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Archiv für die 'Traurige Wahrheiten' Kategorie

Das ewige Bündnis

Erstellt von DL-Redaktion am 9. Juli 2023

Die ewige Nato und der russische Angriffskrieg

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Eine immerwährende Angriffsmaschinerie der westlichen Welt

Nachdenkliches von Stefan Reinecke

Die russische Aggression macht die Nato wichtiger denn je. Und dennoch darf die Kritik am größten Militärbündnis aller Zeiten nicht vergessen werden.

Vilnius liegt 30 Kilometer von der belarussischen Grenze entfernt. Im Westen sind es keine 200 Kilometer bis zur russischen Enklave Kaliningrad. Die litauische Hauptstadt ist einer der Orte, an denen ad hoc einleuchtet, warum in Osteuropa viele die Nato für eine unverzichtbare Lebens­versicherung halten. Seit Putins Angriffskrieg gegen die ­Ukraine wirkt die gigantische US-Militärmaschine mit ihrer atomaren Overkillkapazität für jene, die in der Nähe russischer Grenzen leben, beruhigend.

Dass der Nato-Gipfel in der nächsten Woche in Vilnius stattfindet, ist ein Zeichen. Putin spekuliert darauf, dass die dekadenten Stimmungs­demokratien im Westen irgendwann die Lust verlieren, Kiew in einem Krieg zu unterstützen, der viel Geld kostet, in dem viel gestorben wird und bei dem kein Ende in Sicht ist. Die Nato wird in Litauen grimmig entschlossen demonstrieren, dass Putin falschliegt. Russland bleibt, auch wenn die wüsten atomaren Vernichtungsdrohungen aus Moskau abgenommen haben, eine Bedrohung über die Ukraine hinaus.

Auch wer kritisch auf die USA schaut, fürchtet derzeit weniger eine entfesselte aggressive US-Außenpolitik als einen isola­tio­nistisch gesinnten, rechten US-Präsidenten, der den atomaren Schutzschirm über Europa einklappen könnte. Die Daseinsbegründungen der Nato nach 1991 waren flüchtig, brüchig und vage. Mal war sie, wie in Bosnien und im Kosovo, ein Instrument, um Bürgerkriege mit zwiespältigem Erfolg zu befrieden. Mal war sie für die Europäer ein Medium des durchweg gescheiterten Versuchs, die brachiale Gewalt und Hybris der US-Politik nach 9/11 einzuhegen.

Alles vergangen und vergessen. Das Bündnis hat wieder einen Gegner und eine moralisch wie strategisch einleuchtende Aufgabe. Die kann man in Abwandlung einer berühmten Bemerkung von Lord Ismay aus den 1950er Jahren so skizzieren: „die Amerikaner drinnen, die Russen draußen halten – und Osteuropa schützen“. Das ist seit dem 24. Februar 2022 so selbstverständlich, dass es kaum ausgesprochen werden muss. Die westliche Allianz verteidigt, glaubt man der Bundesregierung, „Frieden, Demokratie, Freiheit und die Herrschaft des Rechts“. Universalismus gegen Repression. Liberale Werte versus Autokratie. Gut gegen Böse. Ist das Bild so klar? Nur schwarz-weiß und ohne Grautöne? Oder hat der Blick von Vilnius aus auf die Welt Verkrümmungen und blinde Flecken?

Der Westen sollte vorsichtig mit Belehrungen sein

Ehe man die Nato allzu freudig als antiimperialistisches Bollwerk feiert, sollte man sich ins Gedächtnis rufen, dass die westlichen Truppen vor noch nicht mal zwei Jahren aus Afghanistan flohen und ein geschundenes, kriegsverwüstetes Land hinterließen. Das war nach 20 Jahren Erfahrung mit Isaf-Truppen, viel Demokratie- und Menschenrechtsrhetorik noch gewalttätiger, grausamer, elender als zu Beginn der Intervention 2001.

Der Westen neigt dazu, die blutigen Verwüstungen, die er im Irak, in Afghanistan und Libyen angerichtet hat, leichthändig zu verdrängen. In den westlichen Regierungszentralen gibt man das Scheitern der Interventionen von 2001 bis 2021 zwar zu – aber nur nuschelnd und halbherzig. Die Rolle der Nato als globaler Ordnungsmacht wurde stillschweigend ins Regal geräumt – aber kaum selbstkritisch verarbeitet. Das bedeutet für die Zukunft: Falls es opportun erscheinen sollte, kann man mit völkerrechtlich windigen Begründungen und militärischer Gewalt wieder auf ­Regime-Change setzen.

Viele Staaten im Globalen Süden scheuen sich, im Ukrainekrieg Täter und Opfer klar zu benennen. Manche wollen den Import russischen Öls und russischer Waffen nicht gefährden. Andere halten eine dritte Position in dem aufziehenden Konflikt zwischen dem Westen und China/­Russland für günstiger als die Parteinahme für Kiew.

Das muss man kritisieren. Allerdings sollte der Westen Belehrungen in Richtung des Globalen Südens lieber vorsichtig dosieren. Der Westen, der für sich überlegene Moral reklamiert, weckt nicht nur Assoziationen an die koloniale Ära. Auch die Bomben auf Libyen, den Irak und Afghanistan fielen im Namen von Demokratie, Freiheit, Gerechtigkeit und Menschenrechten. Im Globalen Süden sind die Erinnerungen daran nicht so schnell ausgebleicht wie in London und Washington. Die Selbstinszenierung der Nato als Garantin von Freiheit und Frieden stößt von Brasilien bis Südafrika daher auf eine gewisse Skepsis.

Darüber aus der Höhe ethischer Überlegenheit den Kopf zu schütteln verdoppelt ein unbegriffenes Pro­blem. Die Erklärungen der Nato in Vilnius werden kristallklar und entschlossen klingen: dauerhafte Unterstützung für Kiew, Verteidigung von jedem Zentimeter der östlichen Staaten. Welche Rolle die Nato in der zerklüfteten, unübersichtlichen globalen Staatenwelt des 21. Jahrhundert spielen wird, ist weniger eindeutig. Ob die europäischen Nato-Staaten den Sidekick im Kampf der USA mit China um die globale Vorherrschaft geben werden, ist offen. Es ist auch möglich, dass sich eher Macrons Kurs einer von den USA weitgehend unabhängigen, auf eigene Interessen fokussierten, weicheren europäischen Chinapolitik durchsetzt.

Ernüchterndes Erbe der Friedensbewegung

Der Westen ist gut beraten, globale Konkurrenzen nicht reflexhaft in das Raster „Demokratie versus Diktatur“ zu pressen und moralisch aufzuladen. 71 Prozent der Weltbevölkerung lebt in Autokratien. Kompromisse lassen sich leichter finden, wenn man Interessen abgleicht – und sich nicht als edler Ritter in Szene setzt.

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Welche Rolle spielt Deutschland dabei? Die Bundesrepublik ist heute mehr als in den letzten 30 Jahren auf die USA und die Nato angewiesen. Die Debatten über europäische Souveränität und Sicherheit ohne Washington sind, was sie immer waren: akademisch.

Eher ernüchternd fällt die Inspektion des Erbes der bundesdeutschen Friedensbewegung der 80er Jahre aus. Die war immer vielfältig und heterogen. Ende der 90er Jahre spaltete sie sich in zwei fundamental entgegengesetzte Teile. Angesichts der Massaker in den Jugoslawienkriegen bildeten die Grünen eine moralisch begründete Pro-Nato-Haltung heraus, die den Antimilitarismus abstreifte wie ein altes Hemd.

2023 unterstützen nur WählerInnen der Grünen mehrheitlich deutsche Kriegsbeteiligungen, wenn diese sinnvoll seien. Unter Anhängern der Union ist es nur ein Drittel, unter denen der SPD ein Viertel. Die grüne Klientel ist auch entschieden für eine wertegeleitete Außenpolitik. In der heraufziehenden internationalen „Wolfswelt“ (Marc Saxer) ist der Westen nur ein Player unter anderen. Ob die grüne Mixtur aus Moral und Militär da ein angemessenes Werkzeug ist, kann man bezweifeln. Es ist klug, Pragmatismus größer als Prinzipien zu schrei­ben.

Auf der anderen Seite existiert eine kleine, teils mit der Linkspartei verbundene Fraktion, die eisern an der linken US-Kritik der 70er und 80er Jahre festhält. Dieser Steinzeit-Antiimperialismus folgt dem Motto, dass der Feind meines Feindes mein Freund sei, und hat Sympathien mit Regimen von Venezuela bis Moskau. Diese Gruppe würde Kiew ohne Wimpernzucken russischen Panzern überlassen. Seit dem 24. Februar 2022 ist diese Oldschool-Anti-Nato-Ideologie endgültig moralisch und politisch bankrott. Es ist kein Wunder, dass die Wagenknecht-Schwarzer-Demo ein One-Hit-Wonder war.

Die Interessensvertretung reicher Staaten

Quelle       :          TAZ-online           >>>>>          weiterlesen 

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Grafikquellen     :

Oben           —     NATO Parliamentary Assembly Pre-Summit Conference in London, 2 September 2014.

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Unten          —       Antikriegsdemonstranten zur zweiten Amtseinführung von George W. Bush am 20. Januar 2005

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Detonation-Oberhausen

Erstellt von DL-Redaktion am 30. Juni 2023

Vigilia pretium libertatis!

Von: Jimmy Bulanik

Oberhausen – Am 05. Juli 2022 um 03:20 Uhr ereignete sich dem Büro „Die Linke . Liste Oberhausen an der Elsässer Straße 20 eine Detonation. Das Sprengmittel hatte eine Wirkung gehabt das die Fensterscheiben sowohl am dem politischen Büro, als auch bei den unternehmerischen Gesellschaften gegenüber die Scheiben zerstört worden sind. Der persönlich bekannte Mitarbeiter der Ratsfraktion Die Linke, Henning von Stolzenberg sagte in einem Fernsehinterview gegenüber dem Westdeutschen Rundfunk, Aktuelle Stunde das es zuvor immer wieder politisch motivierte Straftaten von Rechts im näheren Umfeld des Büro der Die Linke gekommen ist.

Alle diese Offizialdelikte von Rechts ob nach § 86a StGB, § 130 StGB sind durch Die Linke in Oberhausen gegenüber den Justizbehörden in Nordrhein – Westfalen zur Strafanzeige gebracht worden. Der Weg dafür ist kurz. Zwischen der Elsässer Straße 20 und der Polizeiwache auf dem Friedensplatz 2 – 5 liegen liegen gerade einmal 169 Meter, was mit einem PKW einer Fahrt von nur vierzig Sekunden bedarf.

So mutig ist die Täterschaft. Das erinnert an die Kapitalstraftaten von Rechtsterroristen wie das Oktoberfestattentat am 26. September 1980 in München, der Sprengstoffanschlag am 27. Juli 2000 in Düsseldorf an der S – Bahn Haltestelle Wehrhahn weshalb dadurch ein ungeborenes Leben im Mutterleib gestorben ist, die Sprengstoffanschläge durch das Geflecht an internationalen Netzwerken von Rechtsterroristen durch Blood & Honor, dessen Derivat in Thüringen der Nationalsozialistische Untergrund gewesen ist. Davon ist mit Köln in Köln – Ehrenfeld und Köln – Mülheim zwei Mal das Bundesland Nordrhein – Westfalen betroffen worden.

Wieder tangiert dies politische Verbrechen die öffentliche Sicherheit im Bundesland Nordrhein – Westfalen. Die zuständige Herrin des Verfahrens war und ist die Staatsanwaltschaft in Duisburg. Ohne Ergebnis, das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt.

Das Schreiben der Staatsanwaltschaft Duisburg vom 29. Juni 2023, um 09:14 Uhr an meine Person lautet:

Sehr geehrter Bulanik,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Das Ermittlungsverfahren betreffend die Sprengstoffstoffexplosion am Parteibüro „DieLinke“ in Oberhausen wurde nunmehr gemäß § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung eingestellt, da kein Tatverdächtiger ermittelt werden konnte.

Nach der Durchführung der nachfolgend genannten und umfangreichen Ermittlungen konnten keine weiteren erfolgsversprechenden Ermittlungsansätze erlangt werden:

Die Ermittlungen ergaben, dass an dem Griff an der Eingangstür des Parteibüros ein angebrachter Sprengsatz zur Explosion gebracht wurde. Aufgrund der Wucht der Explosion entstand ein erheblicher Sachschaden an dem Gebäude und den angrenzenden Nebengebäuden. Menschen kamen nicht zu Schaden. Es handelte sich nach Auswertungen des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen um eine Sprengvorrichtung mit Blitzknallsatz. Hinweise auf einen Täter wurden nicht erlangt.

Da Polizeibeamte der in Nähe des Tatorts auf dem Friedensplatz 2-5 gelegenen Polizeiwache Alt-Oberhausen die laustarke Detonation wahrgenommen hatten und im Anschluss aufsteigende Rauchschwaden im Bereich der Elsässer Straße bemerkten, ist unmittelbar nach der Tat eine Nahbereichsfahndung eingeleitet worden, die allerdings erfolglos blieb.

Auf Befragen vermochten weder der Fraktionsvorsitzende der Partei „DieLinke“ in Oberhausen noch ein täglich in dem betroffenen Büro anwesendes Parteimitglied Personen zu benennen, die als Tatverdächtige in Betracht kämen. Nach ihren Bekundungen habe es im Vorfeld des Anschlags weder Drohschreiben noch sonstige Hinweise auf eine solche Tat gegeben. Das Parteibüro sei bislang kein Ziel von Anschlägen oder auch nur Vandalismus gewesen.

Die durchgeführten Anwohnerbefragungen blieben ebenfalls ohne Ergebnis. Durch die Auswertungen der Aufnahmen von diversen Überwachungskameras und anderer Aufzeichnungssysteme im Nahbereich zum Parteibüro konnten keine sachdienlichen Erkenntnisse erlangt werden. Auch ein mittels einer öffentlichen Fahndung ermittelter Zeuge konnte weder sachdienliche Hinweise geben, noch kommt er als möglicher Tatverdächtiger in Betracht.

Die erlangten Verkehrsdaten im Rahmen einer Funkzelle brachten ebenfalls nach polizeilicher Auswertung keine Hinweise, die in einem möglichen Tatzusammenhang zur hiesigen Tat stehen.

Die serologische Untersuchung des am Tatort aufgefundenen Spurenmaterials sowie die daktyloskopische Auswertung der durch das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen ausgewerteten Asservate blieb ebenfalls ohne Ergebnis.

Da keine weiteren Ermittlungsansätze vorlagen, war das Verfahren nach § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung einzustellen.

Für weitere Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Marieluise Hepe

Staatsanwältin

Pressesprecherin

Staatsanwaltschaft Duisburg

Koloniestr.72, 47057 Duisburg

Tel.: 0203 9938-810, Fax: 0203 9938-888

E-mail: Marieluise.Hepe@sta-duisburg.nrw.de

Internet: www.sta-duisburg.nrw.de

Hinweis:

Informationen zur Verarbeitung personenbezogener Daten in Rechtssachen finden Sie in dem Informationsblatt zum Datenschutz in Rechtssachen.

Informationen zur Verarbeitung personenbezogener Daten in Angelegenheiten der Justizverwaltung finden Sie in dem Informationsblatt zum Datenschutz.

Es ist evident das Rechtsextremisten, Rechtsterroristen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, innerhalb der Europäischen Union und in Übersee miteinander vernetzt sind. Oftmals sind politische Verbrechen wie Kapitalstraftaten von Rechtsterroristen begangen worden mit nachrichtendienstliche Verbindungspersonen als Mittäterschaft. Das jene welche für dieses politische Verbrechen verantwortlich sind nicht ermittelt worden sind, stellt eine andauernde öffentliche Gefahr dar.

Sie haben bereits die Erfahrung wie es ist solch ein Verbrechen mit einem Sprengsatz zu verüben. Sie könnten sich gestärkt erachten. Darüber hinaus sich enervieren und zu einem späteren Zeitpunkt im Bundesland Nordrhein – Westfalen oder darüber hinaus einen Terroranschlag zu begehen.

Dieses Verbrechen in Oberhausen verjährt erst am 06. Juli 2042. Es bleibt abzuwarten ob zu einem späteren Zeitpunkt die Staatsanwaltschaft Duisburg als Herrin des Verfahrens zu neuen Erkenntnissen gelangen werden wird. Gründe können dafür sein das es unter den politischen Verbrechern zu einem Bruch wegen Geld, Schulden, Alkohol, Drogen, Sexualität, Ausstieg kommt.

Oftmals sind ausländische Sicherheitsorgane leistungsfähiger als die in der Bundesrepublik Deutschland. Doch darauf darf nicht gewartet werden. Die demokratische Zivilgesellschaft darf zu ihrem Schutz proaktiv werden.

Wie das Nutzen des Rechtes auf Versammlung. Das können Demonstrationen sein. Veranstaltungen in den Räumlichkeiten einer Universität oder Volkshochschule zu dem Komplex der Gefahren von Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus. Geschädigte Personen von den politischen Verbrechen wie Kapitalstraftaten durch Rechtsextremisten und Rechtsterroristen können dabei persönlich gesehen und gehört werden.

Der Rechtsextremismus, Rechtsterrorismus ist eine akute, konkrete Gefahr für die natürlichen Personen in ihren Rechtsgütern wie das Recht auf Leben und das Recht auf die körperliche Unversehrtheit, sowie der Demokratie als ganzes

Auch ist es gerechtfertigt seine sakrosankt verbrieften Grundrechte aktiv die Initiative in die eigene Hände zu nehmen. Durch das Schreiben an die kommunale Verwaltung, das Mitglied des Landtages für den eigenen Wahlkreis, an die Obleute des Innenausschusses im Bundestag oder im Landtag, des Mitgliedes des Bundestages für den eigenen Wahlkreis. Wirksam ist es immer in einer Gemeinschaft vorbereitet eine öffentliche Sitzung des Innenausschusses des Landtages zu gehen, um die Obleute vor Ort zu sensibilisieren.

Diese gewählten Personen in den Verfassungsorganen dürfen Anfragen an die jeweilige Regierung stellen. Ob im Landtag oder im Bundestag. Die politischen Verantwortlichen haben sich gegenüber den Menschen in der Gesellschaft als eine wehrhafte Demokratie zu erweisen.

Je aktiver die Menschen im Inland sind, desto mehr wird die Landespolitik, Bundespolitik den Verfolgungsdruck auf die Rechtsextremisten, Rechtsterroristen erhöhen. Was diese dann verstärkt zu spüren bekommen werden.

Die Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit. Diese gilt es zu verteidigen. Bevor es mittels Mord wie an Dr. Walter Lübcke von der Christlichen Demokratischen Union nicht mehr möglich ist.

Vor sämtlichen Wahlen auf der Landesebene, Bundesebene gilt es die demokratischen Parteien auf dieses Wahlkampfthema hinzuweisen. Am Besten via Email. Es ist gratis und demokratisch zugleich.

Auch dringend benötigte Investoren aus demokratisch verfassten Ländern nehmen solche politischen Verbrechen hier zur Kenntnis. Gerade in den digitalisierten Zeiten des Internet. Es gilt die Attraktivität des eigenen Lebensraum hervorzuheben anstelle dies zu schmälern.

Gewiss dürfen alle gegenüber der Politik im Rathaus, Landtag und Bundestag öffentliche Fragen aufgreifen. Gibt es genug personelle Kapazitäten in den Sicherheitsorganen ? Bedarf es eine personelle Aufstockung ? Sind die Beamtinnen und Beamten bei der Polizei, Staatsanwaltschaften, Richterinnen und Richter gut genug geschult ?

Könnte der Austausch von Daten unter den international vernetzten Rechtsextremisten, Rechtsterroristen in der Wirklichkeit optimiert werden ? Sicherheitskooperationen sind das. Auch bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus, Rechtsterrorismus ist die internationale Vernetzung und Kooperation ist die Zusammenarbeit von entscheidender Wirkung.

Das Prinzip der Legalität ist dabei zu bevorzugen. In den Komplexen des innerstaatlichen Handelns muss im Auftrag der Bekämpfung des Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus zusammengehalten werden. Konflikte um die Kompetenzen müssen darin abgebaut werden.

Weil Rechtsextremisten, Rechtsterroristen sich oftmals im Segment der organisierten Kriminalität betätigen sollten insbesondere mit den Mafia Spezialisten aus Italien und den Vereinigten Staaten von Amerika eingebunden werden um von ihnen zu lernen.

Sie erwiesen sich oftmals als leistungsfähig. Über Finanzdelikte kann auch den Rechtsextremisten, Rechtsterroristen Anklagen vor Gericht bevorstehen. Je häufiger Rechtsextremisten, Rechtsterroristen zu langen Straften in Haft verurteilt werden, desto weniger werden die Menschen in der demokratischen Zivilgesellschaft von ihnen geschädigt werden.

Jimmy Bulanik

Nützliche Links im Internet:

Snow – Informer

www.youtube.com/watch?v=TSffz_bl6zo

Talk Talk – Such a shame

www.youtube.com/watch?v=lLdvpFIPReA

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Oben     —   „NRW hat Platz! Refugees welcome!“

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Down with the Crown

Erstellt von DL-Redaktion am 24. Juni 2023

Graham Smith: Abolish the Monarchy

File:Coronation of Charles III and Camilla - King's Procession (02).jpg

Quelle     :     Untergrundblättle – CH

Von       :        Jonathan Eibisch

Ein besserer Verkaufs-Coup hätte Graham Smith für sein erst im Juni erscheinendes Buch Abolish the Monarchy nicht gelingen können.

Der Autor und Initiator einer Kampagne gegen das englische Könighaus wurde beim Protest gegen die Krönung von König Charles verhaftet.

Gewürdigt werde sollte so viel Raffinesse schon, zumal damit einer nach wie vor recht kleinen Protestbewegung gegen die Relikte vormoderner Herrschaft, Beachtung gezollt wird.

Schade allerdings, dass hier vor allem liberale Republikaner die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Viel schöner wäre es doch, wären in der ersten Reihe des Protestes gegen das Könighaus auch ausgewiesene Anarchist*innen. Andererseits haben diese weit weniger Ressourcen zur Selbstinszenierung und widmen sich wohl auch weit basaleren Auswüchsen der Herrschaftsordnung, als der lächerlichen Inszenierung einer vermeintlich guten, traditionell abgesicherten und weisen Führungsriege.

Schade, denn sonst hätte man statt Protest mit Schildern und den Rufen „Not my king“, lieber ein Parallelspektakel aufführen können: Im wahrsten Sinne, Karneval. Allernort wählen die Bewohner*innen jährlich den einfältigste Trottel ihrer Gemeinschaft, dem zugleich die Bauernschläune innewohnt, zum Dorfkönig. Der Ort der souveränen Macht wird entleert und entehrt, wenn das simpelste und närrischste Menschlein auf den Thron gehoben wird und bei Bedarf wieder ausgewechselt werden kann. – Das wäre doch mal eine nette Protestform gewesen, mit der über das Symbolische hinaus vielleicht sogar etwas Chaos hätte gestiftet werden können…

Die Argumentation des Geldes wegen verstehe ich nicht wirklich: Ob die Krönungszeremonie am 06. Mai 100 oder 25 Millionen Pfund gekostet haben soll, welche die steuerzahlenden Bürger*innen aufbringen, während der Hochadel ja ohnehin genug Geld zur Verfügung hat – wen interessiert es? Beziehungsweise, wen wundert es? Wenn es sich um einen echten König handelt, stellt sich doch gar nicht die Frage, ob die Kosten für die Produktion seines imaginären Status als Personifikation eines abstrakten Herrschaftsgefüges vom Volk getragen werden. Der König schöpft Souveränität aus sich selbst heraus, sowie der Adel seinen sozialen Status ja nicht begründen muss, sondern sich auf diesen als unhinterfragbaren Selbstzweck berufen kann. Der König schöpft seine Souveränität aus sich selbst heraus, so wie das Volk seine Souveränität daraus schöpft, den König zu enthaupten.

Und wenn ich hier „König“ sagen, meine ich heruntergebrochen eine, neben neuen dazugekommenen Dynastien, einflussreiche Kaste von privilegierten Reichen. Es wäre längst an der Zeit gewesen, diesen Humbug ihrer alberne Selbstinszenierung in den letzten Jahrzehnten abzuschaffen. Wenn nicht genug verlorene Seelen ihrem romantisch-verkitschtem Affekt folgen und ihrem herangezüchteten Idiotenbewusstsein nachgeben würden. Lieber wollen diese erleben, Teil einer verklärtem Geschichte zu sein, als die Anstrengung aufwenden, ihre Geschichten selbst zu schreiben. Das Volk ist ein jämmerlicher Haufen, dessen Phantasie in Schlaraffenländer abschweift, aber sich kaum vorstellen kann, dass es sich seine Regeln einfach selbst geben könnte. Häufig wollen die Leute ihren König wie ihr Bier, ihren Fussball, ihre Unterhaltung und ihre Kümmerer – ob Pfarrer, Sozialarbeiter, Yogalehrer, Friseur oder Psycho- oder Physiotherapeuten.

Graham Smith: Abolish the Monarchy. Transworld Digital 2023. 261 Seiten. ca. SFr. 12.00.

Soweit nicht anders angegeben und keine Quellenangabe (Name einer Organisation oder Internet-Adresse) vorhanden ist, gilt für die Texte auf dieser Webseite eine Copyleft (Public Domain) Lizenz.

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Oben        —        Charles und Camilla während der Krönungszeremonie am 6. Mai 2023.

Author Katie Chan        /       Source    : Own work        /         Date       :      6 May 2023,

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Welt d. Scheinheiligen, No 3

Erstellt von Redaktion am 30. April 2023

Wir leben in Zeiten des Geltungsdrangs und der Selbstüberschätzung.

Von Redaktion – DL.

Der Soziologe Thomas Druyen hat ein Buch darüber geschrieben – und es den „Treuen und Anständigen“ gewidmet.

Thomas Druyen: Ich bin Wissenschaftler, kein Richter. Aber so viel sage ich schon: Wenn im Ruhrgebiet die Kirchen schließen, wenn das geistliche Leben verarmt und Seelsorge nicht mehr finanziert werden kann, dann sind solche Nachrichten wie aus Limburg schwer zu ertragen. Aber wir sollten uns nicht an einzelnen Beispielen festbeißen, denn die Scheinheiligkeit hat viel verheerendere Dimensionen.

ZEIT: Man hat den Eindruck, es herrsche Scheinheiligkeit, wohin man sieht. Seien es gedopte Sporthelden wie der siebenfache Tour-de-France-Sieger Lance Armstrong , sei es der zurückgetretene Verteidigungsminister zu Guttenberg mit seiner erschlichenen Promotion, sei es der gestrauchelte Bundespräsident Christian Wulff mit seinen dubiosen Kontakten zu reichen Gönnern…

Druyen: Die Beispiele können wir endlos fortführen. Aber entscheidend sind die vielen Arten von Scheinheiligkeit. Da ist erstens die individuelle und manipulative Vortäuschung falscher Tatsachen, das reicht von der Hochstapelei über Plagiate bis hin zum Amtsmissbrauch . Die zweite Stufe betrifft das vorsätzliche Erwecken eines falschen Anscheins. Ob Sie den operettenhaften amerikanischen Wahlkampf betrachten oder die strukturelle Folgenlosigkeit von zwei Billionen Dollar Entwicklungshilfe. In allen Fällen handelt es sich um interessengebundene und kollektive Scheinheiligkeit. Die dritte Stufe hat systemischen Charakter: die Verschuldungs- und Entschuldungsakrobatik der Banken, die Tatsache, dass Nahrungsmittel zu Spekulationsobjekten verkommen, überhaupt die gemeinhin akzeptierte, salonfähige Ungerechtigkeit, dass die Welt in eine Handvoll Profiteure und ein unübersehbares Heer von Almosenempfängern aufgeteilt ist.

Quelle     :       Zeit-online          >>>>>          weiterlesen

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Oben     —   29th plenary session of the 19th legislative period of the Abgeordnetenhauses of Berlin: Election of the Governing Mayor

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Unser Leben unter Affen

Erstellt von DL-Redaktion am 17. April 2023

Leben wir noch in einer Demokratie oder schon in einem Affentheater

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Gleichen die drei Affen nicht den Politiker-innen, welche sich nur Trolle nennen und wie Clowns benehmen!

Quelle       :        Scharf  —  Links

Ein Kommentar von Georg Korfmacher, München

Neben den umwälzenden Weltveränderungen müssen wir bei uns einem Theater zuschauen, das wir uns vor wenigen Jahren nicht im Traum vorstellen konnten. Der rote Kanzler macht mit schüchternem Lächeln verzweifelte Anstrengungen, seine Truppe zusammenzuhalten, erst im Schloss auf dem Land und dann in derWaschmaschine (Kanzleramt) in Berlin.

Die grünen Minister für Außenpolitik und Wirtschaft vollführen erratische Kapriolen bei Aufgaben, denen sie nicht gewachsen sind. Und der liberale Finanzminister blockiert als kleinste politische Kraft, was ihm beliebt und mischt sich überall ein. Diese vier Leuchten der Ampel haben scheinbar jeden Sinn für Volk und Demokratie verloren. Alle Versprechen vor ihrer Wahl sind Schall und Rauch. Zum Kanzler ist wenig zu sagen, weil er eben so wenig von sich gibt. Er holt sich jetzt seine Befehle in Washington direkt und persönlich ab.

Der Finanzminister bewilligt Gelder, die der Industrie nützen, während er für eine Grundsicherung für Kinder kein Geld zu haben vorgibt. Den Gipfel der Ignoranz und Arroganz aber haben die beiden grünen Politiker erklommen. Die eine schießt mit erstaunlicher Begabung einen Bock nach dem anderen bis hin zur Erklärung, dass sich unser Land im Krieg mit Russland befinde, weil wohl nur das zu ihrer Illusion von der internationalen, regelbasierten Ordnung passt.

Damit zeigt sie aber wie unwichtig sie eigentlich ist. Sie vertritt nicht die Interessen unseres an sich souveränen Landes, sondern plappert nur tumb die Vorgaben der USA nach. Diplomatisch auftreten ist ihr fremd, alles im Wesentlichen nur Show für die nationalen Medien. Ihr grüner Kollege und promovierter literarischer Ästhet – von Wirtschaft wenig beleckt – trifft Entscheidungen und bastelt Pläne, die unseren Wohlstand massiv zu gefährden geeignet sind und das auch schon getan haben.

Seine Verachtung für das Volk wird in seiner Entscheidung deutlich, nur Über-Achtzigjährige von seiner irrwitzigen Regel zur Heizungserneuerung zu verschonen. Allen anderen greift er brutal in die Tasche mit gravierenden Folgen für den Wohnungsmarkt. Aber gewählt ist gewählt. Jetzt macht er, was er will, mit oder gegen seinen freidemokratischen Kollegen von den Finanzen. Insbesondere die hier genannten Regierungsmitglieder sind getreu dem Peter-Prinzip durch seitliche Arabesken in den verschiedenen Parteiappareten
aufgestiegen und jetzt auf der Stufe ihrer Inkompetenz angekommen.

Theater Pur – von Politik keine Spur !

Eine Krise jagt die nächste. Demokratische Entwicklungen und Entscheidungen werden durch Behördenauflagen umgangen und machen dringend notwendige Maßnahmen höchst kompliziert und lamgwierig bis unmöglich. Die gesamte, US- gesteuerte Sanktionspolitik ist manifest gegen die Interessen der breiten Bevölkerung und macht nur Reiche noch reicher. Unsere ach so hochgelobte Demokratie ist multipel sklerotisch und bedarf dringend einer Erneuerung mit einer echten Beteiligung des Volkes an Entscheidungen, die unser Leben bestimmen.

Unser Parteien- und Wahlsystem ist grotesk. Einmal gewählt, ist man für den Rest der Regierungsperiode entmündigt, weil die gewählten Parteien sich opportun mit anderen zusammenwürfeln, um nur irgendwie an die Macht zu kommen. Die Meinung des Volkes wird wieder unwichtig, und das Gebrüll des kleinsten Affen indiesem Theater kann das ganze Regieren blockieren und ad absurdum führen.

Urheberrecht
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Oben       —     Die drei Affen von Nikkō

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Zwei tödliche Jahrzehnte

Erstellt von DL-Redaktion am 8. April 2023

Für Medienschaffende: 1.657 Medienschaffende seit 2003 getötet

Quelle       :        Scharf  —  Links

Von        :         RSF

Am heutigen Freitag (07. April) vor genau 20 Jahren wurde der deutsche Journalist Christian Liebig im Irak getötet. Aus diesem Anlass blickt Reporter ohne Grenzen (RSF) auf zwei besonders tödliche Jahrzehnte für Medienschaffende zurück: Seit 2003 kamen bis 7. April insgesamt 1.657 Journalistinnen und Reporter bei oder wegen ihrer Arbeit ums Leben, durch Morde oder Auftragsmorde, bei Überfällen, Angriffen in Kriegsgebieten oder nach schwersten Verletzungen. Im Schnitt sind das mehr als 80 im Jahr.

„Hinter jeder nackten Zahl steht ein unermesslicher Verlust für die Angehörigen, und ein Verlust im Kampf um die Pressefreiheit weltweit“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Für uns ist das ein Ansporn, jeden Tag weiter zu kämpfen, für besseren Schutz in Krisen- und Kriegsgebieten, für wirksamere Gesetze und gegen die Straflosigkeit. Wenn die Täterinnen und Täter straflos davonkommen, werden immer wieder Journalistinnen und Reporter sterben.“

Christian Liebig war für den Focus in den Irak gereist und begleitete dort als „embedded journalist“ eine Einheit der US-Armee. Die US-geführte Invasion im Irak hatte am 19. März begonnen. Am 7. April 2003 schlug eine Rakete im Hauptquartier der Einheit ein und tötete Liebig, seinen spanischen El-Mundo-Kollegen Julio Anguita Parrado und zwei Soldaten. Seit 2003 sind im Irak insgesamt 300 Medienschaffende ums Leben gekommen. Der Irak ist damit vor Syrien mit 280 Getöteten das gefährlichste Land für Journalistinnen und Reporter der vergangenen 20 Jahre. Auf dieser Liste folgen Afghanistan, der Jemen, die Palästinensischen Gebiete und Somalia.

Die meisten Medienschaffenden kamen 2012 ums Leben. Für die 143 getöteten Journalistinnen und Journalisten waren vor allem die verschiedenen Parteien des syrischen Bürgerkriegs verantwortlich. Ein Jahr später, 2013, starben weitere 136 Medienschaffende. In der Folge gingen die Zahlen zurück, ab 2019 verzeichnete RSF historisch niedrige Zahlen. 2021 starben weltweit 51 Journalistinnen und Reporter, im vergangenen Jahr 60.

In Europa ist Russland das Land mit den meisten getöteten Medienschaffenden

In Europa bleibt Russland das Land mit den meisten getöteten Medienschaffenden. Seit der Machtübernahme durch Wladimir Putin im Jahr 2001 hat es in Russland vermehrt systematische Angriffe auf die Pressefreiheit gegeben, darunter mindestens 37 tödliche wie den Mord an Anna Politkowskaja am 7. Oktober 2006. Der umfassende russische Angriffskrieg auf die Ukraine seit 24. Februar 2022 ist einer der Gründe für die hohen Todeszahlen in der Ukraine, die zweithöchsten in Europa. Dort wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten 20 Medienschaffende getötet, acht von ihnen seit der Invasion, nahezu alle anderen in den seit 2014 umkämpften Gebieten. Die Türkei steht mit neun getöteten Medienschaffenden auf Rang drei, gefolgt von Frankreich. Dort töteten Terroristen beim Terroranschlag auf das Büro der Satirezeitschrift Charlie Hebdo in Paris im Jahr 2015 acht Medienschaffende.

Dass Journalistinnen und Journalisten dort besonders gefährdet sind, wo Kriege oder bewaffnete Auseinandersetzungen stattfinden, liegt nahe. Allerdings ist die Zahl der jährlich in Kriegsgebieten getöteten Medienschaffenden zuletzt gesunken; in den vergangenen drei Jahren waren es jeweils nicht über 20. Abgesehen davon, dass die Intensität einiger Kriege abgenommen hat, spiegeln diese Zahlen auch die Wirksamkeit der von den Nachrichtenorganisationen ergriffenen Präventiv- und Schutzmaßnahmen wider.

Dennoch sind auch Länder, in denen offiziell kein Krieg stattfindet, häufig keine sicheren Orte für Journalistinnen und Journalisten. Seit 2003 sind sogar mehr Medienschaffende in offiziell friedlichen Gebieten getötet worden als bei der Kriegsberichterstattung. Vor allem Recherchen zum organisierten Verbrechen und zu Korruption sind extrem gefährlich.

Das trifft in besonderem Maße auf Mexiko zu, aber auch auf Brasilien, Kolumbien und Honduras. 2022 war der amerikanische Doppelkontinent die gefährlichste Region der Welt, dort hat Reporter ohne Grenzen 47 Prozent aller getöteten Medienschaffenden gezählt. Auch in Asien sind die Zahlen zum Teil sehr hoch: Auf den Philippinen wurden in den vergangenen 20 Jahren 107 Medienschaffende getötet, in Pakistan 94 und in Indien 59.

Auch Journalistinnen vermehrt unter den Opfern

95 Prozent aller getöteten Medienschaffenden sind Männer. Dennoch steigt auch die Zahl getöteter Journalistinnen an, in manchen Jahren sprunghaft. Im Jahr 2017 etwa kamen zehn Journalistinnen ums Leben, gegenüber 65 männlichen Journalisten. In den vergangenen 20 Jahren wurden insgesamt 79 Journalistinnen getötet, oftmals nachdem sie zu Frauenrechten recherchiert hatten.

Reporter ohne Grenzen zählt als „getötet“ nur Medienschaffende, die unter das Mandat der Organisation fallen. Dieses umfasst alle Personen, die regelmäßig im Haupt- oder Nebenberuf Nachrichten, Informationen und Ideen sammeln, verarbeiten und verbreiten, um dem öffentlichen Interesse zu dienen, wobei sie die Grundsätze der Meinungsfreiheit und der journalistischen Ethik beachten. Die Frage, ob eine Person unter das RSF-Mandat fällt, ist eine Einzelfallentscheidung, die jeweils nach detaillierter Prüfung erfolgt.

Urheberrecht
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Oben       —      مراسم اهدای مدال قهرمانان آزادی اطلاع رسانی سازمان گزارشگران بدون مرز

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Altlinks oder neurechts?

Erstellt von DL-Redaktion am 25. Februar 2023

Wagenknecht noch alte Linke oder schon neue Rechte

Fotos von hinten – da schimmert Stellenweise sogar ein wenig Hirn durch !

Von Stefan Reinecke 

Sahra Wagenknecht ist es gelungen, sich das Label „Friedensbewegung“ ans Revers zu heften. Rechte lieben die Linken-Abgeordnete dafür.

Sahra Wagenknecht ist derzeit auch für ihre Verhältnisse medial omnipräsent. Sie posiert mit Alice Schwarzer auf eleganten Schwarz-Weiß-Fotos und wirbt für ein „Manifest für den Frieden“. Sie wird im Spiegel und TV interviewt und läuft in Talkshows rhetorisch heiß.

Mit dem „Manifest“ ist ihr ein Scoop gelungen: Sie hat es geschafft, in der Öffentlichkeit zwischen der Friedensbewegung und ihrer Person eine Art Gleichheitszeichen zu inszenieren. Ist sie die neue Stimme all jener, die sich angesichts der scheinbar zwanghaft wachsenden Verstrickung Deutschlands in den Ukra­ine­krieg unwohl fühlen?

Hajo Funke (78), emeritierter Berliner Politikprofessor und anerkannter Experte für Rechtsextremismus, zählt zu den Erstunterzeichnern des Manifests. Mit der Eskalation der Waffenlieferungen drohe ein „Schreckenskrieg ohne Ende“, sagt er der taz. Der Manifesttext sei „ein verzweifelter Ruf, um diese Eskalation nach einem Jahr zu unterbrechen“ und ein Appell an Kanzler Scholz. Mit Wagenknecht habe er nicht viel am Hut. Die „Abgrenzung nach rechts“ reiche ihm aber. Wie jemand, der felsenfest überzeugt ist, auf der richtigen Seite zu stehen, klingt Funke eher nicht.

Jürgen Elsässer, Chef der rechtsextremen Zeitschrift Compact, sieht eine machtvolle Querfront auf dem Vormarsch, mit Wagenknecht und der Formel „gegen Waffenlieferungen, für Verhandlungen“ an der Spitze. Da sei er als „Nationalpazifist“ dabei, verkündete der rechte Strippenzieher in seinem Youtube-Kanal compact-TV. Bei manchen Rechten scheint die linke Bundestagsabgeordnete nun tatsächlich zu einer Art Ikone geworden zu sein.

Alles ein Trick, um Leute wie Reinhard Mey zu kapern?

Ist das ein Irrtum? Ein Trick der Rechtsextremen, die damit den Protest anderer Unterzeichner des Manifests, von Katharina Thalbach bis Reinhard Mey, kapern wollen?

Paul Schäfer (74), bis 2013 für die Linkspartei im Bundestag und Verteidigungsexperte, hat den Aufruf nicht unterschrieben. Das Manifest sei „ein genialer Schachzug von Wagenknecht. Darin wird die Schuldfrage vernebelt und der Krieg als Abstraktum attackiert. Gegen Krieg sind ja alle“, sagt er der taz. Schäfer verfasst seit dem 24. Februar 2022 präzise Analysen des Krieges und kritisiert das Nein seiner Partei zu Waffenlieferungen. „Das Manifest“, sagt er, „nimmt fast eine Umkehrung vor, indem es verschwiemelt suggeriert, die Ukraine und der Westen seien schuld. Das ist die Brücke nach rechts. Deshalb kann auch die AfD dieses Manifest unterstützen.“

Das ist inzwischen auch dem Politikwissenschaftler Johannes Varwick, dem antimilitaristischen Aktivisten Jürgen Grässlin und der Ex-Bischöfin Margot Käßmann aufgefallen: Sie hatten das Papier erst unterzeichnet, distanzieren sich inzwischen aber davon beziehungsweise von Wagenknechts und Schwarzers Aufruf zur Demonstration.

Wagenknecht spricht von Diffamierung

Wagenknecht weist den Vorwurf, nach rechts offen zu sein, als Diffamierung zurück. Beifall von der falschen Seite – da könne man nichts machen. Doch Schnittmengen zwischen ihr und der Rechten gab es schon im Flüchtlingsherbst 2015, bei der Skepsis gegen eine angebliche Coronadiktatur und der Verachtung für urbane Eliten. Beim Ukrainekrieg ist die Übereinstimmung nun besonders groß.

Rückblende, Bundestag, September 2022: Wagenknecht hält der Ampel vor, „einen beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen Russland vom Zaun zu brechen“. Sie fordert russisches Gas für die deutsche Wirtschaft und den Ausstieg Berlins aus den Sanktionen gegen Moskau. Die AfD klatscht, Teile der Linksfraktion auch – eine Art Querfront der Claqueure im Parlament. Selten hat eine Fünfminutenrede im Bundestag solches Aufsehen erregt. Gekonnt mixte die 53-Jährige ernst zu nehmende Kritik am Krisenmanagement der Ampel mit rechtspopulistischen Opfer-Täter-Verdrehungen.

Deutschland hätte, folgt man Wagenknecht, nach Putins Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 am besten gar nichts getan. Es hätte weiter für Milliarden Gas und Öl bei Putin kaufen, die Sanktionen des Westens unterlaufen und keine Waffen liefern sollen. So, als wäre nichts passiert. „Wagenknecht will die Ukraine, die überfallen worden ist, im Stich lassen. Das ist mit einer linken Überzeugung unvereinbar“, sagt Paul Schäfer, der Linke.

Auch Lafontaine hat wohl genug

Wagenknecht hält Putin zwar routiniert den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine vor. Doch dieser Krieg erscheint nicht nur bei ihr als Effekt eines angeblichen globalen Imperialismus der USA. Oskar Lafontaine beschreibt in seinem Buch „Ami, it’s time to go“ (vertrieben unter anderem von dem rechten Compact-Shop) den Ukrainekrieg als von den USA angezetteltes Ereignis, das mit „dem von den USA organisierten Putsch auf dem Maidan 2014“ begonnen habe. Die Bundesregierung taucht als treudummer „Vasall der aggressiven USA“ auf.

So ähnlich klingt es nicht nur bei Rechtsextremen – es gibt auch Berührungspunkte mit Putins Propaganda. Lafontaine und Wagenknecht scheinen auf ein Deutschland zu zielen, das sich aus der EU löst und in Richtung Putin die weiße Fahne hisst. „Es war erklärtes Ziel der USA, ein Zusammengehen der deutschen Technik mit den russischen Rohstoffen zu verhindern“, behauptet Lafontaine. Da blüht ein alter Traum der deutschen Rechten auf: Deutschland, fern vom liberalen Westen, verbrüdert mit dem christlichen, traditionellen Russland.

So bewegen sich Wagenknecht und Lafontaine derzeit rasant in Richtung Querfront: antiamerikanisch, russ­land­affin und national egoistisch. Einen Echoraum finden diese Töne derzeit vor allem in Ostdeutschland. Die Empörungsunternehmerin Wagenknecht hat ein gutes Gespür für Stimmungen. Es ist ihr mit dieser Mischung aus deutschem Egoismus und Friedensrhetorik gelungen, zum Gesicht des Pazifismus zu werden. Jedenfalls derzeit.

Michael Schulze von Glaßer (36), Geschäftsführer der traditionsreichen Deutschen Friedensgesellschaft DfG-VK, wirkt angesichts dessen etwas ratlos. Die DfG-VK hat schon vor zwei Monaten einen – medial spärlich wahrgenommenen – Aufruf verfasst, mit deutlicher Kritik an „der russischen Aggression“. Das Thema Waffenlieferungen haben die 15 Organisationen, die den Aufruf unterschrieben, mangels Konsens ausgeklammert.

Habermas in einem Atemzug mit Wagenknecht

Die meisten sind strikt dagegen. Im Manifest von Wagenknecht und Schwarzer vermisst Schulze von Glaßer nicht nur eine klare Abgrenzung nach rechts, sondern auch den „Ausbau humanitärer Hilfe oder die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen“. Es gehe dort „nur um Deutschland“. Bedenklich finde er, dass manche junge Leute mittlerweile bei dem Begriff „Friedensbewegung“ eher „an Rechte“ dächten.

Paul Schäfer wundert sich über Bekannte von ihm, die Waffenlieferungen an Kyjiw unterstützen – und trotzdem das Manifest unterschrieben haben. Die „Gedankenlosigkeit in der öffentlichen Debatte“ und die „bellizistische Stimmung“, heiße es von jenen Bekannten. Abwägende kritische Stimmen, die für dosierte Waffenlieferungen und Verhandlungspflichten eintreten, wie etwa der Philosoph Jürgen Habermas, werden derzeit leicht überhört. Habermas betonte jüngst die ethischen Pflichten, die mit Waffenexporten verknüpft sind. Nun wird er oft in einem Atemzug mit Wagenknecht genannt. In der überhitzten Debatte landet bitter nötiger Zweifel und Querdenkertum in einem Topf.

Quelle   :         TAZ-online         >>>>>       weiterlesen

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Oben     —    Wahlkampfveranstaltung mit Sahra Wagenknecht, Oskar Lafontaine und Susanne Hennig-Wellsow in ihrem Wahlkreis in Weimar. Foto: Martin Heinlein

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Zahlen der Bundespolizei:

Erstellt von DL-Redaktion am 25. Februar 2023

Treffer bei Gesichtserkennung mehr als verdoppelt

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Quelle          :        Netzpolitik ORG.

Von   :    

Seit 2008 nutzen deutsche Polizeibehörden ein Gesichtserkennungssystem zur Identifizierung unbekannter Personen. Die dabei abgefragte Lichtbilddatei beim BKA ist im vergangenen Jahr sprunghaft gewachsen.

Die Bundespolizei hat ihre Treffer bei der Personensuche mithilfe von Gesichtserkennung im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt. 2022 wurden mit der Technik 2.853 unbekannte Per­sonen identifiziert, im Vorjahr waren es noch 1.334. Die Anzahl der Suchläufe hat sich im gleichen Zeitraum zwar ebenfalls erhöht, jedoch in weit geringerem Umfang. 2022 führte die Bundespolizei 7.697 Recherchen durch, im Vorjahr waren es 6.181.

Die Zahlen stammen aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage des Linken-Abgeordneten Andrej Hunko, in der die Fraktion jedes Jahr Zahlen für biometriebasierte Anwendungen abfragt. Das Bundesinnenministerium (BMI) wurde darin auch zu Angaben für das Bundes- sowie die Landeskriminalämter gebeten. Diese liegen aber noch nicht vor, so das Ministerium.

Gesichtsbilder zu 4,6 Millionen Personen

Mit der Gesichtserkennung will die Bundespolizei Straftaten aufklären. Dabei werden etwa Handyfotos mutmaßlicher Täter:innen oder Aufnahmen von Videokameras im öffentlichen Raum genutzt. Die Suchläufe erfolgen dann über das Gesichtserkennungssystem des Bundeskriminalamtes (BKA), das seit 2008 allen deutschen Polizeibehörden zur Verfügung steht.

Dabei werden biometrische Fotos in der INPOL-Datei abgefragt. Diese größte deutsche Polizeidatenbank wird ebenfalls vom BKA für alle Polizeien zentral geführt. Sie enthält Fotos aus erkennungsdienstlichen Behandlungen sowie von Asylsuchenden. Neben der INPOL-Datei verfügt das BKA „zu Staatsschutz-Zwecken“ außerdem über eine Datei „ST-Libi“ mit derzeit 3.571 durchsuchbaren Fotos.

Der Lichtbildbestand in INPOL hat sich im vergangenen Jahr auffällig erhöht. 2021 waren dort noch rund 5,5 Millionen Portraitbilder von 3,6 Millionen Personen recherchefähig gespeichert. Bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage waren es rund 6,7 Millionen Bilder zu 4,6 Millionen Personen.

Das BMI nennt auch den Grund für die deutliche Zunahme: So seien 2022 fast 1,5 Millionen Bilder hinzugekommen, aber nur rund 400.00 gelöscht worden. Eine solche Löschung erfolgt etwa nach Ende der Speicherfrist.

Die ungewöhnlich hohe Differenz zwischen neu gespeicherten und gelöschten Personen erklärt das Ministerium aber nicht. Im vergangenen Jahr war die Zahl der Bilder noch um rund 400.000 gesunken.

Mehr „Massendaten“ aus dem öffentlichen Raum

In Zukunft wird die polizeiliche Gesichtserkennung wohl weiter zunehmen. Laut der Antwort des BMI testet die Bundespolizei derzeit zwei Systeme der Firmen Digivod und Idemia Germany zur „teilautomatisierten Videoauswertung“. Dabei werden sogenannte Massendaten verarbeitet, also Aufnahmen aus dem öffentlichen Raum, in denen die Gesichter von Personen erkennbar sind.

Beide Firmen haben zuvor an Forschungsprojekten zur Auswertung von „Bild- und Videomassendaten“ von Bundespolizei oder BKA teilgenommen. Im Projekt PERFORMANCE perfektionierten die Beteiligten eine Upload-Plattform, wie sie die Polizei nach der Silvesternacht in Köln 2015 und dem G20-Gipfel 2017 für die Einsendung von Fotos und Videos öffentlich geschaltet hat.

In FLORIDA wurde neben der visuellen Analyse auch die Erkennung von Mustern in Tonaufnahmen erprobt. Die Firma Idemia war außerdem am Pilotprojekt von Bundespolizei und Deutsche Bahn zur Echtzeit-Gesichtserkennung am Berliner Bahnhof Südkreuz beteiligt.

Die Tests der Bundespolizei zur „teilautomatisierten Videoauswertung“ erfolgen im Rahmen einer neu gegründeten „AG Digitale Kompetenz“, die unter anderem den Aufbau eines „Schmutzdatennetzes“ beaufsichtigt. Dabei handelt es sich um einen Datenspeicher, der vom eigentlichen Datennetz der Polizei getrennt ist und auf dem die öffentlich eingesammelten Massendaten gespeichert und verarbeitet werden.

Lizenz: Die von uns verfassten Inhalte stehen, soweit nicht anders vermerkt, unter der Lizenz Creative Commons BY-NC-SA 4.0.

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Oben       —    Videoüberwachung der Bahnsteige im Hauptbahnhof Bielefeld

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Vom Holocaustgedenktag

Erstellt von DL-Redaktion am 27. Januar 2023

Die Aufarbeitung kommt spät

Ein Debattenbeitrag von Litz van Dijk

Zum ersten Mal bekommen queere Opfer der Naziverfolgung beim Gedenken im Bundestag Aufmerksamkeit. Überlebende gibt es heute nicht mehr.

In der Gedenkstunde im Bundestag an die Opfer des Nationalsozialismus, die zuerst 1996 unter Bundespräsident Roman Herzog stattfand, wurden von Anfang an auch Homosexuelle in einer Aufzählung der Opfergruppen erwähnt. Eine eigene Aufmerksamkeit wurde sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten bislang indes verweigert.

Der damalige Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble ließ im Januar 2019 mitteilen, er stehe „der Aufteilung des Gedenkens in einzelne Opfergruppen […] aus grundsätzlichen Erwägungen skeptisch gegenüber“. Tatsächlich gab es bereits eigene Gedenkstunden für Zwangsarbeiter*innen, behinderte Menschen, Roma und Sinti.

Hoffnung auf ein besonderes Gedenken kam erst mit dem Regierungswechsel in Berlin auf. Bereits im November 2021 schrieb die neue Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, dass unser Anliegen „besondere Berücksichtigung finden“ würde und bestätigte dies im Juni 2022. Ein respektvoller Dialog begann, wobei es auch in unserem Interesse war, dass dies eine offizielle Veranstaltung des Bundestags bleiben würde mit Anwesenheitspflicht für alle Abgeordneten.

Da es heute keine Überlebenden mehr gibt, die selbst hätten berichten können, entstand die Idee, die Geschichten zweier Opfer vorlesen zu lassen, wofür die offen lesbische Kabarettistin Maren Kroymann und der offen schwule Schauspieler Jannik Schümann gewonnen werden konnten. Beide stehen auch für unterschiedliche Generationen. Bei Mary Pünjer (1904–1942) wird deutlich, dass auch lesbische Frauen in der NS-Zeit verfolgt wurden, auch wenn es keinen eigenen Strafparagrafen gegen sie gab.

Zweimal vom gleichen Richter verurteilt

Mary Pünjer wurde als „Asoziale“ verhaftet und ins Konzentrationslager Ravensbrück gebracht, obwohl sie auch als Jüdin hätte deportiert werden können. Dem KZ-Arzt Friedrich Mennecke war es jedoch wichtig, ihre „Unheilbarkeit“ als „Lesbierin“ als Grund anzugeben, um sie in der „Heil- und Pflegeanstalt Bernburg“ vergasen zu lassen. Gleichwohl liegen keine eigenen Aussagen von Mary Pünjer über ihr Lesbischsein vor.

Karl Gorath (1912–2003) wird 1934 im Alter von 22 Jahren nach Paragraf 175 verurteilt. Eine erneute Verhaftung vier Jahre später führt zuerst zu einer Zuchthausstrafe und anschließend, weil er als „Wiederholungstäter“ galt, ins KZ Neuengamme. Von dort aus wird er 1943 nach Auschwitz deportiert und überlebt die NS-Zeit nur knapp. Unfassbarerweise wird er bereits 1947 erneut vom gleichen Richter verurteilt, der ihn schon während der NS-Zeit schuldig gesprochen hatte.

1989, im Alter von 77 Jahren, fährt Karl Gorath mit uns, einer offen schwulen Gruppe aus Norddeutschland, ins „Staatliche Museum Auschwitz“, um vor allem herauszufinden, ob seine beiden jungen polnischen Liebhaber und Mitgefangenen überlebt hatten. Die offiziellen Stellen lassen ihn damals glauben, dass sie umgekommen waren, obwohl einer der beiden bis 1989 sogar noch Führungen in Auschwitz leitete.

Der 27. Januar ist auch eine Erinnerung an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die sowjetrussische Armee 1945. 2005 haben die Vereinten Nationen dieses Datum zum „Internationalen Holocaust-Gedenktag“ erklärt. Obwohl die Gedenkstunde im Bundestag an alle Opfer des Nazi-Terrors erinnern möchte, bleibt dieser Zusammenhang bedeutsam.

Paragraf 175 galt bis 1994

Von Anfang an war es ein Anliegen unserer Petition, weit über unsere Gruppe der „Betroffenen“ hinaus um Unterstützung zu werben. So gehörten auch mehrere Holocaust-Überlebende zu unseren Unterzeichner*innen, wie Ruth Weiss (*1924) und auch Rozette Kats (*1942), die als kleines Kind bei einem niederländischen Ehepaar überlebte, bei dem ihre Eltern sie vor ihrer Deportation nach Auschwitz zurückgelassen hatten.

Rozette Kats wird gleich im Anschluss an Bundestagspräsidentin Bas als Erste reden, auch um deutlich zu machen, dass ein Verstecken der eigenen Identität immer schrecklich ist. Zweifellos können in 60 Minuten nicht alle wichtigen Aspekte dargestellt werden. Jedoch erstmals seit 1996 wird durch den abschließenden Beitrag von Klaus Schirdewahn (*1947), der 1964 als 17-Jähriger nach Paragraf 175 verhaftet worden war, deutlich, wie die Verfolgung einer Opfergruppe auch nach Kriegsende andauerte.

Quelle        :          TAZ-online       >>>>>         weiterlesen 

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Oben        —   January 27 2012, Holocaust Remembrance Day. 100 years ago, Raoul Wallenberg was born. Memorial Ceremony at the Raoul Wallenberg Square in Stockholm with Holocaust survivors. Mr Eskil Franck, Director of the Living History Forum, Kofi Annan and Per Westerberg. Participants: Crown Princess Victoria and Prince Daniel, Nina Lagergren, Georg Klein and Hédi Fried, among others.

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Was danach geschah

Erstellt von DL-Redaktion am 25. Dezember 2022

Ein Blick auf einige taz-Recherchen des Jahres 2022
– und auf ihre Folgen

Eine Zusammenstellung mit Kersten Augustin, Sebastian Erb, Jean-Phillip Baeck, Sophie Fichtner, Anne Fromm

Manchmal stößt Journalismus etwas an und sorgt für Veränderung.

Machos beim WWF

Das Berliner Arbeitsgericht verhandelte im Mai 2022 eine ungewöhnliche Klage: Die Personalchefin der Naturschutzorganisation WWF ging gegen ihren Arbeitgeber vor – wegen mangelnder Transparenz, Interessenskonflikten und möglichen Machtmissbrauchs. Die Personalchefin hatte mitbekommen, dass der langjährige geschäftsführende Vorstand des WWF Deutschland, Eberhard Brandes, eine Affäre mit der WWF-Finanzchefin gehabt habe, ohne das seinem Arbeitgeber zu melden. Das hätte er nach internen Richtlinien wohl tun müssen.

Die Personalchefin zeigte die Affäre intern an, eine externe Anwaltskanzlei wurde mit einer Untersuchung beauftragt. Das Ergebnis blieb unter Verschluss. Die Personalchefin sei seit ihrer Anzeige drangsaliert und mit Kündigung bedroht worden, sagte ihr Anwalt vor Gericht. Sie wollte nun Auskunft erstreiten über das Ergebnis der Untersuchung.

Wenige Tage nachdem die taz die Sache öffentlich gemacht hatte, verkündete der WWF Deutschland, dass Vorstand Brandes die Organisation verlässt. Die Stimmung in der NGO ist schon länger schlecht gewesen, zeigte die taz-Recherche. Mitarbeiterbefragungen hatten ein von Sexismus und Chauvinismus geprägtes Arbeitsklima aufgezeigt. Fast das komplette mittlere Management hatte der WWF-Führung per Brief das Misstrauen ausgesprochen.

Seit Brandes’ Weggang ist es ruhiger geworden beim WWF. Die Personalchefin hat ihre Klage mittlerweile zurückgezogen. Auf taz-Nachfrage erklärt eine WWF-Sprecherin, es habe eine Mediation zwischen dem Stiftungsrat und der Personalchefin gegeben. Volle Einsicht in den Untersuchungsbericht habe sie allerdings nicht bekommen. WWF Deutschland wird derzeit weiter vom Interimsvorstand Christoph Heinrich geführt. Und der WWF Deutschland will seine Führungsebene neu aufstellen. Drei Frauen wurden kommissarisch in die Geschäftsleitung geholt, zwei waren zuvor im operativen Naturschutzbereich. Der Richtungsstreit über mehr Basisdemokratie oder eine straffe, aber schlagfertigere Führung, so hört man, ist noch nicht entschieden.

Sebastian Erb, Anne Fromm

Der Bundestag und seine Polizei

Wie sicher ist das deutsche Parlament? Seit der Razzia gegen ein Netzwerk von Reichs­bür­ge­r:in­nen, die einen Staatsstreich geplant haben sollen und dabei mutmaßlich in den Bundestag eindringen wollten, wird diese Frage breit diskutiert. Der Bundestag selbst hat angekündigt, seine Zutrittsregeln zu verschärfen.

Bereits im vergangenen Jahr hatten Recherchen der taz gezeigt, dass die Sicherheit des Parlaments auch von innen bedroht ist. Wir hatten über rechtsextreme Vorfälle in der Bundestagspolizei berichtet. Danach wurden alle 200 Po­li­zis­t:in­nen in Einzelgesprächen befragt und gegen fünf Be­am­t:in­nen Disziplinarverfahren eingeleitet. Der damalige Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hatte damals zudem verpflichtende Schulungen zu „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ für die Po­li­zis­t:in­nen angekündigt.

Bisher nahmen an den vierstündigen Schulungen offiziellen Angaben zufolge etwa 80 der 132 Be­am­t:in­nen des mittleren Dienstes teil. Lernziel der Veranstaltung ist laut internen Unterlagen, dass die Teilnehmenden aktuelle extremistische Organisationen kennen, sich mit Rassismus, Antisemitismus und Radikalisierung beschäftigt haben sowie „mit aktuellen Präventionsansätzen“ vertraut sind.

File:Festnahme 4 (ex3179) sml.jpg

Die Bundestagsverwaltung bewies dann gleich selbst, dass diesbezüglich offenbar immer noch Verbesserungspotenzial besteht. Im Januar berichteten wir, dass der gerade erst neu berufene Chef des Sicherheitsreferats in einer ultrarechten Burschenschaft aktiv ist. Er wurde nach unserem Bericht versetzt, ist aber weiterhin Referatsleiter und nun bei den wissenschaftlichen Diensten unter anderem für den Bereich Strafrecht zuständig.

Drei Disziplinarverfahren laufen indes weiter, zwei Polizisten sind immer noch vom Dienst suspendiert. Das Strafverfahren, das gegen den Polizisten eröffnet wurde, der mutmaßlich den Hitlergruß gezeigt hatte, wurde von der Berliner Staatsanwaltschaft eingestellt. Auf Anfrage teilte sie mit, dass der mutmaßliche Hitlergruß nicht öffentlich gezeigt wurde, sondern in einem Pausenraum – und das sei nicht strafbar. Kersten Augustin, Sebastian Erb

Mit Sternschnuppenstaub gegen Covid

Quelle         :           TAZ-online          >>>>>       weiterlesen

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Oben     —      Rettungsdienst der Stadt Köln – Anlegen der Schutzausstattungen im Hof der Feuerwache 5, Köln-Weidenpesch Foto: Zwei Mitarbeiter des Rettungsdienstes mit FFP3-Masken als Mund-Nasen-Schutz, Schutzbrille und Overall vor einem Krankenwagen

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Europas Zielkonflikt

Erstellt von DL-Redaktion am 17. Dezember 2022

Die Rolle von Frontex im Grenzregime

Frontex HQ Warsaw Spire Bürokomplex Warschau.jpg

Zeigt hier nicht eine politische Institution auf, ihre Grenzen nur mit den unlauteren Mittel einer Mörderbande sichern zu können? 

Ein Artikel von Christian Jakob und Bernd Kasparek

Grenzen dicht halten und gleichzeitig die Menschenrechte wahren. An diesem Auftrag scheitert Frontex regelmäßig, wie interne Dokumente zeigen.

Verrostete Gitterstäbe, eine schimmelige Backsteinwand, Müll und Bauschutt auf dem Boden, mittendrin acht junge Männer. Ohne Wasser, ohne Nahrung, eingesperrt wie in einem Viehverschlag warten die Flüchtlinge darauf, von der Polizei in die etwa 40 Kilometer entfernte Türkei zurückgebracht zu werden. Die käfigartige Baracke befindet sich in Sredez, im Süden Bulgariens, direkt neben der dortigen Polizeistation.

Die Recherche-NGO Lighthouse-Reporting veröffentlichte Mitte Dezember Aufnahmen mehrerer solcher „Black Sites“ – Geheimgefängnisse, in denen Flüchtlinge entlang der EU-Außengrenze vor einer Abschiebung eingesperrt werden.

Alles daran ist illegal: die Bedingungen der Internierung, die Einrichtung als solche, die dabei stattfindenden Misshandlungen, die Abschiebung ohne Asylverfahren.

Mittendrin: die EU-Grenzschutzagentur Frontex. Wiederholt besuchten die Lighthouse-Rechercheure den Ort in Sredez – und fotografierten „dreimal Autos mit Frontex-Marken, die nur wenige Meter vom Käfig entfernt geparkt waren“, heißt es in ihrem Bericht. Interne Dokumente zeigten, dass in Sredez „zehn Frontex-Beamte im Rahmen der Operation ‚Terra‘, der größten Landoperation der Agentur, stationiert sind“.

