, die ohne Auseinandersetzung mit den Unternehmen nicht zu haben ist. Als lohnabhängig Beschäftigter wird man diese Probleme offenbar nie los. Somit spricht einiges für dessen Beseitigung.

Die Mehrzahl der Beschäftigten nutzt den freien Tag für sich und ist auf den Kundgebungen nicht zu entdecken. Schließlich schafft die gefeierte Arbeit den Grund für das Erholungsbedürfnis, dem die meisten Bürger an diesem Tag nachgehen. Gründe für einen Kampf gibt es nach wie vor, doch dazu ist ein Feiertag wenig geeignet. Statt für eine Erhöhung des Lohns und eine Verkürzung des Arbeitstags einzutreten, verlängern viele Beschäftigte ihren Arbeitstag durch Überstunden oder Annahme eines Zweitjobs. Mehr Geld und weniger Zeit für das eigene Leben ist die Form, in der viele mit den durch die Lohnarbeit erzwungenen Verhältnissen sich arrangieren.

Gewerkschaften in Deutschland haben alles andere am 1.Mai vor, als Politik oder Unternehmen durch Demonstrationen oder Streik unter Druck zu setzen. An einem Feiertag kann man ja auch schlecht streiken, da fällt die Arbeit sowieso flach. Für sie ist der Feiertag nicht nur die Anerkennung der Leistungen der Arbeiter für die Nation, sondern auch der Beweis für die Anerkennung der Gewerkschaft als ihre politische Vertretung. Und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass am 1. Mai neben Gewerkschaftsvertretern auch immer Politiker reden und für ihre Parteien werben dürfen. Für die Gewerkschaft ist aus der Notlage von Lohnarbeitern längst eine positive Grundlage geworden. Weil Arbeitnehmer abhängig sind vom Gang des Geschäfts, sie nur zu einem Einkommen kommen, wenn das Geschäft lohnend ist. Und das nicht nur in einem Unternehmen, sondern in der gesamten Wirtschaft. Die Gewerkschaft hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, mit für den Erfolg der Wirtschaft zu sorgen. Ihre Sorge gilt dem Erfolg der Nation, zu dessen Mitgestaltung sie sich herausgefordert fühlt.

Tag der Arbeit ? Was die wohl am Morgen geraucht haben ?

GEMainsam Zukunft gestalten“

…heißt deshalb auch die Parole des Deutschen Gewerkschaftsbundes und seiner Mitgliedsgewerkschaften. Das Motto lässt schon keinen Zweifel darauf aufkommen, hier gäbe es so etwas wie einen Gegensatz zur Wirtschaft oder Politik. Von daher ist nicht von höheren Löhnen als Ausgleich für die gestiegene Inflation oder ähnlichem die Rede, sondern sieht sie sich in der Gemeinschaft mit Unternehmern und Politikern in der Pflicht, für Frieden in der Welt und den Erfolg der deutschen Wirtschaft zu sorgen: „Und selten war ein Motto passender: Denn nicht nur die friedliche Zukunft Europas steht derzeit auf dem Spiel, wir müssen auch für eine gerechtere Zukunft kämpfen. Unsere Arbeitswelt steht aktuell vor tiefgreifenden Veränderungen – egal ob beim Klimaschutz, der Digitalisierung oder Globalisierung. Ein gigantischer Strukturwandel, der nur gemeinsam mit den Millionen Beschäftigten gestaltet werden kann: sozial, ökologisch, nachhaltig und demokratisch.“ (IGBCE 22.4.22) Sorgen bereitet diesen Arbeiterpolitikern die friedliche Zukunft Europas. Stellt sich nur die Frage, wieso in der Zukunft? Beteiligt sich Europa doch schon heute sehr tatkräftig am Krieg in der Ukraine. Doch als Kriegsherrn oder Frauen wollen die Gewerkschafter ihre Politiker nicht sehen. Sie wollen ihnen nichts engegensetzen, damit die Kosten des Krieges nicht auf ihre Mitglieder abgewälzt werden. Schließlich entwertet die Inflation ständig deren Einkommen. Wundern muss man sich auch darüber, wie die Gewerkschafter über das Lohnarbeitsverhältnis reden: „Unsere Arbeitswelt steht aktuell vor tiefgreifenden Veränderungen“. Wem gehört denn diese „Arbeitswelt“? Auch wenn die Gewerkschaft das „unsere“ betont, werden ihre Mitglieder damit noch nicht zu Miteigentümern. Was sie mit den Unternehmen verbindet, ist ihre Abhängigkeit. Sie sind eben darauf angewiesen, Geld zu verdienen. Dass Unternehmen nur dann Arbeitnehmer beschäftigen, wenn das Geschäft erfolgreich ist, also lohnend, bedeutet in keiner Weise, dass damit auch die Existenz der Arbeitnehmer gesichert ist. Zur Sicherung des Geschäfts gehört eben auch immer dessen Rationalisierung, d.h. die Einsparung von Arbeitskräften durch Einsatz von zusätzlichen Technologien. So spart der Einsatz von Wasserstoff in der Stahlherstellung – die sogenannte Direktreduktion – nicht nur Prozesse in der Stahlherstellung, sondern auch Arbeitskräfte ein. Digitalisierung betrifft in großen Teilen die Verwaltung – aber auch die Überwachung und Steuerung von Produktionsprozessen – und macht dort Arbeitskräfte überflüssig. Die Gewerkschaftsvertreter betrachten es als ihre Aufgabe als Betriebsrate, Co-Manager oder Aufsichtsratsmitglieder diese Rationalisierungen mit zu gestalten, also die anfallenden Entlassungen durch Sozialpläne und Umschulungen zu begleiten. Dafür wollen sie die Unterstützung von Arbeitnehmern, die als Beitragszahler für diese Vereine und als Statisten für die Feierstunden der Gewerkschaften gefragt sind.

Der erste Mai bietet also alles andere als Gründe zum Feiern. Die Gründe zum Kämpfen hingegen bleiben, an diesem 1. Mai und an allen anderen Tagen.

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Oben     —   Rochester (New York) Tag der Arbeit umzug 2018

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Das bringt der Mindestlohn

Erstellt von DL-Redaktion am 27. Februar 2022

Gerechtigkeitsmühlen malten immer schon sehr langsam

Quelle:    Scharf  —  Links

Von Holger Balodis

Endlich hat das Kabinett den neuen Mindestlohn abgesegnet: mindestens 12 Euro brutto soll es ab 1. Oktober für alle Geringverdiener stündlich geben. Minister Heil bezeichnet dies als eine Frage des Respekts und weist auch auf die segensreichen Wirkungen in der Rente hin. Doch was bringt der Mindestlohn für die Rente? Wer ab jetzt 45 Jahre zum erhöhten Mindestlohn tätig ist, bekäme nach aktuellem Rentenwert (West) eine Bruttorente von 928,31 Euro. Netto bleiben davon 826,20 Euro – für 45 Jahre Vollzeit.* Wer wie die meisten Versicherten nicht so viele Jahre zusammenkriegt, der bekommt noch weniger. Damit keine Missverständnisse aufkommen. Der neue Mindestlohn verbessert tatsächlich die Lage für sehr viele Geringverdiener. Doch genau so klar ist: Altersarmut verhindert er nicht.

Helfen würde den Kleinverdienern nur eine Mindestrente, wie sie in vielen europäischen Nachbarländern üblich ist. In den Niederlanden bekommen Alleinstehende im Alter rund 1.300 Euro. In Österreich sind es rund 1.200 Euro. Ganz gleich, wie wenig zuvor verdient wurde.

Ein Problem in Deutschland ist das strenge Äquivalenzprinzip. Wer wenig verdient, der bekommt auch im Alter wenig. Und daran ändert auch ein anderes Lieblingsprojekt von Hubertus Heil, die Grundrente, nichts.

Was aber fast noch ärgerlicher ist: Auch Normalverdiener werden bei uns im Alter keineswegs gut versorgt. Wer 45 Jahre lang den Durchschnittslohn (aktuell 3.242 Euro monatlich) erzielt, kann derzeit mit einer Standardrente in Höhe von 1.538,55 Euro brutto rechnen. Und wer tatsächlich nur 40 Versicherungsjahre einbringt, und das ist der statistische Durchschnitt, bekommt gerade mal 1.367,60 Euro brutto. Deutlich besser dran sind da Beamte. Die bekommen laut Statistischem Bundesamt durchschnittlich 3.160 Euro brutto. Für die rund 1,4 Millionen Pensionäre verwirklicht sich der von Hubertus Heil so oft im Munde geführte Respekt also auch finanziell. Die 21 Millionen Rentner warten darauf bislang vergebens.

* 12 Euro Stundenlohn ergeben bei 163 Stunden monatlicher Arbeitszeit einen Monatslohn von 1.956 Euro. Für 1 Versicherungsjahr mit dieser Entlohnung gibt es aktuell 0.60337 Renten- oder Entgeltpunkte. Multipliziert man das mit 45 Jahren und dem aktuellen Rentenwert West von 34,19 Euro, so erhält man eine Bruttorente von 928,31 Euro oder nach Abzug von Krankenkassen- und Pflegebeitrag 826,20 Euro netto vor Steuern. Dazu kommt für 35 Versicherungsjahre noch eine geringe Aufwertung durch die Grundrente.

Holger Balodis und Dagmar Hühne: Rente rauf! So kann es klappen, DVS Verlag, 204 Seiten, 18 Euro (ISBN 978-3-932246-98-2)

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Oben       —   DHL-Fahrer Olaf Könemann übergibt Minister Heil Unterschriften zum Mindestlohn (2021)

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Der Reiz von Kleingärten

Erstellt von DL-Redaktion am 10. Februar 2022

„Der Osten ist der Battleground für die Demokratie“

Carsten Schneider im Interview (Friedrich-Naumann-Stiftung, 2017) 03.png

Sein Kleingarten ist der rote Teppich ?

INTERVIEW KATRIN GOTTSCHALK UNDDANIEL SCHULZ

Die Menschen müssen für ihre Interessen kämpfen, sagt Carsten Schneider. Der neue Ostbeauftragte setzt auf Gewerkschaften, will mit Impfgegnern reden und hofft dabei auf den Reiz von Kleingärten.

taz: Herr Schneider, Sie sind jetzt Ostbeauftragter der Bundesregierung. Was ist ein Ostdeutscher?

Carsten Schneider: Das sind ganz grundsätzlich diejenigen, die im Osten geboren sind. Aber meine Kinder sehen sich zum Beispiel nicht so, mein Bruder schon, der ist 1991 geboren. Ich glaube, die Zeit nach 1989 ist für das Herausbilden eines ostdeutschen Bewusstseins entscheidender als die vierzig Jahre DDR. Das gemeinsame Erleben von Unsicherheit, Entwertung, Arbeitslosigkeit, auch Angst, das macht diese Prägung aus.

Kann man Ostdeutscher werden?

Man kann Empathie und einen Blick für Ostdeutschland entwickeln und ein echtes Verständnis. Aber wenn man die neunziger Jahre nicht selbst erlebt hat, ist das – glaube ich – nicht so recht drin.

Sehen Sie es als ein Problem der Repräsentation an, wenn Westdeutsche Mandate in Ostdeutschland bekommen? Der Kanzler ist zum Beispiel auch über ein Direktmandat in Potsdam in den Bundestag eingezogen.

Nein, am Ende entscheiden die Wähler. Wenn wir als Partei nur einen Wahlkreis in Brandenburg gewonnen hätten, wäre das anders gelagert. Aber wir haben dort fast alle Wahlkreise mit neuen Kandidaten besetzt, oft junge Leute, das sind fast alles Brandenburger Gewächse. In Thüringen, wo ich herkomme, sind vier von fünf SPD-Abgeordneten aus dem Osten. Früher war dieses Defizit größer, heute ist es doch eher eine Ausnahme. Es gibt übrigens auch Ossis, die im Westen gewählt werden, das sind aber noch nicht so viele.

Sie sind als Ostbeauftragter jetzt nicht mehr dem Wirtschaftsministerium zugeordnet, sondern dem Kanzleramt, in dem wir hier gerade sitzen. Was verändert das?

Im Kern nutze ich die geliehene Autorität des Bundeskanzlers. Er sitzt eine Etage über mir und er will, dass das hier etwas wird. Deshalb hat er mich zu sich geholt. Entscheidungen werden ja nicht erst im Bundeskabinett getroffen, sondern werden vorbereitet. Und alle, die an für den Osten wichtigen Entscheidungen beteiligt sind, kommen mit ihren Informationen und Ideen zu Forschungsvorhaben oder Infrastrukturprojekten hierher ins Bundeskanzleramt. Und da kann ich Einfluss nehmen, so kann ich vor die Welle kommen. Ich bin viele Jahre im Bundestag und weiß in etwa, wann wo welche Entscheidung getroffen wird.

Wie sieht das praktisch aus?

Im Kanzleramt gibt es Spiegelreferate für die einzelnen Fachressorts. Die wissen, wann welche Entscheidung vorbereitet wird. Und dann kann man moderierend das Gespräch suchen und lenken.

In den Spiegelreferaten finden viele Gespräche gleichzeitig statt. Wie wollen Sie diese als Einzelperson lenken?

Ich baue gerade einen eigenen Arbeitsstab auf.

Wie groß wird der sein?

Wenn wir voll arbeitsfähig sind, werden es wahrscheinlich vierzig Leute sein. Für die Aufteilung sind die Investitionsressorts entscheidend wie Wirtschaft, Verkehr, Bildung und Forschung, aber auch Arbeit und Soziales. Wenn Sie sich auf die wesentlichen Punkte konzentrieren, geht das auch mit wenigen Leuten.

An welchen Punkten werden Sie in vier Jahren festmachen, ob Sie erfolgreich waren? Wenn Sie mehr Geld in Richtung Ostdeutschland geschleust haben?

Wenn wir die Chancen der Transformation nutzen und weitere Unternehmen erfolgreich im Osten ansiedeln können. Wir brauchen neben Tesla noch weitere Kernindustrien. Im Verkehrsbereich brauchen wir vor allem eine schnelle Eisenbahnanbindung nach Osteuropa, nach Polen ist sie furchtbar schlecht, ausgebaut kann man dazu gar nicht sagen. Die 2020er Jahre werden Jahre der Veränderung sein, besonders im Energiebereich wird kein Stein auf dem anderen bleiben. Das kann man lethargisch hinnehmen oder versuchen, vorn dran zu sein. Ich bin dafür, die Chancen zu ergreifen, vor allem wenn die Claims noch nicht abgesteckt sind, wie Ende der Achtziger in der BRD. Das Gebiet der ehemaligen DDR wurde ökonomisch damals ja eher als erweiterter Absatzmarkt betrachtet und es kam zu einem Nachbau West.

Kennen Sie die Serie „Warten auf ’n Bus“, in der zwei Langzeitarbeitslose in Brandenburg auf den Bus warten?

Nein.

In einer Folge steigt einer der beiden tatsächlich mal in den Bus und fährt zum Job-Interview zu Tesla. Er wird nicht genommen, weil er nicht die passende Qualifikation hat. Macht man Menschen mit solchen Jobs nicht Hoffnungen, die dann gar nicht erfüllt werden können?

Ich kenne viele Langzeitarbeitslose, die einen neuen Job und damit auch ihren Stolz wiedergefunden haben. Beispielsweise bei Zalando in Erfurt. In solchen großen Unternehmen kann man auch als Ungelernter einen Job finden. Das Unternehmen bemüht sich um seine Beschäftigten, mehr als gemeinhin angenommen, auch wenn nicht alles glänzt. Vielleicht wirst du nicht der Mechatroniker bei Tesla, sondern arbeitest erst mal im Lager. Aber du bist wieder drin im Arbeitsleben und damit erfährst du auch wieder gesellschaftliche Wertschätzung. Die DDR war eine Arbeitsgesellschaft. Deswegen waren die 90er und 2000er Jahre mit Massenarbeitslosigkeit auch so demütigend für viele.

Nun hat es in Ostdeutschland viele große Versprechungen mit Großansiedlungen und Zukunftstechnologien gegeben. Chipfabrik und Luftschiffbau in Brandenburg, Solarenergie in Sachsen, Windradbau in Sachsen-Anhalt. Vieles davon ist gescheitert.

Also wenn ich mir den Aktienkurs und die Marktkapitalisierung im Vergleich zu den deutschen Autobauern ansehe, würde ich sagen: Tesla ist die Zukunft. Außerdem haben wir den Vorteil, dass die Globalisierung an ihr Ende gekommen ist. Die Fabriken für Halbleiter, Solar und andere Hochtechnologien werden wieder dezentral gebaut, sicher auch in Deutschland.

Wie zeitgemäß ist das Warten auf den einen großen Investor, der ganze Gegenden retten soll und von dem man sich zugleich sehr abhängig macht? Wäre es nicht besser, auf kleinere Unternehmen zu setzen?

Wenn ein großer Investor kommt, lehne ich doch nicht ab. Der Osten hat etwas, womit er wuchern kann, das andere nicht haben, und das ist Fläche. Natürlich brauchen wir die kleinen und mittleren Unternehmen, nur wegen denen steht Thüringen so gut da. Das Problem ist dort aber, dass sie oft keine Tarifverträge haben und kaum Betriebsräte. Für höhere Löhne brauchen wir eine bessere Tarifbindung, und das geht nur mit starken Gewerkschaften. Ich unterstütze die Beschäftigten bei Forderungen nach fairer Bezahlung. Durch den Eintritt in eine Gewerkschaft können sie dazu auch einen Beitrag leisten.

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Tesla baut immer noch ohne umweltrechtliche Genehmigung, und Konzernchef Elon Musk hat nur gelacht, als ihn eine Reporterin auf den Wassermangel ansprach, den seine Fabrik verursachen wird. Das Unternehmen erschwert die Gründung eines Betriebsrats. Müsste die SPD, die in Brandenburg regiert, da nicht mal selbstbewusster auftreten?

Wir haben die strengsten Umweltvorschriften weltweit, und Wasserprobleme gibt es bei allen Fabriken, die neu gebaut werden. Dass die Amerikaner die deutsche Kultur der Mitbestimmung nicht kennen, ist auch hinreichend bekannt. Man muss die Regeln durchsetzen und den Betriebsrat eben auch. Ich werde mich auch grundsätzlich vor die Werkstore stellen, auch bei Amazon, und für die Interessen der Arbeitnehmer kämpfen. Die müssen aber bereit sein, auch selbst in die Gewerkschaft einzutreten und für Tariflöhne zu streiten.

Es gab in Ostdeutschland in den vergangenen Jahren einige erfolgreiche Streiks, bei Teigwaren Riesa, beim Stahlwerk in Unterwellenborn, bei Eberspächer in Hermsdorf und bei Dagro Automotive in Gera. Ändert sich die ablehnende Haltung vieler Ostdeutscher gegenüber Gewerkschaften?

Ich hoffe sehr, dass diese Erfolge die Leute darin bestärken, ihre Arbeitskraft nicht nur auf den Markt zu tragen, sondern dafür auch einen Preis zu verlangen. Die Jahrzehnte des Kleinmachens aus der berechtigten Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, kenne ich aus persönlichen Erfahrungen. Ich wollte als Auszubildender in der Bank eine Auszubildendenvertretung gründen, aber niemand hat sich getraut, mitzumachen. Wir brauchen eine Renaissance des Klassenbewusstseins in Ostdeutschland. Die Menschen müssen wieder lernen, für ihre Interessen zu kämpfen.

Ist Ostdeutschland auch auf Zuwanderung angewiesen?

Quelle       :        TAZ-online           >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —   Carsten Schneider im Interview zu Themen in Deutschland im Jahr 2017.

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Der Tägliche Klassenkampf

Erstellt von DL-Redaktion am 16. Januar 2022

Klassenkampf oder prozessierender Widerspruch?

Politik ist das moderne Mobbing ! Die Großen tanzen ihren Zahlern auf die Köpfe.

Quelle:    Scharf  —  Links

Von Tomasz Konicz

Wo lassen sich die entscheidenden Widersprüche verorten, die den Kapitalismus in immer neue Krisenschübe treiben?

Derzeit scheint es fast so, als ob bei künftigen Tarifverhandlungen – neben Gewerkschaftlern und Kapitalfunktionären – noch eine dritte Partei mit am Verhandlungstisch säße. Die zunehmende Inflation1 werde bei den diesjährigen Tarifgesprächen, bei denen die Gehälter von rund 10 Millionen Lohnabhängigen verhandelt werden, „eine zentrale Rolle“ spielen, hieß es bei ersten Ausblicken auf die Tarifrunden dieses Jahres.2 Angesichts der sich beschleunigenden Teuerungsrate stünden die Gewerkschaften unter Druck, substanzielle Lohnerhöhungen zu verhandeln, da ansonsten Reallohnverluste drohten. Der Vorsitzende der IG-Metall, Jörg Hofmann, sprach in diesem Zusammenhang etwa von einer „ordentlichen Erhöhung“, die im Herbst 2022 anstünde.3

Schon werden die ersten Warnungen vor einer Lohn-Preis-Spirale laut, die den Preisauftrieb beschleunigen würde. Der Focus4 erinnerte etwa an die Stagflationsperiode der 70er-Jahre des 20. Jahrhunderts, als der Ölpreisschock die Teuerung in der BRD 1973 und 1974 auf 7,1 und 6,9 Prozent steigen ließ, was die Gewerkschaften mit verstärktem Klassenkampf, mit hohen Tarifabschlüssen von rund 13 Prozent 1974 beantworteten. Daraufhin habe die Bundesbank die Leitzinsen erhöht, um die sich beschleunigende Inflation in den Griff zu kriegen, was die Bonner Republik in die Rezession rutschen ließ. Ähnlich agierten die Gewerkschaften in vielen weiteren westlichen Staaten in der damaligen Stagflationsperiode: Die zunehmenden Gewerkschaftskämpfe der 70er-Jahre sind gerade Ausdruck des zunehmenden Verteilungskampfes zwischen der organisierten Arbeiterschaft und dem Kapital. Und sie haben tatsächlich zur Ausbildung der Lohn-Preis-Spirale geführt, die in den angelsächsischen Ländern die neoliberale Gegenoffensive samt der Zerschlagung der Gewerkschaften in den 80ern unter Thatcher und Reagan ermöglichte.

Von einer solchen Lohn-Preis-Spirale kann aber derzeit keine Rede sein. Dies ist bislang auch in der Bundesrepublik eindeutig nicht der Fall: Die Reallöhne stagnierten sogar binnen der letzten 12 Monate, meldete das Statistische Bundesamt5 jüngst für das dritte Quartal 2021, sodass dieser Faktor bei der bisherigen Teuerung6 keine Rolle spielte. Selbst in den USA, wo es tatsächlich in den vergangenen Monaten Lohnsteigerungen gab, da die massiven, durch Gelddruckerei finanzierten Konjunkturpakte die aktive Arbeiterschaft im Pandemieverlauf um rund vier Millionen absinken ließ, blieben diese Preissteigerungen der Ware Arbeitskraft im „normalen Rahmen“, wie es selbst der IWF formulierte. Der Druck, die Löhne anzuheben, bleibe auch in den meisten anderen Industrieländern „gedämpft“, konstatierte die Financial Times.7

Die üblichen Warnungen wirtschaftsnaher oder rechter Medien vor zu großen Lohnsteigerungen scheinen somit unbegründet – oder zumindest verfrüht. En passant wird hier aber auch deutlich, dass der Klassenkampf, der Klassenkonflikt zwischen Proletariat und Bourgeoise, den die traditionelle Linke als zentral für das Verständnis des Kapitalismus ansieht, nicht die Ursache der gegenwärtigen Krisenerscheinungen bildet. Es ist ja gerade nicht der „Klassenkampf“, der die Inflation anheizt, die offensichtlich von anderen Faktoren, von anderen Widersprüchen des kapitalistischen Reproduktionsprozesses befeuert wird. Eher könnte gerade das Gegenteil der Fall sein, wie die Tagesschau bei ihrer Warnung vor einer Lohn-Preis-Spirale bemerkte,8 da die gegenwärtige Teuerung dazu führen könne, dass künftige Tarifrunden „umkämpfter“ wären.

Ähnlich verhielt es sich bei der mit hoher Inflation, häufigen Rezessionen und zunehmender Arbeitslosigkeit einhergehenden Stagflationsperiode der 70er, mit der die Phase der fordistischen Nachkriegsprosperität im Westen endete. Die Phase der relativen Tarifpartnerschaft zwischen Kapital und Arbeit in der „Wirtschaftswunderzeit“ der 50er und 60er, als die Erschließung neuer Märkte Raum für Lohnerhöhungen bot, wich dem härteren, durch Inflation zusätzlich befeuerten Verteilungskampf der tendenziell schrumpfenden Profite in der Krisenperiode der 70er-Jahre des 20. Jahrhunderts. Die sinkende Profitrate am Ende des fordistischen Booms führte in die Stagflationsperiode mit ihren an Intensität gewinnenden Klassenkämpfen9 – und nicht umgekehrt, wie es gerne von neoliberaler Ideologie postuliert wird. Es liegt somit der Gedanke nahe, dass der Klassenkampf in seiner Intensität eine abhängige Größe ist – und von einem weiteren, fundamentalen Selbstwiderspruch des Kapitals abhängig ist.

Krise als historischer Prozess

Karl Marx hat diesen Selbstwiderspruch des Kapitals, der das Weltsystem instabil und selbstzerstörerisch macht, in seinen theoretischen Arbeiten klar benannt, wobei er aber nie das konkrete Verhältnis zwischen dem äußeren, vor allem im 19. Jahrhundert überall augenscheinlichen Klassenkampf, und dem inneren, krisentreibenden Widerspruch des Kapitals erhellte. Was also treibt das Kapital in immer neue Krisen? In dem Maschinenfragment10 der „Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie“11 wurde das Kapital als der „prozessierende Widerspruch“ bezeichnet, der sich tendenziell seiner Substanz, der wertbildenden Arbeit in der Warenproduktion, entledigt:

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„Das Kapital ist selbst der prozessierende Widerspruch [dadurch], daß es die Arbeitszeit auf ein Minimum zu reduzieren strebt, während es andrerseits die Arbeitszeit als einziges Maß und Quelle des Reichtums setzt. Es vermindert die Arbeitszeit daher in der Form der notwendigen, um sie zu vermehren in der Form der überflüssigen; setzt daher die überflüssige in wachsendem Maß als Bedingung – question de vie et de mort – für die notwendige.“

Arbeit, verwertet in der Warenproduktion, bildet die Substanz des Kapitals – doch zugleich ist das Kapital bemüht, Arbeit durch Rationalisierung und Automatisierung in der Warenproduktion zu minimieren. Dieser Prozess läuft marktvermittelt ab: blind, gesamtgesellschaftlich unkontrolliert, angetrieben von der Dynamik höchstmöglicher Profitgenerierung (Siehe hierzu: „Zurück zur Stagflation“)12. Die auf Profitmaximierung abzielenden Handlungen der Marktsubjekte, der sich an betriebswirtschaftlicher Logik orientierenden Kapitalisten, bringen auf gesamtgesellschaftlicher Ebene eine blind prozessierende Verwertungsdynamik hervor, die ihnen selber als ein anonymer, durch Märkte vermittelter Sachzwang gegenübertritt.

Entscheidend bei der Entfaltung des inneren Widerspruches des Kapitals ist somit seine Innovationsfähigkeit, ergo die Instrumentalisierung technisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse in der Warenproduktion zwecks Profitmaximierung. Durch Produktivitätssteigerungen können einzelne Kapitalisten in einem Industriezweig Konkurrenzvorteile (Extraprofite) erzielen, Konkurrenten vom Markt verdrängen, bis diese neuen Produktionstechniken allgemein übernommen und verallgemeinert werden. Hiernach beginnt das Spielchen von vorne – wieder finden Innovationen bei einzelnen Unternehmen statt, die später nachgeahmt werden und zu allgemeinen Produktivitätssteigerungen führen. Hieraus resultiert eine beständig steigende Produktivität, und die Abnahme der notwendigen Arbeitskräfte in einem gegebenen Industriezweig. Je länger ein solcher Industriezweig (zum Beispiel Textilindustrie oder Schwerindustrie) besteht, desto stärker wandelt sich seine Reproduktionsstruktur von einer arbeitsintensiven zu einer kapitalintensiven Produktion.

Kapital tendiert somit dahin, durch anonyme Marktkonkurrenz sich seiner eigenen Substanz zu entledigen. Das geniale Moment der marxschen Begriffsbildung des prozessierenden Widerspruchs besteht aber darin, dass hier sowohl diese Tendenz zur Entsubstanzialisierung, wie auch der Modus, in dem diese in Raum und Zeit überbrückt werden kann, benannt werden: das „prozessieren“, oder schlicht die Expansion.

Das Kapital muss expandieren, oder es kollabiert an sich selbst. Sein innerer Widerspruch kann nur im „Prozessieren“, in einer permanenten Expansionsbewegung aufrechterhalten werden, die in drei Dimensionen vonstatten geht. Zum einen ist, historisch betrachtet, hierbei die „periphere“ oder „äußere Expansion“ des kapitalistischen Weltsystems zu nennen, die – von Europa ausgehend – seit der frühen Neuzeit in der blutigen, massenmörderischen Eingliederung peripherer Regionen in den Weltmarkt zwecks Kapitalexport und Rohstoffimport durch imperiale Mächte bestand. Daneben bestehen noch Möglichkeiten der „inneren Expansion“, bei der neue Gesellschaftsfelder der Kapitalverwertung erschlossen werden – dieser historische Prozess, in dem alle Gesellschaftsbereiche der Verwertungslogik unterworfen werden, wurde erst nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges weitgehend abgeschlossen.

Entscheiden bei der Perpetuierung des prozessierenden Widerspruchs des Kapitals ist aber qualitative oder „technologische Expansion“, da der technische Fortschritt – der in den bestehenden Industriezweigen zu Rationalisierung führt – auch zur Herausbildung neuer Wirtschaftszweige beiträgt, die wiederum Arbeitskräfte verwerten und Felder zur Kapitalverwertung eröffnen. Über einen bestimmten Zeitraum hinweg besitzen bestimmte Industriesektoren die Rolle eines Leitsektors, bevor diese durch andere, neue Industriezweige abgelöst wurden: So erfährt das kapitalistische Weltsystem seit dem Beginn der Industrialisierung im 18. Jahrhundert einen industriellen Strukturwandel, bei dem die Textilbranche, die Schwerindustrie, die Chemiebranche, die Elektroindustrie der Fahrzeugbau, usw, als Leitsektoren dienten, die massenhaft Arbeit verwerteten.

Doch genau dies funktioniert nicht mehr, nachdem die Arbeit aufgrund der Rationalisierungsschübe der mikroelektronischen Revolution sich innerhalb der Warenproduktion verflüchtigt. Seit Anbeginn der Industrialisierung hatten wir es also mit Metazyklen zu tun, die eben durch den besagten „prozessierenden Widerspruch“ angetrieben wurden: Sobald durch fortschreitende technische Entwicklung die Massenbeschäftigung in einem älteren Sektor nachließ, entstanden durch denselben wissenschaftlich-technischen Fortschritt neue Industriezweige, die die »überschüssige« Arbeitskraft aufnahmen. Die Periode der Stagflation (Siehe „Back to Stagflation)13, der das neoliberale Zeitalter mit seinem verstärken „Klassenkampf von oben“ und der Finanzialisierung des Kapitalismus folgte, war gerade Ausdruck dieses historischen Krisenprozesses, der das spätkapitalistische Weltsystem immer höhere Schuldenberge anhäufen lässt. Die kapitalistische Systemkrise muss somit als eine – neoliberale, durch Globalisierung und Finanzialisierung geprägte – Geschichtsperiode bestimmt werden, in der die Verschuldung des Weltsystems schneller ansteigt als dessen Wirtschaftsleistung, das System faktisch auf Pump existiert – und die durch Phasen manifester Krisenausbrüche gekennzeichnet ist, in denen an Umfang zunehmende Spekulations- und Schuldenblasen platzen und von der Krisenpolitik unter immer höheren Kosten eingedämmt werden müssen. Das Kapital stellt seine eigene, innere Schranke dar, die sich immer deutlicher ausformt und das System in der Tendenz in den sozialen und ökologischen Kollaps treibt.

Diese Krisenperiode ist erst unter Reflexion des erläuterten marxschen Begriffs des „prozessierenden Widerspruchs“ voll verständlich: Schwere Systemkrisen treten nämlich dann ein, wenn diese mehrdimensionale Expansionsbewegung nicht mehr ohne Weiteres möglich ist, wenn die Masse verwerteter Arbeit in den alten Industriezweigen abnimmt, ohne dass neue Industriezweige diese überflüssige Arbeit aufnehmen können. Sobald der Kapitalverwertung keine neuen Felder der Expansion zur Verfügung stehen, verlagert sie sich in die Sphäre der Finanzsphäre, was zu Blasenbildung und Verschuldungsprozessen führt. Dies war etwa in den „Roaring Twenties“ des 20. Jahrhunderts der Fall, die dem Krach von 1929 und der Weltwirtschaftskrise der 30er-Jahre vorangingen.

Der Krisentheoretiker Robert Kurz bezeichnete in diesem Zusammenhang die kapitalistische Entwicklung von 1929 bis 1945 als Durchsetzungskrise, die dem Fordismus samt der Massenmotorisierung, dem Weg ebnete. Das „neue“ fordistische Akkumulationsregime (Massenmotorisierung), das dem Kapitalismus in den 1950ern und 1960ern sein „Goldenes Zeitalter“ (Hobsbawn) verschaffte, erfuhr gerade in der totalen Mobilisierung während des Zweiten Weltkrieges seinen Durchbruch. Die kapitalistische „Nachkriegsprosperität“ fußte auf den Leichenbergen des Zweiten Weltkriegs, nach dessen Ende es de facto keine Demobilisierung gab: Die massenhafte Kriegsproduktion von Panzern, Flugzeugen, etc., ging in die Massenproduktion von Autos über.

Klassenkampf von oben als Krisenreaktion

Mit dem Auslaufen des langen fordistischen Nachkriegsbooms ging auch die Ära der Sozialpartnerschaft zwischen Kapital und Arbeit zu Ende. Der verstärkte Klassenkampf von Oben, der – nach dem blutigen Vorspiel 1973 in Chile – spätestens mit der neoliberalen Wende in den USA und Großbritannien einsetzte, war gerade Folge der Krise, konkret des mit der Stagflation einsetzenden Falls der Profitrate in den meisten kapitalistischen Kernländern. Hier setzten die neoliberalen „Reformen“ der „Reaganomics“ von US-Präsident Ronald Reagan (1981–1988) und des „Thatcherism“ der englischen Regierungschefin Margaret Thatcher (1979–1990) an. Die Profitraten in den USA konnten sich tatsächlich merklich erholen, wobei dies auf Kosten der amerikanischen Arbeiterklasse geschah. So stagnieren seit der Reagan-Ära die realen, inflationsbereinigten Löhne der US-Bevölkerung. Heute verdienen die Lohnabhängigen der USA faktisch weniger als 1973.

Um es in marxschen Begriffen zu formulieren: Durch den verstärkten Klassenkampf von oben, das Absenken der Kosten für die „Ware Arbeitskraft“ konnte der Anteil der notwendigen Arbeitszeit am variablen Kapital verkürzt, derjenige der Mehrarbeit erhöht werden. Die sinkende Profitrate wurde durch die Erhöhung der Mehrwertrate saniert. Das Brechen gewerkschaftlicher Gegenmacht in beiden Ländern bildete die Voraussetzung der partiellen Sanierung der Profitraten in der Warenproduktion, wobei eine Nachfragekrise (stagnierende Massennachfrage bei zunehmender Produktivität der Arbeit) durch die Finanzialisierung des Kapitalismus und letztendlich Schuldenmacherei vertagt wurde.

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Sind nicht Heute die Gewerkschaftsfunktionäre und Politiker-Innen die größten Handlanger der Ausbeuter – da sie dieses nicht nur zulassen sondern auch aktiv unterstützen ? Ganz Gleichgültig ob in der Regierung oder Opposition.

Der verstärke Klassenkampf samt Neoliberalismus seit den 80ern bildete somit eine Reaktion auf die Zuspitzung des inneren, prozessierenden Widerspruchs des Kapitals. Eben diese Krisenfolgen treten allen Akteuren innerhalb der Wirtschaft und Politik als zunehmende, objektivierte Widersprüche oder „Sachzwänge“ gegenüber. Die Subjekte reagieren systemimmanent mit einer Intensivierung der Konkurrenz darauf: Politiker und Staaten, die im Rahmen der Standortkonkurrenz Sozialabbau durchsetzen, Konzerne, die immer brutalere Formen der Ausbeutung finden – aber auch Lohnabhängige, die verstärkt zu Mobbing übergehen. Eine mörderische Konkurrenz findet also auf allen Ebenen statt. Die Folgen reichen vom Burnout bishin zum Amoklauf.

Der marktvermittelte stumme Zwang der immer „härter“ werdenden Verhältnisse nötigt die Charaktermasken ihrer jeweiligen gesellschaftlichen Funktion dazu, diesen bei Strafe des eigenen Untergangs zu exekutieren. Derjenige Kapitalist, der es im zunehmenden Konkurrenzkampf auf den „enger“ werdenden Märkten nicht vermag, die Ausbeutung seines Menschenmaterials zu steigern, wird in der Krisenkonkurrenz untergehen. Dasselbe gilt für die kapitalistischen Volkswirtschaften als nationale „Standorte“, die sich ebenfalls in einem krisenbedingten Wettlauf nach unten befinden.

Vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen scheint nun auch eine klare Einschätzung des Klassenkampfs möglich. Hierbei handelt es sich somit um einen Verteilungskampf innerhalb des Reproduktionsprozesses des Kapitals, dessen Intensität von dessen konkreter, historischer Widerspruchsentfaltung bestimmt wird. In Perioden starker ökonomischer Expansion wie in der Nachkriegskonjunktur bis in die 1970er können Formen der „Sozialpartnerschaft“ zwischen den Funktionseliten des Kapitals und den Gewerkschaften als Vertretern der Lohnabhängigen (des „variablen Kapitals“, wie es bei Marx heißt) aufkommen . Solange die Märkte stark expandieren, können hohe Profite mit Löhnen vereinbart werden, die Lohnabhängige zu Konsumenten machen – immer unter Vorraussetzung einer positiven Anerkennung der sog. Gesetze der Wirtschaft. Dies ändert sich relativ schnell in Krisenperioden, wenn es für jeden Kapitalisten vornehmlich darum geht, den irrationalen Selbstzweck der Kapitalakkumulation notfalls auch auf Kosten der eigenen Lohnabhängigen zu perpetuieren – und diese dann massenhaft „Freisetzen“, da sie ökonomisch nicht mehr verwertbar sind. Dann wird den Menschen eben der Klassenkampf als Kampf um Anerkennung als arbeitendes Menschenmaterial zum Verhängnis. Schlussendlich bedeutet Klassenkampf Unterwerfung unter die Imperative des Kapitals, die keineswegs infrage gestellt werden. Dass die Arbeiter sich auch gern stolz mit „ihrer Industrie“ und mit „ihrem Wirtschaftsstandort“ identifizieren, verwundert nicht.

Das bedeutet aber auch: Dem Klassenkampf als Verteilungskampf wohnt somit keine objektive transformatorische Potenz inne. Es ist ein Kampf um Anteile an einer krisenbedingt abschmelzenden, realen Wertproduktion – ohne aber diese irrationale Form gesellschaftlicher Reproduktion infrage zu stellen. Der Klassenkampf (schlussendlich auch der historische Klassenkampf vergangener Zeiten) bewegt sich also in den Formen kapitalistischer Vergesellschaftung (Wert, Arbeit, Kapital, Staat) und sucht Emanzipation und Anerkennung in diesen Kategorien, statt gegen diese.

Der sich verschärfende Klassenkampf ist somit ein Verteilungskampf. Die Militanz, mit der dieser krisenbedingt eskalierende „Klassenkrieg“ propagiert wird, verdeckt seine mangelnde Radikalität, da hier die Krisenursachen und die fetischistische Form gesellschaftlicher Reproduktion im Kapitalismus nicht reflektiert werden. Um es mal plastisch auszudrücken: Das Fundament, auf dem die Klassenakteure agieren, die Verausgabung von Arbeit in der Warenproduktion, zerfällt zunehmend (Daran ändert auch der derzeitige pandemiebedingte Arbeitskräftemangel nicht viel, der überdies durch die gigantischen Konjunkturmaßnahmen und das Gelddruckprogramm der Fed bedingt ist).

Erst bei Reflexion auf den besagten „prozessierenden Widerspruch“, auf die sich zuspitzende innere Schranke des Kapitals, könnte dazu führen, die „soziale Frage“ jenseits des Klassenkampfes zu stellen. Es gilt, das „gute Leben“ gegen die verrückte kapitalistische Verwertungsbewegung zu erkämpfen, die stets die Basis und den Rahmen des Klassenkampf bildete. Der Klassenkampf kam nie auf die Idee, einen sinnvollen Umgang mit den Ressourcen zu fordern. Gerade bei Lohnkämpfen wird deutlich, dass es nur darum geht, die Arbeit besser zu entlohnen und den kapitalistisch produzieren Dreck besser zu verteilen. Nutznießer solcher Kämpfe können ohnehin nur jene sein, denen noch in den Zentren des Weltsystems das „Glück“ beschieden ist, vom Kapital ausgebeutet zu werden. Jene für das Kapital Überflüssigen, wie etwa Flüchtlinge, Slumbewohner usw. werden vom Klassenkampf überhaupt nicht erfasst. Die Herausbildung eines notwendigen transformatorischen Bewusstseins und einer korrespondierenden emanzipatorischen Bewegung darf sich allerdings nicht nur auf die „soziale Frage“ allein beschränken, sondern alle krisenbedingt zunehmenden Widersprüche und Kampflinien in den Fokus nehmen (zumal sie sich ohnehin überschneiden), wie den Kampf gegen Faschismus, religiösen Fanatismus, Rassismus, Sexismus, die Klimakrise, die zunehmende Kriegsgefahr oder autoritäre und antidemokratische Tendenzen im Staatsapparat – diese Kämpfe müssten als Momente eines überlebensnotwendigen Transformationskampfes begriffen und propagiert werden: eines Kampfes um die Ausformung einer postkapitalistischen Gesellschaft, der den drohenden sozioökologischen Kollaps verhindern würde.

https://www.patreon.com/user?u=57464083

1 http://www.konicz.info/?p=4389

2 https://www.zdf.de/nachrichten/wirtschaft/tarifverhandlungen-inflation-corona-100.html

3 https://www.wiwo.de/unternehmen/industrie/aus-angst-vor-der-inflation-ig-metall-chef-fordert-eine-ordentliche-erhoehung-statt-reallohnverluste/27638184.html

4 https://www.focus.de/die-welt-2022/die-welt-2022-die-hohe-inflation-ist-kein-argument-fuer-hoehere-loehne_id_24617175.html

5 https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Verdienste/Realloehne-Nettoverdienste/_inhalt.html

6 http://www.konicz.info/?p=4389

7 https://www.ft.com/content/4e9907d0-06ea-469e-8f32-e07dcd69f1a8

8 https://www.tagesschau.de/wirtschaft/konjunktur/tarifvertrag-gewerkschaften-bezahlung-inflation-101.html

9 https://www.heise.de/tp/features/Der-Zerfall-des-deutschen-Europa-3370918.html

10 https://thenewobjectivity.com/pdf/marx.pdf

11 http://dhcm.inkrit.org/wp-content/data/mew42.pdf

12 https://zcomm.org/znetarticle/back-to-stagflation/

13 https://zcomm.org/znetarticle/back-to-stagflation/

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Oben       —       Illustration von Industrial Workers of the World (IWW): „Die Pyramide des kapitalistischen Systems“

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Zukunft der Linkspartei

Erstellt von DL-Redaktion am 20. Dezember 2021

Linkspartei am Kipppunkt

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Für so einen unscheinbaren Gewerkschaffts-Fuzzi gleicht der Porsche einer Rakete ?

Von Anna Lehman

Eine Fraktion, die gegen die Partei agiert. Ein Klimapolitiker, der Autos liebt. Eine enttäuschte Basis. Kann die Linke die Spaltung überleben?

Hitzerekord in der Arktis! 38 Grad wurden in diesem Sommer gemessen, meldet die UN-Klimabehörde am 14. Dezember. Am Tag danach ist Maximilian Becker immer noch frustriert und wütend. „Ich weiß momentan nicht, wie ich Leute in meinem Bekanntenkreis davon überzeugen soll, in die Linke einzutreten.“ Becker kommt aus Leipzig, er ist aktiv in der örtlichen Klimabewegung Ende Gelände und seit Februar auch im Bundesvorstand der Linkspartei.

Am Tag, an dem die Dynamik des Klimawandels erneut deutlich wird, wählt die Bundestagsfraktion der Linken den Abgeordneten Klaus Ernst zum Vorsitzenden das Bundestagsausschusses für Klima und Energie. Ausgerechnet „Porsche-Klaus“! Der schnelle Autos liebt, sich für die Gaspipeline Nordstream2 ins Zeug legt und vor einer Anbiederung an die Klimabewegung warnte. Für die Partei ist Klimapolitik mittlerweile ein Kernthema, hereingetragen vor allem durch jüngere Mitglieder wie Becker, der 2016 in die Linke eintrat. „Der Einsatz für Klimagerechtigkeit ist eines unserer zentralen Politikfelder“, heißt es in einem Beschluss des Vorstands vom Oktober. Becker hat auf diese Formulierung gedrängt.

Nicht nur er ist über die Wahl von Ernst an die Spitze dieses wichtigen und einzigen Ausschusses für die Linksfraktion frustriert und wütend. Eine ehemalige Landesvorsitzende tritt nach 27 Jahren aus der Partei aus, der langjährige abrüstungspolitische Sprecher Jan van Aken zieht sich aus Ärger über die Fraktion aus dem Parteivorstand zurück und verwendet in seinem Austrittsschreiben Begriffe, wie sie sonst im Zusammenhang mit korrupten Regimen fallen.

Vor allem aber sind es jüngere Mitglieder und Aktivist:innen, die ihre Wut und Enttäuschung in den sozialen Medien verbreiten. Tausende haben einen einige Tage vor der Wahl initiierten offenen Brief unterschrieben und die Linksfraktion aufgefordert, den Ausschussvorsitz anders zu besetzen. Umsonst.

Die Seenotrettungskapitänin Carola Rackete, für viele Linke eine Gallionsfigur, twittert: „Die Linke ist mit der Wahl von Klaus Ernst als Vorsitzenden des Klimaausschusses scheinbar weiter im Selbstzerstörungsmodus, indem sie genau die sozialen Bewegungen abschreckt deren Inhalte sie eigentlich im Programm vertritt.“ Rackete hat mehr Follower als die Linkspartei Mitglieder.

39 gegen 60.000

Die Linkspartei, die es im September nur ganz knapp ins Parlament geschafft hat, bewegt sich auf einen Kipppunkt zu. Wird sie in Zukunft noch gebraucht, oder erledigt sie sich von selbst? Zumal sich nun der Eindruck verfestigt, dass ein Grüppchen von 39 Abgeordneten über Richtung und Themensetzung einer 60.000-Mitglieder-Partei entscheiden kann. Ein Grüppchen, das Kritik negiert, Beschlüsse ignoriert und Kommunikationskanäle dicht macht.

Die morgendlichen Telefonate zwischen Partei- und Fraktionsführung, wie sie im Wahlkampf üblich waren, sind längst wieder eingestellt. Parteichefin Susanne Hennig-Wellsow spricht von einer Entfremdung zwischen Partei und Fraktion. Wie konnte es so weit kommen?

Zum einen hat das magere Wahlergebnis dafür gesorgt, dass es vorwiegend verdiente Parteikader, die auf vorderen Listenplätzen abgesichert waren, in den Bundestag schafften, während Nach­wuchs­po­li­ti­ke­r:in­nen das Nachsehen hatte. Die Linke stellt nun die zweitälteste Fraktion, und ihre Abgeordneten ticken oft traditioneller als die Parteibasis. Die hat sich in den letzten Jahren erheblich verjüngt, ein Fünftel der Mitglieder kam neu hinzu, zwei Drittel davon sind jünger als 35.

Die arrivierte Zusammensetzung der Fraktion stärkt aber auch das fraktionsinterne Machtbündnis aus, grob gesagt, ostdeutschen Prag­ma­ti­ke­r:in­nen und westdeutschen Orthodoxen. Die Mehrheiten sind klar verteilt: Zwei Drittel der Abgeordneten gehören zum sogenannten Hufeisen, der Rest muss sich hinten anstellen. Auch die beiden Parteivorsitzenden Janine Wissler und Hennig-Wellsow, die beide neu im Bundestag sind. Posten werden nach Loyalität und Machtinteressen vergeben, Inhalte spielen kaum eine Rolle.

Im Zentrum dieses Zweckbündnisses: Fraktionschef Dietmar Bartsch, gebürtiger Stralsunder, seit 44 Jahren Parteimitglied. Einer, dessen Karriere in der SED begann, der sich später in PDS und Linkspartei über verschiedene Ämter vom Schatzmeister, Bundesgeschäftsführer bis zum Fraktionschef und Spitzenkandidaten für die Bundestagwahl hochgedient hat. Ein vollendeter Funktionär, dessen Machtinstinkte verlässlich funktionieren. Dessen politische Landkarte sich aber auf Mecklenburg-Vorpommern beschränke, wie Ge­nos­s:in­nen lästern.

Bloß nicht grüner als die Grünen

Bartsch und Ernst seien sich menschlich nie besonders nah gewesen, berichtet ein Genosse, der beide lange kennt. Bartsch zündelte gegen Ernst als dieser Parteichef war, Ernst hielt sich umgekehrt nie mit öffentlicher Kritik zurück, wenn es um den Führungsstil von Bartsch und dessen damaliger Ko-Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht ging.

2018-06-09 Bundesparteitag Die Linke 2018 in Leipzig von Sandro Halank–137.jpg

Sind das nicht die Preise der Politik? Wo bei Bürger-Innen das Rückgrat endet ist bei den Politiker-Innen meistens schon alles im Arsch ?

Dass Bartsch ihn jetzt als Ausschussvorsitzenden durchgedrückt hat, mag zum einen daran liegen, dass er die Renitenz des Bayern fürchtet. Bei der Vergabe der Arbeitskreise war Ernst auf der Fraktionsklausur im Oktober leer ausgegangen. Es liegt aber auch am politischen Kurs, den Ernst verfolgt und den Bartsch teilt.

Die Linkspartei dürfe nicht „grüner werden als die Grünen“, betonen beide immer wieder. Statt immer ehrgeizigere Klimaziele zu formulieren, müsse sich die Linke auf ihren Markenkern konzentrieren, nämlich die soziale Frage. Auch wenn Ernst nach seiner Wahl in einem Video der Fraktion betont, er wolle die Interessen von abhängig Beschäftigten und sehr jungen Leuten in der Klimabewegung zusammenbringen, nutzt er doch auch die Gelegenheit, erneut für die Energiepartnerschaft mit Russland und für Nordstream2 zu werben. Es wäre blanker Unsinn, so eine Rieseninvestition im Meer zu versenken.

Quelle        :          TAZ-online         >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —      Klaus Ernst während einer Plenarsitzung des Deutschen Bundestages am 2. Juli 2020 in Berlin.

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Unten      —   Bundesparteitag Die Linke 2018 in Leipzig

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Klima contra Arbeit

Erstellt von DL-Redaktion am 6. Dezember 2021

Wenn es um die Existenz von Unternehmen geht, zählen in den Arbeitnehmerverbänden moralische Bedenken wenig

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Von Thomas Gesterkamp

Klimapolitik kann Arbeitsplätze kosten. Aufgabe der Gewerkschaften ist, bei ökologischen Lösungskonzepten an die sozialen Folgen zu erinnern.

Die Entscheidung sei „politisch unklug, unüberlegt und populistisch“, wetterte Betriebsratschef Alois Schwarz 1992 in den Produktionshallen von Messerschmidt-Bölkow-Blohm. 8.000 hochqualifizierte Stellen sah der bayerische Metallgewerkschafter in Gefahr, als die Bundesregierung den Auftrag zum Bau des Kampffliegers Jäger 90 bei der Mutterfirma Deutsche Aerospace stornieren wollte. Nach dem Ende des Kalten Krieges schien Rüstungskonversion das Gebot der Stunde, zudem belastete die deutsche Vereinigung die öffentlichen Etats. Der massive Druck von Konzernleitung und Arbeitnehmerorganisationen hatte dennoch Erfolg. Das in Eurofighter umbenannte und gemeinsam mit Partnerländern in Serie gebaute Flugzeug kostete in den folgenden Jahrzehnten rund hundert Milliarden Euro.

Betriebsräte als Militärlobbyisten, weil ihnen die Angst vor Werksschließungen im Nacken sitzt: Dieses Muster wiederholte sich 2014. Die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen befürwortete nach anfänglichem Zögern die Entwicklung bewaffneter Drohnen. Auf ihre Zusage reagierten neben Rüstungsmanagern auch Gewerkschafter begeistert: Das sichere Tausende von Jobs in der Branche, jubelte Bernhard Stiedl von der IG Metall Ingolstadt. Hauptsache Arbeitsplatz: Ist es den Interessenvertretungen egal, womit Beschäftigte ihr Geld verdienen? Wenn es um die Existenz von Unternehmen geht, zählen in den Arbeitnehmerverbänden moralische Bedenken relativ wenig. Das gilt für den Umgang mit Waffenherstellern und erst recht im Kampf gegen die Erderwärmung.

Die konservative Industriegewerkschaft Bergbau-Chemie-Energie warnt regelmäßig vor einem frühen Ausstieg aus der Braunkohleverstromung, den Kli­mak­ti­vis­t:in­nen eindringlich anmahnen. Auto-Betriebsräte versuchen das Verbot des Verbrennungsmotors auszubremsen, im ersten Corona-Lockdown verlangten sie wie in der Finanzkrise staatliche Abwrackprämien beim Kauf von Neuwagen. Als die schwarz-rote Koalition dies verweigerte und selbst die gewerkschaftsnahe Sozialdemokratie nicht mitzog, kamen scharfe Reaktionen aus der IG Metall und vom DGB-Bundesvorstand.

Unter den Metallern gibt es aber auch Gegenstimmen. Seit Jahren wird intern über die ökologische „Transformation“ diskutiert. Man will das Thema mit positiven Vorschlägen besetzen. Die Funktionäre hoffen dabei vor allem auf den Bau von Elektrofahrzeugen. Mobilitätskonzepte, bei denen nicht der private Besitz von Autos im Mittelpunkt steht, gehen den meisten allerdings zu weit. Denn eine fundamentale Verkehrswende auf der Basis der Sharing-Ökonomie und öffentlicher Transportmittel könnte zahlreiche Jobs in der deutschen Leitbranche kosten.

Der schwierige Balanceakt zwischen Arbeitsplatzinteressen und ethischen Grundsätzen ist eine historische Endlosschleife. Schon in den 1970er Jahren gingen Werftarbeiter für den Export von Unterseebooten in das von einer Militärdiktatur beherrschte Chile auf die Straße. Beschäftigte der Energiewirtschaft demonstrierten nicht gegen, sondern für den Bau von Atomkraftwerken.

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Doch blinde Flecken gibt es nicht nur auf der Seite der Arbeitnehmer, wie die Klimadebatte zeigt. Die Fridays-for-Future-Aktivist:innen, oft aufgewachsen in saturierten bürgerlichen Familien, sind nicht gerade für ihre sozialpolitische Sensibilität bekannt. Die eigene privilegierte Situation reflektieren sie meist wenig, die Perspektiven der Kumpel im rheinischen Revier oder in der Lausitz sind ihnen weitgehend gleichgültig.

Der Jenaer Soziologe Klaus Dörre fordert angesichts der ökonomisch-ökologischen „Zangenkrise“ einen Labour turn bei den Klimabewegten und einen Climate turn bei den Gewerkschaften. Ermutigt hat ihn die Stimmung im überfüllten Audimax der Universität Leipzig im Mai 2019, bei der Gründung der Students for Future. Auf die Frage, ob eine Nachhaltigkeitsrevolution innerhalb kapitalistischer Verhältnisse möglich sei, habe er vom Publikum ein vielstimmiges „Nein!“ zu hören bekommen. Und der Vorschlag, große Konzerne bei einer Blockadehaltung gegenüber Klimazielen zu sozialisieren, erhielt tosenden Applaus. Der Wissenschaftler propagiert seither den „Ökosozialismus“.

Quelle       :          TAZ-online           >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen        :

Oben      —   Ein Bo-105 Hubschrauber des Philippine Army (PA) Aviation Hiraya Regiment während des Besuchs von Brigadegeneral Edgar Nigos in der Einheit

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Was braucht ein Volk ?

Erstellt von DL-Redaktion am 12. Oktober 2021

Eine antidemokratische LINKE. – braucht kein Mensch.

Klaus Ernst Die Linke Wahlparty 2013 (DerHexer) 06.jpg

Quelle:    Scharf  —  Links

Von Heinz Michael Vilsmeier

Innerhalb der letzten 11 Jahre hat sich DIE LINKE. eines großen Teils ihrer nicht explizit sozialdemokratisch und / oder gewerkschaftlich orientierten Kader, Funktionär*innen und einfacher linker Mitglieder entledigt. Strippenzieher der planmäßigen innerparteilichen Säuberungen waren die sozialdemokratischen Seilschaften um den früheren Bundesvorsitzenden der PDL Klaus Ernst. Genossinnen mit ausreichend viel Phantasie innerhalb der PDL raunen sogar, das destruktive Vorgehen dieser Strömung, im Sinne einer Counter Insurgency Aktion, sei darauf ausgerichtet gewesen, das Projekt Linkspartei, also die Etablierung einer parlamentarischen Kraft links von der SPD, klein zu halten bzw. scheitern zu lassen. – Sollte es so gewesen sein, müsste diese Strategie als durchaus erfolgreich bezeichnet werden. – Ich jedenfalls würde so eine Verschwörungstheorie nicht unhinterfragt stehen lassen. M. M. n. zielten die Säuberungen, für die es durchaus historische Vorbilder gibt, darauf ab, DIE LINKE. für ein Regierungsbündnis mit der SPD, für eine strategische Zusammenarbeit mit den DGB-Gewerkschaften und natürlich mit Bündnis ‘90 / Die Grünen fit zu machen. Dazu war man bis hin zur Selbstverleugnung bereit.

Das Motiv Bündnisfähigkeit wurde durch den beinahe schon verzweifelten Appel des ehem. SPDlers und IG-Metallers Klaus Ernst an die anwesenden Gewerkschaftsführer beim 10-jährigen Jubiläum der PDL in der Berliner Volksbühne eindringlich unterstrichen, als er diesen die Frage zurief, was DIE LINKE. denn noch alles tun müsse, um sie für die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften salonfähig zu machen. – All das war, wie man schon damals hätte wissen können, vergebliche Liebesmüh und, parteipolitisch gesehen, kontraproduktiv. Klaus Ernst‘s Bemühungen und die seiner innerparteilichen Komplizen, die PDL qua Sozialdemokratisierung „regierungsfähig“ zu machen, wirkten sich äußerst (selbst-)zerstörerisch aus. Sie hatten zur Folge, dass sich DIE LINKE. über mehr als ein Jahrzehnt beharrlich ausdünnte und selbst schwächte, während die Parteienlandschaft immer mehr nach rechts rückte. Das Versagen der PDL gegenüber ihrer gesellschaftspolitischen Verantwortung hat schon eine historische Bedeutung.

Dabei war der Erfolg der Strategie gleich null! Keines der erhofften Bündnisse kam je zustande.

Die Methoden, die angewendet wurden, um die innerparteiliche Opposition zu eliminieren, waren durchweg schmutzig, antidemokratisch und abstoßend. Sie erinnern an schlimmste Vorgehensweisen, wie wir sie aus stalinistischen Parteien in der Vergangenheit kennen. Das geht von Mobbing, über Zersetzung durch Psychoterror und Rufmord bis hin zu Gewaltandrohungen. – Beispielsweise wurde in Diskussionen schon auch mal geäußert, „ein Kopfschuss“, wie in der früheren Sowjetunion, „habe doch auch seinen Charme gehabt“…

Die Folge war, dass die PDL sowohl innerparteilich als auch außerparteilich Vertrauen zerstörte, viele Kader und einfache Mitglieder verlor und sich in den Augen der meisten Wähler*innen als unwählbar erwies. – Eine antidemokratische LINKE. braucht eben kein Mensch.

Noch eine Anmerkung zur gewerkschaftsorientierten Strömung in der PDL, die jederzeit bereit ist, Vertreter*innen gewerkschaftskritischer Positionen aus der PDL auszugrenzen: Ihre Parteisoldat*innen haben noch immer nicht den Unterschied zwischen Partei und Gewerkschaft verstanden. Am liebsten würden sie DIE LINKE. zum verlängerten Arm der Gewerkschaften machen, so wie beispielsweise Klaus Ernst es getan hat, in der Hoffnung, dann würden massenhaft Gewerkschafter*innen zu DIE LINKE. strömen. Das ist natürlich nicht nur nicht passiert, sondern war und ist auch vom politischen Ansatz her falsch.

Während Gewerkschaften Partikularinteressen zu vertreten haben, die gesamtgesellschaftlich sogar schädlich sein können, muss eine Partei das gesellschaftliche Ganze im Blick haben und eine positive gesellschaftliche Utopie entwickeln und strategisch verfolgen. Gewerkschafter*innen in der PDL haben dies stets verhindert, wohl in dem Glauben, damit „der Arbeiterklasse“ einen Gefallen zu tun.

Und was trugen die Aufsteher um Sahra Wagenknecht zum Niedergang der PDL bei? – Sie und ihre Ikone waren sich nicht zu schade, einen Weg zu propagieren, der den Sozialstaat vor allem für deutsche [sic!] Leistungsempfänger fit machen soll. Eine nationale sozialistische Ausrichtung ist dabei impliziert. Damit biederten sie DIE LINKE. nicht nur denjenigen an, die sich PEGIDA und der AfD zugewandt hatten. Ihre ständigen Polemiken gegenüber Flüchtenden und Migranten hatten zur Folge, dass sie nicht nur Teile der PDL in durchaus vorhandenen nationalistischen und chauvinistischen Ressentiments stärkten, sondern auch noch der AfD Schützenhilfe lieferten (vielleicht unfreiwillig) und einige Positionen der Rechten in der PDL vertretbar machten. – Bzgl. Wagenknecht gäbe es noch viel mehr Kritisches anzumerken, beispielsweise zu ihrem Feldzug gegen Positionen, die identitätspolitisch argumentieren. Damit hat sie die PDL ohnehin für große Teile der Gesellschaft und Teile der gesellschaftlichen Linken, vor allem in den alten Bundesländern, unwählbar gemacht.

Dann ist da noch die unglückliche Haltung, insbesondere bei der traditionellen Linken in der PDL, die die ökologische Krise noch immer als „Nebenwiderspruch“ verharmlost und weiterhin propagiert, die Kosten des industriellen Umbaus sollten ausschließlich die Reichen tragen und Klimapolitik dürfe Arbeiter und prekär Beschäftigte nicht betreffen. – Diese rein populistisch motivierte Argumentation wird wohl nicht funktionieren. – Wie damit überhaupt eine konsequente Klimapolitik angegangen werden könnte, die das Bewusstsein der Menschen im Umgang mit der Umwelt verändert, wird wohl das große Geheimnis dieses Teils in der PDL bleiben.

Urheberecht
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Grafikquellen      :

Oben          —     Celebration of the left-wing party in the Berlin Kulturbrauerei. Klaus Ernst.

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Replik zu Karl Reitter

Erstellt von DL-Redaktion am 1. September 2021

Anmerkungen zu „Gewerkschaftssozialismus“

Parteitages der Partei DIE LINKE 2019, Bonn.2.jpg

Quelle:    Scharf  —  Links

Von Ralf Krämer

Karl Reitter stellt, nachdem er mit mir intensiv kontrovers zum Thema bedingungsloses Grundeinkommen diskutiert hat, Überlegungen an, warum linke Gewerkschafter gegen das Grundeinkommen seien. Es ist m.E. schade, dass diese Diskussion nicht aufgezeichnet und öffentlich zugänglich gemacht wurde, damit sich alle selbst ein Bild machen können von der Fundiertheit der jeweiligen Argumentationen. Man kann natürlich solche Mutmaßungen anstellen wie Karl Reitter, sinnvoller wäre aber die Gründe ernst zu nehmen, die formuliert vorliegen und tatsächlich die die Ablehnung dieser Vorstellungen begründen, siehe etwa https://wipo.verdi.de/publikationen/++co++ab29a9ba-db39-11e7-ade4-525400940f89 externer Link. Und man sollte sich an der Realität orientieren.

Es ist dagegen Unfug, wenn Reitter schreibt: „In der rauen Wirklichkeit der kapitalistischen Verhältnisse vertreten Gewerkschaftsfunktionäre angesichts der neoliberalen Umwälzungen der Arbeitswelt immer nur kleine und sehr kleine Teile der Klasse. Die prekär Beschäftigten, die Scheinselbstständigen, die modernen StücklohnarbeiterInnen, die Erwerbsarbeitslosen, die in Ausbildung Befindlichen, die SaisonarbeiterInnen, die LeiharbeiterInnen und nicht zuletzt die halblegal und illegal Beschäftigten, mithin die Mehrheit der Klasse, wird durch diese je spezifischen Verhandlungen nicht oder nur teilweise erfasst.“ Gewerkschaften sind Selbstorganisationen der arbeitende Klasse, sie vertreten in den konkreten Auseinandersetzungen primär die organisierten, damit aber auch die jeweils betroffenen Teile der Klasse und ihre Interessen insgesamt, und politisch gesehen die Interessen der gesamten Klasse. Jedenfalls gibt es keine anderen Organisationen, die dies auch nur annähernd so beanspruchen können und leisten wie die Gewerkschaften. Gewerkschaften organisieren und vertreten sehr wohl auch die Interessen der von Reitter genannten Beschäftigtengruppen und auch die von Erwerbslosen. Wobei klar ist, dass die Artikulation dieser Interessen und ihre Vertretung nicht ohne Widersprüche ist, diese Widersprüche können aber nur innerhalb der Organisationen sinnvoll ausgetragen werden.

Es ist Unfug zu behaupten, Gewerkschaften verträten „nur kleine und sehr kleine Teile der Klasse“. Die von Reitter aufgeführten Gruppen sind zum einen sehr unterschiedlich zu betrachten und stellen dennoch selbst alle zusammen nur eine deutliche Minderheit der Klasse dar. Die überwiegende Mehrheit der Lohnabhängigen in Deutschland und auch in Österreich ist regulär sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Insgesamt scheint es in Teilen der Linken große Unkenntnis und eine verzerrte Sicht auf die quantitativen Proportionen der Beschäftigungsverhältnisse zu geben, ich empfehle als Datenquellen https://www.sozialpolitik-aktuell.de/arbeitsmarkt-datensammlung.html externer Link und https://www.iab.de/de/daten.aspx externer Link

Unfug ist auch die Behauptung Reitters, die Gewerkschaften würden sich nur um Löhne und Arbeitszeiten kümmern und seien deshalb gegen Forderungen nach einem bedingungslosen Grundeinkommen. Gewerkschaften kümmern sich selbstverständlich auch um die sozialstaatlich vermittelten Einkommen und öffentlichen Leistungen, die für die Lohnabhängigen – nichterwerbstätige Familienangehörige, Rentner:innen, Erwerbsunfähige und Erwerbslose dabei eingeschlossen – von großer Bedeutung sind und stellen dazu vielfältige Forderungen auf und vertreten diese politisch, siehe etwa https://wipo.verdi.de/publikationen/++co++57183c20-b7b2-11eb-aa4e-001a4a160119 externer Link.

Ich könnte jetzt auch aufschreiben, wieso m.E. manche Leute so hartnäckig und geradezu fanatisch und dabei unter Missachtung von sozialen und politökonomischen Fakten und Zusammenhängen ihre BGE-Illusionen propagieren, welche Isolierung von den Lebensbedingungen und Auffassungen der großen Mehrheit der Lohnabhängigen und welche ideologischen Verblendungen dahinter stecken. Ich verzichte darauf und will Reitter in einem Punkt positiv aufgreifen, wenn er abschließend schreibt „Wahrscheinlich wäre es zielführender mit alle jenen, die meinen, im Kapitalismus sei das Grundeinkommen eine Illusion und im Sozialismus überflüssig, nicht über das Grundeinkommen, sondern über ihr Sozialismusverständnis als gute Arbeitsgesellschaft für alle zu diskutieren.“ In der Tat scheint das Sozialismusverständnis eine wichtige Differenz zu sein, denn selbstverständlich wird ein demokratischer Sozialismus eine „gute Arbeitsgesellschaft für alle“ sein. So sah es Marx, vgl. https://diefreiheitsliebe.de/wirtschaft/marx-waere-gegen-die-bge-forderung-gewesen/ externer Link, und so wird es auch im Grundsatzprogramm der Partei DIE LINKE beschrieben https://www.die-linke.de/partei/programm/ externer Link.

Dagegen steht eine idealistische Vorstellung einer kommunistischen Gesellschaft, in der es keiner gesellschaftlich organisierten Arbeit mehr bedürfte, sondern jede/r nur tue, was er/sie individuell will und dabei auf wundersame Weise und vielleicht vollautomatisch dennoch das und da und dann produziert werde, was gerade gebraucht wird an Gütern und Dienstleistungen. Diese Gesellschaft soll gewissermaßen durch ein BGE ein Stück weit vorweggenommen werden. Diese Vorstellungen beruhen auf einer falschen oder fehlenden politökonomischen Analyse und sind für die Gegenwart und die absehbare Zukunft illusorisch und desorientierend.

Urheberrecht
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Grafikquelle :

Oben      —    Parteitag der Linkspartei in Bonn. 2. Tagung des 6. Parteitages der Partei DIE LINKE, 22. und 23. Februar 2019, Bonn.

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Die Deutsche-Bahn lahmt

Erstellt von DL-Redaktion am 12. August 2021

Solidarität mit der GDL

Von Jimmy Bulanik

Die Menschen welche in der Bundesrepublik Deutschland Züge fahren haben es in diesen Zeiten schwer. Besonders durch die Corona Pandemie. Jetzt verhandeln die Gewerkschaft, GDL mit der Bahn AG.

Dabei geht es um mehr Gehalt, was ein Teil der Arbeitsbedingungen sind. Die Bahn AG und die GDL kommen derzeit nicht weiter. Ein Streik zeichnet sich ab.

Somit erpresst die Bahn AG im Grunde das Land. Es kann zum Stillstand kommen. Gerade für jene welche zur Schule, Universität oder Arbeitsstelle pendeln müssen.

Das setzt den Bundesvorsitzenden der GDL, Claus Weselsky unter Druck. Dieser muss die Entschlossenheit seiner seiner Kolleginnen und Kollegen unter Beweis stellen. Dies kann für andere Gewerkschaften eine Inspiration darstellen.

Es obliegt an dem Vorstand der Bahn AG zu entscheiden, wann sie gewillt ist ernsthaft auf die Arbeitnehmerschaft einzugehen. Die Bahn AG ist kein Selbstzweck. Sie ist ein Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge.

Zu 51% gehört die Bahn AG dem Staat unter der Zuständigkeit des Bundesministeriums für Verkehr. Seit 2013 waren die Bundesminister für Verkehr Peter Ramsauer, Alexander Dobrindt, Christian Schmidt, Andreas Scheuer von der CSU. Die Fahrgäste sollen im Vordergrund stehen.

Die Zeit eines Arbeitskampfes zwischen der Bahn AG und der GDL vor einer Bundestagswahl ist eine spannende Tatsache. Auf politischer Ebene ist es vernünftig mit den MdB‘s kritisch über das Thema der Privatisierung zu sprechen. Die Menschen können sich mit der Frage befassen, wie sie grundsätzlich die Privatisierung bewerten.

Wurde die Bahn AG durch die Privatisierung in ihrer Dienstleistung besser ? Wurden Strecken stillgelegt ? Sind die Preise für Fahrkarten teuer ?

Datei:Eisenbahn als Bauernschreck.jpg

Insgesamt ist es nötig das mehr Steuermittel in die Bahn AG investiert wird. Dazu können die Bürgerinnen und Bürger bei der Bundestagswahl 2021 richtig wählen gehen. Sofern die Bürgerinnen und Bürger für sich aktiv werden, handhaben sie etwas für sich richtig.

Sie können sich in schriftlicher Form an die Bahn AG wenden. Um beispielsweise mit der Zielsetzung einen Streik abzuwenden. Mehr Geld für die Bahn AG muss auch dazu führen das Personal besser und gerecht zu bezahlen. Es handelt sich dabei um die Würdigung der humanen Wertschöpfung.

Die Adresse der Bahn AG lautet:

Deutsche Bahn AG
Vorstand
Potsdamer Platz 2
10785 Berlin

Email: konzernportal@deutschebahn.com 

Die Bewegung Fridays For Future könnte sich das Thema der Förderung des öffentlichen 
Schienenverkehr annehmen. Eine Tatsache ist das die Schiene ein Anreiz in der Wirklichkeit 
sein muss, um vom Auto auf die Schiene umzusteigen. Die Thematisierung der Ökologie muss mit 
der Frage der sozialen Gerechtigkeit einhergehen. 

Dies betrifft auch das Personal der Bahn AG. Dazu gehören mit unter jene die einen Zug 
fahren. Der Gewerkschaft GDL ist ein tatsächlicher Erfolg zu wünschen.

Nützliche Links im Internet:

GDL:
https://www.gdl.de 

Fridays For Future:
https://fridaysforfuture.de 

Bundesministerium für Verkehr:
https://www.bmvi.de/DE/Meta/Buergerservice/buergerservice.html

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Grafikquellen :

Oben      —   Warnstreik der GDL am Leipziger Hauptbahnhof (Juli 2007).

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Verdi – war gestern

Erstellt von DL-Redaktion am 8. August 2021

Machen bald Drückerkolonnen die Mitgliederwerbung?

1 - Hamburg 1. Mai 2014 01.JPG

Quelle:    Scharf  —  Links

Von Gewerkschaftsforum Dortmund

Da würde sich Joe Hill in seinem Grab herumdrehen. Der US-amerikanische Arbeiterführer, Gewerkschaftsaktivist, Sänger und Liedermacher, dessen letzte Worte vor seiner Hinrichtung don’t mourn – organize (trauert nicht-organisiert euch) waren, war quasi der Vater der neuen erfolgversprechenden Methode der gewerkschaftlichen Mitgliederaktivierung und -gewinnung. Viele hauptamtliche Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter waren zur Schulung in dieser Methode extra für einige Wochen in die USA geflogen.

Joe Hill würde ganz sauer aufstoßen, dass ver.di schon seit einigen Jahren „ein junges Unternehmen spezialisiert auf Dialogmarketing“ engagiert, das „realisierenden Face-to-Face-Kampagnen zur Mitgliederwerbung“ entwickelt hat. Einfach ausgedrückt heißt das, dass anstelle der Mitgliederwerbung durch eine gute Gewerkschaftsarbeit im Betrieb und vor Ort, ver.di nun auf öffentlichen Straßen und Plätzen Mitglieder gewinnen will, wie man es z.B. von den Tierschutzvereinen kennt, die vor den Kaufhallen stehen.

Seit Jahren wurde vor allem den ehrenamtlich aktiven Gewerkschaftsmitgliedern immer wieder erklärt, dass die US-amerikanische Organize-Methode die derzeit beste Methode für die Gewerkschaftsarbeit, auch besonders für die Mitgliedergewinnung, ist. Die speziell geschulten hauptamtlichen Gewerkschafter hielten das Fachwissen dieser Methode vor und die Fäden der Aktionen liefen bei ihnen zusammen.

Anstelle des traditionellen Stellvertretermodells wird beim Organizing ein basisnahes Selbstvertretungsmodell entgegengesetzt. Die Aktivisten verfolgen dabei ein konkretes Ziel, z.B. den Abschluss eines Tarifvertrags oder die Einleitung von Betriebsratswahlen. Im Rahmen von Organisierungskampagnen suchen sich die Gewerkschaften strategische Bündnispartner wie Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Verbände oder Stadtteilgruppen aus, um mit diesen sozialen Netzwerken innerbetriebliche oder öffentliche Aktionen, unter Einbeziehung der Medien, durchzuführen. So konnten die US-amerikanischen Gewerkschaften in den vergangenen Jahrzehnten vielfach Betriebe oder sogar ganze Städte erfolgreich organisieren und Tarifverträge abschließen.

Nun hört man bei ver.di ganz andere Töne. Es ist die Rede von Promotiontouren, Dialogmarketing, Verbindung von Fundraising und Elementen aus dem Vertrieb, Face-to-Face-Kampagnen oder die Kraft des persönlichen Gesprächs und Kommunikation für Organisationen, Verbände und Stiftungen.

ver.di hat mit der Firma DFC DIALOG GmbH eine Zusammenarbeit begründet, um neue Methoden zur Mitgliedergewinnung durchzuführen.

In dem Selbstverständnis dieser Firma heißt es:

„DFC DIALOG GmbH ist ein junges Unternehmen spezialisiert auf Dialogmarketing für Gewerkschaften. Wir entwickeln und realisieren Face-to-Face-Kampagnen zur Mitgliederwerbung. Unser Team besteht aus Experten im Dialogmarketing, im Face-to Face-Fundraising und in der Kommunikation für Organisationen, Verbände und Stiftungen. Auch als Arbeitgeber sind wir mit den Werten und Zielen der Gewerkschaften verbunden. Wir glauben an die Kraft des persönlichen Gesprächs und sind überzeugt, dass wir so die Arbeitswelt von morgen mitgestalten können“.

Unter „Unser Angebot“ heißt es dann:

Die Arbeit als Dialoger*in ist anspruchsvoll, intensiv und verlangt großen Einsatz – egal, ob es regnet, stürmt oder schneit oder die Sonne knallt! Dafür bieten wir dir auch was: 1. einen guten Vertrag, 2. ein gutes Grundgehalt, 3. leistungsbezogene Prämien on top und 4. gute Chancen auf einen überdurchschnittlichen Verdienst abhängig von deinem Engagement. Und das egal, ob du einen Studenten-, Reise- oder Nebenjob suchst.

Du bist:

  • reiselustig
  • kommunikativ
  • charmant
  • ein Teamplayer / eine Teamplayerin
  • UND EINFACH EINZIGARTIG!?

Dann passt du perfekt in unser Dialog-Team!

Deine Aufgabe:

Mit deinem Dialog-Team aus 3–5 Kolleg*innen bist du in verschiedenen Städten an belebten Plätzen (oder auch alternativ auf Messen) im Einsatz für die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft. Gut gelaunt, mit Humor und Leidenschaft sprichst du Passant*innen aktiv an und informierst über die aktuelle Arbeit von ver.di. Das Ziel: Viele neue Mitglieder für eine noch stärkere Gewerkschaft gewinnen!

Profi:

Du hast Erfahrung als Dialoger*in oder Teamleiter*in im Fundraising und suchst einen verlässlichen Arbeitgeber, der dir einen spannenden Job mit fairen Konditionen bietet? Dir ist es wichtig für eine gute Sache einzustehen und dein Geld mit sinnvoller Arbeit zu verdienen? Dann bist du bei uns richtig.

Nach deinen ersten 3 Einsatzwochen kannst du dir deine weiteren Einsätze wochenweise flexibel einteilen. Wir bieten dir ein gutes Grundgehalt, leistungsabhängige Prämien on top, bezahlte Schulungen und Nachschulungen. Ein Arbeitsvertrag mit gewerkschaftlich erstrittenen Rechten wie Urlaubsanspruch oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ist dir sicher. Du arbeitest fünf Tage die Woche, kannst reisen und Karrierechancen als Teamleiter*in und Coach sind möglich. Komm ins Team!“

Die geschäftsführende Gesellschafterin wird so vorgestellt:

„Antje Welp ist Herz und Hirn der DFC DIALOG GmbH und seit fast zwanzig Jahren in führenden Positionen im Profit- und Nonprofit-Bereich unterwegs. Beim Bund für Umwelt und Naturschutz e.V. entwickelte sie ihre Leidenschaft für wirklich gute Dialogwerbung. In sieben Jahren Bereichsleitung Marketing und Kommunikation bei Oxfam Deutschland e.V. hat sie Fundraising-Innovationen wie OxfamUnverpackt und Oxfam Trailwalker nach Deutschland gebracht. Natürlich nicht alleine! So ist auch Antjes Credo für die DFC DIALOG: If you want to go fast, go alone. If you want to go far, go together.“

Nach dem Motto, „wessen Brot ich esse, dessen Lied ich singe“ säuselt die Firma DFC Ihren Beschäftigten vor:

Als Dialoger/-in im Einsatz für ver.di arbeitest du für eine der größten Gewerkschaften in Deutschland. Du sorgst dafür, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – wie du auch – in Zukunft eine starke Stimme haben. So gestaltest du unsere und deine Arbeitswelt von morgen aktiv mit. Bei Tarifverhandlungen, mit politischen Kampagnen und in den Betrieben vor Ort – die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft setzt sich für mehr soziale Gerechtigkeit in unserem Land ein. ver.di vertritt Millionen Beschäftigte, streitet für gerechte Löhne und gute Arbeit. Viele Rechte, die wir heute für selbstverständlich halten, verdanken wir dem Kampf von ver.di und anderen Gewerkschaften“.

Da kam es in der Anfangszeit der Zusammenarbeit noch zu einigen Fauxpas wie diesem:

„ver.di lud Ende September zum 4. ordentlichen Bundeskongress nach Leipzig und wir waren live dabei! Neben vielen interessierten Kollegen/-innen, ver.di-Ehrenamtlichen und -Hauptamtlichen, hat uns auch der Vorstandsvorsitzende Frank Bsirske am Informationsstand besucht… Franz Bsirske in seiner Grundsatzrede: Nach nur wenigen Minuten erwähnte er uns als „Pioniere der Dialogwerbung“. Wow, das geht runter wie Öl! „

Aber so ganz gut kennen sie sich wohl nun doch nicht, die DFC und unser Franz oder ist sein Name nicht doch gleich Frank mit k? Und dass er Vorstandsvorsitzender und nicht Vorsitzender der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di ist, stimmt ja auch nicht – oder ist ver.di nun schon ver.di GmbH & Co. KGaA geworden, mit einem eingesetzten Vorsitzenden des Vorstands?

Solche Fehler passieren heut nicht mehr, da man gelernt hat, sich möglichst allgemein zu äußern, wie aktuelle Gespräche mit den jungen Menschen zeigen. Und den „Vorstandsvorsitzenden“ Bsirske gibt es auch nicht mehr.

Konkrete und aktuelle Bemühungen der Gewerkschaft, die Situation der Beschäftigten in der Pflege oder im Handel zu verbessern, haben sie nicht auf dem Schirm und sie müssen dann kleinlaut zugeben, eigentlich für die Mitgliederwerbung hier auf der Straße arbeiten zu müssen.

Grosses Kino!-1659.jpg

Machen bald Drückerkolonnen die Mitgliederwerbung?

Aufgrund der aktuell gemachten Beobachtungen kann man das Fragezeichen bei der Überschrift des Artikels weglassen und „machen bald“ durch „es machen“ ersetzen.

Ende Juli 2021 im italienischen Straßenkaffe beim besten Capucci der Stadt: Gegenüber dem Karstadthaus kann man beobachten, wie kurz nach 10 Uhr 5 junge Männer, in dem mit dem ver.di-Logo geschmückten Stand ihr gruppendynamisches Arbeitsbeginnritual abhalten. Hand in Hand im Stehkreis am runden Tisch werden gebetsartig Sätze rausgepresst, dann wird das Ganze mit einem lauten Urschrei und auf den Tisch klatschenden Händen beendet, um auszuschwärmen und Mitglieder für die Gewerkschaft zu werben.

Schon nach kurzer Zeit fällt auf, dass fast nur junge Mädchen von der Fußgängerzone zum ver.di-Stand begleitet und dort beraten werden. Dem Augenschein nach handelt es sich bei den Mädchen um Schülerinnen, die altersbedingt noch keine Berufsausbildung durchlaufen oder in einem Arbeitsverhältnis stehen. Ein Werber in der Fußgängerzone in seiner Jacke mit dem ver.di-Logo spricht einen 12- 13jährigen Jungen an, der aber aufgrund von geringen Kenntnissen der deutschen Sprache nicht weiß, was man von ihm will und schulterzuckend weiter geht. Dieser Werber wird zur Rede gestellt, um zu erfahren, warum man junge Menschen für eine Gewerkschaft als Mitglied gewinnen will, die noch gar nicht in einem Ausbildungs- oder Beschäftigungsverhältnis stehen. Der verdutzte Werber entschuldigt sich und will sich herausreden, indem er auf ein „Versehen“ hinweist. Das kann aber entkräftet werden, als er auf seine Werberkollegen hingewiesen wird, die weiter vorrangig Jugendliche ansprechen und zeigen, was derzeit bei der Mitgliederwerbung bei der Gewerkschaft abgeht.

Fakt ist: Bei ver.di wird Mitgliederwerbung mit Drückerkolonnenmethoden gemacht.

Quelle: DFC DIALOG GmbH

 https://www.gewerkschaftsforum.de/

Urheberrecht
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Grafikquellen :

Oben      —   Tag der Arbeit 1. Mai 2014 – Demonstration in Hamburg – Ver.di – Transparent: Mit Schirm, Charme und Herz: Gute Arbeit gemeinsam gestalten.

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Unten     —       Sonderausstellung „Grosses Kino!“ im Kölnischen Stadtmuseum Foto: Overstolz Bauchladen, Köln, 1950er Jahre, Leihgabe Wandel Antik, Markus Wildhagen

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»Gewerkschaftssozialismus«

Erstellt von DL-Redaktion am 4. August 2021

Oder warum manche linke Gewerkschafter gegen das Grundeinkommen sind.

http://www.archiv-grundeinkommen.de/material/pk/PK-6-finanzierbarL-v.jpg

Quelle:    Scharf  —  Links

Von Karl Reitter

Die Auseinandersetzung um politische Themen kann verschiedene Formen annehmen. Es können Argumente und Gegenargumente ausgetauscht werden, wobei jede Seite hofft, die besseren und treffenderen zu haben. Es kann aber auch die Frage gestellt werden, warum bestimmte Gruppen so hartnäckig bestimmte Positionen vertreten. Es kann also auch darum gehen, die Anderen zu verstehen und deren Auffassungen nachzuvollziehen. Dieser kleine Text ist Resultat einer online Diskussion, die ich mit einem Mitglied der deutschen Linkspartei und Gewerkschaftsfunktionär zum Thema Grundeinkommen führen konnte. Warum in aller Welt, fragte ich mich, ist dieser Gewerkschafter so vehement gegen das Grundeinkommen? Was löst diese unduldsame Ablehnung aus? Wer materialistisch denkt weiß, Argumente fallen nicht vom Himmel, sie reflektieren die gesellschaftliche Position der jeweiligen SprecherInnen. Ich habe also versucht, mich in den politischen Alltag einesGewerkschaftsfunktionärs hineinzudenken, um die Antwort auf die gestellten Fragen zu finden.

Gewerkschaftsfunktionäre sind permanent mit direkten VertreterInnen des Kapitals konfrontiert, sei es auf betrieblicher Ebene, sei es auf der Branchenebene. Es geht um Lohnhöhen, Arbeitszeitregelungen, betriebliche Sozialleistungen, es geht darum, Kündigungen zu verhindern oder für die Betroffenen erträglich zu machen. Dann geht es auch um Vergünstigungen für die Belegschaft, um den günstigen Betriebsratskredit und um die verbilligte Kur im Gewerkschaftsheim. Da sie immer wieder Aug‘ in Aug‘ mit VertreterInnen des Kapitals am Verhandlungstisch sitzen, muss es so scheinen, als wären sie an der unmittelbaren Front des Klassenkampfes engagiert. In ihren Händen läge also das materielle Schicksal der Klasse. Sie wissen um das Machbare, um die Möglichkeiten und die Grenzen bei Verhandlungen. Wie soll in diesen Auseinandersetzungen das Grundeinkommen Thema sein? Welche Funktion hat die Forderung nach dem Grundeinkommen, wenn etwa darüber verhandelt wird, ob es nur eine prozentuelle Lohnerhöhungen oder zugleich um eine Mindesterhöhung geht – keine.

Aber füllen Lohnverhandlungen tatsächlich das Zentrum des Klassenkampfes aus? Überlegen wir: In der rauen Wirklichkeit der kapitalistischen Verhältnisse vertreten Gewerkschaftsfunktionäre angesichts der neoliberalen Umwälzungen der Arbeitswelt immer nur kleine und sehr kleine Teile der Klasse. Die prekär Beschäftigten, die Scheinselbstständigen, die modernen StücklohnarbeiterInnen, die Erwerbsarbeitslosen, die in Ausbildung Befindlichen, die SaisonarbeiterInnen, die LeiharbeiterInnen und nicht zuletzt die halblegal und illegal Beschäftigten, mithin die Mehrheit der Klasse, wird durch diese je spezifischen Verhandlungen nicht oder nur teilweise erfasst. Auf betrieblicher Ebene funktioniert gewerkschaftliche Vertretung in Mittel- und Großbetrieben in vielen Branchen noch ganz gut, in Klein- und Kleinstbetrieben sieht die Welt ganz anders aus. Auch in den großen Betrieben bewirken die rechtlich unterschiedlichen Arbeitsverträge (Angestellte vs. ArbeiterInnen, LeiharbeiterInnen vs. Stammbelegschaft usw.), dass Verhandlungen kaum alle Lohnabhängigen gleichermaßen betreffen. Natürlich wissen das die Gewerkschaftsfunktionäre, nur welche Konsequenzen soll man schon daraus ziehen, wenn man etwa Verhandlungen mit VertreterInnen der chemischen Industrie zu führen hat? Unmittelbar erstmals keine.