Es wird ermittelt

Die kündigte nach der Veröffentlichung Ermittlungen an: „Frontex geht jedem Hinweis über mutmaßliche Grundrechtsverletzungen ernsthaft nach“, sagte ein Sprecher.

Ermittelt wird auch von anderer Seite: Am Freitag berichtete der Spiegel, dass die EU-Antibetrugsbehörde OLAF einmal mehr gegen Frontex – und dabei nun auch gegen die Interimsdirektorin Aija Kalnaja ermittelt.

Die Grenzschutzagentur ist, typisch für Sicherheitsbehörden, notorisch intransparent. Seit Jahren aber verschaffen sich Journalist:innen, Wis­sen­schaft­le­r-in­nen und NGOs über Informationsfreiheitsgesetze interne Frontex-Dokumente. Die NGO Frag den Staat (FDS) hat nun rund 4.100 dieser Dokumente in einer Datenbank zusammengeführt und verschiedenen Medien, darunter die taz, zugänglich gemacht.

Die interessanten Stellen sind vielfach geschwärzt, doch in ihrer Gesamtschau zeigen die Dokumente, welchen Logiken die Frontex-Führung folgt. Und dass die eigenen Frühwarnsysteme – das „Konsultativforum“ und die Grundrechtsbeauftragte – trotz ihrer völlig unzureichenden Ausstattung ihre Aufgabe immer wieder erfüllt haben. Doch die Agentur hatte andere Prioritäten als ­Menschen- und Flüchtlingsrechte.

Schon 2015, so zeigen die Dokumente beispielsweise, wurde Frontex darüber informiert, dass ein afghanischer Flüchtling in Sredez durch einen „Warnschuss“ eines bulgarischen Grenzschützers erschossen wurde. Die Agentur legte einen „Vorfallsbericht“ an – und beließ es dabei. In jener Zeit war Frontex mit 170 Beamten in der Grenzregion präsent.

Der frühere Direktor

Um das Image von Frontex ist es schlecht bestellt. Was lange nur antirassistische Initiativen interessierte, ist im Laufe der Jahre ins öffentliche Bewusstsein eingesickert: Die EU-Agentur verletzt Menschenrechte, um die Grenzen dicht zu halten. Durch die Geschichte der Agentur ziehen sich seit ihrer Gründung im Jahr 2004 Skandale, aber seit einiger Zeit finden diese auch in großen Medien Widerhall oder werden von diesen überhaupt erst enthüllt.

Weil Frontex in Pushbacks in Griechenland verwickelt war, musste der letzte Frontex-Direktor, der Franzose Fabrice Leggeri, im April 2022 zurücktreten, ei­ne-n Nach­fol­ge­r-in gibt es noch nicht. Seit 2021 blockiert das EU-Parlament die sogenannte Haushaltsentlastung für die Agentur, zuletzt per Votum am 18. Oktober. „Seit Jahren missbraucht Frontex Steuergelder, um Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen zu vertuschen“, sagte die Linken-Europaabgeordnete Cornelia Ernst.

Leggeri hat Vorwürfe stets zurückgewiesen und dabei vielfach gelogen. Die FDS-Dokumente zeigen nun: Der Frontex-Direktor war über Jahre immer wieder aus dem eigenen Haus darüber informiert worden, dass die Agentur auch dort aktiv war, wo EU-Staaten Flüchtlingsrechte systematisch missachteten und sie sich deshalb hätte zurückziehen müssen.

Gleichzeitig ist die Agentur in der paradoxen Lage, dass ein Teil der EU-Staaten – etwa Polen und Kroatien – heute Frontex-Einsätze auf ihrem Territorium ablehnen, weil sie Störungen bei der eigenen, illegalen Push back-Praxis fürchten.

An der ungarisch-serbischen Grenze

Ein Beispiel für die Ignoranz von Frontex gegenüber Warnungen hinsichtlich der Menschenrechte ist der Einsatz in Ungarn. Auch von dort veröffentlichte Lighthouse erst in der vergangenen Woche Aufnahmen von „Black Sites“ Sie zeigen Schiffscontainer, aufgestellt an der Grenze zu Serbien. Auch dort werden dem Bericht zufolge Flüchtlinge ohne Essen und Wasser festgehalten und manchmal mit Pfefferspray angegriffen, bevor sie in Gefängnisbussen abgeschoben werden.

Ungarn ist ein Vorreiter beim Abbau der Flüchtlingsrechte. 2015 richtete das Land zur Internierung sogenannte Transitzonen an den Außengrenzen ein, die nur „rückwärts“ – also wieder zurück nach Serbien – verlassen werden konnten. Teilweise gab es dort kein Essen, und NGOs wurde verboten, welches zu verteilen. Ungarn setzte darauf, Flüchtlinge so schlecht zu behandeln, dass die sogenannten Dublin-Rücküberstellungen aus anderen EU-Staaten nach Ungarn schließlich verboten wurden. Und weil fast alles, was Orbán sich dafür ausgedacht hatte, gegen EU-Recht verstieß, wurde Ungarn mehrfach dafür verurteilt.

Doch Frontex blieb im Land. Dabei schrieb die eigene Frontex-Grundrechtsbeauftragte In­ma­culada Arnáez bereits im Oktober 2016, dass die zur Abschiebung aus der „Transitzone“ „eingesetzten Zwangsmaßnahmen (etwa Schläge, Hundebisse, Pfefferspray)“ zu „Vorfällen geführt haben, die das Recht auf Menschenwürde, das Recht auf Leben, das Recht auf Unversehrtheit der Person und das Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung gefährden.“ Arnáez verwies auf vielfache entsprechende Berichte, unter anderem des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR.

Drei Wochen später schrieb auch das Frontex eigene Konsultativforum, eine Art Menschenrechts Beirat: Könne die Agentur nicht garantieren, dass die Flüchtlingsrechte gewahrt werden, empfehle es, „die operativen Aktivitäten an der ungarisch-serbischen Grenze auszusetzen.“

Leggeri wies das zurück. In einem Brief vom 1. Februar 2017 schrieb er dem Konsultativforum, dass die Mission in Ungarn nicht beendet werde. Es gebe „nur einen einzigen Fall“, in dem Misshandlungen „im Rahmen der von Frontex koordinierten Aktivitäten“ stattgefunden haben sollen. Die Untersuchung dazu hätten die ungarischen Behörden eingestellt, denn es gebe „keine Anzeichen für einen Verstoß gegen das Gesetz“. Frontex habe sich also nichts zuschulden kommen lassen und bleibe vor Ort, so Leggeri. Ganz glaubte er das offenbar selbst nicht. Denn zu jener Zeit, auch das zeigen die FDS-Dokumente, ordnete er an, dass die entsandten Frontex-Grenzschützer keine gemeinsamen Patrouillen mit ungarischen Soldaten, sondern lediglich mit Grenzpolizisten durchführen und sich nicht an „Aktivitäten“ innerhalb der Transitzonen beteiligen sollten.

Wegschauen und lavieren

Dieses Lavieren hat mit dem Auftrag von Frontex zu tun. In den Rechtsgrundlagen dazu ist die Rede vom „Schutz der Außengrenzen“, von „entschlossenem Handeln zur Verhinderung irregulärer Migration“ oder der „Verhinderung unerlaubter Grenzübertritte“. Offiziell erlaubt ist dabei sehr vieles, was verhindern soll, dass Menschen überhaupt bis an die EU-Grenzen gelangen. Sehr viel unklarer aber ist, was geschieht, wenn das nicht gelingt. Nirgendwo in den Beschreibungen des Auftrags von Frontex steht, dass potenziell Schutzbedürftige nicht über die Grenze gelassen werden sollen. Denn das wäre vom EU-Recht nicht gedeckt. Vielen EU-Staaten geht es aber genau darum. Und die EU stützt dies: „Trotz dieser anhaltenden Bedenken hinsichtlich der Art und Weise, wie Ungarn seinen Grenzkontrollverpflichtungen nachkommt, bin ich der festen Überzeugung, dass Frontex seine Operationen in Ungarn fortsetzen sollte“, schrieb ein Vertreter der EU-Kommission am 23. Dezember 2016 an Leggeri.

Im Wesentlichen führt das zu zwei Situationen. Die eine ist, dass Staaten auf das EU-Recht pfeifen, Flüchtlinge zurück über die Grenze prügeln und sich dabei von Frontex nicht stören lassen wollen. So wie Polen und Kroatien. Dann hat die Agentur Glück, denn es ist nicht ihr Problem. Ihr Pech ist gleichzeitig, dass sie dabei überflüssig wird.

Die andere Situation ist, dass Frontex vor Ort ist. Dann könnte, ja müsste sie eingreifen, Menschenrechtsverletzungen unterbinden – dazu ist die Agentur jedenfalls laut eigenem Mandat verpflichtet. Oder sich zurückziehen. Wie aus Ungarn. Das aber hat sie in der Vergangenheit nicht getan, sondern weggeschaut oder mitgemacht.

Im Dezember 2020 entschied der Europäische Gerichtshof: Ungarns Asylregeln verstoßen gegen EU-Recht. Das Land hat gegen die Pflicht, Asylanträge zu ermöglichen, gehandelt. Außerdem seien die Pushbacks nach Serbien rechtswidrig. Es war genau das, was die Frontex eigenen Gremien schon Jahre zuvor festgestellt hatten.

Leggeri aber reichte das immer noch nicht. Sechs Wochen später, am 19. Januar 2021, insistierte Arnáez erneut: In einem Brief an Leggeri empfiehlt sie, „die operativen Maßnahmen an den Landgrenzen in Ungarn „auszusetzen oder zu beenden (…), da es immer wieder zu schweren Grundrechtsverletzungen kommt“.

Quelle        :      TAZ-online          >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen      :

Oben     —   Seitengebäude (Adresse: 6 European Square) des Bürokomplexes Warsaw Spire in Warschau, Sitz von, unter anderem, Agentur Frontex

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Das nicht Sprechbare

Erstellt von DL-Redaktion am 7. Dezember 2022

Gedanken über die Erfahrung, in Israel gecancelt zu werden.

Es gibt politische Bauern, die wollen nur kalte Steine betrauern !

Ein Schlagloch von Charlotte Wiedemann

Und warum es wichtig ist, den Missbrauch von Holocaust-Gedenken zu benennen. Politisch dirigierte Erinnerungspolitik ist auf dem Vormarsch. Auch Deutschland ist dagegen nicht immun

Als ich in den frühen 90er Jahren nach Israel reiste, bezahlte Yad Vashem mein Flugticket. Zum ersten Seminar über den Holocaust in deutscher Sprache, ein symbolischer Einschnitt, wurde eine kleine Gruppe von Pädagogen und Journalistinnen eingeladen, die aus israelischer Sicht taugliche Multiplikatoren des Gedenkens waren. Am Ende bekamen wir ein Zertifikat; ich habe es aufbewahrt. Es bedeutete mir etwas.

Dreißig Jahre später, vor wenigen Wochen, war der Druck vonseiten des heutigen Direktors von Yad Vashem ausschlaggebend dafür, dass das Goethe-Institut Tel Aviv eine Veranstaltung absagte, auf der ich mein Buch „Den Schmerz der Anderen begreifen“ vorstellen wollte. Diese Erfahrung liegt nun neben dem Zertifikat von einst.

Was ist geschehen? Auf die kürzeste Formel gebracht, habe ich aus nächster Nähe erlebt, wie die Instrumentalisierung des Holocaustgedenkens funktioniert. In Gestalt von Dani Dayan brachte ein vormaliger Anführer der Siedlerbewegung die moralische Wucht von Yad Vashem in Stellung gegen die Redefreiheit an einer deutschen Institution. Der Soziologe Moshe Zuckermann kommentiert das so: Die Gedenkstätte sei zu einem „Zweig israelischer Propaganda“ verkommen. Als Sohn polnisch-jüdischer Holocaustüberlebender kann er anders formulieren, als es für mich angemessen wäre. Kritik an Yad Vashem gehört in Deutschland zum Nichtsprechbaren.

Natürlich ging es bei dem Konflikt in Tel Aviv vorrangig weder um mich noch um mein Buch. Es sollte ein Brückenschlag verhindert werden, das praktizierte Begreifen fremden Schmerzes: ein Trialog zwischen einer Deutschen, einem jüdischen Historiker und einem palästinensischen Politologen über die tragisch verflochtenen Traumata von Holocaust und Nakba. Und die geschichtliche Verbindung zwischen diesen beiden unvergleichbaren Geschehnissen steht ja außer Zweifel. Die kollektive Entrechtung der Palästinenser hängt unmittelbar mit der Gründung des Staates Israel zusammen und diese Gründung wiederum mit der Shoah.

Meine verhinderten Mitpanelisten Amos Goldberg und Bashir Bashir schreiben als Wissenschaftler seit Jahren über neue, an Empathie orientierte Zugänge zum Jahr 1948. Das Thema ist für die israelische Öffentlichkeit also nicht neu; auch in den USA wird die Debatte wahrgenommen. In Deutschland herrsche zu Goldberg/Bashir indes selbst in der akademischen Community „dröhnendes Schweigen“, so die Soziologin Teresa Koloma Beck. Der Diskurs ist hier weitaus ängstlicher als in Israel, wo es längst auch eine postzionistische Geschichtsschreibung gibt. Eine Reihe neuer Bücher über 1948 sind gerade in Arbeit.

Die rechtsradikale Gruppe Im Tirzu macht es sich hingegen zur Mission, jedes öffentliche Gespräch über die Nakba zu ersticken, und sie war die Erste, die in Tel Aviv gegen uns protestierte. Dann trat der Staat auf den Plan: „dreiste Trivialisierung des Holocausts“, so das Außenministerium. Das Auswärtige Amt in Berlin reagierte mit einer eilfertigen Versicherung: „Die Singularität des Holocausts darf aus Sicht des Auswärtigen Amts zu keinem Zeitpunkt infrage gestellt werden.“

Israel Kollektive Bestrafung

Was dieser Satz bedeutet, fiel mir erst im Nachhinein auf. Es handelt sich um eine geschichtspolitische Doktrin, die einer Regierung nicht zusteht. Singularität ist ein wertender Begriff, den diverse angesehene Nationalsozialismushistoriker durchaus anzweifeln oder als untauglich ablehnen. Gewiss, Deutsche mögen mit dem Wort eine besondere Verantwortung ausdrücken. Aber der Glaube an Singularität darf nicht amtlich verordnet werden, als verlaufe hier die Grenze zum Verbotenen, der Holocaustleugnung.

Ist es nicht eigentlich ein Merkmal autoritärer Systeme, detaillierte Geschichtsinterpretationen festzulegen? Und nun neigt ein grün geführtes Außenamt dazu? Per Tweet erklärte Außenministerin Annalena Baerbock den Holodomor zum Genozid, noch bevor der Bundestag beriet. Ein Geschenk an die ukrainische Regierung, obgleich die Fachwelt auch in dieser Frage uneins ist.

Politisch dirigierte Erinnerungspolitik ist weltweit auf dem Vormarsch; zu glauben, Deutschland sei dagegen immun, wäre naiv. Und es gibt bei uns eine nachvollziehbare, aus Scham resultierende Blockade, den Missbrauch von NS-Erinnerung in Staaten ehemaliger Opfer des Nationalsozialismus wahrzunehmen. Das hat in der Vergangenheit zur falschen Russlandpolitik beigetragen. Besonders wirksam ist die Schamblockade diesbezüglich gegenüber Israel. Erneut: verständlicherweise.

Quelle        :        TAZ-online         >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen      :

Oben       —   Holocaust-Mahnmal in Berlin (2006)

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Keine Helden durch Kriege

Erstellt von DL-Redaktion am 14. November 2022

Wer sind wir in Zeiten des Krieges? Plädoyer für eine gesellschaftliche Auseinandersetzung.

Quelle        :     Berliner Gazette

Von       :        Christian Heck

Wer verfolgt noch den Krieg, den das Putin-Regime der Ukraine erklärt hat? Wer beschäftigt sich mit den Ursachen und Hintergründen? Wer ist bereit die Auseinandersetzung nicht allein vom Eigennutz abhängig zu machen und die Auswirkungen nicht allein an persönlichem Schaden zu bemessen? Diesen Fragen liegt nicht zuletzt die Frage nach dem gesellschaftlichen Wir zu Grunde, wie der Medientheoretiker Christian Heck in seinem Plädoyer für eine Auseinandersetzung mit Sprache und Technik argumentiert.

20 Jahre Afghanistankrieg sollten mit dem praktisch kampflosen Einzug der militant-islamistischen Taliban in Kabul und einem abrupten Abzug westlicher Streitkräfte ihr Ende nehmen. Doch der Krieg in Afghanistan geht weiter. Mit extralegalen Hinrichtungen mittels US-Kampfdrohnen. Drohungen, Verhaftungen, Misshandlungen, Folter und Tötungen von Frauen und Männern, insbesondere jenen, die sich für Frauen- und Menschenrechte einsetzen. Seit über einem Jahr drängen die Taliban afghanische Frauen aus dem öffentlichen, sozialen und politischem Leben. Sie dürfen sich in vielen Teilen des Landes kaum eigenständig auf den Straßen bewegen. Dürfen nur noch bis zur 7. Klasse die Schule besuchen. Studentinnen nur noch mit Hidschab in Universitäten gehen. Zahlreiche Bewegungen aus der Zivilgesellschaft zogen daraufhin disruptiv-technologische Bilanzen. In der Hoffnung unterstützend zukünftigen techno-politischen und militärischen “Fehleinschätzungen” (Heiko Maas, ehem. Bundesminister des Auswärtigen) entgegenwirken zu können.

Fehleinschätzungen liegen sicherlich auch Russlands Invasion der Ukraine zu Grunde. Auf allen Seiten. In den Medien: Überall Wortmeldungen. Doch wer ist tatsächlich bereit darüber zu reden?

Mehr noch: Wer findet Worte für das Bombardieren von Wohnhäusern? In Butscha. Charkiw. Kiew. Saporischschja. Krementschuk. Winnyzja. Tschernihiw. Kramatorsk. Cherson. Mariupol und unzähligen weiteren Städten und Dörfern. Das Bombardieren von Schulen, in denen Familien Unterschlupf suchen. Von Krankenhäusern, in denen Frauen ihre Kinder gebären. In denen Menschenleben gerettet werden. Während Sirenen laut heulen. Tag für Tag. Stunde für Stunde. Minute für Minute. Menschen. Leben. Retten. Bomben auf Gefängnisse. Evakuierungsbusse. Auf Fluchtrouten, auf denen Familien versuchen den Grausamkeiten des Krieges zu entfliehen. Sie werden gezielt bombardiert. Bahnhöfe. Einkaufszentren. Raketenkrater in den Innenhöfen von Wohnkomplexen in denen es keine einzige militärische Einrichtung gibt. Hinrichtungen. Massengräber in Charkiw. In Isjum.

“Grammatik des Krieges”

Zivile Opfer liegen im Kalkül des russischen Angriffskriegs. In Zeiten des Krieges sind all unsere Worte in “die alles betreffende Buchhaltung des Krieges mit eingerechnet”. “Ob wir den Krieg befürworten. Ob wir um Frieden kämpfen. Wir sind in der Logik des Krieges verzichtbar gemacht.” (Streeruwitz). Wir. Wer sind wir in Zeiten des Krieges? Während seine Schrecken in Echtzeit aus den Interfaces sprudeln. In mechanischer Zeit. Maschinenzeit. Waffen. Gewehre. KI. Maschinen. In Echtzeit, in die wir uns ein jedes Mal hineinbegeben, und in der wir uns bewegen. Wider die Totzeit. Wenn wir Kriegsnachrichten sehen. Lesen. Twitter. TikTok. Telegram. Schreiben. Der Spiegel. taz. Die Süddeutsche. Lesen.

Wieder einmal versuche ich heute zu schreiben, während “die Herrschaft des Krieges uns ihre Grammatik aufzwingt” (Streeruwitz).

Keine Worte finden. Worte für den Frieden. In Kriegssyntax schreiben. Auf Kriegssyntax bauen.

Die Grammatik des Krieges, sie steht vielen Technologien eingeschrieben, die uns tagtäglich begleiten. Sie sind uns sehr vertraut, wurden Teil unseres Alltagslebens und gestalten diesen aktiv mit. In den häufigsten Fällen wissen wir nicht, ob Teile unserer kleinen Devices in unseren Pockets auch zum Kriegseinsatz kommen. Welche Technologien sich Kriegs-, und welche sich den zivilen Technologien zuordnen lassen. Der Begriff des DUAL USE verlor sich in der öffentlichen Wahrnehmung, dafür kann er heute, insbesondere in der öffentlichen Förderungsterminologie unter dem Begriff der “Sicherheitstechnologie” wiedergefunden werden. Wir lernen solch neue Wörter, indem wir uns unterhalten, indem wir mit unseren Mitmenschen sprechen, die Wörter also “gebrauchen” um es in Wittgensteins Worten auszudrücken: Die Bedeutung eines Begriffs ist “die Art, wie dieser Gebrauch in das Leben eingreift” (Wittgenstein, 65)). Zuvor sind es wortlose Worte.

Worte, die nicht entstanden sind aus einem gesellschaftlichen Miteinander heraus. Aus einem Miteinandersprechen. Zuvor sind es künstliche Wörter, doch Wörter zugleich die wir gemeinsam gebrauchen. Wir gestalten unseren Lebensalltag durch sie. Diese Wörter, diese wortlosen Worte, sie entstehen an einem Ort wo wir im Sprechen keine Worte finden werden. In kognitiven Systemen. Systeme, denen Kriegsgrammatiken eingeschrieben stehen. “Marketing or death by drone, it’s the same math, … You could easily turn Facebook into that. You don’t have to change the programming, just the purpose of why you have the system.”, so Chelsea Manning in einemInterview mit dem Guardian in 2018, “There’s no difference between the private sector and the military.”

Maschinen des Krieges

Wer sich an die Debatten rund um Project Maven erinnert, dem oder derjenigen sagt eventuell der Begriff “Tensorflow” noch etwas. Im Jahr 2017 ging hierfür der IT-Konzern Google eine Partnerschaft mit dem Projekt Maven des Pentagons ein, das auch als “Algorithmic Warfare Team” bekannt ist. Der gemeinsame Auftrag lautete, eine Technologie zu entwickeln, die das Videomaterial von US-Überwachungsdrohnen aufzeichnet und effizienter als bisher nach militärisch bedeutungsvollen Objekten indexiert. Google gewährte dem US-Verteidigungsministerium zur Entwicklung von Machine Learning Objekterkennungsalgorithmen damals Zugriff auf ihr Software-Framework “Tensorflow”. Ohne solche Frameworks, die es Entwickler*innen ermöglichen Künstliche Intelligenzen in Form von Graphen und Datenflussdiagrammen zu programmieren, wäre die Erforschung hin zur neuronalen Netzwerkarchitektur “Transformer” wohl kaum denkbar gewesen.

Seit das Google Research Team zusammen mit einigen Google Brain Autoren ihre Studie “Attention Is All You Need” veröffentlichten, entstand ein Wettlauf unter den großen IT-Unternehmen, der sich häufiger an der Quantität der jeweiligen Datensätze und Modelle maß, als an ihrer Qualität und der Abwägung kultureller Konsequenzen, während diese in Gesellschaft beginnen zu wirken. Der Trend zu immer größeren Modellen und immer mehr Trainingsdaten führt derzeit dazu, dass nicht nur massiv Ressourcen wie Strom für riesige Serverfarmen verbraucht würden, sondern auch, dass KI-Modelle und Applikationen in denen diese eingebettet liegen, immer schlechter kontrollierbar werden.

Heute müssen während des Trainings solcher KI’s teils über 175 Milliarden Parameter und weitere mathematische Operationen ausgelesen, angepasst und erweitert werden. Die wenigsten universitären und öffentlichen Einrichtungen haben hierfür Kapazitäten. Weder verfügen sie über die Rechnerleistung zum trainieren und unabhängigen erforschen dieser Modelle, noch haben sie Zugang zu den immensen Datensätzen die als Grundlage zum Training von Transformern dienen. Unternehmen wie Google, Facebook oder OpenAI, die u.a. mit Microsoft kooperieren profitieren aus bekannten Gründen hiervon und treiben einen rasanten Fortschritt voran. Ein Fortschritt, unbestreitbar, der staunen lässt. Das transformerbasierte Sprachmodell GPT-3 von OpenAI und Microsoft bspw. übersetzt Sprachen, zumindest die meistgesprochensten, schreibt Zeitungsartikel, Essays und Gedichte und wird als Chatbot in Twitter, Reddit, Telegram, etc. genutzt.

Fast überall dort wo aus strukturierten Daten kontextbasierte, natürliche Sprache, bzw. leserfreundliche Texte erzeugt werden sollen, löste der Aufmerksamkeitsmechanismus (Attention) von Transformer-Architekturen, die bis dato verwendeten rekurrenten Modelle wie bspw. LSTM (Long Short Term Memory) ab. Die interaktive Besonderheit von GPT-Modellen (Generative Pretrained Transformer) ist jedoch nicht einzig für Social Media, sondern allgemein für Assistenzsysteme jeglicher Couleur interessant, z.B. zum militärisch genutzten Man-Machine-Teaming, Robotics und weiteren Mensch-Maschine-Interaktionen auf natürlichsprachlicher Basis.

Doch diesen Machine-Learning Verfahren stehen Rassismen, wenn auch nicht explizit, auch nicht vorsätzlich eingeschrieben. Sie generieren in ihrem Gebrauch schwer vorhersehbare Äußerungen, die von subtiler Alltagsdiskriminierung bis über Hetze im Netz reichen und tragen somit auch vermehrt zu rassistischen Gewalttaten im öffentlichen Raum bei.

Sie erzeugen Minderheiten und gesellschaftliche Gruppen werden verstärkt durch diese Systeme marginalisiert. Meistens, ganz ohne dass es den Entwickler- sowie auch Anwender*innen bewusst ist (Vgl. Gebru et. al.) .

Wessen Handlungsmacht?

Seit einigen Monaten nun, werden lautstarke Debatten über kulturelle Konsequenzen von transformerbasierten Text-zu-Bild Maschinen geführt. Künstlich intelligente Sprachmodelle, die Texteingaben (Prompts) in eine Anordnung von Pixeln transferrieren. Die bekanntesten von ihnen sind DALL-E 2ImagenMidjourney und Stable Diffusion. Sie generieren Bilder, die wie Fotografien, Zeichnungen oder Malereien aussehen können. Auf diese derzeitig technischen und populären Erfolge, bauen just veröffentlichte Modelle zur Text-zu-Video Generierung auf. Make-A-Video von Meta AI und Imagen Video, sowie Phenaki von Google Brain nehmen einen Prompt auf und geben daraufhin ein Video aus, das sich auf diese Eingabe bezieht.

Solch Text- bzw. Bild, und Videogenerierungen wirken seit längerem schon in TikTok, in Discord, Telegram und weiteren medialen Kanälen. Teils spielerisch wird dort mit ihnen umgegangen, häufig auch marktwirtschaftlich- strategisch. In manchem Fällen werden sie auch ganz konkret für staatliche, bzw. Kriegspropaganda genutzt.

Wir stehen heute also wieder einmal vor einer uns vertraut scheinenden, überaus gesellschaftsrelevanten Frage, nämlich der, wie wir sprachlich, bewertend, analytisch und interpretierend mit den jüngst entwickelten disruptiven Technologien umgehen? Über was für einen Wortschatz wir hierfür verfügen? Welch sprachlichen Mittel uns zur Verfügung stehen, um diese Technologien in unsere Gesellschaft zu integrieren? Sind wir, als Gesellschaft derzeit überhaupt noch in der Lage, die kulturellen Folgen dieser Technologien zu bewältigen?

Wohl spätestens seit den 2010ern, delegieren wir mehr und mehr Handlungsmacht an die neuen, meist disruptiven Technologien. Technologien, in denen „Menschen, Dinge, Ereignisse zu ’programmierbaren Daten’ werden: es geht um ’Input’ und ’Output’, Variable, Prozentzahlen, Prozesse und dergleichen, bis jeglicher Zusammenhang mir konkreten Dingen wegabstrahiert ist und nur noch abstrakte Graphen, Zahlenkolonnen und Ausdrucke übrigbleiben.“, so einst der Technologie- und Gesellschaftskritiker Joseph Weizenbaum. Je tiefer wir also unseren Sprachgebrauch und unsere alltägliche Lebenswelt in diese Technologien verstricken, desto exakter sind wir in „die alles betreffende Buchhaltung des Krieges mit eingerechnet.“ (Streeruwitz).

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Dieses Werk ist unter einem Creative Commons Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Keine Bearbeitung 3.0 Unported Lizenzvertrag lizenziert. Um die Lizenz anzusehen, gehen Sie bitte auf creativecommons.org oder schicken Sie einen Brief an Creative Commons, 171 Second Street, Suite 300, San Francisco, California 94105, USA.

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Grafikquellen     :

Oben       —   State Emergency Service of Ukraine demines Kharkiv Oblast after liberation from Russian occupation. On 5 November, more than 10 hectares were cleared, 2241 explosive items were defused. In total, from 8 September to 6 November, 1,422 hectares were inspected and 37,915 explosive items were defused.

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Radikalität vs. Extremismus

Erstellt von DL-Redaktion am 28. Oktober 2022

Radikal sein, heißt, an die Wurzel zu gehen

„Alle Macht geht vom Volk aus“ –
Dieser Satz müsste an und für sich Pflichtlektüre der Politiker-innen  sein.

Quelle       :        Scharf  —  Links

Von Tomasz Konicz

Einige Überlegungen zum antifaschistischen Transformationskampf in der manifesten Systemkrise.

Das Böse ist immer nur extrem, aber niemals radikal, es hat keine Tiefe, auch keine Dämonie. Es kann die ganze Welt verwüsten, gerade weil es wie ein Pilz an der Oberfläche weiterwuchert. Tief aber und radikal ist immer nur das Gute.“

Hannah Arendt

Wo kommen plötzlich all die „Extremisten“ her, die unter Verwendung sozialer Demagogie die gegenwärtigen Sozialproteste zu dominieren trachten?1 Im deutschen Medienzirkus – dort, wo Ignoranz einen Konkurrenzvorteil bildet – sieht man die extremistische Gefahr für die demokratische „Mitte“ der Gesellschaft immer an deren Rändern aufziehend, eigentlich nur von einem imaginären Außen kommend. Als ob extremistische Aliens sich der guten bürgerlichen Demokratie bemächtigten würden. All dieser um sich schlagende Wahn,2 er kann doch nicht dem scheinbar rational organisierten, kapitalistischen Mainstream entspringen?

Der Begriff des Extremismus, wie er in der Öffentlichkeit verwendet wird, ist eigentlich hohl, er bemisst nicht nur den politischen und ideologischen „Abstand“ zwischen der gemäßigten Mitte und den militanten „Rändern“ des politischen Spektrums. Indem er äußerliche Merkmale und extreme Methoden auflistet, ist er auch Ausdruck der gerade herrschenden politischen Mehrheitsverhältnisse. Die Mitte, das ist der politische Ort, wo die Mehrheiten sind, während die „Extreme“ des „lunatic fringe“3 die kleinen, irren Minderheiten bilden sollen. Der landläufige Begriff des Extremismus bezeichnet somit nur den Rand des politischen Koordinatensystems. Dieses Koordinatensystem ist aber einem Wandel unterworfen, der seit Jahren, in Wechselwirkung mit immer neuen Krisenschüben, stramm Richtung Rechts marschiert.

Jeder Akteur im bürgerlichen Politbetrieb will aber eigentlich Teil der Mitte sein. Auch die AfD.4 Mit der Verschiebung des politischen Koordinatensystems, die mit der Sarrazin-Debatte einsetzte, mit der Eurokrise, der Flüchtlingskrise und dem Durchmarsch der AfD ihre Fortsetzung fand, um im Corona-Wahn der Querdenker zu münden, verschiebt sich auch das politische Koordinatensystem. Allein schon deswegen, weil andere Parteien und politische Kräfte auf die Erfolge der Rechten reagieren – zumeist dadurch, dass sie Teile dieses ideologischen „Erfolgsrezepts“ der Neuen Rechten zu kopieren oder zu adaptieren versuchen, wie es etwa Frau Wagenknecht5 versucht. Die Ansichten über das, was als „normal“ zu gelten hat und Teil der „Mitte“ ist, änderten sich folglich im Verlauf des Aufsteigs der Neuen Rechten. Das, was einstmals als Hetze und als „braun“ galt, wird zur Normalität.6 Dieses Kalkül ist auch Teil der Strategie der Neuen Rechten, die ihre Diskurshegemonie gerade durch gezielte Tabubrüche, bei denen zivilisatorische Mindeststandards mit den Füßen getreten werden, erkämpfen will.7

Ideologie und Extremismus der Mitte

Der „Extremismus“ findet somit Anhänger in der Mitte der Gesellschaft, wodurch der bürgerliche Extremismusbegriff – der im Umfeld der Totalitarismusideologie angesiedelt ist – jegliche Aussagekraft verliert und somit „extrem unbrauchbar“ ist.8 Im Osten der BRD ist die AfD längst die stärkste der Parteien. Kann sie folglich noch „extremistisch“ sein?9 Und dennoch ist ein modifizierter Begriff des Extremismus unabdingbar, um den Aufstieg der Neuen Rechten in der Krise zu verstehen. Doch er muss gerade als ein krisenbedingter „Extremismus der Mitte“, als eine ideologische Reaktion vornehmlich der Mittelschichten, des Bürgertums auf krisenbedingte Verwerfungen verstanden werden.

Ideologie ist hierbei nicht als ein bloßes Fantasiegebilde und Hirngespinst zu verstehen, sondern als eine verzerrte Wahrnehmung der sozialen Realität, die diese trotz ihrer Widersprüche und Verwerfungen zu rechtfertigen, zu legitimieren trachtet. Ideologie verweist somit immer auch auf die Widersprüche der Gesellschaft, in der sie ausgebrütet wird. Ideologiekritik ist folglich auch Gesellschaftskritik. Ideologie wird gerade in der Mitte, in der Kulturindustrie und im Medienbetrieb fabriziert, und sie trägt immer ein ideologisch verzerrtes Moment von Wahrheit in sich; sie fabriziert Halbwahrheiten, um die Menschen mit einer selbstzerstörerischen Wirtschaftsweise sich abfinden zu lassen, die immer offensichtlicher Gesellschaft, Klimasysteme und Umwelt verwüstet.

In Reaktion auf Krisenschübe treibt somit rechte Krisenideologie in einer konformistischen Rebellion die in der „Mitte“ vorherrschenden Legitimationsmuster und Narrative ins ideologische Extrem. Der Begriff des Extremismus der Mitte kann die Grundlagen der rechten Krisenideologie – die gerade im Bestehenden und scheinbar „Alltäglichen“ wurzelt – somit nur dann erhellen, wenn er ernst genommen und nicht nur als eine rein formale Begriffshülse verwendet wird, mit der in totalitarismustheoretischer Diktion Kräfte an den Rändern des politischen Spektrums belegt werden.

Die Neue Rechte greift somit einerseits auf Anschauungen, Wertvorstellungen und ideologische Versatzstücke zurück, die im Mainstream der betroffenen Gesellschaften herrschen. Diese Mittelschichtideologie, deren Ausformung maßgeblich von der neoliberalen Hegemonie der vergangenen drei Jahrzehnte geprägt wurde, wird in Reaktion auf die Krisendynamik zugespitzt und ins weltanschauliche Extrem getrieben. Es sind somit keine „äußeren“, der bürgerlichen Mitte entgegengesetzte Kräfte, die nun viele zivilisatorische Standards infrage stellen. Die krisenbedingt verunsicherte Mitte brütet die Ideologien der Ungleichwertigkeit von Menschen ganz in Eigenregie aus. Es ist somit nicht der Wunsch, die Welt zu verändern, der dem Extremismus der Mitte Auftrieb verschafft, sondern der reaktionäre Reflex, sich an der krisengebeutelten spätkapitalistischen Gesellschaft festzuklammern.

Folglich gilt es, die Kontinuitäten zwischen der Mitte und rechtspopulistischer Ideologie aufzuzeigen. Es geht nicht um die Form, sondern um den konkreten, ideologischen Inhalt. Erst bei dieser Auseinandersetzung mit dem konkreten Inhalt der neurechten Ideologie – sowie deren Verwurzlung im Mainstream der spätbürgerlichen Gesellschaften – wird der besagte Begriff des Extremismus der Mitte voll verständlich. Und diese ideologische Kontinuität macht übrigens auch klar, wieso die Neue Rechte so rasch bei Wahlen Erfolge einfahren kann. Es ist gerade kein ideologischer Bruch notwendig. Es ist dasselbe, eingefahrene ideologische Gleis, auf dem der paranoide und angstschwitzende Bürger ins Extrem treibt.

Konkurrenzzwang und Standortnationalismus

Welche ideologischen Vorstellungen, die insbesondere in der Ära des Neoliberalismus in der „Mitte“ hegemonial wurden, werden also von der Neuen Rechten zugespitzt und ins Extrem getrieben? An erster Stelle steht das Konkurrenzdenken, das im Neoliberalismus nahezu alle Gesellschaftsbereiche erfasst hat.10 Und selbstverständlich haben Rechtspopulismus wie Rechtsextremismus in all ihren Spielarten das Konkurrenzprinzip schon immer begeistert aufgenommen und auf vielfältige Art und Weise modifiziert und zugespitzt. Diesem Grundprinzip der kapitalistischen Wirtschaftsweise, der Marktkonkurrenz, verleihen rechte Ideologien einen „höheren,“ zeitlosen Sinn, indem die Konkurrenz als Kampf zu einem ewigen Grundprinzip menschlichen Zusammenlebens imaginiert wird: Die ideologische Spannbreite reicht hier von sozialdarwinistischen Vorstellungen, über Kulturalismus, Rassismus, Wirtschaftschauvinismus, bis hin zu dem manichäischen Wahnsystem des deutschen Nationalsozialismus, der einen ewigen Konkurrenz- und Überlebenskampf zwischen Ariern und Juden halluzinierte.

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Stellen sich die Politiker-innen nicht selbst an die Spitze, statt Wurzel zu sein ?

Der Hass auf „Gutmenschen“ und auf moralisches Handeln ist gerade Ausdruck dieser krisenbedingten Barbarisierung des kapitalistischen Konkurrenzzwangs, die charakteristisch für den Faschismus ist. Wie weit die Hegemonie der Neuen Rechten in dieser Hinsicht schon gediehen ist, machen die rechtsoffenen Querfront-Protagonisten der rasch erodierenden Linken deutlich. Christian Baron verunglimpfte etwa im Freitag (40/2022) jede Kritik an Wagenknechts langjähriger AfD-Werbung in der Finanz- und Flüchtlingskrise als „moralisch“.11 Damit wurde nicht nur radikale Kritik an den Umtrieben am braunen Rand der „Linkspartei“ mit Moral verwechselt, sondern eben auch das übliche Ressentiment der Neuen Rechten reproduziert, das die krisenbedingte Barbarisierung des Konkurrenzprinzips mittels Hass auf zivilisatorische Grundprinzipien forciert.

Ein korrespondierendes Ins-Extrem-Treiben der Mitte findet aber auch auf der identitären Ebene, bei der nationalen Identität, statt. Die Ära der neoliberalen Globalisierung brachte gerade in der Mittelschicht des „Exportweltmeisters“ Deutschland eine besondere Form des Nationalismus und eine Modifikation der nationalen Identität hervor, die sehr stark von ökonomischem Denken geprägt war. Dieser Standortnationalismus, der seinen Chauvinismus aus der erfolgreichen Weltmarktkonkurrenz schöpfte, ging mit einem Wandel der nationalistischen Exklusionsmuster einher. Kulturalismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit wurden oftmals ökonomisch vermittelt.

Die kulturelle oder rassische Hierarchisierung von Nationen und Minderheiten wird bei diesen ökonomisch grundierten Ressentiments gerade aus ihrer wirtschaftlichen Stellung in der Weltwirtschaft oder in der betreffenden Volkswirtschaft abgeleitet. Wirtschaftlicher Erfolg deute auf überlegene Gene oder eine überlegene Kultur, in Deutschland insbesondere auf die richtige Einstellung zur Arbeit hin, während Verarmung und Marginalisierung im Umkehrschluss auf genetische oder kulturelle Mängel zurückgeführt werden. Diese Ressentiments fanden schon während der Sarrazin-Debatte12 ihren öffentlichen Durchbruch, sie wurden während der Euro-Krise, als Schäuble Griechenland mit immer neuen „Sparpaketen“ drangsalierte, zum öffentlichen Konsens.13

Zudem halluziniert rechte Krisenideologie die Krisenopfer zu deren Verursachern, zu Tätern. Die Hartz-IV-Empfänger seien aufgrund einer mangelhaften genetischen Ausstattung an ihrem Elend selber schuld, so Sarrazin, der faule Südeuropäer sei an der Eurokrise schuld, so Schäuble, die Flüchtlinge missbrauchten das „Gastrecht“, so Wagenknecht. Diese Personifizierung der Krisenursachen in entsprechenden Sündenböcken zeigt auch ganz konkret, dass es sich bei der Krise um einen schubweise ablaufenden, historischen Prozess handelt, der das ideologische „Ins-Extrem-Treiben“ bestehender Ideologie befördert: Die Agenda 2010, die das Hartz-IV-Elend hervorbrachte, das dann ein Sarrazin auf genetische Mängel zurückführen wollte, die Europäische Schuldenkrise, die Fluchtbewegungen aus der in Bürgerkriegen kollabierenden Peripherie in die Zentren – es sind konkrete Phasen eines schubweise ablaufenden Krisenprozesses des kapitalistischen Weltsystems.14

Nationale Antwort auf „soziale Frage“

Die derzeit insbesondere in der ehemaligen DDR erfolgreiche soziale Demagogie der Neuen Rechten, die die AfD zur stärksten der Parteien machte, beruht gerade darauf, die „soziale Frage“ in den gewohnten, im verrohenden Neoliberalismus ausgebildeten Denkmustern national zu beantworten: Der „soziale Frieden“ soll auf Kosten aller erreicht werden, die nicht dem nationalen Kollektiv zugerechnet werden. Die rechten Narrative von den Ausländern, die nur unser Geld wollen, von den Verschwörungen, die uns unser Erdgas abdrehen, gehen mit der Klage über steigende Preise und soziale Erosion einher. Dieser sich ausbildende National-Sozialismus, der bis in die „Linkspartei“ hineinwirkt,15 will somit – gleich seinem historischen Vorbild – die sich krisenbedingt zuspitzenden, inneren Widersprüche des Kapitals externalisieren, nach Außen projizieren. Das sind dieselben Reflexe, wie sie etwa in der Eurokrise zutage traten, als die Griechen, Italiener, Spanier oder Portugiesen zu den Verursachern der Schuldenkrise erklärt wurde, die es ohne die extremen Handelsüberschüsse der Burnout-Republik Deutschland ja nicht gegeben hätte.16

Dieser Prozess der extremistischen „Verrohung“ der Mitte lässt sich somit ganz konkret nachvollziehen: In Wechselwirkung mit Krisenschüben setzte spätestens seit Beginn des 21. Jahrhunderts eine ideologische „Aufrüstung“ in der Bundesrepublik ein, bei der das gewohnte Denkgleis nicht verlassen, sondern ins Extrem getrieben wird. Die kapitalistische Systemlogik wird in der Systemkrise von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung nicht infrage gestellt, sondern ins Barbarische getrieben. Für den Rechtspopulismus ist somit die jahrzehntelange neoliberale Konditionierung der Öffentlichkeit eine Garantie für Wahlerfolge in Krisenzeiten. Er muss nur die bestehenden Ängste weiter schüren, die ohnehin gegebenen Ressentiments anheizen, die ideologische Aufrüstung mittels „mutiger Tabubrüche“ weiter forcieren (ein ähnlicher Extremismus der Mitte brachte in den USA einen Donald Trump ins Weiße Haus).

Die Maxime des rechtspopulistischen „Extremismus der Mitte“ geht voll auf: Das, was aus der verängstigten Mitte – und die Angst ist nur zu berechtigt – der Gesellschaft an barbarischen Affekten auf das unverstandene Krisengeschehen aufsteigt, wird in Politik gegossen: Grenzen dicht! Ausländer raus! Zwangsarbeit für unnütze Mitesser! Deutschland zuerst!

Und letztendlich es ist ganz einfach, Nazi zu werden. In nahezu allen europäischen Staaten kann der Rechtspopulismus gerade deswegen triumphieren, weil er so einfach nachzuvollziehen ist – da ist kein gedanklicher Bruch notwendig. Und er ist deswegen einfach, weil er als konformistische Rebellion keine Alternativen anstrebt, sondern auf der Oberfläche der Erscheinungen verbleibt. Die eingefahrenen ideologischen Denkgleise müssen nicht verlassen werden, sie führen quasi naturwüchsig in die sich abzeichnende Barbarei.

Radikal sein, heißt, an die Wurzel zu gehen

Notwendig wäre aber nicht ein Nachplappern der aufsteigenden Ressentiments, die sich aus Verfallsformen kapitalistischer Ideologie speisen, wie es etwa die „Linkspartei“ einer Wagenknecht praktiziert,17 sondern ein klarer Bruch mit der Systemlogik, um eine breite gesellschaftliche Diskussion über Systemalternativen zur kapitalistischen Dauerkrise, um eine Transformationsbewegung18 zu initiieren. Das Festhalten an Kategorien und Begriffen wie Staat, Volk, Nation, Markt, Geld, Kapital, deren reale gesellschaftliche Entsprechungen krisenbedingt in Zerfall übergehen, kann nur ins Desaster führen. Der radikale Bruch mit dem herrschenden kapitalistischen Krisendiskurs, der rapide verwildert, ist angesichts der Krise eine blanke Notwendigkeit.

Radikal sein, bedeutet, ein Problem grundsätzlich anzugehen, bis zur Wurzel (radix) der Problemstellung vorzudringen. Deswegen bildet Radikalität nicht eine Vorstufe des Extremismus, wie es im hohlen, spätbürgerlichen Extremismusdiskurs immer wieder falsch anklingt. Radikalität ist das Gegenteil des Extremismus. Während dieser an der Oberfläche der Erscheinungen verbleibt, die in der Mitte herrschende Ideologie ins Extrem treibt, strebt die Radikalität nach Tiefe, um zum Kern, zum Wesen der Erscheinungen vorzudringen. Somit müsste auch der Kampf gegen die Neue Rechte, will er konsequent und letztendlich erfolgreich sein, mit radikaler Reflexion einhergehen, um eine adäquate Praxis zu zeitigen.

Ein radikaler Antifaschismus müsste somit den wieder aufkommenden Faschismus nicht nur als eine äußerliche Erscheinung bekämpfen, sondern auch als eine terroristische Krisenform kapitalistischer Herrschaft begreifen. Die ins Extrem treibende Krisenideologie der Neuen Rechten, die ihre Wurzeln in der neoliberalen Mitte hat, ist Ausdruck ganz konkreter, krisenbedingt eskalierender Widersprüche: der sozialen wie der ökologischen Krise des Kapitals, das an seine Entwicklungsgrenzen stößt und die Menschheit mit in den Abgrund, in die Barbarei zu reißen droht. Die Neue Rechte aber ist das politische Subjekt, das diesen objektiv in der Systemkrise drohenden Absturz ganz konkret exekutiert. Dies gilt insbesondere für die Klimakrise, der die Neue Rechte einerseits mit Verharmlosung sowie Leugnung begegnet, um andrerseits in Ökofaschismus abzudriften.19

Ein radikaler Antifaschismus, der Faschismus als potentiell massenmörderische Krisenform kapitalistischer Herrschaft begreift, würde sich somit darum bemühen, den Kampf gegen die faschistische Gefahr als Teilmoment eines unausweichlichen Transformationskampfes um eine postkapitalistische Zukunft20 zu begreifen und zu führen. Eine breite antifaschistische Bündnisbildung, wie sie schon in den 90ern erfolgreich praktiziert wurde, müsste mit der offenen Thematisierung der Systemkrise und der Rolle der Neue Rechten als Exekutor der hierbei freigesetzten barbarischen und destruktiven Potenzen21 einhergehen.

Somit kommt dem antifaschistischen Kampf in der gegenwärtigen Phase der sich entfaltenden Weltkrise des Kapitals die zentrale Rolle zu, die Möglichkeit eines emanzipatorischen Transformationsverlaufs offen zu halten – im Kampf gegen die extreme Rechte.22 Eigentlich müssten emanzipatorische Kräfte somit das genaue Gegenteil der rechtsoffenen sozialen Demagogie23 der „Linkspartei“ einer Sahra Wagenknecht praktizieren.

Der Bruch mit dem in der Dauerkrise versinkenden Kapitalismus – der den Faschismus in sich trägt wie die Gewitterwolke den Regen – ist notwendig, weil er objektiv ansteht. Entweder wird die Systemtransformationen in Formen faschistischer Barbarei ablaufen, oder es kann ein emanzipatorischer Transformationsverlauf erkämpft werden. Die gesellschaftliche Realität, geprägt von der aufschäumenden faschistischen Krisenideologie, ist der Gradmesser radikaler antifaschistischer Praxis, die an die Wurzel der sehr realen kapitalistischen Systemkrise gehen muss. Und dies wäre eben kein bloßer Voluntarismus, sondern Einsicht in die Notwendigkeit eines transformatorischen Antifaschismus.

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1 https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/wer-protest-ost-deutschland-inflation-100.html

2 https://www.konicz.info/2020/05/25/die-verbrechen-des-bill-gates/

3 https://en.wikipedia.org/wiki/Lunatic_fringe

4 https://www.zeit.de/politik/deutschland/2016-03/afd-analyse-erfolg-landtagswahlen-partei-waehler

5 https://www.konicz.info/2021/06/29/schreiben-wie-ein-internettroll/

6 https://www.kontextwochenzeitung.de/politik/444/neue-braune-normalitaet-6213.html

7 https://www.konicz.info/2018/01/17/oesterreich-mit-permanenten-tabubruechen-wird-eine-neue-normalitaet-geschaffen/

8 Vgl. Eva Berendsen u.a.: Extrem unbrauchbar – Über Gleichsetzungen von links und rechts, Berlin 2019.

9 https://www.facebook.com/photo/?fbid=645182253946598&set=a.122195239578638

10 https://www.konicz.info/2017/09/22/national-und-neoliberal-2/

11 Dort heißt es unter evidentem Missbrauch eines Droste-Zitates wörtlich: „…’Ist das Hirn zu kurz gekommen, wird sehr gern Moral genommen‘, dichtete der leider verstorbene Schriftsteller Wiglaf Droste. Das lässt sich anhand aller großen Debatten der vergangenen Jahre zeigen. Während der Finanzkrise ab 2007 interpretierten ‚gute‘ Linksliberale den ‚bösen‘ Protest gegen Großbanken als ‚verkürzte Kapitalismus‘, die ’strukturell antisemitisch‘ sei. Während der ‚Flüchtlingskrise‘ 2015 sahen sich jene als ‚rassistisch‘ diffamiert, die darauf hinwiesen, dass es nicht nur eine ‚Willkommenskultur‘ für Geflüchtete brauche, sondern im gleichen Maße auch für Einheimische, die Angst vor dem sozialen Abstieg verspüren, weil sonst die demokratische Legitimation der Flüchtlingshilfe gefährdet sei….“ Quelle: https://www.freitag.de/autoren/cbaron/wagenknecht-putin-afd-querfront-einwurf-in-eine-bezeichnende-debatte

12 https://www.sopos.org/aufsaetze/4ca59c0843dfe/1.phtml.html

13 https://www.heise.de/tp/features/Willkommen-in-der-Postdemokratie-3374458.html?seite=all

14 https://oxiblog.de/die-mythen-der-krise/

15 https://www.konicz.info/2016/08/11/die-sarrazin-der-linkspartei/

16 https://www.konicz.info/2010/05/04/krisenmythos-griechenland/

17 https://www.konicz.info/2022/10/06/opportunismus-in-der-krise/

18 https://www.untergrund-blättle.ch/politik/theorie/transformationskampf-statt-klassenkampf-7289.html

19 https://www.konicz.info/2019/08/30/der-alte-todesdrang-der-neuen-rechten/

20 https://www.konicz.info/2022/10/05/transformationskampf-statt-klassenkampf/

21 https://www.konicz.info/2019/08/30/der-alte-todesdrang-der-neuen-rechten/

22 https://www.konicz.info/2022/10/12/emanzipation-in-der-krise/

23 https://www.konicz.info/2022/10/06/opportunismus-in-der-krise/

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Eine Hölle auf Erden

Erstellt von DL-Redaktion am 22. Oktober 2022

Kita- und Schulessen sowie Werbung prägen Gewohnheiten

Am 30. März 2021 brannten die Ställe der Schweinezuchtanlage Alt Tellin vollständig ab. Mehr als 40000 Schweine (Muttersauen und Ferkel) kamen dabei um.

Von Friederike Schmitz

Ein paar Quadratmeter mehr reichen weder für Tier- noch für Klimaschutz aus. Alles spricht für einen schnellen Ausstieg aus der Tierindustrie.

Die Ampelregierung feiert es als großen Durchbruch: Am 12. Oktober hat das Bundeskabinett ein Gesetz zur Tierhaltungskennzeichnung beschlossen. Fünf verschiedene Haltungsstufen sollen Transparenz beim Fleischeinkauf schaffen. Außerdem gibt es eine Milliarde Euro Förderung für den Stallumbau sowie für laufende Kosten der Tierhaltung. Das Ganze gilt als Startschuss für den „Umbau der Tierhaltung“ und dieser ist die Antwort des Landwirtschaftsministeriums auf all die Probleme, die mit dem aktuellen System der Tierindustrie verbunden sind. Das Ziel sei eine Tierhaltung, die dem Tierschutz und dem Klimaschutz gerecht werde, verkündete Ernährungs- und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir am Tag des Beschlusses.

Tatsächlich lassen sich aber mit dem geplanten Umbau der Tierhaltung diese hehren Ziele gar nicht erreichen. Die Maßnahmen sind in Anbetracht der realen Probleme nicht nur unzureichend, sondern sogar kontraproduktiv. Es braucht eine andere, viel mutigere Agrarpolitik – verbunden mit einer sinnvollen Ernährungspolitik, die endlich anerkennt, dass die Ernährung keine bloße Privatsache ist.

Ziel der neuen Kennzeichnung ist laut dem Ministerium, die „Leistung der Landwirtinnen und Landwirte für eine artgerechtere Tierhaltung sichtbar“ zu machen und so für mehr Tierschutz zu sorgen. Welche Bedingungen heute in Ställen und Schlachthöfen herrschen, ist zwar regelmäßig im Fernsehen zu sehen, wenn Politmagazine heimlich gedrehte Videos veröffentlichen. Trotzdem benennt kaum jemand in Medien oder Politik das Elend, ohne zu verharmlosen. Die Tierindustrie bedeutet für hunderte Millionen von Hühnern, Puten, Schweinen und Rindern nichts anderes als die Hölle auf Erden. Mit überzüchteten Körpern eingesperrt auf engstem Raum, leiden sie unter massiven Bewegungseinschränkungen und Beschäftigungslosigkeit, dazu kommen Stress, Angst, üble Krankheiten und Verletzungen.

Die Kennzeichnung und die Milliardenförderung ändern daran so gut wie nichts. Zunächst soll nur Schweinefleisch gekennzeichnet werden. Fördergelder sind für Umbauten in höhere Stufen vorgesehen. Die zweitschlechteste Stufe schreibt für Mastschweine 20 Prozent mehr Platz vor. Das bedeutet, dass man auf der Fläche eines Standard-Autoparkplatzes statt 16 nur 13 Schweine einsperren darf. In der nächsten Stufe dürfen es noch elf Schweine pro Parkplatz sein und es muss eine offene Stallseite für Frischluft geben. In der besten Stufe, der Biohaltung, bekommen die Schweine „Auslauf“ – was gut klingt, ist in der Realität eine betonierte Außenbucht, wobei die Fläche eines Autoparkplatzes für zwölf Schweine reicht.

In keiner dieser Haltungsformen können die Schweine im Boden wühlen, was sonst eine ihrer Hauptbeschäftigungen wäre. Sie können sich weder suhlen noch ihre Neugier und ihr Sozial- und Familienverhalten ausleben. In höheren Haltungsstufen sind die Tiere auch nicht weniger krank – die Gesundheit ist gar kein Kriterium bei der Kennzeichnung. Die Bedingungen bei Transport und Schlachtung bleiben ebenfalls gleich. Das kurze Leben der Schweine wird also weiterhin die Hölle auf Erden sein. Die geplanten Veränderungen sind bloße Kosmetik in einem System, das auf Ausbeutung und Gewalt beruht.

Auch im Hinblick auf die anderen fatalen Folgen der Tierindustrie schafft ein Umbau von Ställen keine Verbesserung. Um die immensen Treibhausgasemissionen zu verringern, braucht es einen drastischen Abbau der Tierzahlen, der außerdem unverzichtbar ist, um den Landverbrauch zu stoppen, Verschwendung zu begrenzen und die globale Ernährungssicherheit zu verbessern. Auf freiwerdenden Flächen könnte man Moore Wiedervernässung, Wälder Pflanzen oder andere Ökosysteme renaturieren, wodurch auch Treibhausgase eingelagert würden. Studien zeigen, dass sich mit einer globalen Umstellung auf pflanzliche Nahrung die Gesamtemissionen der Menschheit um ganze 28 Prozent verringern ließen. Das zeigt die Dimensionen auf, um die es geht. Vor dem Hintergrund, dass uns gerade buchstäblich die Welt wegbrennt, dürfen wir uns diese Chance nicht entgehen lassen.

Die Regierung formuliert zwar immer mal wieder als Ziel, dass weniger Tiere gehalten werden, unternimmt aber konkret nichts. Wenn Stall­umbauten gefördert werden ohne Verpflichtung zum Abbau, kann das hohe Tierzahlen stabilisieren: Wer heute in einen Umbau investiert, will mit dem neuen Stall noch 30 Jahre Geld verdienen.

Aber was ist die Alternative? Statt halbherzigen Reförmchen braucht es jetzt einen konsequenten Ausstieg aus der Tierindustrie. Denn um Tier-, Umwelt- und Klimaschutz gerecht zu werden, müssen sehr viele Ställe in Deutschland nicht nur umgebaut, sondern geschlossen werden.

Es ist klar, dass eine solche Transformation für die betroffenen Land­wir­t*in­nen gerecht gestaltet werden muss. Zu diesem Zweck muss es Entschuldungs- und Entschädigungsprogramme geben, wie sie in den Niederlanden teilweise schon umgesetzt werden. Außerdem braucht es Beratungsangebote und Förderung für die Umstellung auf andere Betriebszweige. Das ist letztlich sogar fairer, als wieder Anreize für Investitionen in eine Tierhaltung zu schaffen, die nicht zukunftsfähig ist.

Die Tierindustrie drastisch abzubauen und dann zu beenden, ergibt natürlich nur Sinn, wenn sich die Ernährungsweisen entsprechend verändern. Wenn wir weiterhin dieselben Mengen an Fleisch, Milch und Eiern verzehren, müssten die Produkte aus dem Ausland kommen. Damit wäre wenig gewonnen. In der Politik herrscht allerdings bis heute das Dogma vor, dass die Ernährung eine reine Privatsache sei. Kurz nachdem der Grüne Özdemir vor einem Jahr das Landwirtschaftsministerium übernommen hatte, beeilte er sich zu betonen: „Wer wann was isst, geht den Minister für Ernährung und Landwirtschaft und die Bundesregierung nichts an.“ Genau dieselbe Idee hatten auch seine Vor­gän­ge­r*in­nen im Amt aus CDU und CSU immer wieder unterstrichen: Andere Menschen oder gar der Staat haben sich in die Ernährung der Bür­ge­r*in­nen nicht einzumischen.

Dieses Dogma ist aber ebenso falsch wie gefährlich. Denn erstens sind die Folgen der vorherrschenden Ernährungsweisen nicht privat. Wenn Millionen Tiere überall im Land furchtbare Qualen erleiden, geht uns das alle an. Wenn die Erzeugung von Tierprodukten riesige Mengen an knappen Böden und Ressourcen beansprucht und die Klimakatastrophe befeuert, betrifft das die ganze Gesellschaft.

Zweitens sind nicht nur die Folgen, sondern auch die Ursachen, also die Bedingungen und Einflussfaktoren dafür, was Menschen essen, nicht privat. Das Ernährungsverhalten hängt nämlich stark davon ab, was überhaupt angeboten wird und zu welchem Preis. Davon, was seit der Kindheit als normale Ernährung eingeübt wurde. Ebenso davon, was kulturell und sozial als gutes Essen gilt. All diese Faktoren sind auch Resultate politischer und anderer kollektiver Entscheidungen – und diese Dimension wird ausgeblendet, wenn man die Verantwortung allein den Kon­su­men­t*in­nen zuschiebt. So hat die Politik über die letzten Jahrzehnte unter anderem mit finanziellen Förderungen die Tierindustrie mit aufgebaut und stützt sie weiterhin. Das beeinflusst Angebot und Preise. Kita- und Schulessen sowie Werbung prägen Gewohnheiten und Vorlieben.

An solchen Stellschrauben kann und muss man ansetzen. Zu den Maßnahmen gehört: Kantinen auf pflanzliche Verpflegung umstellen. Tierprodukte höher besteuern, pflanzliche Produkte günstiger machen. Subventionen umschichten. Werbung für Tierprodukte verbieten. Aufklärungskampagnen über die Vorteile pflanzlicher Ernährung veranstalten. Weiterbildungen für Köchinnen organisieren. Solidarische Landwirtschaften und günstige pflanzliche Mittagstische fördern.

Quelle        :          TAZ-online          >>>>>        weiterlesen

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America First-again+again

Erstellt von DL-Redaktion am 16. Oktober 2022

America First. Schon wieder !

Quelle       :        Scharf  —  Links

Ein Kommentar von Georg Korfmacher, München

Im derzeitigen Wirrwarr des Weltgeschehens platzt jetzt auch noch die Ankündigung einer neuen Sicherheitsstrategie der USA. Voller Stolz trägt Biden vor, was die Welt längst weiß: America first!

Vordergründig handelt es sich um eine neue Strategie gegen China, ureigentlich aber um einen alten Traum der USA, der zunehmend zu einer Illusion, oder sollte man sagen einer Besessenheit, geworden ist.

Seit dem „Kalten Krieg“ genießen die USA den zweifelhaften Ruf, Führer der Welt zu sein, politisch, wirtschaftlich und vor allem militätisch. Für die Realität von heute und auch in der Zukunft haben die Politiker der USA weder Einsicht noch Sinn. Nach dem ersten politischen Geplantsche gegen Russland und China kommt Biden unverblümt zur Sache. „Als alter Transatlantiker bekennt sich Biden in seiner neuen Sicherheitsstrategie zur engen Zusammenarbeit mit Europa und ausdrücklich mit der Nato“, so in der SZ.

Ein Hauptmotiv im Widerstreit der Großmächte ist für Biden die Frage, „wer die Zukunft der internationalen Ordnung bestimmen darf“, denn „die USA wollten jene Macht sein, die Standards für die Weltwirtschaft setzt“. Dem hält der Politwissenschaftler und Diplomat Kishore Mahbubani entgegen, dass sich die gesamte asiatische Welt fragt: „Was ist da los mit dem Westen? Wie kann eine Minderheit von zwölf Prozent der Weltbevölkerung den Rest der Welt bevormunden wollen?“ Umso arroganter und vermessener ist da der Wille der USA, anderen Ländern die eigenen Modelle und Wertvorstellungen überzustülpen.

Und, ach oh Wunder, wollen die USA „Militär nicht mehr für Regimewechsel und den Wiederaufbau von Gesellschaften einsetzen“. Für was aber dann? Seit dem Krieg in Vietnam haben die USA keinen Krieg mehr gewonnen, sonder nur Leid und Tod gebracht. Jetzt soll dann wohl das gesamte Militär mit seinen weltweit über 700 Militärstützpunkten nur für den Fall der Fälle vorgehalten werden. Aber nein, es gibt ja immer wieder massive Kriegsmanöver mit weit aufgeblähtem Drohpotential. Dabei hat die Weltgemeinschaft andere Sorgen um ihren Weiterbestand zu sichern, von den aktuellen Wirtschaftsproblemen ganz zu schweigen.

Unevolution

Da sind Kriegsspielchen aller Art geradezu lächerlich. Und die schon wieder vorgetragene Strategie des America First ist ein alter Zopf und unnötig wie ein Kropf. Der weit überwiegende Teil der Weltbevölkerung pfeift auf eine internationale Ordnung, die nur die Werten und Interessen der USA vorgibt! Die USA waren die erste Nation, die so aus Jux und Dollerei zwei Atombomben auf Japan abgeworfen haben, obwohl der Krieg an sich schon vorbei war. Wie kann man einem solchen Staat in Sachen Frieden überhaupt noch trauen?

Auch für die USA muss gelten: Behandle jeden so, wie Du selbst behandelt werden möchtest. Konfuzius, schon wieder.

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Oben      —           Politische Karikatur von 1898: Die Schwingen des amerikanischen Adlers überspannen „zehntausend Meilen“ von den Philippinen bis Puerto Rico

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Trotzstolz auf Winnetou

Erstellt von DL-Redaktion am 27. August 2022

Nah am Silbersee gebaut

Stellen sich heutige Politiker-innen nicht selber ein geistiges Armutszeugnis aus, sich über Kinderbücher aus vergangenen Zeiten zu ereifern, oder ist das nur eine gefundene Möglichkeit von den eigenen Vergehen und denen ihrer politischen Vorgänger abzulenken? So Zeitvergessen und dämlich können nur Politiker reagieren, welche nicht einmal ihren eigenen Aufgaben nachkommen können. Dabei vermutet ein Jeder, welcher die Bücher gelesen hat, dass der Schreiber Karl May, wohl niemals in seinen Leben ein fremdes Land richtig erlebt hat. Wo wir denn wieder bei den politischen Nullen wären.

Eine Kolumne von Samira El Ouassil

Kritik? Na und! Was treibt Menschen dazu, jetzt erst recht Winnetou zu lesen, SUV zu fahren, heiß zu duschen und Layla zu huldigen? Es ist der Trotzstolz.

Nach zweieinhalb Wochen Funkstille meldet sich Sigmar Gabriel mit etwas ungewohntem Pathos auf Twitter , um zu verkünden, dass er etwas Großes tun werde; ja, er, der alte Transatlantiker, werde seinen Kindern sein Wissen weitergeben, so wie es einst die indigenen Völker Nordamerikas mit ihren Nachkommen taten.

In einem ähnlichen Rhythmus gestand uns Thüringens FDP-Landeschef Thomas Kemmerich vorgestern, ähnlich emotional wie Gabriel, seine Tränen und stimmte auf die Langlebigkeit dieser Literatur ein :

Dank Karl May wissen wir: die indigenen Völker Nordamerikas kannten keinen Schmerz . Aber selbst er konnte nicht ahnen: deutsche Politiker sind nah am Silbersee gebaut. Möglicherweise sind mit der Bedeutung des Namens Winnetou, die bekanntlich »Brennendes Wasser« lautet, genau diese leidenschaftlichen Tränen gemeint. Winnetou gelesen. Geweint. #WinnemeToo.

Bei Gabriel existierten also zweieinhalb Wochen lang keine Impulse, die ihm eine Äußerung zum Weltgeschehen entlocken konnten. Klar, vielleicht lag’s am Sommerloch oder er machte mal Twitter-Urlaub; vielleicht hat er auch einfach kein so großes Interesse daran, wie hart der kommende Herbst für viele Bürger:innen wird, die Gas, Strom oder sonstige Energie beziehen – und ansonsten ist ja außer Krieg und so nicht viel passiert. Doch im Falle des literarischen Erbes von Karl May verspürte er augenscheinlich das Bedürfnis, dessen Œuvre zu verteidigen. Und damit waren er und Kemmerich natürlich nicht allein. Auch z. B. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger gestand, 45 Bücher von May gelesen zu haben. Wobei sie betonte, dass sie dennoch weder Rassistin noch Kolonialistin sei .

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Unten       —     02.05.2018, Berlin: Diskussion: Eröffnungspanel: Die Revolution disst ihre Kinder – alte Linke, neue Rechte und das Internet Speaker: Friedemann Karig, Stefan Niggemeier, Samira El Ouassil, Nils Markwardt. Die re:publica ist eine der weltweit wichtigsten Konferenzen zu den Themen der digitalen Gesellschaft und findet in diesem Jahr vom 02. bis 04. Mai in der STATION-Berlin statt. Foto: Gregor Fischer/re:publica

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KOLUMNE – Der Postprolet

Erstellt von DL-Redaktion am 29. Juli 2022

Krisenmanagement für das Kapital

Kolumne von Volkan Agar

Forderungen nach längeren Arbeitszeiten. „You’ll never walk alone“, verspricht Bundeskanzler Olaf Scholz. Er verschleiert, dass in Deutschland ein knallharter Klassenkampf von oben tobt.

Das Land steuert auf eine soziale Vollkatastrophe zu, und was sagt der Bundeskanzler dazu? „You’ll never walk alone.“ Fußballfans bekommen Gänsehaut, wenn Zehntausende im Anfield-Stadion diesen Satz singen und damit ihr „Wir“ als Liverpool-Fans konstituieren.

Wenn er aus dem Mund von Olaf Scholz kommt, wirkt er hilflos. Und wenn dessen liberale Koalitionäre die Kanzlerversprechen im Schuldenbremsenwahn öffentlich unterlaufen, wird es so peinlich, dass man auch davon Gänsehaut kriegt.

„You’ll ever work alone“ wäre ohnehin ehrlicher. „Wollen wir Menschen nicht lieber wieder mehr verdienen lassen, indem wir etwas länger arbeiten?“, fragt der Ex-SPD-Außenminister und durch diverse Aufsichtsratsposten eng mit der Wirtschaft verbandelte Sigmar Gabriel rhetorisch in der BamS, wo man solche rhetorische Fragen eben stellt.

Wenn wir „unseren Wohlstand“ erhalten wollten, kämen jetzt zehn Jahre auf uns zu, in denen es „anstrengender“ würde als in den letzten. „Kleinteilige Sozialprogramme“ seien da keine „nachhaltige Antwort“.

Nicht vom „Wir“ benebeln lassen

Gerhard und seine Kuckuckseier

Auch wenn sich nicht erschließt, warum hier ausgerechnet Gabriel befragt wird, reiht sich seine Wortmeldung in aktuelle Krisenlösungsvorschläge deutscher Kapitalinteressenvertreter ein, etwa jene von Finanzminister Christian Lindner („Wir sind in einer fragilen Lage. Was wir jetzt brauchen sind (…) mehr Überstunden, um unseren Wohlstand zu sichern“) oder Industrieverbandspräsident Siegfried Russwurm („optionale Erhöhung der Wochenarbeitszeit“, „42-Stunden-Woche“) oder Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger („Dynamisierung des Renteneintrittsalters“).

Es ist kein Zufall, dass fast alle ihre Appelle mit einem „Wir“ formulieren. Die Ansprache verschleiert, dass diejenigen, die angesichts der Krise mehr Arbeit einfordern, für ihren Wohlstand, den sie als Wohlstand aller ausgeben, nie selbst gearbeitet haben. Dass dieser Wohlstand schon immer von jenen erarbeitet wurde, von denen die Profiteure sich jetzt auch noch mehr Überstunden, eine längere Arbeitswoche und eine spätere Rente wünschen.

Quelle        :          TAZ-online           >>>>>       weiterlesen

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Oben     —   Ehemaliger Deutscher Bundeskanzler Gerhard Schröder als Oligarch in Erdöl und Erdgas von russischen Unternehmen Gasprom und Rosneft.

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KOLUMNE * ERNSTHAFT ?

Erstellt von DL-Redaktion am 11. Juni 2022

Eine Rentnerin sucht ihren Weg

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Von Ulrike Winkelmann

Diese Woche tauchte eine neue politische Figur in Berlin auf, ein halbes Jahr war sie mit Spannung erwartet worden: die Ex-Bundeskanzlerin.

An Angela Merkel als Kanzlerin können sich die meisten vermutlich noch erinnern. Aber wie sie als Ex-Kanzlerin aufträte, das blieb bisher der informierten Merkel-Spekulation überlassen – ein Genre, das in ihrer letzten Amtsphase noch einmal aufblühte, als Merkels Vermächtnis, ihr Bild in den Geschichtsbüchern, ihr politisches Nachglühen verhandelt wurden. Seit vergangenem Dienstag, dem Abend, an dem die Ex-Kanzlerin im Berliner Ensemble vom Spiegel-Reporter Alexander Osang mehr bequatscht als befragt wurde, wissen wir mehr.

Die Latte lag tief. Zum Vergleich: Als Gerhard Schröder abgetreten war, stieg er bei Gazprom ein, redete der Großen Koalition in die Nahostpolitik hinein, wurde in den BND-Untersuchungsausschuss geladen und prozessierte dagegen, dass er im Urlaub fotografiert worden war. Helmut Kohl wurde nach seinem Abgang umgehend von der CDU-Spendenaffäre verfolgt. Und Helmut Schmidt war ein schrecklich arroganter Besserwisser, der sich über Jahrzehnte von der Zeit als Kultfigur verkaufen ließ. Wenn eine Ex-Kanzlerin einfach erst einmal an die Ostsee fährt, wegen der Ruhe, und nach Italien, wegen der Kunstschätze, darf die deutsche Öffentlichkeit also erleichtert sein.

Sie suche ihre Rolle, ihren „Weg“ als Bundeskanzlerin a. D. noch, gab Merkel offen zu. „Ein bisschen was fürs Land“ wolle sie schon noch tun. Doch es zeigte sich – auch in den Reaktionen auf ihren Auftritt: Angesichts der aktuellen Umstände reicht es nicht, unkorrupt, unpeinlich und unverbohrt zu sein. Der Krieg in der Ukraine wirft ohnehin mehr Fragen auf, als an einem Abend auf einer Theaterbühne zu beantworten wären. Merkels rhetorisches Strickmuster, „Ich habe alles getan, und ansonsten waren andere Kräfte am Werk“, bedeckt jedoch die Blöße nicht, die das demokratische Europa angesichts der russischen Aggression zeigt.

Ulrike Winkelmann - Zukunft des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks (34715387826).jpg

„Ich mache mir jetzt keine Vorwürfe“, sagte Merkel, erste Person Singular. Die Probleme dagegen finden bei ihr in der dritten Person statt: „Es ist nicht gelungen, eine Sicherheitsarchitektur zu schaffen, die dieses hier hätte verhindern können. Darüber muss man schon nachdenken, aber das werden Historiker dann noch tun.“ Sie jedenfalls nicht, scheint’s.

Quelle       :          TAZ-online            >>>>>         weiterlesen 

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Oben     —    Plakat „Doppelleben – Der Film“

Verfasser      :    DWolfsperger     /     Quelle     :     Eigene Arbeit       /        Datum    :    1. August 2012

Diese Datei ist lizenziert unter der Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenz.

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Unten       —       Ulrike Winkelmann. Foto: SeeSaw /Sophia Lukasch www.seewsaw-foto.com Veranstaltung „Öffentlich-rechtliche Medien im (digitalen) Wandel“ der Heinrich-Böll-Stiftung Berlin

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Erinnern braucht Dialog

Erstellt von DL-Redaktion am 11. Mai 2022

Der 9. Mai-Erinnerungskultur in Russland

Historische totalitäre Führer koloriert.jpg

Von Stefan Reinecke

Das Feindbild Stalin verdrängt den rassistischen Kern des NS-Kriegs im Osten. Eine Replik auf die Thesen der „Nowaja Gaseta“-Autorin Julia Latynina.

Der Überfall auf die Ukraine hat gezeigt: Der Versuch, Putin mit Handel und Diplomatie einzuhegen, ist gescheitert. Der allzu freundliche deutsche Blick auf Moskau hatte auch etwas mit einem historischen Schuldbewusstsein gegenüber Russland zu tun. Nirgends war der NS-Vernichtungskrieg so grausam wie in der Sowjetunion, deren Rechtsnachfolger Russland ist. Den national getönten Erinnerungsinszenierungen von Kiew bis Warschau schaute man im Westen indes mit einer Mischung aus Ratlosigkeit und Desinteresse zu.

Müssen wir die Geschichte, die Begriffe neu bewerten? In Teilen, ja. In Putins Russland ist „Antifaschismus“ zum Teil einer orwellschen Gehirnwäsche geworden, eines monströsen Lügengebäudes, womit das Regime neben nackter Repression das Volk bei der Stange hält. Kritik am Hitler-Stalin-Pakt 1939 ist tabuisiert. Krieg heißt jetzt Spezialoperation, Hitler war Jude. Und „Nazi“ ist zu einer beliebig verwendbaren Metapher für alles Kritische, Demokratieverdächtige geworden.

Diese manipulative Herrschaftsgeschichte erinnert an Fotografien aus der Stalinzeit, in denen von in Ungnade Gefallenen nur noch ein Schatten oder bei der Retusche vergessene Schuhe an Lenins Seite übrig blieben. Die Fake-Geschichte wurde zu einer Retro-Verlängerung der Stalin-Herrschaft. Unter Putin dient die roh umgeformte sowjetische Opfer- und Siegesgeschichte dazu, einen Angriffskrieg zu rechtfertigen.

Die russische Autorin Julia Latynina hat kürzlich in der Nowaja Gaseta geschrieben, die der taz beigelegt wurde: „Die tatsächliche Geschichte des Zweiten Weltkrieges ist, dass Stalin diesen Krieg geplant hatte, der die ganze Welt erfassen und erst enden sollte, wenn auch noch die letzte argentinische Sowjetrepublik ein Teil der UdSSR geworden sein würde. Er hatte diesen Krieg geplant – lange bevor Hitler an die Macht kam.“

Ist das eine originelle These, die wir erwägen sollten, im Bewusstsein, dass seit dem 24. Februar gründliche Selbstüberprüfung nötig ist? Unbequem, aber bedenkenswert? Keineswegs.

Die Idee, dass Stalin Ende der Zwanziger Jahre einen Weltkrieg geplant haben soll, spiegelt eher halbdunkel Stalins Größenwahn wider. Zudem siedelt diese These nah an der Propagandalüge, dass Hitler 1941 einen Präventivkrieg gegen Stalin geführt habe. Diese von deutschen Rechtsextremisten gepflegte Lüge dient einem leicht durchschaubaren Zweck: Hitlers Verbrechen werden verkleinert, die Rolle des Menschheitsfeindes wird dem Bolschewismus übergestülpt.

Erinnerungspolitisch ist Europa gespalten. Das führt Latyninas greller Antistalinismus vor Augen

So erscheint Hitler, wie ihn die NS-Propaganda zeigte: als Verteidiger Europas abendländischer Kultur gegen den asiatischen Despotismus. Moskau wolle „Europa bolschewisieren“, schrieb Goebbels 1941 in sein Tagebuch. Dem komme man nun zuvor. Es geht hier nicht um ein Detail der Weltkriegsgeschichte, sondern um NS-Propaganda.

Die Idee, dass Stalin das Copyright auf politische Verbrechen des 20. Jahrhunderts hat, ist nicht neu. Ernst Nolte war 1986 der Ansicht, dass nicht der Nationalsozialismus, sondern der Bolschewismus eigentlicher Treiber der entgrenzten Gewalt war, die in den Zweiten Weltkrieg führte. Der Archipel Gulag sei der Vorgänger von Auschwitz gewesen, der mörderische Klassenkampf der Bolschewiki die Blaupause der NS-Rassenmorde. Der russische Publizist mit dem Pseudonym Viktor Suvorov vertritt die Präventivkriegsthese. Seine Bücher erscheinen auf Deutsch in einem Verlag, der auch Werke wie „Freiwillig in die Waffen-SS“ verlegt.

Diese drei Ideen – Stalin hat den Zweiten Weltkrieg geplant, Hitlers Krieg war ein Präventivschlag und die Nazi-Gewalt hat die der Bolschewki nur imitiert – ergeben zusammen einen ziemlich hässlichen Strauß. Sie verschleiern allesamt den Wesenskern des NS-Krieges im Osten. Die „slawischen Untermenschen“, von Polen über Ukrainer bis zu den Russen, sollten versklavt und zu Dienstvölkern der „Herrenrasse“ werden, nachdem man etliche Millionen hatte verhungern lassen. Diese rassistische Essenz des NS-Regimes wollte Nolte in der Historikerdebatte in den Hintergrund verbannen, um den Weg zu einer selbstbewussten Nation zu ebnen.

Quelle          :       TAZ-online         >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —     Kolorierte Version von Datei:Historical_totalitarian_leaders.jpg Collage der angeklagten totalitären Führer (jede Reihe – von links nach rechts) Joseph Stalin, Adolf Hitler, Mao Zedong, Benito Mussolini und Kim Il-sung. Individuelle Bilder: Datei:JStalin Secretary general CCCP 1942.jpg Datei:Adolf Hitler beschnitten 2.jpg Datei:Mao Zedong 1959 (beschnitten).jpg Datei:Benito Mussolini Porträt als Diktator (retuschiert).jpg Datei:Kim Il-sung 1950.jpg

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OFFENER BRIEF – O. Scholz

Erstellt von DL-Redaktion am 7. Mai 2022

Bitte unterlassen  sie eine Fernsehansprache am 8. Mai 2022
– DAS IST NUR NOCH PEINLICH –

2021.08.21 Olaf Scholz 0286.jpg

OFFENER BRIEF AN DEN HERRN BUNDESKANZLER DEUTSCHLANDS, OLAF SCHOLZ (SPD) von Stefan Weinert

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Olaf Scholz,

Sie haben über die Medien ankündigen lassen, dass Sie am Sonntag, 8. Mai 2022, eine Fernsehansprache zu den Themen „Befreiung Deutschlands vom Faschismus vor 77 Jahren“ und dem derzeitigen „Ukrainekrieg 2022“ halten wollen.

Sehr wohl habe ich, wie auch Millionen andere deutsche Bürger/innen verfolgt, wie Sie seit 72 Tagen – und jüngst auch ihr Generalsekretär Kevin Kühnert – in der Kriegscausa „Putin versus Ukraine/Europa“ vor den laufenden Kameras von ARD, ZDF, PHOENIX, RTL und anderen Sendern, Ihr(e) Narrativ(e) vom hilfsbereiten, entschlossenen, solidarischen und Risiko bereiten Deutschland in peinlicher Weise zum Fremdschämen verbreiten. Noch peinlicher und verlogener wird es, wenn Sie sich in allen Medien selbst als entsprechender Kanzler Deutschlands präsentieren und von Ihrem Generalsekretär verkaufen lassen. Als das wiederholt in dieser Woche bei „Markus Lanz“ geschah, musste ich den „roten Knopf“ drücken. Einfach nur peinlich.
Da ich nicht davon ausgehen kann, dass Sie am 8. Mai 2022 eine ehrliche und den Fakten entsprechende Rede halten werden, die Ihren Schlingerkurs glaubhaft (!) erklärt, Ihre Taktiererei und Unsicherheit in Krisenzeiten betont, Ihren derzeitigen Status Quo (nun doch schwere Haubitzen u.a. angesichts eines Atomkrieges) plausibel macht und von einer Entschuldigung gegenüber der Ukraine und uns Bürger/innen geprägt ist, sollten Sie von einer Ansprache an das Volk absehen.
Entsprechendes gilt auch für das eigentliche Generalthema diese „Gedenktages“, der ‚Befreiung Deutschlands von einem faschistischen Regime‘ durch die Alliierten. Deutschland, die BRD bis 1990 und die BRD nach 1990, ist aber keinesfalls vom „Faschismus“ selbst befreit. Im Gegenteil. Von Beginn an bis heute, waren und sind Alt- und Neonazis in deutschen Behörden und überhaupt in der Gesellschaft tätig und versprühen ihr braunes Gift. Noch vor einem halben Jahr haben über zehn Prozent der an der Bundestagswahl teilnehmenden Bürger/innen die AfD gewählt. Am 8.Mai 2022 sind auch Landtagswahlen in Schleswig-Holstein (wo ich aufgewachsen bin). Vor fünf Jahren erreichte die AfD dort 5,9 Prozent. Am Sonntag darauf wird in NRW (SPD-Hochburg war mal) gewählt, wo die AfD 2017 immerhin 7,4 Prozent erhielt. Auch deren Protestwähler ebnen dem deutschen Faschismus den Weg. Leider aber ist das nur die Spitze des „braunen Berges“, wie ich es in meinem sozialen Umfeld erleben muss. Auch Wähler/innen anderer Parteien haben antisemitische und Flüchtlings-Sprüche drauf!
Deshalb noch einmal meine höfliche aber bestimmte Bitte an Sie: Verschonen Sie uns am 8. Mai 2022 mit Ihrer Schönrederei und Verdrehung der Tatsachen (!). In diesem Falle wäre Ihr Schweigen wirklich Gold! Danke!
 
Mit Respekt und Freundlichkeit:   Stefan Weinert, Ravensburg
Theologe, Konflikt – und Case Manager – Flüchtlingssozialarbeiter i.R.

 

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Grafikquellen          :

Oben       —        (Der Arm von) Olaf Scholz, Politiker (SPD) – Zur Zeit Vizekanzler und Bundesminister der Finanzen der Bundesrepublik Deutschland. Außerdem ist er Kanzlerkandidat der SPD für die Bundestagswahl 2021. Hier während einer SPD-Wahlkampfveranstaltung im August 2021 in München. Titel des Werks: „Olaf Scholz – August 2021 (Wahlkampf)“

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Zum „Tag der Befreiung“

Erstellt von DL-Redaktion am 8. April 2022

Der 08. Mai als bundesweiter Feiertag!

Eine sehr fragwürdige Ehre für ehemalige Nazi Mörder –
nach einen
mit verursachten, und dann verlorenen Krieg 

Von Jimmy Bulanik

Der 08. Mai nähert sich erneut. Die Menschen welche den zweiten Weltkrieg überlebt haben sind faktisch ausgestorben. Ungeachtet dessen auf welcher Seite wer gewesen ist.

Die Gesellschaft ist reif dafür das der 08. Mai zu einem bundesweit ein öffentlich anerkannter Feiertag werden wird. Die jüngere Generation in der europäischen Gesellschaft haben dahingehend keine Komplexe.

Ein 08. Mai als ein bundesweiter Feiertag ist eine Gelegenheit für eine aufrichtige Anerkennung und des Gedenkens. Dies ist dem öffentlichen Ansehen der Bundesrepublik Deutschland zuträglich. Ob innerhalb der Europäischen Union oder in Übersee.

An solch einem Tag können die alle Menschen ob jung oder höher betagter sich gegenseitig begegnen und gemeinsam zu Gedenken. Das Thema ist zeitlos geblieben. Die Gefahr von Rechts muss mit allen legalen Mitteln entschlossen bekämpft werden.

Der Frieden wurde erkämpft basierend auf einem Krieg welcher niemals schläft. – Lied van de vrijheid

In Anbetracht einer Partei welche bundesweit aus allen Verfassungsorganen gewählt werden muss, bleibt es zeitlos das die demokratische Zivilgesellschaft sich für sein Wertegerüst einsetzt. Die Vorteile einer Freiheit muss verteidigt werden. Dies ist ein Teil einer wehrhaften Demokratie.

Eine öffentlich bekannte Dame welche sich für den 08. Mai als bundesweit gesetzlicher Feiertag ausgesprochen hat, war Esther Bejarano. Sie selber als eine überlebende des zweiten Weltkrieges hat dies Ziel selber nicht erreicht. Gleichwohl ist es das Streben einer gesamten demokratischen Zivilgesellschaft das symbolisch wie für Esther Bejarano und mehr noch für uns selber und unsere Nachkommen dieses Ziel gesetzlich bewerkstelligt werden wird.

Dies dürfen alle frei von Kosten dem amtierenden Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Olaf Scholz einfordern. Gewiss gibt es MdB‘s und MdL in dem demokratischen Parteien wie das Bündnis 90 / Die Grünen, SPD, Die Linke, vielleicht auch bei der FDP, CSU, CDU bei denen das Thema in guten Händen ist. Mit Ausnahme der Partei mit der Farbe der politischen Trunkenbolde.

Wir die jetzt jung, motiviert sind bewerkstelligen dies für die jungen Menschen welche in der Zukunft geboren werden. Diese werden eine Verantwortung tragen. Dabei können wir den zukünftigen Generationen von jungen Europäerinnen und Europäer so weit als möglich die Arbeit im Vorfeld erleichtern.

Nützliche Links im Internet:

Boykottone – 08. Mai „Tag der Befreiung“

www.youtube.com/watch?v=jsHXaiGW27o

Bundeskanzleramt

www.bundeskanzler.de/bk-de/service/kontakt/kontakt-formular

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Grafikquellen      :

Oben       — Generaloberst Jodl, von Reichspräsident Dönitz dazu autorisiert, unterzeichnet am 7. Mai 1945 im Hauptquartier der Alliierten in Reims die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht

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Deutsche und die Ukraine

Erstellt von DL-Redaktion am 23. März 2022

Hört auf mit dem Kapitulationsgerede!

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Wurde die Deutsche Demokratie nicht auf den Schrotthaufen eines Krieges gebaut ?

Ein Zwischenruf von Christian Neef

Nicht einmal Russlands brutaler Angriffskrieg bringt deutsche Putin-Versteher zur Räson: Sie glauben immer noch, man hätte mehr reden sollen – und fordern die Ukraine auf, sich zu ergeben. Das ist absurd.

 

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Linkes Nichtwissen wollen

Erstellt von DL-Redaktion am 21. März 2022

Linke Putin-Versteher-Innen

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Von   :  Barbara Kerneck

Die Vorfahren unserer Autorin wurden als Sozialdemokraten von den Nazis verfolgt. Für linke Apologeten des Putin-Regimes hat sie kein Verständnis.

Als „CIA-Agentin“ beschimpft wurde ich zum ersten Mal 2016 vom Hausherren einer Berliner Geburtstagsparty, deren Gäste die Partei Die Linke sympathisch fanden. Auf seine Frage, ob sich „Russland“ durch die Nato-Osterweiterung nicht bedroht fühlen müsse, hatte ich geantwortet: „Nein, Putin will sowieso Krieg.“

Dieser Hausherr erklärte gern: „Ich habe eine besondere Beziehung zu Russland – mein Vater war nämlich Kommunist.“ Nun verwechselte ich zwar nie Russland mit Putins Regime, aber meine Vorfahren waren auch links. Zu einer Zeit, als dies Konsequenzen hatte. Da war mein Großvater Otto, Glasarbeiter in Jena, erst in der USPD, später linker Sozialdemokrat. Als solcher landete er im „Dritten Reich“ für einige Jahre im KZ Sachsenburg. Er überlebte.

Mein Vater absolvierte ein Sportgymnasium. Derart trainiert, lieferten er und seine sozialdemokratischen Freunde sich nach dem Abitur Saalschlachten mit Nazis. Nach Hitlers Machtergreifung verhaftete man ihn mehrmals. Er jobbte und wechselte möglichst oft seinen Aufenthaltsort. Diesem Dasein setzte erst der Einberufungsbefehl ein Ende. An der Front rechnete er sich größere Überlebenschancen aus als in einem KZ.

„Glaube nie, wenn dir ältere Leute erzählen, sie hätten von den KZ nichts gewusst. Natürlich – das Ausmaß und die Zahlen, das nicht. Aber wer von ihrer Existenz nichts wusste, der wollte einfach nichts wissen“, schärften mir meine Eltern ein. Sie erkannten einen Faschisten, wenn sie ihm begegneten. Putin hätten sie sofort identifiziert. Schon 1993 bezeichnete der vor deutschen Geschäftsleuten den chilenischen General Pinochet als Vorbild, wenn es darum gehe, durch Gewalt das Privateigentum zu schützen. Bis heute hat er dabei vor allem sein eigenes im Auge.

Wenn er die Ukraine als faschistischen Staat verleumdet und ein „Entnazifizierungsprogramm“ fordert, vergisst Putin den großen Satiriker Nikolai Gogol. In der Ukraine geboren und in Russland zweisprachig publizierend, setzte der seiner Korruptionskomödie „Der Revisor“ (1836) ein in beiden Ländern bekanntes Sprichwort voran: „Schimpf nicht auf den Spiegel, wenn er dir eine schiefe Fratze zeigt!“

Lippenbekenntnis zur Demokratie

Dass Putin neue Kriege anstrebt, diesen Verdacht schöpfte ich schon 2003 bei den Recherchen zu meinem Buch „Russlands Blick auf Nato und EU“. Etwa bei einer in Zeitungen gedruckten Rede vor Geheimdienstkolleg-innen. Bei aller Anbiederung im Ausland blieb in diesen Kreisen der Westen das Böse und die Nato der Feind. Vom Kreml geförderte ultrarechte Parteien entwarfen damals öffentlich die später realisierten Drehbücher für die Kämpfe in Georgien und auf der Krim.

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In allen Parteien wuchsen schon immer den Schmeißfliegen die größten Flügel!

Zum Präsidenten gewählt wurde Putin 2000 auf den Flügeln einer von ihm entfachten Kriegshysterie gegen ein kleines, stolzes Volk innerhalb der Russischen Föderation. Der brutale Zweite Tschetschenienkrieg war die Blaupause für den heutigen in der Ukraine und dauerte schon zwei Jahre, als die Abgeordneten im Deutschen Bundestag Putin im Jahre 2001 mit Standing Ovations empfingen. Er lieferte dort ein Lippenbekenntnis zur Demokratie ab. Manche Linke und SPDler entblöden sich bis heute nicht, diesen Moment als „verpasste Chance für Deutschland“ zu bezeichnen.

Eine herbe Enttäuschung für meinen Vater war 1938 das Münchner Abkommen gewesen, als das Vereinigte Königreich, Italien und Frankreich das bis dato tschechoslowakische Sudetenland Nazideutschland zugeschustert hatten, um unseren Tyrannen von einem großen Krieg abzuhalten. Wir kennen den Erfolg. Dank ähnlicher Hoffnungen hielt sich Europa zurück, als das Putin-Regime vor acht Jahren die Ukraine überfiel.

Unmittelbar nach der Krim-Annexion sprach ich den ehemaligen SPD-Vorsitzenden Matthias Platzeck im Foyer des Deutsch-Russischen Forums an: „Sie begeben sich in sehr gefährliche Gesellschaft!“ Er lächelte: „Ich glaube, Sie übertreiben ein wenig!“ Unter seinem Vorsitz verwandelte sich dieser vorwiegend aus Politik- und Wirtschaftsvertretern gebildete Verein in ein Werbeforum für Putins Clique.

Quelle      :           TAZ-online          >>>>>        weiterlesen

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Oben     —   Putin ist mörderisch.

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Ukraine Krieg ist Krieg.

Erstellt von DL-Redaktion am 26. Februar 2022

Krieg ist Krieg. Es gibt nichts Schlimmeres!

Trümmer in der Ostukraine, Februar 2022.png

Quelle      :        INFOsperber CH.

Christian Müller /   

Wo geschossen wird, entsteht immer menschliches Elend. Der Angriff auf die Ukraine hätte verhindert werden können – und müssen.

Zur kurzen Erinnerung: Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 wurde der Warschauer Pakt aufgelöst und die Sowjets bzw. dann die russischen Truppen wurden aus Ostdeutschland vollständig abgezogen. Die NATO aber blieb bestehen und die USA unterhalten in Deutschland bis heute bestausgerüstete Militärbasen inkl. modernster Atombomben. 1991 herrschte unter den politischen Führungsleuten von Deutschland, Russland, Grossbritannien und den USA Konsens, dass die NATO nicht nach Osten erweitert werden darf.

Die Entwicklung nach 1991 verlief dann sehr einseitig. Die NATO blieb nicht nur erhalten, sie wurde sogar nach Osten erweitert, an einigen Stellen, etwa in den baltischen Staaten, bis an die Grenzen Russlands. Die NATO baute dort neue militärische Basen auf und führte, vor allem in den letzten Jahren, gigantische Manöver durch, inklusive Soldaten und Panzer aus den USA. Truppen aus westlichen Ländern auf fremdem Boden! All das sollte Russland das Fürchten lehren – und es tat es das auch.

Im Dezember 2021 verlangte deshalb Russland von den USA und von der NATO Sicherheitsgarantien und den Stopp der NATO-Osterweiterung. Sowohl die USA wie auch die NATO lehnten diese Forderungen mündlich und schliesslich auch schriftlich vollständig ab und – das ist enorm wichtig! – sie verstärkten sogar ihre Lieferungen von Waffen an die Ukraine massiv und entsandten zusätzliche Truppen in osteuropäische Länder. Und dies, obwohl in den Forderungen von Russland klar geschrieben stand, Russland werde sonst eine «militär-technische» Antwort geben müssen.

Für den aufmerksamen Beobachter ist der gestrige Angriff Russlands auf die Ukraine deshalb keine totale Überraschung. Der Bürgerkrieg im Donbass dauerte nun schon acht Jahre, länger als der Zweite Weltkrieg! Sieben Jahre lang hoffte auch Russland, dass die ukrainische Regierung die von ihr (noch unter Poroschenko) unterschriebenen Vereinbarungen von Minsk II angehen würde. Aber es gab keine Anzeichen aus Kiev zur Bereitschaft, schon nur mit den Separatisten im Donbass ins Gespräch zu kommen. Als der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seiner Wiederwahlrede am 13. Februar 2022 – in hässlicher Verleugnung seiner früheren Aktivitäten auf dem Euromaidan 2014 und bei den Minsk II-Vereinbarungen – sagte, an der jetzigen Krise sei Russland alleinverantwortlich, erhielt er aus der Versammlung der Abgeordneten tosenden Beifall. Dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj wurde an der Münchner Sicherheitskonferenz ebenfalls tosender Beifall gespendet. Viele, fast alle westlichen Medien hetzten gegen Russland. Einzig der französische Präsident Emmanuel Macron versuchte – in bewährter Fortsetzung der Politik von Charles de Gaulle, der vor dem Allein-Weltbeherrschungs-Anspruch der USA immer gewarnt hatte – mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ernsthaft ins Gespräch zu kommen.

Man kann den Angriff Russlands auf die Ukraine nicht gutheissen – wer täte das schon, er ist grauenhaft –, aber erstaunt darf man nicht sein, wenn Putin nun – zum Leidwesen von Millionen von Menschen – die Nerven verloren und die Reissleine gezogen hat.

Последствия удара ракеты по Голосеевскому району киева (2).jpg

Die Reaktionen der westlichen Regierungen und der meisten westlichen Medien auf den Angriff erstaunen ebenfalls nicht. Mit ihrer Hetze gegen Russland insbesondere in den letzten Monaten, Wochen und Tagen haben sie – wie von mir prognostiziert – dafür gesorgt, dass an der jetzigen Situation, an diesem Krieg in der Ukraine, Russland allein die Schuld zugeschrieben wird. Es wird auch hier, wie damals in Georgien, Monate oder Jahre dauern, bis man einigermassen klar sieht, wie die letzten Tage im Donbass abgelaufen sind, wer mit grossem Kaliber zu schiessen begonnen hat.

Es ist eine unermessliche Tragödie, dass Putin sich von den westlichen Mächten und Medien hat provozieren lassen. Im Moment kann man nur hoffen, dass die Zahl der zivilen Kriegsopfer verhältnismässig klein bleibt. Die Offerte Russlands, die Ukraine in Ruhe zu lassen, wenn sie sich zum neutralen Staat erklärt, sollte immerhin ernst genommen werden.

Krieg ist Krieg. Es gibt nichts Schlimmeres.

Weiterführende Informationen

FREIE NUTZUNGSRECHTE

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Oben      —   Wrack in der Ostukraine, Februar 2022

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Teils problematische Welle

Erstellt von DL-Redaktion am 9. Februar 2022

Interne Konflikte bei Deutscher Welle

Von Peter Weissenburger und Erica Zingher

Antisemitismus bei der Deutschen Welle? Ein Bericht spricht lediglich von Einzelfällen. Ein Problem hat der Sender trotzdem.

Es bewegt sich etwas bei der Deutschen Welle. Der Auslandssender trennt sich von fünf Personen aus dem Umfeld der arabischen Sprachredaktion und der Deutsche Welle Akademie – wegen antisemitischer Aussagen. Das teilte Intendant Peter Limbourg am Montag mit, bei der Vorstellung eines Untersuchungsberichts zu Antisemitismus beim Sender.

Mit acht weiteren Personen, denen antisemitische Äußerungen „unterschiedlicher Intensität“ nachgewiesen wurden, wird das interne Gespräch gesucht. Der Leiter der arabischen Redaktion gibt auf eigenen Wunsch seinen Posten auf. Merkliche personelle Konsequenzen also im Antisemitismusskandal bei dem steuerfinanzierten Sender – wenngleich nur am unteren Ende und im mittleren Management.

Die Deutsche Welle, tradi­tio­nell Medium für die bundesdeutsche Perspektive im Ausland, ist gerade zeitgleich im Zentrum von zwei politischen Konflikten. Den Konflikt um die Schließung ihres Büros in Moskau durch die russische Regierung, in dem ihr viel Sympathie zuteilwird. Und der innere Konflikt um die israelfeindlichen Äußerungen und Holocaustleugnung einiger Beschäftigter – an dem zu zerbrechen die Welle offenbar eben noch mal verhindert hat.

Was den Russland-Konflikt angeht, ist die Sache recht klar. Das DW-Büro in Moskau musste schließen, nachdem deutsche Medienanstalten dem russischen Auslandssender RT DE das Senden via Satellit und Kabel in Deutschland untersagt hatten. Die russische Regierung begreift ihr Verhalten als „Vergeltungsmaßnahme“.

Eingeschränkte Pressefreiheit in Russland

Es handelt sich aber nicht um Aktion – Reaktion, wie die Lesart des Kreml nahelegt. RT DE wird in Deutschland zwar vorerst am Senden via Satellit und Kabel gehindert, nicht aber am Arbeiten. RT DE sendet wie gewohnt im Netz, seine Redaktion kann frei recherchieren. Und das, obwohl RT sich ganz unverblümt als „Informationswaffe“ begreift, wie RT-Chefin Margarita Simonjan 2012 der Zeitung Kommersant sagte.

Dazu kommt, dass Russland schon lange keine Steilvorlage aus Deutschland mehr braucht, um Pressefreiheit einzuschränken. Jour­na­lis­t:in­nen und unabhängigen Medien wird die Arbeit erschwert, indem sie etwa zu „ausländischen Agenten“ erklärt werden. Kor­re­spon­den­t:in­nen arbeiten in dem Wissen, dass jeder Tag der letzte im Land sein könnte.

Was den Russland-Konflikt angeht, kann Deutsche-Welle-Intendant Peter Limbourg also auf die Bedeutung freier Presse pochen und ansonsten auf anstehende Gespräche verweisen: Moskau-Studioleiter Juri Rescheto mit der russischen Regierungssprecherin am Mittwoch; Kanzler Scholz mit Präsident Putin kommende Woche.

Anders die Sache mit dem Antisemitismus. Hier muss der Intendant sich zerknirscht zeigen, Besserung loben und erklären, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Zwei von drei dieser Dinge hat er am Montagabend ganz gut hingekriegt.

Antisemitische Äußerungen in Arabischen Redaktionen

Drei externe Personen hatten die Deutsche Welle, vielmehr den arabischsprachigen Zweig des Senders von Mitte Dezember bis Ende Januar auf strukturellen Antisemitismus untersucht: die ehemalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, der Psychologe Ahmad Mansour und die Politikberaterin und Expertin für Extremismusprävention, Beatrice Mansour.

Die drei sprachen bei der Vorstellung des Berichts am Montag die Deutsche Welle einerseits frei von „strukturellem Antisemitismus“, legten andererseits vieles offen, was beim Sender im Argen liegt. Und gaben Empfehlungen, die einfacher klingen, als sie sind.

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Seit Herbst 2021 konfrontierten Medienberichte die Welle wiederholt mit antisemitischen Äußerungen von Mit­ar­bei­te­r*in­nen in der arabischsprachigen Redaktion, von Partnermedien im arabischen Raum und bei der Deutsche Welle Akademie, erst vor wenigen Tagen legte die Welt Fälle offen.

Der externe Untersuchungsbericht von Leutheusser-Schnarrenberger und den Mansours bestätigt nun in mehreren Fällen „klassische antisemitische Muster bis hin zu Holocaustleugnung“ – dazu gehören neben den bereits aufgedeckten Fällen acht weitere Personen, auf die man durch die Untersuchung aufmerksam wurde.

Der Bericht unterscheidet dabei deutlich zwischen Kritik am politischen Handeln der israelischen Regierung und Antisemitismus im Sinne von Aberkennen des Existenzrechts Israels, Holocaustleugnung sowie Antisemitismus gemäß der Arbeitsdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance.

Quelle     :          TAZ-online            >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     — Peter Limbourg (2015)

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Unten      —   v.l.n.r.: Tsolmon Bolor (Botschafter der Mongolei), Günter Nooke (Afrikabeauftragter des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Lundeg Purevsuren (Außenminister der Mongolei), Jan F. Kallmorgen (Partner, Global Practice, Interel und Mitbegründer Atlantic Initiative, Deutschland), Peter Limbourg (Generaldirektor, Deutsche Welle, Deutschland) und Dr. Amrita Cheema (Moderatorin und Journalistin, DW, Deutschland) © DW/M. Magunia

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Ein Kreislauf Szenario

Erstellt von DL-Redaktion am 8. Februar 2022

Der Nahverkehr im Öffentlich –  Ländlichen Raum

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Von: Jimmy Bulanik

Die Menschen welche im ländlichen Raum leben, haben ein schlechtes Angebot respektive des ÖPNV. Wie der Busverkehr. Politische Funktionäre wie Mitglied des Bundestages, Mitglied des Landtages vermitteln auf schriftlicher Anfrage das sie sich nicht um die operativen Entscheidungen im jeweiligen Rathaus intervenieren. Das bedeutet sofern die Mehrheit der Bürgerin und Bürger eine Kandidatin, einen Kandidaten der CDU gewählt haben, diese Person sich dazu entscheidet die Wählerschaft der Autofahrerinnen und Autofahrer in den Fokus zu nehmen.

Menschen welche einen öffentlichen Verkehr brauchen per Räson vernachlässigen. In solch einem Szenario ist es möglich das die betroffenen Bürgerinnen und Bürger dazu entscheiden, ihren Lebensmittelpunkt dorthin zu verlagern, wo die öffentliche Infrastruktur besser ist. Das urbane Gebiet kommt dabei in Betracht.

Das kann dazu führen das die Bürgerinnen und Bürger in der Zukunft erst recht ignorante, politische Kandidaten wählen können. Somit der Kommune helfen weiter Geld zu sparen. Wie für einen Spielplatz, einen Kindergarten, mehrere Schulformen, Sportplätze.

Eine Konsequenz wird sein, das dort das Durchschnittsalter erhöht. Die jüngeren Menschen könnten mit einer Sozialisierung im urbanen Gebiet dann Berufe ergreifen wie Physiotherapeut, Facharzt für Orthopädie. Als Fachkräfte obliegt es ihrer Souveränität zu entscheiden ob sie sich im urbanen Gebiet wohnlich niederlassen, die Menschen vor Ort ihre Dienstleistung zu Gute kommen lassen wo man zu ihnen als jüngere Menschen im Alter von Kindergarten, Schule, Berufsausbildung, Studium offen gewesen ist.

Eine best mögliche Wahlbeteiligung mündet konkret in die Lebensqualität der Menschen

Auch bei Wahlergebnissen kann dies Auswirkungen haben. Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im ländlichen Raum haben sich nicht alleine in das Amt gewählt. Dann können die älteren Menschen weiterhin die Kandidatin, den Kandidaten wählen welche ihnen gegenüber wohlgesonnen sind.

Bushaltestelle B 97 Abzweig Bühlow.png

Die Menschen im urbanen Raum eher andere politische Parteien wählen. Vielleicht solche welche sich für die gesellschaftlichen Fortschritt verdient gemacht haben. Sei es in der Verkehrspolitik, Energiewende, ökologische Landwirtschaft und weiteren gesellschaftlichen Themen.

Die Politik in den urbanen Gebieten sind gut beraten sich darum zu kümmern das so zeitnah als möglich die Quantität an bezahlbaren Wohnraum gesteigert wird, um solche Fachkräfte zu halten. Denn diese Menschen genießen in den Ländern der Europäischen Union die Freizügigkeit. Des einen Freud, ist des anderen Leid.

Wünschenswert ist es das die Bürgerinnen und Bürger politische Kandidatinnen und Kandidaten wählen welche sich für alle Segmente der Gesellschaft in der Wirklichkeit einsetzen. Dazu können die Bürgerinnen und Bürger eigene Entscheidungen treffen. Am Ende bekommen nach den Wahlen die Bürgerinnen und Bürger das was sie gewählt und verdient haben.

Jimmy Bulanik

Nützlicher Link im Internet:

Bob Dylan – The Times Are A – Changing

www.youtube.com/watch?v=90WD_ats6eE

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Grafikquellen          :

Oben     —    Arriva / Norddeutsche Eisenbahngesellschaft (NEG): Der Arriva-LINT 41 AR 1016 hält am 7. Juli 2020 im Bahnhof Niebüll (DB).

© The copyright holder of this file, Kurt Rasmussen, allows anyone to use it for any purpose, provided that the copyright holder is properly attributed. Redistribution, derivative work, commercial use, and all other use is permitted.
Attribution: Kurt Rasmussen

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Unten     —         Bushaltestelle „Bühlow, B97 Abzweig nach Bühlow“, die südlichste (18 km zum Stadtzentrum) Nahverkehrshaltestelle im Tarifgebiet Cottbus C. Es liegt an der Kreuzung der Autobahn B97 und der Landstraße L52 und damit etwa 1,5 km vom gleichnamigen Dorf entfernt.

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Woker Antisemitismus

Erstellt von DL-Redaktion am 4. Februar 2022

Ihr seid gegen jede Diskriminierung,
außer sie betrifft Juden und Israelis

2019-10-10 Mahnwache in Hannover gegen Antisemitismus nach dem Anschlag in Halle (114).jpg

Von Sascha Lobo

In Deutschland mangelt es an fast nichts, am wenigsten an Antisemitismus – von links und rechts, von Muslimen, Christen und Verschwörungsgläubigen. Aber nun breitet sich auch noch der Israel-bezogene Antisemitismus aus.

Die Nazis haben den Ruf der Nazis so sehr versaut, dass nicht einmal mehr Nazis Nazis sein wollen. Und weil die Hauptmotivation der Nazis Judenhass war, hat auch der Ruf des Antisemitismus arg gelitten. Nicht einmal Antisemiten wollen mehr Antisemiten sein, im Gegenteil geht die Worthülse eines Appells gegen Antisemitismus selbst Judenhassern überraschend leicht von den Lippen. Weshalb der Antisemitismus-Teufel im Detail steckt.

Deutschland ist ein reiches Land, es mangelt an fast nichts, aber am wenigsten mangelt es an den unterschiedlichsten Antisemitismen: rechter und linker Judenhass, muslimischer und urchristlicher Judenhass, verschwörungstheoretischer und vulgärkapitalismuskritischer Judenhass. Nicht zu vergessen den Alltagsjudenhass der gesellschaftlichen Mitte. Judenhass ist ein bunter großer Strauß, für alle ist etwas dabei, und jeden Tag kommt eine neue Blume der Verachtung hinzu, aber die vielleicht größte stinkende Blüte im 21. Jahrhundert ist der Israel-bezogene Antisemitismus.

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Berufsmäßiges Unken

Erstellt von DL-Redaktion am 2. Februar 2022

Lehrerverbände und Corona

Die Unke – Großes Maul und kleines Hirn

Von Thomas Gesterkamp

Lehrerverbände vertreten die Interessen ihrer Mitglieder, das ist ihre legitime Aufgabe. Aber müssen sie deshalb aktiv auf Schulschließungen drängen?

Im ersten Coronalockdown protestierte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), als ältere Lehrkräfte in Sachsen ein ärztliches Attest über ihre „Vorerkrankung“ vorlegen sollten. Zuvor waren diese auf eigenen Wunsch ohne medizinische Prüfung von ihrer Tätigkeit freigestellt worden. Die GEW beanspruchte für sie Sonderrechte.

Bald danach wandte sich der Landesverband Nordrhein-Westfalen gegen eine Wiedereröffnung der Förderschulen: Ausgerechnet Kinder mit geistigen, körperlichen oder sozia­len Handicaps sollten weiter zu Hause bleiben, mit der Begründung, sie könnten die Abstandsregeln nicht einhalten. In Schleswig-Holstein warf die Gewerkschaft kürzlich der Schulministerin vor, „nur auf Präsenz zu setzen und den Distanzunterricht zu tabuisieren“.

Solche Aussagen kommen von einer Organisation, deren wichtigstes Anliegen das Fördern junger Menschen sein müsste. Stattdessen betreibt die GEW seit zwei Jahren Lobbypolitik für jene, die sich (teils sehr verständlich) vor dem Unterrichten in Coronazeiten fürchten. Sie agiert nur als Vertretung der Lehrenden – und vernachlässigt die Lernenden. Priorität hat der Gesundheitsschutz der Mitglieder, Probleme von Kindern und Eltern interessieren nur am Rande. Doch im Vergleich zu ihren Mitbewerbern wirkt die GEW noch moderat.

Wenn Heinz-Peter Meidinger vor die Mikrofone tritt, weiß man schon vor dem ersten Satz, was kommt. „Mehr Schulen werden dichtmachen müssen“, prophezeite der medial dauerpräsente Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbands zuletzt. Omikron habe in den Klassen „leichtes Spiel“, Normalität sei „in weite Ferne gerückt“. Der pensionierte Pädagoge, bis 2020 Direktor eines Gymnasiums im niederbayerischen Deggendorf, trägt nicht umsonst den spöttischen Spitznamen „Unke“. Düstere Prognosen verbindet er mit Appellen an Solidarität, sorgt sich aber stets um die eigene Klientel: „Wenn wir die Kontakte herunterfahren müssen, können die Schulen nicht außen vor bleiben.“ Meidinger ist der Lautsprecher einer Berufsvereinigung, die den Arbeitsplatz ihrer Mitglieder am liebsten geschlossen sieht.

Sonderweg in der Pandemie

Udo Beckmann, Chef des Verbands Bildung und Erziehung, der Lehrkräfte im Deutschen Beamtenbund organisiert, verfasst ähnliche Stellungnahmen. Die eher progressiv orientierte GEW, Einzelgewerkschaft im DGB, steckt in einem besonderen Dilemma: Verbal tritt sie für offene Schulen ein, lehnt Schließungen jedoch nicht grundsätzlich ab. Sie will legitimerweise Ansteckungen beim Lehrpersonal verhindern, doch es fehlt ihr an Sensibilität für die sozialen und psychologischen Folgen der Pandemie. Das Dichtmachen von Bildungsstätten – dazu zählen übrigens auch die Universitäten, von denen in öffentlichen Debatten selten die Rede ist – verschärft die von der Gewerkschaft angeprangerte Spaltung der Gesellschaft.

Priorität hat die Gesundheit der Lehrer, Probleme von Kindern und Eltern interessieren nur am Rande

Vor allem Kinder aus armen Haushalten leiden unter zugesperrten Schulen und Digital­unterricht. Zahlreiche Forschungsergebnisse haben das inzwischen bestätigt. Nach einer Studie des Uniklinikums Essen sind die Suizidversuche Minderjähriger in der Coronakrise deutlich gestiegen. Benachteiligte werden weiter abgehängt, in geflüchteten Familien sind Rückschritte beim Lernen der deutschen Sprache erkennbar. Enge Wohnungen bieten wenig Platz, die Eltern können oft nicht helfen, es fehlen technische Voraussetzungen wie Internetanschluss oder Drucker.

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Typisch – wer hatte sie anders kennengelernt ?-

Trotz Auflagen wie Maskenpflicht und regelmäßigem Testen ist die Gefahr erneuter Schulschließungen nicht gebannt. Das rigide deutsche Vorgehen unterscheidet sich von dem der Nachbarn. Frankreich etwa verfolgte stets das Ziel der „ecole ouverte“, auch als es noch keine Impfungen gab. Die Geringschätzung öffentlicher Bildung hierzulande hat Tradition; die Zahl jener Eltern, die das „Freilernen“ zu Hause propagieren und die Schulpflicht generell ablehnen, ist größer als anderswo.

In der Pandemie führte das zu einem Sonderweg, zumindest im europäischen Vergleich. Mexiko, Bangladesch oder die Philippinen erließen allerdings noch viel radikalere Maßnahmen, teilweise waren die Schulen dort mehr als ein Jahr lang dicht. Unicef schätzt, dass mindestens 200 Millionen Kinder über einen langen Zeitraum auf Unterricht verzichten mussten, es spricht von einer „schweren weltweiten Bildungskrise“. In Brasilien sind viele Kinder nicht mehr in die Klassen zurückgekehrt: Wegen der Not ihrer verarmten Familien haben sie Billigjobs angenommen, verrichten wie in der Vergangenheit Kinderarbeit.

Blick auf die Schüler: innen richten

Quelle       :        TAZ-online          >>>>>         weiterlesen

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Oben      —   Coloradokröte (Incilius alvarius)

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  • Hochgeladen: 13. Juni 2005

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Unten      —       Wilhelm Busch: Lehrer Lämpel (aus Max und Moritz)

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10 Jahre NSU-Enttarnung

Erstellt von DL-Redaktion am 10. November 2021

Borniertheit, Rassismus, Vertuschung, Verdrängung

Eine Kolumne von Samira El Ouassil

Über ein Jahrzehnt konnte der NSU rassistische Morde begehen, weil Sicherheitsbehörden nicht sahen, dass sie es mit Rechtsextremisten zu tun hatten. Dieses institutionelle Problem besteht bis heute.

Am heutigen Tag jährt sich zum zehnten Mal die Selbstenttarnung der NSU-Terrorzelle, des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds, mit der eine grausamen Mordserie endete.

In dieser wird 2000 als Erster Enver Şimşek, Vater von zwei Kindern, in Nürnberg vor seinem Blumenstand mit acht Schüssen aus zwei Waffen getötet. Die Polizei geht zunächst von einem Familienstreit aus und verdächtigt seine Ehefrau. Ebenfalls in Nürnberg ist der Maschinenarbeiter Abdurrahim Özüdoğru in der Schneiderei seiner Frau tätig, als er 2001 vor dieser mit zwei Kopfschüssen ermordet wird. Özüdoğru hinterlässt eine Tochter. Süleyman Taşköprü arbeitet in Hamburg im Lebensmittelgeschäft seines Vaters, als man ihn 2001 hinrichtet. Die Polizei unterstellt dem 31-Jährigen Drogenhandel und ermittelt deshalb gegen Familienmitglieder. In München wird im selben Jahr Habil Kılıç ermordet, mit zwei Schüssen im Obst- und Gemüseladen seiner Frau. Die Ermittler gehen von einer Verbindung zur kurdischen Arbeiterpartei PKK aus und konzentrieren sich folglich auf diesen Verdacht. 2004 hilft der 25-Jährige Mehmet Turgut am Tag seiner Ermordung spontan im Hamburger Dönerimbiss seines Freundes aus. Die Täter schießen ihm dreimal in den Kopf. Die Behörden richten daraufhin eine »SoKo Bosporus« ein. Ein Jahr später wird der zweifache Vater İsmail Yaşar in Nürnberg in seinem Imbiss mit acht Schüssen erschossen.

Von da an glaubt die Polizei einen Zusammenhang zwischen den Morden zu erkennen: türkischer Drogenhandel aus den Niederlanden. Für die Verpackung dieser Mutmaßung präsentieren deutsche Medien einen der hässlichsten, menschenverachtendsten Ausdrücke des Headline-Journalismus der letzten Jahrzehnte: »Döner-Morde«.

Nach Stationen bei der Deutschen Bahn und Siemens betreibt der Einzelhandelskaufmann Theodoros Boulgarides in München einen Schlüsseldienst. 2005 wird er dort mit drei Kopfschüssen umgebracht. Man sucht nach Spuren in Richtung türkische Mafia, Beziehungen zur Prostitution, zum Wettmilieu und zum Waffenhandel. Seine beiden Töchter werden gefragt, ob ihr Vater sie sexuell missbraucht hat.

Medial und gesellschaftlich traumatisiert

Mehmet Kubaşık bekam als politisch Verfolgter mit seiner Jugendliebe und Ehefrau sowie einer gemeinsamen Tochter Asyl in Deutschland. Er begann als Hilfs- und Bauarbeiter und betrieb in Dortmund einen Kiosk. 2006 wird er dort erschossen. Zwei Tage später wird der 21-Jährige Halit Yozgat in seinem Internetcafé in Kassel getötet, das er kurz zuvor eröffnet hatte. Zudem besuchte er eine Abendschule, um sein Abitur nachzuholen. Zur Tatzeit war Andreas Temme, ein Mitarbeiter des hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz, in diesem Internetcafé anwesend – was aufgrund von Login-Daten festgestellt werden konnte. Von einem verblutenden Opfer will er jedoch nichts gesehen oder gehört haben. Die Polizistin Michèle Kiesewetter ist das letzte bekannte Opfer des NSU. Sie wird 2007 bei einem Einsatz getötet.

Die Opfer und ihre Angehörigen wurden durch die Behörden, medial und gesellschaftlich traumatisiert, gedemütigt, im Stich gelassen, retraumatisiert. Für lange Zeit standen sie selbst unschuldig im Fokus der Ermittlungen, und die Fehler, die hier erfolgten, verdeutlichen auf mehr als traurige Weise den Kern des Problems auf institutioneller Ebene: Borniertheit, Rassismus, Vertuschung, Verdrängung. Über ein Jahrzehnt konnte der NSU rassistische Morde begehen, ohne aufgehalten zu werden, weil Sicherheitsbehörden die Täter in den Reihen der organisierten Kriminalität und in allen möglichen Milieus wähnten, nur nicht in den rechtsextremistischen.

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Deutschland nach der Wahl

Erstellt von DL-Redaktion am 30. September 2021

Warum politisch jetzt das 21. Jahrhundert beginnt

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Eine Kolumne von Sascha Lobo

Die Ära Merkel war spektakulär misserfolgreich, wenn man die wichtigsten Maßstäbe der jüngeren Generationen anlegt – etwa Klima, Digitalisierung und soziale Gerechtigkeit. Nun gibt es endlich Hoffnung.

Die Ära Merkel ist zu Ende, und jetzt, endlich, endlich beginnt in Deutschland das 21. Jahrhundert auch politisch. Die 16 Jahre zuvor werden von vielen Menschen als erfolgreiche Jahre gesehen, selbst von nicht konservativen. Das stimmt – wenn man Stabilität als quasi einzigen Maßstab anlegt. Das ist nicht nichts. Im Gegenteil. Wenn die eigene Erwartung ist, dass Politik möglichst wenig verändern, sondern unauffällig die Gegenwart wegverwalten soll, dann ist der Merkel-Style aus purem Gold.

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Die demokratische Wahl ?

Erstellt von DL-Redaktion am 20. September 2021

Produktivkraft für Staat, Standort und Nation

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Quelle     :     Untergrundblättle – CH 

Von Manfred Henle

Kein Zweifel, der Standort Deutschland, die gesamte Nation, befindet sich in der sogenannten „heissen“ Phase des Wahlkampfes.

Kein Fussgänger, kein Rad- oder Autofahrer, kein ÖPNV- oder Bahnkunde soll an der Plakatflut, die sich seit Wochen in die Aufmerksamkeit aller und überall ergiesst und hineindrängt, vorbeikommen. Ob Wahlberechtigter oder auch nicht: Eine Politisierung der besonderen Art hat den öffentlichen Raum überschwemmt und in Besitz genommen. Dergleichen soll dem ganz gewöhnlichen Alltagsbewusstseins widerfahren. Erwünscht und beabsichtigt ist, dass sich das Alltagsbewusstsein, ansonsten ganz eingetaucht in seinen Bemühungen, in den Existenz- und Lebensbedingungen, wie sie nun einmal sind, zu bestehen und sich zu bewähren, daraus erhebt.

1. Heute – die Konkurrenz um Sympathie, Glaubwürdigkeit und Vertrauen

In aller Zudringlichkeit wird ihm allseitig zugetragen, es gehe nun um etwas aussergewöhnlich Bedeutsames; um etwas von solcher Wichtigkeit, dem sich der Wahlberechtigte allenfalls zu seinem persönlichen Schaden zu entziehen vermag. Auf allen Kanälen wird dem Willen des Bürgers im Staat nahegelegt davon überzeugt zu sein, dass es von unbedingter Wichtigkeit für ihn ganz persönlich sei, seine sogenannte Stimme mit einem Kreuzes in einem Kreis auf einem Zettel abzugeben.

Vor dieser sich aufdrängenden Politisierung bleibt der Bürger auch im privaten Raum, zuhause, nicht verschont, vielmehr rund um die Uhr massenmedial betreut und bedient: In allen denkbaren analogen und digitalen Variationen, in Sommer- und sonstigen Gesprächen, in grossartig angekündigten Drei- (Triell-) und Vierkampfarenen, mit Live-Übertragungen von Marktplatz- und sonstigen Reden und Redner-Tribünen, in allerlei Talkrunden und anderen, ausgewiesen professoral-journalistischen Runden geht es um dieses Eine: Um die Politisierung des Bewusstseins und des Willens des Einzelnen dahingehend, es komme in seinem ureigensten Interesse ganz persönlich auf ihn und seine freiheitliche Entscheidung an.

Fühlt sich das so angesprochene Staatsbürgerbewusstsein nun endlich besonders beachtet, berücksichtigt und erhoben, nimmt es diese politische Botschaft Ernst und sich zu Herzen, dann ist das schon der erste Akt, die erste Willensentscheidung der berühmten Wahlfreiheit des modernen Menschen in seiner Eigenschaft als Wähler und stimmberechtigter (Staats-) Bürgers.

Präsentiert wird der derart zu politisierenden Bevölkerung dies: Die berechnende Inszenierung und Selbst-Darstellung derjenigen, die in Gestalt einer Berufspolitikerin oder eines Berufspolitikers das höchste Führungsamt im Staat übernehmen möchten; zugleich die Inszenierung und Selbst-Darstellung derjenigen, die als Parlamentarierin oder Parlamentarier in den kommenden gesetzgebenden Versammlungen im „Hohen Haus“ konstruktiv mitbestimmen, welchen Gesetzesmassnahmen die Gesetzesunterworfenen, das heisst die regierte Bevölkerung, in den nächsten 4 Jahren zu gehorchen hat. In dieser nach dem Wahlabend zurecht „Legislaturperiode“ genannten Zeit erfährt die regierte Bevölkerung von den durch die demokratische Wahl Ermächtigten, was gesetzlich geboten, erlaubt und verboten sein wird – hinsichtlich ihrer gegenwärtigen oder zukünftigen Existenz- und Lebensbedingungen.

Da sich die Aspiranten um die höchsten Führungsämter im Staat ganz unterschiedslos darin einig sind, dass es in der kommenden Regierungszeit bis zur nächsten Wahl politisch wie immer darum geht, die Nation nach innen zu regieren und nach aussen erfolgreich zu führen, ausgestalten sie in engster Kooperation mit der 4. Gewalt dem Publikum gegenüber die Wahlkampfzeit als vordergründigen Kampf: als Kampf der Aspiranten und ihrer Parteien um jede Wählerstimme. Organisiert und ausgetragen ist dieser Stimmenfang als wohlkalkulierte Konkurrenz sogenannter Persönlichkeiten. Diese sind, wie kann es anders sein, wahrhaftige Persönlichkeiten: offenbar ein ganz besonderer, unverwechselbarer Menschenschlag.

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Der Staatsfunk und Teile der Presse als 4. Gewalt ?

Ein Menschenschlag wie ihn sich der gewöhnliche Bürger nur erträumen mag: menschlich, charakterlich, moralisch und politisch herausragende, integre Persönlichkeiten. Nur Persönlichkeiten dieses auserlesenen Menschenschlags können und dürfen die Führung der Staatsgeschäfte und des Landes übernehmen. Doch welche dieser Persönlichkeiten erscheint dafür am geeignetsten? Wer vermag das Publikum als herausragende Führungspersönlichkeit zu beeindrucken? Wochenlang bewegt und beherrscht in Wahlkampfzeiten diese grosse Frage die ganze Nation. Bühnen-Inszenierungen wie etwa das TV-Triell sollen dieser grossen Frage gemäss Hilfestellung bei der Antwortsuche nach folgenden Kriterien leisten: „Wen fanden Sie am sympathischsten? Wer punktet in den Charaktereigenschaften sympathisch, kompetent, tatkräftig und überzeugend am meisten und kam am besten rüber? Was haben die Zuschauer empfunden?“ (TV-Triell am 12. September 2021).Also herrscht ein ausgeprägter, massenmedial geförderter, befeuerter und in alle Hinter- und Kinderzimmer transportierter Personenkult. Jeder politische Entscheidungsträger in spe muss gegenüber dem die Szenerie betrachtenden Publikum den Eindruck erwecken, exklusiv bei ihm, nicht beim politischen Konkurrenten um Amt und Würde, liege die politische Regierungs- und Entscheidungsgewalt, das staatliche Gewaltmonopol und ihr Gebrauch, in besten Händen. In besten Händen dahingehend, dass die alltäglichen Sorgen und Nöte des Einzelnen wie der regierten Bevölkerung in diesen, nicht in den Händen der anderen Kandidaten um Amt und Würde gut aufgehoben sind.Die Pflege dieses Bildes der eigenen Persönlichkeit ist vonnöten, soll der Personenkult und die Konkurrenz in ihm gewonnen werden. Dabei will die mit allen Mitteln und Möglichkeiten betriebene personenkultorientierte Wahlwerbung und Imagepflege, unterstützt von Wahlkampfteams und Wahlkampfmanagern, von Wahlstrategen und von PR-Profis in Sachen Vulgär- und Massenpsychologie, die Distanz und den Gegensatz von (zukünftig) Regierenden und immer schon Regierten, dem Schein nach aufheben.

So inszenieren und präsentieren sich die Kandidaten des zukünftigen Regierens und Gesetze-Erlassens in ausgeklügelter besonderer Weise: Nicht einfach nur als vom Wähler ermächtigte Anwärter des kommenden Regierens und Gesetze-Gebens, sondern als ein doch gleichsam naher und persönlicher Freund. Der schöne Schein eines Freundes, dem es selbstlos und vom ganzen Herzen um das ganz persönliche Schicksal und um die alltäglichen Sorgen des Einzelnen geht, wo auch immer ihn seine Bemühungen in der Welt, wie sie nun einmal ist, hingebracht haben. So blicken gross- oder riesengrossformatige, in gefälliges Licht getauchte und mit allen möglichen Techniken der Bildbearbeitung und professionellen Portrait-Fotografie erstellte Politiker-Portraits die Staatsbürger, ob gross oder klein, ob jung oder alt, ob reich oder arm, ungefragt und distanzlos an, um ihnen gleichsam von Du-zu-Du zu sagen:

  • Respekt für Dich (SPD-Wahlplakat)
  • Sozialpolitik für Dich (SPD-Wahlplakat)
  • Bereit, weil Ihr es seid (Wahlplakat der Grünen)

Gelobt sei, welchem der Aspiranten und welcher Partei mit Anspruch auf die Führung und Ausführung der Staatsgeschäfte es gelingt, die geneigte Wählermeinung und Wahlentscheidung des Publikums mehrheitlich für sich an Land zu ziehen. In der mittels Personenkult ausgetragenen Konkurrenz um Sympathie, Glaubwürdigkeit und Vertrauen rechnen die politischen Konkurrenten mit der „Empfindung“ (TV-Triell am 12. September) des Publikums.