Schwerwiegender als die Tatsache, dass in gewerkschaftlichen Verhandlungen niemals die gesamte Klasse eingebunden sein kann, wirkt der Umstand, dass sich offenbar in den Augen der Funktionäre der »eigentliche« Klassenkampf auf die von der Gewerkschaft abgedeckten Themen zusammenzieht. Bei aller Kritik an Lenin, die Limitationen des »trade-unionistischen« (gewerkschaftlichen) Bewusstseins hat er korrekt erkannt. Klassenkampf umfasst selbstredend weit mehr als die Auseinandersetzung um Löhne und Arbeitszeiten, genau genommen kann kein Bereich des sozialen Daseins ausgeklammert werden. Vor allem kann der gewerkschaftliche Kampf die »Elementarform Ware« (Marx) nicht thematisieren, sondern setzt diese als gegeben voraus. Was meint diese Aussage? Die kapitalistische Produktionsweise beruht darauf, alles zur Ware zu machen. Zwei Warenmärkte sind aus der Perspektive der ArbeiterInnenklasse besonders prekär und grauslich: Der Wohnungsmarkt und der Arbeitsmarkt. Gegen den entgrenzten Wohnungsmarkt gibt es zahlreiche politische Initiativen, auch die KPÖ hat eine solche gestartet. Gegen das entgrenzte zur Ware-Werden der Arbeitskraft weist das Grundeinkommen die Perspektive. Warum reagieren linke Gewerkschaftsfunktionäre so unterschiedlich auf beide Orientierungen, die sich unmittelbar gegen den Warenstatus richten? Nun, die Kosten für den Wohnraum sind Ausgaben, das fällt sozusagen nicht in die Kompetenz der Gewerkschaften. Ein Grundeinkommen ist hingegen wie der Arbeitslohn eine Einnahme. Für die angemessenen Einkünfte der (arbeitsfähigen) Massen hält sich jedoch die Gewerkschaft für zuständig. Mögen viele linke Gewerkschaftsfunktionäre den Wohnungskämpfen mit Sympathie gegenüberstehen, das Grundeinkommen dringt sozusagen in ihr Revier ein. Für Einkünfte der Massen seien sie und sonst niemand zuständig.

File:Grundeinkommen statt Existenzangst BGE Berlin 2013.jpg

Basierend auf diese Kompetenzzuschreibung und der Vorstellung, im Zentrum der Klassenauseinandersetzung zu stehen – denn was sei schon elementarer als Löhne und Arbeitsbedingungen? – kann eine Perspektive erwachsen, die ich »Gewerkschaftssozialismus« nennen möchte. Versetzen wir uns nochmals in die Situation der Verhandlungen und der Konflikte mit den VertreterInnen des Kapitals. Da werden gute Löhne gefordert, da wird um Arbeitszeitverkürzung gestritten und es werden Sozialleistungen angemahnt; das Kapital verweigert, sabotiert, droht mit Abwanderung und Betriebsschließungen. Da muss doch der Wunsch entstehen, diese andere Kapitalseite gäbe es gar nicht mehr, das Kapital sei endlich entmachtet. Der Klassengegner könnte nicht mehr am Verhandlungstisch sitzen, da er enteignet und somit machtlos wäre. Das Eigentum an Produktionsmittel sei in der Hand des Staates, nun könnten all jene Forderungen, um die man seit Jahren oftmals vergeblich ringt, endlich verwirklicht werden. Endlich gute Löhne wirklich für alle, endliche verkürzte Arbeitszeit, endlich eine breite Palette von Sozialleistungen und statt Mitbestimmung in homöopathischen Dosen wirkliche Betriebsdemokratie. Die gewerkschaftlichen Forderungen werden zu einem umfassenden Gesellschaftsentwurf entgrenzt und mit Sozialismus identifiziert. Welche Funktion soll das Grundeinkommen in diesem »Gewerkschaftssozialismus« erfüllen? Wahrscheinlich wäre es zielführender mit alle jenen, die meinen, im Kapitalismus sei das Grundeinkommen eine Illusion und im Sozialismus überflüssig, nicht über das Grundeinkommen, sondern über ihr Sozialismusverständnis als gute Arbeitsgesellschaft für alle zu diskutieren.

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Grafikquellen :

Oben      —      Es liegt kein Copyright auf den BGE-Motiven. Motive und Dateien stehen unter der CC-Lizenz. Sie dürfen beliebig kopiert und verbreitet werden.

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Oben       —       Mehr als 2.000 Teilnehmer demonstrieren für ein Bedingungsloses Grundeinkommen auf der BGE-Demonstration am 14. September 2013 in Berlin

Basic Income Demonstration in Berlin

Author stanjourdan from Paris, France
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Und es gab ihn doch –

Erstellt von DL-Redaktion am 25. Juli 2021

den politischen Streik in der BRD –
„Zeitungsstreik“ der IG Druck und Papier im Mai 1952

Quelle:    Scharf  —  Links

Von Gewerkschaftsforum Dortmund

Der DGB hatte schon im Sommer 1951, angesichts der unnachgiebigen Haltung der Adenauerregierung gegenüber den Neuordnungsforderungen der Gewerkschaften die Mitarbeit in den wirtschaftspolitischen Gremien der BRD eingestellt, sich konfliktbereit gezeigt und drohte der Bundesregierung, seine Mitglieder zu gewerkschaftlichen Kampfmaßnahmen aufzurufen.

Im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen stand die Ausdehnung der paritätischen Mitbestimmung auf die gesamte Wirtschaft, was vehement von den Unternehmerverbänden und den Regierungsparteien, der CDU/CSU und der extrem kapitalorientierten FDP verweigert wurde.

Doch nach der Demonstration gewerkschaftlicher Kampfbereitschaft und -fähigkeit in den Auseinandersetzungen um die Montanmitbestimmung war es für die Gewerkschaft klar, dass es nur durch harte und offene Konflikte zwischen der Arbeiterbewegung und der reaktionären teils offen faschistischen Kräften eine Restauration der Machtverhältnisse zu verhindern war.

Gegen den Protest der Gewerkschaften, der SPD und der KPD wurde im Juli 1952 der Entwurf des Betriebsverfassungsgesetzes durch den Bundestag gepeitscht.

Für die Gewerkschaften bedeutete das einen schweren Rückschlag für die gewerkschaftliche Neuordnungspolitik. Für sie war das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) kein Ersatz für ein einheitliches Arbeitsgesetzbuch und sie sahen mit dem parlamentarischen Vorstoß die Gefahr der Trennung von Gewerkschaften und Betriebsräten, die ja auch bis heute in der Spaltung von innerbetrieblichen Organen und den Gewerkschaften außerhalb der Betriebe sichtbar ist.

Entwurf des Betriebsverfassungsgesetzes

Der Anlass des Streiks von 1952 war der Entwurf des Betriebsverfassungsgesetzes, das das Kontrollratsgesetz Nr. 22 ablösen sollte. Die Gewerkschaften stützten sich in ihren Forderungen vor allem auf das Betriebsrätegesetz von 1920 sowie auf fortschrittliche Regelungen, die in Länderverfassungen bzw. in Landesgesetzen bereits erreicht waren. Im Mittelpunkt stand dabei die Ausdehnung der paritätischen Mitbestimmung auf die gesamte Wirtschaft.

Neben der Verweigerung der paritätischen Mitbestimmung in den Aufsichtsräten stießen besonders die folgenden Bestimmungen auf die Kritik der Gewerkschaften:

  • Das Gesetz beschränkte sich auf die gewerbliche Wirtschaft und klammerte im Gegensatz zum Kontrollratsgesetz (KRG) Nr. 22 sowie den Betriebsrätegesetzen der Länder den öffentlichen Dienst aus.
  • Das Gesetz trennte Betriebsräte und Gewerkschaften; letztere konnten nicht einmal einen eigenen Wahlvorschlag einreichen, ihr Zutrittsrecht zum Betrieb blieb zweifelhaft.
  • Das Gesetz stellte die gesamte Betriebsratstätigkeit unter das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber. Nach §49 Abs. 1 hatten beide dem „Wohl des Betriebs und seiner Arbeitnehmer zu dienen und das Gemeinwohl zu berücksichtigen“. Über das Betriebsrätegesetz 1920 hinaus war dem Betriebsrat nicht nur jede Förderung von Arbeitskämpfen untersagt; er musste vielmehr alles unterlassen, „was geeignet“ war, „die Arbeit und den Frieden des Betriebes zu gefährden“ und sich jeder politischen Betätigung enthalten.
  • Die Mitbestimmungsrechte gingen zwar über den ursprünglichen Regierungsentwurf hinaus, doch beschränkten sie sich praktisch auf die in §56 aufgeführten sozialen Angelegenheiten.
  • Viele Gewerkschafter sahen auch deshalb kritisch auf die Institution Betriebsräte, weil sie die Versuche der Adenauerregierung zur rechtlichen Instrumentalisierung und damit der Entpolitisierung der Gewerkschaften erkannten. Für sie war das Betriebsverfassungsgesetz kein Ersatz für ein einheitliches Arbeitsgesetzbuch, das es bis heute noch nicht gibt. Auch sahen sie mit dem parlamentarischen Vorstoß die Gefahr der Trennung von Gewerkschaften und Betriebsräten, die ja auch bis heute in der Spaltung von betrieblichen Organen und den Gewerkschaften außerhalb der Betriebe sichtbar ist.

Streiks 1952

Als sich dann im Frühjahr 1952 eine schnelle Verabschiedung des Gesetzes abzeichnete, teilte der DGB-Vorsitzende dem Bundeskanzler mit, dass der DGB seine Mitglieder zu gewerkschaftlichen Kampfmaßnahmen aufrufen wird.

Die Gewerkschaften wollten mit den Streiks demonstrieren, dass sie auch Möglichkeiten haben, um Verhandlungen zu erzwingen.

Der Aktionsaufruf mobilisierte rund 350.000 Beschäftigte in allen Teilen der BRD, es fanden Protestkundgebungen, Demonstrationen und Warnstreiks statt. Ein wichtiger Höhepunkt war die Arbeitsniederlegung in allen Zeitungsbetrieben Ende Mai 1952 der IG Druck und Papier.

Das war nicht nur Wasser auf die antigewerkschaftlichen Mühlen, man drohte gar, die Gewerkschaftsführer strafrechtlich zu verfolgen.

Diese Vorgehensweise gehörte aber auch zum Ziel von Bundeskanzler Adenauer, die Gewerkschaften taktisch auszumanövrieren, indem er versuchte, Zeit zu gewinnen und einen Abbruch der gewerkschaftlichen Kampfmaßnahmen zu erreichen. Die DGB-Führung spielte ihm dabei in die Hände, als sie Anfang Juni – im Hinblick auf die bevorstehenden Verhandlungen – die Einstellung aller außerparlamentarischen Aktionen beschloss.

Nach dem politischen Zeitungsstreik vom Mai 1952 reichten die Arbeitgeber sofort Schadensersatzklagen gegen die Gewerkschaften ein. Dabei ging es ihnen gar nicht so sehr um den Schadensersatz, sondern bei den Urteilen stand die Frage nach den Grenzen des Streikrechts, also auch die Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen des in Art. 9 (3) des Grundgesetzes garantierten Koalitionsrechts, im Vordergrund.

Zwei Monate später äußerten die Unternehmer für das BetrVG ihre begeisterte Zustimmung. Das war klar, denn für die Beurteilung dieses Gesetztes durch die Arbeitgeber war das Wichtigste die Tatsache, dass ihnen die Grundelemente der unternehmerischen Wirtschaft erhalten geblieben sind: Die Entscheidungsfreiheit des Unternehmers über die wirtschaftliche Führung seines Betriebes und die Freiheit unternehmerischer Initiative wurde ihnen doch nur „amtlich“ zugesprochen.

Arbeitsgerichte machen Politik

Nachdem mehrere Landesarbeitsgerichte den Ausstand der IG Druck und Papier für „ungesetzlich und sittenwidrig“ erklärt hatten, befasste sich schließlich das Bundesarbeitsgericht mit dem Fall.

Die Arbeitsgerichte übernahmen damals die Auffassung der konservativen bzw. der als Nazi-Ideologen geltenden Rechtswissenschaftler, die den politischen Streik generell als „Gefährdung des Staates in der Autonomie seiner Willensbildung“ bezeichneten. Die das Streikrecht nur unter der Voraussetzung zugestehen wollten, dass der Arbeitskampf „sozial-adäquat“ sei. Konkret hieß das, dass der Streik als Auseinandersetzung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern auf die Regelung der „Arbeitsbedingungen“ durch „privatrechtlich-arbeitsrechtliche Vereinbarungen“ beschränkt sein musste.

Die Zitate stammen von Carl Nipperdey, dem späteren Vorsitzenden des Bundesarbeitsgerichts und früheren Nazi-Rechtsideologen.

Als Jurist an der „Akademie für Deutsches Recht“ im Nationalsozialismus verdiente er erste wissenschaftliche Sporen im Kampf gegen die Selbstorganisation der Arbeiter. 1937 veröffentlichte die Fachzeitschrift „Deutsches Arbeitsrecht“ einen Aufsatz von ihm unter dem Titel „Die Pflicht des Gefolgsmanns zur Arbeitsleistung“.

Nach dem deutschen Faschismus verfasste Carl Nipperdey ein Gutachten, das Streiks nur im Rahmen von Tarifforderungen für zulässig erklärte und schuf damit jenes deutsche Sonderrecht, das als Verbot von politischen Streiks bekannt ist.

Arbeitskämpfe als ultima ratio

Als Vorsitzender Richter des Bundesarbeitsgerichts schrieb Nipperdey dann 1958 die in dem Gutachten festgelegten Grundsätze gegen den von der IG Metall ausgerufenen Streik zum Kampf für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall fest. Er erklärte den Streik für ungesetzlich und verurteilte die Gewerkschaft, Schadensersatz in Höhe von 38 Millionen Mark an die bestreikten Unternehmer zu zahlen.

Als Paket, zusammengesetzt aus der wirtschaftsfriedlichen Anbindung der Betriebsräte und ihrer Abtrennung von den Gewerkschaften durch das BetrVG, war es das Arbeitsrecht selbst, das den gewerkschaftliche Handlungsspielraum beträchtlich eingeschränkte. In einer der ersten Grundsatzentscheidungen des neuen BAG am 28.1.1955 mit der Vorsitzenden Nipperdey zum Streikrecht hieß es: „Arbeitskämpfe (Streik und Aussperrung) sind in bestimmten Grenzen erlaubt, sie sind in der freiheitlichen sozialen Grundordnung der Deutschen Bundesrepublik zugelassen. Unterbrechungen der betrieblichen Arbeitstätigkeit durch einen solchen Arbeitskampf sind sozialadäquat, da die beteiligten Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit solchen Kampfweisen Störungen auf Veranlassung und unter Leitung der Sozialpartner von jeher rechnen müssen und die deutsche freiheitliche Rechtsordnung derartige Arbeitskämpfe als ultima ratio anerkennt“.

Im Jahr 1952 hatten die DGB-Gewerkschaften mit dem Zeitungsstreik keineswegs eine revolutionäre Umgestaltung der Gesellschaft im Sinn. Sie wollten lediglich demonstrieren, dass sie durchaus Druckmittel hatten, um ihren Platz als Sozial- und Mitbestimmungspartner durchzusetzen und damit Verhandlungen erzwingen zu können.

Entscheidend waren vielmehr die Rechtsgutachten im Anschluss an diesen Streik. Ihnen haben wir die Sonderstellung des „politischen Streiks“ in der Bundesrepublik zu verdanken.

Während in anderen europäischen Ländern das Streikrecht ohne Unterschiede besteht, gilt in Deutschland ein Streik, der nicht durch Tarifforderungen begründet wird, als unzulässig. Nicht aufgrund eines im Gesetzeswerk zusammengefassten Rechts, sondern aufgrund der Interpretation des Bundesarbeitsgerichts. Das war in der damaligen Zeit noch überwiegend besetzt mit „Rechtsgelehrten“, die sich ihre „Verdienste“ schon im deutschen Faschismus erworben hatten.

Europäische Sozialcharta (ESC)

Ein Hoffnungsschimmer gab und gibt es immer noch. Das Ministerkomitee des Europarats hatte bereits 1998 die BRD dafür gerügt, dass bei uns nichtgewerkschaftliche und politische Streiks rechtswidrig seien.

Dem folgte das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2002, als es erstmals die generalisierende Grundaussage, dass Streiks nur zu Durchführung tarifvertraglich regelbarer Ziele zulässig seien, relativierte.

Es brachte die Europäische Sozialcharta (ESC) ins Spiel, insbesondere den Artikel 6 Nr. 4 ESC: Das Recht auf Kollektivverhandlungen: „Um die wirksame Ausübung des Rechts auf Kollektivverhandlungen zu gewährleisten, verpflichten sich die Vertragsparteien…: 4. das Recht der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber auf kollektive Maßnahmen einschließlich des Streikrechts im Fall von Interessenkonflikten, vorbehaltlich etwaiger Verpflichtungen aus geltenden Gesamtarbeitsverträgen“.

Das ESC kennt kein gewerkschaftliches Streikmonopol und ebenso keine Beschränkung des Streiks auf tarifliche regelbare Ziele.

Die Einhegung des Streikrechts durch das Bundesarbeitsgericht war und ist interessengerichtet, historisch falsch und rechtlich nicht haltbar.

Quellen: schattenblick.de, W. Däubler, Spiegel, BAG, 
„der Arbeitgeber“7.1952, IG Medien, 
F. Deppe/G. Fülberth/J. Harrer/Geschichte der deutschen Gewerkschaftsbewegung
https://www.gewerkschaftsforum.de 

Urheberecht
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Grafikquellen      :

Oben        —   Streik Gemälde von Mihály von Munkácsy, 1895

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Die falsche Freiheit

Erstellt von DL-Redaktion am 13. Juli 2021

Ausbeutung bei Lieferdiensten

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Von Yannik Haan

Digitale Lieferdienste stehen für ein Arbeitsprinzip, das sich immer mehr ausbreitet. Die Auftragsvergabe durch Algorithmen macht die Menschen einsam.

Dieser Text muss mit einem Eingeständnis beginnen: Die Missstände, die ich beklage, wurden auch durch mich herbeigeführt. Ich war bislang nicht Teil der Lösung, sondern eher des Problems: Lieferdienste für Essen oder Lebensmittellieferungen innerhalb von zehn Minuten – Apps, die mir diese Dienste ermöglichen, sind auch auf meinem Handy installiert. Wenn ich Sonntagabend auf dem Sofa liege und zu faul zum Kochen bin, bestelle ich schon mal Essen. Statt noch mal zum Supermarkt zu gehen, lasse ich mir die Lebensmittel liefern.

Damit bin ich in meiner Generation nicht allein. Wir sind es gewöhnt, eine Vielzahl an digitalen Dienstleistungen rund um die Uhr zur Verfügung zu haben. Nur die wenigsten fragen sich dabei, was das eigentlich mit unserer Gesellschaft macht.

In letzter Zeit wurde oft über die schlechten Arbeitsbedingungen der Ku­rier­fah­re­r*in­nen diskutiert. Beim Lebensmittellieferdienst Gorillas streiken die Fah­re­r*in­nen mittlerweile fast täglich. Der Versuch der Gründung eines Betriebsrats wurde von der Geschäftsführung torpediert. Ein Schema, das man bereits von anderen digitalen Unternehmen kennt: Ar­beit­neh­me­r*in­nen­rech­te werden dort möglichst schnell und effektiv bekämpft.

Doch hinter diesen Konflikten steckt mehr als nur der klassische Arbeitskampf: Es geht um ein neues Prinzip des Wirtschaftens. Die schlechte Behandlung der Ar­beit­neh­me­r*in­nen ist nicht der singuläre Ausfall einer Geschäftsführung. Es ist ein neues digitales Arbeitssystem, das hier installiert wird und das sich auf immer neue Bereiche der Wirtschaft ausdehnen wird, wenn wir nicht schnell reagieren.

Bewusst herbeigeführte Einsamkeit

Nun ist die Ausbeutung der Ar­beit­neh­me­r*in­nen kein neues Phänomen. Sie ist so alt wie der Kapitalismus selbst. Heute haben sich allerdings einige Grundpfeiler verschoben. Im digitalen Kapitalismus sind der Markt und das Unternehmen oft identisch. Nehmen wir etwa Amazon: Hier werden die Kun­d*in­nen systematisch an proprietäre Märkte gebunden. Während es im Fordismus um die effiziente Nutzung von Arbeitskraft ging, geht es in der digitalen Wirtschaft darum, selbst der Markt zu sein.

Galeria Mokotow ext 2020-06-10.jpg

Das erklärt auch die unfassbaren Summen, die diesen jungen Unternehmen zur Verfügung stehen. Gorillas wurde zuletzt mit über einer Milliarde Euro bewertet. Entsteht ein neuer Markt, wird dort viel Geld hinein gepumpt, damit das Unternehmen sehr schnell selbst zum Markt wird. Aggressivität lässt dabei den Shareholder Value steigen. Frei nach dem früheren Facebook- Motto: „Beweg dich schnell und mach Sachen kaputt“.

Doch im Digitalen haben sich auch die Arbeitsbedingungen verändert. Die Lieferdienste bieten erstmals vollständig per Algorithmus gesteuerte Jobs an. Die Fah­re­r*in­nen melden sich in der App an, der Algorithmus erteilt die Aufträge – die Entmenschlichung der Arbeitswelt. Während auf den Werbeprospekten mit Worten wie „Team“ und „Community“ geworben wird, bieten diese Unternehmen vor allem eins: Einsamkeit.

Eine Einsamkeit, die sehr bewusst herbeigeführt wird. Alles, was Gemeinsamkeit schafft, alles, wo Menschen zusammenkommen, erzeugt Reibung. Und Reibung ist Sand im Getriebe der digitalen Lieferdienste. Konzerne versuchen so, eine in Gänze singularisierte Arbeitsumgebung zu schaffen. Ein Mitspracherecht gibt es in diesem System nicht mehr – mit Algorithmen lässt sich auch schwer diskutieren. Nichts stört die Effektivität und den Gewinn des Unternehmens.

Soziale Marktwirtschaft geht anders

Die Steuerung von Ar­beit­neh­me­r:in­nen per Algorithmus ist ein Prinzip, das sich immer tiefer in unsere Arbeitswelt einschleicht; die Lieferdienste sind nur die Speerspitze dieser neuen Bewegung. Viele Bank­be­ra­te­r*in­nen füttern den Algorithmus nur noch mit Daten. Selbst die Polizei wird in einigen Ländern mittlerweile vom Algorithmus gesteuert, indem dieser sagt, wo in der Stadt es sich lohnt, hinzufahren.

Quelle           :        TAZ -online          >>>>>         weiterlesen

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Oben     —    Carril bici al Jardí del Túria

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LINKE unter Druck :

Erstellt von DL-Redaktion am 30. Juni 2021

Linker Flügel vor Herausforderungen

Afghanistan-Demonstration.jpg

Gegen Krieg und Militär

Quelle:    Scharf  —  Links

Von Sebastian Rave, Parteitagsdelegierter aus Bremen, www.sozialismus.info

DIE LINKE ist die einzige Partei, die sich mit den Reichen anlegen will. Das hat sie auf dem Programmparteitag bestätigt, wo ein Programm mit sozialistischem Anspruch beschlossen wurde: „System Change“ gegen den Klimawandel, Besteuerung von Reichtum, höhere Löhne und bessere Sozialleistungen. Aber es ist nicht alles Gold was glänzt. Der Streit mit Wagenknecht und Lafontaine stellt DIE LINKE weiterhin vor Probleme. Diese hatten die Partei teils heftig kritisiert – aber leider nicht von links. DieserKonflikt ist nicht vorbei, und könnte nach der Bundestagswahl noch böse enden, wenn die „Linkskonservativen“ beschließen sollten, ihren eigenen Laden aufzumachen. Eine noch bedeutendere Auseinandersetzung darf angesichts dessen aber nicht nicht in den Hintergrund treten: Die um den Charakter der Partei als Oppositionspartei zum System.

Die neue Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow wirkte ein wenig hilflos, als sie den Genoss*innen, die sich angesichts schlechter Umfragewerte und Streitereien in der Partei „Sorgen machen“ zurief, sie sollten „mit dem Herzen sehen“. Ein eingebildetes „progressives Lager“ aus SPD, Grünen und der LINKEN sah sie „unter Beschuss“ und warnte vor Sozialabbau unter der CDU (beinahe so, als hätte es unter Rot-Grün noch nie Angriffe auf den Sozialstaat gegeben). Simon Aulepp, Delegierter aus Kassel und Mitglied der SAV, gab in der Generaldebatte die richtige Antwort: „DIE LINKE braucht keine warme Politik der Herzen, sondern eine Politik der geballten Faust!“. Lukas Eitel aus Erlangen ergänzte, dass das Programm der LINKEN nicht mit SPD und Grünen, und auch nicht mit dem Kapitalismus zu vereinbaren wäre.

Linkes Wahlprogramm teilweise entschärft

Der Programmentwurf wurde mit über 1000 Änderungsanträgen teilweise nach links verschoben, viele gute Anträge, die der Parteivorstand nicht übernommen hatte, kamen aber bei den Delegierten nicht durch. Nicht durchsetzen konnten sich Kritiker*innen des neuen Steuerprogramms von Axel Troost und Fabio De Masi, das eine Rechtsverschiebung bedeutet: Statt einer Vermögenssteuer von 5% auf Vermögen ab einer Million möchte DIE LINKE in Zukunft nur noch 1% Vermögenssteuer bis 50 Millionen Vermögen, erst ab da sollen die Superreichen 5% zahlen. Weniger Aufmerksamkeit verdient, aber mehr bekommen, hatte der Antrag nach der Abschaffung der Schaumweinsteuer, die 1902 zur Finanzierung der kaiserlichen Kriegsflotte eingeführt wurde. Gemeinsam mit dem angenommenen Antrag für einen Urlaubsanspruch von 36 Tagen ein gefundenes Fressen für die Bildzeitung und die Kritiker*innen der „Lifestyle-Linken“, tatsächlich wird aber in der Arbeiter*innenklasse niemand etwas gegen billigeren Sekt und mehr Urlaub einwenden.

Sehr viele der guten Änderungsanträge wurden blockweise behandelt – bzw. meistens nicht behandelt und damit abgelehnt. Leider waren darunter auch Anträge, die deutlich gemacht hätten, dass die Klimakatastrophe nur mit einem „System Change“ in Richtung einer sozialistischen Ökonomie bekämpft werden kann. Ein Grund für die Nichtbehandlung vieler Anträge war (neben einem teilweise unerträglich parteiischen Präsidium) sicherlich Zeitmangel, ein anderer aber auch der Wille von Delegierten, vor der Wahl Geschlossenheit auszustrahlen. Dabei nützt die parteiinterne Ruhe vor allem denen, deren anpasslerischer Kurs zum „Abbau Ost“ geführt hat. Die für DIE LINKE bitter verlaufene Landtagswahl in Sachsen-Anhalt (-5 Prozentpunkte) ist ein schlechtes Omen für das, was da noch kommt. Im Osten gibt sich die Partei mehrheitlich als besonders staatstragend und hat jeden Nimbus der Protestpartei vollständig abgelegt.

Anpassungskurs stoppen

Dietmar Bartsch, der wie kaum jemand anders für diesen Kurs steht, hatte in seiner Abschlussrede dann auch dazu aufgerufen, interne Auseinandersetzungen sein zu lassen: „Wir brauchen jetzt Disziplin und Geschlossenheit!“ Die Mahnung schien an Wagenknecht adressiert zu sein, die mit ihren Angriffen auf die Partei den Unmut vieler Mitglieder auf sich gezogen hatte. Aber sie galt genauso jenen, die seit Jahren davor warnen, dass die Orientierung auf die Regierungsbank in die Bedeutungslosigkeit führt. Die Wagenknechtanhänger*innen auf dem Parteitag größtenteils unsichtbar waren und den Kampf um die Partei scheinbar schon aufgegeben haben, kämpften vor allem Mitglieder der Antikapitalistischen Linken (AKL) um einen anderen Kurs – größtenteils vergeblich. Wagenknecht, Lafontaine und ihrer linkskonservativen Anhängerschaft ist es zuzutrauen, nach der Bundestagswahl aus der Partei auszutreten und mit den mitgenommenen Mandaten ein eigenes politisches Projekt zu gründen, was mangels einer Basis zwar eine Totgeburt wäre, dem Projekt DIE LINKE aber massiv schaden würde. Die Parteilinke darf angesichts dessen aber nicht in Schreckstarre verfallen.

Die Diskussion um den Charakter der Partei wird weitergehen. Vielen Mitgliedern wird es einleuchten, dass die großen klärenden Auseinandersetzungen zu einem anderen Zeitpunkt als im Wahlkampf geführt werden müssen. Die Frage ist aber auch, mit welchen Inhalten der Wahlkampf geführt wird. Es bleibt zu befürchten, dass das Spitzenpersonal mit der ständigen (und nirgends demokratisch beschlossenen) Anbiederei an SPD und Grüne das beschlossene Programm in den Hintergrund und im Endeffekt jedes Alleinstellungsmerkmal der LINKEN infrage stellt. Der Hauptgegner der LINKEN ist eben nicht nur die CDU, wie Bartsch es ständig wiederholt, sobald ein Mikrofon in der Nähe seines Gesichts auftaucht. Der Hauptgegner sind alle Parteien, die in der Regierung Sozialabbau betreiben, Militarismus vorantreiben, und den Kapitalismus verteidigen.

Gegen Schmarotzer der Arbeiter

Parteilinke gefragt

Der linke Flügel in der LINKEN muss einen Klärungsprozess beginnen. Natürlich braucht es klare Kante gegen die linkskonservativen Irrungen von Wagenknecht und ihren Anhänger*innen, aber ebenso braucht es klare Kante gegen die Rechtsreformist*innen, denen die Regierungsbeteiligung alles ist, das Programm aber nichts. Teile der Bewegungslinken (BL), der mittlerweile stärksten Strömung der Partei, wollen einen Kampf darum führen, die Partei mehr in den Bewegungen statt nur auf den Regierungsbänken zu verankern. Andere in der BL leisten der Bewegungsorientierung der Partei aber einen Bärendienst. Ausgerechnet einer der prominentesten Vertreter der BL, Ate? Gürp?nar, stellvertretender Parteivorsitzender, hielt die Gegenrede zu zwei wichtigen Anträgen der AKL: In der Präambel für die Herstellung eines Bezugs zum Volksbegehren zur Enteignung von Mietkonzernen und dessen Verbindung mit der Forderung, die Schlüsselindustrien und Betriebe zur Daseinsvorsorge zu verstaatlichen, und im Schlusskapitel für einen Absatz, der festgestellt hätte, dass Opposition eine wichtige Aufgabe der LINKEN ist und kein „Mist“. Den Delegierten der Bewegungslinken wurde mit den Gegenreden klar signalisiert, dass sie auf Kurs der Parteivorstandsmehrheit bleiben sollen. Ein Kurs, der auf die Regierungsbeteiligung zusteuert – und damit das Ende der wichtigsten Oppositionspartei als solche einläuten würde. Es ist noch nicht zu spät, das Ruder herumzureißen. Die Parteilinke gemeinsam mit vielen neuen, jungen und bewegungsorientierten Mitgliedern hätte dazu die Macht.

https://www.sozialismus.info/2021/06/linke-unter-druck-innerparteiliche-opposition-vor-herausforderungen/?fbclid=IwAR0yt1P7UguxrKBw5YfdgF2SzT8YdOIDXqwtGRs8lZ4Cs-y-S1IZT_-MO_8

Urheberecht
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Oben        —     Paul Schäfer</a> (r) mit Willi van Ooyen (l) auf der Demonstration gegen den Bundeswehreinsatz in Afghanistan, Berlin, 15. 9. 2007

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Eine Werft nach Corona

Erstellt von DL-Redaktion am 15. Juni 2021

Mehr Arbeit und weniger Jobs bei der Meyer Werft

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Von Harff-Peter Schönherr

Deutschlands größter Schiffbauer war einst eine Macht im Emsland. Doch dann kam Corona, Entlassungen drohen. Das spezielle Agieren der Chefs sorgt nun richtig für Ärger.

Auf Nico Bloem lastet viel Druck dieser Tage. „Was hier abgeht, ist verrückt“, sagt der Betriebsratsvorsitzende der Papenburger Meyer Werft. „Die Geschäftsleitung bricht alle Regeln.“ Bloem ist Emsländer, SPD-Mitglied, IG-Metaller, gerade 26 Jahre alt – und schon im Zentrum eines brutalen Arbeitskampfs bei Deutschlands größtem Schiffsbaubetrieb. Am Montag vergangener Woche redete er vor 1.800 empörten Mitarbeitern auf einem Parkplatz, an seiner Seite Thomas Gelder, Geschäftsführer der IG Metall Leer-Papenburg. „Das war überwältigend!“, sagt Bloem. „Die Belegschaft hat sich sehr klar hinter uns gestellt.“

Zuvor hatte die Geschäftsleitung die Stammbelegschaft in einer Online-Umfrage vor die Wahl gestellt, ob in Papenburg mehr als 1.000 Arbeitsplätze wegfallen sollen oder nur 660. 1.446 Mitarbeiter entschieden sich für 660, nahmen aber dafür in Kauf, dass die Verbleibenden pro Jahr 200 unbezahlte Überstunden leisten, weit über fünf Wochen Arbeit.

Das Votum spiegele „mehrheitlich den Willen der Belegschaft“ wider, sagt nun Geschäftsführer Jan Meyer: Mit 1.557 Mitarbeitern hatte allerdings weit weniger als die Hälfte der Stammbeschäftigten an der Befragung teilgenommen. „Außerdem war das Ganze rechtswidrig“, sagt Bloem. „Das Betriebsverfassungsgesetz sieht vor, dass der Betriebsrat bei so was mitbestimmt, aber wir wurden nicht informiert.“

Er sieht bei der Geschäftsleitung „mittelalterliches Denken“. Auf der Versammlung am Montag habe sie die Leute zudem einzuschüchtern versucht: „Aus dem Werk stieg eine Drohne auf, beobachtete das Geschehen. Und die Security hat Kollegen fotografiert, teils einzeln.“

Das Grundproblem sei die hohe Zahl der Werkverträge. „Nur 40 Prozent der Meyer-Belegschaft gehört zur Stammbesatzung, 60 Prozent hat Werkverträge“, sagt Bloem. „Einiges davon ist auch völlig in Ordnung, das sind outgesourcte Spezialaufgaben. Aber der Rest führt dazu, dass nach und nach die Stammbelegschaft ersetzt wird.“ Durch billigere Kräfte aus Kroatien, Polen, Russland oder Rumänien.

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Die Meyer Werft im Emsland setzt derzeit rund 1,6 Milliarden Euro jährlich um. Sie ist Teil der luxemburgischen Meyer-Neptun-Gruppe und bekannt für ihre Kreuzfahrtschiffe. Dutzende hat Meyer seit Mitte der 1980er gebaut. Einige sind 350 Meter lang und 20 Decks hoch, schwimmende Kleinstädte für mehr als 6.500 Passagiere. Baudock II der Werft ist gut einen halben Kilometer lang, 125 Meter breit und 75 Meter hoch.

Lange boomte das Geschäft, Meyer fuhr Gewinne ein. Hunderttausende Schaulustige kamen, wenn die Riesenpötte aus dem Binnenland in die Nordsee überführt wurden – dabei hatten Vertiefung und Aufstauung der Ems, ohne die das nicht geht, fatale ökologische Folgen. Die Politik vor Ort tat wenig dagegen, schließlich ist die Meyer Werft eine echte Macht im Emsland. Doch dann kam die Coronapandemie. Kreuzfahrschiffe ankerten weltweit im Hafen, Meyer geriet ins Wanken. 40 Prozent Arbeitskapazität sollen deshalb abgebaut, 1,2 Milliarden Euro eingespart werden, bis 2025. Jetzt ist von Entlassungen die Rede, die Verhandlungen stocken.

Quelle       :          TAZ        >>>>>        weiterlesen

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Oben     —  Luftbilder von der Nordseeküste 2013-05

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Legal, Illegal, Scheißegal

Erstellt von DL-Redaktion am 3. Juni 2021

Die Arbeitsweise des BND und ihre Opfer

Kein Staat kann mehr sein, als das – was unfähige Politiker – Innen aus ihn machten!

Quelle:    Scharf  —  Links

Von Gewerkschaftsforum Deutschland

Der am 01. April 1956 gegründete Bundesnachrichtendienst (BND) ist die einzige dem Bundeskanzleramt unmittelbar nachgeordnete Bundesoberbehörde. Neben dem sogenannten Bundesamt für Verfassungsschutz, der als Nachrichtendienst im Inland fungiert, und dem Militärischen Abschirmdienst, der Teil des Bundesverteidigungsministeriums ist, bildet der BND den dritten Pfeiler der Nachrichtendienste des Bundes. Aufgabe ist die nachrichtendienstliche zivile und militärische Informationsgewinnung (Überwachung durch Agenten, Telekommunikation o.ä.) im Ausland und deren Analyse. Diese offensichtlich schon im Kern unmoralische Arbeit ist zu großen Teilen gegenüber einem demokratischen und rechtsstaatlichen Interesse an Öffentlichkeit immunisiert. Denn laut Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gehört der Einsatz von Nachrichtendiensten zu den legitimen Mitteln einer wehrhaften Demokratie, welche die Bundesrepublik Deutschland zu sein beansprucht.[1] Diese zu gewährleisten hat regelmäßig eine höhere Priorität als Transparenz und demokratische Entscheidungsprozesse, weshalb sich der BND nur selten für sein Handeln und seine zumindest in Teilen rechtswidrigen Methoden und Operationen verantworten muss.

Die fast vollständige Immunisierung des BND

Erst durch den von Edward Snowden angestoßenen NSA-Skandal, der die Massenüberwachung der Geheimdienste offenlegte, war es nicht mehr haltbar, die Arbeitsweise des BND ohne Konsequenzen weiterzuführen. Ergebnis war ein Gesetz, das Andre Meister von netzpolitik.org mit dem Satz kommentierte: „Alles, was durch Snowden und Untersuchungsausschuss als illegal enttarnt wurde, wird jetzt einfach als legal erklärt.[2] So war er auch wenig überrascht, dass ebenjenes Gesetz nach einer Klage von Reporter ohne Grenzen im Mai 2020 für verfassungswidrig erklärt wurde.[3] Im Urteil des Bundesverfassungsgerichts heißt es zur Entscheidung, „dass die Überwachung der Telekommunikation […] durch den Bundesnachrichtendienst an die Grundrechte des Grundgesetzes gebunden ist und nach der derzeitigen Ausgestaltung der Ermächtigungsgrundlagen gegen das grundrechtliche Telekommunikationsgeheimnis (Art.10 Abs.1 GG) und die Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) verstößt.[4] Bis Ende 2021 muss nun eine Gesetzesreform vorliegen. Doch macht das gesamte Unterfangen klar, wie immun der BND für die Verfassung und verabschiedete Gesetze ist.

Bei der Aufklärung des Oktoberfestattentats, dem schwersten Terroranschlag der BRD im Jahr 1980 mit 13 Toten und rund 200 Verletzten, kann sich der BND weiterhin raus halten. Nachdem sich die Einzeltätertheorie nicht halten konnte, nahm die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe nach 34 Jahren die Ermittlungen zu den Hintergründen des Attentats wieder auf und recherchierte auch zu Verbindungen der rechten Wehrsportgruppe Hoffmann, deren Mitglied der Attentäter gewesen war und die nach dem Attentat den Anschlag für sich reklamiert hatte.

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Heinz Lembke, der in Verdacht steht, als V-Mann Sprengstoff an diese rechtsmilitante Gruppe weitergeben zu haben, wurde erhängt in seiner Zelle gefunden, hatte zu Beginn seiner Haft jedoch erklärt, eine Aussage machen zu wollen.[5] Nach einer Klage der Fraktionen “Die Linke” und “Die Grünen” vor dem Bundesverfassungsgericht, müssen nun jedoch auch Akten über ihn herausgegeben werden. Im Zuge dessen muss auch angegeben werden, wie viele Spitzel in der rechtsradikalen Wehrsportgruppe Hoffmann mitgewirkt hatten. Jedoch: Die Anfrage zu Spitzeln in der Dependance im Libanon darf vom BND unbeantwortet bleiben. Denn da es dort nur 15 Mitglieder gegeben hatte, sei die Gefahr einer Enttarnung zu hoch, so das Bundesverfassungsgericht.[6] Einer vollständigen Transparenz der Verstrickungen des Attentats wurde damit eine Absage erteilt.

Operation Rubikon

Die Liste an Vorfällen, bei denen der BND sich über alle Gesetze gestellt hat, ist lang und hat System (es lohnt sich, hier einen Blick auf den Wikipedia-Eintrag der Geheimdienst-Affären in Deutschland zu werfen, der zeigt, dass bei „Skandalen“ die Einzelfalllogik schon längst nicht mehr greift).[7]

Eine vom ZDF Anfang 2020 veröffentliche Dokumentation, die in gemeinsamer Recherche mit der New York Times und dem Schweizer Rundfunk entstand, beschäftigt sich beispielsweise mit der Operation Rubikon. Dabei handelt es sich um eine Operation, die in Kooperation mit der CIA stattfand. Kern der Operation war es, Verschlüsselungssysteme der Schweizer Firma Crypto AG so zu verändern, dass Informationen von BND und CIA entschlüsselt und mitgelesen werden konnten. Kunden der Crypto AG waren in Afrika, Asien, Südamerika, aber auch Europa ansässig (Italien, Irland, Türkei). Dadurch waren CIA und BND in der Lage, zahlreiche politische Umstürze und Machenschaften zu überwachen und für sich zu nutzen.

Bekanntes Beispiel ist beispielsweise die Unterstützung der CIA bei dem Militärputsch in Chile. Hier nutzte die CIA Informationen, um den Diktator Pinochets bei der Machtübernahme gegen den demokratisch gewählten Salvador Allende zu unterstützen. Ebenso bekannt war den Geheimdiensten die Politik in Argentinien: sie hatten genaue Kenntnisse über die dort stattfindenden Folterungen und Todesflüge und betrachteten sie als „ganz normale“ Meldung.[8] Und dem nicht genug reiste der BND im Zuge der Schleyer-Entführung 1977 mit dem französischen und britischen Geheimdienst nach Argentinien. Ziel der Reise war es “Methoden zu diskutieren, wie man eine Organisation zur Bekämpfung des Untergrundes aufbauen könnte, ähnlich der Condor-Organisation” – so der Wortlaut eines Dokuments des CIA-Direktorats für Operationen vom 7. April 1978.[9] Diese Operation Condor war von den Geheimdiensten der Länder Argentinien, Chile, Paraguay, Uruguay, Bolivien und Brasilien – mit Unterstützung der Vereinigten Staaten ins Leben gerufen wurden und laut einem internen Dokument “ein Schlüsselwort für das Sammeln und Austauschen von Informationen über so genannte Linke, Kommunisten oder Marxisten”. Neben linken Oppositionellen und Priestern zählten dazu für die Militärregierungen auch Menschenrechtsorganisationen. Offiziell sind “nur” einige hundert Personen Opfer dieser Operation gewesen, nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen gab es etwa 50.000 Ermordete, 35.0000 Verschwundene und 400.000 Gefangene.[10]Die Ermordungen, Folterungen und andere Menschenrechtsverletzungen sind für Geheimdienste also legitim und der deutsche Staat bezahlte den BND sogar um sich mit den Akteuren solcher perverser Aktionen über den Umgang mit Oppositionellen auszutauschen.

Weiterhin waren die Abhöranlagen natürlich immer wieder nützlich, um geostrategisch die eigene Macht auszubauen. So nutzte der damalige US-amerikanische Präsident Carter 1978  Informationen für Gespräche zwischen Israel und Ägypten in Camp David, 1979 verhandelte er während der iranischen Revolutionen mit acht verschiedenen Gruppen, ebenfalls mithilfe der Abhöranlagen.

Als Argentinien 1982 die Falklandinseln besetzte, konnte der BND, der an der Nordsee, unter dem Tarnministerium „Bundesamt für Fernmeldetechnik“ Abhörstationen angebracht hatte, die Kommunikation des argentinischen Militärs abfangen, mithilfe der manipulierten Geräte entschlüsseln und an Großbritannien weitergeben.