In dieser Empfindung ist das moralische Geschmacksurteil, welche politische Persönlichkeit am sympathischsten wirkt, zusammengefasst. Aber die politischen Aspiranten in spe verlassen sich nicht einfach nur auf das moralische Geschmacksurteil des Publikums. Vielmehr ist es ihnen Gebot, in berechnender Selbstinszenierung und Selbstdarstellung das moralische Geschmacksurteil des Publikums zu erzeugen, politisch zu mobilisieren und auf sich zu lenken. Da empfiehlt sich, wenn sich die Gelegenheit bietet, neben allen sonstigen Veranstaltungen der Selbstinszenierung und Selbstdarstellung in Wahlkampfzeiten, auch ein angemessenes Vorbeischauen bei den Opfern von Flut- und anderen Katastrophen; und das Kundtun von (Wahl-) Versprechen, schnellstmögliche Hilfe sei das Gebot der Stunde.

Seinen Urteilsmassstab gewinnt das moralischen Geschmacksurteils des Publikums aus der alltäglichen Erfahrung, wie wenig Respekt dem Einzelnen in seinen täglichen Bemühungen, sich zu behaupten und zu bewähren, von seiner Umwelt wie von den Regierenden der letzten Legislaturperiode entgegengebracht wird. Deshalb beispielsweise die Gestaltung eines Wahlplakates mit dem ganz inhaltslosen und unverbindlichen Versprechen: „Respekt für Dich.“ (SPD-Wahlplakat) Das soll der Partei, die dieses Plakat unter die Menschheit bringt, einen Vorsprung hinsichtlich Sympathie, Glaubwürdigkeit und Vertrauen gegenüber der politischen Konkurrenz verschaffen.

Diese besondere Art der Politisierung des Publikums stilisieren die Massenmedien auftragsgemäss und gemäss ihres politischen Berufsethos, wenn die demokratische Wahl wieder einmal ansteht, rechtzeitig zu einem ungemein spannenden Kampf in der Wahl hoch. Der muss darüber hinaus zu einer ganz „heissen“ Phase erhitzt werden. Schliesslich soll in der Empfindung des Publikums bei seiner Betrachtung des vor seinen Augen veranstalteten Szenariums die unsäglich spannende Frage erzeugt werden, welchen Persönlichkeiten und Parteien das Vertrauen zu schenken ist, in den kommenden 4 Jahren das Land, das Wahlvolk und die Bevölkerung nach allen Regeln der Kunst zu regieren.

Will auch heissen, die bislang regierte Bevölkerung weiterhin zu regieren. Gewonnen hat die Wahl, welche der Machtaspiranten in spe und welcher Partei es gelungen ist, dem Publikum am überzeugendsten zu vermitteln, sie und nicht die politischen Konkurrenten verstünden sich am besten auf die gekonnte Tätigkeit des Regierens. Die massenmedial als Kampf so spannend organisierte Zeit vor dem Wahltag findet regelmässig Ergänzung aus berufenem Mund: „Es ist die spannendste Wahl seit Jahrzehnten.“ (A.Baerbock, TV-Triell, 12. September).

Schlecht stehen die Dinge, wenn vermeint wird, der Wahlkampf sei nicht heiss, sondern langweilig. Das gibt Anlass zur Sorge und zur Kritik: Die angeblich fehlende Begeisterung seitens des Publikums fürs demokratische Wählen, eine massenmedial und durch Blitzumfragen diagnostizierte Wahlmüdigkeit geben dem Verdacht Raum, es drohe Politikverdrossenheit oder noch Schlimmeres. Wie auch immer, die ganze Wahrheit der demokratischen Wahl und ihre periodische Wiederkehr ist das bisher Dargelegte allerdings nicht.

2. Der staatsreiche Ertrag der demokratischen Wahl

„Salus rei publicae summum lex est“[1]

Worüber der freie Wille des Staatsbürgers und der regierten Bevölkerung im Akt der demokratischen Wahl entscheiden kann und überhaupt darf, ist unzweideutig beantwortet: mit seinem Kreuz in einem Kreis auf einem Zettel teilt er mit, von welchen der ihm vorgestellten Persönlichkeiten und Parteien er sich in den nächsten 4 Jahren regieren lassen möchte. Dann, in 4 Jahren, steht die grundgesetzlich institutionalisierte und garantierte Wahl turnusgemäss wieder an. Und in Betrachtung und Begutachtung derselben Szenerie wie heute, kann der Staatsbürger wie heute in 4 Jahren wiederum frei entscheiden: Darüber, welche der Aspiranten und Parteien auf die wirkliche Macht im Staat und in der Gesellschaft ihm so sympathisch, glaub- und vertrauenswürdig erscheinen, dass er sie zum Führen und Regieren über sich und über das Land ermächtigt.

Diese Freiheit gilt auch dann, wenn der freie Wille im Wahljahr 2025 als ein von der im heutigen Wahljahr ermächtigten Regierungsmannschaft enttäuschter, kritischer, protestierender oder wütender Staatsidealist seine Stimme wiederum per Kreuz in einem Kreis auf einem Zettel erhebt. Geht er als restlos enttäuschter Staatsidealist überhaupt nicht mehr wählen, so ist das ganz unerheblich: eingemeindet ins grosse Ganze ist er so oder so.

So erweist sich der Akt der demokratischen Wahl im Kontinuum von Staat, Standort und Nation als ein winziger zeitlicher Punkt: ein periodisch wiederkehrender Sekundenschlag der über nichts anderes als nur darüber entscheidet, welche Regierungsmannschaft er demokratisch ermächtigt, Staat, Standort und Nation weiterhin zu führen. Die durch die demokratische Wahl legal und legitim Ermächtigten mögen bleiben, kommen oder wechseln, gerade dies garantiert den Fortbestand, das Kontinuum von Staat, Standort und Nation.

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Gesichert ist das Kontinuum von Staat, Standort und Nation allerdings nur, wenn es den jeweils demokratisch Ermächtigen gelingt, das nationale Ganze nach innen und insbesondere nach aussen so zu führen, dass es sich erfolgreich zu behaupten vermag. Nach aussen wie allseits bekannt, in weltwirtschaftlicher, militärischer, geo- und weltpolitischer Konkurrenz mit gleichen oder etwas anders gearteten nationalen Kollektiven.

Die in anstehenden demokratischen Wahlen sich dem Publikum präsentierenden politischen Konkurrenten, die Regierungsverantwortung übernehmen wollen, um den kontinuierlichen Erfolg von Staat, Standort und Nation weiterhin zu gewährleisten und in alle Zukunft hinaus zu sichern, wissen sich in dieser politischen Zielsetzung ohnehin mit dem Publikum einig: ist doch das Allgemeinwohl oder nationale Wir und sein Erfolg nach innen und aussen die höchste Maxime auch der Mehrheit des demokratischen Publikums und überhaupt das Warum und Wozu der demokratischen Wahl. Eingedenk der Gewissheit, dass das „Salus rei publicae summum lex est“ gleichsam ausnahmslos auch die oberste Maxime für die regierte Bevölkerung ist, propagieren unterschiedslos alle Bewerberinnen und Bewerber, die sich vom staatsidealistischen Willen ermächtigen lassen wollen, einhellig und unisono:

  • Unser Land kann viel, wenn man es lässt (Wahlplakat der Grünen)
  • Kompetenz für Deutschland (SPD-Wahlplakat)
  • Deutschland gemeinsam machen CDU-Wahlplakat)
  • Zwei für Deutschland. Aber normal. (AfD-Wahlplakat)
  • Es geht um Deutschland (TV-Triell, 12. September)

Dass das staatsbürgerliche Publikum in überragender Mehrheit dies genauso sieht und kollektiv sein Leben in Staat, Standort und Nation längst eingerichtet hat, um darin zu bestehen und sich zu bewähren, wissen die sich um demokratische Ermächtigung Bewerbenden auch aus den vergangenen 4 Jahren: Hat doch das Publikum 2017 per Wahl in staatsidealistischer Zustimmung zur Maxime des „Salus rei publicae summum lex est“ die Ermächtigung zum (Weiter-) Regieren als notwendig, gerecht und legitim anerkannt und erteilt. So ist das heutige Vor-der-Wahl Resultat der demokratischen Ermächtigung von 2017, mithin dem daraus folgenden, bis heute andauernden Nach-der-Wahl.

Das deutsche Allgemeinwohl oder nationale Wir, das Kontinuum von Staat, Standort und Nation besteht somit fort; und bislang immer noch erfolgreich nach innen wie nach aussen, Afghanistan weitgehend eingeschlossen. Wenngleich der Tag der Wahl, der „Tag des Bürgers“ (A.Laschet, O. Scholz, A. Baerbock), wie es heisst, nichts ist als ein winziger zeitlicher Punkt, ein periodisch wiederkehrender Sekundenschlag im Kontinuum von Staat, Standort und Nation: Von der ersten Bundestagswahl am 14. August 1949 an hat sich das Kontinuum von Staat, Standort und Nation in rhythmischer Regelmässigkeit durch bislang 19 Ermächtigungen, erteilt durch den staatsbürgerlichen Willen per demokratischer Wahl, fortgeschrieben.

So erfolgreich fortgeschrieben, dass Deutschland in der gegenwärtigen globalen Standort- und Staatenkonkurrenz als wenn auch immer unzufriedener Mitspieler allgemeine Beachtung und Berücksichtigung findet – auch im gegenwärtigen New Great Game, nicht nur um Afghanistan herum. Die Leistungsbilanz der demokratischen Wahl ist also durchaus positiv. Sie ist eine nicht unerhebliche Produktivkraft für Staat, Standort und Nation.

3. Demokratischer Personenkult als Konkurrenz um wahre Staatskunst

„Da die Erhaltung von Staaten und Völkern nächst Gott von guten Fürsten und klugen Statthaltern abhängt, ist es nur vernünftig, dass jeder sie unterstützt“. (J.Bodin 1583)[2]

„Neustart für Deutschland“ (TV-Triell, 12. September 2021)

Seinem ganzen politischen Inhalt nach besteht der in der demokratischen Wahl gepflegte Personenkult darin: Die im Personenkult gegeneinander konkurrierenden Persönlichkeiten der Menschengattung Berufspolitiker und Berufsnationalisten sprechen sich auf öffentlicher Bühne wechselseitig die Fähigkeit ab, charakterlich und persönlich das deutsche „Staatsschiff“ (J.Bodin) so zu führen und zu regieren, dass sein weiterer Erfolg nach innen wie nach aussen zukunftssicher gewährleistet ist.

Vornehmlich nach aussen, in den Fährnissen der globalen Konkurrenz von Staaten, Standorten und Nationen; und insbesondere in der ehrenwerten Gesellschaft von Weltmächten im New Great Game erweise sich wahre, will heissen erfolgreiche Staatskunst: Die richtige, die erfolgreiche Handhabung des staatlichen Gewaltmonopols, die bestreiten die sich die um demokratische Ermächtigung Bewerbenden gegeneinander.

Einig darin, dass der Erfolg des deutschen Staatsschiffs das absolute Apriori, die conditio sine qua non allen politischen Handelns zu sein habe und nur wahre Staatskunst den Erfolg garantiere, wickeln die Aspiranten auf die wirkliche politische Macht in Staat und Gesellschaft vor dem Publikum als öffentliches Schauspiel ab: Wer verfügt wahrhaftig und aufrichtig die charakterlichen und persönlichen Eigenschaften, den Willen und die, modern gesprochen, politische Kompetenz, das deutsche Staatsschiff richtig zu steuern und auf Erfolgskurs zu halten. Selbstredend offensichtlich jeder, der sich um die demokratische Ermächtigung für die kommende Legislaturperiode bis 2025 bewirbt.

So überbieten sich die Aspiranten um die politische Macht und der Handhabung des staatlichen Gewaltmonopols in den kommenden 4 Jahren vor dem Publikum gegenseitig darin, wer mit seiner ganze Persönlichkeit als personifiziertes Staatsinteresse, als versubjektivierte authentische Charaktermaske Deutschlands und seiner Notwendigkeiten am überzeugendsten für den zukunftsweisenden „Neustart für Deutschland“ (TV-Triell, 20. September) zu beeindrucken vermag.

Wer als „kluger Statthalter“ (J.Bodin) und Steuermann ans Ruder des deutschen Staatsschiffs gehört, da er für alle ersichtlich gegenüber den Konkurrenten die menschlichen und charakterlichen Eigenschaften verfügt, erfolgreich die Staatskunst zu praktizieren sowie den Willen dazu hat, es bestmöglich zu tun, der erscheint am glaubwürdigsten: Ihm neigt sich folglich die Sympathie und das Vertrauen des Publikums zu. Er vermag am meisten „Sympathie-Werte“, wie das genannt wird, auf sich zu vereinigen.

Und zwar, weil er auf die politische Empfindung im Publikum trifft, die sich der Sichtweise und gelebten Überzeugung verdankt, ihren Wünschen, Hoffnungen, Bedürfnissen und Zwecken sei am besten gedient, wenn Deutschland erfolgreich nach innen wie nach aussen regiert wird: Je erfolgreicher die eigene Nation, umso grösser die Chance und Wahrscheinlichkeit, dass die eigenen Notlagen, Nöte und Interessen Beachtung und Berücksichtigung durch die demokratisch zum Regieren Ermächtigten finden.

Insofern lebt, wählt und betätigt sich die staatsbürgerliche Seele ihrerseits gleichfalls als personifiziertes Staatsinteresse, als versubjektiviertes Deutschland. Darauf spekulieren und damit rechnen die vergangenen, die gegenwärtigen und die kommenden Inhaber oder Anwärter auf die politische Macht im Land in ihrer Eigenschaft als personifiziertes Staatsinteresse. Denn das gilt schon: „Die Erhaltung von Staaten und Völkern“ (Bodin) gebietet, „dass jeder die klugen Statthalter unterstützt.“ (Bodin) Und nicht zu Unrecht spekulieren und rechnen die modernen Statthalter des Ganzen auch in der Phase der demokratischen Wahl mit dieser Unterstützung.

Um aber die erfolgreiche Handhabung des staatlichen Gewaltmonopols nach innen wie nach aussen in aller Freiheit zu praktizieren, muss der Staat der zweifelsfreie Souverän im Lande sein. Weshalb er in der Wahl das Volk zum wahren Souverän erhebt.

4. Die Souveränität des Volkes – im Rahmen der demokratischen Wahl

Die Inhaber der Souveränität sind auf keine Weise den Befehlen eines anderen unterworfen, geben den Untertanen Gesetze, schaffen überholte Gesetze ab, um dafür neue zu erlassen. Niemand, der selbst den Gesetzen oder der Befehlsgewalt anderer untersteht, kann dies tun .“ (Bodin,1583)[3]

Am Tag der Wahl findet der Wähler alles, wie bereits in den vergangenen 4 Jahren und davor, längst eingerichtet: eine seit Mai 1949 abgeschlossene Staatsgründung und damit ein staatliches Gewaltmonopol samt einen im Grunde fertigen, demokratischen Staatsaufbau mit Grundgesetz, Regierung und Regierenden; mit Parlament, mit staatlichen und administrativen Institutionen, Ministerien, Ämtern, und Behörden; mit einer Rechtsordnung und Gewaltenteilung; mit einer spezifischen Eigentumsordnung und einer ihr entsprechenden politökonomisch nach Klassen sortierten Gesellschaft; mit einer auf die Marktwirtschaft verpflichteten Wirtschaftsordnung; und nicht zuletzt: ein grundgesetzlich präzise bestimmtes Wahlrecht und mit einer zum deutschen Volk definierten Bevölkerung, bestimmt als die schon Regierten und zukünftig weiterhin zu Regierenden.

Insgesamt: also eine nach innen bereits vollendete staatliche Souveränität mit dem inzwischen vollendeten Anspruch nach aussen, Deutschland sei erst dann wirklich Souverän, wenn die DDR in den westdeutschen Staat eingemeindet und darin auf- bzw. untergegangen sei.

Diese Konstituenten der demokratischen Wahl, gleichermassen die staatliche Souveränität, sind der Wahlentscheidung des Wählers per definitionem entzogen. Sie bleiben für ihn unantastbar, vor, während und nach der Wahl. Sie sind für ihn unerreichbar, sie liegen ausserhalb und jenseits seiner im Wahlrecht bestimmten und bestätigten Souveränität. Diese Konstituenten der demokratischen Wahl sind sein treuer Begleiter, von der Wiege an bis zur Bahre.

Der Begriff und die Wirklichkeit von Souveränität: „Inhaber der Souveränität sind auf keine Weise den Befehlen eines anderen unterworfen, geben den Untertanen Gesetze, schaffen überholte Gesetze ab, um dafür neue zu erlassen.“ (Bodin), trifft auf die sich in der Wahl betätigende Souveränität des Wählers, auf die berühmte Volkssouveränität keinesfalls zu. Käme sie dem Wähler faktisch zu, bedeutete dies die Enttrohnung und Selbstentmachtung der staatlichen Souveränität im Widerspruch mit sich selbst.

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Ein Blick in die Kugel käme dem Spiel der Wahl sehr nahe.

Umgekehrt: Indem der Wähler mit seinem Kreuz in einem Kreis auf einem Zettel kundtut, von welchem Regierungspersonal er sich die nächsten 4 Jahre lang regieren lassen will, hat er explizit erklärt, dass er seinen freien Willen, seine Souveränität dahingehend betätigt, es möge die staatliche Souveränität so, wie so nun mal ist, weiterhin geben – in der Hoffnung, sie möchte doch zukünftig ihm wirklich zu Diensten sein.

So hat die Souveränität des Volkes ihren Begriff und ihre Wirklichkeit darin, dass sie sich zugunsten der staatlichen Souveränität mit Wille und Bewusstsein selbst entmachtet und aufgibt: Bis zum nächsten Wahltermin in 4 Jahren. Diese im Wahlrecht grundgesetzlich im Artikel 20, Absatz 2 GG präzise formulierte Funktionalität der Volkssouveränität zu Diensten der staatlichen Souveränität, demnach die vom Volke ausgehende Staatsgewalt „durch besondere (!) Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt (wird),“[4] ergibt notwendig das mit dem Wahlrecht bezweckte politische Resultat: Die Emanzipation, die Unabhängigkeit und die Freiheit der staatlichen Souveränität.

Auf diese Weise ist die Kontinuität des Regierens und die Kontinuität des Ganzen affirmiert und bestätigt. Das nach Auszählung der Stimmen seit 1949 in aller Zufriedenheit immer wieder verkündete Wort: „Der Souverän hat gesprochen“ gibt das Verhältnis von Volkssouveränität und staatlicher Souveränität sowie die Funktionalität der Volkssouveränität für die staatliche Souveränität korrekt wieder: Nach Auszählung der Stimmen ist die Volkssouveränität für die nächsten 4 Jahre erledigt.

Der Wikipedia-Eintrag zur Volkssouveränität: „Das Prinzip der Volkssouveränität bestimmt das Volk zum souveränen Träger der Staatsgewalt. Die Verfassung als politisch-rechtliche Grundlage eines Staates beruht danach auf der verfassungsgebenden Gewalt des Volkes“, geht, wie ersichtlich, am Begriff und an der Wirklichkeit der Volkssouveränität restlos vorbei.

5. Das garantierte Wahlergebnis am 26. September 2021

„[…] dass in der Demokratie die Einzelnen ihre Souveränität nur für einen Moment ausüben, dann aber sogleich wieder von der Herrschaft zurücktreten […].“ (Marx/Engels, 1845)

Das Wahlergebnis am kommenden 26. September ist also weder eine Frage, noch ein Geheimnis, am allerwenigsten spannend. Alle, zuvorderst die politische Klasse, kennen das in allerlei unterschiedliche, wechselnde oder koalierende Farben getauchte und sich seit 1949 wiederholende Wahlergebnis: Dank der Volkssouveränität wird weiterhin souverän regiert und geherrscht. Ziemlich gewiss auch die kommenden 4 Jahre lang. Gemäss dem zutreffenden Motto: „Auf den Kanzler kommt es an!“ (SPD-Wahlplakat). Und zwar mit Ausrufezeichen!

Fussnoten:

[1] Matteucci, Nicola, Lo Stato moderno, Bologna, 1997: 93.

[2] Bodin, Jean, Über den Staat [1583], Stuttgart, 1976: 5.

[3] Bodin, Jean, a.a.O: 24.

[4] https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2013/47878421_kw50_grundgesetz_20-214054

Quellen

● Bodin, Jean, Über den Staat [1583], Stuttgart, 1976

● Matteucci, Nicola, Lo Stato moderno – Lessico e percorsi, Bologna, 1997

● Marx/Engels [1845], MEW3, Berlin, 1969

https://de.wikipedia.org/wiki/Volkssouver%C3%A4nit%C3%A4t

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Oben     —    Berlin: Willy-Brandt-Haus während des Wahlkampfs 2021

Author JoachimKohler-HB      /    Source   :  Own work       /   Datum    :     9 September 2021, 08:19:08

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2.) von Oben      —        Berlin: Tauentzienstraße corner Rankestraße

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Medien brauchen Trielle

Erstellt von DL-Redaktion am 19. September 2021

Denkende Menschen brauchen sie nicht

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Dumm-Schwätzer-Innen unter sich !

Von Arno Frank

Wer Debatten mit Baerbock, Scholz und Laschet wie Sportwettkämpfe inszeniert, hat die Wählerinnen und Wähler aus dem Blick verloren.

Kein Mensch braucht ein Triell, erst recht keine drei Trielle. Ein Quadrupell wäre auch nicht besser. Schon das klassische Duell ist ein Instrument politischer Verdummung, das Gegenteil von Aufklärung. Es ist weder informativ noch unterhaltsam. Es ist, als würde man 90 Minuten drei Würstchen – eines davon ein Ersatzprodukt auf Sojabasis – beim Gegrilltwerden zuschauen. Und am Ende wird man doch nicht satt.

Wobei es nicht ganz stimmt, dass „kein Mensch“ solche Spiegelfechtereien braucht. Die Medien selbst brauchen mediatisierte Ereignisse. Das Publikum braucht sie nicht, auch nicht die Wählerin, der Wähler.

Gerne wird angeführt, das Triell spreche Menschen an, die „noch unentschieden“ oder generell „nicht so sehr an Politik interessiert“ seien. Angeblich würde damit eine Zielgruppe erreicht, die man mit politischen Inhalten sonst nicht erreiche. Tut man das? Ist das so?

Denken wir uns versuchsweise ein Publikum, das nicht ahnt, wofür Annalena Baerbock steht, wofür Laschet – und wer der Glatzkopf da auf der linken Seite eigentlich ist. Dieses Publikum folgt dann in epischer Länge einer beflissenen Abfragerei von sozial-, steuer-, wirtschafts- oder klimapolitischen Details? Und entscheidet sich dann? Auf Grundlage von was genau?

Am 26. September 1960 war es der Schweiß. Beim ersten Fernsehduell überhaupt traf ein dynamischer und professio­nell geschminkter John F. Kennedy auf einen fahrigen, schlecht rasierten Richard Nixon. Laut Umfrage hätten Unentschiedene, die der Debatte nur über das Radio folgten, Nixon ihre Stimme gegeben. Wer den Mann aber schwitzen sah im Fernsehen, tendierte – natürlich – zum coolen Kennedy.

Vergleichbares wirkte – und wirkt noch – im Zusammenhang mit Barack Obama. Der Mann hatte einfach einen swag, einen fist bump und allgemein eine Coolness, die noch heute ein progressives Publikum für ihn einnimmt.

Kein Wort über seine Ausweitung des Mordprogramms mit Drohnen, seine Rettung der Wallstreet, seine Deals mit der Pharma­industrie. Kein Wort darüber, dass ein Obama – mit vergleichbar populistischen „Ich werde in Washington aufräumen!“-Methoden – einen Donald Trump erst ermöglicht hat, kein Wort auch über sein offenbar redliches Bemühen, sich seinen Status vergolden zu lassen. Aber, hey, konnte er nicht schön „Amazing Grace“ singen?

Was zählt, auch hierzulande, ist Oberflächliches. Das Triell war darauf nur ein Vorgeschmack. Ist dieses Lächeln echt? Hat er „sch“ wieder mit „ch“ verwechselt? Weil er nervös war? Hatte er rote Ohren? Weil er sich ertappt fühlte?

Mehr Grimasse als Inhalt

Fernsehen verführt dazu, eher in Grimassen als in Parteiprogrammen zu lesen. Wir können nichts dagegen tun. Das Gesicht ist die Benutzeroberfläche des Menschen, darin etwas lesen zu wollen eine anthropologische Konstante. Sympathie sollte – siehe Obama – kein Faktor bei der Wahlentscheidung sein.

Ich persönlich halte beispielsweise Reinhard Bütikofer auf mehreren menschlichen Ebenen für ein abstoßendes Scheusal. Auf politischer Ebene aber, hört man aus Brüssel oder Straßburg, macht er sehr gute Arbeit. Also solls mir recht sein, verdammt.

Der Gipfel der menschelnden Idiotie ist der sogenannte „Biertest“ und die Frage, mit welchem der Kandidatinnen oder Kandidaten man „gerne mal ein Bier trinken“ wollen würde. Da hatte beispielsweise ein kumpeliger Jedermann wie George W. Bush gegenüber einem linkischen Nerd wie John Kerry die Nase vorn – sogar bei Demokraten.

Erfunden wurde der „Biertest“ übrigens von einer US-Brauerei. Was als Gag zum Wahlkampf gedacht war, wurde von Journalistinnen und Journalisten ganz ernsthaft aufgegriffen. Endlich mal ein Maßstab, an dem sich menschliche Anziehung ablesen lässt! Bier! Seitdem ist die Wählerschaft eingeladen, sich zu fragen, welchen Kandidaten sie besonders gerne mag – statt sich selbst die Frage vorzulegen, ob der Kandidat sie mag und im Zweifel auch etwas für sie tun würde.

Beobachten konnte man diesen Unfug auch nach dem zweiten Triell, als keine Geringere als WDR-Chefredakteurin Ellen Ehni dafür zuständig war, aktuelle Umfrageergebnisse vorzulesen. Eine der ersten Fragen lautete allen Ernstes, welcher Kandidat, welche Kandidatin denn „am sympathischsten“ rübergekommen sei.

Ein Triell ist vielleicht genau das, was wir verdienen. Ganz sicher ist es das, woran die Medien verdienen

Was ungefähr dem intellektuellen Niveau einer leicht verstolperten Wahlkampfhilfe der Popsängerin Judith Holofernes entspricht, die sich nach einer Begegnung mit Baerbock auf Instagram darüber freute, jene sei voll „wach“ und ganz „da“ gewesen. Also nicht „schläfrig“ oder „irgendwie abwesend“.

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Welcher von allen politischen Schwachköpfen würde sich nicht gerne so Vorführen lassen ?

Das Triell zieht wie ein Staubsauger jeden Quatsch an, der im Vorfeld von Wahlen so im Umlauf ist. Dazu gehört, ich erwähnte es, die Pest der Demoskopie. Es ist nicht nur so, dass nachweislich „Umfragen“ und die sich darauf ergebende spekulative Arithmetik eine Wählerschaft dazu verführen, „strategisch“ zu wählen – und also nicht, was sie einfach wählen würden, würden sie einfach wählen dürfen.

In den Eingeweiden von Vögeln lesen

Es ist auch so, dass die Demoskopie sich gerne irrt, mag sie auch noch so „repräsentativ“ sein. Das hat sich in der Vergangenheit häufig erwiesen, von Sachsen bis Washington, und es wird in der Gegenwart immer wieder ausgeblendet. Wenn „neue Zahlen reinkommen“, schaltet das Hirn aus. Dann übernimmt Jörg Schönenborn und interpretiert, was Stochastiker und Statistiker so errechnet haben wollen. Ebenso gut könnte er, wie die Auguren im alten Rom, in den Eingeweiden von Vögeln lesen: „Die Leber scheint mir eher verkümmert, es könnte demnach für Rot-Rot-Grün reichen …“

Womit wir endlich alle Faktoren beisammen hätten, die das Triell als das ausweisen, was es ist – Politik als sportifiziertes Ereignis.

Ein Ereignis, an dem vor allem die Medien selbst ein großes Interesse haben. Wer mit Aufregung handelt, muss die Aufregung um jeden Preis hochhalten. Auch dann, wenn es im Grunde nichts zu berichten gibt. Schon klingen Interviews mit Politikern oder Politikerinnen wie Gespräche mit Bundesliga­spielern gleich nach der Partie: „Und, woran hattet jelegen?“

Quelle         :          TAZ-online          >>>>>          weiterlesen

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Oben     —   Politik, TV-Triell Bundestagswahl 2021: Pressezelt mit Live-Übertragung der Sendung

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Scharf rechts –

Erstellt von DL-Redaktion am 2. September 2021

Ideologieproduktion aus dem Geist des nationalen Mainstreams

Erasmus, Roundel, 1532, by Hans Holbein (Kunstmuseum Basel).png

Quelle:    Scharf  —  Links

Von Johannes Schillo

Mit Blick auf die Bundestagswahl 2021 hat sich die Auseinandersetzung um die öffentliche Förderung der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) zugespitzt. Schließlich geht es um deftige Beträge. Weit mehr als eine halbe Milliarde Euro bekamen in der vergangenen Legislaturperiode die sechs politischen Stiftungen, die von den im Bundestag vertretenen Parteien anerkannt sind.

Nach parlamentarischem Brauch erhält eine Partei bislang erst nach dem zweiten Einzug in den Bundestag öffentliche Mittel zur Finanzierung ihrer Stiftung. Am 26. September wird es also ernst (vgl. Rechtspopulismus – vom Bund gesponsert? https://www.heise.de/tp/features/Rechtspopulismus-vom-Bund-gesponsert-6176838.html). Wenn es bei der bisherigen Regelung bleibt, könnte die AfD auf bis zu 80 Millionen Euro aus Steuergeldern für ihre Stiftungsarbeit hoffen.

Kampf dem Extremismus?

Gegner einer Finanzierung der AfD-Stiftung aus dem Bundeshaushalt gehen daher vermehrt an die Öffentlichkeit und versuchen diesen Geldsegen etwa durch ein Gesetz, das die Stiftungsfinanzierung regelt, zu verhindern. So vorgetragen im „Manifest der Zivilgesellschaft“ (https://www.stiftungstrick-der-afd.com/manifest-der-zivilgesellschaftlichen-organisationen/). Die Kritiker – die aus dem DGB, den Fridays for Future, Attac oder dem Zentralrat der Juden stammen – rufen damit die Fraktionen des Deutschen Bundestags dazu auf, ihre „apathische Haltung gegenüber Parteien wie der AfD und ihrer Desiderius-Erasmus-Stiftung aufzugeben“. Sie sollten schnellstmöglich ein Demokratiefördergesetz auf den Weg bringen, „das sicherstellt, dass Verfassungsfeinde keine Steuergelder erhalten“.

Für die AfD, die mit privaten Spenden bekanntlich gut ausgestattet ist, wäre ein solcher Eingriff qua Extremismusklausel nicht dramatisch, aber natürlich ein gefundenes Fressen. Reitet sie doch beständig darauf herum, dass der öffentliche Diskurs in Deutschland vom bestehenden „Parteienkartell“ gesteuert und reguliert wird. Und in der Tat, wie Linke hierzulande wissen, gibt es bei den öffentlichen Wortmeldungen eine ganze Menge Dinge, die das liberalste Deutschland, das es je gab, nicht aushält (https://krass-und-konkret.de/politik-wirtschaft/was-das-liberalste-deutschland-das-es-je-gab-alles-nicht-aushaelt/). Entsprechende Vorkehrungen der Obrigkeit sind an der Tagesordnung, bedeuten aber keine Zensur, sondern sind mit dem bürgerlichen Recht der Meinungsfreiheit vereinbar, ja stellen dessen eigentlichen Sinn in einer Privateigentümergesellschaft klar.

„Meinungsfreiheit – nur noch eine leere Hülle?“fragte die Erasmus-Stiftung bei ihrem Kongress vom Sommer 2019, der jetzt in der neuen DES-Schriftenreihe „Faktum“ dokumentiert ist (https://erasmus-stiftung.de/). Wie die Stiftungsvorsitzende Erika Steinbach (Ex-CDU) erläutert, startete man „nicht ohne Grund mit dem elementarsten Thema jedweder Demokratie“, denn die rechte Partei wie ihre Stiftung sehen die Bürger im Land von lauter Denk- und Sprachverboten umstellt. Ein Zustand, dem die AfD mit ihrer Gründung entschieden den Kampf angesagt hat.

Ganz im Sinne von Thilo Sarrazins Enthüllungen über den „neuen Tugendterror“ in Deutschland und seinen Angriffen auf den „Kulturmaxismus“ bekennt sich auch das AfD-Wahlprogramm 2021 in seinem medienpolitischen Teil zu „Meinungsfreiheit statt Tugendterror“ (https://www.afd.de/wahlprogramm/) und zum Angriff auf die „Vormachtstellung“ des Establishments: „Diffuse Vorstellungen von ‚politischer Korrektheit‘ ersticken die öffentliche Diskussion durch Sprach- und Denkverbote. Tatsachen werden verdreht und kontroverse Themen tabuisiert. Das Zusammenrücken der Altparteien zu einem politischen Meinungskartell hat die linke Dominanz im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und in privaten Mainstream-Medien verfestigt.“

Gegen den „Deutschlandabschaffungskurs“

Über die akademische Intelligenz, die die AfD mittlerweile eingesammelt hat und mit ihrer Stiftung bündeln will, gibt der Eröffnungsband „Nachdenken für Deutschland“ (2018) der DES-Buchreihe Auskunft. „Deutschland verflüchtigt sich“ heißt dort der Schlussbeitrag des AfD-Philosophen Marc Jongen, in dem er Merkels „Deutschlandabschaffungskurs“ geißelt.

Dieser Kurs werde hierzulande von breiten Kreisen – zumindest da, wo das gesunde Volksempfinden noch intakt ist – als „Resultat einer gigantischen, gegen Deutschland und Europa gerichteten Verschwörung, die die systematische Zerstörung des historisch gewachsenen Nationalstaats zum Ziel hat“, wahrgenommen. Jongen kokettiert damit, dass man das in Deutschland eigentlich nicht mehr sagen darf, tritt aber als mutiger Anwalt des Volkes auf, der dessen Sorgen letztlich mit einer philosophischen Tiefenbohrung ernst nehmen will.

Wichtig ist hier, dass Europa im gleichen Atemzug mit der Sorge um den Bestand Deutschlands genannt wird. Die Partei bekennt sich ja mit der Wahl ihres Stiftungspatrons entschieden zum christlichen Abendland. Die Bezugnahme auf „unser Europa“ ist dabei im Rechtsradikalismus nichts Ungewöhnliches. Das geeinte Europa hat propagandistisch eben die doppelte Funktion: als Feindbild für die Unterdrückung der nationalen Identität seiner Völker zu dienen und zugleich als Bollwerk gegen die anstürmenden, mit abendländischen Werten ganz unvertrauten Massen geschätzt zu werden.

Intellektuelle, die die AfD um sich und in ihrer Stiftung versammelt, haben es also nicht allein mit der vom rechten Lager als „Schuldkult“ geschmähten Vergangenheitsbewältigung in Sachen NS-Herrschaft zu tun. Beim DES-Kongress 2019 trat z.B. der bekannte Medientheoretiker Prof. Norbert Bolz auf und unterhielt das Publikum mit den letzten Kalauern über den „Rotfunk WDR“, der mittlerweile „wie eigentlich das ganze öffentlich-rechtliche System“ zu einem „Grünfunk“ mutiert sei. O-Ton Bolz: „Mir hat besonders gut der Tweet eines besonders intelligenten Menschen gefallen: ‚Alle 11 Minuten verliebt sich ein Journalist in einen Grünen‘.“ Wahrlich, alternative Medientheorie, wie sie dem Land seit Langem fehlt!

Die AfD lädt auch schon einmal einen akademischen Apologeten des europäischen Kolonialismus in den Bundestag ein, um die Meisterleistungen des christlichen Abendlandes bei der Ausplünderung der Dritten Welt hochleben zu lassen etc. Wenn die Stiftung gemäß der Parteilinie also endlich die Tabus darüber, was man hierzulande über das Ausland und die Ausländer sagen darf, bricht oder die deutsche Erinnerungskultur – mit der angesagten Kehrtwende um 180 Grad – renoviert, dann bietet sich ihr ein breites Betätigungsfeld: Von der Kolonialära und dem Ersten Weltkrieg, zu dem die Stiftung 2018 ihren ersten Kongress veranstaltete, bis zum modernen Globalismus gilt es, das Deutschtum wieder ins Recht zu setzen.

Nationalismus kritisieren – statt Verbote fordern

Es wäre, wie gesagt, fatal, wenn jetzt solchen Tendenzen mit einer erneuerten Extremismusklausel entgegen getreten würde, etwa im Rahmen eines „Demokratieförderungsgesetzes“, das dann auch gleich alle meinungsbildenden Aktivitäten in der Zivilgesellschaft unter einen Extremismus-Vorbehalt stellt – so weit öffentliche Mittel tangiert sind. Aber das kann ja schnell der Fall sein, wenn sich eine Initiative in einer Uni, einem Bürgerzentrum oder einer Volkshochschule trifft… Wenn die öffentliche Hand mit dem Extremismus-Hammer zuschlägt, steht fest, was folgt (siehe: Marx, dieser Linksextremist! https://www.heise.de/tp/features/Marx-dieser-Linksextremist-6045658.html). Dann geraten auch und gerade linke, linksliberale oder radikaldemokratische Aktivitäten ins Visier. Dann fallen mit Sicherheit Versuche, die Legitimität staatlicher Maßnahmen zu bezweifeln oder die bundesdeutsche „Klassengesellschaft“ zu kritisieren, unter das Extremismus-Verdikt. Dann zählt nur noch explizite Staatstreue.

Hinzu kommt: Die AfD, die sich dank Nachhilfe vom Bundesamt für Verfassungsschutz vom Extremismus distanziert hat, könnte mit einer solchen Klausel eigentlich gut leben. Sie müsste sich taktisch darauf einstellen und ein paar Sprachregelungen berücksichtigen. Dann könnte sie beim antiextremistischen Kampf volles Rohr mitmachen. Denn die offizielle Linie der Bundesregierung, die dem Marxismus in Medien und öffentlicher Meinungsbildung den Kampf angesagt hat, stimmt inhaltlich mit dem rechten Feindbild vom „Kulturmarxismus“ überein (siehe: Bundesregierung: Sozialistische Gesellschaftsordnung schließt „freiheitliche Demokratie“ aus https://krass-und-konkret.de/politik-wirtschaft/bundesregierung-sozialistische-gesellschaftsordnung-schliesst-freiheitliche-demokratie-aus/).

Natürlich sehen Seehofer und sein Staatssekretär Krings die Gefahr nicht bei den Mainstream-Medien, die von Sarrazin, Maaßen oder Höcke mit dem „Kulturmarxismus“-Vorwurf ins Visier genommen werden, sondern bei der Restlinken, bei Armutsforschern oder Neoliberalismus-Kritikern. Aber wenn die staatlich beauftragten Extremismusforscher ans Werk gehen, ist das Ergebnis programmiert: dass nämlich marxistische Theorie im öffentlichen Diskurs nichts verloren hat, also da, wo sie sich Gehör verschafft, ausgegrenzt werden muss (siehe: Amtlich bestätigt: Marx ein Linksextremist https://krass-und-konkret.de/politik-wirtschaft/amtlich-bestaetigt-marx-ein-linksextremist/). Statt nach mehr Anti-Extremismus zu rufen sollte man also besser den deutschen Nationalismus in all seinen Varianten kritisieren – etwa auch da, wo er sich stiftungsmäßig auf glühende Antikommunisten wie Konrad Adenauer, Friedrich Ebert oder einen Pionier des deutschen Imperialismus wie Friedrich Naumann beruft. In den Club passt Desiderius-Erasmus bestens hinein!

Neue = alte Rechte = gute alte BRD

Wie der deutsche Rechtspopulismus taktisch vorgeht, um dem Rechtsextremismus-Vorwurf den Wind aus den Segeln zu nehmen, legt jetzt übrigens das „Schwarzbuch Neue/Alte Rechte“ von Christian Niemeyer minutiös, ja mit erschlagender Detail- und Materialfülle dar. Dort widmet sich ein ausführlicher Text (Essay, Nr. 13) einem Protagonisten der neurechten Intelligenz, nämlich Erik Lehnert, seines Zeichens promovierter Philosoph, Mitarbeiter eines AfD-MdB und Mitherausgeber des „Staatspolitischen Handbuchs“. Er ist Geschäftsführer des Instituts für Staatspolitik (IfS), einer Denkfabrik der Neuen Rechten, die 2000 von Götz Kubitschek und anderen Aktivisten aus dem Umfeld der rechtsradikalen Zeitung „Junge Freiheit“ gegründet wurde. Vom Bundesamt für Verfassungsschutz wird das IfS seit 2020 als rechtsextremer Verdachtsfall geführt.

Im Jahr 2020 hat Lehnert deswegen seinen Job als Schriftführer der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) verloren. Denn, so die DES-Vorsitzende Steinbach, Lehnerts führende Funktion im IfS vertrage sich aufgrund der Verfassungsschutz-Entscheidung, das Institut „wegen extremistischer Tendenzen als Verdachtsfall einzustufen und damit permanent zu beobachten, nicht mit der Satzung der DES“ (taz, 26.5.20). Das Schwarzbuch von Niemeyer wertet dies als eine taktische Entscheidung – typisch für die Art und Weise, wie sich die Partei und ihre Stiftung um Seriosität bemühen.

Niemeyers Ausführungen zeigen paradigmatisch an einem IfS-Handbuch-Artikel Lehnerts zur westdeutschen NS-Vergangenheitsbewältigung, wie der Rechtspopulismus heute taktiert und laviert, um dem Rechtsextremismus-Vorwurf zu entgehen. Der Sache nach gehe es bei Lehnerts Rückblick auf NS-Kriegsverbrecherprozesse eindeutig darum – was Niemeyer minutiös darlegt –, eine Relativierung bzw. „Bagatellisierung der NS-Verbrechen vom Typ Vogelschiss à la Gauland“ zu lancieren; also die bekannten zwölf dunklen Jahre als Fußnote einer 1000-jährigen Nationalgeschichte herabzustufen und so das deutsche Nationalbewusstsein aufzuhellen. Hier zeige sich auch, was AfD-Flügel-Mann Höcke mit seiner erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad gemeint hat: eine Beendigung des ewigen „Schuldkults“, auf den sich AfD-Politiker sowieso eingeschossen haben. Man wolle, so Niemeyer, in diesen Kreisen „das Volk der Täter als Volk der Opfer inszenieren“.

2019-04-11 AfD Fraktion im Bundestag by Olaf Kosinsky-7933.jpg

Eine gewisse Ähnlichkeit der Beiden mit dem Portrait des Erasmus ist nicht ganz abwegig – sähen wir sie nicht wie im Koma dort.

Die Kritik des Schwarzbuchs trifft zu: Der heutige Rechtspopulismus betreibt ja keine Holocaustleugnung, sein Geschäft ist die Relativierung von Schuld und Schande, die angeblich die deutsche Nation niederdrücken – eine nationale Macht- und Selbstvergessenheit, die die Populisten an der Macht beseitigen wollen, was ja in gewisser Weise ihr ganzes Programm darstellt! Bei dieser Diagnose vom nationalen Defizit erliegt die Alternativpartei allerdings einem grandiosen (gewollten?) Missverständnis, verkennt sie doch die politisch-diplomatische Wucht, mit der das neue Deutschland dank seiner außergewöhnlichen Läuterung auf der weltpolitischen Bühne agiert: Die Singularität des Holocaust ist mittlerweile zum moralischen Gütesiegel der Nation geworden.

Für den Hausgebrauch, im Innern der Nation, ist das Singularitäts-Konstrukt allerdings eine etwas sperrige Angelegenheit. Hier wird seit Adenauers Zeiten – mit gewissen Konjunkturen – auch die Normalversion gepflegt, dass nämlich das deutsche Volk das eigentliche Opfer einer Clique von (wie man seit den jüngsten Enthüllungen von Norman Ohler weiß: drogensüchtigen) NS-Verbrechern war und von diesen missbraucht wurde. Diese Relativierung der NS-Zeit – gutes deutsches Volk, inklusive gute Soldaten, durch „böse“ Kräfte verführt – ist eben kein Alleinstellungsmerkmal der AfD, sondern Allgemeingut.

Das belegt übrigens das neue Schwarzbuch minutiös an der westdeutschen Nachkriegsgeschichte – vom Pacelli-Papst über Strauß, Filbinger, Dregger, Kiesinger bis zum „führenden“ neudeutschen Militärhistoriker Sönke Neitzel, der jetzt gerade als gefragter Experte zum Afghanistan-Krieg gilt.„Es fehlte bisher der Dank der Nation für den Afghanistan-Einsatz. Und es fehlen schon lange die ikonischen Bilder, die für die Verbundenheit von deutscher Gesellschaft und Bundeswehr stehen.“ (NZZ, 22.7.21) Das weiß der Mann zum allseits konstatierten Debakel beizusteuern. „Insgesamt bescheinigt Neitzel den Deutschen ein gestörtes Verhältnis zu einer Armee, die Gewalt anwendet“. Eine Rettung deutscher Soldatenehre, die Lehnert sicher sofort unterschreiben würde!

Mehr noch: Der offizielle Standpunkt der demokratischen deutschen Vergangenheitsbewältigung ist gar nicht so weit entfernt von den Relativierungskunststücken rechtspopulistischer Geschichtsexperten. Exemplarisch vorgeführt wurde das etwa von Bundespräsident Steinmeier beim Auschwitz-Gedenktag 2020, wo sich z.B. die AfD im Bundestag ganz konstruktiv aufführte, die Feierstunde mitmachte und den israelischen Staatspräsidenten mit gesteigerter Israel-Solidarität, nämlich in der Zuspitzung des Iran-Konflikts, beeindrucken wollte (siehe: „Kulturkampf von rechts“? https://www.heise.de/tp/features/Kulturkampf-von-rechts-4657804.html). Wenn die Erinnerungskultur zu national aufbauenden Ergebnissen führt, kann eben auch die AfD Positives an ihr entdecken.

Hierzu hatte Steinmeier bereits bei seinem Auftritt in Yad Vashem die Vorgabe gemacht. Demnach war damals „das Böse“ für die Ermordung der europäischen Juden verantwortlich; es wurde zwar 1945, als das Gute siegte, weitgehend ausgerottet, aber irgendwo fanden die „bösen Geister der Vergangenheit“ Unterschlupf und machen sich heute wieder bemerkbar. Diese Inschutznahme des nationalen Kollektivs, an das jeder einzelne Deutsche unaufhebbar zurückgebunden sein soll, ist im Prinzip derselbe Standpunkt, den ein Gauland vertritt, wenn er die Güte der Nation gegen ihre dunklen Seiten stellt.

Literaturhinweis

Christian Niemeyer, Schwarzbuch Neue/Alte Rechte – Glossen, Essays, Lexikon. Mit Online-Materialien (http://beltz.de). Weinheim (Beltz-Juventa) 2021, 795 S., 39,95 €.

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Oben      —   Roundel Portrait of Erasmus of Rotterdam.

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Friedenspolitik von unten

Erstellt von DL-Redaktion am 22. August 2021

Was muss globale Außenpolitik besser machen ?

Iran’s FM Javad Zarif Meets German FM Heiko Maas 08.jpg

Es zählen die Fahnen, die Figuren sind beliebig Austauschbar!

Von Dominic Johnson

Die globale Außenpolitik hat sich verrannt, wie sich zurzeit in Afghanistan offenbart. Séverine Autesserre zeigt in ihrem Buch, wie es anders geht.

Der Sieg der Taliban in Afghanistan erschüttert das westliche Selbstbewusstsein. Nation-Building sei nie das Ziel der Intervention gewesen, behauptet US-Präsident Joe Biden. Armin Laschet, der Deutschlands nächster Bundeskanzler werden will, konstatiert die größte Krise der Nato seit ihrer Gründung 1949, denn „das Ziel des Systemwechsels, militärisch einzugreifen, um eine Diktatur zu beenden, um eine Demokratie aufzubauen, ist fast durchgängig gescheitert“.

Seine Parteikollegin und Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer sagt unverblümt, es sei misslungen, „aus Afghanistan ein anderes Land zu machen“.

Demokratie und Nationenaufbau sind aus dieser Sichtweise Dinge, die man Afghanistan von außen aufpfropft. Die Taliban sind demgegenüber eine Art Naturzustand. Es ist eine fatalistische und zugleich imperiale Sichtweise, die komplett ausblendet, was Afghaninnen und Afghanen selbst wollen, denken und tun – und warum.

Diese Sichtweise behandelt Afghanistans Zukunft am liebsten auf Friedenskonferenzen im Ausland – von der Petersberger Konferenz nahe Bonn Ende 2001, die nach der US-Eroberung den Grundstein für die politische Neuordnung des Landes legte, bis zu den Verhandlungen in Katars Hauptstadt Doha 2019/20, auf denen US-Präsident Donald Trump mit den Taliban (und nicht etwa mit Afghanistans legitimer Regierung) den Abzug der US-Truppen aushandelte und ihnen damit die politische Legitimität zurückgab, die ihre Gegner demoralisierte. Wieso soll man einen Feind bekämpfen, dem die eigene Schutzmacht gerade das eigene Land schenkt?

Eigene Denkmuster infrage stellen

Man muss gar nicht weiter gehen, um zu verstehen, warum das westlich gestützte Afghanistan wie ein Kartenhaus zusammengebrochen ist. Die westliche Politik aber rätselt lieber über eine überraschend „kampf­unwillige“ afghanische Armee und erkennt das Pro­blem nicht. Denn dazu müsste sie die eigenen Denkmuster infrage stellen.

Das Lebenswerk der an der Columbia University in den USA lehrenden französischen Politologin Séverine Autesserre besteht darin, diese Denkmuster zu dechiffrieren.

„The Trouble with the Congo“ (2010) analysiert das Scheitern der internationalen Friedenspolitik in der Demokratischen Republik Kongo, wo Autesserre jahrelang gearbeitet und unter anderem Ärzte ohne Grenzen beraten hat; „Peaceland“ (2014) erweitert diese Erkenntnisse in einer brillanten Ethnografie der globalen Industrie des „Peacebuilding“; und nun legt sie mit „The Frontlines of Peace: An Insider’s Guide to Changing the World“ (2021) praktische Alternativen vor, Handlungsanstöße für eine bessere Politik.

Distanz zur lokalen Bevölkerung

Autesserre beschreibt aus eigener Erfahrung den Unsinn, der passiert, wenn „Friedensschaffer“ von einem Kriegsgebiet zum anderen hüpfen, mit jedem Landeswechsel Karriere machen, überall das gleiche Standardrezept anwenden, sich möglichst wenig auf die jeweiligen Umstände einlassen und möglichst große Distanz zur lokalen Bevölkerung wahren.

Sie leben in ihrer eigenen Blase und ihrer eigenen Welt. Jeder, der Zeit in Dauerkrisenhauptstädten verbracht hat, von Kabul über Juba bis Priština, wird diese Welt wiedererkennen – samt der Arroganz und des ständigen Politikversagens, für das man dann die Einheimischen verantwortlich macht.

Club der Nichts schaffenden Möchte gerne

Afghanistan-Erfahrung hat Autesserre nicht, aber ihre wenigen Sätze dazu illustrieren ihre Gesamtanalyse. „ ‚Peacelander‘ und Politiker betonen meistens die nationalen und internationalen Dimensionen von Afghanistans Kriegen: die Rebellionen, die der kommunistische Putsch von 1978 auslöste, die sowjetischen und amerikanischen Invasionen und der aktuelle Kampf der Regierung und ihrer westlichen Verbündeten gegen die Taliban und ihr internationales Netzwerk.

Es stimmt, dass all diese Konflikte seit über 40 Jahren ausgedehntes Blutvergießen verursacht haben. Aber das haben auch andere Problemfelder, die Afghanen erwähnen, sobald Forscher sich die Zeit nehmen, mit ihnen zu sprechen: Streit um lokale Macht, Land, Wasser, Schulden, Hochzeiten, Scheidungen und andere persönliche und finanzielle Dinge. Die Elitekämpfe, von denen die Auswärtigen ständig reden, schüren diese Spannungen – und werden von ihnen geschürt.“

Frieden von oben

Ähnliches stellt sie für Südsudan fest, für Darfur, für Kongo, Osttimor, Liberia, die Zentralafrikanische Republik und andere Länder, und sie fordert ein anderes Herangehen. Zwar seien nationale und internationale Friedensprozesse wichtig – aber sie allein beenden Konflikte nicht.

„Frieden von oben zu schaffen beendet nicht notwendigerweise Spannungen vor Ort. Wenn wir Gewalt in Konflikt- und Postkonfliktsituationen verstehen und damit umgehen wollen, müssen wir den Blick weiter richten als auf Eliten, Regierungen und Rebellenführer und auch provinzielle, lokale und individuelle Motiva­tio­nen einbeziehen. Konflikte müssen von oben und von unten gelöst werden.“

Quelle       :        TAZ-online           >>>>>           weiterlesen

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Oben     —   On a one-day visit to Tehran, German Foreign Minister Heiko Maas held a meeting with his Iranian counterpart Mohammad Javad Zarif on Monday at Iran’s Foreign Ministry Building.

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Unten        —       Globaalse ISIS-e vastase Koalitsiooni välisministrite kohtumine

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Debatte um CO2-Steuer

Erstellt von DL-Redaktion am 21. August 2021

Wider das tägliche Vollbad

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Von Bernward Janzing

In identischen Bauten schwankt der Heizenergieverbrauch zum Teil erheblich. Fair ist, bei der CO2-Steuer Vermietende und Mietende in die Pflicht zu nehmen.

Wiedervorlage nach der Bundestagswahl: Sollen Vermieter zumindest für einen Teil der CO2-Steuer aufkommen, die seit Jahresbeginn auf Heizöl und Erdgas erhoben wird? Schließlich haben sie es in der Hand, die Wohnungen zu sanieren. Oder sollen – wie aktuell Stand der Dinge – die Mieter den Aufpreis weiterhin alleine bezahlen? Die Parteien positionieren sich gemäß allen Erwartungen. Das linke Lager will die Vermieter in die Pflicht nehmen, das bürgerliche Lager hingegen die Kosten bei den Mietern belassen. So bedient jeder die Interessen seiner potenziellen Wählerschaft – typische Klientelpolitik eben.

Nähert man sich dem Thema jedoch analytisch, stößt man zwangsläufig auf eine Zahl, die für die Diskussion enorm wichtig ist, die gleichwohl bisher kaum thematisiert wird. Sie stammt von den Ablesefirmen der Wohnungswirtschaft und ist dort hinlänglich bekannt: In baulich identischen Wohnungen schwankt der Heizenergiebedarf je nach Verhalten der Mieter um bis zu Faktor vier. Jawohl: Faktor vier. Das ist üppig und für die politische Bewertung der CO2-Steuer höchst brisant. Denn der Vermieter müsste – würde ihm die Steuer ganz oder teilweise angelastet – plötzlich für die Heizgewohnheiten seiner Mieter finanziell geradestehen und nach einem Mieterwechsel im Extremfall das Vierfache an CO2-Steuer bezahlen, ohne es zuvor absehen, geschweige denn beeinflussen zu können. Schließlich kann er nicht vor Abschluss des Mietvertrags das Heizverhalten seiner Bewerber durchleuchten.

Das heißt: Lastet man die CO2-Steuer dem Vermieter an, wirft man die eingespielte Systematik der Trennung zwischen feststehender Kaltmiete und variablen Nebenkosten über den Haufen. Denn die CO2-Steuer ist nun einmal verbrauchsabhängig und damit von der Logik her dem Mieter anzulasten. Er beeinflusst den Anfall der Steuer durch sein Verhalten. Gemäß dieser Systemlogik darf und muss sich dann die energetische Qualität des Gebäudes wiederum in der Kaltmiete niederschlagen. Und zwar ausschließlich dort. Das heißt: In den Mietspiegeln muss schlechte Wärmedämmung stärker als bisher den kalkulatorischen Mietwert mindern. Ein massiver Abschlag bei der ortsüblichen Vergleichsmiete wäre dann ein Anreiz für die Sanierung.

Längst steht das Gezerre um die CO2-Steuer exem­pla­risch für eine etwas entrückte Effizienzdebatte im Gebäudesektor, in der das Nutzerverhalten kaum noch eine Rolle spielt. Alle Welt spricht nur noch von der Sanierung und ignoriert dabei, dass die Fortschritte durch Dämmung gering sein können, wenn diejenigen nicht mitspielen, die über die Macht zur Bedienung des Heizkörperventils verfügen. Das offenbart auch die Heizenergiestatistik in Deutschland. Der Verbrauch stagniert nämlich inzwischen – aller zusätzlichen Wärmedämmung zum Trotz.

Consequences of the floodings in Ahrweiler, Germany.56.jpg

Unmittelbar nach der Jahrtausendwende war das noch anders, da ging es von Jahr zu Jahr merklich nach unten: Von rund 240 Kilowattstunden pro Quadratmeter Wohnfläche sank der durchschnittliche Endenergieverbrauch binnen zehn Jahren auf rund 190 Kilowattstunden, wie Daten des Bundeswirtschaftsministeriums zeigen. Danach passierte ausweislich der Statistik nichts mehr; der Verbrauch schwankt seither zwischen 180 und 190 Kilowattstunden. Das ist auch deswegen bitter, weil alleine die Wohnungsunternehmen nach eigenen Angaben seit 2010 für weitere 340 Milliarden Euro energetisch modernisiert haben. Fragt man Energieexperten und die Wohnungswirtschaft nach möglichen Gründen für ausbleibende Fortschritte, ist von „offenen Fragen“ die Rede. Sofort fällt der Begriff „Rebound-Effekt“. Gemeint sind damit Änderungen im Nutzerverhalten, die gebäudetechnische Verbesserungen konterkarieren. Es werden dann Fragen gestellt wie: Leisten sich Hausbewohner, sobald das Objekt besser gedämmt ist, im Gegenzug höhere Raumtemperaturen? Heizen sie mehr als zuvor zusätzliche Räume, etwa das Schlafzimmer?

Quelle      :       TAZ-online             >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen       :

Oben         —   The intensity of a fire is all important in predicting its contribution to Greenhouse. A low intensity fire such as this one, will burn only the grassy fuels and the fine woody litter, and produce a little inert charcoal. A hot fire is more likely to kill trees and generate a large amount of charcoal. CSIRO research is refining the methods of inferring the intensity of fires that are visible to satellites during the day and night.

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Was 2001 + 2021 verbindet

Erstellt von DL-Redaktion am 19. August 2021

Kein Krieg für die Freiheit

1813 Rheinübergang, Denkmal auf linkem Ufer.jpg

Wird nicht so ziemlich jeder Krieg Posthum als Befreiungskrieg bezeichnet, um  auch die nächsten Krieger als Helden feiern zu können? Befreiung von Wem ? „

Ein Schlagloch von Georg Diez

US-Präsident George W. Bush begann den Afghanistan-Krieg, um von seinem Versagen abzulenken. Doch auch 20 Jahre später setzen sich Angst und Gewalt fort.

Im September 2001 fiel ein Mensch in Amerika von einem Hochhaus Hunderte Meter in den Tod, durch einen strahlend blauen Himmel. Im August 2021 fiel ein Mensch in Afghanistan von einem Flugzeug Hunderte Meter in den Tod, durch einen strahlend blauen Himmel. Was die beiden Ereignisse verbindet: Terror, Grauen, Trauer. Was die beiden Ereignisse trennt: 20 Jahre, 2 Billionen Dollar, weit über 100.000 getötete Zivilisten.

Das Versprechen war Freiheit, aber um Freiheit ging es nie wirklich, jedenfalls nicht für Afghanistan. Der Krieg, der unter dem Namen „Enduring Freedom“ kurz nach den Anschlägen von New York im Oktober 2001 begann, war ein Krieg, der nie hätte beginnen dürfen. Er wurde mutwillig herbeigeführt von George W. Bush, um Stärke zu zeigen und vom eigenen Versagen abzulenken. Die Geheimdienste hatten ihn gewarnt. Spätestens am 6. August 2001 war ihm bekannt, dass Anschläge geplant waren.

Er musste handeln, und er tat es in der verqueren Logik und Rhetorik, die einen Grundwiderspruch westlich hegemonialer Außenpolitik begleitet: Wo es um Macht ging, wurde die Freiheit vorgeschoben.

Tatsächlich, und auch das ist wichtig in diesen schlimmen Tagen, in denen die Taliban das Land im Handstreich wieder übernehmen, haben diese 20 Jahre nicht mehr Freiheit produziert – sondern im Gegenteil gerade auch in den Staaten des Westens ein Maß an Paranoia, Hass, Rassismus, Überwachung und Freiheitsentzug geschaffen, Ruinen der Rechtlosigkeit, Folter, Mord im Staatsauftrag und einen weit in die Privatrechte potenziell jedes Einzelnen eingreifenden Sicherheitsstaat, der die Gestalt der Demokratie – in den USA besonders, aber auch in den europäischen Partnerländern und in Deutschland – auf fundamentale Art und Weise verändert hat.

Es wurde eine „Herrschaft des Terrors“ errichtet, so nennt das der amerikanische Journalist und Pulitzerpreisträger Spencer Ackerman in seinem kürzlich auf Englisch erschienenen Buch „Reign of Terror“ – nicht von den Taliban, sondern durch amerikanische Politik, im Ausland wie im Inland. Das Buch ist beeindruckend in der Recherche, es ist erschütternd in der Analyse.

„Wie 9/11 Amerika destabilisierte und Trump produzierte“, so heißt es im Untertitel, und die Kontinuitäten einer Politik im rechts- und vor allem menschenrechtsfreien Raum, von Bush über Barack Obama zu Donald Trump, machen deutlich, dass mit dem chaotischen und so grausam zu beobachtenden Abzug der amerikanischen Truppen eine Ära zu Ende geht, die, wie Ackerman es beschreibt, die Türen geöffnet hat für das Dunkelste in unseren Demokratien.

Eine Macht wurde entfesselt, von den Neocons unter Bush, die glaubten, sie könnten diese Macht benutzen und beherrschen – Ackerman schildert eindrucksvoll, wie sich die Logik der Sicherheitsapparate und Geheimdienste mit den schier unbegrenzten Möglichkeiten der Datensammlung und -speicherung verbanden: Digitalität als Brandbeschleuniger staatlicher Übergriffigkeit. Massive Einschränkungen der Pressefreiheit und die Verfolgung etwa von Julian Assange und Edward Snowden.

1813 – 1833, Munich – To the Victims of the 1812-1813 napoléonic Russian campaign, plaques.jpg

Von der Mutter geboren – für den Vater gestorben ? Sind es nicht immer die gleichen Idioten welche für ein Land sterben ? Heil !

Und eine Exekutive, die die Grenzen dessen, was legal oder human ist, etwa durch einen generationenüberdauernden Drohnenkrieg ohne völkerrechtliche Basis, immer weiter verschob.

Folter, wie sie Jack Bauer in der Fernsehserie „24“ zelebrierte, wurde genehm, die Ermordung eigener Staatsbürger ohne Gerichtsverfahren wurde legitimiert, die radikale Ausweitung des Drohnenkriegs, speziell durch Obama, schuf durch die völkerrechtswidrige und generationenüberspannende Dauerbedrohung aus dem Himmel, so schildert es auch der französische Politikwissenschaftler Grégoire Chamayou in seinem Buch „Théorie du drone“, ein Gefühl von Hass, der verbindend war für die Kinder und Enkel der Opfer dieser oft fehlgeleiteten Angriffe.

Ein brauchbares Feindbild

Aber mehr noch, und hier ist Ackerman besonders relevant und in gewisser Ableitung auch auf Deutschland übertragbar: Der „Krieg gegen den Terror“ war tatsächlich ein Krieg gegen Muslime, er schuf das Feindbild, das er brauchte, die Bedrohung durch „den anderen“, einen Feind, der meistens braune Haut hatte und nicht Mike oder Monika mit Vornamen hieß.

Quelle         :        TAZ-online           >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —   First monument, erected in 1853, to commemorate the early January 1814 crossing of the Rhine River, decisive step towards the collapse of the napoléonic régime. The panel reads : Im Jahre des Heils 1813 // am 31 December um Mitternacht, // zog siegreich an dieser Stelle, // Fuerst Bluecher von Wahlstadt, // Feldmarschall, genannt Vorwaerts, // mit seinen Tapfern ueber den Rhein // zur Wiedergeburt Preussens // und des Deutschen Vaterlandes. Errichtet im November 1853 // durch Ferd. Diepenbrock und C. Dezin. That romantic simplified version of History omits to hint at the vastness of the military feat, best summarized by the Chapter Der Rheinübergang der Schlesischen Armee inserted in <► [1]. For the crossing proper <► [2].

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Offenbarungseid der Politik

Erstellt von DL-Redaktion am 1. August 2021

Noch gibt es Richter in Deutschland

Quelle:    Scharf  —  Links

Von Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam

Zum Versuch, die DKP platt zu machen

Mit üblen Tricks haben Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble und Bundeswahlleiter Georg Thiel versucht, die Deutsche Kommunistische Partei, DKP, von der Bundestagswahl im September auszuschließen und sie als Partei zu exekutieren. Erst das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe stoppte das Intrigenspiel. (1) ARD-aktuell befand erwartungsgemäß, an der Affäre sei nichts Besonderes. In ihren Fernsehnachrichten brachte sie kein Wort darüber. In ihrer Internet-Nische tagesschau.de bot die Redaktion neben den Kurzmeldungen „DKP wird nicht zur Bundestagswahl zugelassen“ (2) und, zwei Wochen später, „DKP darf doch bei der Bundestagswahl antreten“ (3) nur jeweils eine kurze Zusatznachricht (4). Alle Berichte wie üblich im billigen, oberflächlichen Stil, mit dem unsere unter- und desinformierte Gesellschaft mittlerweile abgespeist wird.

Zugegeben: Die DKP ist eine kleine Partei, gut organisiert, aber relativ einflusslos. Trotzdem wollten die von Schäuble dirigierte Bundestagsverwaltung und der von Thiel präsidierte Bundeswahlausschuss ihr den Status als politische Partei aberkennen, sie damit von der nächsten Bundestagswahl ausschließen und von der Bildfläche verschwinden lassen. Vorgeschobene Begründung: Die Partei habe in den letzten sechs Jahren keine gesetzlich vorgeschriebenen Rechenschaftsberichte vorgelegt. Eine Falschbehauptung, wie sich vor Gericht herausstellen sollte.

Kommunisten sind Traditions- und Dauerobjekt deutscher innenpolitischer Feindbildpflege. Schäuble und Thiel leisteten einen weiteren Beitrag dazu, und der öffentlich-rechtliche Rundfunk, voran die Tagesschau, gewährte Beihilfe, wie man es anders nicht mehr kennt.

Der Versuch, eine politische Partei zu zerschlagen, berührt den Zentralnerv eines demokratischen Staates.

Dass unsere Spitzenjournalisten das verheimlichten (oder nicht einmal begreifen?) und als Vertreter der „Vierten Gewalt“ kaum reagierten, beweist, welch großen Schaden die politische Kultur unseres Gemeinwesens bereits erlitten hat.

Kleiner Rückblick auf deutsche Antikommunismus-Tradition: Seit ihrer Gründung im Januar 1919 erwies sich die Partei der Kommunisten als kampfbereiter Interessenvertreter der Arbeiter und Benachteiligten und damit als erbitterte Gegner des faschistischen und des reaktionären Ungeistes. Für ihren Mut im Widerstand gegen die Nazis vor und während des Dritten Reiches zahlten die Kommunisten zu Abertausenden mit ihrem Leben, ganz im Gegensatz zu den opportunistischen Vorfahren von CDU und FDP. Bereits unmittelbar nach Hitlers Machtübernahme wurden mehr als 60.000 Kommunisten verhaftet. (5) Nirgends ist genau dokumentiert, wie viele insgesamt von den Nazis hingerichtet oder in den Konzentrationslagern umgebracht wurden (6), doch sind sich die Historiker einig, dass es Zehntausende waren.

Nach dem Krieg ging die Kommunistenverfolgung in Deutschland nach nur wenigen Jahren Unterbrechung weiter, fast so, als sei nichts gewesen. Die Regierung Adenauer setzte schließlich im August 1956 beim Bundesverfassungsgericht das Verbot der Partei durch. (7) Sie wurde aufgelöst, ihr Vermögen eingezogen, es gab zahllose Verhaftungen. (8) Abermals sahen sich zehntausende Kommunisten ins Exil gezwungen, die meisten flüchteten in die DDR. Das KPD-Verbot gilt heutzutage als rechtswidrig, als juristischer Gewaltakt. (9) Rückgängig gemacht wurde es trotzdem nicht.

Erst 12 Jahre später, 1968, gründeten die Kommunisten ihre Partei in der Bundesrepublik neu, jetzt mit dem Namen DKP – unter argwöhnischer Beobachtung seitens der etablierten politischen Kaste. (10) Und kaum ein Jahr danach, Willy Brandt und seine Sozialdemokraten waren soeben an die Regierung gelangt, lebte die Kommunistenverfolgung in subtiler Form wieder auf.

Die Zeit der Berufsverbote

Es begann das Jahrzehnt der Berufsverbote. Opfer waren nun Beamte und Angestellte des Öffentlichen Dienstes sowie ungezählte junge Menschen, die in staatlichen bzw. kommunalen Aufgabenfeldern eine berufliche Zukunft suchten. Grundlage für diesen erneuten Verfassungsbruch –

Niemand darf wegen seiner … politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden“ (11)

– war der sogenannte Radikalen-Erlass, den Brandt später bereute. (12)

Kein Respekt – selbst der Bundesgeier zeigt schon seine Zunge

Generell gilt: Kommunistenhass und Geschichtsklitterung gehören zur DNA der deutschen Nachkriegs-Geschichtsschreibung. Sie sind Substanzen unserer politischen Giftköche und journalistischen Hetzer. Das offizielle Deutschland reklamiert heute für sich eine entschieden antinazistische Einstellung. Glaubwürdig ist das nicht die Spur, wie schon ein Blick auf unsere Außenpolitik und die schamlose Berliner Unterstützung der Ukro-Nazis in Kiew zeigt. Innenpolitisch spricht der Umgang mit den Kommunisten seine eigene undemokratische Sprache. Sie werden trotz ihrer historischen und aktuellen Verdienste im Widerstand gegen Faschismus und Krieg aus dem öffentlichen Bewusstsein herausgehalten und vom Verfassungsschutz ausspioniert. Die Erinnerung an die beispielhaften Erfolge der frühen DDR, die unmittelbar nach ihrer Gründung systematisch Nazi-Verbrechen aufklärte und verfolgte, wurde vollends aus dem kollektiven Gedächtnis getilgt. (13)

Vor diesem Hintergrund mutet es wie ein Treppenwitz der Weltgeschichte an, dass nun politisches Spitzenpersonal, ausgerechnet zum 80. Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion, der DKP den Rest geben wollte. Bürokratische Tricks und verwaltungsrechtliche Mätzchen sollten zum Ziel führen.

Austragungsort der Intrige war die Sitzung des Bundeswahlausschusses am 8. und 9. Juli in Berlin. (14) Dem erlauchten 11er-Rat gehören acht Beisitzer an, die der Vorsitzende – zugleich Präsident des Statistischen Bundesamtes – auf Vorschlag der im Bundestag etablierten Parteien beruft. (15) Zwei weitere Mitglieder sind Richter am Bundesverwaltungsgericht.

Rechtsstaatlichkeit zweifelhaft

Die weltweit tätige Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD, hat bereits im Jahr 2009 erhebliche Zweifel an der rechtsstaatlich gebotenen Unabhängigkeit dieses Gremiums angemeldet. (16) Der Ausschuss entscheide weder nach gesetzlich definierten Kriterien noch seien Interessenkonflikte ausgeschlossen, weil seine Mitglieder aufgrund ihrer Parteizugehörigkeit über die Zulassung ihrer Konkurrenten befinden dürfen. Durchschlagende Konsequenzen zogen unsere deutschen Vorleute daraus nicht.

Auf tagesschau.de hieß es nun, formal wohl zutreffend, aber an der Realität vorbei:

Der Ausschuss prüft nur, ob die Bewerber für die Wahl die vorgeschriebenen Formalien einhalten. Eine inhaltliche Bewertung insbesondere der Programmatik der Parteien darf er nicht vornehmen.“ (Anm.3)

Eine typische ARD-Plattitüde, ohne Unterscheidung von Soll und Ist. Unsere Qualitätsjournalisten verdrängen, wie oft das Bundesverfassungsgericht schon mit seinen Entscheidungen rechtswidrige Akte der Politeliten hat blockieren oder korrigieren müssen. ARD-aktuell verlor kein kritisches Wort über den politischen Skandal, dass der Bundestagspräsident und der Bundeswahlleiter aufgrund willkürlich interpretierter Formvorschriften des Parteiengesetzes versuchten, eine seit Jahrzehnten aktive Partei im kalten Handstreich „platt“ zu machen.

In der Beratung am 8. Juli behauptete Bundeswahlleiter Thiel, die DKP habe keinen Anspruch, sich an der Bundestagswahl zu beteiligen. Sie habe entgegen dem Parteiengesetz die vorgeschriebenen Rechenschaftsberichte verspätet eingereicht. Laut Bundestagsverwaltung habe sie deshalb ihre Eigenschaft als Partei verloren. Auf den warnenden Einwand des Bundesverwaltungsrichters Langner, auch verspätet eingereichte Berichte seien doch Berichte, reagierte Thiel, indem er den Ball an den in der Sitzung anwesenden Vertreter Schäubles weiterspielte. Der behauptete daraufhin mit breiter Brust, die Vorschriften des Parteiengesetzes ließen keinen Raum, die DKP noch als politische Partei anzuerkennen: Verspätet eingereichte Berichte seien wie nicht eingereichte Berichte zu behandeln. (17)

Ein stärkeres Indiz, dass es sich dabei um ein abgekartetes Spiel zwischen Thiel und Schäubles Verwaltungsapparat handelte, ist schwerlich vorstellbar.

Als „kaltes Parteiverbot“ kritisierte denn auch der Verein demokratischer Juristen, VdJ, den Vorgang. Der Gesetzgeber habe eine solche Regelung – verspätete Rechenschaftsberichte führen zum Verlust der Parteistellung – „gar nicht erlassen können, da sie verfassungswidrig wäre”. (18) Schäuble, als Opfer eines Revolverattentats vor 31 Jahren auf den Rollstuhl angewiesen und zutiefst verbittert, erwies sich einmal mehr als Kommunistenfresser, der jetzt die Gelegenheit gekommen sah, an der DKP sein Mütchen zu kühlen. Er selbst kandidiert übrigens trotz seiner 79 Jahre im Herbst erneut für den Bundestag … (19)

Tricks und Intrigen

Belege dafür, dass er und Thiel die DKP in voller Absicht hatten auflaufen lassen wollen, gibt es zuhauf. Der DKP-Vorstand hatte am 5. September vorigen Jahres beim Bundeswahlleiter ausdrücklich nachgefragt, ob man die Anforderungen gemäß §23 Parteiengesetz zur Rechenschaftslegung erfülle. Am 8. September ließ Thiel wissen, er könne diese Frage nicht beantworten, das sei Aufgabe des Präsidenten des Deutschen Bundestags (W. Schäuble). Noch gleichentags schrieb der DKP-Vorstand daraufhin die Bundestagsverwaltung mit gleicher Fragestellung an. Eine Auskunft erhielt er jedoch auch hier nicht. (20)

Tatsächlich hatte Thiel vor der Wahlausschuss-Sitzung bei Schäuble nachgefragt, ob Rechenschaftsberichte der DKP vorlägen und die Mitteilung bekommen, dass es zwar Berichte gebe, die seien aber sämtlich verspätet eingegangen. Daraus bastelten die Schäuble-Bürokraten für den Wahlleiter den Vorschlag, der DKP die Parteieneigenschaft abzusprechen. Gegenüber dem Bundesverfassungsgericht behauptete Thiel, er sei ja nicht verpflichtet gewesen, die DKP hierüber in Kenntnis zu setzen. (21)

Die Schlussfolgerung drängt sich auf, dass Schäuble und Thiel eine fiese Intrige zwecks Ausschaltung der DKP spannen. Dem DKP-Vorstand kann man andererseits den Vorwurf nicht ersparen, dass er seinen politischen Feinden mit bemerkenswerter Blauäugigkeit auf den Leim ging, indem er annahm, sein Wahlzulassungs-Antrag werde sachgerecht behandelt.

Dass die Beisitzer dem Bundeswahlleiter Thiel während der Ausschusssitzung weitgehend das Feld überließen und nahezu alles einstimmig abnickten, was er ihnen auftischte, lässt tief in die antidemokratischen Abgründe der Berliner Politik blicken. Dass nur ein einziges Mitglied gegen den Ausschluss der DKP und gegen die Aberkennung ihrer Parteieigenschaft votierte – ausgerechnet ein Grüner (!) – zeigt, wie weit die Entmündigung des parlamentarischen Fußvolks bereits fortgeschritten ist. Die Linkspartei wird im September von vielen Wählern die Quittung dafür bekommen, dass ihre Vertreterin im Bundeswahlausschuss ebenfalls gegen die DKP stimmte. Der billige Versuch der PdL-Führung, „unglückliches Fehlverhalten einer Ersatzdelegierten“ vorzuschützen, beeindruckt keineswegs. (22)

Der Bock als Gärtner

Da wir nun schon mal bei den Personalien sind, lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit der beiden Haupttäter. Sofort fällt er dann auch auf die Schwarzgeldaffäre der CDU. Ihretwegen verlor der damalige Partei- und Fraktionsvorsitzende Schäuble vor 21 Jahren seine Posten und sein Renommee als seriöser Politiker. Er konnte/wollte den Verbleib einer Parteispende von 100 000 DM nicht erklären, die ihm ein bekannter Waffenschieber im CDU-Hauptquartier bar in die Hand gedrückt hatte. (23) Dass ausgerechnet dieser Schäuble Finanzminister und schließlich sogar Bundestagspräsident werden konnte, ist ein besonderes „Qualitätsmerkmal“ des Berliner Politikbetriebes. Dass er sich nun auch noch zum Tugend-Scharfrichter über die DKP aufschwang und die Kommunistenpartei wegen einer vergleichsweise läppischen Verfehlung kaputtmachen wollte, ist nicht mal mehr Realsatire, sondern bloß noch ein schlechter Witz.

Zoe Lofgren 2019.jpg

Welche der politischen Nieten hätte sich den Schlag verdient?

Mittäter Georg Thiel kann ebenso wenig mit blütenreiner Weste punkten. Bundesweit bekannt wurde er als Vorgesetzter mit hässlichen Führungseigenschaften. Ein THW-Mitarbeiter hat sich vor mehreren Jahren in seiner Münchner Dienststelle erhängt. Im Abschiedsbrief gab er seinem Chef die Schuld. Thiel habe ein „menschenverachtendes Arbeitsklima gezielt gefördert“, hieß es damals in Zeitungsberichten.

Wolfgang Schäuble, seinerzeit Innenminister und Thiels politischer Dienstherr, nahm seinen Mann jedoch in Schutz:

Der tragische Freitod eines Mitarbeiters im THW-Landesverband Bayern am 12. März hat uns alle tief bestürzt. … Die Sachverhaltsaufklärung durch das Innenministerium hat ergeben, dass Herr Dr. Thiel keine Verantwortung für den Freitod trägt und Vorwürfe in diesem Zusammenhang haltlos sind.“ (24)

Der somit Freigesprochene wurde allerdings wegbefördert, „auf eigenen Wunsch“. Schäuble ließ verlauten, er habe der Bitte um Versetzung entsprochen, um weiteren Schaden vom THW abzuwenden. Vom THW-Chef über eine Zwischenstation zum Präsidenten des Statistischen Bundesamtes (25): So sehen politische Reinwaschgänge aus.

Muster-Bürokrat

Der Vorwurf, Thiel lasse es an Führungsqualitäten mangeln, blieb dennoch an ihm haften und fand neue Bestätigung. Zeit Online zitiert Klagen der Mitarbeiterschaft: Thiel führe das Bundesamt für Statistik mit einem System aus Angst und Druck. (26) Es kam knüppeldicke: menschenverachtender Führungsstil, Steuerverschwendung, Vetternwirtschaft. (27) Wundert sich nun noch jemand darüber, dass dieser Muster-Bürokrat Beihilfe zur versuchten Zerstörung der DKP leistete?

Der Machtmissbrauch an der Spitze unserer Republik verlässt sich auf das Schweigen bzw. Versagen der ARD-aktuell als kontrollierender Wächter der Demokratie. Der Verzicht auf kritische Distanz und purer Verlautbarungsjournalismus im Sinne der Regierenden fördern die unverschämten Auftritte der Politdarsteller und ihrer Ministerialbürokratie. Wäre da nicht die Justiz – die Dritte Macht im Staat neben Parlament und Regierung – sähe es hierzulande noch weit finsterer aus.

Im vorliegenden Fall verhinderte sie den Exitus der DKP. Noch gibt es Richter in Deutschland! (28)

Mit seiner Presseerklärung, es sei den ungezählten nationalen und internationalen Solidaritätsbekundungen zu danken, dass das Bundesverfassungsgericht der Parteibeschwerde stattgab (29), tut der DKP-Vorstand sich selbst und seiner Partei keinen Gefallen. Er unterstellt damit, wenn auch nur indirekt und vermutlich ungewollt, der Beschluss sei nach sachfremden und opportunen Erwägungen erfolgt. Dessen Wert besteht aber gerade darin, dass die Verfassungsrichter eben nicht Beifall heischend und populistisch entschieden. Sie begründen vielmehr juristisch einwandfrei, warum auch die DKP gemäß Grundgesetz Anspruch auf Wahlteilnahme hat und ihr Status als Partei zu respektieren ist.

Ein Offenbarungseid

ARD-aktuell hätte zumindest auf ihren diskreten Internetseiten ausreichend Platz gehabt, Schäubles und Thiels Anschlag auf die DKP als dreiste Verletzung demokratischer Prinzipien darzustellen und über diesen Skandal umfassend zu informieren. Eine Kurzmeldung in der 20-Uhr-Tagesschau mit Verweis auf ausführliche Berichte im Internet wäre das Mindeste gewesen. Dazu hätte es allerdings größerer analytischer Fähigkeiten, eines breiteren politischen Bewusstseins und eines stärkeren journalistischen Rückgrats bedurft, als die Hauptabteilung ARD-aktuell wieder mal demonstriert.

Die Redaktion sonnt sich eben lieber im Wohlwollen der Berliner Machthaber. Sie gibt deshalb deren Verschwörungstheorien über russische Fake News und angeblich drohende Cyber-Attacken auf die Bundestagswahl vorbehaltlos als Nachrichten weiter und denkt nicht mal im Traum daran, den böswilligen Schmarren infrage zu stellen. (30) Die bedingungslose journalistische Anpasserei schützt vor internem Ärger. Christine Strobl, Schäubles Tochter und Ehefrau des baden-württembergischen Innenministers Thomas Strobl, wurde kürzlich zur ARD-Programmdirektorin ernannt (31). Seitdem ist der informelle Weg vom Bundestagspräsidenten zur Tagesschau-Redaktion noch erheblich kürzer geworden.

Quellen und Anmerkungen:

  1. http://www.bverfg.de/e/cs20210722_2bvc000821.html
  2. https://www.tagesschau.de/inland/btw21/dkp-bundestagswahl-101.html
  3. https://www.tagesschau.de/inland/btw21/dkp-109.html
  4. https://www.tagesschau.de/suche2.html?query=DKP&sort_by=date
  5. http://widerstandsausstellung.m-o-p.de/ausstellung/kpd.htm
  6. https://encyclopedia.ushmm.org/content/de/article/documenting-numbers-of-victims-of-the-holocaust-and-nazi-persecution
  7. https://www1.wdr.de/stichtag/stichtag-bundesverfassungsgericht-verbot-kpd-100.html
  8. https://www.deutschlandfunkkultur.de/das-kpd-verbot.984.de.html?dram:article_id=153331
  9. https://www.deutschlandfunk.de/kpd-verbot-ueber-ein-verfassungswidriges-verfahren.1310.de.html?dram:article_id=406087
  10. https://www1.wdr.de/stichtag/stichtag-deutsche-kommunistische-partei-dkp-100.html
  11. https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_3.html
  12. https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Radikalenerlass
  13. https://www.gedenkstaettenforum.de/nc/publikationen/publikation/news/die_verfolgung_der_nazi_verbrechen_in_ost_und_west/
  14. https://bundeswahlleiter.de/info/presse/mitteilungen/bundestagswahl-2021/13_21_1bwa-uebertragung.html
  15. https://www.bundeswahlleiter.de/service/glossar/b/bundeswahlausschuss.html
  16. https://www.osce.org/de/odihr/elections/germany/40879
  17. https://www.bundestag.de/mediathek?videoid=7531731#url=L21lZGlhdGhla292ZXJsYXk/dmlkZW9pZD03NTMxNzI5Jm1vZD1tb2Q1MzY2Njg=&mod=mediathek (ab Minute 22)
  18. https://www.vdj.de/mitteilungen/nachrichten/nachricht/kaltes-parteiverbot-vdj-kritisiert-nichtzulassung-der-dkp-zur-btw-als-verfassungswidrig-und-undemokratisch/
  19. https://www.zeit.de/politik/deutschland/2020-09/bundestagswahl-2021-wolfgang-schaeuble-kandidat-cdu-offenburg-bundestagspraesident
  20. Beschwerdebegründung des DKP-Anwalts H.-E. Schultz, Berlin, v. 12.07. 21 vor dem Bundesverfassungsgericht (liegt den Autoren vor)
  21. Beschwerde-Erwiderung des Bundeswahlleiters vom 16.07. 21 (liegt den Autoren vor)
  22. https://www.jungewelt.de/artikel/406408.zukunft-der-dkp-bedroht-mittlerweile-bedauern-das-alle.html?sstr=Bundeswahlausschuss
  23. https://www.deutschlandfunk.de/cdu-spendenaffaere-vor-20-jahren-wolfgang-schaeubles.871.de.html?dram:article_id=470343
  24. https://www.zeit.de/politik/deutschland/2021-05/georg-thiel-statistisches-bundesamt-vorwuerfe-mitarbeiter-fuehrungsstil-bundeswahlleiter
  25. https://www.thw.de/SharedDocs/Meldungen/DE/Pressemitteilungen/national/2006/03/meldung_004.html?noMobile=1
  26. https://www.destatis.de/DE/Ueber-uns/Geschichte/praesident-thiel.html
  27. https://www.spiegel.de/panorama/statistisches-bundesamt-mitarbeiter-erheben-vorwuerfe-gegen-bundeswahlleiter-georg-thiel-a-e201dde7-6e41-419c-b1a6-cba31258a7af#ref=rss
  28. Anspielung auf den legendären Protestsatz, den der „Potsdamer Müller“ dem Preußenkönig Friedrich II. zurief: „Noch gibt es Richter in Berlin!“
  29. https://www.unsere-zeit.de/sieg-der-solidaritaet-158455/
  30. https://www.tagesschau.de/inland/btw21/sicherheit-bundestagswahl-101.html
  31. https://www.deutschlandfunk.de/neue-ard-programmdirektorin-interessenkonflikte-bei.2907.de.html?dram:article_id=484866

Das Autoren-Team: 

Friedhelm Klinkhammer, Jahrgang 1944, Jurist. 1975 bis 2008 Mitarbeiter des NDR, zeitweise Vorsitzender des NDR-Gesamtpersonalrats und des ver.di-Betriebsverbandes sowie Referent einer Funkhausdirektorin.

Volker Bräutigam, Jahrgang 1941, Redakteur. 1975 bis 1996 Mitarbeiter des NDR, zunächst in der Tagesschau, von 1992 an in der Kulturredaktion für N3. Danach Lehrauftrag an der Fu-Jen-Universität in Taipeh.

Anmerkung der Autoren:

Unsere Beiträge stehen zur freien Verfügung, nichtkommerzielle Zwecke der Veröffentlichung vorausgesetzt. Wir schreiben nicht für Honorar, sondern gegen die „mediale Massenverblödung“ (in memoriam Peter Scholl-Latour). Die Texte werden vom Verein „Ständige Publikumskonferenz öffentlich-rechtlicher Medien e.V.“ dokumentiert: https://publikumskonferenz.de/blog

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Oben        —   Erster Senat – Zusammensetzung bis 15. Juni 1989; v. li.: Alfred SöllnerOtto SeidlHermann HeußnerRoman HerzogJohann Friedrich HenschelDieter GrimmThomas DieterichHelga Seibert – vor dem Adlerrelief aus dem Jahr 1969 von Hans Kindermann (retuschiertes Bild)

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Krieg – GB und Russland

Erstellt von DL-Redaktion am 26. Juni 2021

„Nächstes Mal werden wir das Ziel bombardieren“

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Quelle:    Scharf  —  Links

Von Michael Pröbsting, International Secretary of the Revolutionary Communist International Tendency (RCIT), 24. Juni 2021, www.thecommunists.net , aus dem Englischen übersetzt von Udo Hase

Schießerei im Schwarzen Meer zwischen Großbritannien und Russland zeigt, dass der Kapitalismus im Verfall in Richtung Krieg stolpert

Man kann die Bedeutung des Vorfalls im Schwarzen Meer, der sich am 23.06. zwischen russischen und britischen Streitkräften ereignete, kaum unterschätzen. Ein britisches Kriegsschiff war in Gewässer in der Nähe von Sewastopol, dem wichtigsten russischen Marinestützpunkt auf der Krim, eingedrungen. Als der britische Zerstörer die russische Warnung via Funk ignorierte, gab ein russisches Patrouillenschiff Warnschüsse ab und ein russischer Su-24-Bomber warf auch vier Bomben vor dem Schiff ab, um es zu einem Kurswechsel zu zwingen (was es Minuten später tat).

Wie wir in unserer Dringlichkeitserklärung feststellten:

„Dies ist eine dramatische Eskalation des Kalten Krieges zwischen den imperialistischen Großmächten. Es war das erste Mal seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991, dass Moskau den Einsatz von scharfer Munition zur Abschreckung eines NATO-Kriegsschiffs zugab. “ i[1]

Während London gesichtswahrend versucht, den Vorfall herunterzuspielen, warnt Russland Großbritannien davor, Verletzungen Seiner Gewässer zu wiederholen. Russlands stellvertretender Außenminister Sergej Rjabkow sagte heute, dass das nächste Mal, wenn Warnung nicht beachtet werden, russische Kräfte „das Ziel bombardieren“ werden. Rjabkow sagte am Donnerstag, dass „die Unverletzlichkeit der russischen Grenzen ein absolutes Gebot ist“ und fügte hinzu, dass sie „mit allen Mitteln, diplomatische, politische und militärische, wenn nötig“, geschützt werde. (…) Auf die Frage, was Russland tun würde, um solche Eindringlinge in Zukunft zu verhindern, sagte Rjabkow Reportern, dass es bereit sein würde, auf Ziele zu schießen, wenn Warnungen nicht funktionieren. „Wir können uns an die Vernunft wenden und fordern, das Völkerrecht zu respektieren“, sagte Rjabkow laut der Nachrichtenagentur Interfax. „Wenn es nicht hilft, können wir Bomben abwerfen und nicht nur vor den Bug, sondern direkt auf das Ziel, wenn die Kollegen der Streitkräfte es anders nicht abwenden können.“ ii[2]

Diese Drohungen spiegeln die massive Eskalation der Spannungen zwischen den imperialistischen Großmächten wider. iii[3] Die kapitalistische Weltwirtschaft ist in die schlimmste Depression seit 1929 eingetreten. iv[4] Der globale Klassenkampf – Massenmobilisierungen und Volksaufstände – hat ein Niveau erreicht, das seit der Periode 1968-76 nicht mehr gesehen wurde. v[5] Es ist kein Zufall, dass die herrschenden Klassen unter solchen Bedingungen mit ähnlichen Methoden reagieren.

Einerseits erweitern sie den Polizei- und Überwachungsstaat, indem sie die SARS-CoV-2-Pandemie als Vorwand nutzen. Die RCIT nennt diese antidemokratische Offensive die COVID-19 Konterrevolutionvi[6] Auf der anderen Seite beschleunigt die herrschende Klasse – insbesondere die der Großmächte (USA, China, EU, Russland und Japan) – ihre aggressive Außenpolitik gegenüber ihren Rivalen. Deshalb charakterisieren wir diese völlig neue Entwicklung als eine Verschiebung hin zum chauvinistischen Staat.

Mit der Verschärfung der Krise des Kapitalismus verschärft sich auch die Rivalität zwischen den imperialistischen Mächten. Tatsächlich erwarten viele US-Strategen eine militärische Konfrontation mit China in nicht allzu ferner Zukunft. James G. Stavridis, ein pensionierter Admiral der US Navy und derzeit stellvertretender Vorsitzender der Carlyle Group und Vorsitzender des Kuratoriums der Rockefeller Foundation, hat kürzlich ein Bestseller mit dem Titel „2034: A Novel of the Next World War„veröffentlicht. vii[7] In diesem Buch beschreibt der Autor – aus der Rolle eines angesehenen Militärexperten und Vertreters einer Symbiose von Militarismus und Monopolkapitalismus – in Form eines Romans, einen Krieg zwischen den USA und China der mit einer Konfrontation im Südchinesischen Meer beginnt.

Verschiedene hochrangige Kommandeure haben zu diesem Buch kommentiert, dass es zwar richtig mit dem bevorstehenden Krieg zu recht kommt, das Datum aber zu spät festgelegt werden könnte. Ein solcher Krieg könnte bereits 2024 oder 2026 beginnen. viii[8]

Angesichts einer derart dramatisch zunehmenden Rivalität zwischen den Großmächten und der Militarisierung der Außenpolitik ist es für Marxisten dringend erforderlich, die Natur solcher Konflikte zu verstehen. Das sind interimperialistische Konflikte, in denen alle Staaten reaktionäre Ziele verfolgen. Keiner von ihnen – weder die USA, China, die EU, Russland und Japan – repräsentiert etwas Progressives. Alle sind imperialistische Großmächte, denen Sozialisten keine Unterstützung geben dürfen.

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Sie müssen in solchen Konflikten vielmehr eine kämpferische Positiogegen alle Beteiligten einnehmen. Hier gibt es kein „kleineres Übel“ für die Arbeiterklasse und unterdrückte Völker. Die Aufgabe besteht vielmehr darin, solche Konflikte zu nutzen, um den Klassenkampf zu intensivieren und letztlich alle kapitalistischen herrschenden Klassen zu stürzen!

[1] RCIT: Russland feuert Warnschüsse gegen britisches Kriegsschiff im Schwarzen Meer ab. Down mit Cold Warmongering! Keine Unterstützung für eine imperialistische Großmacht – weder Großbritannien, die USA noch Russland! 24. Juni 2021, https://www.thecommunists.net/worldwide/global/russia-fires-warning-shots-against-uk-warship-in-black-sea/

[2] Vladimir Isachenkov: Russland sagt das nächste Mal, wenn es feuert, um eindringende Kriegsschiffe zu treffen, 2021-06-24 https://apnews.com/article/europe-russia-government-and-politics-79607be2e80ec0ae4fcbc9a005742b37

[3] Zur RCIT-Analyse der Rivalität der Großmacht und des Aufstiegs Chinas und Russlands als imperialistische Mächte siehe die Literatur, die im speziellen Unterabschnitt auf unserer Website erwähnt wird: https://www.thecommunists.net/theory/china-russia-as-imperialist-powers/. Insbesondere beziehen wir uns auf das Buch von Michael Pröbsting: Antiimperialismus im Zeitalter der Großmachtrivalität. Die Faktoren hinter der beschleunigten Rivalität zwischen den USA, China, Russland, der EU und Japan. A Critique of the Left es Analysis and an Outline of the Marxist Perspective, RCIT Books, Januar 2019, https://www.thecommunists.net/theory/anti-imperialism-in-the-age-of-great-power-rivalry/. Siehe auch unsere zahlreichen Dokumente zum Globalen Handelskrieg, die auf einer speziellen Unterseite auf unserer Website gesammelt wurden: https://www.thecommunists.net/worldwide/global/collection-of-articles-on-the-global-trade-war/. Siehe auch die neueste Broschüre von Michael Pröbsting:“A Really Good Quarrel“. Treffen zwischen den USA und China in Alaska: Der interimperialistische Kalte Krieg geht weiter, 23. März 2021, https://www.thecommunists.net/worldwide/global/us-china-alaska-meeting-shows-continuation-of-inter-imperialist-cold-war/

[4] Siehe z.B. Michael Pröbsting:Nein, das Corona-Virus ist nicht die Hauptursache für den weltweiten Konjunktureinbruch! Bourgeois Media Officially Recognize the Beginning of another Great Recession, 3 March 2020, https://www.thecommunists.net/worldwide/global/corona-virus-is-not-themain-cause-of-global-economic-slump/; Chapter „Another Great Recession has startedinRCIT: World Perspectives 2020: A Pre-Revolutionary Global Situation. Thesen zur Weltsituation, zu den Perspektiven des Klassenkampfes und den Aufgaben der Revolutionäre, 8. Februar 2020, https://www.thecommunists.net/theory/world-perspectives-2020/; Michael Pröbsting:Eine weitere große Rezession der kapitalistischen Weltwirtschaft hat begonnen. Die Wirtschaftskrise ist ein wichtiger Faktor in der aktuellen dramatischen Verschiebung der Weltlage, 19. Oktober 2019, https://www.thecommunists.net/worldwide/global/another-great-recession-of-the-capitalist-world-economy-hasbegun/; sieheauch Michael Pröbsting: Die nächste drohende große Rezession. Beobachtungen zum jüngsten Börseneinbruch und zur Strukturkrise der kapitalistischen Weltwirtschaft, 12. Oktober 2018, https://www.thecommunists.net/theory/the-next-looming-great-recession/

[5] Sehen Sie dazu z.B. Michael Pröbsting: InteressanteEinschätzungen des globalen Klassenkampfes durch einen bürgerlichen Think Tank. Ein Kommentar zu den Ergebnissen der aktuellen Ausgabe des „Global Peace Index“ des „Institute for Economics & Peace“, 21. Juni 2021, https://www.thecommunists.net/worldwide/global/interesting-assessments-of-the-global-class-struggle-by-a-bourgeois-think-tank/

[6] Das RCIT hat die COVID-19-Gegenrevolution seit ihren Anfängen ausgiebig analysiert. Seit dem 2. Februar 2020 haben wir fast 90 Broschüren, Essays, Artikel und Statements sowie ein Buch veröffentlicht, die alle auf einer speziellen Unterseite auf unserer Website zusammengestellt sind: https://www.thecommunists.net/worldwide/global/collection-of-articles-on-the-2019-corona-virus/. Insbesondere verweisen wir die Leser auf das RCIT Manifesto: COVID-19: A Cover for a Major Global Counterrevolutionary Offensive. Wir befinden uns an einem Wendepunkt in der Weltlage, da die herrschenden Klassen eine kriegsähnliche Atmosphäre provozieren, um den Aufbau chauvinistischerstaatsbonapartistischer Regime zu legitimieren, 21. März 2020, https://www.thecommunists.net/worldwide/global/covid-19-a-cover-for-a-major-global-counterrevolutionary-offensive/. Darüber hinaus machen wir auf unser Buch von Michael Pröbstingaufmerksam: The COVID-19 Global Counterrevolution: What It Is and How to Fight It. Eine marxistische Analyse und Strategie für den revolutionären Kampf, RCIT Books, April 2020, https://www.thecommunists.net/theory/the-covid-19-global-counterrevolution/. Siehe auch unseren allerersten Artikel zu diesem Thema von Almedina Guni‘: Coronavirus: „Ich bin kein Virus“… aber WIR werden die Heilung sein! Die chauvinistische Kampagne hinter der Hysterie des „Wuhan Coronavirus“ und der revolutionären Antwort, 2. Februar 2020, https://www.thecommunists.net/worldwide/global/wuhan-virus/; Michael Pröbsting: Die zweite Welle der COVID-19 Konterrevolution. Über die herrschende Klassenstrategie in der gegenwärtigen Konjunktur, ihre inneren Widersprüche und die Perspektiven der Arbeiter und des Volkswiderstands, 20. Juli 2020, https://www.thecommunists.net/worldwide/global/the-second-wave-of-the-covid-19-counterrevolution/;vom selben Autor: Der Polizei- und Überwachungsstaat in der Post-Lockdown-Phase. Eine globale Überprüfung der Pläne der herrschenden Klasse zur Erweiterung der bonapartistischen Staatsmaschinerie inmitten der COVID-19-Krise, 21. Mai 2020, https://www.thecommunists.net/worldwide/global/police-and-surveillance-state-in-post-lockdown-phase/; COVID-19: Die Große Barrington-Erklärung ist in der Tat großartig! Zahlreiche Mediziner protestieren gegen die reaktionäre Sperrpolitik, 11. Oktober 2020, https://www.thecommunists.net/worldwide/global/covid-19-the-great-barrington-declaration-is-indeed-great/; Michael Pröbsting: COVID-19: The Current and Historical Roots of Bourgeois Lockdown „Socialism“. Polizeistaat und allgemeines Grundeinkommen sind Schlüsselelemente der neuen Version des reformistischen „Kriegssozialismus“ von 1914, 19. Dezember 2020, https://www.thecommunists.net/theory/covid-19-the-current-and-historical-roots-of-bourgeois-lockdown-socialism/.

[7] Elliot Ackerman und James Stavridis: 2034: A Novel of the Next World War, New York, Penguin Press, 2021

[8] GFP: Der große Krieg. US-Militärs debattieren über einen Krieg der Vereinigten Staaten gegen China. Der könnte „vielleicht schon 2026 oder 2024“ beginnt, 2021-06-18 https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8632/

i[1] RCIT: Russland feuert Warnschüsse gegen britisches Kriegsschiff im Schwarzen Meer ab. Down mit Cold Warmongering! Keine Unterstützung für eine imperialistische Großmacht – weder Großbritannien, die USA noch Russland! 24. Juni 2021, https://www.thecommunists.net/worldwide/global/russia-fires-warning-shots-against-uk-warship-in-black-sea/

ii[2] Vladimir Isachenkov: Russland sagt, dass es das nächste Mal feuern kann, um eindringende Kriegsschiffe zu treffen, 2021-06-24 https://apnews.com/article/europe-russia-government-and-politics-79607be2e80ec0ae4fcbc9a005742b37

iii[3] Zur RCIT-Analyse der Rivalität der Großmacht und des Aufstiegs Chinas und Russlands als imperialistische Mächte siehe die Literatur, die im speziellen Unterabschnitt auf unserer Website erwähnt wird: https://www.thecommunists.net/theory/china-russia-as-imperialist-powers/. Insbesondere wir siehe das Buch von Michael Pröbsting: Antiimperialismus im Zeitalter der Großmachtrivalität. Die Faktoren hinter der beschleunigten Rivalität zwischen den USA, China, Russland, Eu und Japan. A Critique of the Left es Analysis and an Outline of the Marxist Perspective, RCIT Books, Januar 2019, https://www.thecommunists.net/theory/anti-imperialism-in-the-age-of-great-power-rivalry/. Siehe auch unsere zahlreichen Dokumente zum Globalen Handelskrieg, die auf einer speziellen Unterseite auf unserer Website gesammelt wurden: https://www.thecommunists.net/worldwide/global/collection-of-articles-on-the-global-trade-war/. Siehe auch die neueste Broschüre von Michael Pröbsting: „Ein wirklich guter Streit“. Treffen zwischen den USA und China in Alaska: Der interimperialistische Kalte Krieg geht weiter, 23. März 2021, https://www.thecommunists.net/worldwide/global/us-china-alaska-meeting-shows-continuation-of-inter-imperialist-cold-war/

iv[4] Siehe hier E.g. Michael Pröbsting: Nein, das Corona-Virus ist nicht die Hauptursache für den globalen Konjunktureinbruch! Bourgeois Media offiziell erkennen den Beginn einer weiteren Großen Rezession, 3. März 2020, https://www.thecommunists.net/worldwide/global/corona-virus-is-not-themain-cause-of-global-economic-slump/; Kapitel „Eine weitere Große Rezession hat begonnen“ in RCIT: World Perspectives 2020: A Pre-Revolutionary Global Situation. Thesen zur Weltsituation, die Perspektiven für den Klassenkampf und die Aufgaben der Revolutionäre, 8. Februar 2020, https://www.thecommunists.net/theory/world-perspectives-2020/; Michael Pröbsting: Eine weitere große Rezession der kapitalistischen Weltwirtschaft hat begonnen. Die Wirtschaftskrise ist ein wichtiger Faktor für die aktuelle dramatische Verschiebung der Weltlage, 19. Oktober 2019, https://www.thecommunists.net/worldwide/global/another-great-recession-of-the-capitalist-world-economy-hasbegun/; siehe auch Michael Pröbsting: Die nächste drohende Große Rezession. Beobachtungen zum jüngsten Börseneinbruch und zur Strukturkrise der kapitalistischen Weltwirtschaft, 12. Oktober 2018, https://www.thecommunists.net/theory/the-next-looming-great-recession/

v[5] Siehe hier E.g. Michael Pröbsting: Interessante Bewertungen des globalen Klassenkampfes durch einen bürgerlichen Think Tank. Ein Kommentar zu den Ergebnissen der aktuellen Ausgabe des „Global Peace Index“ des „Institute for Economics & Peace“, 21. Juni 2021, https://www.thecommunists.net/worldwide/global/interesting-assessments-of-the-global-class-struggle-by-a-bourgeois-think-tank/

vi[6] Das RCIT hat die COVID-19-Gegenrevolution seit ihren Anfängen ausgiebig analysiert. Seit dem 2. Februar 2020 haben wir fast 90 Broschüren, Essays, Artikel und Statements sowie ein Buch veröffentlicht, die alle auf einer speziellen Unterseite auf unserer Website zusammengestellt sind: https://www.thecommunists.net/worldwide/global/collection-of-articles-on-the-2019-corona-virus/. Insbesondere wir verweisen Leser auf das RCIT Manifest: COVID-19: A Cover for a Major Global Counterrevolutionary Offensive. Wir befinden uns an einem Wendepunkt in der Weltlage, da die herrschenden Klassen eine kriegerische Atmosphäre provozieren, um den Aufbau chauvinistischer Staats-bonapartist 21. März 2020, https://www.thecommunists.net/worldwide/global/covid-19-a-cover-for-a-major-global-counterrevolutionary-offensive/. Darüber hinaus machen wir auf unser Buch von Michael aufmerksam Pröbsting: Die COVID-19 Global Counterrevolution: What It Is and How to Fight It. Eine marxistische Analyse und Strategie für den revolutionären Kampf, RCIT Books, April 2020, https://www.thecommunists.net/theory/the-covid-19-global-counterrevolution/. Siehe auch unseren allerersten Artikel zu diesem Thema von Almedina Gunié: Coronavirus: „Ich bin kein Virus“… aber WIR werden die Heilung sein! Die chauvinistische Kampagne hinter der Hysterie des „Wuhan Coronavirus“ und der revolutionären Antwort, 2. Februar 2020, https://www.thecommunists.net/worldwide/global/wuhan-virus/; Michael Pröbsting: Die zweite Welle der COVID-19 Konterrevolution. Zur herrschenden Klassenstrategie in der gegenwärtigen Konjunktur, ihren inneren Widersprüchen und den Perspektiven der Arbeiter und des Volkswiderstands, 20. Juli 2020, https://www.thecommunists.net/worldwide/global/the-second-wave-of-the-covid-19-counterrevolution/; von demselben Autor: Der Polizei- und Überwachungsstaat in der Post-Lockdown-Phase. Eine globale Überprüfung der Pläne der herrschenden Klasse zur bonapartist Staatsmaschinen inmitten der COVID-19-Krise, 21. Mai 2020, https://www.thecommunists.net/worldwide/global/police-and-surveillance-state-in-post-lockdown-phase/; COVID-19: Die Große Barrington-Erklärung ist in der Tat großartig! Zahlreiche Mediziner protestieren gegen die reaktionäre Sperrpolitik, 11. Oktober 2020, https://www.thecommunists.net/worldwide/global/covid-19-the-great-barrington-declaration-is-indeed-great/; Michael Pröbsting: COVID-19: The Current and Historical Roots of Bourgeois Lockdown „Socialism“. Polizeistaat und allgemeines Grundeinkommen sind Schlüsselelemente der neuen Version des reformistischen „Kriegssozialismus“ von 1914, 19. Dezember 2020, https://www.thecommunists.net/theory/covid-19-the-current-and-historical-roots-of-bourgeois-lockdown-socialism/.

vii[7] Elliot Ackerman und James Stavridis: 2034: A Novel of the Next World War, New York, Penguin Press, 2021

viii[8] GFP: Der große Krieg. US-Militärs debattieren über einen Krieg der Vereinigten Staaten gegen China. Der könnte „vielleicht schon 2026 oder 2024“ beginnt, 2021-06-18 https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8632/

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Unser Miteinander

Erstellt von DL-Redaktion am 23. Mai 2021

Juden pro Israel – Muslime pro Palästina 

Save Sheikh Jarrah Protest, May 15, 2021 (51181066752).jpg

Von Saba-Nur Cheema und Meron Mendel

Ist Krieg in Nahost, bilden sich auch hier Lager – pro Israel, pro Palästina. Dabei sollten sich die, die ernsthaft für Frieden sind, nicht hinter Nationalflaggen versammeln.

Was ist los bei euch im Nahen Osten? Warum kriegt ihr das nicht hin mit dem Frieden? In Europa haben wir es doch auch geschafft.“ Fragen, die wohl alle hier lebenden Juden und Muslime kennen. Gerade jetzt: Alle sind wir plötzlich wieder Botschafter der Israelis oder Palästinenser, und alle sollen wir gefälligst eine einfache Lösung für ein komplexes Problem aus der Tasche zaubern.

Doch längst schon verlaufen die Konfliktlinien nicht nur „da unten“. In der Migrationsgesellschaft bestimmen globale Konflikte auch immer das Zusammenleben hierzulande. Die Auseinandersetzungen zwischen türkischen Nationalisten und Kurden, zwischen Russen und Ukrainern werden auch auf deutschen Schulhöfen ausgetragen. Die Besonderheit des Nahostkonflikts besteht darin, dass nicht nur die unmittelbar betroffenen Gruppen, Israelis und Palästinenser, mobilisiert werden. Ganz selbstverständlich stehen sich hier, scheinbar unversöhnlich, Juden und Muslime gegenüber.

Die Demonstrationen der vergangenen Tage sind ein trauriger Beweis dafür, wie dünn das Eis ist, auf dem das Zusammenleben von Juden und Muslimen hierzulande ruht. Auf der einen Seite die blau-weiße Fahne Israels; auf der anderen Seite, neben den Fahnen von Palästina und Hamas, auch die der Türkei, von Pakistan, Syrien und Afghanistan. Vornehmlich islamisch geprägte Staaten, in denen der Hass gegen den israelischen Staat weit verbreitet, oft sogar Teil der Staatspropaganda ist. Es ist tragisch, wenn gerade die nationalistischen Stimmen aus den jeweiligen Communities auf die Straße gehen. Wir glauben, dass die große Mehrheit der deutschen Muslime und Juden den Menschen in Nahost eine fried­liche Lösung wünschen. Wir glauben, dass das Erstarken von Nationalismus auf beiden Seiten Teil des Problems ist und nicht der Lösung. Wir glauben, dass diejenigen, die ernsthaft für Frieden in Nahost streiten möchten, sich nicht erst einmal hinter National­flaggen sammeln sollten.

Wie schon bei früherer Gelegenheit reagieren die offiziellen Vertretungs­organe beider Religionsgemeinschaften in Deutschland mit reflexhaften Parteinahmen. Sowohl der Zentralrat der Juden als auch der Koordinationsrat der Muslime, der die größten islamischen Verbände eint, wussten beide sehr früh, wer Schuld an der Eskalation trägt, und veröffentlichten gleichzeitig am 12. Mai ihre Statements.

Für die Muslime war klar, dass „der Ausgangspunkt der Gewalt drohende Zwangsräumungen“ durch die israelische Regierung waren. Für die Juden lag die Antwort auf der Hand: „Die Verantwortung für die Eskalation der Gewalt liegt ganz klar aufseiten der Hamas.“

Genauso schematisch reagierten die üblichen Verdächtigen in den sozialen Medien. Unter ­#gazaunderattack werden Aufrufe zur Vernichtung des Staates Israel geteilt und von einem „Holocaust gegen Palästinenser“ geraunt. Unter #israelunderattack werden Sharepics geteilt, in denen der Bezug der Muslime zu Jerusalem geleugnet und die israelische Armee angefeuert wird, möglichst hart gegen Gaza vorzugehen.

Die Lebenswelten von Juden und Muslimen entwickeln sich auseinander und damit auch die Wahrnehmung darüber, was im Nahen Osten passiert. Die einen bekommen nur noch Fotos von ermordeten palästinensischen Kindern zu sehen, die anderen nur noch Videos von zerstörten Häusern in Tel Aviv. Ohne es zu merken, wird der eigene Tunnelblick immer enger, verkriecht sich jeder im rabbit hole der sozialen Medien, die beide Seiten in ihrer jeweiligen Überzeugung und Wahrheit bestätigen. Empathie für die anderen – Fehlanzeige.

Dabei gibt es sie: Juden, die sich solidarisch mit Palästinensern zeigen, und Muslime, die Solidarität mit Israelis äußern. Wahrscheinlich ist es keine Überraschung, dass sie in den sozialen Medien als Verräter der eigenen Community dargestellt werden. So kritisierte eine jüdische Bloggerin auf Twitter das Handeln der israelischen Regierung und erntete einen regelrechten Shitstorm. Anschließend schreibt sie: „Ich wünsche euch allen, dass ihr niemals mit sowas ganz alleine sein müsst.“ Als eine Muslima die Hamas kritisiert, wird sie als „zionistische Schlampe“ beschimpft und gefragt, ob der Zuhälter sein Geld erhalten hat.

Wer von der Vehemenz auf den Straßen und im Netz überrascht ist, sollte ins Archiv gehen: Im Zuge des letzten Gazakriegs 2014 wirkten ganz ähnliche Dynamiken. Was haben wir in den letzten sieben Jahren gemacht, um die Gräben zwischen Juden und Muslimen zu überwinden? Sehr viel, nur tenden­ziell in die falsche Richtung.

Man hantierte mit hübschen Begriffen wie „Bündnissen“, „Brücken“ und „Allianzen“. Alle konnten schön in der Komfortzone bleiben, wenn jüdisch-muslimischer Dialog auf Banalitäten reduziert wurde: „Wie lässt sich mein Hummusrezept verfeinern“, „wer hat Tipps für den nächsten Anatolien- oder Israelurlaub?“ Keine Fiktion: So berichtete noch vor kurzem stolz der Initiator eines solchen Projekts in der Jüdischen Allgemeinen.

Quelle      :         TAZ         >>>>>>         weiterlesen

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Eskalation im Nahen Osten

Erstellt von DL-Redaktion am 16. Mai 2021

Ein Konflikt an drei Fronten

Von Susanne Knaul

Die Gewalt von jüdischen und arabischen FanatikerInnen wirft die brüchige Koexistenz um Jahrzehnte zurück. Es ist auch ein Ergebnis jahrzehntelanger Besatzung.

Probleme auszusitzen klappt in den seltensten Fällen. Über Jahre ließen Regierung und Öffentlicheit in Israel das sogenannte Palästinenserproblem außen vor. Es blieb überwiegend ruhig, das machte es bequem, sich anderen Problemen zuzuwenden, wohl wissend, dass das Pulverfass jederzeit explodieren kann. Jetzt knallt es, und es knallt an drei Fronten.

In Jerusalem kämpfen PalästinenserInnen gegen Häuserenteignungen, gegen Freiheitseinschränkungen und gegen die sozialen Ungleichheiten. Im Gazastreifen heizt die islamistische Führung der Hamas die Gewalt an, weil sie frustriert ist über das Aussetzen der geplanten Parlamentswahlen, bei denen sie gute Chancen gehabt hätte, als stärkste politische Macht abzuschneiden. Und in arabisch-israelischen Ortschaften entlädt sich die Wut über die Zweiklassengesellschaft und über die unterschiedlichen Bedingungen für Israels jüdische und arabische BürgerInnen.

Auch wenn die Hamas bislang recht erfolgreich daran arbeitet, die Fronten verschmelzen zu lassen, wenn sie verlautbaren lässt: „Wir kämpfen für Jerusalem“, und wenn sie die arabischen UnruhestifterInnen bejubelt, die Autos und sogar Synagogen in Brand stecken, so sind es doch drei Fronten mit unterschiedlichen Hintergründen und unterschiedlichen Auswegen aus der Gewalt.

Die Hamas nutzte die Gunst der Stunde, als in Jerusalem der Protest gegen die geplante Zwangsräumung mehrerer palästinensischer Wohnhäuser hochkochte. Drohende Zwangsräumungen gehören zum Alltag Hunderter Familien in Ostjerusalem. Sie boten noch nie Grund für die islamistische Führung im Gazastreifen, Raketen abzufeuern.

Mahmud Abbas‘ politisches Eigentor

Die plötzliche Solidarität der Hamas ist ein heuchlerischer Vorwand für die Angriffe gegen Israel, mit denen in Wirklichkeit ein ganz anderer Feind gemeint ist: Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Er erschütterte die von ihm selbst geschürte Hoffnung auf ein Ende der palästinensischen Teilung und der politischen Isolation des Gazastreifens, als er zuerst Wahlen ansetzte, um sie dann wieder abzusagen. Diesmal dürfte ihm sein Taktieren ein Eigentor verschafft haben. Bei den aktuellen Entwicklungen zieht nicht er, sondern die Hamas die Fäden und punktet in Ostjerusalem, im Westjordanland und im Gazastreifen.

Quelle       :      TAZ          >>>>>       weiterlesen

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Oben     —       Israel Collective Punishment

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Militärputsch in Myanmar

Erstellt von DL-Redaktion am 23. März 2021

Diktatur oder Revolution

Abgesetzte Staatsrätin Aung San Suu Kyi (links) und General Min Aung Hlaing (rechts)

Von Sven Hansen

Folter und Mord – das Militär in Myanmar wird noch viele Opfer fordern und das Land in den Abgrund führen. Dialog und Kompromisse sind unvorstellbar.

Die Bilder vom Vorgehen des Militärs gegen die Massenproteste in Myanmar sind unerträglich. Bisher sind mehr als 240 Menschen vom Putschregime getötet worden. Demonstrant:innen, denen das halbe Gesicht weggeschossen wurde, bei denen wegen hohen Blutverlustes jede Hilfe zu spät kommt, die von der Polizei mit Knüppeln erschlagen werden oder deren Körper nach nächtlichen Razzien durch tödliche Folter entstellt sind oder aussehen, als seien ihnen noch Organe entnommen worden. Die Armee führt Krieg gegen das eigene Volk, um es zu brechen.

Doch heizt es den Widerstand damit nur an und hat die Bevölkerung quer durch alle Schichten, Ethnien und Glaubensrichtungen vereint wie nie zuvor. Mit Mut und Erfindungsreichtum hält sie dem Terror stand und verweigert den Generälen die Anerkennung ihrer Machtübernahme. Noch ist es eine Stärke der Protestbewegung, dass sie keine politischen Führer hat und diese nicht verhaftet werden können.

Zwar gibt es in Myanmar etliche ethnische Milizen, die seit Jahrzehnten das Militär bekämpfen. Doch die Waffen der Protestbewegung sind bisher nur politischer Natur. Neben den seit Wochen andauernden Demonstrationen sind dies die flächendeckenden Streiks sowie die Bildung einer Gegenregierung aus untergetauchten Abgeordneten der zuvor regierenden Nationalen Liga für Demokratie (NLD).

Der breite, andauernde, vielfältige, mutige und recht effektive Widerstand hat die Putschisten überrascht. Bisher haben sie dagegen kein Mittel gefunden. Denn die Proteste und Streiks bis in den Regierungsapparat hinein lassen das Land nicht zu einer Normalität zurückkehren, wie dies etwa beim letzten Putsch im Nachbarn Thailand schon nach Stunden der Fall war.

Smartphones und soziale Medien verbreiten täglich Bilder von der Brutalität des Putschregimes, die es früher unterdrücken konnte. Dies macht dessen Propaganda wirkungslos, während die Streiks das Land lahmlegen. Dafür zahlt auch die Bevölkerung einen hohen Preis. Denn wie sich kürzlich bei 700 Eisenbahnern zeigte, verlieren sie für ihren zivilen Ungehorsam nicht nur Jobs und Rentenansprüche, sondern ihre Familien auch ihr Zuhause, wenn sie aus den Werkswohnungen geworfen werden. Seit Wochen funktionieren die meisten Banken nicht mehr, Transporte per Zug, Lkw, Schiff oder Flugzeug sind nur noch rudimentär, Gesundheitsversorgung und Bildungssystem sind zusammengebrochen. Eine Welle von Armut, Verelendung und Flucht ist zu erwarten.

Land am Abgrund

Die Armee weiß sich nicht anders zu helfen, als zu versuchen, durch noch mehr Gewalt den Widerstand zu brechen. Sie treibt das Land so noch mehr in den Abgrund, verstärkt den Hass auf das Militär und macht es unwahrscheinlicher, dass die Bevölkerung zu Kompromissen bereit ist. Denn für sie geht es nicht mehr um politische Winkelzüge, sondern um Diktatur oder Revolution. Weil die Generäle den wachsenden Hass spüren, wissen sie, dass eine Niederlage nicht nur zum Verlust bisheriger Privilegien führen würde, sondern zu Anklagen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Deshalb riskieren sie, das Land zum failed state zwischen Indien und China zu machen. Sie nehmen auch einen Bürgerkrieg in Kauf. Bei dem könnten sie noch härter vorgehen und wären siegessicher.

Wirksame Sanktionen, welche die zu allem entschlossenen Generäle zum Einlenken bringen, sind nicht in Sicht. Die Sanktionsbeschlüsse der EU vom Montag können die Generäle, die in Europa weder Konten haben noch Urlaube verbringen, ignorieren. Dem französischen Konzern Total die Suspendierung seiner auch für die Junta lukrativen Gasprojekte zu verordnen, wagt die EU nicht. Eine Spaltung des Militärs ist auch nicht zu sehen. Die weitere Nichtanerkennung des Putschregimes ist das Mindeste, was von der internationalen Gemeinschaft gefordert werden muss.

Quelle          :        TAZ         >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen       :

Oben       —       Abgesetzte Staatsrätin Aung San Suu Kyi (links) und General Min Aung Hlaing (rechts)

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Vom Umgang mit Rassismus

Erstellt von DL-Redaktion am 19. Februar 2021

Aus Hanau nichts gelernt

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Was für eine Aussage: Sehen wir Seehofers Stiefel welche Mutti sauber leckt ?

Von Mark Terkessidis

Selbst nach Hanau und dem NSU haben sich die Sicherheitsbehörden nicht konsequent entwickelt. Doch gegen strukturellen Rassismus helfen nur neue Strukturen.

Wir erleben im Gefolge des Anschlags von Hanau ein regelrechtes Déjà-vu. Die Angehörigen der Opfer klagen über Verdächtigungen und unsensible Behandlung, die Aufklärung ist voller Lücken und Unklarheiten, und die Bekämpfung von Rassismus wirkt alles andere als konsequent. Haben wir diese Dinge nach dem Bekanntwerden der Mordserie des NSU nicht schon mal gehört?

Sicher ist es ein Fortschritt – zumal gegenüber den Anschlägen von Mölln oder Solingen in den 1990er Jahren – dass die Stimmen der Betroffenen eine große Präsenz haben: Deren Unzufriedenheit und die darüber hinausgehende Unzufriedenheit vieler „Schwarzköpfe“ mit den ausbleibenden Konsequenzen ist deutlich spürbar, wenn etwa der Überlebende des Anschlags von Hanau, Piter Minnemann, von „strukturellem Rassismus“ spricht. Genau diese Bezeichnung markiert den Unterschied zu den Worten der Kanzlerin, die zwar keine Ambivalenzen beim Thema zeigt, aber von Rassismus als einem „Gift“ spricht. Wer hat „uns“ dieses Gift verabreicht? In diesem Bild ist „unsere“ Gesellschaft kerngesund, die angebliche Krankheit kommt von außen.

Gehören die Täter von Halle oder Hanau nicht zur Gesellschaft? Haben sie keine Vorbilder, Gleichgesinnten, Eltern? Bekommen sie nicht Legitimation von einem Innenminister, der nach rassistischen Ausschreitungen in Chemnitz sein Verständnis für die Angreifer äußert und die Migration als „Mutter aller politischen Probleme“ bezeichnet?

Frantz Fanon hat einmal gesagt, Rassismus komme nicht einfach so vor – eine Gesellschaft sei entweder rassistisch oder sie sei es nicht. Auch der Anschlag von Hanau ist nicht unvermittelt geschehen. Seit 2015 gab es in Serie Anschläge auf Unterkünfte von Geflüchteten, die von den Sicherheitsbehörden zu keinem Zeitpunkt als das betrachtet wurden, was sie waren: Rechtsterrorismus. In der radikalen und autoritär-populistischen Rechten grassiert die Idee von dem „großen Austausch“, die besagt, die abgehobenen Eliten der westlichen Länder würden durch Einwanderung bewusst eine Veränderung der Bevölkerung herbeiführen. Diese Leute betrachten sich selbst als Minderheit, und sehen die Gewalt als legitimen Widerstand. Insofern war klar, dass eine große Gefahr von teilweise auch psychisch belasteten Personen ausgeht, die sich nach dem Vorbild etwa von Anders Breivik ideologisch bewaffnen und dann losschlagen. Beim Islamismus haben sich die Behörden auf dieses Szenario eingerichtet und so Anschläge verhindert – warum also hier nicht?.

Märchen von der Ausländerkriminalität

Und was ist in und nach Hanau passiert? Aus den Berichten der Angehörigen geht hervor, dass die Polizeibehörden aus den zahlreichen NSU-Berichten nicht die geringste Konsequenz gezogen haben. Die erste Annahme am Tatort war, es handele sich um eine Art Showdown im Rahmen von „organisierter Ausländerkriminalität“. Das passte auch zu den vorangehenden, bundesweit und regelmäßig stattfindenden Razzien in Shisha-Bars, die nach eigenen Aussagen der Polizei ohnehin nur dazu dienten, das subjektive Sicherheitsempfinden „der Bevölkerung“ zu stärken. Der Verfassungsschutz hat erst seit zwei Jahren einen Präsidenten, der nicht mit der AfD sympathisiert: In Sachen Rechtsterrorismus hinkt die Einrichtung immer noch gnadenlos hinterher.

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Die Sicherheitsbehörden haben weder im Gefolge von NSU noch von Hanau eine konsequente Organisationsentwicklung durchlaufen, um sich auf die Vielheit der Gesellschaft einzustellen. Es wird nicht einmal verstanden, dass „Profiling“ nach Hautfarbe oder ethnischen Kriterien nicht nur falsch, sondern auch für die eigene Arbeit völlig kontraproduktiv ist.

Immerhin hat es einen Kabinettsausschuss zu Rassismus gegeben – könnte man erwidern – und der hat ja auch Maßnahmen vorgestellt. Der im November 2020 veröffentlichte „Katalog“ ist allerdings ein Witz. Die 89 Punkte klingen nach viel, sind aber nur eine Auflistung von kaum zusammenhängenden Einzelvorhaben, Dabei wird sogar die „Stärkung von Integrationsmaßnahmen mit Sportbezug“ als Rassismusbekämpfung verkauft. Solche Listen sind so bekannt wie ihre notorische Unwirksamkeit.

Geld ist da, Konzepte aber nicht

Quelle     :      TAZ       >>>>>         weiterlesen

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Oben      —       Ханау – родина сказочников братьев Гримм.

Unten     ––     Hanbury Street

 

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Zu Deutscher Trinkkultur

Erstellt von DL-Redaktion am 30. Dezember 2020

Das Saufen der Anderen

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Eine Kolumne von Margarete Stokowski

Warum müssen Leute, die auf Partys keinen Alkohol trinken, das allen Leuten erklären? Es gibt etliche gute Gründe für den Verzicht. Aber man muss darüber keine Rechenschaft ablegen.

Ein klassischer Neujahrsvorsatz lautet: weniger Alkohol. Das ist oft ein netter Versuch. Ein Versuch, ein besserer oder zumindest gesünderer Mensch zu werden, ein Mensch ohne Erinnerungslücken oder Bierbauch, whatever, meistens klappt es nicht. Besser wäre, realistische Vorsätze zu machen, die man auch wirklich einhalten kann, zum Beispiel: Weiter trinken – aber ohne dabei andere Leute mit der Frage zu penetrieren, warum sie nichts trinken.

Es gibt vermeintlich harmlose Fragen, die sich sehr schlecht für Small Talk eignen, oder sagen wir: für Small Talk, der für beide Seiten angenehm ist. Das sickert für die Frage »Woher kommst du denn nun wirklich?« an nicht weiße Menschen so langsam ins kollektive Bewusstsein, für die Frage »Warum bist du eine Frau über 30 und hast keine Kinder?« noch längst nicht, und für die Frage »Warum trinkst du keinen Alkohol?« ebenso wenig.

Um es gleich zu sagen, die Frage ist zwischen ernsthaft befreundeten Menschen in Ordnung. Das Problem ist, dass Leute sie auch in Zusammenhängen stellen, in denen man üblicherweise nicht über persönliche Abgründe, Darmkrankheiten oder Traumata redet.

Wer nicht trinken will, muss das nicht begründen

Unter meinen Freundinnen und Freunden, die nicht trinken, kenne ich einen, der auf Sektempfängen inzwischen trotzdem ein Glas Sekt nimmt, um es dann einfach nur in der Hand zu halten, und eine, die auf Partys für sich selbst Saftschorle mitbringt, in die ihr aber öfter schon einfach etwas Alkoholisches reingekippt wurde, damit sie »mal probiert«. Warum? Man zwingt Leute auch nicht, an einem Joint zu ziehen, obwohl es vielen wahrscheinlich mal guttun würde.

Man muss gar kein vor Empathie nur so übersprudelnder Brunnen sein, um zu verstehen, dass die Frage, warum jemand nüchtern bleiben will, in vielen Kontexten übergriffig sein kann. Es gibt natürlich Leute, die einfach keinen Alkohol trinken, weil er ihnen nicht schmeckt oder weil sie später noch Auto fahren müssen. Das ist relativ schnell geklärt. Es kann aber auch sein, dass die Person, die man fragt, Medikamente nimmt, zum Beispiel Psychopharmaka, Schmerzmittel oder Schlaftabletten, die sich mit Alkohol nicht vertragen. Es kann sein, dass sie eine Krankheit hat, über die sie nicht reden will oder zumindest nicht auf diesem eh schon bescheuerten Stehempfang, auf dem man sich gerade befindet.