Auch die deutsche Wirtschaft war tief in diese systematische Täuschungsoffensive verstrickt. So war es die Siemens-AG in München, die für den Bau der Telekommunikationssysteme, die von der Crypto-AG verschlüsselt wurden, verantwortlich war. Siemens war hierbei nicht nur über die Manipulation der Geräte informiert, viel eher kann man das Agieren des Konzerns als eine Art „verlängerter Arm“ des Geheimdiensts beschreiben. So stellte der Konzern beispielsweise Teile des Führungspersonals der Schweizer Firma und half dadurch mit, die Besitzverhältnisse der Crypto AG zu verschleiern.[11]

Der Umzug nach Berlin

Als Auslandsgeheimdienst mit enormen Abhörinstrumenten, denen es inhärent ist, dass ihre Lokalität unbekannt bleiben soll, überrascht es, dass der BND nun ganz offen das zweitgrößte Gebäude in Berlin für seine Arbeit nutzen will. Mit 260.000 m² (ca. viermal so groß wie das Bundeskanzleramt) ist die neue Zentrale des BND nicht zu übersehen, auch aufgrund des neuen Standorts am Rande des Regierungsviertels. Mit dem abschließend genehmigten Gesamtkostenrahmen von 1,086 Milliarden Euro war es das größte Bauprojekt des Bundes im Jahre 2018.[12] Einer fundierten Begründung für den Umzug oder die enormen Baukosten konnte sich der BND selbstverständlich entziehen. Die parlamentarische Arbeit von Oppositionsparteien hinsichtlich des Umzugs des BND von Pullach nach Berlin zeigt, wie intransparent der BND, auch bezüglich der Staatsausgaben, agieren kann. So heißt es in einer Kleinen Anfrage von Abgeordneten der Linksfraktion zu den Kosten des BND-Umzugs nach Berlin in der Vorbemerkung der Bundesregierung: „Die Beantwortung der Fragen 2, 4, 5, 6, 7, 9, 11, 15 und 16 kann aus Gründen des Staatswohls nicht in offener Form erfolgen. Aus ihrem Bekanntwerden könnten sowohl staatliche als auch nichtstaatliche Akteure Rückschlüsse auf Personalentwicklung, Modus Operandi sowie die Fähigkeiten und Methoden des Bundesnachrichtendienstes ziehen“ [Drucksache 19/5402 S.2], was überdies bei den Fragen 10 und 17 in gleicher Weise wiederholt wird. Im Gegensatz zum eigenen Narrativ, enthebt sich die Arbeit des BND also einer Kontrolle, die als demokratisch bezeichnet werden könnte.

Denn offiziell betont der BND nun, enttarnte Dienststellen wie das Amt für Militärkunde und die Bundesstelle für Fernmeldestatistik auflösen und seine größten Außenstellen nun öffentlich machen zu wollen.[13][14] Der ehemalige BND-Präsident Gerhard Schindler begründete das mit seinem Selbstverständnis des BND als „Dienstleister für die Politik und somit für die Bevölkerung“.[15]  Dass diese Propaganda wenig mit der Realität zu tun hat, zeigt nicht nur die Arbeitsweise und parlamentarische Nicht-Kontrolle des Nachrichtendienstes. Auch das neu gegründete Besucherzentrum ist nur für Besuchergruppen von Bundestagsabgeordneten zugänglich und somit alles andere als ein „BND zum Anfassen“.[16]

Verbindungen zur Bundeswehr

Amt für Militärkunde

Das Amt für Militärkunde (AMK) wurde 2014 als eine von mehreren inoffiziellen Behörden des BND enttarnt und sollte im Zuge dessen aufgelöst werden.[17] Über die Funktion des AMK berichtete der Spiegel 2013 in einer Reportage eines Ex-Agenten, der erzählt, dass er nach seiner Tätigkeit als Zeitsoldat mehrere Jahre für den Bundesnachrichtendienst gearbeitet hat. Laut dem Bericht ist eine Versetzung vom Bund zum BND nicht unüblich und wurde entsprechend mit einem „Ich wechsle zum Amt für Militärkunde.“ angekündigt.[18] Auch in der Youtube-Werbeserie „Die Rekrutinnen“ äußert einer der Rekruten zu Beginn der Staffel, den Wunsch später für den BND zu arbeiten, nicht ohne den Halbsatz „aber darüber darf man ja nicht öffentlich reden“, hinterher zu schieben.

Bildergebnis für Wikimedia Commons Bilder Bundeswehr in Schulen Lupus in Saxonia / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

Trotz der Ankündigung des BND, die Tarnbehörde „Amt für Militärkunde“ aufzulösen, ist sie noch immer in der Standortdatenbank des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Bonn (Dienststelle) und München (Kaserne) verzeichnet[19] und wird auch im Haushaltsgesetz des Deutschen Bundestages 2019 erwähnt. Dort wird das AMK als Teil der Streitkräftebasis ausgewiesen,[20] ist aber weder in der Stationierungsbroschüre der Bundeswehr 2011 noch in der Dienstellenliste auf der Homepage der Streitkräftebasis zu finden. Bisher scheint sie also als Knotenpunkt zwischen Bundeswehr und Nachrichtendienst weiter zu funktionieren. Dass dieser Knotenpunkt auch durchaus in internationalen Konflikten genutzt wird, zeigt sich immer wieder durch investigative Recherchen, die die Kooperation zwischen Geheimdienst und Militär zumindest partiell ans Licht bringen. Bekannt geworden sind hierbei vor allem die Zuarbeit an die US-Behörden im Irakkrieg und die Beteiligung am Luftschlag in Kundus 2009. Diesen Vorfällen folgte nach massivem öffentlichen Druck auch jeweils ein Untersuchungsausschuss.

Zuarbeit an die US-Behörden im Irak-Krieg 2006

Obgleich die rot-grüne Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder und Außenminister Fischer 2003 die Beteiligung am Irakkrieg abgelehnt hatte, war diese Ablehnung nur partiell, auch wenn sich das Bild der deutschen Enthaltung noch immer hält. So wurden z.B. Überflugrechte gewährt sowie die Aufklärung durch AWACS-Flüge und der Schutz der Nachschubbasen in Deutschland (siehe auch IMI-Analyse 2006/006). Schon 2005 wurde diese von Deutschland geleistete Unterstützung vom Bundesverwaltungsgericht als Beihilfe zu einem völkerrechtswidrigen Krieg bewertet.

Auch der Bundesnachrichtendienst war während des Irakkriegs involviert und für die Bombardierung von Häuserblocks und die Tötung von Zivilist*innen mitverantwortlich. So berichtete die FAZ im Januar 2006, dass zwei deutsche Agenten des BND während des Irakkrieges 2003 in Bagdad geblieben waren, um eventuelle Bombardierungsziele zu observieren.[21] Nachdem am 7. April 2003 vor einem Gebäude Luxusfahrzeuge als Beweis für die Anwesenheit von Saddam Hussein gewertet wurden, kam es zur Bombardierung. Zwei Häuserblocks wurden zerstört und mindestens zwölf Zivilist*innen getötet, während Hussein nicht getroffen wurde.[22] Während ein amerikanischer Informant über die Arbeit des BND sagte, diese sei „sehr wichtig für die Bombardierung an diesem Tag.“ gewesen, hieß es in der damaligen Mitteilung des BND, „den kriegsführenden Parteien [seien] keinerlei Zielunterlagen oder Koordinaten für Bombenziele zur Verfügung gestellt worden.“[23] Auch das NDR-Magazin „Panorama“ sowie die Süddeutsche Zeitung berichteten schon im Januar 2006, dass Mitarbeiter des BND im Jahr 2003 US-Streitkräfte mit Informationen für die Benennung von Objekten und das Verifizieren von Zielen für Bombardierungen versorgt hatten.

Nach einer Sondersitzung kam das Parlamentarische Kontrollgremium, welches die demokratische Kontrolle des BND sicherstellen soll, jedoch zu dem Schluss, dass hier keine Beteiligung stattgefunden habe[24] – eine Aussage, die durch den eingesetzten Untersuchungsausschusses schließlich widerlegt wurde und zurückgenommen werden musste.[25] Zumindest vom 14. Februar bis zum 2. Mai 2003 waren in Bagdad zwei Mitarbeiter des Sondereinsatzteams des BND stationiert, um die militärische und operative Aufklärung Bagdads zu verstärken. Obgleich es unwahrscheinlich ist, dass zwei Personen sämtliche Informationen sowie Stimmung und Lage der Bevölkerung Bagdads ohne weitere Mithilfe sammeln konnten, blieb die Bundesregierung im Untersuchungsausschuss bei der Aussage, es seien nach der offiziellen Evakuierung nur zwei Personen in Bagdad verblieben. Laut Hans-Christian Ströbele, damals Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium, meldete der BND zwischen 28. März und 7. April 2003 elf potenzielle Ziele an US-Stellen. Diese Weitergabe wurde zwar von der Bundesregierung bestätigt, diese fand aber weiterhin Argumente, um sich vor einer Verantwortungsübernahme für die Bombardierungen in Bagdad, beispielsweise bei einem Restaurant im Stadtteil Mansur zu drücken. Während Regierung und BND zuerst behauptet hatten, die Agenten in Bagdad hätten insbesondere Informationen zum Kriegsverlauf beschafft und den Amerikanern nur so genannte non-targets, z.B. Krankenhäuser, übermittelt, gab der BND schließlich die Weitergabe von „vier Meldungen“ mit „Koordinaten zu sieben militärischen Teileinheiten beziehungsweise Objekten sowie zum Restaurant im Stadtteil Mansur“ zu, allerdings mit dem fragwürdigen Zusatz, dies sei erst nach der Bombardierung ebenjenes Restaurants geschehen. Weiter argumentierten der damalige Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sowie der BND-Sprecher Stefan Borchert, dass die Koordinaten militärisch nicht verwendbar gewesen wären, da der BND ein ziviles Navigationsgerät benutzt hätte, dessen Abweichungen von mindestens 50 Metern für Militärs zu ungenau seien.[26] Letztendlich waren im gesamten Meldeaufkommen jedoch nur 7% Nontargets genannt, ein Krankenhaus, eine Synagoge – deren Koordinaten jedoch erst nach dem Luftangriff ausfindig gemacht werden sollten, sowie fünf Botschaften. Offensichtlich ging es bei den Beobachtungen also vorrangig um die Weitergabe militärischer Bewegungen und Stützpunkte.

Dies ist jedoch wenig verwunderlich, waren die Vorgaben der Bundesregierung doch verhältnismäßig schwammig formuliert, um einen Bewertungsspielraum bezüglich der militärischen Nutzung zuzulassen. So sollte nur bei unmittelbarer Relevanz für taktische Luft- und Landkriegsführung der Koalitionsgruppen keine Weitergabe von Informationen stattfinden und Unterstützung eines offensiven strategischen Luftkriegs war untersagt. Ebenfalls spannend ist, dass diese Vorgaben erst im Nachhinein schriftlich niedergelegt wurden.[27]

Beteiligung des BND am Luftschlag in Kundus 2009

Am 16. Februar 2021 sprach der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Deutschland in einem Prozess um die Aufarbeitung des Nato-Luftangriffes im afghanischen Kundus im Jahr 2009 frei. Ankläger war ein Afghane, der bei dem Angriff zwei Söhne verlor und Deutschland Verstöße gegen die europäische Menschenrechtskonvention vorwarf. Bei dem Bombardement zweier Tanklaster im September 2009 kamen rund 100 afghanische Zivilist*innen, darunter zahlreiche Kinder, ums Leben.[28]

Als Reaktion auf die öffentliche Kritik des Bombardement korrigierte der damalige Verteidigungsminister Guttenberg seine Aussage dieses sei „militärisch angemessen“ zu „militärisch unangemessen“. Um weiteres verantwortliches Handeln vorzuspielen, wurde zudem Staatssekretär Dr. Peter Wichert entlassen und zwischen Guttenberg und dem Bundeswehrgeneralinspekteur Schneiderhan gab es eine gegenseitiges Zuschieben von Verantwortung, das Schneiderhan mit einem Rücktrittgesuch in den Ruhestand beendete.[29] [30] Die Entschädigungszahlungen an die Opfer fielen nichtsdestotrotz bitterlich gering aus. Auch diesbezüglich gab es vor dem Bundesgerichtshof eine Klage, deren Beschwerdeführer als Angehörige von getöteten Opfern Schmerzensgeld und Schadenersatz forderten. Mit dem Argument, das Völkerrecht sehe keine individuellen Entschädigungszahlungen vor, wurde jedoch auch diese Klage abgelehnt[31]

So blieb es für die 86 Familien, die bei dieser Bombardierung Todesfälle zu beklagen hatten, bei 5000 USD pro Familie, während die Bundeswehr in anderen Fällen 20.000 bis 33.000 US-Dollar pro Opfer gezahlt hatte.[32]

Der verantwortliche Oberst Klein schaffte es dagegen, zum General befördert zu werden. Und das trotz zahlreicher Nachweise, dass es sich bei dem Anschlag nicht um einen Unfall, sondern mindestens um nachlässiges Verhalten gehandelt hatte. So vermuteten die amerikanischen Bomberpiloten vor dem Luftangriff sofort, dass am Boden Zivilisten waren, und sprachen sich für Tiefflüge als Warnung aus, da sie keine Notlage sahen. Es war Oberst Klein, der hier ein Veto einlegte, von Feindberührung, („troops in contact“) sowie einer unmittelbaren Bedrohung („imminent threat“) sprach und von einer Rücksprache mit seinem Rechtsberater oder Vorgesetzten absah. Zwar wurden hier vereinzelt dienstrechtliche Konsequenzen gefordert, fanden jedoch keine Mehrheit. Zurück bleibt die Frage, wann dienstrechtliche Konsequenzen oder ähnliches Anwendung finden, wenn es selbst bei einem solchen unverantwortlichen Verhalten nicht zum Tragen kommt.

Ungeklärt bei der Aufarbeitung bleibt, wenig überraschend, leider auch die Beteiligung des BND an dem grausamen Luftschlag.

Denn aus dem Untersuchungsausschuss geht hervor, dass Vorbereitung und Durchführung des Luftschlags in den Räumlichkeiten der Task Force 47 (TF47) stattfanden. Diese war offiziell damit beauftragt, Informationen und Aktivitäten in Kundus zu sammeln und bestand aus rund 120 Bundeswehrsoldaten sowie einer nicht näher definierten Zahl an BND-Mitarbeitern.[33] Trotz der Verbindung wurde im Untersuchungsausschuss nachdrücklich darauf hingewiesen, es habe sich einzig und allein um einen Einsatz der PRT-Kunduz unter Leitung des damaligen Oberst Klein gehandelt. Schon allein aufgrund der räumlichen Überschneidung ist es jedoch nahezu unmöglich, dass die Mitarbeiter des BND nichts von dem geplanten Luftschlag wussten. Dies wird auch durch die Aussage des BND-Mitarbeiters A.R., der sich in der Nacht des Luftschlags in der TF47 aufhielt, deutlich: „Also, ich war da im Bereich, aber quasi im Nebenraum, wenn man das so beschreiben will.“[34]

Trotzdem wurde die Aussage, an der Operation sei nur die PRT-Kunduz beteiligt gewesen, im Untersuchungsausschuss von den Regierungsfraktionen als schlüssig interpretiert, denn letztlich hatten alle vernommenen Zeugen übereinstimmende Aussagen gemacht.

Zwar hatte eine erste Aussage des verantwortlichen Oberst Klein eine Beteiligung der Task Force 47 nahegelegt, diese wurde jedoch später von ihm widerrufen und Oppositionsfraktionen, die sich darauf bezogen, wurde vorgeworfen, die Aussage faktenwidrig zu missbrauchen.[35]

003 Protest gegen Acta in Munich.JPG

Dabei macht es auch die Nachrichtenlage schwer, eine direkte Beteiligung des BND  von der Hand zu weisen. Denn schon wenige Stunden nach dem Anschlag informierten Mitarbeiter des BND das Kanzleramt. Eine Mitplanung und Durchführung ist also überaus wahrscheinlich, insbesondere da der Anschlag nachts stattfand.

Fazit

Mit dem Argument, Gefahren für die innere und äußere Sicherheit abzuwehren, entzieht sich der BND der Möglichkeit einer demokratischen Einhegung weitgehend. Regelmäßig werden geltende Gesetze und Grundrechte der Bundesrepublik wissentlich ignoriert bzw. übertreten. Untersuchungsausschüsse und Klagen funktionieren als Instrument gegen die Rechtsbrüche des BND nur bedingt. Der Nachrichtendienst setzt alle Überwachungsmethoden ein, die ihm zur Verfügung stehen und entzieht sich dabei auch bei der Auswahl, Anwerbung und Führung von V-Leuten dem Parlament.[36] Die Problematiken die sich daraus ergeben liegen auf der Hand, werden aber trotz einer sichtbaren Anzahl grauenhafter Ereignisse innerhalb und außerhalb Deutschlands nicht angegangen.

Anmerkungen:

[1] BverfGE 143, 101ff, juris Rn. 126 ff, 128ff.

[2] netzpolitik.org : Das neue BND-Gesetz: Alles, was der BND macht, wird einfach legalisiert. Und sogar noch ausgeweitet, netzpolitik.org 16.06.2020

[3] Netzpolitik.org:  Das neue BND-Gesetz ist verfassungswidrig, netzpolitik.org 16.06.2020

[4] Bundesverfassungsgericht: Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung nach dem BND-Gesetz verstößt in derzeitiger Form gegen Grundrechte des Grundgesetzes, bundesverfassungsgericht.de 16.06.2020

[5] Süddeutsche: Verfassungsschutz muss Akten über das Oktoberfest-Attentat öffentlich machen sueddeutsche.de 05.03.2021

[6] Ebd

[7] Wikipedia: wikipedia.org 21.02.2021

[8] ZDF-Doku: Geheimdienstoperation Rubikon, der größte Coup des BND

[9] ZDF: BND wusste von Mordplänen südamerikanischer Regimes zdf.de 01.03.2021

[10] Tagesschau: Terror im Namen des Staates tagesschau.de 01.03.2021

[11] ZDF-Doku: Geheimdienstoperation Rubikon, der größte Coup des BND

[12] Berliner Woche: BND-Zentrale: 3200 Agenten arbeiten in der neuen Geheimdienstburg an der Chausseestraße berliner-woche.de 27.5.2020

[13] FAZ: Kämpfen gegen das Unsichtbare faz.net  27.5.2020

[14] Welt: Phantombehörden des BND werden aufgelöst welt.de 27.5.2020

[15] FAZ: Kämpfen gegen das Unsichtbare faz.net  27.5.2020

[16] Ebd.

[17] Welt: Phantombehörden des BND werden ausgelöst welt.de 09.06.2020

[18] Spiegel: James Bond käme nicht durchs Bewerbergespräch spiegel.de 09.06.2020

[19] Standortdatenbank ZMSBw: zmsbw.de 09.06.2020

[20] siehe bundestag.de, Haushaltsgesetz 2019, S. 2141

[21] 5.2.21  FAZ: BND half Amerikanern im Irak-Krieg: www.faz.net

[22] Ebd.

[23] Ebd.

[24] Bericht über die Kontrolltätigkeit gemäß § 6 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes durch das Parlamentarische Kontrollgremium, Drucksache 16/7540 S.9

[25]  Ebd. S.838

[26] Süddeutsche Zeitung: BND nannte doch mögliche Angriffsziele im Irak sueddeutsche.de 19.06.2020

[27] Bericht über die Kontrolltätigkeit gemäß § 6 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes durch das Parlamentarische Kontrollgremium, Drucksache 16/7540  S. 876

[28] Bundestag: Bundestag debattiert über Kunduz-Abschlussbericht bundestag.de 22.06.2020

[29] Ebd.

[30] Stern: Was Schneiderhan dem Minister vorenthielt stern.de 15.03.2021

[31] Tagesschau: tagesschau.de 19.02.2021

[32] Drucksache 17/7400 S.296

[33] Beschlussempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses als 1. Untersuchungsausschuss gemäß Artikel 45a Absatz 2 des Grundgesetzes Drucksache 17/7400 S.68

[34] Ebd.

[35] Ebd.  S.177

[36] Jelena von Achenbach: “Effektive Nachrichtendienste als Verfassungsgut” in  Hoff/ Kleffner/ Pichl/ Renner (Hrsg.) “Rückhaltlose Aufklärung?” VSA-Verlag Hamburg, 2019 S.162

Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) (imi-online.de)
https://www.gewerkschaftsforum.de/ 

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Grafikquellen      :

Oben  —       Uncle Sam wants you DEAD!

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2. ) von Oben      —     Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz.

Unten     —       February 11th, 2012 Protest anti ACTA in Munich, „banana republic“ flag

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Den Tarifskandal beenden

Erstellt von DL-Redaktion am 21. Mai 2021

Sofortige Beendigung eines Tarifpolitischen Skandals ! 

Der StreikGemälde von Robert Koehler, 1886

Der Streik Gemälde von Robert Koehler, 1886

Quelle      :     AKL

Von  Online-Tagung des AKL-Länderrats, 13. Mai 2021

ANGLEICHUNG DER ARBEITSZEITEN IN DER OSTDEUTSCHEN METALLINDUSTRIE AN DAS WESTNIVEAU!

Nach sieben Verhandlungsrunden, fünf ganztägigen Warnstreiks und vielen weiteren Protestaktionen, darunter eine von vielen gewerkschaftlichen und politischen Persönlichkeiten unterzeichnete Petition, haben sich IG Metall und der sächsische Arbeitgeberverband VSME, sowie der Arbeitgeberverband für Berlin-Brandenburg VME, wieder einmal nicht auf eine Übernahme der Arbeitszeitregelungen, die für die westdeutschen Tarifbezirke gelten, einigen können.

Der Metall-Abschluss aus NRW vom März 2021 wird auch in Berlin-Brandenburg-Sachsen übernommen, aber die Arbeitszeitangleichung wird noch einmal ausgeklammert. Die Beschäftigten in der ostdeutschen Metallindustrie – und für Berlin heißt das, entscheidend ist, an welcher Straße der Betrieb ist – arbeiten seit über dreißig Jahren in der Woche drei Stunden länger, für das gleiche Entgelt. Das macht fast 5000 Stunden Mehrarbeit ohne Bezahlung, während Preise und Mieten schon lange Westniveau erreicht oder sogar überschritten haben.

Dieser tarifpolitische Skandal muss sofort beendet werden.

Die IG Metall hat mit den Arbeitgeberverbänden vereinbart, dass bis zum 30. Juni 2021 über einen „tariflichen Rahmen für betriebliche Angleichungsprozesse“ verhandelt werden soll. Das heißt, jetzt soll der Häuserkampf beginnen, um zu einer Angleichung zu kommen. Die Tarifkommissionen müssen dieser Vereinbarung noch zustimmen.

Es wird sich zeigen, wie wirksam diese Vereinbarung tatsächlich ist. Fakt ist, dass ein großer Teil der Umsetzungsverhandlungen jetzt wieder auf die Betriebsräte – sofern es welche gibt – abgewälzt wird. Ohne eine kollektive Unterstützung in der Fläche und auch von den westdeutschen IG Metall-Verbänden, werden die Ergebnisse nicht berauschend sein.

Die Länderrat-Versammlung der Antikapitalistischen Linken in der LINKEN solidarisiert sich mit den Kolleginnen und Kollegen der ostdeutschen Metallindustrie. Wir wünschen ihnen viel Kraft und Erfolg in den Häuserkampf-Verhandlungen.

Es bleibt die politische Notwendigkeit, dass dieser tarifpolitische Skandal sofort beendet werden muss. Tarifpolitik ist auch Politik: Deshalb muss dieser Skandal Thema in den kommenden Wahlkämpfen werden, vor allem dem der LINKEN. Die gesamte IG Metall sollte sich an die Seite der Bezirke in Ostdeutschland stellen – andernfalls droht ein großer Glaubwürdigkeitsverlust für die Gewerkschaft.

akl - Antikapitalistische Linke

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Grafikquelle :

Artist
Title
The Strike in the region of Charleroi
Object type painting
Date 1886
Medium oil on canvas
Dimensions Height: 181.6 cm (71.4 in); Width: 275.6 cm (108.5 in)
Accession number
1990/2920
Source/Photographer Deutsches Historisches Museum: infopic

 

Public domain The author died in 1917, so this work is in the public domain in its country of origin and other countries and areas where the copyright term is the author’s life plus 100 years or fewer.

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Streit um Worte oder Pflege

Erstellt von DL-Redaktion am 19. April 2021

In Sorge um den sozialen Frieden

Quelle:    Scharf  —  Links

Von Suitbert Cechura

Streit um Worte oder Pflege der sozialen Kultur? Das Ringen um das „Betriebsrätemodernisierungsgesetz“

Der Streit innerhalb der Koalition um das Betriebsrätemodernisierungsgesetz (1)  hat die Öffentlichkeit wenig bewegt und wurde lediglich von den Verbandsvertretern (2) und von Seiten der Gewerkschaften (3) ausführlicher kommentiert.

Anlass für die Reform ist der Bedeutungsverlust der Vertretung deutscher Arbeitnehmer durch Betriebsräte – eine fortschreitende „Erosion der betrieblichen Mitbestimmung“, wie sie etwa von der Linken beklagt wird (Junge Welt, 1.4.2021). Die SPD hatte seinerzeit eine Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes in die Koalitionsvereinbarung eingebracht und Arbeitsminister Hubertus Heil im Dezember 2020 einen Referentenentwurf mit dem Titel „Betriebsrätestärkungsgesetz“ vorgelegt. Der schlummerte einige Monate in der Koalitionsabstimmung und löste Stellungnahmen von Seiten der Unternehmer und Gewerkschaften aus. Von politischer Seite wurde die Dringlichkeit des Vorhabens unterstrichen: NRW-Arbeitsminister und Vorsitzender der CDU-Arbeitnehmerschaft Karl-Josef Laumann sah in der schwindenden Vertretung durch Betriebsräte eine Gefährdung der „deutschen Sozialkultur“ und sogar der deutschen „Staatsräson“ (WAZ, 27.2.2021).

Inzwischen hat der Entwurf das Kabinett passiert und zur Änderung des Titels geführt, aus dem Betriebsratsstärkungsgesetz wurde das Betriebsrätemodernisierungsgesetz. Die Chancen der Verabschiedung sind gestiegen, es ist nur nicht leicht nachzuvollziehen, wieso es überhaupt einen Streit um dieses Gesetz gab und wieso ein Arbeitsminister gleich die höchsten Werte der Nation beschwört.

Ein Verstoß gegen den „Betriebsfamilienfrieden“

Bei den Unternehmerverbänden stieß das Gesetzesvorhaben gleich auf grundsätzliche Ablehnung, es wurde ein Anwachsen der Bürokratie befürchtet. Dabei sind die Änderungen, die das neue Gesetz am zuletzt 1972 modernisierten Betriebsverfassungsgesetz vornimmt, minimal. Sie betreffen zum einen den Kündigungsschutz für Arbeitnehmer, die eine Betriebsratswahl initiieren wollen, und für die Mitglieder der Wahlkommission, zum anderen die Zuständigkeiten des Betriebsrats bei der Qualifikation von Mitarbeitern und bei Fragen der Digitalisierung. In der Begründung des Gesetzesentwurfs wird darauf verwiesen, dass Betriebsleitungen die Wahl von Betriebsräten zu verhindern suchen, was ein Problem sei – es ist ja bekannt, dass Unternehmen die Initiatoren solcher Wahlen schikanieren oder ihnen sogar kündigen. In der Wahl eines Betriebsrats sehen manche Unternehmen den Betriebsfrieden prinzipiell gestört, den das Betriebsverfassungsgesetz mit der Mitbestimmungsregelung gerade sichern soll. Die Koalition trägt diesem Bedenken jetzt schon mit der Namensänderung Rechnung: Klang Betriebsrätestärkungsgesetz noch nach einseitiger Unterstützung der Arbeitnehmerseite, so kommt das Betriebsrätemodernisierungsgesetz gleich viel moderater daher, als Zugeständnis an allgemeine Modernisierungsnotwendigkeiten.

In (deutschen) Betrieben wird gerne das Bild einer Betriebsfamilie gepflegt. Dass dabei die Arbeitnehmer als Kinder vorkommen, scheint sie nicht zu stören. Es passt ja auch zu ihrer Rolle: Sie bewegen sich schließlich in einer ähnlichen Abhängigkeit wie Kinder von ihren Eltern. Der Unternehmer oder die Geschäftsleitung geben in diesem Bild den Familienpatriarchen ab, der einerseits das Sagen hat, andererseits auch der sorgende Vater sein soll, der sich um das Wohl aller kümmert. So wird eine Gemeinschaftlichkeit vorgegaukelt, die sich in modern geführten Betrieben auch als eine Form der Gleichberechtigung darstellen mag, wobei sich jedoch schnell herausstellt, dass einige gleicher sind als andere. Schließlich geht es zwar allen um den Erfolg des Unternehmens, aber der stellt sich für die Beteiligten recht unterschiedlich dar.

Für Inhaber oder Management der Unternehmen geht es um das lohnende Geschäft. Die Produktion von Gütern oder der Handel mit ihnen sollen einen Gewinn erbringen, also aus dem investierten Geld mehr machen, dessen Kapitalqualität erweisen. In dieser Kalkulation kommen die Einkommen der Beschäftigten als Kosten vor, die den Gewinn beschränken, weswegen sie als ständige Herausforderung im Visier sind, die Kosten zu senken: in der Krise, um das Unternehmen wieder profitabel zu machen; im Aufschwung, um einschlägige Erfolge zu sichern; als vorausschauende Zukunftsinvestition, um eine dominierende Marktstellung zu behaupten oder zu erlangen. Deshalb ist der Arbeitsplatz als Einkommensquelle immer unsicher und fällt das Einkommen spärlich aus. Lohn und Gewinn stehen eben im Gegensatz zueinander, ein Sachverhalt, der früher einmal als Klassengegensatz bezeichnet wurde und den jetzt wieder CDU-Arbeitsminister Laumann für endgültig überwunden erklärt hat – dank der betrieblichen Mitbestimmung in Form der Betriebsräte.

Wirtschaftsdemokratie unterbindet Klassenkampf

In der Begründung zum Betriebsrätemodernisierungsgesetz wird auf die wichtige Funktion der Betriebsräte abgehoben, die die demokratische Teilhabe der Belegschaft im Betrieb sichern sollen. Dabei ist der Ausgangspunkt die Differenz zwischen Arbeitnehmerinteressen und Arbeitgeberinteressen. Diese Differenz wird etwa dann manifest, wenn Mitarbeiter den Antrag auf die Wahl eines Betriebsrates stellen, weswegen sich Unternehmer gleich gegen ein solches Zu-Wort-Melden verwahren. Mit dem Betriebsverfassungsgesetz (https://www.gesetze-im-internet.de/betrvg/BJNR000130972.html) ist das Verhältnis von Unternehmern und Beschäftigen im Grundsätzlichen geregelt. Nicht umsonst wird schon im Gesetzesnamen auf die Verfassung des Ganzen gezielt.

Das Interesse der Arbeitnehmer, sich von ihrem Lohn zu ernähren, wird darin grundsätzlich anerkannt und ist bei allen Handlungen des Unternehmens mit zu berücksichtigen, was deren Chefs und Chefinnen oft als Eingriff in ihre unternehmerische Freiheit beklagen. Das Gesetz verpflichtet die beiden Parteien aber auch zur vertrauensvollen Zusammenarbeit und verbietet beiden Seiten, im betrieblichen Alltag auf das Mittel des Arbeitskampfes zurückzugreifen. Bei der Zusammenarbeit ist unterstellt, dass es ein gemeinsames Interesse am Erfolg des Unternehmens gibt – bei den einen, weil sie damit einen Gewinn erwirtschaften wollen, bei der anderen Seite, weil ihr Lebensunterhalt am Erfolg des Unternehmens hängt. Diese Abhängigkeit sollen die Betroffenen aber nicht als Manko, sondern als Mitgestaltungsaufgabe begreifen. Während die Unternehmerseite keinen Grund hat, den Betriebsfrieden aufzukündigen und Arbeitskämpfe zu führen, ist freilich die Dienstverweigerung das einzige Mittel für Arbeitnehmer, ihre Interessen geltend zu machen. Insofern trifft das Verbot des Gesetzes nur die eine Seite.

Das hat Auswirkungen auf die betrieblichen Abläufe, und deshalb liegt der NRW-Arbeitsminister richtig, wenn er von einer deutschen Sozialkultur spricht. Löhne und Gehälter werden nicht einfach vom Unternehmen festgelegt, sondern jeder Arbeitsplatz wird nach Tätigkeitsmerkmalen und Qualifikationen bewertet und einer tariflichen Eingruppierung zugewiesen. Damit soll das gezahlte Entgelt nicht einfach betrieblicher Willkür entspringen, sondern sozial gerecht sein – ganz so, als ob es für jede Leistung einen bestimmten, ihr genau entsprechenden Geldbetrag geben würde. Dabei macht noch jede Tarifrunde, in der das Verhältnis von Lohn und Leistung neu bestimmt wird, deutlich, dass die konkrete Entlohnung vom Kräftemessen zwischen Kapital und Arbeit abhängt. Dass dies in Deutschland meist nur symbolisch stattfindet und sich deshalb die Rede von den „Tarifritualen“ eingebürgert hat, liegt eben daran, dass deutsche Gewerkschaften auch im Tarifkampf immer das Wohl der Wirtschaft im Auge haben und die kämpferische Pose bevorzugen, statt in veraltetes „Klassenkampfdenken“ zurückzufallen.

Was einer verdient, ergibt sich also nicht sachlich aus der jeweiligen Arbeitsplatzbeschreibung. Mit den unterschiedlichen Tarifgruppen sichert sich das Unternehmen vielmehr den Zugriff auf die Arbeitskräfte, die es für die unterschiedlichen Aufgaben im Betrieb braucht, und sorgt damit für die Konsequenz, dass sich jeder Arbeitsplatz für das Unternehmen lohnt. Bei der Ausgestaltung der Lohnhierarchie sind die Betriebsräte gefordert, womit förmlich sichergestellt ist, dass jeder das verdient, was er verdient. Wer sich ungerecht eingruppiert fühlt, kann sich beim Betriebsrat beschweren und die Eingruppierung überprüfen lassen. Das Prinzip der Einstufung in verschiedene Lohngruppen ist damit auf jeden Fall der Kritik enthoben.

Entlassungen sind daher auch nicht einfach Entlassungen, also der brutale Sachverhalt, dass Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen um ihre Existenz gebracht werden. Es wird – gesetzlich geregelt – sorgfältig unterschieden zwischen betriebsbedingten Kündigungen und Entlassungen über einen Sozialplan, also unter Mitwirkung der Betriebsräte. Auch in dieser Form wird das grundlegende Interesse von Lohnabhängigen anerkannt, sich durch Arbeit zu erhalten. Sozialpläne gewähren ihnen bei ihrer Entlassung eine Abfindung – wobei dieser Begriff wörtlich zu nehmen ist. Durch die Abmilderung des Schadens sollen sie sich mit ihrer Entlassung abfinden. Darauf zielen alle einschlägigen Maßnahmen, die das Gesetz vorsieht. Weil von einer ständigen Schädigung der Beschäftigten durch Leistungssteigerungen, Lohnsenkungen oder Entlassungen auszugehen ist, soll durch die Beteiligung von Betriebsräten sichergestellt werden, dass diese Härten friedlich über die Bühne gehen. Protest, Beschwerde und Schimpfen auf die Betriebsleitung sind durchaus erlaubt, solange das folgenlos bleibt und die Arbeitnehmer sich in das fügen, was der Betriebsrat für sie ausgehandelt hat. Auch in der Hinsicht hat der NRW-Arbeitsminister Recht, wenn er feststellt, dass auf diese Weise der Klassenkampf überwunden wurde. Zu wessen Vorteil dies geschieht, ist aber eine andere Frage.

Neue Herausforderungen = neue Kampfansagen

Der Gesetzgeber sieht jetzt die Betriebsratsarbeit vor neuen Herausforderungen und spricht den Betriebsräten neue Mitwirkungsmöglichkeiten in Fragen der Qualifizierung und Nutzung der Digitalisierung (Künstliche Intelligenz) zu. Qualifizierung wird dann bedeutsam, wenn durch Einführung neuer Technologien bestehende Qualifikationen und die damit verbundenen Tätigkeiten überflüssig gemacht werden. Im Zuge der Innovationen werden hohe Kosten verausgabt, um die Kosten pro gefertigtem Stück zu senken, was sich auch Rationalisierung nennt. Damit werden Arbeitsplätze abgebaut und die verbleibenden oft umorganisiert.

Irgendeine Sicherheit beruflicher Perspektiven gibt es für die Masse der Lohnabhängigen im „Digitalen Kapitalismus“ (so das neueste soziologische Schlagwort https://www.untergrund-blättle.ch/politik/theorie/digitaler-kapitalismus-6285.html) nämlich nicht. Wer sich um einen Arbeitsplatz kümmern muss, hieß es in einem satirischen Arbeitswelt-TÜV bei Telepolis (https://www.heise.de/tp/features/Arbeitsplatz-der-Test-4879357.html), „sollte sich auf ein bewegtes Leben einstellen. Es gibt keine Garantie auf ihn, seine Leistungsanforderungen wachsen stetig, seine Anzahl sinkt. Gefahren für Leben und Gesundheit sind auszublenden. Orts- und Positionswechsel lassen keine Langeweile aufkommen.“

Deshalb bekommen Qualifizierungsmaßnahmen ein neues Gewicht. Auch die Einführung von Künstlicher Intelligenz in Produktion und Handel lässt viele Tätigkeiten verschwinden, und so haben schon viele Unternehmen den Abbau von Tausenden Arbeitsplätzen angekündigt – von der Stahl-, Auto- und Elektroindustrie über Handelsunternehmen bis hin zu den Banken. Die Politik sieht einen riesigen Erneuerungsbedarf in der deutschen Wirtschaft, was viele Arbeitnehmer ihr Einkommen kosten dürfte. Das alles muss natürlich sein, damit Deutschlands Stellung als Exportweltmeister und Wirtschaftsmacht gesichert wird – im Kampf mit ökonomischen Konkurrenten und politischen Rivalen. Diesen Umwälzungsprozess im Innern friedlich zu gestalten, da sind die Betriebsräte neu gefordert. So soll die deutsche Sozialkultur gesichert werden auf Kosten vieler Arbeitnehmer.

Eine gewerkschaftliche Erfolgsgeschichte

Die betriebliche Mitbestimmung in Form von Betriebsräten und Aufsichtsratssitzen ist ein zentrales Anliegen des Deutschen Gewerkschaftsbunds und seiner Mitgliedsgewerkschaften. Deshalb hat der DGB zur Ausgestaltung der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes eine umfangreiche Stellungnahme verfasst und zum Betriebsrätestärkungsgesetz seine Änderungswünsche formuliert (Stellungnahme des DGB zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales/BMAS vom 19.1.2021).

Schon der Vorläufer des DGB, der ADGB – der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund – trat vor fast hundert Jahren für die Wirtschaftsdemokratie ein (siehe „Die deutsche Gewerkschaftsbewegung/DGB“, hrsg. vom DGB-Bundesvorstand, Düsseldorf 1973), nachdem interessanter Weise im Ersten Weltkrieg die Grundlagen dafür geschaffen worden waren: „Schon bald nach Kriegsbeginn im August 1914 erhielt die deutsche Sozialpolitik einen mächtigen Schub, der sich nicht zuletzt auf die Notwendigkeit gründete, im Zeichen des sog. Burgfriedens alle Kräfte, auch jene der oppositionellen Arbeiterbewegung, für die ‚Verteidigung des Vaterlandes‘, genauer gesagt: die Kriegsziele der Hohenzollernmonarchie, zu mobilisieren, was nur gelingen konnte, wenn man Sozialdemokratie und Gewerkschaften zumindest neutralisierte. Letzteren wurde im Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst vom 5. Dezember 1916 ein Vorschlagsrecht für die Besetzung obligatorischer Arbeiter- und Angestelltenausschüsse zugebilligt…“ (Ch. Butterwegge, Krise und Zukunft des Sozialstaats, 2005, S. 47)

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Hier hat man bis heute das erfolgreiche Betätigungsfeld von Gewerkschaftern, die als Betriebsräte oder im Aufsichtsrat die Rechte von Arbeitnehmern vertreten. Damit werben sie auch auf ihren Websites, wobei für Lohnabhängige eigentlich immer schwerer zu erkennen ist, wieso man diesem Verein beitreten soll, wenn man bereits eine Rechtsschutzversicherung hat. Denn als Rechtssubjekte sind die Menschen, die vom Verkauf ihrer Arbeitskraft leben, im heutigen Sozial- und Rechtsstaat vollumfänglich anerkannt.

Die Gewerkschaft braucht für ihre Politik Mitglieder, die Beitrag zahlen, sich als Wähler funktionalisieren lassen oder als Betriebsräte das Unternehmen mitgestalten wollen; sie braucht Mitglieder, die in Tarifkämpfen als Statisten bereit stehen, mit Gewerkschaftsweste oder -kappe, mit Trillerpfeifen oder Fahnen durch die Straßen ziehen und die besagte kämpferische Pose einnehmen. DGB-Gewerkschaften sind dabei alles andere als Kampforganisationen, die wegen des Gegensatzes von Kapital und Arbeit Arbeitnehmer auffordern, ihre Konkurrenz untereinander aufzuheben und mit ihrer Solidarität ein Druckmittel gegenüber Unternehmern aufzubauen.

DGB-Gewerkschafter wollen wegen der Abhängigkeit der Belegschaften vom Erfolg des Unternehmens diesen mitgestalten und die negativen Folgen für die Arbeitnehmer mitverwalten. So erklärte DGB-Chef Reiner Hoffmann („Für mehr Demokratie im Betrieb“, www.dgb.de, 31.3.21) zur geplanten Modernisierung, dass „Arbeitgeber, die lautstark ein Moratorium fordern, nichts anderes (wollen) als Stillstand. Den können wir angesichts des rasanten Wandels in der Arbeitswelt nicht gebrauchen.“ Dass der Erfolgskurs der deutschen Wirtschaft ins Stocken geraten könnte, ist für den DGB-Chef wohl der größte anzunehmende Unfall…

So werden Gewerkschafter zu Co-Managern – und als solche ja auch in Großbetrieben wie Manager entlohnt. Von daher ist es für den DGB kein Verrat an Arbeitnehmerinteressen, wenn seine Funktionäre gleich als Arbeitsdirektoren oder Personalvorstände in den Vorstand des Unternehmens oder den Aufsichtsrat wechseln. Für diesen Einsatz werden die DGB-Gewerkschaften auch von der Politik geschätzt, mit deren Hilfe sie bei Gelegenheit ihr Monopol gegenüber der aufkommenden Konkurrenz von Spartengewerkschaften schützen lassen, zuletzt durch das Tarifeinheitsgesetz.

DGB-Gewerkschaften machen mit dieser Politik keinen Fehler, sie wollen nicht viel anderes als Stillstand bei den Wachstumsstrategien des deutschen Standorts verhindern. Wer mehr will als diese „Interessenvertretung“ durch deutschnationale Gewerkschaften, muss sich organisatorisch also etwas anderes überlegen.

(1) (https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetze/Regierungsentwuerfe/reg-betriebsraetemodernisierungsgesetz.pdf?blob=publicationFile&v=1)

(2) (https://www.nrwz.de/wirtschaft/metallarbeitgeber-betriebsraetesterkungsgesetz-nur-ueberfluessige-buerokratie/300529?print=print)

(3) (https://www.dgb.de/betriebsraetestaerkungsgesetz)

Zuerst bei telepolis erschienen

Urheberrecht
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Grafikquellen       :

Oben         —       Streik im Öffentlichen Dienst in Hamburg am 12. April 2018

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Kritik an Zwangsarbeit

Erstellt von DL-Redaktion am 7. April 2021

Und Hugo Boss laviert herum …

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Von 

Westliche Firmen, die in China auf die Menschenrechte pochen, werden mit Boykott bedroht.

Wer Chinas Politik kritisiert, wird bestraft. Das bekommen viele westliche Konzerne wie Nike, Adidas und H&M gerade zu spüren. So rief die kommunistische Parteijugend Mitte vergangener Woche zum Boykott von H&M auf, in den sozialen Medien werden einzelne Marken mit nationalistischem Furor beschimpft, und chinesische Prominente verkünden öffentlichkeitswirksam, mit westlichen Firmen nicht mehr zusammenzuarbeiten.

Der Druck soll die Unternehmen dazu bewegen, ihre Kritik an Zwangsarbeit in China zurückzuziehen – und weiterhin Baumwolle und andere Produkte aus der Region Xinjiang zu kaufen. Dort werden Berichten zufolge Hunderttausende Angehörige des muslimischen Volksstamms der Uiguren in Umerziehungs- und Arbeitslagern festgehalten. Die chinesische Regierung streitet das ab.

Der Auslöser für die Boykottaufrufe sind gar keine neuen Äußerungen von den jetzt angefeindeten Firmen. So hatte das H&M-Management bereits im vergangenen Jahr erklärt, es sei besorgt über die Menschenrechtslage in der Provinz Xinjiang und werde von dort keine Baumwolle mehr beziehen. Dieses ältere Statement präsentierten Parteikader jetzt, um die Boykottaufrufe anzuheizen.