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Es kann auch sein, dass sie stillt. Oder schwanger ist und noch nicht sicher, ob sie abtreiben will. Oder schwanger, aber noch in den ersten Wochen der Schwangerschaft, in denen viele sich mit der Meldung an Dritte noch zurückhalten. Es kann sein, dass sie einfach gesund leben will. Es kann sein, dass sie – aus welchen Gründen auch immer – auf Diät ist. Es kann sein, dass sie Alkohol nicht verträgt. Dass sie erst kürzlich eine schlimme Alkoholvergiftung hatte. Oder dass sie Geld sparen will, aber auch nicht von nervigen Typen eingeladen werden möchte.

So viele gute Gründe für Abstinenz

Quelle     :      Spiegel-online          >>>>>         weiterlesen      

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Grafikquellen         :

Oben       —     A waitress sorts the bottles in a bar from an exclusive club in Zurich, Switzerland.

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Unten       —       Margarete Stokowski at the Frankfurt Book Fair 2018

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Die Wahl als Farce

Erstellt von DL-Redaktion am 5. November 2020

Donald Trump und der Aufstieg der Autokraten

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Der Pazifikstaat Kiribati

Erstellt von DL-Redaktion am 13. Oktober 2020

Inseln heben? – China hilft!

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Von Christopher Pala

Der Pazifikstaat will wegen des steigenden Meeresspiegels Land aufschütten – das hat auch politische Folgen

Es gebe einen „neuen diplomatischen Partner“, der helfen werde, die Zukunft der Inselrepublik mit ihren über 30 Korallenatollen im Pazifik zu garantieren, so sagt es Präsident Taneti Maamau im Gespräch. Man habe sich der Unterstützung Chinas versichert, werde aber weder von diesem noch einem anderen Land einen größeren Kredit annehmen. Auch sei nicht im Geringsten daran gedacht, dass die Volksrepublik einen Stützpunkt auf der strategisch bedeutsamen Christmas-Insel südlich von Hawaii erhalte. „Es gibt bereits konkrete Pläne, Sand und Geröll aus einer Lagune zu baggern und damit einen Teil des Hauptstadt-Atolls Tarawa aufzuschütten. Kiribatis Vision für die nächsten 20 Jahre sieht nicht zuletzt deshalb den Einsatz von Baggern vor, um auf den äußeren Inseln Kanäle ausheben zu können“, erklärt Maamau die Strategie seiner Regierung.

Unbestritten ist, dass eine solche Agenda Folgen für die Ökosysteme vieler Korallenriffs haben wird. „Aber uns bleibt keine Alternative. Wir arbeiten mit dem Nationalen Institut für Wasser- und Atmosphärenerforschung in Neuseeland zusammen, um die Küsten Kiribatis auf Dauer wirksam zu schützen“, erläutert der Präsident. „Es muss darauf hinauslaufen, die Inseln anzuheben und uns auf diese Weise im Kampf gegen den Klimawandel zu behaupten.“

Strategische Lage im Ozean

Beraten wird Staatschef Maamau durch Paul Kench von der Simon-Fraser-Universität in Kanada, einem der führenden Forscher, der sich mit der Reaktion von Atollen auf die Veränderung des Meeresspiegels beschäftigt. Um die unausweichliche Überflutung der von 57.000 Menschen bewohnten Hauptstadt South Tarawa zu verhindern, schlägt Kench vor, die aufgeschütteten Dammstraßen auf Kiribatis Inseln zu ersetzen. Sie würden zwar schützen, aber eben auch zur Erosion der Strände führen. Stattdessen sollte eine erhöhte Brückenstraße gebaut werden, die sich über die gesamte Länge eines Atolls – und zwar auf der geschützten Lagunenseite – hinzieht. Da es sich hier um ein für einen kleinen Staat riesiges Infrastrukturprojekt handelt, könnte China die Finanzierung übernehmen. Es verfügt zudem über die nötige Expertise für die erforderlichen Baumaßnahmen. Erst kürzlich haben chinesische Unternehmen eine lange Brücke zwischen der maledivischen Hauptstadt Malé und deren Flughafen errichtet. „Eine erhöhte Straße parallel zur Küste ist eine Idee, die wir mit unseren Partnern ausloten wollen“, sagt Präsident Maamau.

Bis zur Unabhängigkeit am 12. Juli 1979 britische Kolonie, besteht Kiribati aus Inselgruppen, die auf einem Gebiet von der Größe Indiens im Pazifischen Ozean verteilt sind, darunter Banaba oder Ocean Island, die Gilbertinseln, die Phoenixinseln und die acht Atolle von Line Islands. In einer Zeit nervöser Rivalität zwischen den USA und China im Pazifik hat der Inselstaat an strategischer Bedeutung gewonnen. Prompt zeigt sich das US-Militär besorgt darüber, dass Kiribati China erlauben könnte, auf Christmas (auch Kiritimati genannt), der größten Insel des Staates, einen dualen Stützpunkt für militärische und zivile Zwecke zu errichten. So würde eine Militärbasis nur 2.000 Kilometer südlich von Hawaii liegen, wo die Pazifikflotte der USA ihren Standort hat. Aufhalten lässt sich nicht mehr viel – in Partnerschaft mit einer chinesischen Firma baut Kiribati bereits die Infrastruktur für die Fischerei auf seinen Inseln aus. „Wir hatten noch nie die Intention, China einen Stützpunkt auf Kiritimati einzuräumen“, versichert Taneti Maamau bei jeder sich bietenden Gelegenheit.

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China steht in dem Ruf, kleinen, unter Umständen ökonomisch darbenden Staaten Darlehen zu gewähren, die wegen der Tilgungsraten und -fristen Abhängigkeiten auslösen. Durch eine Mischung aus Geschenken und Bestechungen, in der Geschäftswelt als „Eliten-Fang“ bekannt, wird häufig erreicht, dass gebaut wird, was chinesischen Unternehmen willkommen ist, und nicht, was ein Land wirklich braucht. Und Kiribati gehört zu den am wenigsten entwickelten Staaten im pazifischen Raum. Es hing schon in der Vergangenheit zu mindestens 40 Prozent seines Haushalts von ausländischer Hilfe ab, das Selbstbestimmungsrecht schien nie ungefährdet. Präsident Maamau tritt allen Befürchtungen entgegen, die wegen eines denkbaren Verlustes an Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit laut werden.

Quelle     :          Der Freitag            >>>>>       weiterlesen

Christopher Pala | The Guardian

www.theguardian.com

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Grafikquellen     :

Oben       —      Phoenix Islands Protected Area boundary outlined

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Radikale Linke

Erstellt von DL-Redaktion am 29. September 2020

 ich trinke noch ein Bier mit dir!

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Quelle      :    untergrundblättle ch.

Von Jens Störfried

Selbstorganisation und Selbstbestimmung. Eine Reflektion über Theoriefeindlichkeit, mangelnde Selbstreflexion und die Verwirklichung von sozialer Freiheit.

Nach vielen Jahren, in denen ich mich als Anarchist definiere und mit zahlreichen irgendwie-linken und gelegentlich auch linksradikalen Leuten zu tun hatte, weil wir Werte und Vorstellungen teilen, bin ich heute erstaunt, dass ich immer noch überzeugt bin, dass zwischen den verschiedenen Strömungen Verständigung möglich sein muss. Dass ich dies annehme, liegt sicherlich auch daran, dass viele anarchistischen Menschen wie selbstverständlich im radikalen Flügel sozialer Bewegungen teilnehmen und der Anarchismus auch gemeinhin als linksradikale Strömung angesehen wird. Tatsächlich ist dies mit etwas Abstand betrachtet absurd. Unter dem Label „linksradikal“ werden alte und neue Staatskommunist*innen, bis hin zu Stalinist*innen, die Autonomen, Teile der Linkspartei und sogenannte Bewegungslinke verstanden.

 Es wird auch genutzt, um verschiedene Gruppen, NGOs und Initiativen zu stigmatisieren und aus dem demokratischen Käfig auszusperren. Gleichzeitig wähnen sich einige Alternative, Studies, Zecken, Hipster oder einzelne Politiker*innen „linksradikal“ zu sein. Sie zehren vom radical chic, bauen sich an historischen und medial produzierten Mythen auf und sprechen jugendlichen Tatendrang an. Dass sich viele Anarchist*innen in derartigen Kreisen wiederfinden, ist daher kein Zufall.

 Erfreulicherweise sind durch die Desillusionierung durch den Staatssozialismus, die Erfolge von sozialen Bewegungen und ihren Praktiken, die Geschichte der Autonomen und emanzipatorische Bildungsarbeit, autoritäre Positionen in diesen Zusammenhängen weitgehend diskreditiert und gezwungen, sich zu rechtfertigen.

 Treten hingegen ausgewiesene Anarchist*innen auf, die nicht nur das (A) auf dem Patch an der Punkerkluft oder als Button an der Mütze tragen, sondern sich ins Gespräch einbringen, führt dies komischerweise oftmals zu Irritation in der mehr oder weniger radikalen linken Blase. Und einen Bruch mit Gewohnheiten, Abläufen und vermeintlich gesetzten Ansichten mag erst mal niemand. Schnell wird dann der Vorwurf laut, Anarchist*innen hätten keine komplexen Theorien aufzuweisen mit denen sie die gesellschaftlichen Verhältnisse erfassen und danach ihre Strategie ausrichten könnten.

 Ja, Anarchist*innen haben keine Akade-Macker wie insbesondere ausgewiesene Marxist*innen. Dennoch gibt es eigene anarchistische Theorien, eigenständige Weisen, anarchistisch zu denken und Dinge zu begreifen. Es wäre gut, wenn sich Anarchist*innen über ihre eigene Theorie bewusst werden und sie gemeinsam weiter entwickeln würden. Das hat erst mal nichts, mit einer wissenschaftlichen Karriereleiter zu tun, sondern kann fern ab von Unis geschehen.

 Durch ihre Theoriefeindlichkeit, die sie falscherweise mit einem Hass auf jegliche Institutionen begründen, verspielen sich manche Anarchist*innen ernst genommen und selbst zu relevanten und selbstbestimmten Akteur*innen zu werden. Mangelnde Selbstreflexion, Geschichtsvergessenheit und die geringe Bereitschaft zur produktiven Auseinandersetzung, kompensieren sie mit romantischem Kitsch, der problematischen Feier ihrer (meist post-bürgerlichen) Subjektivität, einer Fetischisierung von sich „echt“ anfühlenden „Taten“ und zur Schau gestellten rebellischen Phrasen.

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 Kein Wunder also, dass ihre linksradikalen Freund*innen sich in ihren Vorurteilen gegenüber dem Anarchismus bestätigt fühlen. Das hält jene jedoch nicht davon ab, bereitwillig Elemente anarchistischer Theorie und den rebellischen Habitus zu übernehmen und in ihre – meist kommunistischen – Theorien und Positionen zu integrieren. Dies führt zur merkwürdigen Konstellation, das zahlreiche Denkfiguren, Stile und Praktiken, die aus dem Anarchismus kommen, in den irgendwie-linken und linksradikalen Szenen heute in Form von Rudimenten weit verbreitet sind, sich Anarchismus im selben Zuge aber (im deutschsprachigen Raum) kaum als eigenständiges Projekt etablieren kann.

 Anarchist*innen teilen mit anderen Sozialist*innen in der Regel die gleichen Werte, auch wenn die Vorstellungen, wie diese umgesetzt und gelebt werden sollten oder können, oft auseinander gehen. Wer nur idealistisch denken kann, meint, hierbei handelt es sich um eine Frage unterschiedlicher „Ideen“, die tatsächlich jedoch nur eine Oberflächenerscheinung darstellen. Ich merke immer wieder, dass ich viel mit Linksradikalen gemeinsam habe.

 Umso mehr verstört mich jedoch, dass wir aus unseren geteilten Werten, Wissen und Geschichten, oftmals so verschiedene Schlussfolgerungen ziehen. Dies hat etwas mit dem Selbstverständnis, ja, mit dem eigenen Verhältnis zu Gesellschaft und Politik zu tun. Anarchist*innen verstehen sich eben nicht als außerparlamentarische Opposition. Sie setzen auf eine freiwillige und dezentrale Selbstorganisation von unten und betonen dabei die Autonomie der Akteur*innen. Um zu diesem Standpunkt zu kommen, bedeutet es, die Erfahrung gemacht zu haben, wie es ist, sich außerhalb dieses Systems und seinen Logiken zu befinden – und diese Position als Ausgangspunkt für die eigene Kritik und Praxis innerhalb der Gesellschaft zu nehmen, von welcher wir immer Teil sind.

 Hierbei scheiden sich die Geister. Radikale Linke können oft schwer nachvollziehen, wie es ist, über radikal anmutende Phrasen hinaus, sich von Staat und Herrschaft im Allgemeinen los zu sagen; ihnen eine Absage zu erteilen. Auch als radikale Linke beziehen sie sich immer noch zu stark, auf die vorhandenen politischen Institutionen, Denkweisen und Praktiken, statt sich wirklich selbst zu organisieren und selbst zu bestimmen.

 Eine ‚gerechte‘ Gesellschaftsordnung kann es nicht geben. Aber eine andere, deutlich bessere: Ein föderatives Netzwerk dezentraler autonomer Kommunen, in welchem sich die in ihnen Assoziierten freiwillig und horizontal organisieren. „Jegliche Ordnung abzulehnen“ ist nichts weiter als ein pubertärer Affekt, dem auch viele Linksradikale erliegen, welche nach marxistischen oder nihilistischen – also post-bürgerlichen – Dogmen glauben, Negation sei alles. Sicherlich brauchen wir keine „revolutionäre Masse“. Aber wir können uns hier und jetzt sozial-revolutionär orientieren und formieren, uns darin selbst ernst nehmen, Verantwortung übernehmen und für emanzipatorische Bestrebungen kämpfen.

 Insofern war und ist der Anarchismus Teil der pluralen sozialistischen Bewegung. In dieser gibt es zahlreiche Widersprüche und auch Differenzen. „Links-sein“ ist kein Kriterium für irgendetwas. „Anarchist*in-sein“, aber ebenso wenig. Es kommt darauf an, was die Menschen tun und wie sie es tun.

 Klar, mensch kann behaupten, konsequent Staat und Herrschaft abzulehnen. Ohne eine fundierte Gesellschaftskritik ist dies jedoch nur eine leere linksradikale Hülle, welche nicht mit Inhalt gefüllt ist. Antiautoritäre Kommunist*innen sind teilweise ehrlicher darin, ihre großspurigen Ansprüche herunter zu schrauben, eben damit sie aufs Ganze zielen können. Damit handeln sie sich jedoch den hausgemachten Widerspruch zwischen „revolutionärer“ und „reformerischer“ Orientierung ein.

 Anarchist*innen streben an, diesen aufzulösen, weil aus Perspektive der Selbstorganisation und Selbstbestimmung kein Gegensatz zwischen beiden bestehen muss, wenn präfigurative Politik betrieben wird. Das bedeutet, dass Mittel und Ziele immer wieder aufeinander abgestimmt werden und eine pragmatische alltägliche Praxis mit der großen Sehnsucht nach Anarchie verbunden wird. Diese Besonderheit können sie in die Diversität der pluralen radikalen Linken einbringen.

 Dennoch muss Anarchismus nichts zwangsläufig und um jeden Preis Teil der radikalen Linken sein. Wichtig ist, dass sich Anarchist*innen selbst bestimmen – genauso wie andere Strömungen und von Unterdrückung, Ausbeutung und Entfremdung betroffene soziale Gruppen und Klassen. Wenn mensch sich als feindlich gegenüber dem Staat betrachtet, ist es entscheidend, diesen als Herrschaftsverhältnis zu begreifen. Sich diesem zu verweigern, bedeutet, die Gesellschaft aufzuheben, welche durch Herrschaft geformt ist und durch die sie aufrechterhalten wird.

 Dies kann per se nicht durch rein individuelle Akte erfolgen, auch wenn die subjektive Distanzierung ein Ausgangspunkt für Selbstbestimmung ist und in ihren Effekten nicht unterschätzt werden darf. Dies ist auch eine Voraussetzung, um eine wirklich konfrontative Haltung einzunehmen und autonome Herangehensweise zu entfalten. Das bedeutet, sich nicht zuerst an dem zu orientieren, welche Rahmenbedingungen der Staat vorgibt, wie mensch angeblich Politik zu machen hat, was vermittelbar oder aus der Analyse heraus angeblich strategisch richtig ist.

 Es bedeutet, sich in autonomen Gruppen selbst zu bestimmen, anstatt in eine Partei zu gehen oder an ihrem Rand mit zu schwimmen. Es heißt, den eigenen ethischen Ansprüchen gerecht zu werden, sich egalitär zu organisieren, das eigene Leben mit der autonomen (Anti)Politik zu verbinden und direkte Aktionen hervorzubringen. Entscheidend hierbei ist jedoch, sich auf andere zu beziehen, die ähnliches tun.

 Der Kampf um die Verwirklichung von sozialer Freiheit hat ganz konkrete Auswirkungen auf die Lebensbedingungen von Menschen, welche sich als kämpfende Subjekte ihre Würde zurück erobern. Wenn die unterschiedlichen Kampffelder und Gruppierungen aufeinander bezogen und aus ihren Erfahrungen heraus gemeinsame Visionen entwickelt werden, entsteht so auch die konkrete Utopie einer neuen Gesellschaftsordnung. Sie sich auszumalen, wäre idealistische Wolkenschieberei oder potenziell totalitäre Weltverbesserungsideologie.

 Sie abzulehnen ist ein antiautoritärer Reflex, der vom negativen, also liberalen, Freiheitsverständnis ausgeht und in seinem Glauben an eine „absolute Kompromisslosigkeit“ gegenüber „jeder Ordnung und Moral“ letztendlich bloß die Isoliertheit und den Fatalismus bürgerlicher Individuen widerspiegelt.

 Mit der konkreten Utopie einer horizontalen, dezentralen, freiwilligen Gesellschaftsordnung im Sinn und Herzen, konfrontieren Anarchist*innen radikale Linke mit deren eigenen Ansprüchen. Sie sind tatsächlich davon überzeugt, dass die herrschaftsfreie Gesellschaft wünschenswert und möglich ist und sehen sie sogar überall beginnen – wenn auch meistens ganz klein, widersprüchlich und gebrochen.

 Dies ist es, was viele radikale Linke nicht kapieren, weil sie ihre Gesellschaftsutopie einer heilen, harmonischen Welt auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben und nie reife Bedingungen für ihr Anbrechen sehen können. Die radikale Ablehnung von Herrschaft erschrickt Linksradikale gelegentlich, die meinen: So war es dann doch nicht gemeint! Was ist denn euer Gesamtkonzept? Oder: Aber wer soll denn die Führung übernehmen?

 Wie erwähnt war und ist der Anarchismus, neben Kommunismus und Sozialdemokratie, eine Hauptströmung der sozialistischen Bewegung. Von den ethischen Werten her gibt es einen gemeinsamen Nenner, in der Realität gehen die Ansichten jedoch weit auseinander. Wir sollten das Gemeinsame suchen, doch wir werden es nicht immer finden.

 Es ist wertvoll und sinnvoll, wenn verschiedene Strömungen, Gruppen und Personen, sich selbst verorten und definieren, ohne sich deswegen an Identitäten zu klammern. Anstatt sich in Abgrenzung zu anderen zu definieren – was eine wesentlicher Grund für die unsägliche Form von „Kritik“ in linksradikalen Szenen ist – können sie sich von sich selbst ausgehend bestimmen. Was den Kommunismus angeht, gibt es wesentliche Vorstellungen, die Anarchist*innen mit diesem teilen.

 Sie verstehen ihn jedoch nicht als Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, welche eingeführt werden könnte, sondern als gelebte Praktiken der kollektiven Selbstverwaltung, der bedürfnisorientierten Produktion und Verteilung von Gütern, die wir alle brauchen. Die Selbstbestimmung und -entfaltung aller einzelnen Menschen ist dabei das große Ziel aller Anarchist*innen. Dies soll nicht an einem fernen Tag, sondern bereits heute geschehen. Wie es erreicht und umgesetzt werden kann, dazu gibt es wiederum verschiedene Ansichten. Wie sollte es auch anders sein, wenn unterschiedliche Menschen zusammen kommen?

 Wer sich durch jede Gruppe und selbstgesetzte Regel eingeschränkt fühlt; jede freiwillig, auf Zeit und nach Kompetenz übertragene Autorität krampfhaft ablehnt und dann noch glaubt, selbst „ideologiefrei“ zu sein, hat die Grundbedingungen der Gesellschaft und Herrschaftsordnung in der wir leben, nicht begriffen und will keinen Weg zur Emanzipation von ihr aufzeigen. Ich weiß, das klingt arrogant. Es ist aber auch wichtig auszusprechen, dass Individualismus und Nihilismus allein in eine Sackgasse führen.

 Umherschweifende Einzelgänger*innen sind Teil des Problem und nicht dessen Lösung. Konsequenterweise bekämpfen sie die Gesellschaft, welche sie hervorgebracht hat, und streben somit ihrer Selbstabschaffung entgegen. Diese privilegierte Haltung muss mensch sich aber erst mal leisten können. Für die meisten von Ausbeutung, Unterdrückung und Entfremdung betroffenen Menschen steht hingehen aus Notwendigkeit die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen an, welche konsequent gedacht – also: für alle -, nur durch die Überwindung der bestehenden Gesellschaftsordnung erfolgen kann.

 Dies bedeutet nicht, von einer Masse auszugehen, weder, sie zu konstruieren noch sie zu adressieren. Unterschiedliche Menschen in verschiedenen sozialen Gruppen und Klassen können sich jedoch aufeinander beziehen und gemeinsam für radikale, umfassende und anhaltende Veränderungen kämpfen. Anarchistische Gruppen können sich dahingehend (potenziell) sehr wichtige Aufgaben suchen, indem sie direkte Aktionen ausüben, Skills verbreiten, Geschichten aufschreiben, Bildung und Erfahrungen vermitteln, verschiedene Gruppen in Dialoge verstricken, produktive Streits beginnen und gemeinsame Diskussionen um Strategien und Visionen entwickeln.

 Ob sich Anarchist*innen hierbei als Teil „der“ radikalen Linken verstehen, die als vermeintlich einheitliches Subjekt ja ohnehin eine Fiktion und ein Konstrukt ist, spielt dabei weniger eine Rolle. Vermutlich werden sie jedoch mit ihren Ansätzen und Praktiken immer wieder auf verschiedene Linksradikale treffen und auch mit ihnen zusammen arbeiten.

 Dabei sind verständlicherweise auch klare Striche zu ziehen. Mit Stalinist*innen, Maoist*innen oder antisemitischen Linken können sie keine gemeinsame Basis schaffen. Doch auch darüber hinaus gilt es für Anarchist*innen ihr eigenes Projekt neu und von sich ausgehend zu bestimmen. Weg mit dem Einheitsfrontgeschwafel der autoritären Linken, denn es war immer eine Lüge und führt zu nichts! Bitte, bitte, hört endlich auf mit dem Wir-sind-doch-alle-Linke-Irrsinn, wie ihn Bewegungslinke propagieren.

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 Ihr Parteilinken, langweilt uns nicht mit der alten Moralkeule, wir wären für den Aufstieg der Rechten verantwortlich. Vergesst es, ihr linken Strateg*innen könnt uns Anarchist*innen nicht in eure ach so klugen Mosaik-Fantasien einbauen und ihr linken Theoretiker*innen braucht uns verdammt noch mal nicht die Welt zu erklären und was wir darin eigentlich tun und lassen (müssten).

 Deswegen werden Anarchist*innen auch fortwährend nervende Quälgeister gegen alle angemaßte Autorität und Führung bleiben – sei es linksradikalen oder anderen Zusammenhängen. Anarchist*innen haben ihre eigenen Traditionen, Geschichten, Erfahrungen, Denkweisen, Praktiken und Netzwerke. Sie mögen sich mit verschiedenen linksradikalen Menschen und Gruppen überschneiden oder nicht. Ob das als gut oder schlecht angesehen wird, hängt von den jeweiligen Schnittpunkten ab und ob die Leute sich lediglich an ihren Identitäten ergötzen oder selbstbewusst Positionen beziehen.

 Deswegen nehme ich ein ambivalentes Verhältnis zwischen Anarchist*innen und der antiautoritären radikalen Linken wahr. Mögen sie sich selbst bestimmen und immer zusammen tätig sein, wo es sinnvoll und praktikabel ist!

Eine Persiflage auf: „Radikale Linke, ich trenne mich von dir!“

Soweit nicht anders angegeben und keine Quellenangabe (Name einer Organisation oder Internet-Adresse) vorhanden ist, gilt für die Texte auf dieser Webseite eine Copyleft (Public Domain) Lizenz.

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Grafikquelle     :

Oben       —        Wikipedia-Stammtisch 02-06-05

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Assange-Schauprozess:

Erstellt von DL-Redaktion am 8. September 2020

Propaganda-Beihilfe von der Süddeutschen

File:Julian Assange (1).jpg

Quelle       :   Scharf-Links

Von Hannes Sies

Die SZ erhält die Rufmord-Kampagne vom „Vergewaltigungsverdacht“ gegen Assange aufrecht und liefert zur Prozesswiederaufnahme schmalzige Polit-Propaganda im Relotius-Stil

London. Heute soll der skandalöse Prozess gegen den kritischen Journalisten Julian Assange weitergehen, der Rechtsstaat, Pressefreiheit und Menschenrechte mit Füßen tritt. Der WikiLeaks-Gründer, der so viele Verbrechen der USA, der Briten, der Finanzkonzerne aufdeckte, wurde mit einer schmutzigen Sex-Intrige der Verfolgung und Rufmord-Kampagnen ausgesetzt, die allerspätestens seit Prof.Nils Melzers Enthüllungen als Lüge entlarvt ist. Julian Assange wird dennoch im Schwerverbrecherknast Belmarsh in London in Isolationsfolter gehalten, ist an Leib und Leben bedroht. Ziel der Unrechts-Justiz ist, ihn an die USA auszuliefern, wo er keinen fairen Prozess erwarten kann -ihm drohen 175 Jahre Haft oder sogar die Todesstrafe.

Die SZ liefert Begleit-Propaganda gegen Assange

Statt Solidarität und Mitgefühl mit einem verfolgten Kollegen findet sich in der einst linksliberalen Süddeutsche Zeitung (SZ) nur zynische Häme, verlogene Halbwahrheiten und eine dünne Story, die ihre Propaganda im Relotius-Stil mit breit ausgewalzter kitschiger Lovestory überzuckert. Wichtige Fakten, die Assange entlasten, die Hetze gegen entkräften und dem saturierten SZ-Leser ein ausgewogenes Urteil erlauben würden, fehlen dagegen.

Auf die Titelseite setzt die SZ am 7.9.2020 ein altes Bild des Verfolgten, wie er hinter einem Vorhang aus einem kleinen Fenster lugt, dazu: „Falsche Freunde. In der Botschaft Ecuadors schien Julian Assange sicher zu sein. Jetzt aber zeigen Gerichtsakten, wie er über Jahre ausgespäht wurde.“ Damit bezweckt die SZ wohl eine Verharmlosung und zugleich Selbstbeweihräucherung: Sie tut so, als wäre erst jetzt, durch Akten, die der SZ vorliegen, bekannt geworden, dass die Botschaft von den USA ausspioniert wird. Das war lange bekannt, sogar aus dem SZ-Artikel selbst geht hervor, dass der WikiLeaks-Gründer sich dort keineswegs sicher fühlte und seit Jahren Vorsichtsmaßnahmen gegen Abhören und Kameraüberwachung traf.

Schlimmer ist jedoch, mit welch perfider Verdrehung und Weglassung die SZ ihre zehn Jahre währende Rufmord-Kampagne vom „Vergewaltigungsverdacht“ gegen Assange fortsetzt. Alle Differenzierungen, die beim extrem stigmatisierenden Thema Vergewaltigung von seriösen Journalisten erwarten sollte, fehlen: Es ging nie um „Vergewaltigung“, sondern immer um Beschuldigungen weit geringerer Schwere, die Beschuldigungen wurden nie bewiesen, nie wurde Anklage erhoben. Alle Zweifel, die man an den Beschuldigungen schon seit 2010 haben musste, werden von der SZ verschwiegen.

SZ bleibt beim erlogenen „Vergewaltigungsverdacht“

Die SZ bewirft Julian Assange ungeachtet aller Beweise einer Intrige immer noch ungerührt mit dem Dreck vom „Vergewaltigungsverdacht“. Die SZ verschweigt die Belege, die der Jurist Prof.Nils Melzer, UN-Beauftragter für Folter, in den schwedischen Assange-Akten fand -sie beweisen eine Manipulation der Beweisaufnahme mit dem Zweck, Assange in eine Falle zu locken. Die Version der SZ ist ein Musterbeispiel für die Falschdarstellung durch Weglassen:

Julian Assange flüchtete im Juni 2012 in die ecuadorianische Botschaft in London, nachdem die schwedische Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Vergewaltigung gegen ihn ermittelt hatte… Die Ermittlungen gegen ihn sind mittlerweile eingestellt. Aber die USA fordern weiterhin seine Auslieferung…“ SZ 7.9.2020, S.3

Es waren also ganz normale Ermittlungen, sollen die SZ-Leser glauben, und sie sind eben jetzt eingestellt, wohl wegen Verjährung? Die USA, so die SZ, werfen Assange „Verschwörung, Spionage“ vor, er würde „die Sicherheit von US-Informanten gefährden… Unterstützer sagen: Julian Assange hat Kriegsverbrechen enthüllt. Das ‚Collateral Murder‘-Video etwa zeigt, wie Soldaten aus einem Kampfhubschrauber heraus Zivilisten in Bagdad töten.“ Mehr als das ‚Collateral Murder‘-Video soll von WikiLEaks also nicht geblieben sein und ist es, so muss man befürchten, beim großen SZ- und Mainstream-Publikum auch nicht. Scheinbar sind es nur Assange-Unterstützer, die heute noch behaupten, er habe Kriegsverbrechen enthüllt, die SZ mag sich da nicht explizit anschließen. Dass unter den „Zivilisten in Bagdad“ zwei Reuters-Journalisten waren, dass darunter eine Familie mit zwei kleinen Kindern war, die den Niedergeschossenen zu Hilfe kam und heimtückisch massakriert wurde, daran will sich die SZ nicht erinnern, und vor allem nicht ihre Leser.

Schmalzige Lovestory statt fairer Berichterstattung

Der gefeierte Mainstream-Journalist Claas Relotius bekam für seine Lügengeschichten, prominent publiziert im Bertelsmann-Blatt „SPIEGEL“, zahlreiche Preise. Relotius verpackte knallharte Propaganda für völkerrechtswidrige Nato-Kriege etwa in Syrien und deren Kriegsverbrechen meist in schmalzige Geschichten von Waisenkindern etc. Bemängelt wurde im großen Katzenjammer seiner Mainstream-Auftraggeber nachher nur eins: Dass Relotius sich die Story oft aus den Fingern gesaugt hatte. Diesen Fehler macht die SZ nicht, doch ihr Stil ist Relotius: Sie machen aus der seit 2019 bekannten Beziehung von Julian Assange zu seiner Anwältin, inzwischen verlobt, zwei Kinder, eine Schmachtstory und walzen die über fünf Spalten aus: „Die Frau, mit der er im Zelt lag und sich an den Strand träumte.“ usw.

Weiter ergießt sich die SZ mit wortreichen Wiederholungen über ihre sensationelle Enthüllung: Dass die USA Assange in der Botschaft ausspioniert haben könnten. Alles längst bekannt. Der Boss der korrupten Sicherheitsfirma „Undercover Global“ wurde dafür angezeigt, steht jetzt in Madrid vor Gericht und die SZ ist irgendwie an Akten gekommen. Mysteriös munkelt sie: „Kann es sein, dass UC Global Informationen für einen US-Geheimdienst gesammelt hat?“ Ja, da muss man schon vorsichtig ein Fragezeichen setzen, auch wenn die UC Global-Boss laut diesen Akten genau das bestätigt hat und dafür, wie die SZ wichtigtuerisch schreibt, „mal kleinere Beträge, mal 20179,27 Euro“ bekam. Alles viel wichtiger als Verleumdungen, Verfolgung, Schauprozess, die an Assange begangen werden. Aber halt, ganz zum Schluss, letzte Spalte unten, steht doch noch, Assange sei: „Ein Mann, über den der UN-Menschenrechtsexperte für Folter mal gesagt hat, er zeige alle Symptome eines psychisch gefolterten Menschen.“

Melzer-Enthüllungen perfide vertuscht

Damit erwähnt die SZ doch noch, wenn auf zynische Weise abwiegelnd, einige Kritik von Prof.Nils Melzer an der Verfolgung desWikiLeaks-Gründers. Es ist jedoch viel mehr, was Prof.Melzer „mal gesagt hat“, nämlich, dass es sich um eine politisch motivierte Hexenjagd handelt, dass USA, Großbritannien und Schweden sich der Verletzung von Menschenrechten schuldig machten und dass die Pressefreiheit in Gefahr ist. Dass durch die verbrecherische Verfolgung von Julian Assange die gesamte Kulisse der Menschenrechts-Überlegenheit des Westens in Frage gestellt wird. Nur um einige Punkte zu nennen.

We are still here, placards in front of Ecuador embassy.jpg

Die mutmaßlich durch die USA gesteuerte Regierungskorruption in Ecuador, wo im Zusammenhang mit dem Entzug des Asylrechts von Assange Milliarden flossen? Kein Thema für die SZ, man salbadert lieber über Ecuadors Geheimdienst, wie er von der spanischen UC Global-Firma ausgetrickst wurde. Am Schluss des einlullenden, den Justiz- ebenso wie den Medien-Skandal vertuschenden Artikels ein Bild der schönen Assange-Verlobten Stella Morris und Zitate aus Interviews mit ihr, „wie viele Sorgen sie sich um ihren Verlobten mache… Und dann sagt sie noch etwas. Dass es natürlich furchtbar sei in Belmarsh… Aber dass es auf eine sehr merkwürdige Art auch eine Erleichterung war, zu wissen, dass Julian Assange nicht mehr in der ecuadorianischen Botschaft ist.“

Ende des Artikels. Der SZ-Leser sinkt desinformiert, erleichtert und von sechs Spalten voll kitschigen Gesülzes ermattet in seinen Sessel zurück. Propaganda-Mission erfüllt. Aber für einen der von Relotius ergatterten Presse-Preise wird’s wohl trotzdem nicht reichen -zu platt war doch der Zynismus schon der Überschrift, welche die SZ über das Machwerk setzte.

John Goetz, Elena Kuch und Gianna Niewel: „Zimmer mit Einsicht“, SZ 7.9.2020, S.3

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Oben      —          Julian Assange

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Unten      —      „We are still here“, placards in front of Ecuador embassy,in support of Julian Assange, London

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24 Todesfälle in Gewahrsam

Erstellt von DL-Redaktion am 18. Juli 2020

Wie fahrlässig handelte die Polizei?

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Ein Artikel von Christian Jakob und Steffi Unsleber

Die taz hat 24 Fälle untersucht, bei denen Menschen, die von Rassismus betroffen waren, in Gewahrsam ums Leben kamen. Eine Dokumentation.

Die Ermordung von George Floyd in Minnea­polis durch vier Polizisten hat in Erinnerung gerufen, dass in mehrheitlich weißen Gesellschaften Rassismus in der Polizei ein Problem ist. Und Deutschland ist da keine Ausnahme.

Rassismus ist alltäglich und durchzieht die gesamte Gesellschaft – natürlich betrifft er auch die Polizei. Weil diese durch das Gewaltmonopol eine herausgehobene Machtposition hat, sollte besonders genau hingesehen werden, wenn Menschen in ihrer Obhut sterben. Diese Fälle müssen penibel aufgeklärt werden. Das dient letztlich auch der Polizei – und dem Vertrauen der Bevölkerung in die Institution.

Racial Profiling ist Alltag. Selbst nichtweiße Polizeibeamte wie der Pressesprecher der Berliner Polizei, Thilo Cablitz, erfahren am eigenen Leib, dass sie aufgrund ihrer Hautfarbe als verdächtig eingestuft werden, wenn sie in Zivil unterwegs sind. Cablitz hat vor zwei Wochen in einem taz-Interview im Berlinteil davon erzählt. Bundesinnenminister Horst Seehofer möchte dennoch keine Studie zu Racial Profiling in Auftrag geben, obwohl das Gremium des Europarats gegen Rassismus und Intoleranz (Ecri) genau das empfohlen hatte. Seehofer sieht aber keinen Bedarf. Dabei verstößt Racial Profiling gegen den Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz.

Laut einer 2017 veröffentlichten Erhebung der europäischen Grundrechteagentur wurde ein Drittel der Schwarzen Menschen in Deutschland in den vergangenen fünf Jahren von der Polizei kontrolliert. 42 Prozent von ihnen glauben, dass sie nur aufgrund ihrer Herkunft angehalten wurden. Das ist der fünfthöchste Wert in der Europäi­schen Union.

In der Erhebung der Europäischen Grundrechteagentur wurde deutlich, dass besonders häufig Menschen mit einem nordafrikanischen oder subsaharischen Migrationshintergrund angaben, von der Polizei wegen ihrer Herkunft kontrolliert worden zu sein. Minderheiten mit einem russischen Migrationshintergrund glaubten in der Regel nicht, dass sie wegen ihrer Herkunft kontrolliert wurden. Das zeigt, dass Hautfarbe eine Rolle spielt.

Seit vielen Jahren arbeiten zivilgesellschaftliche Initiativen daran, dieses Problem in Deutschland öffentlich zu thematisieren. Zu diesen Gruppen zählt etwa die Antirassistische Initiative (ARI) aus Berlin, die in der vergangenen Woche die nunmehr 27. Aktualisierung ihrer Chronik „Bundesrepu­blikanische Flüchtlingspolitik und ihre tödlichen Folgen“ vorlegte.

Geflüchtete, so schreibt die ARI, seien polizeilichen Aktionen in besonderem Maße ausgesetzt, sei es durch sprachliche Barrieren oder an „Orten der Isolation – Haftzellen, Flüchtlingslager oder Abschiebeflugzeuge –, in denen Gewalt ausgeübt wird“. Tötungen oder schwere Verletzungen würden mit „Notwehr“ gerechtfertigt, Ermittlungen gegen PolizistInnen schnell eingestellt. Das liegt auch daran, dass es keine unabhängige Stelle für Ermittlungen gibt – gibt es Vorwürfe gegen die Polizei, ermittelt sie gegen sich selbst. Das ist ein strukturelles Problem.

Wir möchten dieser Debatte mit journalistischen Mitteln begegnen und sie mit Fakten unterfüttern. Deshalb haben wir etwa 40 Fälle aus den vergangenen fünf Jahren genauer untersucht, bei denen Menschen, die von Rassismus betroffen waren, in Polizeigewahrsam umgekommen sind.

24 Fälle dokumentieren wir hier ausführlicher. Sie zeigen, wie schnell ein Mensch sterben kann. Durch die Fälle zieht sich ein Muster aus Überforderung, Schlampigkeit und Gleichgültigkeit der Behörden. Und leider fehlt es auch viel zu oft an Aufklärungswillen.

ファイル:Zurich police riot control.jpg

In die Sammlung aufgenommen haben wir Fälle, bei denen Menschen in Haft, Sicherheitsgewahrsam oder bei einem Polizeieinsatz umgekommen sind. Nicht gelistet sind Menschen, die selbst eine Feuerwaffe hatten, Geiseln genommen oder außenstehende Dritte auf andere Weise willentlich in Lebensgefahr gebracht haben. Wenn die Menschen mit einem Messer bewaffnet waren, tauchen sie jedoch in der Dokumentation auf. Oft ist die Existenz des Messers zumindest zweifelhaft, und außerdem kann man davon ausgehen, dass die Polizei in der Lage ist, Menschen mit einem Messer zu entwaffnen, ohne sie zu töten.

In die Dokumentation aufgenommen wurden alle Todesfälle von Menschen, die von Sicherheitsbehörden als fremd wahrgenommen werden – sei es aufgrund ihrer Hautfarbe oder aufgrund dessen, dass sie kein Deutsch können. Darunter fallen Menschen mit Migrationshintergrund, ausländische Staatsbürger und People of Color.

Die Gruppe „Death in Custody“ hat uns ihre Vorrecherche zum Thema zur Verfügung gestellt, wofür wir uns herzlich bedanken. Die 2019 gebildete Gruppe hat sich zum Ziel gesetzt, alle Fälle in Deutschland zu dokumentieren, in denen Menschen, die von Rassismus betroffen sind, seit 1990 in Gewahrsam gestorben sind. Bislang hat sie 161 Fälle in ihre Chronologie aufgenommen.

RedakteurInnen, KorrespondentInnen und AutorInnen der taz haben die Fälle untersucht und weitere Informationen gesammelt. Wir hoffen, damit dazu beizutragen, dass die Aufmerksamkeit, die der Tod George Floyds auf die Probleme auch in unserem Land gerichtet hat, wach bleibt.

Yaya Jabbi, 19. 2. 2016, Hamburg

Am 15. Januar wird der 21-jährige Yaya Jabbi aus Guinea-Bissau in einer Seitenstraße der Hamburger Reeperbahn festgenommen. Die Polizei findet 1,65 Gramm Marihuana bei ihm. Eine Kleinstmenge, die weit unter dem Eigenbedarf liegt – jedenfalls bei weißen Menschen. Die Polizei geht davon aus, dass Jabbi dealt, und steckt ihn in Untersuchungshaft. Wegen seiner Verbindungen zum Ausland bestehe Fluchtgefahr, urteilen die Haftrichter*innen. Einen Monat nach seiner Inhaftierung ist Jabbi tot. Am 19. Februar finden ihn Mitarbeiter*innen der Justizvollzugsanstalt aufgehängt an der Gardinenstange seiner Zelle.

Für die Behörden ist der Fall abgeschlossen: Yaya Jabbi hat sich in seiner Zelle erhängt, ein Gutachten bestätigt den Suizid. Die Obduktion wird damals von Klaus Püschel durchgeführt, dem Leiter des Instituts für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Bei der Untersuchung stellt der Gerichtsmediziner keine Anzeichen von Fremdeinwirkung fest.

Püschel ist auch aus anderen Kontexten bekannt: Von 2001 bis 2006 verantwortete er den Einsatz von Brechmitteln bei mutmaßlichen Dealern. Während eines solchen Einsatzes stirbt der Nigerianer Achidi John. 2015 lässt Püschel die Genitalien von Geflüchteten vermessen, um ihr Alter zu bestimmen.

Nach Yaya Jabbis Tod will die Familie ihn so bald wie möglich beerdigen, so kommt es zu keinem zweiten Gutachten. Aber seine Angehörigen und Freund*innen glauben nicht an einen Suizid. Sie beschreiben Jabbi als fröhlichen Menschen. Auch das Suizidscreening in der Untersuchungshaft habe keine Anhaltspunkte für eine Suizidgefahr ergeben, schreibt die Ini­tiative Remember Yaya Jabbi unter Berufung auf die Justizbehörde auf ihrer Website. Mit der Initiative kämpft der ­Bruder des Verstorbenen, Abou Jabbi, gegen dessen Vergessen. Katharina ­Schipkowski

Amos Thomas, 13. 7. 2016, Erharting bei Mühldorf am Inn
Der 62-jährige Amos Thomas soll aus einem Altenpflegeheim in Erharting, Oberbayern, in die Psychiatrie gebracht werden. Er leidet an einer chronischen Schizophrenie und hat die Wahnvorstellung, er sei Gott.

Thomas stammt ursprünglich aus Liberia und ist 1993 nach Deutschland gekommen, hier lebt er mit einer Duldung. An dem besagten Morgen soll er sich aggressiv verhalten haben, deshalb werden für den Krankentransport zwei Polizeibeamte hinzugezogen. Als es zu dem tödlichen Vorfall kommt, befinden sich in dem kleinen Raum neben Thomas sein Mitbewohner, DRK-Mitarbeiter, Heimpersonal und die Polizisten. Thomas geht mit einem Messer auf einen Polizisten los und verletzt ihn am Bein. Daraufhin wird er erschossen.

Der Fall kommt zur Staatsanwaltschaft Traunstein. Ein Jahr später teilt sie in einer Pressemitteilung mit, dass „keine Ermittlungen gegen eine bestimmte Person eingeleitet“ worden seien. Ihrer Auffassung nach sei der Schusswaffengebrauch rechtmäßig gewesen, da einer der Beamten durch den Messerstich so schwer verletzt worden sei, „dass konkrete Lebensgefahr bestand“. Nach dem Messerangriff hätten beide Beamte ihre Dienstwaffe gezogen „und gaben insgesamt vier Schüsse ab“.

Thomas war sofort tot.

Michael Gaertner war der rechtliche Betreuer von Amos Thomas. Er sagt: „Amos konnte aggressiv werden, war aber letztlich harmlos. Wenn er austickte, konnte ich ihn runterholen.“ Patrick Guyton

Hussam Fadl, 27. 9. 2016, Berlin

Hussam Fadl lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in der Geflüchtetenunterkunft in Berlin-Moabit, als es am Abend des 27. September 2016 zu einem Polizeieinsatz kommt. Die Polizist:innen sind angerückt, um einen Mann festzunehmen, der Kinder in der Unterkunft sexuell missbraucht haben soll – darunter auch die sechsjährige Tochter von Hussam Fadl.

Der Verdächtige sitzt bereits im Polizeiwagen, als Fadl auf das Auto zuläuft, er soll aufgebracht gewesen sein. Dann schießen drei Polizisten insgesamt viermal von hinten auf ihn. Wenige Zeit später stirbt er im Krankenhaus.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt: Warum haben die Polizisten geschossen? Die Polizei gibt an, Fadl habe ein Messer bei sich gehabt. Doch es gibt Zeug:innen, die dem widersprechen. Auf einem später sichergestellten Messer sind keine Fingerabdrücke des Mannes zu finden.

Der Hauptzeuge und Verdächtige im Missbrauchsfall wird nach Pakistan abgeschoben, bevor er von Ermittler:innen befragt werden kann. Trotz der Widersprüche stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren im Mai 2017 ein. Es heißt, die Polizist:innen hätten aus Notwehr gehandelt.

Im Mai 2018 weist das Kammergericht Berlin die Staatsanwaltschaft an, die Ermittlungen wieder aufzunehmen. In einer Begründung heißt es, die Umstände seien „unzureichend aufgeklärt“. Das Gericht zweifle an einer „sorgfältigen Ermittlungstätigkeit“. Die Witwe Fadls und ihr Anwalt hoffen auf eine öffentliche Hauptverhandlung. Doch die Ermittlungen laufen bis heute nur schleppend. Die Staatsanwaltschaft Berlin wollte sich gegenüber der taz bis Redaktionsschluss nicht äußern. Sarah Ulrich

Dschaber al-Bakr, 12. 10. 2016, Leipzig

Quelle        :            TAZ          >>>>>          weiterlesen

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Oben      —             Hamburger Polizeibeamte bei einer Festnahme

Author Vanis~commonswiki

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2.)  von Oben     —      Polizei im Ordnungsdienst bei 1. Mai-Krawallen in Zürich

Autor   :    Mark Hull

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DER ROTE FADEN

Erstellt von DL-Redaktion am 7. Juli 2020

Kiner, Kinder! Schmeißt das Ego an die Wand

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Durch die Woche mit Ariane Lemme

Drama auf allen Bühnen. Viel wäre gewonnen, wenn wir uns überlegen, was wichtig und was verletzter Stolz ist.

Das war mal wieder eine Woche, da hätte ich am liebsten mein gesamtes Umfeld kollektiv zum Yoga geschickt. Denn was war? Drama auf allen Bühnen, viva la Diva!

Beim Yoga gibt’s nur wenige, zugegeben, sehr simple Grundsätze, aber mit denen kommt man recht weit. Einer ist: Das Ego muss weg. Steht einem selbst nämlich nur im Weg, diese Stimme im Kopf, die immer so lasziv schnurrt, wie wichtig man selbst ist. Und was einem so alles zustünde. Das Ego-Vernichten soll keinen Schmerz kleinreden und auch keine echten Bedürfnisse negieren. Nur dran erinnern, dass jeder andere auch wichtig ist.

Und Schmerzen kennt. Daran schließt gleich das andere Grundprinzip an: learn to sit with discomfort. Das Unbequeme aushalten heißt genau nicht, eine Scheißegal-Trutzburg um sich zu bauen und sich passiv das Elend der Welt unbeteiligt vom Fenster aus reinzupfeifen. Es heißt eher, mal zuzulassen, dass was schmerzt, ohne gleich mit zitternden Fingern nach ’nem Fix zu suchen: Bestätigung, Lob, Schoki, Wein und Applaus.

Oder reflexhaft zur Gegenrede auszuholen. Erst mal jemand anderen abwatschen: Diese Woche etwa las ich, dass die Autorin Mirna Funk einem – nach der aktuellen Beaufort-Skala eher kleineren – Shitstorm ausgesetzt war, nachdem sie geschrieben hatte, dass sie ihre Tochter nicht als (unbezahlte) Carearbeitslast sieht, sondern als Wunder, als Geschenk, als über sie hereingebrochenes Glück.

Glück? Pfui. Anderer Leute Glück kann manchen schon zu viel sein. So einfach darf es keine:r haben. Funk hatte noch hinzugefügt, dass das an ihrem Background liegen möge, nur ein Teil ihrer Familie hat den Holocaust überlebt. Mag sein, dass einem so eine Geschichte das Leben noch wertvoller erscheinen lässt, aber mir kommt ihre Aussage auch ohne diesen Unterbau doch geradezu selbstverständlich vor. Das Leben ist verdammt noch mal kostbar.

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Viele Fahnen wehen für leere Köpfe. Das ist Politik wie sie lebt!

Und wie wenig Respekt vor dem eigenen und dem Leben anderer muss man denn haben, wenn man sich davon so provoziert fühlt, dass man gleich – wie Anne Dittmann in der Welt – zum Gegenschlag ausholen muss. Und mit den drastischen Worten einstieg, Funks Post kickte sie morgens ähnlich wie der Kaffee, den sie bräuchte, um ihr eigenes quengelndes Kind nicht schon morgens an die Wand zu werfen.

Häh? Was bitte ist das wieder für ein kaltschnäutziger Ton über Menschen, noch dazu schutzlose, zu sprechen? Klar, Dittmann antwortet (explizit und passiv-aggressiv schon in der Überschrift erwähnt) als Feministin auf Funk. Die allerdings, wenn man den ein oder anderen Text von ihr gelesen hat, selbst keine Freundin des Patriarchats ist.

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Grafikquellen        :

Oben       —             Roter Faden in Hannover mit beschriftetem Aufkleber als Test für einen möglichen Ersatz des auf das Pflaster gemalten roten Strichs

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Alle gegen Philipp Amthor

Erstellt von DL-Redaktion am 16. Juni 2020

Hihi hilft nicht mehr

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Von Anja Maier

Der CDU-Politiker Philipp Amthor ist ein klassischer Parvenü. Nun aber hat er es mit dem Nach-oben-hecheln übertrieben. Wie tief wird er fallen?

„Ich bin nicht käuflich“, steht auf der Website von Philipp Amthor. Und: „Meine Priorität ist der leidenschaftliche politische Einsatz für unser Land.“ Nach allem, was man weiß, hat der CDU-Jungstar aber auch persönliche Prioritäten: Der Vorwurf der Bestechlichkeit steht im Raum. Für einen derart selbstgewissen Politaufsteiger wie Philipp Amthor, dem Jungen aus Torgelow in Vorpommern, könnte die Affäre bereits das Ende seines Aufstiegs bedeuten.

Das wird aber sehr wahrscheinlich nicht passieren. Amthor steht im Bundestag fraktionsübergreifend in einer langen Tradition der Verquickung von politischen mit privaten Interessen: Hier eine Beratung, da eine Empfehlung, im Gegenzug Reisen, ein Direktoriums- oder Aufsichtsratsposten. Amthors nun öffentlich gemachte Vorteilsnahme könnte ihm am Ende gar zum Vorteil gereichen. Der Trick: Verstöße werden umgehend als dumme Fehler bereut, um sie wenig später als Lernkurve politisch zweitverwerten zu können.

Was ist passiert? Für das US-amerikanische Tech-Unternehmen Augustus Intelligence hat Amthor im Bundeswirtschaftsministerium versucht, den geschäftlichen Boden zu bereiten. Für sein Empfehlungsschreiben – im Herbst 2018 versandt mit seinem Bundestags-Briefkopf – zeigte sich Augustus erkenntlich.

Amthor wurde nicht nur wie ein kleiner König hofiert. Er erhielt auch schicke Direktoren-Visitenkarten und Aktienoptionen über mindestens 2.817 Stück. Die Recherchen zeigen, wie begeistert man bei Augustus vom neuen Markenbotschafter war: „So ein geiler Typ“, schrieb Augustus-Gründer Pascal Weinberger in einem internen Chat. „Wir müssen uns echt bei ihm bedanken.“

Unappetitliche Gesellschaft

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Wer in den Bundestag möchte – sollt hier als Thor anklopfen !

Die Anteilsoptionen hat der „geile Typ“ zurückgegeben, die Nebentätigkeit eingestellt. Sein Lobbying könnte Amthor nun aber den CDU-Landesvorsitz samt Spitzenkandidatur in Mecklenburg-Vorpommern kosten. Dort sind im kommenden Jahr Wahlen. Ende dieser Woche entscheidet der Landesvorstand, ob der Parteitag im August oder erst im Oktober stattfindet. Entscheidet sich die CDU für den späteren Termin, ist klar: Da will man Gras über die Sache wachsen lassen.

Quelle         :       TAZ       >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen       :

Oben          —      Philipp Amthor auf dem CDU Parteitag 2019 am 22. November 2019 in Leipzig.

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Unten       —   Doors and windows from India [#people ,#nature ,#animal ,#face ,#windows ,#rural ,#India ,#Wooden ,#Gateway ,#Doors ,#Ravi ,#Kumar ,#VTR]

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Der Tagesschau-Stil:

Erstellt von DL-Redaktion am 13. Juni 2020

Tagesschau-Stil: … ´s sind ja bloß Chinesen

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Quelle     :      Scharf   —  Links

Von Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam

Die Beijing-Berichterstattung strotzt vor feindseliger Arroganz und hat rassistische und antikommunistische Anklänge

Die Tagesschau ist ein äußerst wirksames Instrument der Indoktrination. USA-, NATO- und EU-affin, obendrein obszön regierungsfromm, bildet sie deren Politik nur kritik- und distanzlos ab. Für die gewöhnliche Meinungsmache reicht das auch. Bei der Berichterstattung über die Volksrepublik China gibt es aber oft noch ein Extra: Die Redaktion beschallt ihre bis zu 11 Millionen deutschsprachigen Kunden mit aggressiven Nebentönen. Die Arroganz dahinter wirkt wie inspiriert von der „Hunnenrede“ Kaiser Wilhelms II. (1900): “Pardon wird nicht gegeben…, daß es niemals wieder ein Chinese wagt, einen Deutschen scheel anzusehen!“

Respekt und Sympathien für das fernöstliche Milliardenvolk, Deutschlands wichtigsten Handelspartner, werden gezielt verödet. Demnächst finden in Hongkong Regionalwahlen statt; wir dürfen uns auf ein Tagesschau-Festival der antikommunistischen und chinafeindlichen Propaganda gefasst machen.

Hongkong ist seit Beginn der „Regenschirm-Proteste“ wieder beliebtes Thema in den Medien der “Westlichen Wertegemeinschaft”: Klagen über Einflussnahmen der Regierung in Beijing auf ihr Sonderverwaltungsgebiet Hongkong prägen seit Monaten die Berichterstattung. Reichlich parteiisch sind auch die Filmreportagen über Zusammenstöße gewalttätiger „Demonstranten“ mit den Ordnungskräften. Die Randalierer haben allerdings schon mal Flughafenhallen, U-Bahnstationen und zahllose Nahverkehrs-Installationen verwüstet und blockieren immer wieder wichtige Transportwege. Die Polizei setzt im Gegenzug Tränengas ein und versucht, die Rädelsführer zu fassen. Zeitweise wirkt Hongkong wie ein Schlachtfeld.

Die Folge: Die Produktivität sank rapide, die Umsätze im Einzelhandel brachen ein, die Tourismuswirtschaft schrumpfte, Messen fielen aus – all dies schon lange vor der Corona-Pandemie. Effekt: Das Bruttoinlandprodukt sank 2019 um 4,82 Prozent. Der Warenexport ging um 4,1 Prozent zurück, der stärkste Abtrag seit der Welt-Finanzkrise 2008/2009. (1,2)

Der Zusammenhang zwischen dem Bedeutungsverlust der Insel als internationaler Handelsplatz und den gewaltsamen Umtrieben der vom Westen teilfinanzierten und fallweise angeleiteten „Regenschirm-Revolutionäre“ (3,4,5) wird in unseren Fernsehnachrichten jedoch großzügig ignoriert. Stattdessen erlauben sich Tagesschau &Co., was bei vergleichbaren Gewaltexzessen in Deutschland – siehe Berichterstattung über die Begleiterscheinungen des G-20-Gipfels in Hamburg – absolut undenkbar wäre: lebhaft beifällige Töne über die ferngesteuerten Urheber der Straßenschlachten unter ihren ach so friedlichen Regenschirmen. (6)

Die Propagandamethode ist bekannt: Mache aus aggressiven Randalierern demokratiesuchende Opponenten; bezeichne das Einschreiten der Sicherheitskräfte als ungerechtfertigte Gewaltanwendung von Staatsbütteln. Der Ruf unserer Politiker und regierungsfrommen Journalisten nach „mehr Demokratie“ und „Wahrung der Menschenrechte“ ist eine sich selbst rechtfertigende Form von Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder. Unsere Gralshüter der Freiheit gehen dabei allerdings nie so weit, die wirtschaftlichen Interessen ihres Geldadels zu gefährden. (7)

Zum Repertoire antichinesischer Agitation gehören unangemessene öffentliche Kritik, schulmeisterliche Belehrungen und Zurechtweisungen. Beim Adressaten bewirken sie bestenfalls gar nichts. Sie nützen aber seiner legitimen – und erst recht der illegitimen – innerstaatlichen Opposition. Vom Ausland unterstützte chinesische Dissidenten, die aus Sicht der regierenden Kommunisten die Stabilität des Landes gefährden, werden in der westlichen Berichterstattung hofiert.(8) Kommt es in China zu Kundgebungen gegen die Regierung (wie bei den Unruhen in Tibet vor der Olympiade 2008) oder bekämpft sie interne dschihadistischen Gefahren (in Xinjiang), dann ergreift Deutschland reflexartig Partei gegen Beijing.

Wie das vonstatten geht, hat erstaunlicherweise die den Grünen als Inkassostelle für Staatsknete dienende Heinrich-Böll-Stiftung (!) kritisch untersucht und schon anno 2010 in einer Studie über 3000 Berichten in deutschen Mainstreammedien (inkl. Tagesschau) dargelegt. (9) Auszüge:

„… bei der Analyse aller identifizierten Beiträge zu China (werden) in einer Vielzahl von Medienbeiträgen … bestimmte offensichtlich gesellschaftlich inhärente Vorstellungen und Klischees über das Land unreflektiert kolportiert . Dabei prägen normativ abwertende Bilder von China … den Diskurs, Insgesamt lässt sich hier … von einer fortlaufenden Verbreitung existierender Stereotypen durch die Medien sprechen … Es besteht die Gefahr einer Verfestigung dieser zumeist extrem versimplifizierten und verkürzenden Klischees in der deutschen Öffentlichkeit durch die Menge an Beiträgen, die diese Eindrücke verbreiten.“

Die Verfasser rieten an, von einem „denunzierenden Bild der chinesischen Gesellschaft“ abzusehen und sich zu „mehr Respekt in der Berichterstattung über den Anderen durchzuringen.“ Das heiße nicht, dass chinesische Positionen von Kritik ausgenommen werden sollten.

Der Soziologe Jörg Kronauer, Autor des Blogs German Foreign Policy, resümierte: „Kritik ist etwas anderes als Denunziation. Jahre nach der Veröffentlichung der Studie muss man, wie die Lektüre der einschlägigen Medien zeigt, allerdings konstatieren: Ihre Empfehlungen sind zwar gut gewesen, gefruchtet aber haben sie nicht.“ (10)

In den aktuellen internationalen Kampagnen gegen China geht es um zwei Themen: die Umtriebe in Hongkong und die angebliche „Schuld“ Beijings am Ausbruch der Corona-Pandemie. (11) Letztere sei „mutmaßlich“ auf Fehler eines Hochsicherheits-Biolabors in Wuhan in der Provinz Hubei zurückzuführen. Was dazu zu sagen ist, hat die chinesische Botschaft in Berlin dem Chefredakteur der BILD-Zeitung ins Stammbuch geschrieben. (12)

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Den Vorwurf fehlender Objektivität und Sachlichkeit hätte die Tagesschau getrost auch auf sich beziehen können. Die ARD unterhält zwar in Berlin ein „Hauptstadt-Studio“ mit sage und schreibe 75 journalistischen Mitarbeitern. (13) Dass dort jemals der Botschafter der VR China in Deutschland zu Gast gewesen oder von den ARD-Leuten in seinem Amtssitz um die Sichtweise seiner Regierung gebeten worden wäre, ist allerdings nicht erinnerlich. Wohl aber, dass sich die Tagesschau stets darauf beschränkt, ähnlich wie BILD die absurden Schuldzuweisungen des US-Präsidenten Trump (14) zu verbreiten – ohne klaren Hinweis auf die Haltlosigkeit der Äußerungen dieses Psychopathen.

„Seit Wochen schon führt US-Präsident Donald Trump seine sehr eigene Auseinandersetzung mit der chinesischen Führung über den Ursprung des Corona-Virus. Während Trump dabei auch seine eigenen Motive haben mag, ist er mit der Forderung nach mehr Transparenz nicht alleine. Auch die Bundesregierung schloss sich dieser Position nun an.“ (15)

Bockmist-Journalismus.

Größere politische Tragweite hat die Hongkong-Invektive: Sie richtet sich gegen den Beschluss des Nationalen Volkskongresses, seinen Ständigen Ausschuss mit der Ausarbeitung eines „Hongkong-Sicherheitsgesetzes” zu beauftragen. (16) Tenor der diesbezüglichen Berichte: Beijing wolle sich für seine Einmischung in die Selbstverwaltung Hongkongs eine Grundlage außerhalb gültiger internationaler Abkommen verschaffen. Nach den tatsächlichen Motiven und Absichten der chinesischen Regierung wurde jedoch nicht gefragt. Ignoriert wurde zudem das Vertragsfundament, auf dem das neue Gesetz ruhen wird. Stattdessen dieser Schmäh:

Schon im Vorfeld der Abstimmung verbot (sic!) sich die kommunistische Führung jegliche Einmischung.“ (ebd.)

Das beabsichtigte Gesetz soll Beijings Staatsorganen die Strafverfolgung von Terrorismus, Subversion und Separatismus sowie von Aktivitäten ausländischer Streitkräfte ermöglichen, falls die sich in Hongkong einmischen. Der westliche Kampagnenjournalismus überging in seinen Meldungen, dass das Gesetz auf Übertretungen und politische Verbrechen abzielt, die auch nach deutschem Strafrecht und in aller Welt ganz selbstverständlich verfolgt und geahndet werden: Hochverrat, Landesverrat, Landfriedensbruch, Bildung einer terroristischen Vereinigung, Nötigung von Verfassungsorganen, Hasskriminalität, Volksverhetzung etc. (17)

Man sollte meinen, ein ARD-Korrespondent in der Volksrepublik China sei in der Lage und willens, das sachlich zu reportieren. Doch Stefan Wurzel, für ARD und Deutschlandfunk tätiger Hörfunkjournalist, konnte schon sechs Tage vor dem Beschluss des Nationalen Volkskongresses in Beijing sein antichinesisches Wässerle nicht mehr halten:

“Hongkong-Sicherheitsgesetz zeigt Charakter der Führung in China” (18)

urteilte er und ließ das deutschsprachige Publikum wissen, wie böse doch diese chinesischen Kommunisten schon bisher waren, immer noch sind und auch in Zukunft sein werden. Nun denn, sein Audiobeitrag war als Kommentar ausgewiesen; wir haben Meinungsfreiheit, und deshalb durfte auch der Wurzel die Wurzeln seines Denkens bloßlegen. Es erübrigt sich, hier zu untersuchen, inwieweit er mit seinen abfälligen und gehässigen Sprüchen die Grenze zur verbotenen Hetze überschritt.

Zwei Wochen später publizierte ARD-aktuell einen Wurzel-Beitrag auf tagesschau.de, der allerdings zumindest partiell als AgitProp einzuordnen ist:

“Sie (gemeint sind Demonstranten) protestierten auch gegen das von Chinas Führung geplante „Sicherheitsgesetz“ für Hongkong, mit dem die Autonomie der Stadt nach Ansicht der meisten Verfassungsrechtler außerhalb Chinas weiter ausgehöhlt wird”.(19)

„Die meisten Verfassungsrechtler außerhalb Chinas“: Liebe Tagesschauer, wenigstens zwei oder drei Namen aus den Abertausenden internationaler Verfassungsrechtler, konkrete Angaben nebst Kompetenz und Quelle, hätten hier schon geschmückt. Wir nehmen allerdings an, dass Wurzels Bewertung gar nicht von namhaften Verfassungsrechtlern stammt, sondern auf dem eigenen Mist gewachsen ist. Ein sehr gebräuchliches journalistisches Mätzchen: eine bloße Behauptung einfach als Gutachten anonymer Experten ausgeben und ihr damit unverdientes Gewicht verleihen.

Bemerkenswert, dass die Redaktion ARD-aktuell ihm das durchgehen ließ. Immerhin stellte sie seine schräge Behauptung zumindest indirekt richtig. Sie zitiert in einem durchaus lesenswerten Artikel einen Hongkonger „Aktivisten“ namens Joseph Cheng im Wortlaut:

„Für viele andere Mitglieder des prodemokratischen Lagers in Hongkong ist die Sache klar: Chinas Vorhaben sei eine Serie von Maßnahmen, die das Ende des Prinzips ‚ein Land, zwei Systeme‘ einläuten sollen. Aber, sagt Cheng: ‚Wir müssen zugeben, dass dies legal ist.‘(20)

Fürs simple Nachlesen im Vertrag über die Autonomie Hongkongs nach dem Wechsel aus britischer Kolonialherrschaft in chinesische Eigenverwaltung und für eine darauf Bezug nehmende, konsistente Berichterstattung reicht es bei ARD-aktuell eben einfach nicht. The Basic Law heißt das fragliche bei den Vereinten Nationen hinterlegte Dokument, ausgefertigt im Jahr 1997. Die entscheidende Passage:

„Für den Fall, dass der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses beschließt, dass aufgrund von Unruhen in der Sonderverwaltungsregion Hongkong, die die nationale Einheit oder Sicherheit gefährden und außerhalb der Kontrolle der Regierung der Region liegen, … kann die zentrale Volksregierung eine Anordnung erlassen, die die einschlägigen nationalen Gesetze in der Region anwendet.”(21)

Die selbstzerstörerischen Krawalle in Hongkong, von außen geschürt in der Absicht, Beijing zu schaden und einen Umsturz herbeizuführen, sind nun mal Fakt. Die Antwort des Nationalen Volkskongresses, Beijing zum Eingreifen in Hongkong zu bevollmächtigen, falls die Behörden der Insel mit den dortigen Rechtsbrüchen nicht selbst fertig werden, ist vertrags- und rechtskonform, auch aus internationaler Sicht. Das jedoch verschweigt die Tagesschau. Sie bevorzugt die antichinesische Meinungsmache.

File:Ethic Dong Liping Guizhou China.jpg

Journalistische Wachsamkeit ist immer und überall geboten, auch gegenüber China, keine Frage. Aber einerseits gewalttätige Rowdies und ihre kriminellen Umtriebe (Brandstiftung und schwere Körperverletzung inbegriffen) als „politische Opposition“ und „Demokratiebewegung“ zu beweihräuchern und andererseits die legitimen Gegenreaktionen der zuständigen Regierung hysterisch als freiheitsverletzend anzuprangern, obwohl Beijing eben erst einen Gesetzentwurf anvisiert, das ist mehr als unredlich.

Weit mehr journalistische Aufmerksamkeit müsste der Möglichkeit gelten, dass Beijing den Hongkong-Vertrag mit Großbritannien suspendiert. Denn Premier Boris Johnson hat angekündigt, rund 3 Millionen Bürger Hongkongs als “Auslandsbriten“ anzuerkennen und sie mit entsprechenden Pässen samt Einreiseerlaubnis nach Großbritannien auszustatten, inklusive die Option, die volle Staatsbürgerschaft in der neuen Heimat zu erwerben. (22) Wenn er das wahr macht, wäre jeder zwanzigste Brite ethnischer Chinese.

Die Gefahr liegt nahe, dass die Verantwortlichen in Beijing Johnsons Publicity-Vorstoß als Vertragsbruch betrachten und die Autonomie Hongkongs schon jetzt beenden, obwohl das vertraglich eigentlich erst vom Jahr 2047 an passieren darf. Bis dahin ist Hongkong zwar formal ein Teil der Volksrepublik China, kann sich aber nach dem Prinzip „Ein Land, zwei Systeme“ weitestgehend selbst verwalten. (23)

Statt eine zwar kritische, jedoch um Objektivität bemühte Berichterstattung zu organisieren, pflegt die ARD-aktuell ein sehr spezielles Verständnis vom Rundfunkstaatsvertrag, der im Paragraph 11 klipp und klar vorschreibt:

“…die Sendungen sollen … der Verständigung unter den Völkern dienen und auf ein diskriminierungsfreies Miteinander hinwirken“ (24)

Das hält die ARD-aktuell nicht davon ab, verächtlich und desinformativ über Beijing herzuziehen. Neben dem Shanghai-Korrespondenten Wurzel glänzt auch die Beijing-ARD-Korrespondentin Tamara Anthony mit Verbreitung gehässiger Stereotype und unsachlicher Unterstellungen:

„China strotzt nach der Corona-Pandemie vor Selbstbewusstsein … die Antwort der EU auf bisherige Übergriffe von China: Viele Worte, keine Taten … Der EU-China-Gipfel im September findet unter deutscher Ratspräsidentschaft statt. Dort wird sich zeigen, ob Deutschland klare Kante zeigt … Langfristig kann der Westen kein Interesse haben an einer Weltordnung chinesischer Prägung.“ (25)

Kaiser Willem Zwo lässt grüßen. (26) Die Tagesschau ignoriert übrigens wie auch weite Teile des Berliner Regierungs- und Parlamentsbetriebes eine seit 20 Jahren gültige „Deutsch-Chinesische Vereinbarung zum Austausch und der Zusammenarbeit im Rechtsbereich“.(27) Darin haben sich beide Staaten bereiterklärt, „durch den gegenseitigen Austausch die nützlichen Erfahrungen der anderen Seite zu studieren und sich diese zu Nutzen zu machen”.

Wer solche Verträge abschließt, handelt unanständig, wenn er danach immer noch lautstark an die Öffentlichkeit geht und den Partner diskreditiert, ohne ihn vorher zu kontaktieren. In diesem Sinne unentschuldbar sind auch die unsachlichen und fallweise dummdreisten Redebeiträge in der Bundestagsdebatte (!) über den Beschluss des chinesischen Nationalen Volkskongresses. (28)

Stefan Liebich, Die Linke:

„Wir sollten als Bundestag reagieren. Man darf erwarten, dass die Bundesregierung auf die Einhaltung völkerrechtlich bindender Verträge drängt. Da sollten wirtschaftliche Interessen Angela Merkel und Heiko Maas nicht verstummen lassen.“(ebd.)

Auf was will er denn hinaus, dieser „Oppositions“politiker der Linkspartei? Er mault rum, wenn der Heiko ausnahmsweise mal die Klappe hält? Reicht es denn nicht, dass Maas sich eben erst zu den Gewaltexzessen in den USA ausließ? Sein Zwei-Satz-Kommentar, unnachahmlich in Inhalt, Stil und Prägnanz:

„Covid-19 bedroht nicht nur Leben, Gesundheit und Wohlstand, gerade der Schwächsten. Das Virus nähr(sic!) auch Rassismus und Antisemitismus weltweit”.(29)

Und trotzdem verlangt Liebich von dieser Type noch was über Hongkong?

Wir hoffen doch ohnedies schon, dass bald ein kombinierter Impfstoff gegen Corona, Rassismus, Antisemitismus und versuchte Volksverblödung auf den Markt kommt. Vor ministeriellen, parlamentarischen und journalistischen Dummschwätzern wird er uns allerdings auch nicht schützen. Gegen die ist bekanntlich kein Kraut gewachsen.

Quellen und Anmerkungen:

(1) https://de.statista.com/statistik/daten/studie/322360/umfrage/wachstum-des-bruttoinlandsprodukts-bip-in-hongkong/

(2)https://www.censtatd.gov.hk/press_release/pressReleaseDetail.jsp?charsetID=1&pressRID=4606

(3) https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/proteste-in-hongkong-die-verschwoerung-der-usa-16329988.html

(4) https://www.srf.ch/news/international/unruhen-in-hongkong-genuegend-beweise-dass-die-usa-hinter-den-protesten-stecken

(5) https://www.neues-deutschland.de/artikel/1125687.joshua-wong-werben-um-druck-auf-peking.html

(6) https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-306265.html

(7) https://www.brot-fuer-die-welt.de/fileadmin/mediapool/blogs/Hilbig_Sven/menschenrechte_als_versprechen.pdf

(8) https://www.chinadailyhk.com/articles/77/119/110/1566031119892.html

(9) https://www.boell.de/sites/default/files/Endf_Studie_China-Berichterstattung.pdf S.12

(10) Jörg Kronauer, Der Rivale, Konkret Texte 76, 2019 S. 260

(11) https://www.tagesschau.de/faktenfinder/coronavirus-wuhan-labor-101.html

(12) de.china-embassy.org/det/sgyw/t1770161.htm

(13) https://www.ard.de/home/die-ard/fakten/ARD_Hauptstadtstudio/552650/index.html

(14) https://www.handelsblatt.com/politik/international/coronavirus-trump-droht-china-mit-konsequenzen-und-nennt-kritik-an-eigener-politik-hexenjagd/25753312.html?ticket=ST-1644039-MGarCPGezAVNhgEWaC9X-ap1

(15) https://www.tagesschau.de/inland/china-corona-117.html

(16) https://www.tagesschau.de/ausland/china-volkskongress-beschluesse-101.html

(17)  https://www.bbc.com/news/world-asia-china-52829176

(18) https://www.tagesschau.de/multimedia/audio/audio-90175.html

(19) https://www.tagesschau.de/ausland/tiananmen-gedenken-103.html

(20) https://www.tagesschau.de/ausland/hongkong-sicherheitsgesetz-105.html

(21) https://www.basiclaw.gov.hk/en/basiclawtext/images/basiclaw_full_text_en.pdf

(22) https://www.tagesschau.de/ausland/hongkong-grossbritannien-einwanderungsangebot-101.html

(23) https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/hongkong-node/sonderstatus-hongkong/2239262

(24) https://www.ard.de/home/die-ard/fakten/Programmgrundsaetze/554870/index.html

(25) https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-708197.html

(26)  https://www.wilhelm-der-zweite.de/kaiser/kritik_hunnenrede.php

(27)https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF/Themenseiten/EuropaUndInternationaleZusammenarbeit/Deutsch_Chinesische%20_Vereinbarung_zu_dem_Austausch_und_der_Zusammenarbeit_im_Rechtsbereich.pdf?__blob=publicationFile&v=3

(28) https://dipbt.bundestag.de/dip21/btp/19/19164.pdf#P.20425

(29) https://twitter.com/HeikoMaas/status/1268070832087150592

Das Autoren-Team: 

Friedhelm Klinkhammer, Jahrgang 1944, Jurist. 1975 bis 2008 Mitarbeiter des NDR, zeitweise Vorsitzender des NDR-Gesamtpersonalrats und des ver.di-Betriebsverbandes sowie Referent einer Funkhausdirektorin.

Volker Bräutigam, Jahrgang 1941, Redakteur. 1975 bis 1996 Mitarbeiter des NDR, zunächst in der Tagesschau, von 1992 an in der Kulturredaktion für N3. Danach Lehrauftrag an der Fu-Jen-Universität in Taipeh.

Anmerkung der Autoren:

Unsere Beiträge stehen zur freien Verfügung, nichtkommerzielle Zwecke der Veröffentlichung vorausgesetzt. Wir schreiben nicht für Honorar, sondern gegen die „mediale Massenverblödung“ (in memoriam Peter Scholl-Latour). Die Texte werden vom Verein „Ständige Publikumskonferenz öffentlich-rechtlicher Medien e.V.“ dokumentiert: https://publikumskonferenz.de/blog

Urheberrecht
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Grafikquellen       :

Oben       —      Boston Chinatown. Inscription on gate is from Sun Yat Sen’s calligraphy „天下為公“ (Everything under the sun for the public)

Autor Ingfbruno

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2.) von Oben       —     Yingwuzhou Yangtze River Bridge(20160429)

Unten       —        Dong women and man in holiday dresses, Liping County, Guizhou Province, China

Author Jialiang Gao www.peace-on-earth.org
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Corona + Klimakatastrophe

Erstellt von DL-Redaktion am 12. Juni 2020

Corona-Krise und Klimakatastrophe

Quelle       :     Scharf  —   Links

Von Jürgen Tallig

Gesellschaften am Wendepunkt: Restaurativer fossiler Staatskapitalismus oder sozialökologischer Durchbruch,- das ist jetzt die (System)Frage.

Vielleicht lässt sich unsere derzeitige Situation am besten bildhaft, allegorisch beschreiben:

Wir gleichen einem Tankstellenbetreiber, dessen Tankstelle brennt und der sagt, er könne jetzt nicht löschen, weil er eine Erkältung habe und er könne aber auch nicht aufhören Kraftstoffe zu verkaufen, da sonst sein Laden Pleite geht.

Absurd!? Gewiss! Zumal das „Feuer“, wenn es nicht schnellstens gelöscht wird, auf große Tanklager übergreift und dadurch völlig unkontrollierbar werden könnte.

Aber genauso verhalten wir uns derzeit. „Unser Haus brennt“,- die Erderwärmung ist dabei, sich zu verselbständigen und selbst zu verstärken (brennende Wälder, auftauender Permafrost usw.usf.) und zu einer irreversiblen Klimakatastrophe zu werden-,  und wir beschäftigen uns fast nur noch mit einer bisher unbekannten Form von Erkältung und allenfalls damit, wie wir den Geschäftsbetrieb schnellstmöglich auf sein vorheriges, erderhitzendes Niveau hochfahren können.

Und das, derweil der Planet  doch  längst in Flammen steht, wie die weltweiten verheerenden Waldbrände des Jahres 2019 überdeutlich zeigten.

Es wird von „Wiederaufbau“ gesprochen, obwohl wir das Feuer noch gar nicht gelöscht haben und damit nur der Fortgang der bisherigen fossil-mobilen Brandbeschleunigung gemeint ist. Die Welt wird schon wieder von wildgewordenen Autobauern und Autoverkäufern und ihren Lobbys mit „Sonderkonditionen“ in den entropischen Abgrund gelockt, -natürlich alles ausfallgesichert. Der fossil-mobile Machtkomplex in Wirtschaft und Politik schmiedet das „Eisen, solange es heiß ist“, versucht die Verluste zu minimieren und zu sozialisieren und bastelt an neuen Strategien, weltweiter Expansion für ein unendliches Wachstum in einer endlichen Welt. Dafür werden gigantische Summen aus Steuermitteln eingesetzt, die für den notwendigen nachhaltigen und klimagerechten Umbau der Wirtschaft nicht mehr zur Verfügung stehen werden.

Es zeigt sich, dass der wirkliche Ernst der Lage noch immer nicht wirklich begriffen ist und die drohende Klimakatastrophe und die Klimaproteste nachwievor nur als störende und zu managende Randbedingung weiterer kapitalistischer Expansion betrachtet werden. Die Welt befindet sich seit Corona offenbar in einem neuerlichen Verblendungszustand und kann und will die eigentlichen Zeichen der Zeit nicht erkennen.

Wer nach dem Aufbruch der neuen Klimabewegung meinte, das war jetzt schon der Durchbruch, jetzt haben sie es begriffen, hat das System offenbar unterschätzt. Was wir gerade erleben, ist eine Art  fossil-viraler Konterrevolution, mit der man versucht, auch die Uhren beim Klimaschutz wieder zurück zu drehen.

Doch die Wahrheit ist ein starker Verbündeter und wird spätestens im Sommer deutlich gemacht haben, was wirklich wichtig ist. Die Klimabewegung muss mit ihren Verbündeten in der Gesellschaft deutlich machen, dass der „Wiederaufbau“ des bisherigen Falschen aberwitzig und nicht zukunftsfähig ist und zuerst das Feuer der Klimakatstrophe gelöscht werden muss und dazu ein grundlegender Um- und Neubau der Gesellschaft und ein Machtwechsel notwendig sind.

Theater District, New York, NY, USA - panoramio (10).jpg

Die Weichen für die Zukunft des Planeten werden jetzt gestellt und dies sollte keinesfalls den Verteidigern der Vergangenheit und den Profiteuren des „Weiter so“ überlassen bleiben. Wir befinden uns  heute in einer Schwellensituation: einem ökologisch, ökonomisch und sozial notwendigen Paradigmen- und Systemwechsel. Weltweit stellt sich die Frage: ob es zu einer zunehmend autoritären Restauration eines fossil- technokratischen, wachstumsorientierten (Staats)Kapitalismus kommt, der erdsystemische Begrenzungen und die Gesetze der Physik weiter ignoriert  oder ob ein sozialökologischer Durchbruch gelingt, der die Verhinderung der Klimakatastrophe und die Sicherung der Lebensgrundlagen in den Mittelpunkt stellt.

„Unser Haus brennt“.  

Das ist längst nicht mehr nur eine bildhafte Redensart Greta Thunbergs, sondern eine unübersehbare Tatsache. Unser Haus im Weltall, das „Raumschiff Erde“ droht unbewohnbar zu werden. Die Erderwärmung verstärkt sich bedrohlich, wie die weltweiten verheerenden Waldbrände des vergangenen Jahres und der extrem milde Winter in Deutschland eindringlich verdeutlichten. Klimaforscher warnen vor „katastrophalen Bedrohungen und unsäglichem menschlichem Leid“, vor einem “planetaren Notfall”, einem drohenden Klimanotstand (Wir haben die Kontrolle verloren, 28.11.2019, Klimareporter). Ob und wie wir die Klimakatastrophe noch aufhalten oder wenigstens verlangsamen können, das ist zur alles entscheidenden Frage der Gegenwart geworden.

Im vergangenen  Jahr gab es weltweit erneut ungewöhnliche Megabrände, nicht nur in Australien (hier verbrannte eine Fläche von der Größe der früheren DDR), sondern auch im Amazonas-Regenwald, in Indonesien, Kalifornien und selbst in der Arktis gerieten riesige Feuer außer Kontrolle.

Die dramatischen Veränderungen des Klima- und Erdsystems verstärken sich zudem wechselseitig und führen zur anwachsenden Freisetzung von Treibhausgasen aus natürlichen Quellen und gleichzeitig zu einer verminderten Aufnahme  von Kohlendioxid durch natürliche CO2-Senken, was den CO2-Gehalt der Atmosphäre zusätzlich erhöht und die Aufheizung der Erde weiter verstärkt. Der planetare Kipppunkt, der „Point of no return“, ab dem sich die Erderwärmung selbst verstärkt, scheint bereits bei einer „offiziellen“ Erderwärmung von ca. 1,2 Grad erreicht (Wir haben die Kontrolle verloren, Klimareporter, 28.11.2019).

Das Zeitfenster für eine Verhinderung der Klimakatastrophe schließt sich offenbar schneller als bisher gedacht.

Die Welt steuert ungebremst, ja sogar beschleunigt auf eine globale Katastrophe zu. Wenn man die derzeitigen dramatischen Veränderungen der Erde berücksichtigt und einberechnet, dann sind weitere Treibhausgasemissionen eigentlich schon heute unverantwortlich. Selbst, wenn die völlig unzureichenden Selbstverpflichtungen des Pariser Klimaabkommens eingehalten würden, -was ja nicht der Fall ist-, würde dies zu einer Erderwärmung von 3-4 Grad führen. Über Land hat die Erderwärmung bereits 1.53 Grad erreicht.

Erderwärmung außer Kontrolle?

Der DWD teilte in einer Pressemitteilung mit, dass die Temperatur über Deutschland sich in nur fünf Jahren um 0,3 Grad erhöht habe (sogar ohne die Hitzejahre 2018 und 2019 schon eingerechnet zu haben). Das wären 0,6 Grad in zehn Jahren und bis zum Ende des Jahrhunderts entsprechend 4,8 zusätzliche Grad. Das ergibt zusammen mit der bereits realisierten Erwärmung von 1,5 Grad einen Wert von über 6 Grad (ohne die unübersehbare dramatische Beschleunigung der Erwärmung überhaupt einzuberechnen).

Doch, dass wir uns eher auf eine Aufheizung von 6 Grad und mehr zubewegen ist schon länger bekannt:

„Wir haben untersucht, wann die Atmosphäre ähnlich viel CO2 enthielt wie heute. Dabei zeigte sich: Der Planet war bei vergleichbarer Kohlendioxidkonzentration wie jetzt, im mittleren Miozän vor 15 bis 17 Millionen Jahren um bis zu sechs Grad wärmer und der Meeresspiegel lag bis zu 60 Meter höher“ („Dramatische Klimakrise oder rasche Transformation“, Hans Joachim Schellnhuber im Gespräch mit Klimareporter, 01. September 2018).

Allerdings war die Biosphäre damals vollkommen intakt. Heute ist sie vom Menschen bereits schwer geschädigt und vom blitzartigen Tempo der Erderwärmung in ihrer Anpassungsfähigkeit überfordert (siehe Jürgen Tallig „Blitzkrieg gegen die Erde“, Libell 163-165).

Die weltweiten verheerenden Waldbrände des vergangenen Jahres haben 6,7 Milliarden Tonnen Kohlendioxid freigesetzt, möglicherweise noch mehr (Wo es 2019 brannte – Klimareporter, 29.12.2019) Das entspricht etwa einem Fünftel der anthropogenen Kohlendioxidemissionen aus Verbrennungsprozessen von derzeit ca. 41 Milliarden Tonnen, bzw. Gigatonnen CO2. Aufgrund der Erderwärmung geraten immer größere Flächen in Brand, wie im letzten Sommer zu sehen war. Von einem Kohlenstoffspeicher wandelt  sich der Wald in eine Kohlenstoffquelle. Da die verbrannten Wälder ja auch nicht mehr als Kohlendioxidsenke zur Verfügung stehen, also nun nicht mehr CO2 binden und in Sauerstoff umwandeln, verdoppeln sich die Verluste faktisch noch einmal und bewirken eine gigantische zusätzliche Aufheizung der Erde.

„Der Klimawandel überholt die Menschheit“, während diese noch debattiert, wie man ihn aufhalten könnte. Die neuesten Studien sind alarmierend: Das Eis auf Grönland schmilzt bereits jetzt so schnell, wie es ursprünglich für das Jahr 2060 berechnet war. Gleichzeitig tauen die Permafrostböden in Sibirien oder Kanada so rasant, wie es erst für 2090 kalkuliert war (Nicht viel mehr als Visionen, Ulrike Hermann – taz-online, 20.12.2019). Der Permafrost könnte 100 Milliarden Tonnen mehr CO2 freisetzen, als bisher angenommen. Sollte der Amazonas-Regenwald kippen, könnte das zu einem zusätzlichen Ausstoß von etwa 90 Milliarden Tonnen CO2 führen. Dazu kämen noch einmal 110 Milliarden Tonnen CO2 durch ein Verschwinden von Teilen des borealen Waldes in Nordamerika.

Die Treibhausgas-Pandemie

Exponentielles Wachstum ist eine Bedrohung für das Leben. Das zeigt sich bei Krebserkrankungen oder auch bei Viruspandemien, wie jetzt gerade, aber natürlich auch bei der vom Menschen verursachten Aufheizung der Erde, auf Grund immer weiter wachsender Treibhausgasemissionen.

Exponentielles Wachstum gerät leicht außer Kontrolle und verstärkt sich immer weiter, es destabilisiert Systeme, kann deren Zusammenbruch bewirken und muss deshalb eingedämmt werden. Wir haben in der Coronakrise viel darüber gelernt. Containment ist also nötig, es gibt sogar „Eindämmungsverordnungen“, um die Vermehrung und Ausbreitung des Virus zu begrenzen. Man sah mit Erstaunen, wozu die Politik in der Lage ist und wozu die Bevölkerung bereit ist, wenn es darauf ankommt. Gigantische Summen aus den gut gefüllten „Kriegskassen“ wurden bereitgestellt, das Vierzigfache dessen, was man bereit war für das eher symbolische Klimapäckchen locker zu machen. Und das alles bei einem Virus, von dem man nicht einmal so richtig weiß, wie gefährlich er denn nun wirklich ist und ob all diese Aufregung nicht möglicherweise übertrieben war und ganz anderen Zwecken diente.

Wir haben aber schon seit Jahrzehnten, im übertragenen Wortsinn, eine Treibhausgas-Pandemie, eine außer Kontrolle geratene CO2- Vermehrung, die bestens erforscht ist und von der die gesamte Wissenschaft sagt, dass sie den Fortbestand des Lebens und der Menschheit bedroht, wenn sie nicht unter Kontrolle gebracht wird,-  woran aber offensichtlich ein sehr viel geringeres Interesse besteht als beim Corona- Virus.

Die anthropogenen Treibhausgasemissionen haben sich in den Jahren seit der Pariser Klimakonferenz nicht nur nicht verringert, sondern 2017 und 2018 sogar erhöht. Wie aber will man die Erderwärmung begrenzen, wenn man nicht einmal  die völlig ungenügenden Selbstverpflichtungen des Pariser Klimavertrages einhält und selbst reiche Länder neue Kohlekraftwerke bauen (z.B. Dattel 4). Das Europäische Parlament hat zwar inzwischen den Klimanotstand ausgerufen, die Bundesregierung hat ein Klimapaket beschlossen und ein Green Deal soll Europa bis 2050 klimaneutral machen, doch ob dies ausreicht um die drohende Klimakatastrophe zu verhindern, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden. Wo ist die Containment/Eindämmungs-Strategie gegen die Klimagase und die Erderhitzung, wo ist die „Eindämmungsverordnung“ gegen die viel zu hohen CO2- Emissionen, wo bleiben die Fahr- und Flugverbote, um die Klimakatastrophe noch abzuwenden?

Containment der Klimabewegung

Was wir erleben, ist eher ein Containment der Klimabewegung und ihrer Themen und Forderungen und eine Einschränkung demokratischer Freiheiten. Der Mundschutz hat durchaus auch etwas von einem Maulkorb.

Die Coronakrise wirft die Klimaoffensive der letzten Jahre weit zurück und drängt das überlebenswichtige Thema der Verhinderung der drohenden Klimakatastrophe in den Hintergrund. Klima war unangefochten zum Thema Nummer 1 geworden und es ging um „Die Zerstörung der CDU“. Heute kann man sich kaum noch daran erinnern, dass vor einigen Monaten das Europäische Parlament den Klimanotstand ausgerufen hat, was Deutschland ja bis heute noch nicht getan hat. Deutschland beließ es bei einem völlig ungenügenden, eher symbolischen Klimapäckchen und der Ankündigung eines europäischen Green Deal, befand sich aber mit seiner rückwärtsgewandten Verhinderungspolitik eindeutig in der Defensive. Doch mittlerweile befinden wir uns in „Coronazeiten“ und jetzt  herrscht plötzlich auch hier Notstand und der Ausnahmezustand. Was die fortschreitende Zerstörung der Existenzgrundlagen durch die anwachsende Klimakatastrophe und die massenhaften Klimaproteste nicht vermocht haben, erreichte ein modifiziertes Erkältungsvirus, über dessen Wirkungen und Bedrohungspotential die Experten durchaus uneins sind. Nun sollten Warnungen der Wissenschaft grundsätzlich ernst genommen werden, sei es bei einer drohenden weltweiten Verbreitung eines neuartigen Virus, auch wenn dessen Gefährdungspotential noch nicht vollständig geklärt ist und natürlich auch und umso mehr bei der wissenschaftlich eindeutig belegten Gefahr einer irreversiblen globalen Klimakatastrophe.

Man müsse der Wissenschaft glauben und alles Notwendige tun, um Leben zu schützen, sagte Angela Merkel. Ja gewiss doch, aber man sollte nicht eine wissenschaftliche Erkenntnis benutzen, um eine andere globale, wissenschaftlich gut belegte Gefährdungslage zu relativieren und notwendige Maßnahmen aufzuschieben und dadurch möglicherweise den Fortbestand des Lebens und das Überleben der Menschheit zu gefährden.

Es genügt nicht, die Klimakatastrophe „fest im Blick zu behalten“ (A.Merkel), sondern es müssen endlich die notwendigen Maßnahmen eingeleitet werden, um schnellstmöglich Null Emissionen zu erreichen und klimaneutral zu werden.  Meine Zeitungshändlerin meinte:“ Alle reden inzwischen von Corona, keiner redet mehr von Greta!“, womit sie ganz gewiss recht hat.

Dort wo vor kurzem noch das Klimakabinett tagte und ein mickriges Klimapäckchen in Höhe von 60 Milliarden Euro für vier Jahre auf den Weg brachte, da tagt jetzt das Coronakabinett und es geht längst nicht mehr um eine schnelle Reduzierung der Treibhausgasemissionen, sondern um die Stabilisierung und baldige Ankurbelung der Wirtschaft, wofür sehr viel mehr Geld in die Hand genommen wird als für den Schutz des Klimas, -etwa das fünfzigfache-, was aber erst der Anfang sein soll. Olaf Scholz spricht von einer finanziellen „Bazooka“ (einem Raketenwerfer) und anderen Kleinwaffen, die man schon einmal auf den Tisch gelegt habe, Geld sei genug da, und Peter Altmeyer verspricht, die deutsche Wirtschaft werde gestärkt aus der Krise hervorgehen und es werde alles getan, um die Wachstumskräfte Deutschlands anzukurbeln.

Warum erfolgt dieses entschlossene, vorbeugende Handeln,- zu dem die Politik ja offensichtlich doch fähig ist, nicht zur Abwehr und Eindämmung der ganz gewiss alles Leben und den Fortbestand der Menschheit bedrohenden, irreversiblen Klimakatastrophe? Die Coronakrise machte eindringlich deutlich, wessen Interessen die Politik vertritt und verteidigt.

Während die jungen Klimaaktivisten noch debattierten und lange Wunschlisten zur Verbesserung und Rettung der Welt niederschrieben („Klimaplan von unten“ usw.), holte das „Imperium“ längst zum Gegenschlag aus.

Die viral- fossile Konterrevolution

Es geht offensichtlich inzwischen um weit mehr, als um die Abwehr eines Virus, sondern es geht um die Abwehr einer Wirtschaftskrise, vielleicht sogar einer neuen Weltwirtschaftskrise, -die ja seit Jahren vorausgesagt wird und die angesichts des Erreichens der inneren und äußeren Grenzen des Wachstums unbestritten früher oder später völlig unvermeidlich ist. Globalisierte Wertschöpfungsketten sind eben nicht nur profitabel, sondern auch unökologisch und extrem angreifbar und verletzlich. Es zeigt sich, auf welch dünnem Eis das Kartenhaus unseres Wohlstands steht. Die Konjunktur hatte jedoch schon vor Corona einen Schnupfen. Die Coronakrise ist nicht Ursache, sondern Auslöser dieser Wirtschaftskrise, sie hat ihr zum Ausbruch verholfen und so Markt- und Strukturkorrekturen eingeleitet, die den nächsten Aufschwung vorbereiten sollen.

Zettel „Wollt ihr die totale Hygiene?“.jpg

Die Coronakrise ist zum Anlass und zur Gelegenheit für die bisherigen Profiteure der fossil-mobilen Globalisierung geworden, notwendige Korrekturen, Verluste, Abschreibungen und Umstrukturierungen in ihren überdehnten,  zunehmend weder ökologisch noch ökonomisch nachhaltigen Strukturen,  nunmehr mit staatlicher Unterstützung vorzunehmen. Alleine am 23.03.2020 wurden 600 Milliarden Euro an Hilfen für die großen Konzerne angekündigt, getreu dem Motto: „Gewinne privatisieren und Verluste sozialisieren.“

Zur Erinnerung, das „Klimapäckchen“ der Bundesregierung hat einen Umfang von ca. 60 Milliarden Euro für den Zeitraum von vier Jahren. Nun wurde anlässlich der Coronakrise schnell einmal das Vierzigfache dessen locker gemacht, was man bereit war für die Rettung des Planeten vor der Klimakatastrophe auszugeben… Es geht zwar vorderhand um Kurzarbeitergeld und den Erhalt von Arbeitsplätzen, aber letztlich ist es ein groß angelegtes Strukturanpassungsprogramm zum Erhalt vermeintlich systemrelevanter Strukturen.

Wem das aus der Finanzkrise 2008/09 und der Autokrise der letzten Jahre bekannt vorkommt, der täuscht sich nicht. Mit Marktwirtschaft, vielleicht sogar freier, hat das längst nichts mehr zu tun. Es zeigt, wie die aktuellen Kräfteverhältnisse im Land sind, wie die Weichen gestellt werden und worum es wirklich geht. Es geht darum, die Wirtschaft und das Wachstum zu verteidigen, wie Finanzminister Olaf Scholz von der SPD, beim Geldverteilen in seltener Offenheit sagte. Doch welche Wirtschaft wir brauchen und wollen, das ist eine Frage, die angesichts der Klimakatastrophe gesellschaftlich neu entschieden werden muss und nicht einem selbstermächtigtem Notstandskabinett überlassen bleiben sollte.

Das Thema Corona drängt ja nicht nur das Thema Klimakatastrophe in den Hintergrund, sondern schafft auch eine Burgfriedenmentalität der Verteidigung „des bisher Erreichten“,  bei gleichzeitigem Notstandsmanagement und Zukunftssicherung zugunsten der bisherigen Strukturen und ihrer staatlich alimentierten Verlängerung in die Zukunft. „Auf die guten alten Zeiten, die bald wiederkommen.“ heißt es programmatisch bei Klassikradio. Das neue „Wir“ vereinnahmt Alle und Alles, auch jede Kritik. Und dies, zu einem Zeitpunkt, wo ein grundlegender Umbau und Strukturwandel in allen Bereichen erforderlich ist, zugunsten nachhaltiger und zukunftsfähiger Technologien und Wirtschafts- und Lebensweisen.

Krise als Chance

Aber keine Restauration ist dauerhaft, wie die Geschichte lehrt und „Keine Macht der Welt kann eine Idee aufhalten, deren Zeit gekommen ist.“, wie schon Victor Hugo wusste. Insofern ist Krise natürlich auch immer eine Chance, hier sogar eine vielfache, wenn man sie denn zu nutzen versteht.

Es ist nunmehr für jeden offensichtlich geworden: „Eine andere Welt ist möglich!“, ohne dass davon die Welt untergeht, ja vielleicht reifte sogar bei manchem die Erkenntnis „Eine andere Welt ist nötig!“, damit die Welt nicht untergeht und für ein gutes Leben sowieso…

Die unverhoffte Erfahrung eines entschleunigten Lebens und die damit möglicherweise verbundene Infragestellung unserer bisherigen scheinbaren Normalität, die Erfahrung einer ganz anders tickenden und funktionierenden Welt, wird Spuren hinterlassen.  Veränderungen in Richtung eines „weniger ist mehr“ und einer anderen langsameren, lebensfreundlicheren,  menschlicheren Welt werden zunehmend nicht mehr als bedrohlich, sondern vielleicht sogar als wünschenswert erscheinen.

Krankheiten sind ja erzwungene Zeiten des Innehaltens, des Umorientierens, in denen man den Ursachen der Krankheit auf den Grund geht, um Wege zu finden, gesund zu werden, um in ein neues Gleichgewicht zu kommen.

Die Coronakrise hat gezeigt, dass sehr viel mehr möglich ist, zu Bekämpfung einer Krise, wenn der Staat es wirklich will. Das ist jetzt auch der Maßstab für das Handeln gegen die Klimakrise,- die Zeit symbolischer Klimapolitik und symbolischer Klimapäckchen ist vorbei.

Wenn die Gesellschaft und der Staat mit derselben Entschlossenheit, wie in der Coronakrise gegen die Klimakrise vorgehen und genau so konsequent die notwendigen radikalen Veränderungen von Wirtschaft und Gesellschaft umsetzen würden, dann hätten wir vielleicht noch eine Chance, diese ungleich größere Herausforderung doch noch zu meistern.

Die Coronakrise ist noch auf eine andere Art eine Chance zur Verhinderung der Klimakatastrophe. Denn sie hat nicht nur deutlich gemacht, dass sehr viel mehr möglich ist und wäre, um eine Krise zu meistern, sie könnte zum anderen auch Auslöser für eine Weltwirtschaftskrise sein, die unabweisbar deutlich machen würde, dass das bisherige Modell der fossil-mobilen Globalisierung nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch nicht zukunftsfähig ist. Eine solche Krise würde die Karten neu mischen und verteilen und den notwendigen Platz schaffen für einen Neuanfang. Denn gegen die jahrzehntelang akkumulierte Macht und die Interessen der Verteidiger des Status quo ist die notwendige ökologische Wende nur schwer machbar, wie die letzten Jahrzehnte gezeigt haben.

Sehen wir es positiv: nur aus einer Krise, einem Akt schöpferischer Zerstörung kann etwas Neues hervorgehen, nur wenn die Mächte des Alten ihre Macht und Dominanz verlieren kann sich Neues durchsetzen, nur wo Platz ist kann Neues wachsen. Eine globale Weltwirtschaftskrise wird vielen im ersten Moment als das denkbar schlimmste Szenario erscheinen. Doch unter Umwelt- und Klimaaspekten ist ein „Weiter so“ das allerschlimmste Szenario, es ist das „Worst Case -Szenario“, das direkt in eine irreversible Klimakatastrophe, eine lebensfeindliche Heißzeit führt.

„Wer will, dass die Welt bleibt wie sie ist, will nicht dass sie bleibt.“ sagte einst Erich Fried, womit er natürlich unsere naturzerstörende Produktions- und Lebensweise meinte.

Walter Benjamin meinte:“Das alles so weitergeht, ist die eigentliche Katastrophe.“

Die Coronakrise ist gleichsam das letzte Gefecht zwischen rückwärtsgewandter Besitzstandswahrung und entschlossener Zukunftssicherung:

Autoritärer, fossiler Staatskapitalismus oder sozialökologische Wende, das ist die Entscheidung, vor der wir heute stehen. Es wird und kann nicht weitergehen wie bisher, so oder so, -doch wie es weitergehen könnte und müsste, wissen die meisten nicht.

Ob es ein zunehmend autoritäres, technokratisches „Weiter so“ des bisher dominanten fossil-mobil-monetär-militärischen Machtkomplexes geben wird oder einen Weg der ökologischen Modernisierung und des grünen Wachstums oder eine Mischung aus beidem, ist offen. Doch selbst ein grünes Reformprojekt wird nicht mehr ausreichen, um die drohende Klimakatastrophe noch zu stoppen oder auch nur zu begrenzen. Wir haben unser vermeintliches Budget längst allzu sehr überzogen. Wir müssen mit der Illusion aufräumen, dass die derzeitigen Klimaschutzverpflichtungen, selbst wenn sie eingehalten würden, in irgendeiner Art und Weise ausreichend sind, um die Aufheizung der Erde noch zu begrenzen.

Nötig ist inzwischen eine tatsächlich dramatische, einschneidende Reduzierung unseres Naturverbrauchs und unserer Treibhausgasemissionen binnen weniger Jahre.  Es muss inzwischen sehr viel schneller und radikaler gehandelt werden, um das Klima- und Erdsystem noch im lebensfreundlichen Bereich zu stabilisieren. Es geht längst nicht mehr um Null Emissionen bis 2050, sondern um Null Emissionen bis spätestens 2035 oder gar 2025 (Extinction Rebellion), wie Wissenschaftler und Klimabewegung aufgrund neuerer Entwicklungen und Erkenntnisse berechtigt fordern. Doch wie soll das gelingen?

Eine eher symbolische Klimapolitik und zusätzliches grünes Wachstum werden nicht ausreichen, um die Emissionen schnell genug einzudämmen. Es geht um ein Umbauprojekt in vielfachen Corona-Dimensionen,- bloß geht es nicht um ein obskures „Wiederaufbau- und Wachstumsankurbelungsprogramm“ für die falschen fossilen und mobilen Strukturen, sondern um den radikalen Um- und Rückbau dieser Strukturen.

Was bedeutet es real, wenn wir Null Emissionen bis 2030 oder 2035 erreichen müssen, um noch etwas zu retten. Wie kann und muss ein solches Rettungs- und Stabilisierungsprogramm aussehen?

Die sich zuspitzenden ökologischen und sozialen Krisenentwicklungen unserer Zivilisation können nur durch eine grundlegende Systemänderung,  eine „Große Transformation“ überwunden werden.

Konturen einer sozialökologischen Transformation

Die notwendige schnelle Reduzierung der Treibhausgasemissionen erfordert den Übergang von der derzeitigen fossil- expansiven globalisierungsorientierten Wirtschaftsweise zu einer solar-regionalen, stationären Wirtschaftsweise. Es reicht jedoch nicht, nur die energetische Basis der Wirtschaft zu verändern, sondern es ist ein grundlegender Umbau der gesamten Struktur notwendig, denn eine absolute Verringerung des Energie- und Stoffdurchsatzes der Wirtschaft auf etwa ein Zehntel ist notwendig, um eine klimaneutrale Wirtschaft und Null Emissionen zu erreichen.

Coughs and Sneezes Spread Diseases Art.IWMPST14158.jpg

Ziel muss ein schneller Umbau der Gesellschaft sein, der die dominanten kapitalistischen Abschöpfungs-, Bereicherungs- und Externalisierungsmechanismen durch ökologisch nachhaltige, gemeinwohlorientierte, solidarische und kooperative Ordnungsstrukturen ersetzt. Die Veränderung der Leitvorstellungen  allen wirtschaftlichen Handelns ist notwendig: An die Stelle des kapitalistischen Leitprinzips der Kapitalakkumulation und der Gewinnmaximierung in Privatverfügung mit dem zwangsläufigen Wachstumszwang und seinen zerstörerischen Folgen, muss das Leitprinzip einer lebensdienlichen Ökonomie treten. Also nicht weiter Profitmaximierung und Mehrung von Kapital in der Hand weniger, sondern ein Bedarfs- und Gemeinwohlorientiertes Wirtschaften, bei unbedingter Erhaltung der Ökosysteme, in solidarischer Teilhabe aller, mit dem Ziel der Entwicklung eines nachhaltigen, sozial stabilen, zukunftsfähigen Gemeinwesens. Hier einige Stichpunkte:

Ø  Grundlegender Umbau des Steuersystems, Ökologische Steuerreform (Belastung des Energie-und Rohstoffverbrauchs, Entlastung lebendiger Arbeit ,regenerativer Energien, des öffentlichen Verkehrs), Preisreform: Verteuerung von Energie und Rohstoffen, ein progressiv schnell steigender CO2- Preis mit mindestens  60 €/Tonne als Startpreis, Abschaffung des Bruttosozialprodukts zugunsten eines Ökosozialprodukts, Bilanzierung und Besteuerung der Unternehmen nicht nur nach ökonomischen Kennzahlen, sondern ebenso nach ökologischen, sozialen Kennzahlen…

Ø  Der grundlegende Umbau der Finanzordnung: Geld nicht mehr als Bereicherungsmittel, sondern reines Tauschmittel; Abschaffung des Kapitalzins, der leistungslosen Spekulations- und Aktiengewinne; Bankensystem als reine Dienstleistung in öffentlicher Hand, in dem keine Gewinne erzielt werden…

Ø  Die Richtigstellung der Eigentumsordnung, in der selbst erarbeitetes und selbstgenutztes Eigentum geschützt wird, in der aber Eigentum nicht zur leistungslosen Abschöpfung fremder Leistung genutzt werden kann, z.B. durch Wuchermieten. In einer gemeinwohlorientierten Eigentumsordnung müsste Grund und Boden und die Dienste der Öffentlichen Hand in Gemeineigentum übergehen bzw. bleiben…

Ø  Die Entwicklung einer partizipatorischen Unternehmensverfassung: Begrenzung der privaten Abschöpfung durch konsequente Mitbestimmung und Gewinnbeteiligung aller. Förderung genossenschaftlicher Unternehmen…

Ø  Die weitere Forcierung der material- und energieintensiven und Arbeitsplätze weg rationalisierenden Digitalisierung ist ein Irrweg.

Ø  Die Voraussetzungen einer nachhaltigen Wirtschaftsordnung liegen in einer konsequenten Ökologisierung allen Wirtschaftens, in einer leistungsgerechten und solidarischen Einkommensordnung, in einer solidarischen Arbeits- und Sozialkultur, in einer ökosozialen Globalisierung nachhaltiger Wirtschaftsweisen und einer weitgehenden Regionalisierung der Wirtschaft.

Ø  Sofortprogramm-Nahziele: Sofortiger Kohleausstieg, Kostenloser ÖPNV, 100 % Ökologische Landwirtschaft, Verbot von Einwegflaschen- und Verpackungen, sofortige Abschaffung und Umlenkung aller bisherigen Subventionen für fossile Energien und motorisierten Individualverkehr, Kerosinsteuer usw.usf.

(Initiativgruppe Postkapitalistische Ökonomie, Unveröffentlichter Entwurf, 2020)

Der „Wiederaufbau“ nach der Coronakrise kann keine Fortsetzung und Wiederbelebung des falschen fossilen Wachstumsmodells sein, sondern muss der sofortige Beginn eines klimagerechten Umbaus der Wirtschaft, entsprechend der Verpflichtungen des Pariser Klimavertrages sein.

Je länger wir immer schneller weiter in die grundlegend falsche Richtung fahren, desto geringer die Aussicht, den Zug der Zivilisation noch vor dem entropischen Abgrund zum Stehen zu bringen.

Wenn wir in 10- 15 Jahren klimaneutral sein müssen, um wenigstens noch die Chance auf eine Begrenzung der Aufheizung der Erde zu haben und dazu auch noch die Biosphäre stabilisieren und wieder herstellen müssen, dann ist es nicht mit ein paar neuen Weichenstellungen für den kapitalistischen Wachstumszug getan, dann müssen wir zur Notbremse greifen und den Zug anhalten und den Umbau zu einer stationären, klimaverträglichen, also nachhaltigen Wirtschaft und Gesellschaft jetzt vollbringen.

Voraussetzung, um den kranken und sterbenden Planeten noch zu heilen und das Klima- und Erdsystem im noch lebensfreundlichen Bereich zu stabilisieren ist, ganz ähnlich wie bei einer Krebserkrankung, das Entfernen und Austrocknen der parasitären, zerstörerischen und zu weiterem Wachstum verdammten Krebsgeschwüre, also unseres imperialen Metropolenkapitalismus, der die ganze Welt durchdringt. Wer meint, er könne eine Krebserkrankung heilen, in dem er das Krebsgeschwür heilt, der irrt.

Jürgen Tallig      Mai/Juni 2020   tall.j@web.de

https://earthattack-talligsklimablog.jimdofree.com

https://www.oekom.de/person/juergen-tallig-4673?p=1

Literatur:

„World Scientists’ Warning of a Climate Emergency“. William J. Ripple and 11,258 scientist signatories from 153 countries, Downloaded from https://academic.oup.com/bioscience/advance-article-abstract/doi/10.1093/biosci/biz088/5610806 by guest on 09 November 2019

Naomi Klein, „Kapitalismus vs. Klima“, 2015

Uwe Schneidewind, Die Große Transformation, 2018

Jürgen Tallig,  „Rasante Zerstörung des Blauen Planeten“ Umwelt aktuell  12.2016/01.2017

                          „Die tödliche Falle“ Umwelt aktuell  11.2017

                         „Erderwärmung außer Kontrolle?“ 2019, Online- Zeitschrift „scharf-links“

WBGU, Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation, Hauptgutachten 2011

WBGU, Klimaschutz als Weltbürgerbewegung, Sondergutachten 2014

 „Zukunftsfähiges Deutschland“, Studien des Wuppertal Instituts 1997 und 2008

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Grafikquellen      :

Oben       —        Satirische spanische Darstellung Ende September 1918: der Soldado de Nápoles liest in der Zeitung vom gutartigen Charakter der Krankheit und gleichzeitig, dass der Platz auf den Friedhöfen ausgeht

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Von BAK – GFN Die Linke

Erstellt von DL-Redaktion am 16. Mai 2020

verurteilt den Plan der israelischen KV zur Annexion weiter Teile des besetzten palästinensischen Westjordanlands

Quelle     :         AKL 

Vom  Bundesarbeitskreis „Gerechter Frieden in Nahost“ ist bei der „Bundesarbeitsgemeinschaft Frieden und Internationale Politik“ angesiedelt. Er hat sich Mitte Januar 2011 bundesweit aus Mitgliedern der LINKEN sowie Sympathisant*innen formiert.

Am 20. April unterzeichneten Benjamin Netanjahu und Benjamin Gantz ihre Vereinbarung über eine „nationale Notstandsregierung“. Das Bündnis sichert nicht nur Netanjahu, der wegen Korruption in drei Fällen angeklagt ist, Immunität für viele Jahre. Geplant ist vor allem die Annexion von allen 128 Siedlungen im Westjordanland und der „Kornkammer Palästinas“, dem Jordantal, womit ein Drittel der Westbank dem israelischen Staat zugeschlagen würde. Als einzige Vorbedingung für das Vorhaben, das ab dem 1. Juli umgesetzt werden soll, nennt der Koalitionsvertrag die Zustimmung der US-Administration, die das US-Außenministerium am 25. April prompt gegeben hat. Mit anderen Regierungen soll zwar in Dialog getreten werden, deren Protest wird aber genauso ignoriert werden, wie dies in der Vergangenheit der Fall war. Von Gesprächen mit den Palästinensern ist keine Rede.

Die Annexion besetzten Landes ist illegal und es ist kein Geheimnis, dass die große Mehrheit der in der israelischen Knesset vertretenen Parteien als Ziel die Annexion palästinensischen Landes verfolgt. Eine große parlamentarische Mehrheit in der Knesset gilt als sicher. Die Trump-Administration hat Ostjerusalem genau wie die syrischen Golanhöhen als Teil Israels anerkannt und die Völkerrechtswidrigkeit des israelischen Siedlungsprojekts bestritten. Mit ihrem „Nahost-Plan“ hat sie die Blaupause für Annexions-Vorhaben geliefert und das über Jahrzehnte auch von US-Regierungen offiziell vertretene Ziel eines palästinensischen Staates ad acta gelegt. Rest-Palästina soll nicht nur ohne Ostjerusalem als Hauptstadt auskommen, es soll auch keine Souveränität über die eigenen Grenzen sowie über Verbindungs- und Zugangsstraßen haben und nicht dazu befähigt werden, sich gegen israelische Übergriffe zu verteidigen: kein Staat, sondern ein neuer Typ von Kolonie.

Die internationale Gemeinschaft und insbesondere die Bundesregierung haben die Zerstörungen und Vertreibungen der letzten Jahrzehnte sowie den vor allen Augen vollzogenen Raub palästinensischen Landes durch den Siedlungs- und Mauerbau durch ihr Schweigen geradezu gefördert. Ihre „Besorgnis“ hat bei den israelischen Regierungen keinerlei Eindruck hinterlassen. Auch die Warnung der europäischen Regierungen vom letzten September, jede Annexion von Teilen der Westbank sei „ein ernster Bruch internationalen Rechts“, ist ohne jede Wirkung verpufft. Die Anerkennung Palästinas wird von der Bundesregierung bis heute verweigert, obwohl inzwischen 138 Staaten Palästina, das über alle erforderlichen Merkmale eines Staates verfügt, anerkannt haben. Sie versuchte sogar, die Untersuchung und Anklage von israelischen Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverstößen in den besetzten palästinensischen Gebieten vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu verhindern. Nun aber hat die Generalanklägerin Fatou Bensouda die Rechtsprechungskompetenz des Gerichts über Palästina anerkannt, sodass die Palästinenser auch gegen die Annexion die internationalen Gerichte anrufen können.

Das Zeitfenster ist klein. Die neue israelische Regierungskoalition will die Annexionspläne unbedingt vor den US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen im November umsetzen. Der ohnehin schon tote Osloer Friedensprozess wäre damit auch juristisch beendet. Will sich die Bundesregierung ein letztes Fünkchen Glaubwürdigkeit in ihrer Nahostpolitik zurückerobern, darf sie nicht tatenlos zusehen, wie die von ihr seit Jahrzehnten vertretene Zweistaatenlösung endgültig beerdigt wird. Wir als Bundesarbeitskreis Gerechter Frieden in Nahost der Partei DIE LINKE sind der Überzeugung, dass die Bundesregierung in der Pflicht steht, die international verbrieften Rechte der Palästinenser, wie sie in zahlreichen UN-Resolutionen niedergelegt sind, endlich wirksam zu verteidigen.

Die Bundesregierung kann nicht Russland für den Anschluss der Krim mit Sanktionen belegen, Israel aber gewähren lassen. Eine Annexion besetzten palästinensischen Landes wäre nicht nur ein eklatanter Bruch des Völkerrechts, sondern auch der Startschuss für noch intensivere Vertreibungen, für eine neue palästinensische Nakba. Wer sich in Nibelungentreue übt, anstatt laut nein zu sagen und dann auch Konsequenzen zu ziehen, ist Mittäter.

Deutliche Kritik kommt aus Israel selbst. „Eine Annexion würde einen tödlichen Schlag für eine Friedensmöglichkeit und die Schaffung eines Apartheid-Staats bedeuten“, erklären 56 ehemalige Knesset-Abgeordnete, unter ihnen frühere Minister. Ähnliches ist auch in einem Schreiben von 300 ehemaligen israelischen Offizieren, Generälen und Mossad-Chefs zu lesen.

127 ehemalige und aktuelle britische Parlamentarier aus allen Parteien, darunter ehemalige Minister und Diplomaten, haben den britischen Premier in einem Brief aufgefordert, eine Führungsrolle bei der Aufrechterhaltung internationalen Rechts einzunehmen. Boris Johnson müsse deutlich machen, dass Annexionen nach internationalem Recht illegal seien und „ernste Konsequenzen, inklusive Sanktionen“ nach sich zögen. Wir fordern die Bundesregierung auf, ebenfalls mit Konsequenzen zu drohen. Sie sollte sich für die Aussetzung des EU-Israel-Assoziierungsabkommens einsetzen, bis Israel die Einhaltung der Menschenrechte und des Völkerrechts garantiert, wie es in Artikel Zwei des Abkommens gefordert wird. Ebenso sollte Deutschland auch einen Stopp von Waffenlieferungen und ein Aussetzen der militärischen Kooperation androhen. Darüber hinaus fordern wir die Bundesregierung auf, jetzt endlich den Staat Palästina anzuerkennen. Die Zeit der Worte ist vorbei, die Bundesregierung hat sich zu lange zum Komplizen einer offen völkerrechtswidrigen Politik gemacht. Nicht Annexion sondern Rückzug aus allen besetzten Gebieten ist das Gebot der Stunde.

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akl - Antikapitalistische Linke

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Grafikquellen      :

Oben       —        Westjordanland

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NSU und Loveparade

Erstellt von DL-Redaktion am 10. Mai 2020

Was Gerichte können – und was nicht

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Eine Kolumne von Thomas Fischer

Die schriftlichen Urteilsgründe im NSU-Verfahren liegen vor, das Loveparade-Verfahren wurde eingestellt. Für viele zweimal Anlass, mangelhafte „Aufarbeitung“ zu beklagen. Zu Recht?

Zwei Verfahrensereignisse der Strafjustiz haben die deutsche Nachrichtenlage in der vergangenen Woche etwas belebt, sodass die heutige Kolumne sich mit ihnen statt mit dem Rätsel befasst, warum nach sechs Wochen Untergangsklagen über das Ende des Föderalismus nun die Entscheidungen der Länder zur Vorbereitung des wichtigsten Muttertags aller Zeiten als „neue Spaltung“ bejammert werden.

Es geht stattdessen heute – wieder am alten Kolumnenplatz – um die Fertigstellung der schriftlichen Urteilsgründe im NSU-Verfahren durch das OLG München und die Einstellung des Loveparade-Verfahrens durch das Landgericht Duisburg. Das erste hat zunächst nur eine innerprozessuale Bedeutung, das zweite war eine verfahrensbeendende Sachentscheidung. Einen erheblichen Aufregungsfaktor hatten beide, und die dem „Justizversagen“ schon fast entwöhnte öffentliche Meinung wälzte sich vom Lager des virologischen Dauerversagens und begann danach zu suchen, wo sich die entscheidenden Fehler in den Strafprozessen finden lassen könnten.

3022 Seiten

3022 Seiten Urteil! Ein gewaltiges Werk, in über 90 Wochen seit der Verkündung in die Welt gebracht zur „Aufarbeitung“ der rechtsterroristischen Verbrechensserie des sogenannten NSU und seiner Spießgesellen. Bisher kennen es nur wenige, und das wird sich auch kaum durchgreifend ändern, wenn die Urteilsgründe nicht mehr nur in journalistischen Kreisen zirkulieren, sondern anonymisiert und neu formatiert in die Öffentlichkeiten und Datenbanken gelangt sind. Für einen erheblichen Teil der Bürger würden 3200 Seiten eine schwer zu bewältigende Leseaufgabe darstellen – vom Interesse am Inhalt einmal ganz zu schweigen.

Denn Urteilsgründe nach dem Maß des § 267 StPO sind weder das, was sich Laien unter einem spannenden Krimi vorstellen, noch ein Schwall von gefühligen Empörungsformeln und vernichtenden Schmähungen der Verurteilten. Sie folgen vielmehr ziemlich strengen formalen Regeln und haben ganz spezielle Aufgaben, von denen nicht die wichtigste ist, der breiten Öffentlichkeit einmal mitzuteilen, was überhaupt passiert ist. Auch viele Verurteilte lesen die Urteilsgründe nicht genau; sie interessieren sich nicht für prozessuale Einzelheiten oder dogmatische Filigranarbeit, sondern dafür, „was hinten rauskommt“.

Schriftliche Urteilsgründe werden in der deutschen Strafprozessordnung im Wesentlichen für das Verfahren selbst geschrieben: Für professionell Beteiligte, für das Rechtsmittelgericht, in gewisser Weise auch für das urteilende Gericht selbst, das sich – nachdem das Urteil ja längst gesprochen ist! – erstmals in systematischer, sprachlich fixierter Form dazu äußern muss, auf welchem Weg und aufgrund welcher Argumente es zu seiner Entscheidung gelangt ist. In dieser Funktion liegen Stärken und Schwächen zugleich.

Denn die Richter sind „unabhängig“, die Beweiswürdigung ist „frei“, und die Strafe wird „auf der Grundlage der Schuld“ unter „Abwägung der Umstände“ zugemessen. Das sind große Spielräume, aber keine Einladungen zu Willkür, logikfreier Gefühlsjustiz oder eitler Selbstverwirklichung. Das geltende Recht, aber vor allem auch die Denk- und Argumentationsstrukturen der allgemeinen öffentlichen Kommunikation verlangen, dass Urteile auf Gründe gestützt werden, die „vermittelbar“ sind, also auf rational akzeptablen Argumenten beruhen. Strafurteile können nicht damit begründet werden, der Richter habe eine „Eingebung“ oder einen Traum gehabt, der Angeklagte habe den Bösen Blick oder sieben ehrbare Gutachter hätten bei ihrem Seelenheil geschworen, sie hielten ihn für schuldig.

Ob Verurteilungen oder Freisprüche auf akzeptablen Argumenten beruhen, prüft das Revisionsgericht. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Die Richter in Karlsruhe wissen es nicht „besser“ als die in München oder Frankfurt, die die Beschuldigten, Zeugen und Sachverständigen gehört und die Beweise erhoben haben. Aufgabe des Rechtsmittelgerichts ist nicht, „keinen Schuldigen laufen zu lassen“ oder die Wahrheit besonders gut zu ermitteln, sondern nur zu prüfen, ob das Urteil „Rechtsfehler“ aufweist oder nicht. Das tut das Revisionsgericht im Wesentlichen allein anhand der schriftlichen Urteilsgründe. Dafür werden sie geschrieben.

Ob ein Urteil kurz oder lang ist, spielt keinerlei Rolle; es wird mit der Anzahl der Seiten weder besser noch schlechter. Jedes schriftliche Urteil muss bestimmte, gesetzlich vorgegebene Teile enthalten: Den Sachverhalt, den das Erstgericht in der Hauptverhandlung festgestellt hat, die Beweisergebnisse und Erwägungen, aufgrund derer es zu diesen Feststellungen gelangt ist, die rechtliche Einordnung der festgestellten Tatsachen, Ausführungen zu den Rechtsfolgen. Dieser grundsätzliche Aufbau ist immer gleich, der konkrete Inhalt kann selbstverständlich extrem unterschiedlich sein. Umfangreiche oder komplizierte Vorgänge erfordern breite Darstellungen, einfache Sachverhalte nicht.

Urteilsgründe sind keine literarischen Kunstprodukte. Sie müssen nicht „schön“ sein, auch nicht spannend, anrührend, einfallsreich oder lustig. Und sie haben gewiss nicht die Aufgabe, Ansprüchen von Verfahrensbeteiligten oder gar der „interessierten Öffentlichkeit“ nach emotionaler Betreuung, Tröstung, Offenbarung zu genügen oder Geschichtsschreibung zu simulieren. Deshalb ist es eher befremdlich, dass anlässlich der Fertigstellung der schriftlichen Gründe im NSU-Verfahren die schon nach der Urteilsverkündung dramatisierten Vorwürfe wieder aufgegriffen wurden, das Gericht habe sich nicht genügend emotional mit dem Leid von Tatopfern und vor allem (?) mit dem von Hinterbliebenen der getöteten Menschen befasst.

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Die schmutzige Hände der Politik, welche den Staat verfilzen, lassen sich selbst in der Corona-Krise nicht mehr sauber waschen.

Es gibt Gerichte, die so etwas machen, und es gibt Vorsitzende von Strafkammern oder Strafsenaten, die mündliche Urteilsverkündungen für rechtspolitische Grundsatzerklärungen, persönliche Schmähungen, emotionalisierte Kommentierungen des Prozessgeschehens oder moralische Statements nutzen. Ob man das mag, ist Geschmackssache; manchen erscheint es als Botschaft menschlichen Mitgefühls, anderen als peinliche Selbstdarstellung. Man muss sich nur darüber klar sein, dass es keine Bedeutung hat. Der Vorsitzende eines Kollegialgerichts ist nicht der „Vorgesetzte“ der anderen Richter, sondern eine gleichberechtigte Stimme von fünf. Er hat zu verkünden, was die Mehrheit als Ergebnis beschlossen hat, und zwar auch dann, wenn er selbst in der Beratung ganz anderer Ansicht war. Was er zur „Mitteilung des wesentlichen Inhalts“ (§ 268 StPO) sonst noch sagt, ist seine Sache; es ist in der Regel nicht abgesprochen und muss keineswegs die Meinung der übrigen sein. Schon das sollte zur Zurückhaltung beim Vorsitzenden selbst Anlass geben, aber vor allem auch bei der öffentlichen Interpretation. Man muss sich klarmachen: Im Extremfall sitzen vier weitere Richter schweigend daneben, denen so mancher „bedeutend“ gesprochene Satz des Vorsitzenden peinlich ist. Das ist nicht die Regel, kommt aber vor.

Quelle         :           Spiegel-online            >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —        Loveparade 2010

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2.) von Oben      —         Thomas Fischer auf der re:publica 2016

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Unten     —      Posing

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Covid-19 greift Politiker an!

Erstellt von DL-Redaktion am 30. April 2020

Covid-19 greift auch die Niere, das Herz und das
Hirn an – (so weit vorhanden)

Bautzen Großwelka - Sauriergarten - Homo erectus 03 ies.jpg

Sie landen dort – wo sie einst herkamen : Die Politiker !

Quelle        :    INFOsperber CH.

Urs P. Gasche / 30. Apr 2020 –

Risiko-Patienten sind nicht nur Menschen mit Lungenproblemen. Berichte aus den USA bestätigen den Infosperber-Bericht vom 23. März.

Vor fünf Wochen informierte Infosperber darüber, dass Covid-19 nicht nur für Menschen mit Lungen- und Herzkreislauf-Problemen gefährlich sein kann, sondern wahrscheinlich auch für Menschen mit chronischen Krankheiten wie Diabetiker und Menschen mit deutlich zu hohem Blutdruck oder koronarer Herzkrankheit. Das bestätigen jetzt neue Befunde. Den endgültigen Nachweis könnten nur Autopsien an Covid-19-Verstorbenen bringen. Doch erstaunlicherweise werden solche in der Schweiz gar nicht und in Deutschland fast nur in Hamburg durchgeführt. Das Robert Koch-Institut RKI hatte sogar von Autopsien abgeraten, weil eine Ansteckungsgefahr bestehe. Pathologen protestierten. Erst seit kurzem empfiehlt das RKI Autopsien nun doch.

Fast alle Organsysteme können unter dem Virus schwer leiden

Unterdessen werden immer mehr Klinikberichte publik über die Behandlungen von Menschen, die an Corona schwer erkrankten. Es geht um mehr als um die Beatmung wegen Lungenproblemen. Die «Washington Post» berichtete über Menschen im Alter zwischen 30 und 40 Jahren, die ohne Symptome plötzlich einen Schlaganfall erlitten und dann auf Sars-CoV-2 positiv getestet wurden. Bei diesen Personen ohne Vorerkrankungen sind Blutgerinnsel und tödliche Thrombosen äusserst selten. Während der Autopsie eines der Verstorbenen sei der Pathologe erschrocken, weil das Blut im Gehirn Verklumpungen in den kleinen Gefässen aufwies.

Autopsien anderer Patientinnen und Patienten in den USA zeigten, dass Sars-Cov-2 auch in Lunge, Herz, Hirn, Niere, Leber und Darm aktiv wurde und tödliche Störungen verursachte. Die Verklumpung des Blutes in kleinsten Gefässen stoppte die Durchblutung. Das Gewebe bekam keinen Sauerstoff mehr und starb ab. Dies wiederum beeinträchtigte und verhinderte die Funktionen von Lunge, Nieren und Herz. Das Virus verursachte ein Organversagen. Eine Beatmungsmaschine allein reicht in diesen Fällen nicht.