Der eigentliche Grund für die neue Aufmerksamkeit dürften Sanktionen der EU sein. Anfang vergangener Woche hat sie diese gegen China verhängt, um gegen die Unterdrückung der Uiguren zu protestieren. Brüssel belegte vier Beamte, die für die Menschenrechtsverstöße verantwortlich sein sollen, unter anderem mit einem Einreiseverbot. Im Gegenzug untersagte Peking zehn Politikern und Wissenschaftlern aus der EU die Einreise.

Zugleich werden in der chinesischen Öffentlichkeit auch Firmen an den Pranger gestellt, die sich in den vergangenen Monaten mit Hinweis auf Menschenrechtsverletzungen aus dem Geschäft mit Xinjiang zurückgezogen haben.

Die Unternehmen stecken in einem Zwiespalt: Im Westen lehnen es viele ihrer Kunden ab, ein T-Shirt zu tragen, das von Zwangsarbeitern produziert wurde. In China, das für sie Produktionsort und wichtiger Absatzmarkt ist, geraten die Unternehmen unter Druck, wenn sie Zwangsarbeit offen kritisieren. Beiden Seiten können sie es kaum recht machen.

Wer es doch versucht, macht sich hier wie dort angreifbar. So wie Hugo Boss. Die für ihre Herrenanzüge bekannte Marke aus dem schwäbischen Metzingen führt gerade vor, wie ein Unternehmen aus einem moralischen wie ökonomischen Dilemma einen Ausweg sucht – und am Ende doppelt verliert.

Plötzlich ist eine härtere Stellungnahme von Hugo Boss zu dem Thema verschwunden

Auf der chinesischen Internetplattform Weibo – einer Art nationalem Twitter – wird seit Neuestem auch zum Boykott von Boss aufgerufen. Zwei prominente Schauspieler kündigten ihre Zusammenarbeit mit der deutschen Firma auf, und Nutzer in Chinas sozialen Medien spotten über das Herumlavieren des Anzugherstellers.

Was ist passiert?

Vor wenigen Tagen erklärte Hugo Boss auf Weibo, man respektiere die nationale Souveränität Chinas, die Baumwolle aus Xinjiang gehöre zur Besten der Welt – und man werde sie weiterhin kaufen. Dieses Statement wäre im Westen wahrscheinlich kaum wahrgenommen worden, hätte nicht das englischsprachige Medienportal Hongkong Free Press darüber berichtet.

Dabei hatten die Deutschen gegenüber einem US-Sender im vergangenen September noch erklärt, alle ihre Lieferanten müssten nachweisen, dass ihre Produkte nicht aus Xinjiang stammten. Auf einmal entstand der Eindruck, Hugo Boss erzähle in China etwas anderes als im Westen.

Nachdem das Hongkonger Medium über die widersprüchliche Kommunikation berichtet hatte, löschte Boss das Statement auf Weibo. Stattdessen verweist das Unternehmen auf seinem Weibo-Account nun auf eine englischsprachige Stellungnahme, in der es mit Bezug auf Xinjiang heißt: Hugo Boss toleriere keine Zwangsarbeit. Würden die von Boss geforderten ethischen Standards jedoch eingehalten, sei das Unternehmen „dafür offen, unsere Produkte von jeglichen Lieferanten weltweit zu beziehen, unabhängig davon, wo diese ansässig sind“. Mit anderen Worten: Baumwolle aus Xinjiang ist grundsätzlich willkommen, nur bei konkreten Verstößen gegen die Menschenrechte nicht.

Staatliche Sanktionen gibt es bisher kaum

Auf Anfrage der ZEIT sagt eine Sprecherin von Hugo Boss, die erste Weibo-Nachricht sei „unautorisiert“ gewesen. „Unsere Position im Hinblick auf die Situation ist gegenüber der von vor einiger Zeit selbstverständlich unverändert.“

Betriebe in der Uiguren-Region Xinjiang lassen sich nicht prüfen, warnen Kritiker

Doch mit wenig Aufwand lässt sich im Internet eine ältere Version der Stellungnahme des Konzerns finden, die vor einigen Tagen von dessen Website gelöscht wurde – und die deutlich härter als die nun verbreitete Botschaft ausfällt. Darin hatte es noch geheißen: Alle direkten Lieferanten müssten Nachweise erbringen, ob die für Hugo Boss verwendeten Materialien „einen Bezug zur Region Xinjiang“ hätten. In diesem Fall müssten die Lieferanten ihre Beschaffung „schnellstmöglich auf andere Ursprungsregionen oder -länder umstellen“. Und Hugo Boss verspricht: „Wir sichern zu, dass unsere neuen Kollektionen ab Oktober 2021 keine Baumwolle oder sonstige Materialien aus der Region Xinjiang enthalten.“

Quelle           :       Die Zeit       >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen       :

Oben         —     Walking through the Allianz eVillage of the Brooklyn Street Circuit prior to first race of the 2018 New York City ePrix on Saturday, July 14, west of Imlay Street and Bowne Street in Red Hook, Brooklyn. The original eVillage was located at Pioneer Street in 2017; for this year, an expanded eVillage was created around the new four-turn complex at the north end of the circuit.

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Unten      —   Teile des eingestürzten Gebäudes während der Rettungsarbeiten, 27. April 2013

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Ver.di und die Linke ?

Erstellt von DL-Redaktion am 17. Februar 2021

Positionen der ver.di-Linke NRW zur Bundestagswahl.

Parteitages der Partei DIE LINKE 2019, Bonn.2.jpg

Als die linken Luftballons noch im Steigflug waren.

Quelle       :      Scharf  —   Links

Mit diesen Thesen will die ver.di-Linke NRW sich in die Debatten zur Positionierung der Gewerkschaften zur Bundestagswahl einmischen

Thesenpapier erstellt vom Koordinierungskreis der ver.di-Linke NRW nach dem Treffen der ver.di-Linke NRW am 24.1.2021

Das kapitalistische System in der Corona-Krise

Wenn jeder an sich denkt ist an alle gedacht. Dieser neoliberale Leitspruch will davon ablenken, dass Kapitalismus – auch die sogenannte „rheinische“ Ausprägung – nicht auf die Erfüllung der Bedürfnisse der Menschen, sondern auf die Realisierung von maximalen Profiten abzielt. Die Voraussetzung dafür, dass das auch unter veränderten Verwertungsbedingungen funktioniert, haben die politischen Entscheidungsträger sowohl in der BRD wie in der EU, wie auch weltweit, durch Deregulierung, Privatisierungen und Umverteilung über die Steuerpolitik geschaffen. In der BRD wurde dies hauptsächlich durch die SPD/Grüne Bundesregierung durch die Agenda 2010, Hartz-Gesetze und steuerliche Entlastungen für Reiche und Konzerne betrieben und durch die nachfolgenden Regierungen verfestigt. Während man offiziell die heilenden Kräfte des Marktes beschwört, wird gleichzeitig konkrete Politik im Interesse von Konzernen und Reichen umgesetzt.

Selbst in Corona-Zeiten gibt es keine Beschneidung der Profitinteressen, um z. B. die Impfstoffverteilung zu beschleunigen oder der Industrie Auflagen z.B. im Sinne von mehr Nachhaltigkeit zu machen. Unnötige Güter dürfen ohne Pause weiter produziert werden, so z. B. in der Rüstungsindustrie. Egal wie hoch die Infektionen sind, die Wirtschaft muss weiter laufen. Deutlich wird dies auch in der milliardenschweren „Stützung“ von Konzernen wie Lufthansa, Adidas oder den in der Pandemie ermöglichten staatlichen Insolvenzverfahren, die es den Kapitalbesitzern ermöglichen, „ihre“ Firmen auf Staatskosten zu sanieren, auch wenn diese durch eigenes Verschulden lange vor der Pandemie in Schieflage geraten waren wie es z. B. bei Karstadt/Kaufhof der Fall gewesen ist. Nur wenn viel zusammen kommt, wie bei Tönnies und Co wird eingegriffen: brutale Ausbeutung, schlechte Wohnverhältnisse und hohe Infektionszahlen konnten in der Pandemie wohl nicht mehr ignoriert werden und zwangen die Regierenden zum Handeln.

Alternativen zu dieser Politik sind dringend nötig. Dazu bedarf es einer klaren Positionierung gerade von Gewerkschaften. Zusammen mit den sozialen Bewegungen können sie ein Motor für Veränderungen sein.  In unseren Thesen stellen wir unsere Vorstellungen zu den wichtigsten Fragen vor.

Die Corona-Pandemie macht es besonders deutlich: Gesundheit darf keine Ware sein!

Krankenhäuser haben die Aufgabe, Kranke wieder gesund zu machen. Über die Privatisierung und Steuerungsmittel wie die Fallpauschalen hat sich aber auch im Gesundheitswesen die kapitalistische Ökonomie durchgesetzt: alles muss sich rechnen. Deshalb will man selbst mit Kranken vor allem eins: Geld machen. Dieser Logik beugen sich auch die Krankenhäuser in öffentlich-rechtlicher oder kirchlicher Trägerschaft. Das Ergebnis sind Personalabbau, miese Bezahlung der Beschäftigten, medizinische Versorgung nur noch Just-in-Time, Krankenhausschließungen. In Pandemie-Zeiten bricht dieses heruntergefahrene System logischerweise zusammen. Nicht vorhergesehene (Notfall)-Situationen können Krankenhäuser nicht mehr stemmen. Regierungen beschließen die bekannten Lockdown-Maßnahmen, um das schlimmste (Triage) zu vermeiden.

Es müssen aber Schlussfolgerungen gezogen und die Ökonomisierung der Krankenhäuser, im Gesundheitswesen insgesamt rückgängig gemacht werden. Gesundheit gehört in gesellschaftliche Organisation, muss für alle da und kostenlos sein; die Beschäftigten selbst müssen gesunde Arbeitsbedingungen haben und entsprechend ihrer Herausfordernden und verantwortlichen Arbeit gut bezahlt werden.

Arbeitszeitverkürzung – so notwendig wie eh und je

Seit Gründung der organisierten Arbeiter*innenbewegung bestimmten drei Kernfragen den Klassenkampf:

  1. Kürzere Arbeit, um mehr vom Leben zu haben
  2. Höhere Löhne, um in Würde am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen
  3. Humanere Arbeitsbedingungen, um gesund durchs Leben zu kommen.

An diesen 3 Hauptaufgaben der Gewerkschaften hat sich bis heute nichts geändert. Nur die konkreten Forderungen haben sich in Nuancen verschoben.

Drehen wir die Forderungen in Fragen um, wird deutlich, worum es geht:

  • Warum gibt es nach über 150 Jahren noch immer keinen 8-Stunden-Tag für alle?
  • Warum können immer noch nicht alle abhängig Beschäftigten sich und ihre Familien ernähren und ein menschenwürdiges Dasein führen?
  • Warum erkranken immer noch Menschen durch unzureichende Schutz- und Vorbeugemaßnahmen am Arbeitsplatz?

Arbeitszeitverkürzung zu fordern heißt: 30-Stunden-Woche für alle. bei vollem Lohn- und Personalausgleich.

Ähnlich dem § 7 Bundesurlaubsgesetz müssen die abhängig Beschäftigten im Sinne einer Günstigkeitsklausel einen Anspruch auf Realisierung ihrer Arbeitszeitwünsche erhalten. Dabei ist gesetzlich eine Beweislastumkehr zu verankern, d.h. der Arbeitgeber muss beweisen, warum die Beschäftigtenwünsche betrieblich nicht realisierbar sein sollen. Allerdings zeigt die aktuelle Debatte um Homeoffice in der Pandemie auch das gewerkschaftliche Dilemma: Starke Gewerkschaften dürfen nicht betteln, sondern müssen selbstbewusst fordern!

Die Klima-Krise ist nicht mit kapitalistischen Mitteln zu bewältigen

Der Kohle-Ausstieg hat es deutlich gezeigt. Energie-Konzerne steigen aus der Umweltverschmutzung nur aus, wenn es sich für sie „rechnet“ oder sie staatlichen „Profitersatz“ als „Ausstiegsprämie“ bekommen. Gewerkschaften haben durch ihre Unterstützung der Energiekonzerne auch hier eine unrühmliche Rolle gespielt. Die Zustimmung zu dem viel zu späten Kohleausstieg bis 2038 widerspricht den Zielen des Pariser Abkommens von 2016 und bedeutet, dass RWE und Co weiter das Klima aufheizen, obwohl dieser dreckige Strom überhaupt nicht gebraucht wird.

Nicht nur bei der Energiegewinnung brauchen wir eine Wende. Auch in der Verkehrspolitik ist dies dringend erforderlich. Dazu muss die gesamte produzierende Industrie umgebaut werden: weg von der Produktion für den motorisierten Individualverkehr hin zur Produktion kollektiver Fahrzeuge wie Busse, Züge und Bahnen. Dazu braucht es eine Konversion der Automobilindustrie durch den Umbau der Konzerne zu Mobilitätskonzernen. Wir brauchen einen attraktiven Öffentlichen Personen Nah- und Fernverkehr, der allen Menschen kostenlos zur Verfügung steht. Wenn dies die Automobilkonzerne nicht leisten wollen, sind sie unter der Kontrolle der Beschäftigten und der Bevölkerung zu vergesellschaften. Massive Investitionen und Veränderungen insbesondere in den Bereichen Verkehr, Landwirtschaft, Wärmedämmung, regenerative Energiegewinnung sind erforderlich, um wenigstens die Pariser Klimaziele zu erreichen. Wie in der Energiewirtschaft und der Automobilindustrie muss es auch in der Landwirtschaft Veränderungen geben. Der Ökolandbau muss massiv ausgebaut und die Massentierhaltung beendet werden. Bei massiven Investitionen muss geklotzt werden, denn wir reden nicht mehr über ein besseres Leben, sondern über die Frage des Überlebens.

Umverteilung jetzt und radikal!

In den letzten 30 Jahren hat es eine gnadenlose Umverteilung von unten nach oben gegeben. Das ist nicht nur rückgängig zu machen, sondern umzukehren. Reiche und Konzerne sind massiv zu besteuern und staatliche Sozialleistungen sind Existenz sichernd zu erhöhen. Die Inanspruchnahme von z. B. Hartz IV darf nicht sanktioniert werden, d.h. der Wohlfahrtsstaat darf nicht Wohlverhalten voraussetzen und Armut fördern.

Die gesetzliche Rente ist so weit zu erhöhen, dass sie allen Empfänger*innen eine Existenzgrundlage sichert. Was an staatlichen Zuschüssen für die private Altersvorsorge einseitig an Versicherungskonzerne z.B. durch die Riester-Rente verpulvert wird, ist sofort einzustellen und in die gesetzliche Rentenversicherung umzuschichten. Der gesetzliche Mindestlohn ist sofort auf 15 € zu erhöhen. Kein arbeitender Mensch darf von staatlichen Aufstockungen abhängig sein.

Schuldenbremse ist ein Folterwerkzeug für alle Sozialstaatsansprüche

Die gegenwärtigen Schulden der BRD betragen rund 1,5 Billionen €. 2019 wurden 8,7 Mrd. € getilgt. Selbst wenn es gelänge, die Schulden um 10 Mrd. € jährlich abzubauen bräuchte es 150 Jahre bis zur „Verschuldung Null“. Allein dieses Rechenbeispiel zeigt, dass jegliche Diskussion um die Schulden, die „wir unseren Kindern nicht überlassen dürfen“ verlogen ist und allein als Disziplinierungsmittel dienen soll. Wenn die Regierung wegen der Schuldenbremse Kredite innerhalb kurzer Zeit (20 Jahre sind beschlossen) tilgen will, verzichtet sie auf jeden Handlungsspielraum bzw. will schon jetzt mit der Schuldenpeitsche die nächsten Sozialkürzungen begründen und vorbereiten. Die Schuldenbremse gehört abgeschafft; nicht irgendwann, sondern sofort und ohne wenn und aber.

Abrüsten ist das Gebot der Stunde

File:Worms- Bahnhofstraße- Kundgebung eines Streiks der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft („ver.di“) 26.5.2009.jpg

Die Bundesregierung ist dabei die Rüstungsausgaben zu verdoppeln, so als wäre mitten in der Corona-Krise nichts wichtiger. Die in der NATO beschlossenen zwei Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung bedeuten, dass unsinnige Aufrüstungsprojekte voran getrieben werden und die Kriegsgefahr erhöht wird. Im zivilen Bereich gibt es viel zu tun: nämlich in Personal für und Ausbau der Schulen und Kitas, sozialem Wohnungsbau, Krankenhäusern und Pflegeheimen, öffentlichem Nahverkehr, Kommunaler Infrastruktur, Alterssicherung, ökologischem Umbau, Klimagerechtigkeit und internationaler Hilfe zur Selbsthilfe zu investieren. In militärische Aufrüstung Geld zu verpulvern ist unannehmbar. Wer wirklich Frieden will gibt Geld in Konfliktprävention statt in Militär. Die Rüstungsindustrie löst keine Probleme, sondern will nur mehr Macht und maximalen Profit. Wir brauchen aber eine Politik, die Spannungen abbaut und gegenseitiges internationales Vertrauen aufbaut. Mit Russland oder China muss man Handel betreiben und verhandeln. Ohne Frieden ist alles nichts.

Erstes Opfer jeder Aufrüstung und jeden Krieges ist die Wahrheit. Wer glaubt, mit Aufrüstungsförderung könne man einen Friedensbeitrag leisten, muss von uns argumentativ bekämpft werden. Wir müssen aufzeigen, dass ihre irrationalen Feindbilder pure Ideologie sind. Kriege und Kriegsdrohungen verdunkeln unser Leben, bewölken unsere Gedanken und überziehen die Völker mit Hass und Hetze (Erich Fried). Kriegsopfer sind nicht nur die Toten, sondern alle, die vor Kriegen flüchten und denen notwendige staatliche Sozialleistungen vorenthalten werden.

Absage an jedwede/n Rassismus und Diskriminierung

Gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit und für eine solidarische und gerechte Politik zu streiten, ist auch in Zeiten der Pandemie eine gewerkschaftliche Selbstverständlichkeit. Wer finanzielle Einschränkungen erleiden und soziale Beschränkungen im menschlichen Miteinander erleben muss, kann verunsichert und wütend werden. Aber abgedrehten Verschwörungstheoretikern, „Reichsbürgern“, „Querdenkern“, rechten Gruppierungen oder der AfD hinterherzulaufen ist unentschuldbar und bedarf unserer radikalen Distanz und Antwort. Nie wieder einen Fußbreit den Faschisten!

Nicht nur die Politik der extremen Rechten wird von uns bekämpft. Auch die Migrationspolitik der EU und der Bundesregierung offenbaren eine zutiefst rassistische und inhumane Haltung. Das kapitalistisch organisierte Gesellschaftssystem ist auch Basis für Flucht und Migration. Konzerne im „reichen“ Norden beuten die Menschen und ihre Ressourcen in den „ärmeren“ südlichen Ländern der Welt hemmungslos aus. Kriege und Umweltzerstörungen sind Ergebnisse dieser Verhältnisse. Diese Politik löst primär die Fluchtbewegungen aus. Deshalb muss man die kapitalistischen Ursachen bekämpfen und nicht die Menschen, die darunter leiden.

Aus dem „Willkommens-Sommer“ 2015 ist heute eine Haltung des Abschottens und der Abschiebungen geworden. Das Asylrecht ist praktisch außer Kraft gesetzt worden. Das Mittelmeer wurde zur Todeszone, wo selbst das Retten durch ehrenamtliche Initiativen wie z.B. Sea Watch bekämpft und illegalisiert wird. Flüchtlinge werden z.B. in Läger in Libyen zurück gebracht, wo ihnen Folter, Vergewaltigung und schlimmstenfalls der Tod droht. Diese Politik übernimmt Inhalte der extremen Rechten, die ja in manchen Regierungen der EU-Länder maßgebend sind. Die ver.di-Linke NRW setzt sich für offene Grenzen ein und fordert die vollständige Wiederherstellung des Asylrechtes. Stopp der Abschiebungen!

Was lernen wir aus der Corona-Pandemie?

Die Corona-Pandemie verdeutlicht als Ausnahmezustand gesellschaftlicher „Normalität“ auf welche Menschen und Berufsgruppen es in einer solchen Krise wirklich ankommt. ver.di engagiert sich als konsequente Interessenvertretung abhängig Beschäftigter und hat erreicht:

  • eine 1.500-Euro-Prämie für Altenpfleger*innen,
  • einige tarifliche Aufstockungen des Kurzarbeitergeldes
  • eine gesetzliche Erhöhung des Kurzarbeitergeldes.

Damit wird denen gedankt, die durch ihre Arbeit dafür sorgen, dass aus der Krise keine Katastrophe wird. Das ist weit mehr als Beifall spenden aber dennoch: System infrage stellende Kommentare fehlen!

Während Erwerbslose, Geringverdienende, Minijobber*innen, Leiharbeiter*innen, Teilzeitbeschäftigte, Werkvertragsnehmer*innen und Soloselbstständige zu den Opfern der Krise gehören, sind sich umgekehrt Arbeitgeber nicht zu schade, längere Arbeitszeiten, kürzere Ruhezeiten und schlechtere Arbeitsbedingungen (alles in der Covid-19- Arbeitszeitverordnung erlaubt) als Modell für die Nach-Corona-Zeit als Standard zu fordern.

Progressive und klassenkämpferische Gewerkschaftsarbeit ist gefragt

Gewerkschaften versagen, wenn sie an Sozialpartnerschaft und Standortpolitik festhalten. Handlungsfähige Gewerkschaften müssen die Interessen ihrer Mitglieder vertreten anstatt in Kungelrunden ihre Hand für die Verabschiedung von Sozialabbau, Deregulierung und Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge zu reichen. Das gilt auch in Corona-Zeiten.

https://www.gewerkschaftsforum.de

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Grafikquellen   :

Oben        —        Parteitag der Linkspartei in Bonn. 2. Tagung des 6. Parteitages der Partei DIE LINKE, 22. und 23. Februar 2019, Bonn.

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Ein Linker Wahlvorschlag

Erstellt von DL-Redaktion am 16. Februar 2021

Antikapitalistische Kandidat*innen in den Parteivorstand

Quelle       :        AKL  

Wahlvorschlag aus der AKL

Demnächst wird der neue Parteivorstand der LINKEN gewählt.

Die Antikapitalistische Linke wirbt dafür, Kandidat*innen zu wählen, die sich konsequent für die Umsetzung des Parteiprogramms und einen ökologischen und sozialistischen Umbau der Gesellschaft einsetzen.

Der Kapitalismus befindet sich in einer tiefen Krise und DIE LINKE sollte nicht auf Regierungsbeteiligungen mit Parteien schielen, die Auslandseinsätze, Aufrüstung und Hartz IV verantworten, sondern aus der Opposition heraus Verbesserungen erstreiten und die Systemfrage stellen. Angesichts der Verwerfungen der Krise, die die Monopolisierung des Kapitals und obszönen Reichtum befördert, die Ausbeutung der Arbeiter*innen verschärft und immer mehr Menschen weltweit und auch in den reichen Industrienationen in die Armut treibt, brauchen wir mehr denn je eine Partei, die den Kapitalismus in Frage stellt und für eine sozialistische Gesellschaft im Interesse von Mensch und Natur eintritt.

Wir wünschen uns in dem Parteivorstand Mitglieder, die den Willen der breiten Mitgliedschaft ausdrücken und die Vorherrschaft der Parlamentsfraktionen zurück drängen, die in Gewerkschaften und sozialen Bewegungen verankert sind und Gegenmacht aufbauen gegen die Herrschaft des Kapitals.

Wir empfehlen Euch die Kandidat*innen der AKL Thies Gleiss und Inge Höger und darüber hinaus alle antikapitalistisch und bewegungsorientierten Genossinnen und Genossen. Kontaktiert uns gern, wenn ihr euch mit uns über unsere weiteren Wahlvorschläge austauschen wollt.

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Artikel und Foto von der AKL-Seite  übernommen!

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Neues von der Saar/Teil 2

Erstellt von DL-Redaktion am 6. Februar 2021

Angriffe auf die Überflieger Heinz Bierbaum und Oskar Lafontaine

File:Die Linke Flagge Fahne (12269637584).jpg

Aber, Sieger singen normal, besonders wenn es um Großmäulige Gegner geht. Also das Saarland möge es versuchen :
“ So sehn Sieger aus tralleralalla, so sehn Sieger aus tralletralalla.“

Von Jörg Fischer und Daniel Kirch

Thomas Lutze findet es gut, dass die „Pensionäre“ im Vorstand zurückgetreten sind. Selbst Oskar Lafontaine wird innerparteilich nicht mehr geschont.

Der Machtkampf bei den saarländischen Linken ist entschieden: Die Gruppe um Partei-Vize Andreas Neumann und den Bundestagsabgeordneten und Saarbrücker Kreischef Thomas Lutze hat sich durchgesetzt, ihre Gegner um die zurückgetretenen Landesvorstandsmitglieder Heinz Bierbaum, Leo Stefan Schmitt und Elmar Seiwert, die der Landtagsfraktion und Oskar Lafontaine nahestehen, haben sich resigniert von der Landesebene zurückgezogen.

Lutze begrüßte, dass Bierbaum, Schmitt und Seiwert ihre Posten aufgegeben haben. „Drei Pensionäre gehen in Rente. Gut so, das haben sie sich verdient“, erklärte Lutze. „Man kann vielleicht nicht jeden integrieren.“ Bierbaum warf er vor, dieser betreibe „Hinterzimmerpolitik“ und wolle „die Partei kaputt machen, weil er mit sich und seiner Rolle unzufrieden ist“. Erst sei er bei der Landtagsfraktion „rausgekegelt“ worden und jetzt nicht mehr im Bundesvorstand. „Da bleibt nur noch Nachtreten, und das noch gegen die Falschen.“

Quelle     :      Saarbrücker-Zeitung        >>>>>         weiterlesen


Neues von der Saar /Teil 1

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Grafikquellen     :

Oben    ––      Demonstration gegen die Sichtheitskonferenz 1.2.2014 – München

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Bundestagswahl : 2021

Erstellt von DL-Redaktion am 1. Februar 2021

Angela Bankert fordert Sahra Wagenknecht heraus

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Gewerkschafterin aus Köln kandidiert für Platz 1 der Landesliste NRW

Quelle       :      Scharf  —   Links

Von Edith Bartelmus-Scholich

Am frühen Samstagabend (24.1.21) meldete die überregionale Presse, dass Sahra Wagenknecht wieder über die Landesliste NRW in den Bundestag einziehen möchte. Wenige Stunden vorher hatte der Landesvorstand des größten Linkspartei-Landesverbands mit 15 von 25 Stimmen (60%) diese Absicht Wagenknechts begrüßt.

Am Montagmorgen (26.1.21) war klar, dass Wagenknecht nicht kampflos die Spitze der Landesliste NRW übernehmen wird. Den Funktionsträger*innen der Partei DIE LINKE. NRW ging die Bewerbung von Angela Bankert für Platz 1 der Landesliste zu.

Die Kölnerin Angela Bankert gehört dem Kreisvorstand des mitgliederstärksten Kreisverbands der LINKEN in NRW an und engagiert sich in der Verkehrspolitik. Sie ist vor kurzer Zeit aus hauptamtlicher Gewerkschaftstätigkeit (GEW, Ver.di) in den Ruhestand gewechselt. Diesen füllt sie mit Bewegungsaktivitäten in ihrer Heimatregion. In der Partei ist die Antikapitalistin tief verankert; sie stieß schon 2004 zur WASG und gehörte dort zeitweise dem Landesvorstand an.

Angela Bankert steht für eine internationalistische Linke, die solidarisch zu Geflüchteten verhält und die rechten Massenbewegungen linke Alternativen entgegensetzt. So heißt es in ihrer Bewerbung: Ich stehe gegen Rassismus, Nationalismus, Militarismus und EU-Imperialismus. Das Europa der Finanzakteure und Konzerne zeigt u.a. an seinen Grenzen, welche Werte es vertritt. Ich stehe ohne Wenn und Aber für die Aufnahme von Geflüchteten, solange die Politik der Umweltzerstörung, des Militarismus und Imperialismus die Lebensgrundlagen von Menschen zerstört und sie zu Migration zwingt. Nicht die Geflüchteten verursachen schlechte Löhne, Niedrigrenten oder zu teure Wohnungen. Vielmehr sind das Folgen politischer Entscheidungen, gegen die wir den gemeinsamen Kampf organisieren müssen.“  Bankert möchte breiten Schichten der lohnabhängigen Menschen eine Stimme verleihen und gleichzeitig deren politische Selbsttätigkeit unterstützen. Die Corona-Krise erfordert nach ihrer Auffassung eine Abkehr von der Profitwirtschaft hin zu einer ökosozialistischen Wirtschaftsform. Zur Durchsetzung von Forderungen setzt sie auf den Aufbau von gesellschaftlicher Gegenmacht.

Der Kontrast zu den Positionen, die Sahra Wagenknecht öffentlich vertritt, ist augenfällig. Wagenknecht wird auch in der LINKEN NRW für ihre Positionen in der Migrationspolitik heftig kritisiert. Generell bemängeln große Teile der Landespartei, dass Wagenknecht öffentlich die Positionen der Partei kritisiert, und  dass sie erwartet, dass die Partei, die von ihr kritisierten Positionen revidiert. Ihre Abkehr von einem linken Internationalismus und ihre Verfolgung eines nationalistisch-populistischen Kurses wird von der  Mehrheit der Mitglieder nicht geteilt. Ferner gilt Wagenknecht als basisfern und scheut Zusammenarbeit und Debatten auf Augenhöhe mit den gewählten Gremien der Partei.

Angela Bankert hingegen unterstützt das Konzept einer aktiven, bewegungsorientierten Mitgliederpartei mit demokratischer Kontrolle der Parlamentsfraktionen durch die Partei.

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Grafikquellen      :   „Bunte Westen“ protest in Hanover, 16th february 2019

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Aus dem Paradies vertrieben

Erstellt von DL-Redaktion am 1. Januar 2021

Gewerkschaften und Rechtspopulisten

Hannelore Kraft (SPD), Ministerpräsidentin NRW (10582824444).jpg

von Thomas Gesterkamp

Vor allem männliche Arbeiter sympathisieren mit rechten Parteien. Die Gewerkschaften ignorieren das Thema.

Der kalifornische Stadtsoziologe Mike Davis machte schon 2004 auf eine politische Verschiebung in den Vereinigten Staaten aufmerksam. Als John Kerry gegen George W. Bush verlor, belegte er das am Beispiel von West Virginia. In den Appalachen, die die liberale Ostküste vom konservativen „Bible Belt“ trennen, liegt das Zentrum des einst wichtigen Kohlebergbaus – in Europa vergleichbar mit dem Ruhrgebiet, der belgischen Wallonie, Oberschlesien oder Südwales.

West Virginia, analysierte Mike Davis, war in den Vereinigten Staaten lange eine Domäne der Demokraten, doch plötzlich gewannen die Republikaner mit einem Vorsprung von über 10 Prozent. Der Hype um Barack Obama überdeckte den Trend vorübergehend, bei der Wahl von Trump 2016 aber stimmten die altindustriellen Bundesstaaten wieder rechts. Joe Biden, der Kandidat der Demokraten, hat das jetzt vier Jahre später trotz seines Siegs nur ansatzweise stoppen können.

Auch Ohio, Pennsylvania oder Michigan haben von dem Boom im Silicon Valley und anderswo wenig profitiert. Dort und erst recht im konservativen Süden wohnen die Rednecks, wie sie von den intellektuellen Eliten der Küstenregionen verächtlich bezeichnet werden. „Angry white men“ nennt sie der US-Geschlechterforscher Michael Kimmel.

Durch den Wandel zur Dienstleistungsökonomie ausgestoßen aus „ihrer“ Welt machen sie Feministinnen, Homosexuelle, Politiker oder Richterinnen für den Verlust von Privilegien verantwortlich. Die patriarchalen Dividenden sind aufgebraucht, die Arbeiter vertrieben aus dem Paradies vergangener Jahrzehnte.

Donald Trump, obwohl selbst keineswegs deklassiert, traf den Ton dieses Milieus. Die treuesten Anhänger des abgewählten Präsidenten waren und sind weiße Männer mit herkömmlichen Rollenmustern. Akademische Genderdebatten ignorieren sie, fühlen sich aber dennoch diskriminiert: durch Quoten und „affirmative action“, durch staatliche oder betriebliche Programme, die Frauen und Schwarzen bessere berufliche Chancen verschaffen wollen.

„Not am Mann“

Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung spricht von der „Not am Mann“, die internationale Forschung vom „double loser“, vom doppelten Verlierer, der weder eine gesicherte Arbeit noch eine feste Partnerin findet.

Arlie Russell Hochschild, Soziologin aus Berkeley, präsentiert in ihrer Untersuchung „Fremd im eigenen Land“ die Ergebnisse von Feldstudien aus der Kleinstadt Lake Charles in Louisiana. New Orleans wurde nach dem Wirbelsturm „Katrina“ überflutet, die petrochemische Industrie am Golf von Mexiko verschmutzt die Umwelt wie nirgendwo sonst in Nordamerika – dennoch leugnen die meisten der von ihr Befragten den Klimawandel. Ähnliche Mentalitäten lassen sich in abgeschwächter Form in der Bundesrepublik Deutschland beobachten.

In der vom Braunkohletagebau geprägten Lausitz ist die Alternative für Deutschland (AfD) längst Volkspartei. Fast die Hälfte der Arbeiter stimmten bei der Landtagswahl in Brandenburg für sie, in Thüringen waren es knapp 40 Prozent.

Doch auch das westliche und saturierte Baden-Württemberg, in dem im kommenden Jahr gewählt wird, ist eine Hochburg der Rechtspopulisten – nicht zuletzt dank der Facharbeiter mit Gewerkschaftsbindung, die in der Autoindustrie oder ihren Zulieferbetrieben beschäftigt sind.

Bild der Warteschlange

Quelle        :        TAZ-online         >>>>>        weiterlesen

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Oben           —      Protestkundgebung beim Arbeitnehmerempfang der Landesregierung in Hamm, Datum/Uhrzeit: 22.04.2013 17:46:55

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Erklärung zur Klärung

Erstellt von DL-Redaktion am 15. Dezember 2020

 von  Erklärungen der AKL in NRW

2019-04-11 Plenum des Deutschen Bundestages-9706.jpg

Quelle:    Scharf  —  Links

Von Dieter Braeg

Nach der Bedienungsanleitung, heute meist in Deutschchinesisch gehalten, schuf der Unverantwortlich Verantwortliche für diese Welt das Wort Erklärung.  Erst 1484 Jahre nach der Geburt des unbefleckt Empfangenen entdeckte Mensch in Magdeburg  das Wort „erclerung“, das ab 1542 in der heutigen Schreibweise sein Unwesen treibt und nun sogar die AKL in NRW animiert, etwas zu erklären was man anscheinend weder aussagen, behaupten oder beweisen kann.

Unter der Überschrift „Frischer Wind in den Bundestag“ wird nun, neben der Schneekanone, die in den Höhenlagen Europas für jenen Schnee sorgt, der diesen Winter dank Corona und Söder nur von einigen bekloppten Profiskiläuferinnen und Läufern benutzt werden wird, die Windkanone im Bundestag eingeführt. Soll sie da für Hirndurchlüftung oder gar gesellschaftsverändernde Beschlüsse sorgen, die die Arbeitszeit endlich auf 12 Stunden täglich ausweiten lässt, Betriebsräte und deren Wahl immer unmöglicher macht und notwendige Tarifbindungen außer Kraft setzt. Dazu noch ein Unfallförderungsgesetz, das den Coronavirus in der Produktion ungehindert wüten lässt.

„Die Linke tritt“ heißt es am Anfang dieser Erklärung. Im nächsten Satz ist sie „angetreten“ wo bleibt denn da die Marschmusik? Ja, der Kapitalismus ist in eine tiefe Krise geraten, aber wird nicht, etwa in Berlin mit einer ROTrotGrünen Koalition alles getan, um ihn, zusammen mit den „linken“ Helfershelferinnen und Helfern zu reparieren?  Da hilft doch ein Dialog auf Augenhöhe, ein regelmäßiger demokratischer Austausch mit den sozialen Bewegungen und den Kreis- und den Landesverbänden, für die die zukünftigen Abgeordneten kandidieren nicht, denn er hat für jene Parlamentarierinnen und Parlamentarier gesorgt, die jetzt im Bundestag/Landtag NOCH kritische Reden schwingen, sich aber dort, wo sie mitregieren nicht an die  Grundlagen  des gemeinsam verabschiedeten Parteiprogramm halten, das auf Parteitagen beschlossen wurde,  auf denen die Mehrheit  der bezahlten Parteibürokratie bestimmt. Oder sind im Bundestag Frauen und Männer vertreten, die vor ihrem Mandat prekär beschäftigt waren, oder mit HartzIV leben mussten?

Die Forderung die krisenhafte Entwicklung durch Arbeit in den Parlamenten mit Abgeordneten zu realisieren, die nicht an ihren Sesseln kleben, zu verhindern, bleibt Illusion. Derzeit liegt eine LINKE komplett am Boden und außerparlamentarisch findet derzeit ein unglaublicher Rechtsruck statt – angetrieben durch eine “Querdenker“strategie, die jene Bevölkerungsteile mobilisiert, die schon immer dem nationalistischen und fremdenfeindlichen Lager nahestanden.

Wo bleibt und blieb da eine außerparlamentarische Bewegung an deren Spitze LINKE und Gewerkschaften stehen müssten? Da hilft keine Erklärung. Außerdem werden, so ist zu vermuten, kaum jene Frauen und Männer in NRW zu Bundestagsmandaten kommen, die im Sinne dieser „Erklärung“ agieren. Sahra Wagenknecht bekommt doch einen sicheren Platz, obwohl bei ihr die 8-Jahre Frist schon längst abgelaufen ist. Ein Bundestag in dem in seiner Zusammensetzung nicht die Interessenslagen aller Teile einer Gesellschaft vertreten wird, sondern der in Mehrheit aus Beamtinnen und Beamten und Vertreterinnen und Vertretern des „gehobenen“ Bürgertums besteht, von dem  ist nur eine Veränderung im Sinne des Kapitals zu erwarten.

Die Linke Weltpremiere Der junge Karl Marx Berlinale 2017.jpg

Der frische Wind der LINKEN wird da wohl eher ein zaghaft laues Lüftchen bleiben!

Wenn ich nun schon die Tastatur plage, was bitte hat in dieser feinen linken Onlinezeitung die Familie Porsche verloren, samt „Eisrennen“ in Zell am See? Derartige Buchbesprechungen bedürfen inhaltlich auch einer Klärung, nicht Erklärung. Oder wird die Arbeiterklasse demnächst „Eisrennen“ als Hobby betreiben? Ja, eine Definition des Wortes „Erklärung“ ist schwierig, da mit der Zufriedenheit des Adressaten ein sich der Definition entziehender Faktor im Spiel ist.

Ich hab mich mal umgehört, die notwendige „Frischluftmaschine“ die für frischen Wind vom Kommunalparlament bis zum Bundestag sorgen soll, wird nicht mehr hergestellt.

Frohe Botschaft – irgendwann folgt digitaler Ersatz! Bis dahin eine Feststellung, keine Erklärung:

In krisen wie diesen

will das kapital

mit hilfe konservativer meuten

das volk noch mehr ausbeuten

in krisen wie diesen

sitzen  auch sozialisten

auf ihren ärschen

scheinbar nur

um zu herrschen

in krisen wie diesen

sehnen sich unbelehrbare

nach einem neuen starken mann

der als tyrann

für sklavische ordnung sorgen kann

in krisen wie diesen

ist es um den sozial schwachen

egal was er wählt

schlecht bestellt

in krisen wie diesen

werden vor allem

hilflose proleten

zur kasse gebeten

in krisen wie diesen

ist den sozialdemokraten

dringendst anzuraten

statt vertröstungssätzen

taten zu setzen

denn in krisen wie diesen

ahnt schon jedes kind

daß sie nur das geringste übel sind.

Gebet der Bundestagsabgeordneten

O Weisheit, rüste mich mit Kraft,

dass meine Stimm mir Nutzen schafft

auf meinem Konto, Schul’ und Staate;

und da mein Wissen Stückwerk ist,

so gib, dass ich zu aller Frist

das beste – wenigstens errate….

Dieter Braeg

Frischer Wind in den Bundestag – 09-12-20 20:57

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Grafikquellen        :

Oben       —       Abstimmung im Plenum des Deutschen Bundesatges am 11. April 2019 in Berlin.

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Verlorene Generationen

Erstellt von DL-Redaktion am 18. November 2020

Die verlorenen Generationen der 80-ger Jahre

Ein Beitrag von Jimmy Bulanik

Die Epoche des so bezeichneten Strukturwandels im negativen Sinne muss zeitnah enden. Sie dauert bereits viel zu lange. Sichtbar wurde dies in der Mitte der achtziger Jahre.

Damals wurde am Weststreifen zwischen der Bundesrepublik Deutschland, dem Königreich Belgien, Luxemburg, Frankreich bis hin zur Schweiz betroffen. Dies traf viele Millionen von Menschen. Die Menschen in der Schwerindustrie beispielsweise.

Die Eheleute wurden unmittelbar betroffen. Erschwerend die Kinder. Gerade wenn es deren Lebensqualität tangiert und deren Versuche des sozialen Aufstieg.

Sie waren und sind in der Armut gefangen. Mit der angeblichen falschen Postleitzahl, der angeblich falschen Stadtteil, der angeblich falschen Straße. Bei machen obendrein noch die falschen Nachnamen wenn diese nach einer anderen Abstammung klingen.

Die Armut hat sich durch die Zeit erweitert. Weitere Generationen wurde in die Verelendung geboren. Auch Betriebe welche in der ökonomischen Verkettung gearbeitet haben wurden getroffen.

Ganze Stadtteile und Kommunen wurden schwer getroffen. Die Politik und die Betriebe glänzen durch Untätigkeit. Den Menschen in diesen Lebensräumen wurde keine neue Industrien als Ausgleich gegeben.

Die öffentliche Daseinsvorsorge als ganzes nahm sichtbaren Schaden. Der Wohnungsmarkt und der Arbeitsmarkt ist seitdem nicht mehr funktional. Was ganz unmittelbar die Millionen von Menschen in mehreren Ländern betroffen hat, ist die Entwertung der humanen Wertschöpfung per Räson.

Die Gesellschaft des Mittelstandes wurde immer weiter abgebaut. Dadurch auch die Betriebe für den Mittelstand. In der Bundesrepublik Deutschland können als Beispiel „Karstadt“, „Tengelmann“, „Neckermann“ benannt werden.

In den öffentlichen Stadtbildern entstanden überall Discounter bis hin zu Restposten Geschäfte. Im Laufe der Jahre gingen alle Segmente einer Gesellschaft zu diesen Discounter Betriebe einkaufen. Die Sicherheit in der Öffentlichkeit veränderte sich bemerkbar negativ.

Die Menschen mit ihrer gedemütigten Menschenwürde mussten ohnmächtig Phänomene konstatieren. Diese haben sie nicht verursacht. Darunter kann benannt werden Zusammenbrüche bei Kreditinstitute, die Börsen der Welt, Kapitalverbrechen in Form von Terror. Daraus entstanden heiße Kriege.

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Jede wirksame Investition durch die Politik und Wirtschaft ist in den sozialen Frieden ist sinnig

Trotz der Europäischen Union innerhalb des Europäischen Kontinentes als auch außerhalb. Die Schattenseiten der Globalisierung traf die Menschen erschwerend. Die politische Landschaften veränderten sich weltweit negativ.

Neue, rechtsextreme Organisationen nutzen die Gesamtlage als Geschäftskonzept. Die Stimmung in den Ländern wurden vergiftet. Die Gewalt der extremen Rechten betraf auch konservative Politiker.

Ob verbale Angriffe, der Versuche von Kapitalverbrechen wie Mord als auch vollendete Kapitalverbrechen wie Mord an Politiker. Das was eine Gesellschaft noch etwas zusammengehalten hat sind funktionale Organe in der Rechtspflege. Doch Menschen in der Justiz sind nicht für das Schreiben von besseren Gesetzen verantwortlich.

Was die Menschen auf internationaler Ebene brauchen sind Vernunft in der Ökonomie und Politik. Eine Räson welche sich auszeichnet durch Ökologie, sozialer Gerechtigkeit. Die bereits bekannten Ausmaße der Gegenwart haben die Größenordnungen und Auswirkungen von Kriegen.

Deshalb braucht es die Erhebung der Lebensqualität. Die notwendigen Maßnahmen sind auch jene wie nach einem Aufbau wie nach einem Krieg. Investitionen sind notwendig.

Faktisch ist Europa ein Ort für Baustellen. Dabei sollte allen Menschen bekannt sein das die Politik es braucht das die Zivilgesellschaft sich bemerkbar macht. Auch mit der Ökonomie muss dahingehend Kommunikation aufgenommen werden.

Die Botschaft muss darin lauten das die Menschen mit ihrer Würde und Wertschöpfung im Zentrum stehen. Es gibt bereits auf dem Globus zu viele verlorene Generationen. Die Zukunft ist von Herausforderungen geprägt.

Darin gibt es nichts zu verschwenden. Über die Profite hinaus geht es in der Zukunft um die eigene Rolle in der Welt. Damit verbunden ist ob wir in einer tatsächlichen sozialen Marktwirtschaft oder demokratisch verfassten Land leben werden.

Die Zukunft ist offen und wird das werden, was wir in der Gegenwart daraus gestalten. Dies darf die Zivilgesellschaft als auch demokratische politische Parteien in den Verfassungsorganen als Auftrag verstehen. Es gibt viel gutes zu Gewinnen.

Nützlicher Link im Internet:

Ludwig von Beethoven, 9. Sinfonie – Ode an die Freude

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Grafikquellen  :

Oben        —       Sorry Day poster

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Unten       —        Camp in front of Old Parliament House for Apology to the Stolen Generations

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Deutschland in der EU

Erstellt von DL-Redaktion am 17. November 2020

 Führender Arbeits-Unrechts-Staat

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Quelle        :        NachDenkSeiten

Von  Werner Rügemer

In seinem jetzt veröffentlichten Buch „EU-Imperium: ArbeitsUnrecht, Krise, neue Gegenwehr“ schildert Werner Rügemer die Organisation des ArbeitsUnrechts in der EU seit den Vorstufen in den 1950er Jahren (Montanunion, EG, EWG): Akteure wie Jean Monnet (US-Banker, bis heute gefeierter „Gründervater Europas“), Walter Hallstein (NS-Jurist, erster Präsident der Europäischen Kommission), Jean-Claude Juncker (Regierungschef der größten Finanzoase in der EU, Kommissionspräsident), Grundlagentexte, Richtlinien, Subventionspraktiken, Gerichtsurteile, Komplizenschaft und Vollzugsdefizite in Justiz und Kontrollbehörden. Im Vorwort geht Rügemer auf den Klassencharakter der vorherrschenden Ideologie ein. Im 2. Teil des Buches schildert Rügemer weithin unbekannte Formen sowohl des ArbeitsUnrechts wie auch neuer Gegenwehr in einem Dutzend EU-Mitglieds-, Anwärter- und assoziierter Staaten wie Spanien, Kroatien, Ungarn, Polen, Litauen, Österreich, Skandinavien, Schweiz und Nordmazedonien. Die NachDenkSeiten veröffentlichen das Kapitel über Deutschland als führenden ArbeitsUnrechts-Staat in der EU.

Der deutsche Arbeitnehmer: fremdbestimmt, persönlich abhängig

Die Bundesrepublik Deutschland entwickelte sich ab 1990 durch die Übernahme der ehemaligen DDR zum führenden ArbeitsUnrechts-Staat in der EU.

„Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet.“ So heißt es im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) § 611a Arbeitsvertrag.

Ist das deutlich genug? Sozialpartnerschaft? Freiheit? Nein. Wenn es rechtlich und täglich im kapitalistischen Unternehmen hart auf hart kommt, entpuppt sich der Kern: Der „Arbeitnehmer“ ist „fremdbestimmt“, „weisungsgebunden“ und „persönlich abhängig“, arbeitet „im Dienste eines anderen“.

Grundgesetz: Tierschutz ja, Arbeitsschutz nein

Das Grundgesetz 1949 der Bundesrepublik Deutschland fiel hinter Arbeits-Standards zurück, die in Deutschland nach dem 1. Weltkrieg erreicht worden waren. Im Grundgesetz fehlen alle Bestimmungen aus der Weimarer Verfassung zu Gewerkschaftsrechten, Betriebsräten, Meinungsfreiheit im Unternehmen, gleicher Lohn für Frau und Mann. Hinsichtlich des Arbeitsrechts ist also die Behauptung, das Grundgesetz habe sich an der Weimarer Verfassung orientiert, eine Lüge.[1] Später wurden zeitgeistig-populistisch Umwelt- und Tierschutz aufgenommen, aber nicht der Schutz der Arbeitenden am Arbeitsplatz.[2]

Wirtschaftsverfassung: Feige und rechtsbrüchig ausgeklammert

Die nach dem Krieg von Gewerkschaften und auch der britischen Militärregierung geforderten Wirtschaftskammern, in denen Unternehmer und Beschäftigte gleichberechtigt vertreten sein sollten, wurden von den USA abgelehnt. Aus Feigheit wurde das Thema im Grundgesetz ausgeklammert. 1956 beschloss die Adenauer-Regierung das Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern. Alle Unternehmen, auch die allerkleinsten, sind Zwangsmitglieder: Zwangsbürokratie ist also mit „freier Marktwirtschaft“ vereinbar. Gleichzeitig bleibt die große Mehrheit der in Industrie- und Handel Tätigen, die abhängig Beschäftigten, ausgesperrt. Das Gesetz war als vorläufig gedacht. Die endgültige Regelung sollte später kommen – aber feige und rechtsbrüchig haben alle Bundesregierungen dies verhindert. So gilt die Vorläufigkeit auch 64 Jahre später immer noch: Eine ewige Vorläufigkeit. Unrechts-Staat.[3]

Keine Entschädigung für Zwangsarbeiter

Die Bundesrepublik machte sich zum Nachfolgestaat des NS-Staates. Aber zu Entschädigungen für die Millionen Zwangsarbeiter und zur Rückgabe von arisiertem Eigentum – im Grundgesetz kein Wort. Arisiertes Eigentum wurde nur in wenigen und nur in individuellen Einzelfällen zurückgegeben oder teilweise entschädigt, aber vor allem nicht bei großen Unternehmen. Zudem hat nur Druck aus dem Ausland dies bewirkt. Arisierte Kunst steht immer noch in deutschen Museen, meist versteckt im Depot.

Verfassungsbruch mit der Ex-DDR

Laut Einigungsvertrag von 1990 muss die Bundesrepublik ein einheitliches Arbeitsgesetzbuch beschließen. Ein solches gab es in der DDR, während die BRD die Arbeitsrechte auf drei Dutzend verschiedene, zu verschiednen Zeiten und Bedingungen beschlossene Arbeitsgesetze verstreut hatte (Betriebs-Verfassungs-Gesetz/BetrVG, Mitbestimmung, Kündigung, Arbeitszeit, Behinderung, Hartz I bis IV…) und immer noch hat. 30 Jahren später gibt es das Arbeitsgesetzbuch immer noch nicht. Und die abhängig Beschäftigten im eroberten Gebiet Ostdeutschland werden immer noch schlechter bezahlt als in Westdeutschland: Mit Qualifikation, mit Arbeitsleistung und mit Gleichheit vor dem Gesetz hat das nichts zu tun: Ostdeutschland ist eine modernisierte Kolonie innerhalb Deutschlands. Ebenso sind die über eine Million Beschäftigten kirchlicher Unternehmen sowie Beamte von allgemeinen Arbeitsrechten ausgenommen.

Die Vier Hartz-Gesetze: Verrechtlichtes ArbeitsUnrecht

Deutschland führt in der EU bei der Verrechtlichung des ArbeitsUnrechts. Dies begann systematisch ab 2004 erneut mit den vier Hartz-Gesetzen zu Niedriglohn-, Teilzeit- und befristeten Jobs, zu erweiterter Leiharbeit, dann zum noch niedrigeren Status des Werkvertrags. Dazu gehört die drastische Bestrafung der Arbeitslosen bis hin zum Entzug des Arbeitslosengeldes, verbunden mit dem Zwang, auch schlecht bezahlte und weit entfernte Arbeit anzunehmen, selbst wenn sie nur kurzfristig ist. Unter der Arbeitsministerin von der Leyen wurde den Arbeitslosen noch der Beitrag zur Rente gestrichen. Deutschland schuf so den größten ArbeitsUnrechts-, Niedriglohn- und Niedrig-Rentensektor in der EU.

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Namensgeber Peter Hartz war SPD-Mitglied und Funktionär der IG Metall. Er leitete im Auftrag der SPD-geführten Bundesregierung die Kommission, die mit McKinsey die Hartz-Gesetze entwarf. Im Vorstand des VW-Konzerns hatte Hartz mithilfe systemischer Korruption der Betriebsratsspitze die Niedriglöhnerei im Autokonzern eingeführt.[4]

Die Regelungen wurden in andere EU-Staaten wie Frankreich, Belgien, Spanien, Italien, Griechenland und Osteuropa übernommen.[5]

Die Amerikanisierung der Arbeitsverhältnisse

Die Hartz-Gesetze waren am US-Vorbild des job orientiert:[6] Freie Verfügung des Unternehmers über die abhängige Arbeitskraft, „fremdbestimmt, persönlich abhängig, im Dienste eines anderen“ (BGB).

Seit den 1970er Jahren haben extrem gewerkschaftsfeindliche US-Unternehmen wie UPS und McDonald’s die Bundesrepublik als Einstiegs-Standort für ihre Expansion in der EU genutzt. Kein anderer EU-Staat hat in solchem Umfang wie die Bundesrepublik die professionelle Dienstleistung des Union Busting – Verhindern und Behindern von Betriebsräten – aus den USA übernommen. US-Kanzleien wie Allen & Overy, Hogan Lovells, Freshfields und DLA Piper unterhalten dazu in Deutschland eigene Abteilungen, deutsche Kanzleien wie CMS Hasche Sigle und Kliemt&Vollstädt übernahmen die Methoden.

Mindestlohn, Überstunden: Millionenfach nicht bezahlt

Deutschland führte als der letzte wichtige EU-Staat den gesetzlichen Mindestlohn ein, zudem im Verhältnis zur Kaufkraft in niedriger Höhe. Und zudem lassen es Justiz und Regierungen zu, dass der Mindestlohn von Unternehmern millionenfach nicht gezahlt oder unterlaufen wird, straflos. Auch die etwa eine Milliarde unbezahlte Überstunden pro Jahr können sich die Unternehmer straflos als jährliches erpresstes Milliarden-Geschenk aneignen.[7]

Führend bei der Benachteiligung von Frauen

Trotz bzw. wegen des modischen Hypes für „Frauenrechte“ und der Aushängefigur der weiblichen Regierungschefin sind Frauen im deutschen Arbeitsleben besonders benachteiligt. Sie bilden die große Mehrheit der prekär Beschäftigten und der erzwungen Unter-Beschäftigten (unfreiwillige Teilzeit-Arbeit und Arbeit auf Abruf).

Bei der Ungleichheit der Arbeitseinkommen stehen deutsche Frauen mit 20,5 Prozent niedrigerem Einkommen an 26. Stelle der 28 EU-Staaten; nur in Tschechien und Estland sind die Frauen-Einkommen noch niedriger.[8]

Ebenfalls liegen deutsche Frauen beim Anteil in Führungspositionen nur im unteren EU-Drittel.[9]

Deutschland: Der „Schweinestall Europas“

Das verrechtlichte ArbeitsUnrecht ist offen hin zu verschiedenen Formen der Kriminalität, wie sich beim straflosen Nichtbezahlen des niedrigen Mindestlohns zeigt. Deutschland wurde mit EU-Beihilfen zum Führungsstaat bei der Mehrfachausbeutung von Fleischarbeitern: Betrügerische Werkverträge (gefakete Leiharbeit); gesundheitsschädigende Arbeitsbedingungen; unbezahlte Überstunden; Abzüge für Vermittlungskosten, Fehlverhalten, Transporte und überhöhte Mieten (Mietwucher): modernisierte Sklaverei. Die Betroffenen bleiben angstvoll stumm und wagen nicht, vor Gericht zu gehen.

Politische Trüffelschweine

Bis zu 80 Prozent der Beschäftigten sind Werkvertragler. Marktführer Tönnies bezog sie aktuell von mindestens 12 verschiedenen Vermittlern. Die Arbeiter kommen aus den durch die EU verarmten Staaten: Hohe Arbeitslosigkeit, niedrigste Niedrig- und Mindestlöhne, in Moldau 200 Euro im Monat. Sie kommen oft für zwei, drei Jahre, dann werden sie erschöpft ausgetauscht.[10]

So rückte Deutschland zum „Schweinestall Europas“ auf, wie die Unternehmer-Postille Handelsblatt schrieb.[11] Deshalb gründeten die Schlachtkonzerne Vion aus den Niederlanden und Danish Crown aus Dänemark im führenden ArbeitsUnrechts-Paradies große Schlachthäuser – zuhause sind die deutschen Praktiken verboten. Deutschland, von der EU gefördert, zog das ArbeitsUnrecht an und wurde nach den USA der größte Exporteur von Billigfleisch.

Minimaler Gesetzesvollzug: Nur 1,3 Prozent Betriebsräte

Eine andere Form des verrechtlichten Unrechts ist die massenhafte Nicht-Umsetzung von Gesetzen, wie schon beim Mindestlohn. „Mit in der Regel mindestens 5 ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern werden Betriebsräte gewählt“ heißt es in § 1 des BetrVG. In Deutschland gibt es 2,16 Millionen Betriebe mit über 10 Beschäftigten: Wenn wir diese zugrundelegen (und nicht schon die Betriebe ab 5 Beschäftigten), dann stellen die 26.000 bei der letzten BR-Wahl im Jahr 2018 zustande gekommenen Betriebsrats-Gremien[12] lediglich 1,3 Prozent dar.

Vor allem in der Auto- und Pharmaindustrie werden die Betriebsrats-Vorsitzenden durch hohe Managergehälter korrumpiert (Siehe das Hartz-System bei VW). Und eine hochbezahlte Union Busting-Dienstleistungsbranche ist auf die Be- und Verhinderung der anderen, kämpferischen Betriebsräte angesetzt. So bleibt vom guten Gesetz wenig übrig.

Die Be- und Verhinderung von Betriebsräten durch Unternehmer und ihre Beauftragten ist nach § 119 BetrVG eine Straftat: Sie steht einsam an der Spitze der von der Justiz nicht verfolgten Straftaten.[13] Das BetrVG unterliegt einem ähnlichen Vollzugsdefizit wie der sexuelle Missbrauch in der (systemrelevanten) Katholischen Kirche.

Keine Meinungsfreiheit für abhängig Beschäftigte

In den Unternehmen herrscht keine Meinungsfreiheit, sondern erpresstes Schweigen. Auch Whistleblower (Hinweisgeber) haben keinen Schutz, ein Gesetz dazu existiert in Deutschland trotz jahrzehntelanger Forderungen immer noch nicht.

Selbst wer gerichtsfest belegte Betrügereien der Geschäftsführung an die Staatsanwaltschaft meldet, kann rechtskonform wegen Störung des Betriebsfriedens gekündigt werden. Vor den Arbeitsgerichten gilt hier „der Schutz von Geschäftsgeheimnissen“ und die obrigkeitsstaatliche „Treuepflicht des Arbeitnehmers“.[14]

Die Bundesrepublik ist der einzige EU-Staat, der 1972 mit einem formellen „Radikalenerlass“ 3,5 Millionen öffentliche Angestellte – oder solche, die es werden wollten – durch den Inlandsgeheimdienst wegen vermutetem „Linksextremismus“ überprüfen ließ, 1.250 Personen nicht in den öffentlichen Dienst übernahm und 250 entließ. Das gegenteilige Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte wird in Deutschland nicht beachtet.

Aufbrüche gegen Ausbeutung und Entrechtung

Deshalb sind bisher Aufbrüche in größerem Umfang und mit längerfristiger Wirkung kaum möglich. Wichtige Ansätze sind etwa die konzentrierten, von verdi organisierten, auch internationalisierten Kämpfe gegen den Gewerkschaftshasser Amazon[15] und die Streiks von Krankenhausbeschäftigten für mehr Stellen unter dem Motto „Mehr von uns ist besser für alle“.[16]

Die Aktion gegen ArbeitsUnrecht unterstützt und dokumentiert die heute teilweise zu gefährlichen Abenteuern gewordenen Wahlen zu Betriebsräten, vor allem in Bereichen, in denen Gewerkschaften kaum präsent sind, etwa bei Essenslieferdiensten und Supermarktketten. Die Aktion gegen ArbeitsUnrecht hat durch ihren bundesweiten Kampagnentag „Schwarzer Freitag der 13.“, der 2019 gegen den Fleischkonzern Tönnies gerichtet war, zu dessen Entlarvung als besonders krimineller Ausbeuter beigetragen.[17]

Werner Rügemer: EU-Imperium: ArbeitsUnrecht, Krise, neue Gegenwehr. Papyrossa-Verlag Köln 2020, 320 Seiten, 19,90 Euro

[«1] Vgl. Isaf Gün u.a. (Hg.): Gegenmacht statt Ohnmacht. 100 Jahre Betriebsverfassungsgesetz, Hamburg 2020

[«2] Werner Rügemer: Arbeitsrechte? Die Blindstelle im Grundgesetz, arbeitsunrecht.de 23.5.2019

[«3] Werner Rügemer: Kölner IHK lässt Kammer-Kritiker überwachen, arbeitsunrecht.de 6.12.2017

[«4] Werner Rügemer/Elmar Wigand: Die Fertigmacher. ArbeitsUnrecht und professionelle Gewerkschaftsbekämpfung, 3. aktualisierte Auflage, Köln 2017, S. 177f.

[«5] Werner Rügemer: Travail et Non-Travail dans l’Union Européenne, in: Les Possibles 11/2016 (attac Frankreich)

[«6] Peter Hartz: Job-Revolution. Wie wir neue Arbeitsplätze bekommen können. Frankfurt/Main 2001

[«7] Werner Rügemer: Unternehmer als straflose Rechtsbrecher, in: K.-J. Bruder u.a. (Hg.): Gesellschaftliche Spaltungen, Gießen 2018, S. 207-222

[«8] Eurostat: Pressemitteilung 38/2018 zum Internationalen Frauentag, 7.3.2018

[«9] Frauen in Führungsetagen: Deutschland unter EU-Durchschnitt, destatis.de/Europa, abgerufen 22.6.2020

[«10] Werner Rügemer: Das System Tönnies muss gestoppt werden! arbeitsunrecht.de 12.9.2020

[«11] Fleischbranche vor Zeitenwende, Handelsblatt 24.6.2020

[«12] Betriebsratswahlen erleichtern, aktive Beschäftigte besser schützen, Deutscher Bundestag Drucksache 19/1710, 18.4.2018

[«13] Rügemer/Wigand: Die Fertigmacher, S. 48ff.

[«14] Hinweisgeberschutz: transparency.de/themen/hinweisgeberschutz/, abgerufen 22.6.2020

[«15] Sieben Jahre Streiks: verdi erneuert Kampfansage gegen Amazon, heise.de 14.5.2020

[«16] Mehr von uns ist besser für alle, klinikpersonal-entlasten.verdi.de

[«17] Rügemer: Das System Tönnies a.a.O. sowie weitere Berichte dazu auf diesem blog

Freigabe durch die Nachdenkseiten durch Herrn Jens Berger zur Veröffentlichung liegt mir vor. Freundlichen Gruß   Wolfgang

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Oben      — Angela Merkel

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Liebe Campact-Funktionäre,

Erstellt von DL-Redaktion am 6. November 2020

Offener Brief an Campact

Quelle:    Scharf  —  Links

Von Volker Ritter

Liebe Campact-Funktionäre,

ich finde es durchaus spannend, wie ihr erst ein Reich des Bösen beschwört und dabei über Trump und „Hygienedemos“ bis zur AfD ausholt, nur um am Ende um Spenden für eure Jobs zu betteln.

Um es mal klar zu sagen: Kampangen kann die Zivilgesellschaft auch ohne dass ihr als Profis die Fähnchen und die gesteuerte PR liefert. Sogar viel besser und authentischer als eure Firma.

Gern nehme ich aber inhaltlich zu eurem Text Stellung. Fangen wir mit Trump an. Die Behauptung, ein kritischer, aufgeklärter Geist würde auf Joe Biden hoffen ist nun wirklich blanker Unsinn – obwohl es auf euer gutsituiertes Spendenpublikum durchaus zutreffen könnte. Ich mache mir hier keineswegs Sorgen um Kabarettisten, die nach dem BER nun ein weiteres Thema verlieren könnten. Aber welche Person die Klassenherrschaft in den USA als Präsident verwaltet, macht keinen so fundamentalen Unterschied, wie euer Brief nahe legt. Im Gegenteil würde es ganz hervorragende Kampagnenideen schaffen, wenn sich Trump mit der Justiz erneut eine Präsidentschaft gegen die Mehrheit durch das US-Wahlrecht verschafft. In GPU-Lizenz liefere ich euch mal die Kampagnenzeilen: Gerechtigkeit bei Sanktionen – kein Unterschied zwischen Trump und Lukaschenko! Oder: Endlich raus aus der NATO! Denn ehrlich gesagt sehe ich als Lohnabhängiger keinen Grund, irgendeinen der imperialistischen Konkurrenten zu unterstützen. Weder die USA, noch die EU oder Russland oder die VR China. Wie im ersten Weltkrieg ist das Ergebnis absehbar. Trotzdem verstehe ich natürlich Putins Interesse an Trump.

Ihr seit dann im Text ja über die Brust ins Auge zur Innenpolitik gekommen. Da mache ich zunächst einen kleinen Einschub zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk, den ihr eher am Ende erwähnt. Okay, wenn Pegida von Lügenpresse kreischt, wertet dies den ÖRR auf. Der ÖRR ist auch wesentlich besser als irgendwelche Privaten. Trotzdem sitzen in den Rundfunkräten Parteien mit Regierungsabsicht oder fundamentalistische Christen, die Abtreibung für eine Erfindung des Teufels halten. Die Interessen unterscheiden sich durchaus von denen der Aktionäre bei RTL, aber so richtig zivil würde ich das nicht nennen. Deshalb gab es in vergangenen Jahrzehnten den Ruf nach Bürgermedien, die inzwischen leider nur noch als Bloggs oder Tweets oder irgendwas auftauchen – jedenfalls individuell und ohne kollektive Kontrolle.

Es gab auch kommerzialisierte Projekte, wie Campakt. Und Kommerz verpasst natürlich eine soziale Bewegung. Das gilt leider für weiter Teile antikapitalistischer Kräfte und zu eurem Statement zu “Hygienedemos“. Hier sei erwähnt, dass auch ich schon mal zusammen mit Nazis demonstriert habe. Vor 40 Jahren waren damals auch Ludendorffer gegen AKWs, weil sie um ein „arisches“ Erbgut fürchteten. Die AKWs wurden dadurch nicht besser und wir waren trotzdem vor Ort, um an den Bauzäunen zu rütteln. Die ÖRRs bekennen heute beschämt, damals hätten sie Anti-AKW-Proteste wohl doch etwas einseitig und propagandistisch dargestellt. Leider wiederhohlt sich dies beim aktuellen Notstandsregime. Nur glaubt heute auch eine Linke, wir müssten alle gemeinsam gegen einen Virus ins Feld ziehen, wie einst des Kaisers Soldaten gegen Franzosen oder einen bösen Zaren. So verpasst auch eine Linke den Einfluss auf eine soziale Bewegung, die den staatlich verordneten Notstand nicht fressen mag. Somit kommen wir zu Covid-19 und der Mär über Nazis oder Impfgegnern (nicht unterschieden von Impfpflichtgegnern) die allein einer vernüftigen, staatstragenden Politik entgegenstehen.

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Gerade erklärt die WHO, die Sterblichkeit bei Covid-19 läge weltweit zwischen 0,2 und 3 Prozent. Also tatsächlich im Bereich einer Grippe. Die selbe WHO übrigens, der Verschwörungstheoretiker völlig zu Recht nachsagen, finanziell von der Gates-Stiftung abhängig zu sein. Ein staatlicher Notstand mit sinnfreien (weil gegen Viren nutzlosen) Lappen im Gesicht ist so nicht erkennbar. Dagegen erkenne ich eine puritanische Moral, nach der Lohnabhängige nur Arbeiten und Konsumieren sollen. Alles, was Spass macht, passt nicht in die Klassenherrschaft. Schon gar nicht Fragen, ob mit dem Klimawandel oder der globalen Arbeitsteilung die nächste Pandemie oder die nächste Katastrophe bereits vor der Tür steht.

Campact hilft da offenbar wenig und ich werde eure Jobs ganz sicher nicht mit Spenden sichern!

Beste Grüße
Volker Ritter, ver.di-Landeserwerbslosenausschuss Nds./HBUrheberrecht

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Demonstration am 10. Oktober 2015 in Berlin für einen gerechten Welthandel, gegen TTIP und CETA

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KI-Kapitalismus: Geister

Erstellt von DL-Redaktion am 3. Oktober 2020

Was es bedeutet, Geistesarbeiter-In im agilen Environments zu sein

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Quelle     :        Berliner-Gazette

Von Timo Daum

Die Werte und Prinzipien, die das “Manifest für Agile Softwareentwicklung” propagiert, modellieren Geistesarbeiter*innen, die in allen Lebenslagen intellektuellen Mehrwert generieren sollen. Dabei macht die totale Instrumentalisierung der geistigen Arbeit aus ihren Subjekten exakt in dem Augenblick Gespenster des Kapitals, wenn KI alle Prozesse zum reibungslosen Fließen bringt. Berliner Gazette-Autor Timo Daum unternimmt eine kritische Bestandsaufnahme.

Software wird heutzutage meist mit agilen Methoden entwickelt: Kleine, selbständige Teams produzieren in kurzen Zyklen (Sprints) funktionsfähige Prototypen. Agilität nimmt dabei Anleihen bei Lean Production und verknüpft sie mit best-practice Regeln aus der Software-Entwicklung. Seit vor bald zwanzig Jahren das Agile Manifest das Licht der Welt erblickte und in der Folgezeit zahlreiche Methoden entwickelt wurden, die deren Prinzipien in konkrete Managementpraktiken und Arbeitsorganisationsweisen ausbuchstabierten, haben sich diese weltweit als Standard für Software-Arbeit etabliert. Ihre Strahlkraft reicht aber weit darüber hinaus: In der „Kreativwirtschaft“, bei Banken und Versicherungen, in der Autoindustrie – überall, wo Software für Geschäftsmodelle und Wertschöpfung wichtiger wird, und in Unternehmen, die sich selbst – die Digitalkonzerne zum Vorbild nehmend – umstrukturieren und zu digitalen Service-Anbietern werden, nimmt ihr Einsatz zu.

Das agile Manifest

Im Februar des Jahres 2001 traf eine Gruppe von Leuten aus der Softwarebranche zusammen, dort entstand ihr Manifest für Agile Softwareentwicklung, das Gründungsdokument der agilen Bewegung. Gleich zu Anfang wird geradezu ein Kotau vor König Kunde gemacht: Er soll von Anfang an eingebunden werden, Änderungswünsche während der Laufzeit des Projekts sind nicht nur erlaubt, sondern willkommen. Üblicherweise alle zwei bis drei Wochen gilt es nun, ein lauffähiges Zwischenprodukt mit klar erkennbaren Entwicklungsschritten fertigzustellen und durch den Kunden evaluieren zu lassen.

Das Agile Manifest proklamiert enge Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Disziplinen, besonders Techniker und Businessleute sollen miteinander reden. Dem Team kommt zentrale Bedeutung zu, sein Alltag soll durch persönliche Kommunikation und tägliches physisches Zusammentreffen geprägt sein. Es erhält große Freiheiten, seine Arbeit selbst zu organisieren, aufzuteilen und abzuarbeiten, das Management muss seinerseits dafür Sorge tragen, dass die Arbeitsbedingungen für die optimale Performance des Teams gewährleistet sind. Feedback zur Teamoptimierung ist wichtig, die langfristige Produktivität des Teams muss gewährleistet werden. Dazu gehören neue Rollendefinitionen bis hin zu passender Architektur: eher Werkstattcharakter, offene Räume und flexible Arbeitsplätze als geschlossene Einzelbüros. So etwas gab bis dato nicht.

Das agile Unternehmen

Nach einer Phase der Ausbreitung agiler Methoden “von unten”, die das Agile Manifest von 2001 eingeläutet hatte, versuchten Unternehmen in der Softwarebranche in einer Art zweiten Welle, die wir etwa ab 2010 verorten können, das Konzept der Agilität auf die gesamte Organisation auszuweiten. Dazu gehört zum einen, viele bereits agil arbeitende Teams miteinander zu vertakten bzw. zu synchronisieren, Stichwort: agility at scale. Vorreiter ist dabei neben anderen Microsoft: Seit 2011 implementiert der Softwarekonzern aus Redmond in seinen Entwicklungsabteilungen die Integration und Skalierung mehrerer Teams, die an demselben Projekt arbeiten. Eine neue Rolle kommt ebenfalls ins Spiel, der “agile Manager” ist für die zusätzlich nötigen Abstimmungen zwischen den Teams zuständig. Zu dessen Aufgaben gehört dem Wirtschaftsautor Steve Denning zufolge, das richtige “Gleichgewicht zwischen Ausrichtung und Autonomie” der Teams zu finden und zu “erkennen, dass das Team das Produkt ist”, so Denning in The Age of Agile).

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Das Ziel des insgesamt agilen Unternehmens wird ausgerufen, “in dem alles miteinander vernetzt ist, das hochgradig flexibel, aber doch ‘wie aus einem Guss’ funktioniert, in dem Wertschöpfungsketten global und über die Grenzen der Organisation hinweg ‘systemisch integriert’ werden und in dem Beschäftigte ’empowert’ werden und mit hoher Eigenverantwortung handeln”, so der Arbeitswissenschaftler Andreas Boes. In der agilen Organisation manifestiere sich, so drückt es der Kultur- und Managementtheoretiker Dirk Baecker aus, die “Philosophie eines agilen Managements, die zugleich auf einen hohen Grad der Vertaktung von Organisation und der Schaffung von Spiel- und Freiräumen setzt”.

Mit agility at scale realisieren die Unternehmen das Stafford Beersche Ideal des kybernetischen Unternehmens, die zweite Phase der Kybernetisierung, in dem nicht mehr nur die Prozesse und Teams, sondern die Organisation selbst nach den Erfordernissen der Maschinerie geformt sind. In der agilen Organisation kann die Einstellung des Unternehmens (im Deutschen schön doppeldeutig: Zustand, Werte der eingestellten Schalter, Regler und Variablen oder die persönliche Einstellung im Sinne von Haltung) nun selbst kybernetisch werden. Beer: “Wir überlassen nun das autonome Regelsystem seiner Aufgabe der Selbstregulierung”, woraufhin sich das Management seiner eigentlichen Aufgabe widmen kann, der “bewußten Steuerung des Gesamtunternehmens” so Beer im Jahr 1962.

Die agile Workforce

Frederick W. Taylor hatte Anfang des 20. Jahrhunderts die Disziplin des Scientific Managements entwickelt, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, sämtliche Arbeitsabläufe feinkörnig zu analysieren, zu rationalisieren und maximal zu beschleunigen. Hierfür ist die Stoppuhr berühmt-berüchtigtes Symbol geworden. Zurichtung, Taktung, Vermessung und Beschleunigung waren immer auch Mittel zur Beherrschung und Kontrolle der Belegschaften, wie der US-amerikanische Marxist Harry Braverman in seinen Untersuchungen der Arbeit im Taylorismus immer wieder betonte.

Denkbar weit entfernt von der heutigen agilen Arbeitswelt, so scheint es. Die Aufteilung in kleine Arbeitshäppchen (stories, tickets oder tasks) hat das Arbeiten zum Beispiel mit Scrum schon mal gemeinsam, unterstützt durch Software für das Tracking des digitalen Workflows. Die Arbeitswissenschaftlerin Ursula Huws bezeichnet diese Aufteilung in kleinste Arbeitsschritte, die digital getrackt werden und durch ständig eingeloggte Beschäftigte abgearbeitet werden als “triple logged labor” (dreifach geloggte Arbeit): Erstens ist die Arbeit in kleine Häppchen, in standardisierte Einheiten zerhackt (logged), zweitens sind die Beschäftigten jederzeit “eingeloggt” in digitale Arbeitsumgebungen und drittens werden alle ihre Aktivitäten protokolliert und für zukünftige Analysen aufgezeichnet: “Logged labor wird zur neuen Norm.”

Die agile workforce sieht sich mit neuen Anforderungen konfrontiert: Den Teammitgliedern wird durch die agilen Arbeitsmethoden zusätzlich affektive Arbeit aufgebürdet, sie müssen mit den technischen Herausforderungen und der sustainable pace des Teams klarkommen, und zusätzlich ein emotionales und affektives Change Management an sich selbst exerzieren. Moore resümiert: Hier finde eine Aneignung unbezahlter “affektiver Arbeit” statt. Von den Einzelnen wird erwartet, selbstständig, proaktiv und eigenverantwortlich mit den “neuen Maschinen” Schritt zu halten. “Agilität”, schreibt Phoebe Moore, “verlangt natürlich nach agilen Arbeiter*innen, agil in dem Sinne, dass sie auf ständige Veränderungen eingestellt und bereit sind, persönliche Veränderungen vorzunehmen; immer in Bewegung und mobil”.

Mit ihren Prinzipien – Selbststeuerung, Teamgeist, schnelle Iterationen, Kundenperspektive – erweisen sie sich als vortrefflich geeignetes work design model einer Industrie, die auf das „Einsaugen lebendiger Arbeit“ (Karl Marx) in seiner kognitiv-kreativen Variante, erlauben sie doch der kopfarbeitenden workforce das rechte Maß an kybernetischer Selbststeuerung.

Das agile Selbst

Dabei wird der Einzelne mit vielfältigen neuen Anforderungen konfrontiert, die ganze Last Bewältigung in der VUCA-Welt (volatiliy, uncertainty, complexity, ambiguity) aufgebürdet. Das agile Subjekt speist sich aus diese vielfältigen Tendenzen und stellt einen weiteren Schritt dar in Richtung einer Ausbeutung 2.0, in der der Einzelne zunehmend unternehmerisch denkt und handelt, Tendenzen in Richtung eines unternehmerisches Selbst (Ulrich Bröckling) oder der Form des Arbeitskraftunternehmer (Voß, Pongratz) finden sich wieder. Die Teams agieren dabei zunehmend im Sinne eines „unternehmerischen Wir“ (Martina Frenzel), das Management selbst wird unsichtbar, Organisationen werden „entbosst“ wird (Jacob Bøtter) bzw. die Funktionen des Managements werden in die Teams selbst hineinverlagert.

Parallel zum Teamempowerment hält das Big-Data-Paradigma in die Arbeitsprozesse Einzug durch ein ganzes Arsenal an Kontroll- und Überwachungstechniken. Auch tayloristische Methoden der Vermessung, Kontrolle und Leistungssteigerung finden sich in neuer Form in der schönen neuen Welt der kleinen Teams, der parzellierten Aufgaben und der regen Projekt-Kommunikation. Software fürs Aufgabentracking stellen Instrumente zur Überwachung der Arbeitsprozesse und der workforce dar, von denen Frederick Taylor nur träumen konnte.

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Das Paradox sich selbst managender Arbeiter*innen tritt ein, die sich in zwei Persönlichkeiten aufspalten, in Selbstunternehmer*innen einerseits und Selbst-Proletarier*innen andererseits, in Dompteure/sen und Dressierte Kreatur in einer Person. “Als aufgespaltene Persönlichkeiten”, analysiert Phoebe Moore dieses Phänomen, “mit einem inneren Manager, der einen inneren Arbeiter ausbeutet, werden die Arbeiter angehalten, ihre affektive Arbeit zu regulieren und zu quantifizieren, und damit Subjekte des und Beherrschte durch das Kapital zu bleiben.” Der Philosoph Slavoj Žižek beschreibt diese Spaltung der kreativen Teamarbeiter*innen ebenfalls: “Sie sind für den Erfolg des Unternehmens verantwortlich, während ihre Teamarbeit auch den Wettbewerb untereinander und mit anderen Gruppen mit sich bringt. Als Organisatoren des Arbeitsprozesses werden sie dafür bezahlt, eine Rolle zu spielen, die traditionell den Kapitalisten oblag. Dergestalt bekommen sie mit all den Sorgen und Verantwortlichkeiten des Managements, wobei sie doch immer nur bezahlte Arbeitnehmer mit unsicherer Zukunft bleiben, das Schlechteste aus beiden Welten ab.”

In der Corona-Krise hat sich dies eindrucksvoll bestätigt, innerhalb kürzester Zeit wurden gewaltige Anpassungsprozesse auf den Schultern der agilen workforce abgeladen. Bei aller Projektbegeisterung, bei aller Freude über die Abdankung des alten mikromanagenden Chefs, bei aller Zustimmung zu neuen Rollen und neuer Kultur, wird doch die Belastung am digitalen Fließband , der Tretmühle der Tasks, Tickets, Meetings, immer stärker, begleitet von peer-group pressure und der immer drohenden Kritik: Klappt es nicht im Projekt? Dann wart ihr nicht agil genug! Der Burnout, die Staublunge des agilen Kapitalismus, wird zur ständigen Drohung und Auszeichnung zugleich. Ergebnis ist die “erschöpfte Organisation” (Sabine Pfeiffer).

Anm. d. Red.: Vom Autor ist jüngst das Buch Agiler Kapitalismus. Das Leben als Projekt. Mit einem Nachwort von Phoebe Moore bei der Edition Nautilus erschienen.

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Dieses Werk ist unter einem Creative Commons Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Keine Bearbeitung 3.0 Unported Lizenzvertrag lizenziert.

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Oben          —     Admission is granted through application to the Office of Special Collections. Dates from Gustave Bourcard & James Goodfriend, Felix Buhot catalogue descriptif de son oeuvre grave (1979), p. 71, 113. Some prints dated in plate, or in pencil, by the artist. Forms part of Samuel Putnam Avery Collection. Gift of Samuel Putnam Avery, 1900. Impressions of B154, B167, B172 & B173 were formerly in the collection of Frederick Keppel & are inscribed to him by the artist. Holdings checked in departmental copy of Gustave Bourcard & James Goodfriend, F’elix Buhot catalogue descriptif de son oeuvre grav’e (1979) Includes a reduced lithographic reproduction of the 6th state of B164, inscribed to Frederick Keppel. Prints are in multiple states, sometimes including more than one impression of a given state with variations in ink, paper, etc. Includes counterproofs of B170, B172 and cancellation proof of B147. In some cases the paper was treated by the artist with turpentine, gasoline or kerosene, or one of these substances was mixed with the printing ink. Such printsare designated „epreuves a l’essence“. Preliminary states frequently include elaborate remarques or marginal sketches, which Buhot called „marges symphoniques“. S.P. Avery Collection. Some proofs include extensive notes in pencil by the artist. States specified by the artist do not always correspond to those described by bourcard & Goodfriend. Title devised by cataloger. Views of Paris, Folkestone, Gravesend, Rochester, Saint-Malo, and the Thames and Medway Rivers, including representations of geese, ghosts, owls, sheep , steamboats, swans, trains and umbrellas. In a number of prints, Buhot explores effects of rain, snow or wind. B127 depicts Bastille Day celebrations. B173 depicts a papal tiara executed by Froment-Meurice for Leo XIII. Citation/Reference: B.-G. 160(IV/VI).

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Abschied vom Dogma

Erstellt von DL-Redaktion am 29. September 2020

Streit über die Viertagewoche

Von Thomas Gesterkamp

Die IG Metall schlägt eine Viertagewoche vor, auch ohne vollen Lohnausgleich. Hilft das gegen eine nicht nur coronabedingte Absatzkrise?

„Schafft Zustände, worin jeder herangereifte Mann ein Weib nehmen, eine durch Arbeit gesicherte Familie gründen kann!“ Mit viel Pathos formulierte 1866 die deutsche Abteilung der Internationalen Arbeiterassoziation ihr zentrales Ziel: Der Verdienst des männlichen Proletariers sollte ausreichen, um Frau und Kinder allein zu ernähren. Dieses längst antiquierte Denken hielt sich in den Köpfen von Gewerkschaftsfunktionären länger als in anderen sozialen Milieus. Die IG Metall, mit zwei Millionen Mitgliedern größter Verband im DGB, verfolgt erst in jüngster Zeit eine Tarifpolitik, in der „Familienväter“ als Versorger nicht mehr das Maß aller Dinge sind. Wo Frauen ihr eigenes Geld verdienen, muss der Lohn des Arbeiters kein halbes Dutzend hungrige Mäuler stopfen.

Das eröffnet Räume für neue Zeitkonzepte. IGM-Chef Jörg Hofmann pries Mitte August verkürzte Arbeitszeiten als besten Weg, um den Strukturwandel vor allem in der Autoindustrie zu bewältigen. Aufsehen erregte er auch, weil er eine Viertagewoche anregte. Damit hat der VW-Konzern schon vor über zwei Jahrzehnten gute Erfahren gemacht – und Massenentlassungen verhindert. „Zwischen Volks- und Kinderwagen“: Unter diesem griffigen Titel erschien 1998 eine Studie, welche die „Auswirkungen der 28,8-Stunden-Woche auf die familiale Lebensführung“ untersuchte. Kerstin Jürgens und Karsten Reinecke befragten die Belegschaften mehrerer VW-Werke.

Entgegen den Klischees, die über einen (empirisch nie belegten) Anstieg der Schwarzarbeit spekulierten, betonten Jürgens und Reinecke die positiven Effekte reduzierter Arbeitszeiten für die Gesundheit der Beschäftigten und die leichtere Vereinbarkeit von Beruf und Privatem. Für die im ländlichen Niedersachsen oft von weither anreisenden Pendler machte es zum Beispiel einen großen Unterschied, dass sie nicht mehr um vier Uhr morgens aufstehen mussten, um zum Beginn der Frühschicht an ihrem Arbeitsplatz zu sein. Auch am Nachmittag ergaben sich zusätzliche Zeitfenster, die manche dazu nutzten, etwas mit ihren Kindern zu unternehmen oder Sport zu treiben.

Grundlage dafür ist allerdings die Zeitverkürzung auf täglicher Basis, in Richtung eines Sechsstundentags. Wegen der langen Anfahrtswege bevorzugten viele bei VW Blocklösungen. Doch auch das Prinzip „Vier Tage Schicht, drei Tage Freizeit“, wie in Emden lange praktiziert, werteten die Befragten als gewonnene Lebensqualität.

UTLA Strike Celebration.jpg

Entwickelt hatte das Modell der damalige VW-Manager Peter Hartz. Der spätere Architekt der Agenda 2010 genoss zu jener Zeit in Gewerkschaftskreisen noch einen guten Ruf. Hartz einigte sich mit den im Konzern mächtigen Betriebsräten auf eine befristete 28,8-Stunden-Woche. Zur Akzeptanz des Kompromisses trug bei, dass die Monatslöhne trotz geringerer Stundenzahl kaum sanken.

Drohender Personalabbau

Als einige Jahre später die Autokonjunktur ansprang und VW zum erfolgreichen Exporteur vor allem nach China avancierte, wurden die Arbeitszeiten schrittweise wieder der üblichen Norm angepasst. Das innovative Zeitkonzept geriet weitgehend in Vergessenheit. Die IG Metall, in den 1980er Jahren noch Pionier in Sachen 35-Stunden-Woche, konzentrierte sich wie zuvor auf ein Plus bei den Löhnen. Das „Pforzheimer Abkommen“ von 2004 ermöglichte es den Betrieben sogar, die Arbeitszeit zu verlängern, wenn die Gewerkschaft zustimmt. Erst nach dem Dieselskandal und angesichts des drohenden Personalabbaus durch die Umstellung auf Elektroautos entdeckte die IG Metall die Arbeitszeitpolitik aufs Neue. 2018 setzte sie durch, dass Beschäftigte auf eigenen Wunsch zwei Jahre lang nur 28 Wochenstunden arbeiten können. Zudem dürfen seither Schichtarbeitende, Eltern und pflegende Angehörige ein sogenanntes zusätzliches Tarifentgelt umwandeln in acht freie Tage. Deutlich mehr Menschen als erwartet haben diese Regelungen in Anspruch genommen.

Quelle         :        TAZ        >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen        :

Oben      —           Wikipedia – Dieses Werk wurde von seinem Urheber the Eadweard Muybridge Online Archive als gemeinfrei veröffentlicht. Dies gilt weltweit.

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Unten        —    Jan. 22, 2019. UTLA teachers rally downtown to celebrate the end of the strike. Photo credit: Mike Chickey

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IM KLARTEXTSUMPF

Erstellt von DL-Redaktion am 29. September 2020

Debatte Bedingungsloses Grundeinkommen

File:Die Linke Grundrecht Grundeinkommen BGE Berlin 2013.jpg

Quelle        :      Scharf   —   Links

Von Dieter Braeg

Mit viel Missvergnügen verfolge ich die „Reaktionen“  der Herren Ernst&Händel&Co, die der zutreffenden Kritik von Charlotte Ullmann jene Worthülsen entgegensetzen, die in den inhaltslosen Begriffen „Markenkern“, „Daseinszweck“ oder „Gebrauchswert“ jenen Höhepunkt an gesellschaftspolitisch erhaltenden Wortsprech enthalten, der seit Beginn der WASG Gründung, ich selbst war Gründungsmitglied des Kreisverbandes der WASG in Mönchengladbach und Delegierter/Besucher vieler Landes&Bundesparteitage), die Diskussions- und Entscheidungskultur beherrscht. Führende Frauen und Männer der, beginnend mit dem 2. WASG Bundesparteitag in Kassel vorangetriebenen „Parteizusammenführung“ der WASG mit der PDS hat mich schon im Jahre 2005 veranlasst in einem Text (wen es interessiert, dem sende ich gerne dazu die Textsammlung „Meine Jahre in der WASG“ als Datei) festzustellen:

Wenn Oskar Lafontaine auf dem Parteitag in Kassel meinte: „Das Volk will sich die Politik wieder aneignen. Das Volk will endlich wieder politische Entscheidungen treffen können!“, dann ist das auch beim Vereinigungsprozess zu berücksichtigen.  Für viele Wahlen gäbe es die bereits beschriebene Lösung – entweder Linkspartei. WASG oder Linkspartei. PDS, aber je näher die nächste Bundestagswahl rückt – es könnte tatsächlich wenn es nicht zu einer großen Koalition kommt ohne weiters schon im Jahr 2006 sein, weil auch Frau Merkel ein tatsächlich großer bayerischer Misstrauensmisthaufen im Weg steht – um so notwendiger ist eine Vereinigte Linke.

André Brie veröffentlichte im Buch der Rosa Luxemburg Stiftung „Die Linkspartei“ den Beitrag „Sechs Thesen zur Perspektive der Linkspartei: offene Fragen, Probleme, Herausforderungen“. Ich möchte hier eine meiner Meinung nach sehr wichtige Passage zitieren:

„Es bedarf etwas noch Wichtigerem: einer Gesellschaft, zumindest wesentlichen Teilen der Gesellschaft, die nicht nur protestieren und resignieren oder allenfalls die Standards der Vergangenheit verteidigen (was natürlich dennoch bedeutsam ist), sondern die neuen Antworten, die beispielsweise Vorstellungen einer bürgergesellschaftlichen Demokratie, einer emanzipatorischen Neugestaltung sozialen Zusammenhalts und sozialer Solidarität, einer europäisierten und internationalisierten Gesellschaft und Wirtschaft selbst diskutiert und deren politische und soziale Bewegungsformen primär außerhalb von Parteien entwickelt. Davon ist die deutsche Gesellschaft zur zeit noch weit entfernt. Ziemlich stabil haben in Meinungsumfragen des vergangenen Jahrzehnts etwa 80 Prozent der Menschen grundsätzliche gesellschaftliche Veränderungen verlangt, während zugleich 75 Prozent sie für unmöglich hielten.“

Da liegen die Ansatzpunkte der zukünftigen politischen Arbeit, dabei reicht es nicht aus nur „Interessensvertretungspolitik“ anzubieten, als sei man Versicherungsvertreter der einen mit einer Versicherungspolice  vor dem  Zugriff des kapitalistischen Raubtiers schützt.

Es besteht  die Gefahr durch einen schnellen Zusammenschluss die Macht der Parteiführungen die gleichzeitig durch die Linksparteifraktion noch verstärkt wird, noch weiter zu festigen und große Teile der Mitgliedschaft würden auf der Strecke bleiben.

Dann ist die „historische Chance“ von der immer wieder geredet aber nicht danach gehandelt wurde, vertan.“

Hat das Volk die Chance ergriffen? Schon, aber die Partei DIE LINKE hat sich jeweils vornehm zurückgehalten, oder einfach nur ein wenig mitgemacht. Zu viel vom Protest, den hätte weder Wagenknecht und Gysi in den zahlreichen Auftritten bei den Lanz&Co Palaverbuden erklären können.

Die damalige Prognose bestätigte sich und es wäre wirklich notwendig sich ein wenig mit der Geschichte des bayerischen Landesverbandes der WASG und später DIE LINKE zu beschäftigen in dem Anikapitalistinnen und Antikapitalisten bis heute kaum eine Chance haben und hatten. Die bayerische AKL hat und hatte keinen Einfluss, bis heute durch Ernst&Hänsel gefördert, ist dieser Landesverband der Partei in Söderbayern wirkungslos!

Die ewig gleiche Leier vom Märchen der außerparlamentarischen und parlamentarischen Arbeit die „sinnvoll“ sein muss und, wie lächerlich, Ernst&Händel fordern da das Ende „elitärer Debatten“  – als gehörten sie  nicht selbst zu jenem Zirkel, der sich im Kreis von Männern und Frauen der Bundestagsfraktion, bei der  Empfängerinnen und Empfänger von Hartz IV keinen Platz haben und eine ParteibeamtinnenParteibeamtenhierarchie dort schon lange bestimmt, was zu geschehen hat ?

Klaus Ernst hat den Grundwiderspruch zwischen Kapital und Arbeit nicht verstanden, obwohl ihm der wahrscheinlich, völlig folgenlos, als jungem IG Metallfunktionär in Schulungen vermittelt wurde.

Eine notwendige ökologische Umgestaltung kann die Interessen der abhängig Beschäftigten nur dann sinnvoll vertreten, wenn es zu einer anderen Gesellschaftsordnung kommt, die auch nicht mehr jene „Parteikarrieren“ zulässt, die heute, nicht nur bei der Partei DIE LINKE, zu jener Reparaturkolonne des Kapitalismus führt, der verschwinden muss.

http://www.archiv-grundeinkommen.de/material/pk/PK-6-finanzierbarL-v.jpg

Ich hoffe ja sehr, dass die jetzigen Vorsitzenden Kipping/Rixinger nicht nur den Vorsitz niederlegen nach 8 Jahren „Parteiführung“ mit fallenden MitgliedrinnenMitgliederzahlen, sondern auch den Bundestag verlassen, dem sie auch schon so lange, wenn nicht länger, angehören. Das reicht aber sicherlich nicht um elitäre Debatten zu verhindern. Da sollten Händel&Ernst endlich in den sicher gut bezahlten Politruhestand gehen und endlich dafür sorgen, dass ganz viele Arbeiterinnen und Arbeiter, Rentnerinnen und Rentner, arbeitslose Frauen und Männer, Angestellte Frauen und Männer, Mandate im Bundestag bekommen!

Mit SPD und GRÜNEN lässt sich keine die Gesellschaft radikal verändernde Politik realisieren. Dagegen spricht ja schon die Nichteinhaltung der „roten Linien“ – die  kaum noch blassrot sind, verantwortet von der themenbestimmende Parteibürokratie.

Erheben wir uns also von unseren Plätzen, nach der Vereidigung unserer neuen  ROTrotGRÜN BundeskanzlerinKanzler und  singen wir,  nach der Melodie von Joseph Haydn (1732—1809) aus dem Satz ,,Kaiser Quartett“:

Deutsche Wirtschaft gibst uns alles, was wir brauchen in der Welt,

denn du lügst, betrügst, verblendest, dass nichts mehr zusammenhält.

Längst erobert Maas und Memel und vergiftet Etsch und Belt,

ach, du große deutsche Wirtschaft siehst nur auf Gewinn und Geld. 

RoteSchwarzeAfDGrüneLinke – Volksvernebler, Akten,Untergang,

lässt uns doch die Welt erschrecken,mit Mercedeswaffenklang. Musikantenschwindelstadel, ach wir sind  Gewinngeilkrank!

Antifußschweiß, Slipeinlagen, pfeifen auf das Vaterland! 

MaybrittIllnerlalla, Sexfilmnächte, Marktwirtschaftsgeschwafelland,

dabei woll‘n wir ewig bleiben, Gips ersetzt uns den Verstand!

Änderung des Grundgesetztes – unseres Glückes Unterpfand,

Heinrich Hoffmann Fallersleben* wäre abschiebreifer Asylant! 

Erwartet uns neben den Coronakrise eine ROTrotGRÜNregierunggemeinschaft die noch schlimmer in die Rechte der abhängig Beschäftigten eingreift, als dies ROTgrün getan hat?

Dieter Braeg

*Heinrich Hoffmann von Fallersleben = Texter/Dichter (?) des Deutschlandliedes

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Zur LINKS – PARTEI

Erstellt von DL-Redaktion am 28. September 2020

Antwort von Charlotte Ullmann auf „Wieder Klartext reden“ (Klaus Ernst, Thomas Händel

2020-07-02 Klaus Ernst LINKE MdB by OlafKosinsky 1973.jpg

Jawohl : Herr Oberlehrer !

Quelle     :      Scharf   —  Links

Von Charlotte Ullmann

Jetzt sich darauf zu besinnen, was der „Markenkern“ der WASG (Arbeit und soziale Gerechtigkeit) war, aber sehenden Auges in die Gefahr zu laufen bei der Fusion zwischen der ehemaligen  WASG und PDS?

Es war doch reichlich bekannt, dass die zahlenmäßig viel größere Ost-PDS eigentlich eine SPD war, die sämtliche neoliberalen Schandtaten wie bsw. Privatisierung der Wasserversorgung oder des Blindengeldes im Zuge der Agenda 2010 mitexekutiert hat.

Also da frage ich mich, wo unsere Herren Gewerkschafter geistig waren, das nicht mitbekommen zu haben?

Die Hälfte der WASG-Mitglieder ist angesichts dieses Skandals nicht mit in die Fusion gegangen!

Ich kann mich noch an den Bundesparteitag in Ludwigsburg erinnern, 2006. Da stand die alles entscheidende Frage im Raum: Gehen wir mit der PDS zusammen?

Oskar Lafontaine und die Gewerkschafter Klaus Ernst und Ulrich Maurer beherrschten den Parteitag, schwungen Kampfreden, rissen sich nachgerade gegenseitig das Mikrophon aus der Hand, um die Delegierten auf ein Ja zur Fusion einzuschwören.

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Lobbyisten im Gleichklang !

Ihr Argument: Die Linke in Deutschland hätte sich all die letzten Jahrzehnte immer nur zerlegt, es käme jetzt endlich einmal darauf an, sie zu vereinen, und zwar zu einer gesamtdeutschen Partei. Die Losung dazu war: Lässt uns darauf schauen, was uns eint, und nicht darauf, was uns trennt

Nachdem das „Ja“ äußerst knapp ausgefallen war, packten unzählige WASG-Mitglieder ihre Taschen und stoben von dannen.

Jetzt darüber zu jammern, dass uns der „Markenkern“ abhanden gekommen ist, nämlich für die Armen und Geschundenen dazusein, für die Lohnsklaven und deren Reservearmee, den Arbeitslosen, deren Sprachrohr zu sein in den Parlamenten?

Das war der eigentliche Gründungsmythos der WASG, nämlich der von der SPD und den Grünen zu verantwortenden Agenda 2010 den Kampf anzusagen, deren sozialen Kahlschlag rückabzuwickeln, Anwalt zu sein für die kleinen Leute, ja das, lieber Oskar, Klaus und Ulrich, ist uns gehörig abhanden gekommen im Zuge unserer Etablierung als Linke Partei!

Was tun?

Herausstellen, dass die SPD es war, im Schlepptau die Grünen, die uns in diese soziale Wüste geschickt hat, die im Grunde die konsequente Fortentwicklung kapitalistischer Profitinteressen ist, das Gegengewicht zum „tendenziellen Fall der Profitrate“ (Karl Marx).

Und da sage mir einmal jemand, der Kapitalismus lasse sich zähmen, von seinen exzessiven neoliberalen Auswüchsen befreien, lieber Oskar!

Nein, es geht um Sein oder Nichtsein!

Will der Kapitalismus sich noch retten, braucht er diese Auswüchse, diesen losgelassenen Neoliberalismus, die Natur aussaugend, den Menschen, bis auf den letzten Bluts tropfen. Und anschließend kann auch er nicht mehr überleben.

Das zu verhindern, den Untergang der Welt, ist höchste Eisenbahn! Friday for Future marschiert bereits, die Grünen besinnen sich ebenfalls ihres Markenkerns, jedoch nicht konsequent genug.

File:Die Linke Grundrecht Grundeinkommen BGE Berlin 2013.jpg

Sie haben noch nicht begriffen, dass es der Kapitalismus ist, der aufgrund seines immanenten Gesetzes zur Überproduktion, um auf Teufel komm heraus noch Profit machen zu können, gezwungen ist, die Natur, die Umwelt, den Menschen zu zerstören und dass er deswegen mit Haut und Haaren überwunden gehört.

Und jetzt, zu den Coronazeiten, wo jeder daran erinnert wird, wie kurz das Leben sein kann, wie gerne er im Grunde lebt, ja, jetzt ist die beste Gelegenheit, dem Kapitalismus massenweise den Kampf anzusagen, ihn mit Stumpf und Stil aus dem Boden zu reißen, auch  durch die Partei DIE LINKE !

Charlotte Ullmann

Gründungsmitglied der WASG und der Linkspartei

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Oben      —          Klaus Ernst während einer Plenarsitzung des Deutschen Bundestages am 2. Juli 2020 in Berlin.

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2.) von Oben         —      European Parliament, Mr. Thomas Hendel, Chair EMPL Informal Meeting of Ministers for Employment and Social Policy ph halime sarrag

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https://www.neues-deutschland.de/artikel/1141753.linkspartei-wieder-klartext-reden.html

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Thyssenkrupp-Steel:

Erstellt von DL-Redaktion am 3. September 2020

Solidarität mit unseren Kollegen in KW1

Witten - IG Metall Warnstreik 2012 07 ies.JPG

Quelle     :         Scharf  —  Links

Von Peter Berens

Grolms und Burkhard raus aus der IG Metall!

Einladung zur Einschüchterung

Anfang September will die Personalabteilung Thyssenkrupp-Steel mit mehr als einem Dutzend Kollegen von Schicht 3 / KW1 Personalgespräche führen, um sie einzuschüchtern (RFN  24.08.2020).  Ihnen drohen Abmahnungen wegen ´wildem Streik`, weil sie sich mit einem Kollegen solidarisiert hatten.

Im KW1 hatte mehr als ein Dutzend Kollegen für die Festeinstellung eines dort befristet arbeitenden Kranfahrers spontan eine Schicht gestreikt. In der Schicht zuvor hatten schon andere Kollegen nicht gearbeitet, um sich beim Bereichsbetriebsrat zu informieren. Der Streik war nicht erfolgreich. Der Kollege wurde leider nicht übernommen.

Personal-Leiter

Leiter der Personalabteilung TK Steel ist seit April 2020 der Arbeitsdirektor und im TKS-Vorstand für Personal zuständige Markus Grolms (IGM-Mitglied). Er war vorher stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender im TK-Konzern und trat dabei besonders unterwürfig und zuvorkommend gegenüber der Kapitalseite auf. Früher war Grolms Gewerkschaftssekretär beim IG Metall-Vorstand in Frankfurt.

Ohne Wissen und Einverständnis von Konzern-Arbeitsdirektor Oliver Burkhard (IGM-Mitglied) können solche Einschüchterungsgespräche nicht laufen. Burkhard war früher IG Metall-Bezirksleiter NRW. Als TK-Vorstand hat er vor allem ein Verdienst. Er ist zum IG Metall-Millionär geworden.

Der Weichgespülte und der Millionär, die sich nicht für die Übernahme eines Kranfahrers in KW1 einsetzen konnten, fühlen sich nun stark genug, zu versuchen, Stahlarbeiter einzuschüchtern.

Wie Streikbrecher

Wer Kollegen wegen eines Streiks abmahnen oder einschüchtern will, ist als Streikbrecher zu behandeln.  Grolms und Burkhard gehören aus der IG Metall ausgeschlossen.

Eines sollten sie auf dem weiteren Weg nach oben mitnehmen: Stahlarbeiter lassen sich nicht einschüchtern. Von niemandem. Erst recht nicht von Karrieristen wie Grolms und Burkhard.

Peter Berens, Oberhausen, 31.08.20

https://riruhr.org/was-tun.html

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Grafikquelle     :        Warnstreik der IG Metall in Witten

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Zum B.Grundeinkommen 2

Erstellt von DL-Redaktion am 21. August 2020

Endlich eine neue soziale Idee

File:Die Linke Grundrecht Grundeinkommen BGE Berlin 2013.jpg

Quelle        :      Scharf   —   Links

Von Edith Bartelmus-Scholich*

Oder weshalb DIE LINKE. für ein Bedingungsloses Grundeinkommen kämpfen sollte.

Covid 19 hat es  einmal mehr gezeigt: Die soziale Sicherung in Deutschland ist ungenügend. Praktisch über Nacht brechen Millionen Menschen die Einkommen weg oder verringern sich drastisch. Armut und Obdachlosigkeit, Energiesperren und Hunger bedrohen auch viele Erwerbstätige, selbst wenn nur  vorrübergehend nicht mehr gearbeitet werden kann. Ein Bedingungsloses Grundeinkommen, das die Existenz absichert, wünschen sich jetzt noch viel mehr Menschen als vorher.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise entfalten sich in Deutschland erst langsam. Doch schon jetzt ist klar: Die Erwerbslosigkeit wird kräftig steigen, die Lohnquote wird sinken, weitere Millionen Menschen werden unter die Armutsgrenze gedrückt werden. Sie alle werden nicht nur Not leiden, sondern zudem dem repressiven System der Jobcenter ausgeliefert sein. In diesem System gilt: Nicht die Armut, sondern die Armen werden bekämpft.

Weil zusätzlich die Wirtschaft sich im Zuge der Digitalisierung wandelt, mit dem Verlust von Millionen Arbeitsplätzen einhergehend, aber auch unaufschiebbar mit einem sozialökologischen Umbau auf die Klima- und Umweltkrise reagiert werden muss, ist ein Systemwechsel unabdingbar. Es ist an der LINKEN ein humanes, zukunftsfähiges Konzept dafür zu entwickeln.

Festzuhalten ist, dass ein gutes Leben in sozialer Sicherheit und mit größtmöglicher Freiheit  für alle Menschen in Deutschland möglich ist. Drei Voraussetzungen müssen dafür erfüllt werden: 1. Das individuelle Recht auf eine menschenwürdige Existenz muss vom Erwerbseinkommen entkoppelt werden. 2. Der repressive und bevormundende  Charakter des Sozialstaats muss überwunden werden. Und 3. Der immense Reichtum, den eine kleine Schicht angehäuft hat, muss umverteilt werden.

Ein Bedingungsloses Grundeinkommen in existenzsichernder Höhe löst dabei nicht nur das Problem der Armut in der Gesellschaft, sondern eröffnet neben der sozialen Absicherung ein Reich der Freiheit. Arbeit kann fortentwickelt werden vom Broterwerb zu wahrhaft gesellschaftlich nützlicher und kreativer Tätigkeit. Das Leben kann entschleunigt werden mit weniger Erwerbsarbeit. Auszeiten sind eher möglich. Die Löhne für notwendige, aber mühevolle oder schmutzige Tätigkeiten steigen, weil niemand mehr in diese Arbeit gepresst werden kann. Pflege von Angehörigen, Sorge- und Erziehungsarbeit sind kein Armutsrisiko mehr. Weiterbildung ist unkomplizierter während des ganzen Lebens möglich. Ein menschenwürdiges Leben im Alter ist garantiert. Die Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern nehmen ab. Zwangsgemeinschaften von Menschen, die Leid verursachen, können leichter aufgelöst werden.  Und nicht zuletzt: Niemand wird mehr vom Amt schikaniert.

Das Bedingungslose Grundeinkommen gilt als die letzte noch Menschen bewegende Utopie. Strittig ist oft die Finanzierung desselben. Realistisch würde ein existenzsicherndes  BGE ca. 450 Milliarden Euro pro Jahr kosten. Viele Menschen fürchten allerdings, dass zur Finanzierung des Grundeinkommens letztlich die Umverteilung nur in der Klasse der Lohnabhängigen vorgenommen würde. Als weiteres Problem wird die Fixierung auf den Staat gesehen.

Zur Auflösung dieser Problemlage würde ich persönlich folgendes vorschlagen: Für das BGE wird ein selbstverwalteter Grundeinkommensfonds aufgebaut, der Zug um Zug die Finanzierung (1) aus dem Staatshaushalt ablösen kann. Gespeist wird dieser Fonds aus einer hohen Erbschaftssteuer. Fakt ist, dass in Deutschland derzeit und perspektivisch jährlich 400 Milliarden Euro vererbt werden (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung). Eine Reform der Erbschaftssteuer mit sehr hohen Steuersätzen für große Vermögen und die Überführung dieser Werte in einen Grundeinkommensfonds wäre nicht nur ein Schritt der Umverteilung, sondern würde den Fonds auch in die Lage versetzen, ganze Industriebetriebe zu erwerben und danach die Gewinne teilweise auszuschütten. Schließlich würde ein ständig wachsender Teil der Wirtschaft  gesellschaftlich kontrolliert und ihr Gewinn käme allen Menschen zugute. Gleichzeitig würde ein immer größerer Teil der Grundeinkommensfinanzierung aus dem Fonds erfolgen.

http://www.archiv-grundeinkommen.de/material/pk/PK-6-finanzierbarL-v.jpg

So gelingt es uns  als LINKE die letzte Utopie vieler Menschen mit unserer ersten, sozialistischen zu verbinden und  eine wirkliche Utopie der Moderne zu schaffen – eine neue soziale Idee.

Es ist nicht zu erwarten, dass uns ein solches Grundeinkommen in den Schoß fällt. Wir müssen es erkämpfen. Aber mit der Entscheidung dafür können wir Millionen WählerInnenstimmen und Zehntausende neuer UnterstützerInnen gewinnen. Schon deshalb gilt: Das Bedingungslose Grundeinkommen ist ein linkes Zukunftsprojekt!

*Die Autorin ist Sprecherin der LAG Grundeinkommen in und bei der Partei DIE LINKE. NRW

(1) Die BAG Grundeinkommen hat ein Finanzierungskonzept erarbeitet: https://tinyurl.com/y6g7dwhl

Der Artikel wurde erstveröffentlicht am 12.8.2020 unter www.links-bewegt.de

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Source Die Linke

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Zum B. Grundeinkommen

Erstellt von DL-Redaktion am 23. Juli 2020

Zur Diskussion um die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen in der LINKEN

File:Die Linke Grundrecht Grundeinkommen BGE Berlin 2013.jpg

Quelle       :        Scharf  —  Links

Von Ralf Krämer

Die Wahrheit zur Diskussion um die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen in der LINKEN

Der Partei DIE LINKE steht eine höchst schädliche und Spaltungspotenzial bergende Auseinandersetzung bevor, ob sie die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) in ihre Parteiprogrammatik aufnehmen soll. Dazu werden von den Protagonist*innen dieser Forderung falsche oder verzerrte Behauptungen verbreitet, unter anderem in mehreren Beiträgen auf „scharf links“. Ich möchte einige davon richtigstellen.

Erst mal zum Ausgangspunkt: In ihrem Erfurter Grundsatzprogramm, 2011 beschlossen und durch Mitgliederentscheid mit 96% bestätigt, fordert DIE LINKE: ein Recht auf gute, existenzsichernde Arbeit, kürzere und geschlechter-gerechte Verteilung der Arbeitszeit in einem neuen Normalarbeitsverhältnis; eine armutsfeste Mindestsicherung für alle, ohne Sperrzeiten oder andere Sanktionen; eine armutsfeste solidarische gesetzliche Rente einschließlich einer solidarischen Mindestrente; eine solidarische Gesundheits- und Pflegevollversicherung, in die alle einzahlen und daraus abgesichert sind; einen sozial-ökologischen Umbau, der Einstiege und Übergänge für eine demokratische sozialistische Wirtschaftsordnung schafft. Es ist also nicht so, dass DIE LINKE keine Positionen zum Thema Existenzsicherung hätte, sondern es gibt klare, weitgehende und praktisch einheitlich getragene Forderungen. Zum Thema BGE steht als ein ausdrücklich verhandelter Kompromiss: „Teile der LINKEN vertreten darüber hinaus das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens, um das Recht auf eine gesicherte Existenz und gesellschaftliche Teilhabe jedes Einzelnen von der Erwerbsarbeit zu entkoppeln. Dieses Konzept wird in der Partei kontrovers diskutiert. Diese Diskussion wollen wir weiterführen.“

Der Bundesparteitag 2015 befasste sich als Schwerpunktthema mit dem BGE und fasste als Kompromiss, dem die BAG Grundeinkommen zugestimmt hatte, einen breit getragenen Beschluss „DIE LINKE und das Bedingungslose Grundeinkommen“, in dem diese Position bestätigt und unter anderem ausgeführt wird: „Es wird innerhalb der Partei DIE LINKE und unter ihren WählerInnen auch in absehbarer Zukunft sowohl BefürworterInnen wie GegnerInnen eines Bedingungslosen Grundeinkommens geben. (…) Jede Form  von Entscheidung in dieser Frage (…) in der einen oder anderen Richtung würde jeweils Teile der Partei und ihrer sozialen Basis von der LINKEN abstoßen.“ An dieser Sachlage hat sich seitdem nichts geändert.

Trotzdem beantragte die BAG Grundeinkommen schon 2017 einen Mitgliederentscheid zu dieser Frage. Nachdem ein Antrag dazu auf dem Parteitag und im Bundesausschuss nicht durchkam, begann sie mit einer Unterschriftensammlung für einen Mitgliederentscheid dazu. Dazu bietet eine Satzungsregelung und eine Ordnung für Mitgliederentscheide die Grundlage und muss von allen Seiten beachtet werden. Im Frühjahr 2020 gab es Verhandlungen zwischen Vertreter*innen der BAG und der Parteiführung mit dem Ergebnis, dass der Parteivorstand (PV) einen Antrag auf den kommenden Parteitag einbringen soll, den Mitgliederentscheid spätestens ein Jahr nach der Bundestagswahl 2021 durchzuführen. Die BAG reichte im Gegenzug ihren Antrag nicht ein. Ich habe im PV übrigens dagegen gestimmt, weil die BAG nicht rechtzeitig genügend Unterschriften hatte und den Antrag schon im Herbst 2019 hätte eingereicht haben müssen, um alle Fristen und Diskussionszeiten vor der Entscheidung über das Bundestagwahlprogramm 2021 zu wahren, auf das das Mitgliederbegehren gerichtet war.[1] Ohne die Vereinbarung mit dem PV würde also vorerst überhaupt keine Mitgliederabstimmung zustande kommen, was die beste Lösung wäre.

Statt sich zu freuen, dass sie den PV so über den Tisch gezogen haben, wird der PV nun von der BAG kritisiert und von einigen BGE-Fans geradezu beschimpft, weil er etwas getan hat, wozu er durch die Ordnung für Mitgliederentscheide und die Parteitagsbeschlüsse verpflichtet war. Der PV muss nämlich mit dem Antrag auch sein Votum mit Begründung dafür vorlegen und er hätte auch bei Antragstellung durch die BAG eine Stellungnahme dazu abgeben müssen. Der PV ist laut Satzung an Parteitagsbeschlüsse gebunden und so hat in Verantwortung gegenüber der Partei eine Zwei-Drittel-Mehrheit logischerweise eine ablehnende Empfehlung beschlossen: „Der Parteivorstand plädiert für ein NEIN, gegen das Begehren des Mitgliederentscheides, DIE LINKE auf die Forderung eines bedingungslosen Grundeinkommens festzulegen. (…) Eine Festlegung der LINKEN auf die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen würde unsere Politikfähigkeit in den konkreten Auseinandersetzungen, in Bündnissen und Bewegungen ebenso gefährden wie die notwendige Pluralität und Breite der LINKEN.“ Das tritt keineswegs die innerparteiliche Demokratie mit Füßen, sondern ist ihr Ausdruck, indem es den klaren Regeln dazu folgt.

In der Sache ist festzustellen, dass die sozial ausgerichteten BGE-Modelle und insbesondere das der BAG Grundeinkommen, auf das in dem Mitgliederentscheid Bezug genommen werden soll, völlig illusorisch sind, schon weil sie gigantische Umverteilungsvolumina und dazu Mehreinnahmen erfordern würden. Die BAG erfindet dazu etliche neue Steuern und Abgaben und Umbauten der bisherigen Systeme. Sie ignoriert dabei Überwälzungseffekte und rechtliche wie politökonomische Grenzen und Kräfteverhältnisse, die im Kapitalismus eine Besteuerung der Gewinne mit um die 100% unmöglich machen. Es gelingt nicht einmal, wesentlich geringere Forderungen durchzusetzen, obwohl es dafür breite Umfragemehrheiten gibt, stattdessen drohen weitere Steuersenkungen für Unternehmen.

http://www.archiv-grundeinkommen.de/material/pk/PK-6-finanzierbarL-v.jpg

In der Wirklichkeit würden alle Erwerbseinkommen bzw. ihre Kaufkraft massiv höher belastet, ein BGE müsste überwiegend von den Lohnarbeitenden bezahlt werden. Ein großer Teil der Erwerbsarbeitenden würde per Saldo verlieren, und bei allen blieben von jedem zusätzlich verdienten Euro vielleicht noch 20 Cent übrig. Entsprechend flächendeckend müssten die Kontrollen gegen Schwarzarbeit und die Umgehung von Steuern und Abgaben sein. Dabei wäre ein BGE höchsten für einzelne, aber nicht für die Gesellschaft eine Alternative zur Erwerbsarbeit. Diese müsste unvermindert weitergehen, weil nur sie die Güter und Dienste produziert, die man mit einem BGE kaufen könnte, und die Einkommen, die zur Finanzierung umverteilt werden müssten.

Die BGE-Forderungen beruhen insgesamt auf Behauptungen und Begründungen, die einer kritischen Überprüfung nicht standhalten. Sie machen Menschen falsche Hoffnungen und lenken ab von den Forderungen, für die es reale Durchsetzungsmöglichkeiten gibt und für die wir gemeinsam mit vielen Bündnispartner*innen in Gewerkschaften, Sozialverbänden und Initiativen kämpfen. Die BGE-Forderung missachtet die grundlegende Bedeutung der Arbeit und ein BGE würde neue Ungerechtigkeiten schaffen. Die BGE-Forderung steht in Konkurrenz und Widerspruch zu zentralen Programmpunkten der Linken, auch zu einer sozialistischen Perspektive der Überwindung des Kapitalismus, auch wenn die BGE-Anhänger*innen etwas anderes behaupten.

Ich erspare mir das hier weiter auszuführen und im Einzelnen zu begründen, sondern verweise dazu auf das Info und die Folien des ver.di Bereichs Wirtschaftspolitik, auf die mich bei meiner Präsentation gestützt habe, über die auf „scharf-links“ am 25.6.2020 ohne Hinweis darauf verzerrt berichtet wurde: https://wipo.verdi.de/publikationen/++co++ab29a9ba-db39-11e7-ade4-525400940f89. Wieso die BGE nichts mit Sozialismus zu tun hat und das Mitgliederbegehren schädlich ist, habe ich hier genauer begründet: http://www.scharf-links.de/90.0.html?&tx_ttnews[swords]=kr%C3%A4mer&tx_ttnews[pointer]=2&tx_ttnews[tt_news]=67350&tx_ttnews[backPid]=65&cHash=2ae794575b. Weitere Beiträge zu einer linken Kritik der BGE-Vorstellungen finden sich auf www.grundeinkommen-kritik.de

[1] Der Text des Antrags der BAG Grundeinkommen lautet: „Die Partei DIE LINKE nimmt ein emanzipatorisches bedingungsloses Grundeinkommen, wie es beispielsweise die BAG Grundeinkommen in und bei der Partei DIE LINKE vorschlägt, in ihre politische Programmatik auf. Sie lehnt neoliberale Grundeinkommensmodelle ab. Dazu wird der Parteivorstand aufgefordert, dem Bundesparteitag bis 2020 eine entsprechende Neufassung des Parteiprogramms zur Einarbeitung eines linken bedingungslosen Grundeinkommenskonzeptes vorzuschlagen.“ Der Mitgliederentscheid müsste spätestens sechs Monate nach Feststellung seiner Zulässigkeit stattfinden (Ordnung für Mitgliederentscheide, § 4 (1)). Es wäre geboten, diesen Zeitraum weitgehend auszuschöpfen, um § 3 (4) ebd. gerecht werden zu können: „Alle Organe der Partei und ihrer Gebietsverbände haben dafür Sorge zu tragen, dass eine breite innerparteiliche Diskussion über das Für und Wider der beim Mitgliederentscheid zu beantwortenden Frage ermöglicht wird.“ Vorher hätte der Parteivorstand noch eine schriftliche Stellungnahme abgeben müssen (ebd., § 3 (3)). Die Feststellung der Zulässigkeit hätte spätestens vier Wochen nach Einreichung des Antrags zu erfolgen (ebd. § 2 (1)). Um sicherzustellen, dass ein Mitgliederentscheid rechtzeitig vor dem 1.5.2020 durchgeführt ist, hätte er also spätestens Anfang Oktober 2019 mit der hinreichenden Zahl an Unterschriften beantragt werden müssen. Dieser Zeitpunkt war zum Zeitpunkt des Parteivorstandsbeschlusses am 14.4.2020 lange vorbei. Es war völlig unmöglich, den beantragten Mitgliederentscheid rechtzeitig vor dem Antragschluss zu diesem Parteitag noch durchzuführen und abzuschließen. Jetzt soll der Parteitag durch die Folgen der Corona-Pandemie bedingt erst 30.10.-1.11.2020 stattfinden. Damit würde sich rechnerisch dieser Zeitpunkt, an dem der Antrag spätestens hätte eingereicht werden müssen, auf in den März 2020 verschieben. Auch dieser Zeitpunkt war bei Beschlussfassung des PV am 14.04.2020 vorbei und zudem ist in Frage zu stellen, ob unter den Corona-bedingten Einschränkungen eine breite innerparteiliche Diskussion entsprechend § 3 (4) der Ordnung für Mitgliederentscheide überhaupt möglich wäre. Die BAG gibt das in ihrer Erklärung vom 23.6.2020 sogar selbst zu: „Bis zum anstehenden Bundesparteitag wäre der Mitgliederentscheid auch aufgrund des späten Zeitpunktes, zu dem wir das Unterschriftenquorum erreicht haben, regulär nicht mehr durchführbar gewesen.“

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Source Die Linke

Author stanjourdan from Paris, France

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Nicht auf unserem Rücken!

Erstellt von DL-Redaktion am 8. Juli 2020

Wir zahlen nicht für ihre Krise!“

Kaiserbau, Stuttgart, 01.jpg

Quelle        :     Scharf  —   Links

Von    IL

Das Stuttgarter Krisenbündnis ruft am Samstag, 18. Juli, zu einer Demonstration in der Stuttgarter Innenstadt auf. Beginn ist um 14 Uhr am Marienplatz.

Ein breites Bündnis aus Gewerkschaften, der Klimabewegung, Parteien, Kulturschaffenden und politischen Gruppen hat sich zusammengeschlossen, um für eine solidarische Bewältigung der Krise einzutreten und Entlassungen, Lohnkürzungen und dem Abbau sozialer Rechte eine klare Perspektive entgegenzusetzen.

„Die Corona-Pandemie beschleunigt eine der größten Weltwirtschaftskrisen der Geschichte“, sagt Miriam Möller, Pressesprecherin des Stuttgarter Krisenbündnisses. Die spürbare Folgen seien Entlassungen, Lohnkürzungen und Sozialabbau. Doch der Kern des Problems sei ein anderer: „Der Auslöser ist der Virus, die Ursache der Kapitalismus“, so Möller.

ie bisherige Antwort auf die Bewältigung der Krise sei die Stabilisierung des Wirtschaftssystems mit enormen Summen, wie mit den aktuellen Konjunkturpaketen deutlich werde. Auch wenn diese Maßnahmen als Unterstützung für Familien und „kleine Betriebe“ verkauft würden, so seien sie doch massive Subventionsprogramme für Reiche und würden mittelfristig zu einer Verschärfung sozialer Ungleichheit führen, heißt es von Seiten des Bündnisses.

Miriam Möller macht deutlich: „Hier wird eine massive Umverteilung von unten nach oben organisiert. Es ist klar, wer für diese Maßnahmen zahlen muss und wer nicht. Reiche werden noch reicher, während sich immer mehr Menschen in existenzieller Not befinden und sorgenvoll auf die nächsten Monate blicken. Gleichzeitig kassieren Konzerne Milliarden Steuergelder, schütten Dividenden und Boni aus und betreiben gleichzeitig Personal- und Sozialabbau.“

Es gehe jetzt darum, das nicht hinzunehmen. Das Krisenbündnis fordert: Lasst die Reichen für die Krise bezahlen. Sie hätten in den letzten Jahren von Privatisierungen, Niedriglohn und einer ungerechten Steuerpolitik massiv profitiert. „Wir müssen jetzt nach vorne kommen und eine solidarische Zukunft durchsetzen. Wir wollen einen sozial- und klimagerechten Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft. Dies ist jedoch nur mit einem starken und sichtbaren Widerstand möglich. Deshalb werden wir am 18. Juli auf die Straße gehen“, erklärt Miriam Möller abschließend.

Weitere Informationen zu den Beiträgen auf der Demonstration erhalten Sie zeitnah in einer weiteren Pressemitteilung.

Für Rückfragen steht Ihnen die Pressesprecherin des Bündnisses zur Verfügung. Nach Möglichkeit stellen wir auch gerne den Kontakt zu Menschen her, die im Besonderen von der Krise betroffen sind bzw. mit diesen Menschen arbeiten (z.B. aus den Bereichen Gastronomie oder Pflege).

Urheberrecht
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Grafikquelle        :    Kaiserbau, Stuttgart, Marienplatz. Entworfen wurde der Kaiserbau von den Architekten Alfred Woltz und Georg Friedrich Bihl (1847–1935). Nach letzterem ist der Bihlplatz benannt. Bauherren waren die Gebrüder Henninger, Dekorationsmaler. Das hat Wolfgang Jaworek, Mitglied der Geschichtswerkstatt Süd, recherchiert. Seinen Namen erhielt der Kaiserbau, weil dort, so steht es laut Jaworek in einem Adressbuch von 1914, die Firma Kaiser eines der ersten Automatenrestaurants Deutschlands betrieben hat, also ein Schnellrestaurant mit Sitzplätzen, in dem in Automaten Essen und Trinken angeboten wurde. Der 1911 erbaute Kaiserbau wurde 2012 an die in Berlin und Stuttgart ansässige Copro-Gruppe von der Landesbank Baden-Württemberg verkauft. Der fünfgeschossige Kaiserbau besteht aus fünf Gebäuden und hat eine Gesamtmietfläche von etwa 6260 Quadratmetern. Diese verteilen sich auf 41  Wohnungen, acht Gewerbe- und Büroeinheiten sowie Archivflächen. Langfristig ist der Ausbau des Dachgeschosses angedacht, die Archivflächen sollen zu Büros oder Wohnungen umgebaut werden.

 

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Die Modefirma Tally Weijl

Erstellt von DL-Redaktion am 5. Juli 2020

Respektiere die Arbeitsrechte in Myanmar!

Myanmar Plaza.jpg

Quelle      :      untergrund-blättle. CH.

Von   Public Eye

Die Modefirmen stehen in der Verantwortung. In Myanmars Textilindustrie wurden in den letzten Monaten zahlreiche Gewerkschaftsmitglieder entlassen – nachdem die Gewerkschaften sich gegen die unsicheren Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit Covid-19 und nicht gezahlte Löhne gewehrt haben. In einer der Fabriken lässt die Schweizer Modefirma Tally Weijl produzieren.

Neben der Massenentlassug hat das Fabrikmanagement nach Angaben der Gewerkschaft im April und Mai die Löhne nur teilweise ausbezahlt. Und als am 19. Juni in der Fabrik ein Feuer ausbrach, wurden die Arbeiterinnen und Arbeiter nicht vorsorglich evakuiert, sondern zum Weiterarbeiten genötigt, während der Ursache des Feuers auf den Grund gegangen wurde.

In der Fabrik Rui Ning werden Jacken für die Schweizer Firma Tally Weijl, aber auch für Inditex (Zara), Bestseller (ONLY) und Mango genäht.

Die Massenentlassung gewerkschaftlich organisierter Arbeiterinnen und Arbeiter in Rui Ning ist leider kein Einzelfall: wir wissen von zwei weiteren Fabriken in Myanmar wo Gewerkschaften mutmasslich unterdrückt werden. Besonders frappant: Inditex (Zara) und Bestseller (ONLY) produzieren in allen drei Fabriken.
Arbeitsrechte müssen geachtet werden

Die Vorfälle verletzen grundlegende Arbeitnehmerrechte, die sowohl in den Verhaltenskodizes der Modeunternehmen Tally Weijl, Zara oder Bestseller als auch in den internationalen Arbeitsrechtskonventionen festgelegt sind. Die Gewerkschaft von Rui Ning fordert daher:

1.Unverzügliche Wiedereinstellung mit Lohnnachzahlung des Gewerkschaftspräsidenten, und die Zusicherung, dass alle anderen entlassenen Arbeiterinnen und Arbeiter so rasch als möglich wieder eingestellt werden, sobald sich die Geschäfte wieder normalisieren.

2.Die Gesundheits- und Sicherheitsbedingungen in der Fabrik müssen verbessert werden. Zudem dürfen die führenden Mitglieder der Gewerkschaft nicht mit Lohnabzügen als Vergeltungsmassnahme bestraft werden, weil sie solche Verbesserungsmöglichkeiten suchen.

3.Unbezahlte Löhne, die den Beschäftigten gesetzlich zustehen, aber im April und Mai von der Unternehmensleitung einbehalten wurden, müssen unverzüglich in voller Höhe ausgezahlt werden.

Diese Forderungen müssen durch eine unterzeichnete Vereinbarung garantiert werden, die auch sicherstellt, dass das Fabrikmanagement die Gewerkschaft anerkennt. Seit Anfang April versucht die Gewerkschaft, mit dem Fabrikmanagement in Verhandlungen über ihre Forderungen zu treten, bisher jedoch ohne Erfolg: Das Fabrikmanagement weigert sich, sich auf Gespräche einzulassen.
Tally Weijl & Co. gefordert

Gewerkschaftsdiskriminierende Entlassungen, ein Angriff auf die physische Integrität des Gewerkschaftspräsidenten, mangelnder Brandschutz und das Nichtrespektieren gesetzlich garantierter Lohnzahlungen sind massive Verletzungen der grundlegenden internationalen Arbeitsrechte und der Verhaltenskodizes der Unternehmen.

Die Modefirmen stehen in der Verantwortung, in ihrer Lieferkette solchen Vorwürfen nachzugehen und die Achtung der Arbeitsrechte zu gewährleisten.

Advertisements Tally Weijl Potsdamer Platz Denis Apel.JPG

Weil das Management von Rui Ning nicht bereit ist, mit der Gewerkschaft zu verhandeln, müssen die Auftraggeber unverzüglich intervenieren. Die Clean Clothes Campaign und Public Eye haben Tally Weijl, Inditex, Mango und Bestseller dazu aufgefordert, unmittelbar ihrem Zulieferer gegenüber auf die Umsetzung der Forderungen der Gewerkschaft zu pochen. Bisher scheinen jedoch nur Inditex und Bestseller die Kommunikation mit ihrem Zulieferer gesucht zu haben – nicht aber die Schweizer Marke Tally Weijl.
Was kann ich tun?

Tally Weijl scheint bis anhin für die dringenden Forderungen der Gewerkschaft taub zu sein – doch wir bleiben dran! Unterstützen Sie uns dabei!

Unterzeichnen Sie unseren Appell an internationale Modefirmen: Für die Folgen der Covid19-Krise sollen nicht die Arbeiterinnen und Arbeiter bezahlen müssen.

Soweit nicht anders angegeben und keine Quellenangabe (Name einer Organisation oder Internet-Adresse) vorhanden ist, gilt für die Texte auf dieser Webseite eine Copyleft (Public Domain) Lizenz.

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Grafikquellen      :

Oben        —       Myanmar Plaza is a large shopping mall in Yangon, Myanmar (Burma).

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Unten         —     Tally Weijl Werbung am Potsdamer Platz

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Demos für Belegschaften

Erstellt von DL-Redaktion am 29. Juni 2020

Demonstrationen für die Belegschaften

Von Jimmy Bulanik

Es sind viele Arbeitsplätze in ernsthafter Gefahr. Bei jedem dieser Arbeitsplätze, ungeachtet des Betriebes geht es um Schicksale. Die Schicksale von den betroffenen des Personals, deren Familienmitglieder wie Eheleute und deren Kinder.

Diese Kinder können am wenigsten für die gegenwärtige Situation auf dem Arbeitsmarkt. An der Stelle kann die Gesellschaft auf den Plan treten. Die Gewerkschaften, demokratische politische Parteien sind willkommen bei öffentlichkeitswirksamen Mahnwachen, Demonstrationen, Proteste, online Petitionen.

Gleichwohl sollte sich kein Mensch davon abhängig machen. Alle können eigenständig etwas unternehmen, um öffentlich für den Erhalt der Betrieben, Arbeitsplätze einzustehen. Wegen dem Föderalismus kann ein Mensch entweder zur Polizei oder zum Rathaus gehen und eine öffentlich beworbene Veranstaltung anmelden.

Es muss ein Formular ausgefüllt werden, zu welchem Zeitpunkt an welchem Ort eine Veranstaltung abgehalten werden soll. Welches Thema die Veranstaltung hat. Ein Thema darf lauten: „Bewahrt die Arbeitsplätze“.

Die Anzahl der zu erwartenden Menschen muss angegeben werden. Welche Materialien wie Texte, MP3 Lieder, Fahnen, Transparente, Schilder, Megaphone, gelbe Warnwesten verwendet werden sollen. Pro 50 Personen auf einer Demonstration muss eine Person als Ordnerin, Ordner eine weiße Armbinde tragen dessen Buchstaben schwarz sein müssen.

Diese Veranstaltung darf zwei Tage nach der Anmeldung öffentlich beworben werden. Besonders geeignet ist dazu das Internet. Nutzt dazu alle bekannten digitale Kanäle.

Bitte berücksichtigt das es von Vorteil ist, betroffene Menschen, wie Betriebsrat auf die Veranstaltungen einzuladen, ihnen öffentlich die Würde als Menschen zu geben. Gebt ihnen die Möglichkeit am Megaphone zu sprechen. Schafft euch zu eurer Veranstaltung ungefiltert Öffentlichkeit.

Das Ausüben der verbrieften Grundrechte hat keine quantitativen Grenzen

Das Schreiben von eigenen Texten, Pressemitteilungen welche der Presse, öffentlich rechtlichen Medien wie dem NDR, WDR, übermittelt wird. Nutzt Fotokameras, Videogeräte, die Kameras in den Mobilfunktelefonen und zeichnet diese Veranstaltung auf. Ideal ist es im Vorfeld Gigabyte an Datenvolumen zu kaufen, um diese Veranstaltung live auf eine Plattform wie beispielsweise YouTube zu senden.

Es ist möglich das die Behörde mit der Veranstalterin, dem Veranstalter ein Gespräch im Vorfeld der Veranstaltung kommunizieren möchte. Am besten ist es mit diesen Amtsträgerinnen, Amtsträger konziliant und selbstbewusst zugleich zu kommunizieren. Vernünftig ist es nach § 6 des Versammlungsrechtes von Anfang an Rechtsextremisten von der Veranstaltung auszuschließen, dies in dem Bewerben der Veranstaltung darauf zu verweisen.

Vor Ort sollten die Ordnerin, Ordner darauf achten das keine Rechtsextremisten versuchen, die Veranstaltung für sich und ihre negativen Zwecke zu missbrauchen. Darum ist es günstig auf den Veranstaltungen kundige Menschen dabei zu haben.

Seid menschlich und ladet auch Funktionärinnen und Funktionäre des Betriebes wie Geschäftsleitung auf diese Veranstaltung ein. Ob diese auf den solidarischen Demonstrationen für die Arbeitnehmerschaft teilnehmen werden bleibt abzuwarten. Psychologie und Kommunikation sind dabei entscheidend.

File:Worms- Bahnhofstraße- Kundgebung eines Streiks der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft („ver.di“) 26.5.2009.jpg

Ladet die politisch verantwortlichen Menschen wie Stadtrat, MdL, MdB für den jeweiligen Wahlkreis auf die öffentlich, beworbene Veranstaltung ein. Auch ist es immer die Anwesenheit von Künstlerinnen, Künstler, Sportlerinnen, Sportler auf eurer Veranstaltung sinnig. Je breiter ihr auf der Veranstaltung aufgestellt seid, desto wirkungsvoller ist es für das legitime Anliegen.

Falls ihr noch kein Megaphone habt, könnt ihr gemeinsam mit Menschen in euren Zirkeln darauf sparen. Evtl. die örtliche Gewerkschaft Verdi, DGB fragen ob sie ihr Gerät ausleihen werden. Gerne dürfen sie auf der Veranstaltung am ebensolchen Megaphone sprechen.

Es wird für euch in eurer humanen Weiterentwicklung für eure persönliche Zukunft eine Stärke darstellen, sich mögliche Schwellenängste zu überwinden. Insgesamt streift die Angst wie ein veraltetes Kleidungsstück ab und zieht euch als symbolisches Zeichen die gelbe Warnweste an, um gut sichtbar zu sein. Gebt den betroffenen Menschen Gesichter und Namen auf den Veranstaltungen und in der Außendarstellung.

Sie werden gesehen und gehört werden. Ferne haben alle das Potential Dritte Menschen zu inspirieren. Denn alle Menschen möchten eine Zukunft mit Lebensqualität haben.

Durch das eigene Handeln gibt es viel zu bewahren. Gleichwohl durch die Untätigkeit erheblich mehr zu verlieren. Wir als Zivilgesellschaft haben so viele wertvolle Grundrechte, Ausmaß an Empathie und vor allem Dingen Solidarität um uns die Schicksale der Menschen hier oder an einem anderen Ort gleichgültig zu sein.

Schafft gegenüber der Politik und Industrie mit eurer Öffentlichkeit gleichzeitig eure Räson. In dem Fall handhabt ihr die Sachverhalte für Dritte und euch selbst richtig. Dahinter können die Industrie und Politik nicht untätig bleiben.

Das ist damit begründet das die Industrie weiterhin Geld verdienen möchten, die Politikerinnen und Politiker an ihren Ämtern hängen. Mit all ihren geschätzten Vorzügen.

Die gegenwärtige Bewegung ist das Brodeln unter der Oberfläche der Gesellschaft. Es ist daher eine Frage der Zeit bis dies sichtbar werden wird. Gestaltet es zu einem vorzeigbaren Beispiel.

Nützliche Links im Internet:

Robin Zander – In This Country

https://www.youtube.com/watch?v=L1ssmwyujHM

Formular zur Anmeldung einer öffentlich beworbenen Veranstaltung:

https://koeln.polizei.nrw/sites/default/files/2016-11/anmeldung-versammlung.pdf

§ 6 VersG:

Entsprechend § 6 Abs. 1 VersG sind, Personen, Organisationen mit menschenverachtenden Bezügen, den Zutritt zu dieser Veranstaltung zu verwehren und sind somit ausgeschlossen.

Conrad – Megaphone

https://www.conrad.de/de/p/monacor-tm-45-megaphon-mit-handmikrofon-integrierte-1332815.html

Ordner Armbinde

https://www.sport-thieme.de/Vereinsbedarf/Armbinden/art=1412013

Warnwesten

https://www.arbeitsschutz-arbeitskleidung.de/gelbe-warnweste-l474-mit-led-nach-en-20471.html

Die Grünen

https://www.gruene.de

Die Linke

https://www.die-linke.de/start

SPD

https://www.spd.de

Verdi

https://www.verdi.de

DGB

https://www.dgb.de

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Grafikquellen      :

Oben       —      Streik im Öffentlichen Dienst in Hamburg am 12. April 2018

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BAG – Grundeinkommen

Erstellt von DL-Redaktion am 25. Juni 2020

(K)eine Alternative in der Krise und für die Linke?“

File:DIE LINKE Bundesparteitag 10. Mai 2014-2.jpg

Von Wolfgang Gerecht

Ein Bericht von der Online-Veranstaltung der „Sozialistischen Linken“,  23. Juni 2020, 18 Uhr

Gestern Abend habe ich an dem Livestream von Ralf Krämer teilgenommen. Es nahmen mindestens 8 und höchstens 17 Teilnehmer im Livestream teil.

Nach anfänglichen technischen Schwierigkeiten kam der Gewerkschafts-Funktionär (In der LINKEN werden Gewerkschafts-Funktionäre generell und fälschlicherweise als Gewerkschafter bezeichnet) Ralf Krämer (im folgendem R.K.) zum Thema.

Ralf Krämer stellte anhand eines Skriptes, vermutlich innerhalb und für VerDi erstellt und verwendet, alle Argumente die gegen die ein Bedingungsloses Grundeinkommen sprechen könnten, vor.

Inhaltlich bezog er sich weitestgehend auf die bürgerliche Betriebs- und vor allem Volkswirtschaftslehre, wie sie in allen Bildungseinrichtungen des Staates und der Privaten Hochschulen gelehrt wird.

Das Ergebnis stand damit von vornherein fest:

Welche einzelne Problematik und Perspektive Mensch betrachtet:

Das Bedingungslose Grundeinkommen kann aus ökonomischen und menschlichen Gründen nicht funktionieren.

R.K. wies auch auf die schon bekannte Tatsache hin, dass es mehrere Varianten eines Grundeinkommens in Deutschland gäbe, nämlich neoliberale verschiedenster Typen (Straubhaar, Götz Werner u.a.)

Der Partei-Vorstand sei nicht gegen den Mitglieder-Entscheid, so R.K., sondern für das – auch schon seit langem bekannte – Offenhalten der Entscheidung. Offenhalten bis in die Ewigkeit?

Die Befürchtung der Spaltung der LINKEN in Partei und der Wählerschaft hob R.K. hervor. Deshalb muss ein Mitgliederentscheid in die unbestimmte Zukunft verschoben werden. Am Besten in einer demokratischen Endlos-Diskussion bleiben. Zum Verständnis der jüngsten Entwicklung um die Grundeinkommens-Diskussion in der LINKEN habe ich nachfolgend eine Erläuterung eingefügt.

Erläuterung von WG: Anfang:

Genau das, hat m. E. der Bundes-Partei-Vorstand unter Federführung des BuGf Schindler mit seiner satzungswidrigen Vereinbarung bezweckt. Verschiebung des Mitgliederentscheids bis 12 Monate nach der nächsten Bundestagswahl im Sep. 2021. Manche Akteure sprechen schon von 2022.

Der Bundes Sprecherrat der BAG Grundeinkommen in und bei der LINKEN, mit Stefan Wolf, Michaela Kerstan und Jörg Reiners hat das böse Spiel mitgespielt. Dabei haben die Verantwortlichen der BAG GE ihren eigenen Beschluss der BAG GE vom 22./23. April 2017, einen satzungsmäßigen Mitglieder-Entscheid, nach Erreichen des Unterschriften-Quorums, durchzuführen, missachtet und geltendes Satzungs-Recht gebrochen.

https://www.die-linkegrundeinkommen.de/fileadmin/lcmsbaggrundeinkommen/PDF/Beschluss_u._Wahlprotokoll_Gera.pdf

Solche pflichtvergessenen Personen sind für die über 3.500 Genoss Innen wahrscheinlich eine einzige Enttäuschung.

Erläuterung vom WG: Ende

R.K. gab sich optimistisch, dass die Mehrheit der Partei-Mitglieder sowohl den Mitglieder-Entscheid als auch die Aufnahme des BGE in die Programmatik der LINKS-Partei ablehnen würde.

Weiter bilanzierte er, dass bei einem Mehrheitsbeschluss eines Mitglieder-Entscheides über das BGE, DIE LINKE nicht mehr seine Partei sei und er, sicherlich auch viele andere, wahrscheinlich dann sich eine andere suchen würde.

Flag of Die Linke

Meine Live-Stream Frage, wenn R.K. sich der Ablehnung des Mitglieder-Entscheides so sicher sei, brauche er doch nicht die Abstimmung zu fürchten, führte zu langatmigen Ausführungen mit verschiedensten Aspekten.

Eine weitere Live-Stream-Frage bezog sich auf von Frau Kipping zitierten Umfragen-Ergebnisse, die eine 50% Befürwortung eines Bedingungslosen Grundeinkommens durch die Wahlberechtigten und eine 70%  durch die Wählerschaft der LINKEN ausweisen würde. Die Quelle der Umfragen blieb unerwähnt.

Dies konterte R.K. sinngemäß mit einer Formulierung, dass die Befragten dies nur aufgrund ihres ökonomischen fehlenden Sachverstandes so beurteilen.

Soweit will ich es dabei belassen. Ich habe versucht, die über 2 Stunden dauernde „Sitzung“ möglichst kurz und stichwortartig wiederzugeben.

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Grafikquellen     :

Oben      —        Bundesparteitag DIE LINKE Mai 2014 in Berlin, Velodrom

Author  :       Blömke/Kosinsky/Tschöpe

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Unten      —     Flag of Die Linke

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Für’n Appel und’n Ei arbeiten

Erstellt von DL-Redaktion am 14. Juni 2020

 Dabei noch unter der Knute der Arbeitsverwaltung stehen

2017-06-25 Hubertus Heil by Olaf Kosinsky-7.jpg

Die Tröge der verantwortlichen Specknacken sind immer reichlich gefüllt !

Quelle            :      Scharf  —   Links

Von Gewerkschaftsforum Dortmund

Über die konkrete Lebenssituation armer Menschen in der Großstadt.

In Deutschland wurde mit der Umsetzung des Hartz-Konzeptes die Entstehung des Niedriglohnsektors gefördert. Auf dem World Economic Forum in Davos am 28. Januar 2005, äußerte der damalige SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder: „Wir müssen und wir haben unseren Arbeitsmarkt liberalisiert. Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt. Ich rate allen, die sich damit beschäftigen, sich mit den Gegebenheiten auseinander zu setzen, und nicht nur mit den Berichten über die Gegebenheiten. Deutschland neigt dazu, sein Licht unter den Scheffel zu stellen, obwohl es das Falscheste ist, was man eigentlich tun kann. Wir haben einen funktionierenden Niedriglohnsektor aufgebaut, und wir haben bei der Unterstützungszahlung Anreize dafür, Arbeit aufzunehmen, sehr stark in den Vordergrund gestellt.“

Als Gerhard Schröder dies sagte, waren die Hartz Gesetze gerade in Kraft getreten und die Fakten und Voraussetzungen für den Niedriglohnsektor geschaffen. Auch in den Großstädten wurde diese Linie von SPD und Gewerkschaften unkritisch übernommen und anschließend die langzeitarbeitslosen Menschen immer weniger gefördert, aber dafür um so mehr gefordert.

Zersplitterung des Arbeitsmarkts

Die Zersplitterung des Arbeitsmarktes ist für die nicht abhängig Beschäftigten kaum sicht- und vorstellbar. Sie nehmen vielleicht ein oder zwei Gruppen wahr und haben keinen Einblick in die unteren Beschäftigtengruppen. Sie scheinen gar nicht mitbekommen zu haben, dass:

  • ein hoher Sockel von langzeitarbeitslosen Menschen und der massive Ausbau des Niedriglohnbereichs sowie die prekäre, ungesicherte Beschäftigung dazu geführt haben, dass ein großer Teil der Marginalisierten sich abgehängt und überflüssig fühlt.
  • mittlerweile rund 20 Prozent der Beschäftigten in Deutschland für einen Niedriglohn von unter zehn Euro in der Stunde arbeiten. In Ostdeutschland liegt ihr Anteil sogar bei 30 Prozent.
  • sich die Minijobs mit derzeit rund 7,5 Millionen geringfügig entlohnten Beschäftigten im Arbeitsmarkt fest verankert haben.
  • es inzwischen rund 50.000 Sklavenhändler gibt, die rund eine Million Arbeitskräfte verleihen, so viele, wie noch nie.
  • für Migranten fast nur der Niedriglohnsektor offen steht und dieser Niedriglohnbereich ein geschlossener Arbeitsmarkt ist, in dem die Beschäftigten kaum eine Chance haben, jemals eine Anstellung mit besseren Bedingungen zu erhalten

und am unteren Ende des Arbeitsmarktes sich die Tage- und Stundenlöhner wiederfinden, deren Lebenssituation einfach nur als elendig zu beschreiben ist.

Den Teil des Arbeitsmarktes, in dem sich die Tage- und Stundenlöhner verdingen müssen, nennt man in den Großstädten den „Arbeiterstrich“ und meint damit diejenigen Menschen, die an der Straße stehen und auf einen „Arbeitgeber“ warten, der sie für`n Appel und`n Ei einige Stunden für sich schuften lässt. Dabei wird leicht übersehen, dass der Personenkreis viel größer ist, als die bis zu hundert Menschen, die dort sichtbar sind.

Kaum jemand weiß, dass es regelrechte Kolonien in den Industriegebieten gibt, in denen vor allem Menschen aus den östlichen Nachbarländern als „illegale“ Menschen unter Plastikplanen hausen und auf dem Stundenlöhnermarkt immer weniger konkurrenzfähig sind, da sie für die harte Arbeit gesundheitlich gar nicht mehr in der Lage sind.

Die zunehmende Anzahl von obdachlosen Menschen ist ebenfalls auf diese Art der Beschäftigung angewiesen, vorausgesetzt, das Pfandflaschensammeln lässt ihnen noch Zeit dafür. Die anderen Flaschensammler müssen stundenweise für ein Trinkgeld arbeiten, weil sie mit dem Geld vom Jobcenter nicht auskommen können oder durch Sanktionen nur noch einen Teil vom Regelsatz erhalten.

Parallel zum Niedriglohnsektor ist im Rahmen der Hartz-Gesetze ein Maßnahmen- und Programmarbeitsmarkt entstanden, in dem vor allem langzeitarbeitslose Menschen festsitzen und im Rahmen des „Forderns und Förderns“ als 1-Euro-Jobber schuften oder ihr Lohn dem Unternehmen bis zu 100 Prozent erstattet wird.

Beispiele für die Auswüchse der Förderungspraxis auf dem Maßnahmenmarkt

  • Es gibt Menschen, die seit Jahren immer noch unter besonderen „Vermittlungshemmnissen“ leiden. Sie haben seit 10 – 12 Jahren immer die gleiche Beschäftigung beim gleichen Maßnahme- bzw. Anstellungsträger. Sie haben auch alle Programme durchlaufen, wie z.B. die AGH/1Euro-Jobs, über AGH-Entgeltvariante, DOGELA und Jobperspektive und sind nun in der Öffentlich Geförderten Beschäftigung z.B. (FAV) oder im Teilhabechancengesetz gelandet. Flankierend dazu wurden sie über den § 16 SGB 2 entschuldet. Vom ersten Arbeitsmarkt werden sie immer noch strikt ferngehalten, auch weil sie für die Maßnahmeträger gut eingearbeitete vollwertige Arbeitnehmer sind.
  • Der Einsatz der „Programmkräfte“ hat dazu geführt, dass der Maßnahme- bzw. Anstellungsträger Dienstleistungen für sich selbst nicht mehr bei Fremdfirmen mit tarifgerechtem Entgelt einkaufen muss, sondern z.B. die Reinigungen und hauswirtschaftlichen Tätigkeiten durch die „Programmkräfte“ erledigen lässt.
  • Diese Menschen werden dann in privaten Haushalten eingesetzt, die für eine Stunde Reinigungsarbeit bis zu 20,00 Euro zuzüglich Fahrtkosten, an den Maßnahme- bzw. Anstellungsträger zahlen müssen.
  • Wenn es der Betriebsablauf notwendig macht, werden bei den Arbeitsgelegenheiten auch mal Überstunden angeordnet, die dann großzügig mit 1,50 Euro in der Stunde vergütet werden.
  • Bei einigen Maßnahmen werden monatlich pro Teilnehmer bis zu 500 Euro „Regiekosten“ an die Maßnahme- bzw. Anstellungsträger gezahlt. Wer diese Summe pro Träger und Teilnehmer zusammenrechnet und dann noch schaut, wie viele „Regisseure“ in Wirklichkeit tätig sind, sieht, wie lukrative diese Förderketten sind.
  • Da wundert es nicht, dass es, wie in anderen Städten schon geschehen, den Beschäftigten der Arbeitsverwaltung in den Fingern juckt, selbst Maßnahmeträger werden und ihre Kontakte und ihr know how nutzen zu können.
  • Wenn die Zusätzlichkeit nach den etwas verschärften Kriterien nicht gegeben ist, müssen „Projektbezüge“ hergestellt werden.
  • Dann kann auch z.B. eine „Unbedenklichkeitsbescheinigung“ für alle Gewerbe, die im Aktionsraum liegen, vom Einzelhandelsverband bereitgestellt und der Arbeitsverwaltung vorgelegt werden.
  • In den Läden wie second-hand-shops oder Sozialkaufhäuser, in denen Ware verkauft wird, wird eine Erklärung abgegeben, dass nur an Bedürftige verkauft oder für eine Zeit lang Waren nicht mehr verkauft, sondern gegen eine Spende ausgegeben werden.
  • Wenn einmal einige geförderte Maßnahmen nicht anlaufen, kann man immer noch auf die Förderung von Arbeitsverhältnissen (FAV) oder Teilhabechancenprogramm umschalten, bei einer Förderung von bis zu 100 Prozent.
  • Wenn es eng wird und alles nicht mehr gegenüber der Arbeitsverwaltung beeinflussbar ist, kann die Rettung eine Umwandlung des Ganzen in einen Integrationsbetrieb sein. Die Folge von Missmanagement und vor allem mangelhafter Kontrolle der eigenen Aufsichtsgremien und öffentlicher Mittelgeber führen aber häufig dazu, dass diese Betriebe in die Insolvenz rutschen und die Beschäftigten wieder auf der Straße stehen.
  • Wen wundert es da, dass niemand so recht an der bisherigen Förderpraxis etwas ändern möchte und froh ist, dass diese Beschäftigten nicht auf den 1. Arbeitsmarkt abwandern können, da dort schlicht die Arbeitsplätze fehlen.

Die neuen Beschäftigungsverhältnisse auf dem „Sozialen Arbeitsmarkt“

Das neue Teilhabechancengesetz macht die Träume der Maßnahmen-Branche und der Leiharbeitsfirmen wahr. Sie können ab sofort einen Menschen für 24 Monate anstellen, sich die kompletten Lohnkosten vom Staat bezahlen lassen und das Geld, das sie für die Verleihung der Menschen erhalten, als Gewinn einstreichen. Der Mensch mit der geförderten Beschäftigung darf nicht mal kündigen, da ihm dann Sanktionen vom Jobcenter drohen.

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Ob Rentner oder  „Sozialen Arbeitsmarkt“

Dieses Maßnahmenpaket ist dadurch gekennzeichnet, dass

  • die Maßnahme fünf Jahre dauert oder auch eine kürzere Befristung mit optionaler einmaliger Verlängerung explizit erlaubt ist.
  • nach 5 Jahren keine Verpflichtung für die Arbeitgeber zur Weiterbeschäftigung besteht und ein Großteil der Betroffenen wieder in den Hartz-IV-Bezug gehen wird.
  • der typische Arbeitsvertrag im Rahmen dieser Förderung voraussichtlich zunächst auf zwei Jahre angelegt sein wird und bei guter Führung und Leistung anschließend für drei Jahre verlängert werden kann.
  • es sich nur zum Teil um sozialversicherungspflichtige Beschäftigung handelt. Da keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung erhoben werden, ist am Ende nur der Hartz-IV-Bezug möglich und das Hartz IV-System greift wieder. Es braucht kein Arbeitslosengeld 1 nach dem SGB III gezahlt werden und es fallen keine Vermittlungskosten an.
  • die Jobcenter zusammen mit den potentiellen Arbeitgebern entscheiden, welcher Mensch welche Stelle annehmen muss. Der Arbeitszwang seitens der Jobcenter steht dabei der Selbstbestimmung des Einzelnen entgegen.
  • ein Angebot nicht abgelehnt werden kann. Auf jegliche Verweigerung folgt die Sanktionierung durch die Jobcenter.
  • der Mindestlohn, selbst in Vollzeit sind das etwa 1.550 Euro brutto, zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel ist. Schon gar nicht kann man davon seine Familie ernähren.
  • es sich um eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme handelt und sich damit kein Arbeitsverhältnis begründet. So sind Verstöße gegen Arbeitsrechte und Arbeitsschutz vorprogrammiert.
  • dass im Zuge der Beschäftigung von Zusatzjobbern reguläre Beschäftigung in nicht zu vernachlässigendem Umfang verdrängt und der bestehende Wettbewerb beeinflusst wird.
  • Maßnahmeteilnehmer aus der Maßnahme durch die Arbeitsverwaltung abberufen werden können, z.B. für Bildungsmaßnahmen oder eine andere Arbeitsaufnahme

und dass die Beschäftigten immer noch unter der Knute der Jobcenter stehen. Da es sich um eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme handelt, sind sie während der gesamten Laufzeit nicht nur ihren Unternehmen, sondern auch der „Betreuung“ durch die Jobcenter unterworfen.

Sanktionen können auch hier greifen

Im § 31 des SGB II wird unter dem Begriff „Pflichtverletzungen“ festgelegt, dass langzeitarbeitslose Menschen vom Jobcenter sanktioniert werden können, wenn sie z.B. eine Maßnahme nicht annehmen oder unterbrechen. Auf jegliche Verweigerung folgt die Sanktionierung durch die Jobcenter. Dies kann dazu führen, dass die Menschen gar kein Einkommen mehr erhalten, je nachdem, wie viel Prozent laut Vorgaben vom laufenden Bezug gestrichen wird.

Sanktion ist immer Strafe und Legitimation zugleich. Einmal wird bestraft und zum anderen den Menschen gezeigt, dass der Staat dazu das Recht hat, dass er das tun darf. Ohne Sanktionen würde das Hartz-IV-System seine Effektivität und Abschreckung als Mittel zur Lohnsenkung verlieren.

Grundgesetzlich garantierte Berufsfreiheit wird ausgehebelt

Die grundgesetzlich garantierte Berufsfreiheit wird ebenfalls berührt, wenn Menschen gezwungen werden, jede Arbeit, Beschäftigung oder Maßnahme anzunehmen.

Der Aspekt der grundgesetzlich garantierten Berufsfreiheit hat in den seit Jahren geführten Diskussionen um die Sanktionsmechanismen praktisch so gut wie nie eine Rolle gespielt.

Die Menschen, die im Hartz-IV-Bezug sind, stehen permanent unter Druck möglicher Sanktionen, weil jeder Vermittlungsvorschlag des Jobcenters ein „nicht ablehnbares Angebot“ sein kann. Die Freiheit der Berufswahl gibt es für sie nicht.

Es wird hierbei die SGB II Vorschrift der § 10 Abs. 2 angewandt. Danach ist für einen erwerbslosen Menschen jede Arbeit zumutbar und er kann nur ausnahmsweise Arbeitsangebote ablehnen, z.B. nur, wegen besonderer körperlicher Anforderungen oder wegen der Gefährdung der Erziehung des Kindes. Ausdrücklich kein „wichtiger Grund“ zur Ablehnung eines Vermittlungsangebots soll sein, dass die „Arbeitsbedingungen ungünstiger“ als die Bedingungen des bisherigen Beschäftigungsverhältnisses sind. Das ist der Hebel, mit dem man die Beschäftigten mit staatlichem Zwang in den Niedriglohnsektor drängt.

Staatlich subventionierte Leiharbeit

Neu beim Teilhabechancengesetz ist auch, dass Zeitarbeitsfirmen nicht als Förderberechtigte ausgeschlossen werden. Die Branche, die schon jetzt größter Abnehmer von langzeitarbeitslosen Menschen und Profiteur der Agenda 2010 ist, trommelt für das Gesetz am lautesten. Der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V. bietet bereits Seminare an und plant eine Broschüre, um seinen Mitgliedern Anleitungen für das Ausschöpfen des neuen Fördertopfs an die Hand zu geben. Denn das neue Gesetz macht die Träume dieser Branche wahr. Sie können ab sofort einen Menschen für 24 Monate anstellen, sich die kompletten Lohnkosten vom Staat bezahlen lassen und das Geld, das sie für die Verleihung der Angestellten erhalten, als Gewinn einstreichen. Der Leiharbeiter darf nicht mal kündigen, da ihm dann Sanktionen vom Jobcenter drohen.

Weiterer Ausbau des Niedriglohnsektors

Die Schaffung von voraussichtlich bis zu 800.000 zusätzlicher Beschäftigungs-/Maßnahme/- Arbeitsplätzen werden die Beschäftigungs- und Entlohnungsbedingungen aller Beschäftigten beeinflussen. Sie wird eine Umschichtung in den Betrieben zur Folge haben und reguläre Stellen abbauen.  Die verbleibenden Beschäftigten entwickeln zunehmend Ängste um ihren Arbeitsplatz und leisten, wenn sie Glück haben, bezahlte Mehrarbeit. Dadurch verhindern sie Neueinstellungen und können ihre familiären und sozialen Beziehungen nicht mehr pflegen. Sie verzichten auf die notwendige Genesungszeit bei Krankheit, schädigen damit ihre Gesundheit und verursachen mehr Kosten für das Gesundheitssystem. Gesamtgesellschaftlich wird eine angstgetriebene Hoffnungslosigkeit erzeugt und der Konkurrenzgedanke bestimmt noch mehr den Alltag.

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Immer mehr öffentliche und private Unternehmen ziehen sich weiter aus ihrer Verantwortung zur Schaffung von regulären Arbeitsplätzen zurück. Dies wird unter anderem dadurch erreicht, dass eine bewusst erzeugte Unterfinanzierung der öffentlichen Haushalte forciert wird: mit Hinweis auf die leeren Kassen wird eine gesamtgesellschaftliche Akzeptanz gefördert, notwendige Arbeiten durch Arbeitskräfte aus dem „Sozialen Arbeitsmarkt“ erledigen zu lassen.

Quellen:
WAZ, BA, SGB III, SGB II, BMAS, Berichte von betroffenen Menschen
https://www.gewerkschaftsforum.de
Urheberrecht
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Oben       —      Hubertus Heil auf dem SPD Bundesparteitag am 25. Juni 2017 in Dortmund

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2. von Oben      —    Esquelete de muller adulta que corresponde a unha sepultura realizada con tegulae (tellas planas) e con cuberta de forma triangular. Presentaba unha orientación leste-oeste, a cabeza ao poñente e carecía de enxoval. A muller, duns 20-25 anos, mediría unhs 160 cm de altura. Era de raza branca, se ben o ángulo do perfil facial corresponde a unha identidade negroide, polo que se podería pensar nunha probábel orixe norteafricana. A sepultura estaba situada na actual Rúa Real nº9 da Coruña.

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„Mini“ – Jobs abschaffen !

Erstellt von DL-Redaktion am 25. Mai 2020

Minijobs fallen in der Krise als erstes weg –
es ist höchste Zeit, sie abzuschaffen

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Quelle      :       Scharf    —   Links

Von Gewerkschaftsforum Deutschland

Über sieben Millionen Menschen in Deutschland waren zu Beginn der aktuellen Wirtschaftskrise geringfügig beschäftigt, sie waren als Minijobber tätig. Bereits im März 2020 wurde 224.000 von ihnen von heute auf morgen gekündigt. Obwohl eine Kündigungsfrist von sechs Wochen bei Minijobs gilt, wurde sie in den meisten Fällen geflissentlich übergangen. Minijobber waren die ersten Beschäftigten, die in der neuen Krise entlassen wurden und Kurzarbeitergeld gibt es für sie auch nicht. Selbst die Minijob-Zentrale spricht von einem „erheblichen Rückgang” und erwartet in den nächsten Wochen eine zweite Kündigungswelle.

Die „Flexibilität durch Minijobs“ nutzen die Unternehmen nun in der Krise, um Personal schnell abbauen zu können.

Im Jahr 2003 wurden die Minijobs von der rot-grünen Regierung grundlegend reformiert, um vor allen Dingen die Schwarzarbeit in privaten Haushalten als Reinigungs- oder Nachhilfekräfte einzudämmen und sie sollten als Sprungbrett in den ersten Arbeitsmarkt als Vollzeitkraft dienen. Die Minijobber werden heute aber weniger im Privathaushalt eingesetzt, sondern vor allem in der Gastronomie, in Werkstätten und im Gesundheitswesen. Das Ziel der Verringerung der Schwarzarbeit wurde auch nicht erreicht, trotz Ausweitung der Minijobs. Anfang 2020 waren über sieben Millionen Menschen in Deutschland als Minijobber tätig und das Märchen vom Sprungbrett in den ersten Arbeitsmarkt wird immer wieder erzählt, deshalb wird es aber nicht wahr.

Etliche Unternehmen haben das Konstrukt Minijob genutzt, um ihre Vollzeitstellen durch mehrere Minijobber zu ersetzen, um flexibler zu sein und viele Minijobs ersetzen heute die früheren vollzeitbeschäftigten Menschen. Für die fest angestellte Kassiererin arbeiten dann drei Minijobber oder  in der Gastronomie ersetzen drei studierende junge Leute den langjährig vollzeitbeschäftigten Kellner.

Minijobber haben für die Unternehmen auch noch den Vorteil, dass sie sich nicht gewerkschaftlich organisieren und höhere Löhne fordern, sie wagen es nicht zu streiken oder gar einen Betriebsrat zu gründen.

Knapp 4,4 Millionen Beschäftigte sind auf das Einkommen aus dem Minijob angewiesen, weil sie keine andere Arbeit als ihn haben, darunter sind viele studierende, alleinerziehende und alte Menschen mit geringen Renten.

Weil die Minijobber keine Abgaben zahlen, haben sie auch kein Recht auf Leistungen wie Arbeitslosen- oder Kurzarbeitergeld. Wenn sie wie jetzt ihre Beschäftigung verlieren, rutschen sofort einige hunderttausend Menschen in HARTZ-4 bzw. Sozialgesetzbuch II / Grundsicherung ab.

Mehr als 80 Prozent der geringfügig entlohnten Minijobber lassen sich von der Rentenversicherungspflicht befreien und verzichten damit auf deren Schutz. Im Alter sind diese Menschen dann auf die Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch XII angewiesen.

In Unternehmen mit Minijobs werden Steuerzahlungen in Milliardenhöhe umgangen. Das ist ungerecht, weil jeder Beschäftigte mit unterem und mittlerem Einkommen, der z.B. Überstunden macht, diese voll versteuern muss, während die Tätigkeit im Minijob mit Ausnahme einer eher symbolischen Pauschalsteuer steuerfrei ist.

In Minijobs sind Verstöße gegen die gesetzlich vorgeschriebenen Ansprüche noch immer an  der Tagesordnung. So enthält etwa ein Drittel der Beschäftigten keinen bezahlten Urlaub und beinahe genauso viele müssen auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verzichten.

Seit Jahren wird bei jeder Lohnerhöhung oder Erhöhung des Mindestlohns von der organisierten Unternehmerschaft die Erhöhung der 450 Euro-Grenze gefordert, denn wenn in einem Minijob mehr als 450 Euro verdienen werden, müssen die Beschäftigten sozialversicherungspflichtig angestellt werden. Das soll ja auf jeden Fall verhindert werden, denn die Befreiung von der Sozialversicherungspflicht macht diese Beschäftigungsform für die Unternehmer erst so attraktiv. Deshalb wird auch flächendeckend getrickst, z.B. in dem man den Mindestlohn unterläuft, die Arbeitszeit reduziert, Arbeitsmittel in Rechnung stellt und Trinkgelder anrechnet, um nicht die 450 Euro-Grenze zu überschreiten.

Minijobs verhindern Lohnerhöhungen, verdrängen reguläre Arbeitsplätze, befördern die Altersarmut und bilden in der Krise einen Großsteil der Reservearmee an Arbeitskräfte.

Es ist höchste Zeit, dieses Arbeitsmodell endlich aufzugeben.

https://www.gewerkschaftsforum.de

Quellen: Zeit Online, Minijob-Zentrale, 
Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 
dgb.de, BA
Urheberrecht
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Grafikquelle        :       Das neue „dynamische“ Führungs-Duo der EU erinnert an das Protagonisten-Pärchen eines bekannten Monumental-Films.

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Corona : Atemwegsinfekt

Erstellt von DL-Redaktion am 20. Mai 2020

Ein Atemwegsinfekt legt ganze Gesellschaften lahm – wie das?

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Quelle      :           Scharf  —  Links

Von Frank Bernhardt / Rudi Gospodarek, Gewerkschafter

Nach SARS-CoV-1 im Jahr 2002 und MERS-CoV 2012 sorgen zwei von den sechs humanpathogenen CoVs für schwere, lebensbedrohliche Krankheiten (Infektion der Atemwege bis hin zu Lungenentzündungen und sonstigen Organschädigungen etc.). Die WHO hatte damals schon vor einer Pandemie gewarnt und Notfallpläne für weitere Ausbrüche als dringlich angemahnt.

Die Staatenlenker brauchten jedoch ab Ende 2019 Monate, um sich von ihren virologischen Experten überzeugen zu lassen. Dann wurden sukzessive einschneidende Maßnahmen ergriffen. Eine weitgehende Unterbrechung des ökonomischen und sozialen Lebens fand statt. Eine Pause wurde nötig. Gar nicht so übel, könnte man denken. Gesünder wär‘s zweifellos, wenn der normale Ausstoß von giftigen Autoabgasen oder schädlicher Lärm von Flugzeugen den Menschen einmal erspart blieben. Positiv auch, dass der stressige Arbeitsprozess mal für einige Zeit ruht und alle die Früchte ihrer Arbeit genießen!

Das Ge­gen­teil ist aber der Fall, in dieser Gesellschaft hat eine simple Auszeit katastrophale Folgen. Ohne pausenloses Geldverdienen kommen nämlich Marktwirtschaft und damit das gesellschaftliche Leben zum Erliegen – mit der drohenden Perspektive eines wirtschaftlichen Abgrunds.

Ernste Lage – Lockdown – „neue Realität“

Mangels Impfstoff wird das SARS-CoV-2 die Menschen wohl noch länger begleiten. Der Gesundheitsminister fürchtet, „es kann noch Jahre dauern“ (Spiegel.de, 3.5.) bis zur Entwicklung eines Impfstoffes (normaler Weise dauert die Entwicklung fünf bis zehn Jahre). Die Zahl der Opfer soll sich weltweit, besonders in den armen Regionen der Welt, dramatisch erhöhen. Wobei die Sterberaten gegenwärtig nicht leicht zu ermitteln sind, da flächendeckende Tests mangels Material nicht durchgeführt werden. Und die Reaktion der Politik?

Eine äußerst bedenkliche Situation, deren Ausgang „offen“ (zdf.de, 19.3.) hat sie hierzulande konstatiert. So die Kanzlerin in ihrer „Ansprache an die Nation.“ Da drängt sich die Frage nach dem Zustandekommen dieser Lage auf? Was ist Sache? Die Regierenden reden von einem „dynamischen Geschehen“ (bundesregierung.de), die „Lage“ sei „jeden Tag neu“ zu bewerten (RKI). Die Lage ist allerdings nicht ohne das Handeln bzw. Nicht-Handeln der Politik entstanden. Die Akteure auf der politischen Bühne sind für die herrschenden Lebensumstände zuständig, darunter fallen auch Krankheiten und Seuchen (überarbeiteter § 5 des Infektionsschutzgesetzes im März).

Lange wurde das Virus als ein Problem Chinas abgetan, weit weg von uns und dazu in einem „autoritären Regime“ beheimatet. Die politisch gewährten Freiheiten der Bürger und Bürgerinnen wur­den im Zuge der Corona-Krise stark beschnitten. Die konsequenten Reaktionen (Schließung von Betrieben und Schulen, Beschränkung des öffentlichen Lebens, Abschottung von Regio­nen etc., darum geringere Opferzahlen und sukzessive Rückkehr zur marktwirtschaftlichen Logik), die China und andere asiatische Staaten ergriffen, kamen für Deutschland an­fangs nicht in Frage. Prahlerisch – im Vergleich zu unliebsamen und ökonomisch unterlegenen Staaten – wurde auf „unser“ exzellentes Gesundheitssystem verwiesen – „vielleicht eins der besten Gesundheitssysteme der Welt“ (A. Merkel, 18.3.). Obwohl abzusehen war, dass sich das Virus weltweit ausbreiten würde, fanden Produktion und Handel, Massenveran­staltungen und Anderes weiter statt – prächtige Geschäfte durften doch nicht einem winzigen Virus zum Opfer fallen!

Dann die Kehrtwende, der Lockdown war nicht zu vermeiden. Rückblickend werden die Versäumnisse der Entscheidungsträger als persönliches Problem behandelt, also bagatellisiert, und insgesamt ein Lob aufs hiesige Gemeinwesen ausgesprochen: „Bei allen Fehlern im Krisenmanagement sehen die Bürger, dass ihr Staat funktioniert“ (sueddeutsche.de, 24.04.) Einige Wochen später werden „Lockerungen“ Thema, von einer „neuen Realität“ ist gar die Rede. Vorsichtige, „klug bedachte Schritte“ (Scholz, Saarbrücker-Zeitung.de, 18.4.), die die Normalität wiederherstellen sollen, sind die neuen Schwerpunkte.

Schuldzuweisungen – natürlich ans Ausland

Wie sollte es in einer Staatenwelt auch anders sein, die kein Gemeinschaftswerk ist, sondern in der divergierende nationalstaatliche Interessen aufeinanderprallen. In China, einem aufstrebenden weltpolitischen Kon­kur­renten, mehrmals Exportweltmeister, soll in der Provinz Wuhan das Virus zuerst aufgetaucht sein. Schuld­zuweisungen wie „chinesischen Virus“ (tagesschau.de, 24.3), weit ab von jeder Erklärung, werden öffentlich gemacht.

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Für Trump ist das Ganze ein gefundener Anlass, eine neues ‚Sperrfeuer‘ gegen China zu eröffnen, nachdem der Handelskrieg schon länger stattfindet. Dann legt Außenminister Pompeo nach und spricht von „signifikanten“ Beweisen zur künstlichen Erzeugung des Virus, „Details“ dürfe er jedoch nicht preisgeben (manager-magazin.de, 4.5.); sein deutscher Kollege Maas fordert China zur „vollumfänglichen Aufklärung“ auf. Das zeigt, wie man sich hierzulande an den chinafeindlichen „US-Aggressionen“ beteiligt, die „transatlantisch orientierte Kreise in Deutschland“ offen fordern (german-foreign-policy.com, 5.5.20).

Schulschließungen und Rückkehr zur „Normalität“

Das gesellschaftliche Leben wird jäh unterbrochen. Neben einer größeren Zahl von Berufstätigen, die Ende März in die Heimarbeit geschickt werden, zählt auch der Lehrerstand dazu. Obwohl in den Schulen seit Jahren Informatik mit der entsprechenden Technik unterrichtet wird, ist es für das Lehrpersonal (besonders in Grundschulen mit inklusiver Pädagogik) eine Herausforderung, dem Hausunterricht übers Netz mittels Laptop u.ä. nachzukommen – so es überhaupt möglich ist.

„Schüler aus benachteiligten Familien: offline und abgehängt“! So der „Standard“ in Österreich, was hierzulande nicht anders ist. Besonders betroffen sind diejenigen aus armen, sogenannten bildungsfernen Familien, denen es allein schon an elektronischen Voraussetzungen mangelt. Wie üblich fragt die Kennzeichnung „Benachteiligte“ nicht nach den Gründen der Misere. Wenn die „freie Presse“ nach „Bildungsgerechtigkeit“ für diese Schüler ruft (eine Presse, die übrigens kaum daran dachte, Schröders Beschimpfung des Lehrpersonals als „faule Säcke“ in die Schranken zu weisen), dann ist das geheuchelt und dient dazu, die Wiederöffnung der Schulen zu fordern. Hilfreich wäre es schon, ein­mal über Sinn und Zweck der Institution Schule nachzudenken. Dazu hier einige Anmerkungen.

Warum füllen z.B. sieben bis acht Millionen Schüler und Schülerinnen nach der Schule als funktionelle Analphabeten die Sta­tisti­ken? Warum beherrschen nach neun bis zehn Jahren Schulbesuch etliche die Grundrechenarten nicht und haben große Schwierigkeiten im Bruch- und Prozentrechnen? Usw. Der Grund liegt darin, dass das Ler­nen in den Schulen als Konkurrenzlernen eingerichtet ist. Der Leistungsvergleich dient der Selektion, Gewinner und Verlierer sind die Folge. Bei den Erstgenannten steht im Abschluss­zeugnis der Grundschule eine „Empfehlung fürs Gymnasium“. Die Verlierer werden von weiterführender Schulbildung ausgeschlossen. Damit sind die Berufsperspektiven vorgezeichnet. Ein erfolgreiches Studium kann zu beruflichen Positionen mit lukrativer Bezahlung führen – die Karriere ist natürlich nicht garantiert, aber ohne einen solchen „höheren“ Abschluss geht kaum was. Die große Mehrzahl mit oder ohne weitere Ausbildung ist ein Leben lang auf mehr oder weniger schlecht bezahlte, dazu noch körperlich anstrengende Arbeiten verwiesen. Im ungünstigsten Fall werden die Betreffenden schon früh über Hartz IV alimentiert.

Derzeit wird der normale Schulbetrieb wieder vorbereitet bzw. geht mit Sonderregelungen an den Start. Schulleitungen und Lehrer-Kollegien haben sich eifrig bemüht, Notfallpläne (Abstands- und Pausenregelungen, Bereitstellung von Hygieneartikeln etc.) zu erstellen. Zeitintensive neue Aufgaben s