Als molekulare Eintrittspforten für das Virus stehen insbesondere ACE2-Rezeptoren im Verdacht. Ein verbindendes Element sei möglicherweise der Blutkreislauf mit der Verteilung der Viren in alle Organe. Die körpereigene Abwehr könne schliesslich zu einer immunologischen Überreaktion führen. Das schreibt Wissenschaftsjournalist Joachim Müller-Jung in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Die Folge seien Schlaganfall, Blutgerinnsel, tödliche Thrombosen.

Blutgerinnsel und vaskuläre Probleme könnten der Grund dafür sein, dass von 1700 Covid-19-Patienten, die in England an eine Beatmungsmaschine angeschlossen wurden, nur die Hälfte die Intensivstation lebend verlassen konnten.

In einer noch nicht abschliessenden Studie italienischer Ärzte vom 22. April 2020, in der über die Autopsien von 38 verstorbenen Covid-19 Patienten berichtet wird, heisst es: «Unsere Daten unterstützen nachdrücklich die Hypothese von neueren klinische Studien, dass Covid-19 durch Blutgerinnungsstörung und Thrombose verkompliziert wird oder eng damit zusammenhängt.» Die Autoren fanden Thromben – Blutgerinnsel – bei 33 der 38 untersuchten Patienten.

WHO-Definition greift zu kurz

Die WHO nennt das Virus «Sars-Cov-2», wobei SARS für Severe Acute Respiratory Syndrome steht, zu Deutsch schweres akutes Atemwegssyndrom. Doch diese Definition ist höchstwahrscheinlich unzureichend. Denn das Virus kann nicht nur, und vielleicht nicht einmal hauptsächlich, die Lunge angreifen, sondern im ganzen Körper Blutgerinsel verursachen, die wiederum fast alle Organe erfassen können.

Eine schwere Influenza-Grippe kann ebenfalls zu einer lebensbedrohlichen Erkrankung des Kreislaufs und zu einem Versagen mehrerer Organe führen (Sepsis). Doch Sars-Cov-2 kann mit Blutgerinnseln das ganze System zum Erliegen bringen. Das jedenfalls geht aus zahlreichen klinischen Berichten hervor. Wissenschaftlich gesicherte Daten gibt es noch nicht.

Schafherde mit Schäfer.jpg

Gehorsame Bürger :  Ein Schäfer ond 2 Hunde reichen aus um alle Schafe unter Kontrolle zu halten. Adolf benötigte auch nicht mehr !

Warum die meisten Infizierten keine oder nur ganz leichte Symptome entwickeln, bleibt vorderhand ungeklärt. Doch zu den Risiko-Patientinnen und -Patienten gehören nicht nur Menschen mit schwachen Lungen und mit Herzproblemen, sondern unabhängig davon sind Menschen mit chronischen Krankheiten wie hoher Blutdruck, Diabetes oder Herzinfarkt gefährdet. Es gibt starke Hinweise, dass diejenigen Patienten, die ACE-Hemmer oder Sartane einnehmen, vom Coronavirus besonders betroffen sind. Diese beiden Medikamentengruppen erhöhen im Körper die ACE2-Enzyme. Und ausgerechnet diese ACE2-Enzyme dienen Coronaviren als Einfallstor in den Körper. Allerdings warnen US-Fachgesellschaften davor, ACE-Hemmer oder Sartane ohne ärztliche Begleitung abzusetzen oder durch andere Blutdrucksenker zu ersetzen.

Das Risiko von Thrombosen im Krankheitsverlauf durch Covid-19 sei so hoch, dass den Patienten «möglicherweise prophylaktisch Blutverdünner verabreicht werden sollten», erklärt ein Forscherteam unter Leitung des New Yorker Arztes Behnood Bikdeli in der Fachzeitschrift «Journal of The American College of Cardiology». «Ich habe in meiner Karriere hunderte Blutgerinnsel gesehen, aber noch nie so viele anormale extreme Fälle», schreibt Bikdeli.

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Bei einer Online-Nutzung ist die Quellenangabe mit einem Link auf infosperber.ch zu versehen. Für das Verbreiten von gekürzten Texten ist das schriftliche Einverständnis der AutorInnen erforderlich.

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Grafikquellen      :

Oben    —       Jagdszene: Homo erectus im alten Teil („Sauriergarten Großwelka“) des Saurierparks in Bautzen-Kleinwelka

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Unten         —          Eingezäunte Schafherde mit Schäfer auf der Dreiborner Hochfläche im Nationalpark Eifel.

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Nahaufnahmen von Defender

Erstellt von DL-Redaktion am 27. Februar 2020

Von Glühbirnen und Kriegsspielen

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Aus Garlstedt und Bremen Sophie Lahusen

37.000 Soldaten, 22.000 Stück Material müssen bei der Nato-Übung „Defender“ bewegt werden. Eine große Aufgabe für General Denk in Garlstedt. Eine Herausforderung auch für friedensbewegte Kritiker.

ie Autobahn ist weit weg, von einem fahrenden Trecker weht Stroh auf den Weg, und Kühe liegen auf einer Weide. Friedlich ist das Land­leben, und doch geschieht hier, in der niedersächsischen Provinz, Weltpolitik. Zweimal schon war Garlstedt mit seinen gut 400 Einwohnern in den Schlagzeilen: 1980, als die Nato mit ihrer Alarmrotte in den Himmel stieg, um ein vermeintliches Ufo zu identifizieren, und 1996, als der Hamburger Erbe Jan Philipp Reemtsma während seiner Entführung einen Monat in dem Dorf verbringen musste, eingesperrt in einem Keller. Jetzt passiert wieder etwas: US Defender Europe 2020.

Neben den freistehenden Backsteinhäusern gibt es in Garlstedt zurzeit eine militärische Zeltstadt zu bestaunen. Gastgeber ist hier Brigadegeneral André Erich Denk, Kommandeur der Logistikschule der Bundeswehr in Garlstedt. Seine Stiefel sind fest geschnürt und beim Reden gestikuliert er mit seinen tarnfarbenen Handschuhen. Er wäre nur schwer zu erkennen in seinem Anzug in grün-braunem Fleckmuster, hätte er kein rotes Barett auf dem Kopf. Denn Denk steht vor einer extra errichteten Skulptur in Form eines Siegestores, die in Tarnnetze gehüllt ist. Darauf zu lesen: „Welcome US Troups to Garlstedt“. Seit letzter Woche kommen sie: „Die echten Amerikaner zum Anfassen und zum Komisch- Sprechen“, wie Kommandeur Denk sie nennt. Rund 2.000 werden hier in den nächsten Wochen auf ihrem Weg nach Osten übernachten. „Aufregung pur!“, heißt es in den Lokalmedien.

Auch 30 Kilometer weiter, in der Fußgängerzone Bremens, wird aufgerüstet, auch wenn die Beteiligten das nie so nennen würden. Eine kleine Gruppe von Personen mit schütterem Haar verschanzt sich hinter ihren großen Plakaten mit gut lesbaren Buchstaben und vielen Ausrufezeichen. Es ist kalt an diesem Abend und auch bei der Demonstration in Bremerhaven am vergangenen Samstag. Immer dabei die gehisste blaue Flagge mit Picassos weißem Vogel. Ekkehard Lentz ist Sprecher der Bremer Friedensbewegung, er ist es seit fast 40 Jahren. Menschen wie Lentz stehen entschlossen hier und drücken PassantInnen Flugblätter mit kleinen und großen Tauben in die Hand. Darauf zu lesen: Stopp Defender 2020.

Bald schon will Lentz selbst in Garlstedt mitmischen, Demos und Straßensperren sind geplant. Er will im Auftrag des Friedens kommen, dorthin, wo man nach seiner Ansicht Russland provoziert und die Geschichte vergisst.

In der Zwischenzeit ist in Garlstedt vom dritten Weltkrieg noch nicht viel zu spüren. An einem sonnigen Tag haben bei dem Pressetermin alle gute Laune, und es gibt Schnittchen: mit Mett, Salami, Kochschinken, Mortadella und, etwas blass daneben, Käse. Kein Schießen, keine Panzer und kein Brüllen. Denn jetzt stehen hier bei zehn Grad Celsius viele der BesucherInnen in schneefester Kleidung. Sie hatten sich auf mehr vorbereitet, denn in der Einladung hatte es geheißen: „Festes Schuhwerk wird empfohlen“.

File:Aisne-Marne American Cemetery and Memorial.jpg

Reserve hat Ruh.

Der Termin ist gut organisiert. Trotzdem wirkt der Kommandeur Denk ein wenig nervös. Etwas zu schnell eilt er mit seinen langen Beinen zwischen den Zelten auf der großen Wiese voraus. „Wir nennen sie offiziell ‚Life Support Area‘“, sagt er. Immer wieder sucht der Kommandeur nickende Zustimmung, wenn er stolz die Faltstraße, die Stromgeneratoren und die WLAN-Schilder an den Zelten präsentiert. Drinnen gäbe es „für jeden Soldaten eine eigene Steckdose“, sagt André Erich Denk, für die iPhones und iPads der Soldaten. Ganz vergessen hätte er beinahe den Kiosk. Hier wird es ­Burger geben, die sogar mit US-Dollar und Kreditkarte bezahlt werden können. Während dieser Ansage schwindet die Aufmerksamkeit der Anwesenden. Im Hintergrund passiert etwas: „Da ist die Frau!“

Die Frau fährt Traktor. Er ist groß und gelb und tuckert zwischen der Zuschauergruppe vorbei. Alle Kameras versuchen die Frau einzufangen, die in ihrem Traktor sehr ernst schaut. „Sie können sie ruhig in Ihren Beiträgen promoten, weil bei der Bundeswehr gibt es auch Frauen, das ist uns wichtig“, sagt Pressesprecher Oberstleutnant Schwarm.

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Grafikquellen      :

Oben      —        Mehrzweckfahrzeug „Husar“ von Iveco

Urheber CHRISTIAN KICKENWEIZ

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Unten      ––            The World War I Aisne-Marne American Cemetery and Memorial near Château-Thierry, France From the American Battle Monuments Commission (ABMC) web site per their copyright info.

Source https://web.archive.org/web/20050405022608/http://www.abmc.gov/images/am1w.jpg
Author US gov

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Strategie des Wegduckens

Erstellt von DL-Redaktion am 15. Februar 2020

Australien in der Feuersbrunst

Werombi Bushfire.jpg

von Joachim Wille

ür die Menschen vor Ort ist es die Apokalypse. Flammen lodern vor orangerotem Himmel, Rauchschwaden verdunkeln den Tag, die Luft reicht kaum zum Atmen. Tausende Australier sind vor den Bränden geflüchtet, mehr als 10 000 Feuerwehrleute sowie Reservisten der Armee kämpfen noch immer verzweifelt gegen die Flammenwände an und konnten doch nicht verhindern, dass ganze Gemeinden abbrannten. Bundesstaaten mussten den Notstand ausrufen, kilometerlange Küstenstreifen wurden zeitweise zu Verbotszonen für Touristen erklärt, hunderte Einheimische und Urlauber konnten nur noch per Schiff evakuiert werden, weil die Flammen sie einzuschließen drohten. Und in einem Vorort der Millionenmetropole Sydney wurde Anfang Januar ein neuer örtlicher Temperaturrekord erreicht: fast 50 Grad.[1]

Regen in Teilen der Brandregionen brachte Mitte Januar zwar etwas Entspannung, doch keine Entwarnung, denn die Feuersaison reicht üblicherweise bis in den März hinein. Mehr als zehn Mio. Hektar lagen da bereits in Schutt und Asche, eine Fläche, die in etwa einem Drittel der Bundesrepublik entspricht. Rund 30 Menschen sind gestorben, mehr als 2500 Häuser wurden zerstört und hunderte Millionen Tiere sind umgekommen.

Das alles hat eine neue Qualität, und zu Recht gilt die australische Brandkatastrophe nicht nur im Land selbst, sondern weltweit als Ereignis, das einen Vorgeschmack auf die dramatischen Folgen des Klimawandels gibt – wenn nämlich die mittlere globale Temperatur nicht nur, wie jetzt, um ein Grad, sondern um zwei, drei oder sogar um fünf Grad angestiegen sein wird.

Die Feuerkatastrophe als neue Normalität?

In Australien sind Busch- und Waldbrände eigentlich nichts Ungewöhnliches und eine Folge davon, dass das Klima auf dem Kontinent aufgrund seiner geographischen Lage überwiegend heiß und trocken ist. Doch so schlimm wie diesmal wüteten die Feuer in den betroffenen Regionen im Südosten des Landes noch nie, in denen auch die Bevölkerungsschwerpunkte liegen, darunter Sydney und die Hauptstadt Canberra.

So standen etwa im Sommer 1974/75 mehr als 100 Mio. Hektar Land in Flammen, allerdings hauptsächlich in Zentralaustralien; 2002 waren es 40 Mio. in der Region „Northern Territory“. In der Region im Südosten, in den Bundesstaaten New South Wales, Victoria und South Australia, stellen die nun zerstörten rund zehn Mio. Hektar aber einen Rekord auf. Zudem wirken sich die Folgen weit gravierender aus als bei den früheren, flächenmäßig größeren Megabränden. Dabei handelte es sich meist um Gras- und Buschland, in dem Feuer zur Normalität gehören und das sich schnell wieder regeneriert. In der aktuellen Brandsaison hingegen gingen auch viele Wälder in Flammen auf, und zwar mit einer ungeahnten Intensität. Selbst Eukalyptuswälder, die normalerweise zu feucht für große Brände sind, fingen Feuer. Oft explodierten regelrecht die Bäume, die große Mengen ätherische Öle enthalten. Es entstanden mitunter Feuerfronten, die 50, 60 Meter hoch und entsprechend schwer zu bekämpfen waren. Allein durch die Brände sind seit deren Beginn im September über 350 Mio. Tonnen Treibhausgase freigeworden, deutlich mehr als die Hälfte der kompletten CO2-Jahresemissionen des ganzen Landes, die 2018 rund 532 Mio. Tonnen betrugen.

Die australische Regierung kommt langsam in der Realität an

Auch der Chef des Feuer-Zentrums an der Universität Tasmanien, David Bowman, bestätigt, dass die aktuelle Feuersaison für Australien „ohne Beispiel“ ist. Gleichzeitig erfüllen die Brände aber die Prognosen von internationalen und australischen Wissenschaftlern.[2] So warnte der Weltklimarat IPCC schon 2007 davor, dass durch den Klimawandel die Häufigkeit von Tagen mit extremem Feuerrisiko in Südost-Australien bis 2020 deutlich ansteigen werde. Auch eine von der australischen Regierung 2008 eingesetzte Kommission kam zu dem Ergebnis, dass die Buschfeuersaison intensiver und länger ausfallen werde. „Dieser Effekt verstärkt sich mit der Zeit, aber er sollte spätestens im Jahr 2020 direkt zu beobachten sein“, hieß es in ihrem Bericht. Eine ziemlich genaue Prognose, wie man heute weiß. Das Jahr 2019 war denn auch das wärmste und trockenste Jahr seit Beginn der Messungen im Jahr 1910, und am 17. Dezember wurde sogar ein nationaler Hitzerekord aufgestellt: Die Höchsttemperatur gemittelt übers ganze Land erreichte 41,9 Grad Celsius.

Die Morrison-Regierung und die Behörden hätten also vorgewarnt sein müssen. Den Einfluss des Klimawandels abzustreiten, ist angesichts solcher Erkenntnisse grotesk. Doch genau mit dieser Linie versuchte der Regierungschef, ein bekennender Freund der Kohleindustrie, anfangs das Problem wegzudrücken. Er wollte nicht zugeben, dass die Buschbrände von den Klimaveränderungen angeheizt worden sein könnten.

Wie wenig Problembewusstsein Morrison hatte, zeigte sich vor Weihnachten, als er einen – zunächst geheim gehaltenen – Urlaubstrip auf die Pazifikinsel Hawaii unternahm, während die Lage in den Brandregionen eskalierte. Den Urlaub musste der Premier wegen des öffentlichen Drucks in der Heimat zwar abbrechen, und er entschuldigte sich auch vor den Fernsehkameras. Doch es sollte noch ein mal drei Wochen mit einer immer dramatischeren Entwicklung in den Brandregionen dauern, bis er einigermaßen klare Worte zur Sachlage fand.

Es war ein Schritt Richtung Realität. Mitte Januar räumte Morrison in einem Interview ein, er erkenne inzwischen an, dass der Klimawandel für längere, heißere und trockenere Sommer verantwortlich sei. Das Ausmaß der Brände nannte er „beispiellos“. „Es ist eine Tatsache, dass wir in den nächsten zehn Jahren und darüber hinaus in einem ganz anderen Klima leben werden und unsere Widerstandsfähigkeit dafür verbessern müssen“, sagte er.[3]

Einen echten politischen und wirtschaftlichen Kurswechsel bedeutet das aber offenbar nicht. Zwar schloss der Premier in einem Interview nicht aus, seine Regierung könne ihre Klimapolitik „weiterentwickeln“, einschließlich der CO2-Reduktionsziele für 2030. Bisher hatte er eine Verbesserung der Klimaziele kategorisch ausgeschlossen – eine Linie, die sich angesichts der wachsenden Proteste im Land gegen die Regierungspolitik offenbar nicht mehr durchhalten ließ. Mehrere zehntausend Bürger in den Großstädten Sydney, Melbourne, Canberra, Adelaide und Brisbane hatten am Tag vor seinem Interview für eine entschlossenere Klimapolitik, einen Rücktritt Morrisons und mehr Geld für die Feuerwehrleute, die gegen die Brände kämpfen, demonstriert. Die Proteste waren von den Gruppen „Uni Students for Climate Justice“ und „Extinction Rebellion“ organisiert worden.[4] Doch eine radikale Verschärfung der CO2-Ziele, so nötig diese wäre, um Australien auf den Kurs des Paris-Weltklimaabkommens zu bringen, betreibt Morrison längst noch nicht.

Yanderra Bushfire.jpg

Die unantastbare Kohle- und Erdgasindustrie

Zwar hat sich Australien bisher dazu verpflichtet, seinen Treibhausgasausstoß bis 2030 um 26 bis 28 Prozent gegenüber dem Basisjahr 2005 zu senken. Klimaforschern zufolge ist das CO2-Ziel allerdings zu klein, um die im Pariser Klimaabkommen ausgehandelte Grenze von maximal 1,5 bis 2 Grad globaler Erwärmung nicht zu überschreiten. Zudem will die Regierung, um ihre CO2-Reduktion zu erreichen, auch Emissionsgutschriften aus der Übererfüllung früherer Kyoto-Ziele nutzen. Der Regierung geht es also nicht um wirkliche CO2-Reduzierung, stattdessen führt sie einen Buchhaltertrick vor. Auf der jüngsten Weltklimakonferenz in Madrid zählte die Delegation aus Canberra denn auch zu den Hauptbremsern. Sie setzte dort alles daran, die laxe Anrechnung ihrer geplanten „Heiße-Luft-Buchungen“ durchzusetzen – und war so zusammen mit anderen Ländern wie Brasilien und den USA für das enttäuschende Ergebnis der Konferenz verantwortlich.

Quelle       :        Blätter       >>>>>            weiterlesen

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Grafikquellen       :

Oben      —         Fire and Rescue NSW firefighters move into Braddocks Road at Werombi to protect properties from the out of control Green Wattle Creek bushfire in South West Sydney

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Unten      —          The Green Wattle Creek bushfire moves towards the Southern Highlands township of Yanderra as police evacuate residents from Yanderra Road

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ARD – Staatsfunk wiegelt ab:

Erstellt von DL-Redaktion am 9. Februar 2020

 Linke Polit-Promi-Petition pro Assange

Reunión con Julian Assange.jpg

Quelle        :     Scharf  —  Links

Von Hannes Sies

Wohl für kaum einen politischen Gefangenen gab es so viele Petitionen, die seine Freilassung forderten, wie für Julian Assange. Doch keine davon konnte bislang in den deutschen Mainstream-Medien viel Aufmerksamkeit gewinnen. Doch jetzt wurde Günther Walraff, der Enthüllungs-Journalist der Alt-68-Generation endlich auf den Justiz-Skandal Assange aufmerksam, trommelte 100 Promi-Freunde zusammen, okkupiert die Berliner Bundespressekonferenz und siehe da: Diese eine Petition lässt sich nicht länger totschweigen -Assange ist Opfer einer politischen Hexenjagd und wird von Großbritannien in Folterhaft gehalten. Pro-Assange-Aktivistin Sevim Dagdelem (MdB DIE LINKE) saß neben Walraff, dem Alt-Linksliberalen Ex-Innenminister Baum und Ex-Außenminister Gabriel vor der Berliner Pressemeute.

https://assange-helfen.de/

Doch wer nun auf einen Durchbruch zur Wahrheit im Mainstream gehofft hatte, wurde enttäuscht. Bei ARD & Co. wiegelt man da Thema Assange weiter ab, lügt, verfälscht, verzerrt aus Leibeskräften (mit der löblichen Ausnahme von 3sat-Kulturzeit). Der Deutschlandfunk interviewt ellenlang einen Assange-Gegner,

https://www.deutschlandfunk.de/der-fall-julian-assange-keine-verschwoerung-von-staaten.694.de.html?dram:article_id=469747

die Leitmedien-Leitwolf ARD lässt die Tagesschau von der Kette: 6.Februar 2020, die ARD-Tagesschau hält auch in ihrer Kurzmeldung zum Prominenten-Apell pro Assange an der stigmatisierenden Falschbeschuldigung „Vergewaltigungsverdacht“ fest. Das 3%-Publikum der 3sat-Sendung Kulturzeit konnte vorher mehr von der Wahrheit erfahren: Die Beschuldigung war Teil einer politischen Justiz-Intrige der USA gegen den unbequemen Journalisten und Whistleblower Assange.

O-Ton ARD 20.00 Uhr: „Mehr als 130 Politiker, Künstler und Journalisten fordern die sofortige Freilassung von Wikileaks-Gründer Assange aus britischer Haft. Assange werde unter unnötig belastenden Bedingungen isoliert und überwacht, die ihn in Lebensgefahr bringen könnten, schreiben die Unterstützer des Appells. Unter ihnen Ex-Außenminister Gabriel und der Journalist Walraff. Sie berufen sich auch auf den UN-Sonderberichterstatter für Folter, der schwere Vorwürfe gegen die Behörden erhebt.“ Bilder der traditionell „halboffiziellen“ Bundespressekonferenz, Kommentar: „Es ist ein ungewöhnlicher Vorgang, der sich heute in der Bundespressekonferenz zuträgt. Eine Bundestagsabgeordnete, zwei ehemalige Bundesminister und der Enthüllungsjournalist Günther Walraff fordern, Großbritannien solle den Wikileaks-Gründer Julian Assange aus der Haft entlassen. Eine entsprechende Petition wurde von mehr als Tausend Menschen unterzeichnet, denn Assange, der mittlerweile in Einzelhaft sitzt, zeige Symptome, die typisch seinen für Opfer langdauernder psychischer Folter (ARD zeigt dazu alte Bilder von Assange, sichtlich gesund, mit erhobener Faust). Dadurch sei er nicht in der Lage, sich gegen eine Auslieferung an die USA zu verteidigen. Sigmar Gabriel betont, es gehe ihm nicht um einen Blanko-Freispruch für Assange.“

Die ARD bemüht sich, die Forderungen als unbegründet scheinen zu lassen, präsentiert Assange nur als Häftling, ohne seine Verdienste als vielfach preisgekrönter Enthüllungsjournalist zu nennen; auch dass Assange Kandidat für den Friedensnobelpreis ist, erfährt der ARD-Zuschauer nicht (2018 hatte die als Nobelpreisträgerin vorschlagsberechtigte Mairead Corrigan-Maguire Assange offiziell für den Friedensnobelpreis 2019 vorgeschlagen).

Die Tagesschau fährt fort mit O-Ton Gabriel: „Ich mische mich auch nicht ein in die Frage, ob am Ende eine Auslieferung nach britischem Recht möglich ist oder notwendig ist. Darum geht es nicht, sondern es geht darum, dass er unter den jetzigen Bedingungen die elementaren Rechte jedes Beschuldigten nicht wahrnehmen kann. Nämlich sich physisch und psychisch und mit Hilfe seiner Anwälte auf eine angemessene Verteidigung vorbereiten kann.“ ARD blendet Bilder von Assange, der sich durch eine Reportermenge drängt und seine Anhänger grüßt ein, Kommentar: „Die USA werfen Assange vor, dabei geholfen zu haben, geheimes Material von (blenden 6 Sekunden aus Collateral Murder ein, dann wieder Assange) Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan veröffentlicht zu haben.“

Die ARD blenden Bilder aus Collateral Murder ein, ohne zu sagen, was man dort wirklich sieht: Ein Kriegsverbrechen, bei dem die USA Zivilisten, darunter Kinder gezielt kaltblütig aus ein Kampfhubschrauber heraus massakrieren. Die ARD macht daraus, ganz nach Diktion des Pentagon, d.h. der Massenmörder, „geheimes Material“ und bestätigt so die Vorverurteilung des Enthüllungsjournalisten Assange als Geheimnis-Verräter. Bilder von Verbrechen können aber niemals den Status militärischer Geheimhaltung für sich beanspruchen. Das käme einer Legitimierung jeglicher Kriegsverbrechen gleich.

Die ARD weiter: „Aus Angst vor einer Auslieferung hatte Assange sich 2012 in London in die Ecuadorianische Botschaft geflüchtet, zudem lag damals gegen ihn ein schwedischer Haftbefehl wegen Vergewaltigungsvorwürfen vor. Der UN-Sonderberichterstatter für Folter hält die jahrelange juristische Verfolgung von Assange für konstruiert und sagt, sie käme – psychischer – Folter – gleich (durch abgesetzte Betonung hebt die ARD subtil hervor, dass nicht wirklich Folter gemeint sei).

Weiter mit O-Ton Nils Melzer: „Ich denke seine Auslieferung in die USA muss unbedingt verhindert werden. Weil, dort kriegt er ganz sicher keinen fairen Prozess und wird für den Rest seines Lebens in unmenschlichen Haftbedingungen dahin vegetieren müssen.“ Bilder von sonniger Wiese vor Britischem Gefängnis, Parkplatz mit Bäumen (suggeriert: Assange hat es doch ganz gut dort): „Das Auslieferungsverfahren gegen den inhaftierten Assange soll Ende Februar beginnen.“

Ende des tendenziösen 2-Minuten-ARD-Berichts, der auch verschweigt, dass die ARD gerade das berüchtigte Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh gezeigt hat, wo die Briten sonst nur Terroristen verwahren. Wo waren hier beim Fall Assange eigentlich die „Reporter ohne Grenzen“, die sonst etwa von Erdogan inhaftierten Kollegen so hartnäckig zur Seite stehen? Sie hatten Assange noch 2014 zum „Helden der Informationsfreiheit“ erklärt. Wer direkt vor der ARD-Tagesschau auf 3sat die Sendung Kulturzeit gesehen hatte (meist 1-3% der Zuschauer) konnte über die verdrehte ARD-Version der Geschichte nur staunen. Die Sendung ist einer der seltenen Lichtblicke im Mainstreambrei von ARD & ZDF, die versteckt zwischen Künstlerportrait und Theaterkritik, auch zuweilen eine politische Meldung durchbringen kann -die eigentlich ins Format „Hauptnachrichten“ gehört.

Moral courage ... the courage to act and speak the truth. Chris Hedges.png

3Sat begann seinen Bericht mit einem Bild des vollbärtigen, durch die Haft gezeichneten Julian Assange Überschrift: „FOLTEROPFER“, Ansage dazu: „Folteropfer -der konstruierte Prozess gegen Julian Assange“. 3Sat erläutert: „Der gebürtige Australier hat sich von 2012-2019 in der Ecuadorianischen Botschaft in London verschanzt, um nicht an Schweden ausgeliefert zu werden. Jetzt stellt sich heraus, die Vorwürfe gegen ihn sind konstruiert gewesen. Die Regierungen von Schweden, Großbritannien und den USA haben hinter den Kulissen zusammengearbeitet, um den Aufdecker mundtot zu machen. Ans Licht gebracht hat die Wahrheit der UNO-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer. Was er recherchiert hat, spottet jedem Spionagethriller: Richter, Polizisten und Politiker sind in die Affäre verwickelt.“

3sat blendet Bilder aus Collateral Murder ein, Kommentar:

„Die Welt wüsste nicht, dass die USA so etwas gemacht haben: Folter, Greueltaten an Zivilisten, Bruch des Völkerrechts, wenn es ihn nicht gegeben hätte (Bilder von Assange am PC): Julian Assange. Die Enthüllungen von Kriegsverbrechen hatten für ihn drastische Konsequenzen.“ O-Ton Nils Melzer: „Er hat Folter enthüllt, die nicht verfolgt worden ist, er wurde selber gefoltert, und er ist jetzt in einem Auslieferungsverfahren, wo er ganz scher, wenn er in die USA ausgeliefert wird, Haftbedingungen ausgesetzt wird, die weltweit als unmenschlich betrachtet werden… Es ist ein moderner Hexenprozess, der Zweck ist ein Exempel zu statuieren, um die Öffentlichkeit und vor allem die Medien abzuschrecken, seinem Modell zu folgen und sicherzustellen, dass die Medien nicht unkontrolliert Information veröffentlichen, über Missverhalten von Staaten.“

3sat: „Auch für Nils Melzer, UN-Sonderberichtserstatter und Schweizer Rechtsprofessor, war das, was Julian Assange angetan wurde, erst ein Fall, nachdem er die Dokumente genau studiert hatte.“ O-Ton Melzer: „Als die Anwälte von Assange zum ersten Mal zu mir kamen, im Dezember 2018, da hab ich es eigentlich spontan abgelehnt, mich überhaupt darauf einzulassen, weil ich halt auch so unter dem Einfluss war, dieses öffentlichen Narrativs von Assange als Hacker, Vergewaltiger, Spion, Narzisst usw. Aber es ist schon so: Wenn man mal ein bisschen an der Oberfläche kratzt, dann kommen die Widersprüche sofort zum Vorschein. Dann sieht man sofort: Da stimmt irgendwas nicht und je tiefer man rein kommt, um so schmutziger wird es. Und ich muss sagen, das hat mich sehr beschäftigt, das braucht ein bisschen Mut, mich dann mit den Fakten, die ich gefunden hatte, auch an die Öffentlichkeit zu wenden. Weil ich dachte, ach das glaubt mir ja keiner, das ist wirklich absurd. Aber die Wahrheit ist absurd in diesem Fall.“

Einblendung USA, Kapitol, düsterem Himmel, 3sat dazu: „Demokratische Regierungen, die sich für ihre Pressefreiheit und Menschenrechte rühmen, zuallererst die USA, Schweden, Großbritannien, sie schrecken nicht davor zurück, einen Menschen zu vernichten (Bild des abgehärmten Julian Assange), wenn es um die Wahrung ihrer Staatsgeheimnisse geht.

O-Ton Melzer: „Schweden war alliiert mit den Amerikanern in Afghanistan. Im Juli 2010 wurden die Afghanistan-Leaks veröffentlicht und man weiß, dass kurz darauf die Amerikaner die Alliierten darauf aufgefordert haben, gegen Assange Strafverfahren einzuleiten, weltweit. Und 2-3Wochen später kommt dann die Anschuldigung der Schweden gegen Assange wegen sexuellen Delikten. Da geht’s ja nur darum, zu schauen, ob genügend Fakten da sind, um überhaupt eine Anklage zuwege zu bringen. Und das haben die Schweden neuneinhalb Jahre nicht geschafft.“

3sat zeigt Dokumente mit geschwärzten Namen, Kulturzeit dazu: „Stattdessen: Manipulierte Beweise. Es stellt sich heraus, es gab nie den Vorwurf einer Vergewaltigung. Weil Assange jede Stellungnahme zu den Vorwürfen verweigert, flüchtet er sich in die Ecuadorianische Botschaft. Fast sieben Jahre entgeht er so dem Zugriff der britischen Polizei, permanent observiert und abgehört (Bilder von geheimen britischen Überwachungskameras aus der Botschaft zeigen Assange privat, barfus, seine Toilette). Das macht Assange krank, physisch und psychisch. Das Narrativ eine wirren, verwahrlosten Hackers, der sich seiner gerechten Strafe entzieht, verbreitet sich. Kaum einer steht jetzt noch auf seiner Seite.“

O-Ton Melzer: „Das ist das, was das entscheidende ist, auch für die Behörden. Sie haben jetzt einen Präzedenzfall, das jemand der staatliches Missverhalten öffentlich gemacht hat auf breiter Basis, das wird jetzt als Spionage klassifiziert und strafbar gemacht. Und zwar mit Strafmaßen, die weit über die Kriegsverbrechertribunale von Den Haag hinausgehen: 175 Jahre Gefängnis. Hauptkriegsverbrecher in Den Haag: 45 Jahre Gefängnis.“

3sat zeigt Bilder der brutalen Festnahme von Assange: „Ecuador entzieht Assange das Asyl. Herausgezerrt wie ein Schwerverbrecher, wird Assange in ein Hochsicherheitgefängnis nahe London inhaftiert. Eine befangene Richterin verhängt 50 Wochen Isolationshaft wegen Verstoßes gegen Kautionsauflagen. Der Australier Assange kämpft mit psychischen Problemen, die Haft ist für ihn inzwischen lebensgefährlich. Immer wieder gibt es Appelle gegen solche menschenunwürdigen Umstände, mitten in Europa (Bilder von Free-Assange-Protesten).

O-Ton Nils Melzer: „Die Rechtsstaatlichkeit ist in unseren Ländern durchaus gegeben, solange die essentiellen Staatsinteressen nicht betroffen sind. Sobald sich der Staat aber in seinen Sicherheitsinteressen bedroht fühlt, fundamental, und ich denke, die Wikileaks-Veröffentlichungen wurden als solch eine Bedrohung wahrgenommen, dann funktioniert das nicht mehr. Heute sehen wir vermehrt, dass die Regierungen über Geheimhaltung das aushebelt.“

Bild von Wikileaks-Website, Logo, „Hold us strong“, 3sat dazu: „Der Wahrheit auf der Spur. Das passt Demokratien nicht, wenn es um die eigenen Regierungsvergehen geht. So entfernen sie sich vom Geist der Demokratie. Eine gefährliche Entwicklung. Die Welt braucht mehr Mutige wie ihn (Bilder von Assange). Es wird Zeit, dass Assange nun Gerechtigkeit widerfährt.“ Kulturzeit-Moderator: „Die Recherchen von Nils Melzer und die Manipulationen von Beweisen lösen Empörung aus. In Deutschland haben bereits über Tausend Menschen eine Petition unterzeichnet, darunter viele Politiker, Künstler und Journalisten. Sie fordern die sofortige Freilassung von Julian Assange.“ Ende des 7-Minuten-Berichts.

Das kleine 3sat-Kulturzeit-Team straft die große ARD-Tagesschau Lügen. Insbesondere wird endlich klargestellt, dass eine Intrige zur Strafverfolgung wegen „Vergewaltigung“ führte, die sich in Wahrheit nur auf geringfügige Delikte berief und selbst diese Beschuldigungen basierten auf gefälschten Beweisen. Aber was hilft es? 20 Minuten später vor einem 50mal größerem Publikum wiederholt die ARD-Tagesschau die Verleumdung gegen Assange. Doch eins ist jetzt geschafft: Die Sicht der Ereignisse, die in linken Politblogs seit Jahrzehnten vertreten wird, hat sich endlich wenigstens einmal kurz im Mainstream-TV gezeigt.

Seit 2010 Medien-Hasskampagne gegen Assange

UNO-Jurist Melzer hat berichtet, wie auch auf kompetente Beobachter wie ihn die Mainstream-Kampagne westlicher Medien gegen Assange gewirkt hatte: Zunächst konnte er kaum glauben, was er über die falschen Beschuldigungen, die politische Justiz-Intrige gegen Assange erfuhr. In seinem Kopf saß das Bild des irren Hackers, der angeblich der „Vergewaltigung“ bezichtigt wird, das ARD, ZDF und andere mit ihrer Darstellung erzeugt hatten. Doch alsUN-Beauftragter für Folter musste er sich mit den Fakten zum Fall Assange befassen und erkannte, auf mediale Manipulation hereingefallen zu sein. Wie Melzer geht es Millionen von ARD-Konsumenten, die nichts von einer Kampagne wissen.

Julian Assange erlebte ab 2010 eine perfide Medienkampagne, die ihn unter fadenscheinigen Gründen als „Vergewaltiger“ brandmarken sollte. Sie dauert bis heute an, immer wenn wie aktuell von der ARD-Tagesschau vom „Verdacht der Vergewaltigung“ geredet wird. Auch die ARD „vergisst“ dabei die Hintergründe darzustellen: Es geht um grotesk aufgebauschte Behauptungen zweier Schwedinnen, die kurz nacheinander einvernehmlichen Sex mit Assange hatten, was sie selbst niemals bestritten haben. Als sie voneinander erfuhren, verbündeten sie sich gegen ihr Idol und beschuldigten ihn, beim Sex ein Kondom manipuliert bzw. nicht verwendet zu haben: Nach dem strengen schwedischen Sexualstrafrecht eine Form des „Missbrauchs“, jedoch eine so geringfügige Form des „Missbrauchs“, dass vor Julian Assange deshalb noch nie ein Haftbefehl von Interpol deswegen erging. Bei Assange jedoch sofort -Zufall? Oder politische Justiz gegen einen Dissidenten?

Assange landete in Britischer Haft, floh und suchte in Ecuadors Botschaft Asyl. Die feministische Organisation „Women against Rape“ (Frauen gegen Vergewaltigung) erklärte den Eifer der Briten für unglaubhaft, da bei zahlreichen und weit schwereren Straftaten gegen Frauen, etwa von britischen Freiern gegen Zwangsprostituierte in London, von den Strafverfolgern sonst kaum reagiert würde. Auch die Beurteilung von „Women against Rape“ spricht eher für einen klassische Fall von politischem Rufmord, um den kritischen Journalisten Assange zum Schweigen zu bringen.

Assange hat dem Westen den Spiegel vorgehalten, was dort zu sehen war, war die Fratze eines mordlüsternen Killers – nicht der strahlende Kriegsheld und humanitäre Helfer, den unsere Medien uns Jahr für Jahr zeigten. Dafür hassen die westlichen Machthaber Assange, dafür hassen ihn auch die Heerscharen von Journalisten, deren verlogenes Wunschbild Wikileaks hat platzen lassen. G.R.Rueger (Buchautor: „Julian Assange – Die Zerstörung von Wikileaks“)

https://jasminrevolution.wordpress.com/2012/08/18/assange-jagd-auf-einen-whistleblower/

Wie Julian Assange werden Whistleblower regelmäßig Opfer von Rufmord-Kampagnen durch die Übeltäter, deren Verbrechen sie ans Licht gebracht haben. Das gilt auch für Journalisten wenn sie, wie Assange, die Enthüllungen von Whistleblowern publizieren. Assange hat sich in den letzten Jahren in unzähligen Verleumdungsklagen gegen britische Medien verschlissen, die dennoch stur auf ihrer Lüge von der „Vergewaltigung“, derer Assange angeblich verdächtigt würde, beharrten. Die ARD wurde für ihre im Zusammenhang mit Assange gebetsmühlenhaft wiederholte verleumderische Verwendung des Stigma-Begriffs „Vergewaltigung“ nicht von Assange verklagt, weil seinen Unterstützern einfach die Kraft und die Mittel dazu fehlten. Es ist leicht, auf einen Dissidenten einzutreten, der am Boden liegt (das gilt auch für ZDF, das zusätzlich mit seinem Anti-Assange Hetzfilm „West by Liberty“ einen Assange bis in Details nachgezeichneten Whistleblower als Marionette des syrischen Diktators Assad hinstellte).

Jeder Journalist kann heute wissen, dass es nicht um Vergewaltigung geht, sondern um ein geplatztes Kondom bzw. die Behauptung, es sei im Verlauf einer einvernehmlichen Liebesnacht auch zu Sex ohne Kondom gekommen – angeblich ohne Wissen und entgegen dem Willen der Schwedin. Sie fand heraus, dass er noch mit einer anderen Schwedin Sex gehabt hatte und beide Frauen forderten von Assange einen Aidstest, was er verweigerte. Daraufhin erstatteten die beiden Anzeige bei der schwedischen Polizei gegen Assange, Ermittlungen wurden aufgenommen, wieder fallen gelassen und dann, unter dubiosen Umständen, die auf Intervention der USA deuten, wieder aufgenommen –bis hin zur absurden Verhängung eines internationalen Haftbefehls durch Interpol

Warum schreien die westlichen Journalisten dennoch fast unisono „Vergewaltigung!“ aus allen Medienkanälen? Die einzige Vergewaltigung, die hier vorzuliegen scheint, ist die Vergewaltigung der Menschenrechte des Julian Assange durch eine wildgewordene Journaille. Eine Journaille, die ihre Aufgabe nicht in der Verteidigung eines Whistleblowers sehen will, dem ein unfairer politischer Prozess gemacht wird.“ G.R.Rueger (Buchautor: „Julian Assange – Die Zerstörung von Wikileaks“)

https://jasminrevolution.wordpress.com/2012/08/18/assange-jagd-auf-einen-whistleblower/

Gerd R. Rueger hat in seinem Buch „Die Zerstörung von WikiLeaks?“, das die Wurzeln von Wikileaks in der deutschen Hackerszene hervorhebt, auf zahlreiche Machenschaften der US-Regierungen und –Behörden hingewiesen. Jahre später werden diese Thesen endlich auch im Mainstream als bestätigt angesehen, nachdem Jura-Professor Melzer sie als UN-Folterexperte im Fall Assange bestätigt hat.

Ecuadors London embassy - August 16, 2012.jpg

Rueger vermutet auch hinter der Abspaltung des später gescheiterten Projekts „OpenLeaks“ von Wikileaks eine Intrige. Der deutsche Hacker Daniel Domscheit-Berg, 2010 noch die Nr.2 bei Wikileaks, hatte kurz nach Beginn der Sex-Kampagne gegen Assange seine spätere Frau Anke Domscheit-Berg kennen gelernt. Wikileaks-Hacker Daniel hatte sich dann Hals über Kopf von seiner langjährigen Freundin getrennt und sich im Streit von Assange abgewandt. Daniel Domscheit-Berg wurde aus dem Chaos Computer Club ausgeschlossen, seine „OpenLeaks“-Alternative zu Wikileaks scheiterte. Anke Domscheit-Berg war später eine führende Figur bei der Piratenpartei, die bald darauf scheiterte. Sie ist heute als Internet-Expertin bei der Linken. Die Versuche der Linken, Digitalisierungskritik von links zu üben, können (zumindest bislang) auch als weitgehend gescheitert gelten.

Assange ist nicht Mainstream-kompatibel

Im Jahr 2010 traf Julian Assange die USA hart mit seiner Enthüllung „Collateral Murder“: Die USA, „Hüter der Pressefreiheit“, töten Journalisten? Die „Hüter der Menschenrechte“ massakrieren vor laufender Kamera kleine Kinder? Die Wut der ertappten US-Eliten war unbeschreiblich. US-Politiker forderten lauthals, Assange zu ermorden, mindestens zu kidnappen, inhaftieren und wegen „Verrat“ unter Drohung der Todesstrafe vor Gericht zu stellen. Ihr Datenleck fanden die US-Militärs dank globaler Internet-Bespitzelung durch NSA und CIA schnell. Schon im Mai 2010 wurde Whistleblower Manning verhaftet. Der CIA- und NSA-Dissident Edward Snowden hat daraus gelernt und sich kurz vor seinen NSA-Enthüllungen nach China und dann Russland abgesetzt (was viel über die reale Freiheit im „Freien Westen“ aussagt). Die Linke ließ in Berlin ein Ensemble lebensgroßer Bronzestatuen von Assange, Manning und Snowden errichten und ist an der aktuellen Walraff-Petition „Free Assange!“ maßgeblich beteiligt.

Quellen:

1.    Hannes Sies: Assange, Snowden, Manning: Von Regierungen wie Tiere gejagt, scharf-links.de 20.5.2019

2.    http://scharf-links.de/48.0.html?&tx_ttnews[pointer]=1&tx_ttnews[tt_news]=69610&tx_ttnews[backPid]=56&cHash=acb667b6c7

Rueger , Gerd R.: Assange – Jagd auf einen Whistleblower, Jasminrevolution,

https://jasminrevolution.wordpress.com/2012/08/18/assange-jagd-auf-einen-whistleblower/

Rueger, Gerd R.: Kampagne gegen WikiLeaks? Die TV-Dokumentation “WikiLeaks – Geheimnisse und Lügen”, Berliner Gazette, 14.4.2012, http://berlinergazette.de/tv-doku-wikileaks-the-guardian/#more-29944

Rueger, Gerd R., Professorale Kampfdrohnen: Der Kampf für das Staatsgeheimnis und gegen WikiLeaks, in: Le Bohemien,18.10.11, http://le-bohemien.net/2011/10/26/professorale-kampfdrohnen/

Rueger, Gerd R., Julian Assange – Die Zerstörung von WikiLeaks (Buch über den Kampf um Wikileaks aus Sicht der deutschen Linken, erstaunlicherweise sogar bei Amazon erhältlich, wo es jedoch denkbar ungünstig präsentiert wird, vermutlich, damit man stattdessen die tendenziösen Mainstream-Bücher von „Spiegel“&Co. auswählen soll)

Urheberrecht
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Grafikquellen          :

Oben          —        Reino Unido (Londres), 16 de Junio del 2013. El Canciller Ricardo Patiño se reunió con Julian Assange. Foto: Xavier Granja Cedeño/Ministerio de Relaciones Exteriores.

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2.) von Oben       —         Moral courage … is always defined by the state as treason. … It is the courage to act and speak the truth. Thompson had it. Daniel Ellsberg had it. Malcolm X had it. Martin Luther King had it. What those in authority once said about them they say today about Snowden. Chris Hedges, “Our Only Hope Will Come Through Rebellion” (2014)

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Unten       —     August 16, 2012: Ecuador’s London embassy

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UN-Sonderermittler: Melzer

Erstellt von DL-Redaktion am 8. Februar 2020

Brisante Enthüllungen im «Fall Assange»

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Szenenfoto aus den Film – The Julian Assange Story

Quelle         :         INFOsperber CH. 

Von  Helmut Scheben

Der Vergewaltigungsvorwurf war fingiert, um Julian Assange und Wikileaks zu stoppen. Brisante Aussagen eines Schweizer Diplomaten.

Red. Unter dem Titel «Es ging um ungeschützten Verkehr» hatte Helmut Scheben auf Infosperber bereits am 27. Mai 2019 über grobe Unstimmigkeiten im Verfahren gegen den Investigativ-Journalisten* Julian Assange berichtet. Aussagen des Schweizer Diplomaten Nils Melzer, seit 2016 UN-Sonderberichterstatter für Folter, in einem Interview des Online-Magazins Republik machen den Fall Assange zum Politskandal.

Wer bei dem Namen Julian Assange an einen schwedischen Justizfall denkt, bei dem es um Vergewaltigung geht, der ist den politischen Strippenziehern schon auf den Leim gegangen. Denn deren Absicht war genau dies: Etwas zum Thema zu machen, das nicht der Fall war, um zu kaschieren, was der Fall war. Die PR-Strategie ist aufgegangen. Die meisten Medien haben sich neun Jahre lang vorwiegend mit der Frage beschäftigt, ob Wikileaks-Gründer Julian Assange sich im Sommer 2010 an zwei schwedischen Frauen vergangen hat. Beschäftigt mit dieser Boulevard-Story, die auf eine Justiz-Fälschung zurückgeht, fanden die gleichen Medien es offenbar kaum noch interessant, sich mit den Zehntausenden Dokumenten zu beschäftigen, die die Kriegsverbrechen der USA in Afghanistan und im Irak dokumentieren. Dokumente, die Assange mit seinen Leuten auf Wikileaks publik gemacht hatte.

Der renommierte Schweizer Rechtswissenschaftler und Diplomat Nils Melzer, seit 2016 UN-Sonderberichterstatter für Folter, schildert den Vorgang im Online-Magazin «Republik» mit folgender Metapher:

«Stellen Sie sich einen dunklen Raum vor. Plötzlich richtet einer das Licht auf den Elefanten im Raum, auf Kriegsverbrecher, auf Korruption. Assange ist der Mann mit dem Scheinwerfer. Die Regierungen sind einen Moment lang schockiert. Dann drehen sie mit den Vergewaltigungsvorwürfen die Lichtkegel um. Ein Klassiker in der Manipulation der öffentlichen Meinung. Der Elefant steht wieder im Dunkeln, hinter dem Spotlight. Statt dessen steht jetzt Assange im Fokus, und wir sprechen darüber, ob er in der Botschaft Rollbrett fährt, ob er seine Katze richtig füttert. Wir wissen plötzlich alle, dass er ein Vergewaltiger ist, ein Hacker, Spion und Narzisst. Und die von ihm enthüllten Missstände und Kriegsverbrechen verblassen im Dunkeln.»

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Szenenfoto aus den Film – The Julian Assange Story

Der eigentliche Fall: Enthüllungen von Kriegsverbrechen

Das Vergewaltigungs-Stück begann im Sommer 2010, als Assange sich für Vorträge vor einem schwedischen Forum in Stockholm aufhielt. Der Australier war zu diesem Zeitpunkt einer der bekanntesten Investigativ-Journalisten, der relevante Informationen von Whistleblowern verbreitete. Deshalb ist er nicht nur in Washington zum Staatsfeind Nummer eins avanciert. Wikileaks hatte soeben eine neue Folge von Geheimpapieren der US-Armee publik gemacht, das Afghan War Diary, eine Sammlung von rund 76’000 Dokumenten, die ein verheerendes Bild von der Lage in Afghanistan wiedergaben und belegten, dass die US-Armee Kriegsverbrechen verübte. So wurde z.B. erstmals die Existenz einer geheimen Einheit namens Task Force 373 bekannt, deren Angehörige keine Namen an den Uniformen trugen und deren Aufgabe die rechtsfreie Tötung von Verdächtigen war. Nach Art der aus Lateinamerika bekannten Todesschwadronen arbeiteten sie als Killerkommandos Namenslisten ab. Inzwischen wurden sie vermutlich durch ein Drohnen-Programm ersetzt.

In den Chefetagen des State Departments, des Pentagons und der US-Geheimdienste herrschte damals Alarmstufe dunkelrot. Man fragte sich, was zu tun sei, um eines der grössten Leaks in der Geschichte des US-Militärs zu stopfen und Assange politisch auszuschalten.

Das in Texas ansässige Unternehmen Stratfor, das sich nach eigenen Aussagen der Global Intelligence widmet und neben grossen Rüstungskonzernen auch das US-Department of Homeland Security und den US-Militärgeheimdienst Defence Intelligence Agency berät, entwarf in dieser Situation Szenarien der Schadensbegrenzung. Da wird in einem Mailverkehr ausgiebig diskutiert, was man tun könne, um Assange und Wikileaks zu stoppen. Ein gewisser Burton weist seine «Stratfor-Analysts» darauf hin, es gelte, Assange, seine Familie sowie alle mit Wikileaks Verbündeten ins Visier zu nehmen und Assange mit verschiedenen Anklagen und Prozessen für die nächsten 25 Jahre von Land zu Land zu schicken:

«Ferreting out his confederates ist also key. Find out what other disgruntled rogues inside the tent or outside. Pile on. Move him from country to country to face various charges for the next 25 years. But, seize everything he and his familiy own, to include every person linked to Wiki.»

Ein anderer Analyst deutete an, dass die Leute wohl merken würden, was für Arschlöcher (douchebags) dieser Assange und seine Organisation seien, wenn er einmal hinter Gitter sässe. Die Frage sei, ob er wohl das Potential hätte, im Gefängnis noch lauter zu schreien und sich als Märtyrer zu gebärden.

Zum Zeitpunkt dieses Mailverkehrs (7. Dezember 2010) hatten die Jäger ihr Wild bereits gestellt. Der Zufall und der Leichtsinn Assanges lieferten die idealen Voraussetzungen, um seiner habhaft zu werden. Da schnappte eine Falle zu, die die Jäger nicht gestellt hatten, die sie aber hocherfreut nutzten.

Der konstruierte Vergewaltigungsvorwurf

Zwei schwedische Frauen hatten sich am 20. August bei einer befreundeten Polizistin erkundigt, ob sie von Assange, mit dem jede der beiden vorher einvernehmlichen Sex hatte, einen HIV-Test verlangen könnten. Die Polizistin wurde daraufhin von ihren Vorgesetzten angewiesen, das Protokoll so umzuschreiben, dass daraus ein Verhör mit dem Vorwurf der Vergewaltigung wurde. Gleichzeitig gab die Polizei unter eklatanter Verletzung schwedischen Rechts den Fall an die Boulevardpresse weiter. Assange erfuhr, noch bevor man ihn angehört hatte, aus den Zeitungen, er sei wegen Vergewaltigung gesucht. Die Story ging um die Welt.

Der Fall wurde von der Staatsanwaltschaft indessen bald eingestellt, weil kein erkennbares Delikt vorlag, und als Assange schliesslich mit Genehmigung der schwedischen Behörden im September 2010 nach London abreist, hält er die Sache für erledigt. Kaum in London angekommen, erfährt er, Schweden habe ihn per Interpol zur Fahndung ausgeschrieben. Eine zweite Staatsanwältin hat den Fall wieder aufgerollt. Die Begründung lautet, er habe sich der Justiz in Schweden entzogen.

In diesem Stil geht die Geschichte weiter. Die Assange-Story ist vom 20. August 2010 bis heute eine Abfolge von offensichtlichen Justiz-Manipulationen und Rechtsbrüchen, die zum Ziel haben, den Journalisten zu diffamieren, politisch zu neutralisieren und aus dem Verkehr zu ziehen.

Infosperber hat in der Vergangenheit mehrfach auf die vielen Ungereimtheiten im angeblichen «Vergewaltigungsfall» Assange aufmerksam gemacht und gezeigt, dass die Vorgänge nur den Schluss zulassen, dass die schwedische wie auch die britische Justiz sich offenbar dem politischen Druck gebeugt haben, Assange festzusetzen. Die derzeitigen Bedingungen seiner menschenrechtswidrigen Isolationshaft lassen nach Aussagen von Experten befürchten, dass es darum geht, den Mann physisch und psychisch zu vernichten.

Infosperber hat bereits darauf hingewiesen, dass es wohl kaum ein Zufall war, dass der Chef des schwedischen Militärgeheimdienstes in jenem August 2010 einen Zeitungsartikel publizierte mit dem Titel: «Wikileaks, eine Bedrohung für unsere Soldaten». Die Rede war von schwedischen Soldaten unter US-Kommando in Afghanistan. Man wusste in Stockholm also nur zu gut, wen man da zu Besuch hatte. Und die Zusammenarbeit zwischen den Geheimdiensten von Schweden und USA funktioniert seit den Zeiten des Kalten Krieges nachweislich reibungslos.

Niemand erhebt Einspruch gegen die Willkürjustiz

Das Schockierende daran ist die Arroganz der Macht, die unbekümmerte Offenheit, mit der hier vor den Augen der Weltöffentlichkeit Willkürjustiz betrieben wurde, um einen unbequemen Journalisten mundtot zu machen. Doch dies war nur möglich, weil jene Weltöffentlichkeit eben nicht existierte. Denn den grossen westlichen Medien waren die Hintergründe im Fall Assange jahrelang kaum eine Zeile wert. Auch die Kirchen, die Juristenverbände, der famose Investigativjournalismus, – alle schwiegen, und ihr Schweigen war lauter als alle Sonntagsreden über Menschenrechte.

Man hatte sich offenbar mit der Vorstellung vertraut gemacht: «Irgendwas wird schon dran sein» an der Vergewaltigung. Im Übrigen vergass man nie hervorzuheben, dass dieser Julian Assange einen schlechter Charakter habe. Selbst in der oft auf Menschenrechte fokussierten Schweizer Wochenzeitung «WoZ» hiess es, Assange sei «paranoid» und «ein moralfreier Hasardeur».

Die Berichterstattung war Business as usual nach dem Motto: Bloss keine Wellen machen. Die Medien vermeldeten unbekümmert, Assange habe sich in die Botschaft von Ecuador in London geflüchtet, weil er befürchtete, nach Schweden und von dort direkt an die USA ausgeliefert zu werden. Man registrierte auch, dass die US-Justiz ihn für 175 Jahre ins Gefängnis stecken will. Man registrierte sieben Jahre lang ebenso beiläufig, dass die britische Polizei vor der ecuadorianischen Botschaft postiert war, um ihn beim Verlassen festzunehmen: Assange war inzwischen ecuadorianischer Staatsbürger mit Diplomatenpass. Und man fand es am Ende nicht besonders bemerkenswert, dass ein Mensch wegen einer angeblichen Kautionsverletzung in London in einem Hochsicherheitsgefängnis in einer Form von Isolationshaft gefangen gehalten wird, die UN-Experten als schwere Folter bezeichnen.

Verfahrensfehler und offensichtliche Manipulationen

Erst 2019 hat sich das Blatt gewendet. Es bedurfte der Intervention eines renommierten Juristen wie Nils Melzer, der als UNO-Sonderberichterstatter für Folter immer wieder an die Öffentlichkeit ging, um den Fall publik zu machen. Melzer konfrontierte die Regierungen in Schweden, in Grossbritannien und in anderen europäischen Ländern mit den Verfahrensfehlern und offensichtlichen Manipulationen. Er wurde zwar auf Regierungsebene kalt abgewiesen, doch die grossen Medien sind seit ein paar Monaten offensichtlich – spät aber immerhin – zu dem Schluss gekommen, dass sie den Skandal nicht länger ignorieren können.

Der Publizist und Jurist Milosz Matuschek sprach im Deutschlandfunk von einem Offenbarungseid des Rechtsstaates und einer grotesken Mischung aus Justiz- und Medienversagen: «Sagen wir, wie es ist. Wäre Julian Assange ein in einem Keller über Monate eingesperrter, gequälter Hund – wir hätten vermutlich längst einen Prozess gegen die Tierquäler und eine Verschärfung des Tierschutzgesetzes (…) Doch Assange ist – zu seinem Pech – leider nur ein Mensch. Und zwar einer, der sich bei den Mächtigen nicht beliebt gemacht hat.»

Matuschek durfte sich auch vor zwei Wochen in einer Meinungskolumne in der NZZ zu dem Fall Assange äussern. Die Schweizer Medien tun sich aber schwer damit, die Existenz des Elefanten im dunklen Raum zuzugeben. In der NZZ vom 4. Februar hiess es zwar, die Assange-Untersuchung sei «kein Ruhmesblatt für Schweden», jedoch gebe es nur «Indizien, aber keine Beweise» für Manipulation. Ähnlich tönte es am 3. Februar im «Rendez-vous am Mittag» des SRF-Radios. Skandinavien-Korrespondent Bruno Kaufmann wollte offensichtlich mit Schweden nicht allzu hart ins Gericht gehen: Die schwedische Justiz habe wohl «stümperhaft und ungenügend» gearbeitet. Und: «Wo es Schnittstellen zum internationalen Umfeld gibt, da funktioniert vieles nicht gut.»

Das Gegenteil ist mit Sicherheit der Fall: An diesen Schnittstellen funktioniert die Zusammenarbeit zwischen den Geheimdiensten offensichtlich nur allzu gut, und die schwedische Justiz hat nicht «stümperhaft» gearbeitet, sondern in Kenntnis der wahren Sachlage willkürlich, skrupellos und rechtswidrig.

Am 31. Januar 2020 gab Nils Melzer dem Online-Magazin «Republik» ein umfangreiches Interview, in dem er die Verfahrensfehler und Rechtsverletzungen der involvierten Staaten beschreibt, die bereits zehn Jahre andauern. Sein Bericht geht über das hinaus, was infosperber und andere Online-Publikationen bisher belegen konnten. Melzer sagt, er habe in seiner Laufbahn als Jurist noch nie einen vergleichbaren Fall gesehen:

«Ich spreche fliessend Schwedisch und konnte deshalb alle Originaldokumente lesen. Ich traute meinen Augen nicht. Nach Aussagen der betroffenen Frau hat es nie einen Vergewaltigungsfall gegeben. Und nicht nur das: Die Aussagen der Frau wurden im Nachhinein von der Stockholmer Polizei umgeschrieben, um irgendeinen Vergewaltigungsverdacht herbeibiegen zu können. Mir liegen die Dokumente alle vor, die Mails, die SMS.»

Eines dieser Dokumente belegt eindrücklich, welche politischen Hebel den Fall Assange kontrollierten. Die schwedische Staatsanwaltschaft vermied es fünf Jahre lang, Assange zu der ihm vorgeworfenen Vergewaltigung auch nur zu vernehmen, bis seine Anwälte schliesslich vor dem höchsten schwedischen Gericht erzwingen konnten, dass die Staatsanwaltschaft entweder Anklage erheben oder das Verfahren einstellen müsse. Als die Schweden den Briten mitteilen, dass sie das Verfahren möglicherweise einstellen müssen, schreiben die britischen Justizbehörden besorgt zurück: «Don’t you dare to get cold feet!» – Kriegt jetzt bloss keine kalten Füsse!

Es war klar, so Melzer, dass der Crown Prosecution Service die Schweden unbedingt davon abhalten wollte, das Verfahren einzustellen. Denn das Verfahren in Schwebe zu halten, war ganz offensichtlich die Strategie. Melzer: «Stellen Sie sich vor, sie werden neuneinhalb Jahre lang von einem ganzen Staatsapparat und von den Medien mit Vergewaltigungsvorwürfen konfrontiert, können sich aber nicht verteidigen, weil es gar nie zur Anklage kommt.»

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Szenenfoto aus den Film – The Julian Assange Story

Bedrohte Pressefreiheit

Melzers spricht von einem gefährlichen Präzedenzfall und fragt, was ein Journalist noch schreiben kann, wenn der Fall Assange Schule macht:

«Denn wenn investigativer Journalismus als Spionage eingestuft wird und überall auf der Welt verfolgt werden kann, folgen Zensur und Tyrannei. Vor unseren Augen kreiert sich ein mörderisches System. Kriegsverbrechen und Folter werden nicht verfolgt (…) Gleichzeitig wird einer mit 175 Jahren Gefängnis bedroht, der solche Dinge aufdeckt. Er wird ein Jahrzehnt lang überzogen mit Anschuldigungen, die nicht nachgewiesen werden, die ihn kaputt machen. Und niemand haftet dafür. Niemand übernimmt die Verantwortung. Es ist eine Erosion des Sozialvertrages. Wir übergeben den Staaten die Macht, delegieren diese an die Regierungen – aber dafür müssen sie uns Rede und Antwort stehen, wie sie diese Macht ausüben. Wenn wir das nicht verlangen, werden wir unsere Rechte über kurz oder lang verlieren.»

Edward Snowden, ein Whistleblower, der von den USA wie ein Schwerverbrecher gejagt wird, sagte einmal: «Wenn das Aufdecken von Verbrechen wie ein Verbrechen behandelt wird, dann werden wir von Verbrechern regiert.»

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Zum FREE JULIAN ASSANGE COMMITTEE SWITZERLAND: «Wir verfolgen das Ziel der Verhinderung der Auslieferung von Julian Assange in die USA mit friedlichen Mitteln. Wir organisieren Mahnwachen und Kundgebungen in Zürich.»

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Weitere Artikel zum «Fall Assange»:

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Oben         —       UNDERGROUND_photoJ.Tsiavis_0404 Pics from the set OFFICIALLY released by the production company.

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Vorbild Sebastian Kurz

Erstellt von DL-Redaktion am 11. Januar 2020

Sehnsucht nach Macht, nicht Programm

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Kinder – wie die Zeit vergeht. Der kleine Basti.

Ein Kommentar von Jonas Schaible

Sebastian Kurz wird von deutschen Konservativen für klare Haltung gefeiert – dabei ist er so wendig wie wenige. Daraus lässt sich etwas über die Krise der Unionsparteien lernen. Und über die Chancen möglicher Kanzlerkandidaten.

Allzu zahlreich sind sie derzeit nicht, die politischen Vorbilder, denen Parteifreunde in anderen Ländern beflissen zu jedem Erfolg gratulieren und die nachzuahmen sie ebenso beflissen empfehlen. Emmanuel Macron ist so ein Vorbild für die Liberalen, Sebastian Kurz eines für die Konservativen. Der Mann, der nun erneut Österreich als Kanzler regieren wird.

  • Zu seinem Wahlsieg gratulierte ihm CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn so: „Mit Mut zu Haltung, klarem Profil und dem Willen zur politischen Führung ist ein beeindruckender Wahlerfolg der Volkspartei gelungen.“
  • Er habe „mit klarer Haltung“ gewonnen, lobte auch CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak.
  • Nordrhein-Westfalens CDU-Ministerpräsident Armin Laschet attestierte Kurz „klare Ideen“.
  • Und Friedrich Merz wusste auf Twitter von „klarem Profil“ zu berichten.

Während also in Deutschland einerseits schon lange die These kursiert, Merkel habe die CDU entkernt und beliebig gemacht, gilt der Österreicher Kurz ihren möglichen Nachfolgern als Beleg für die These, ein entschieden konservativer Kurs, geprägt von weltanschaulicher Unverrückbarkeit, könne den Christdemokraten wieder Siege bescheren. Sozusagen: als Gegenentwurf zu Merkel.

Analog dazu verlor die CDU zuletzt womöglich gar nicht Stimmen, weil Merkel so viele Kernthemen der Union aufgegeben hat oder die Partei hat beliebig werden lassen. Noch 2013 hatte sie für die Unionsparteien fast die absolute Mehrheit geholt, da lagen die Familienpolitik Ursula von der Leyens, der zweite Atomausstieg und die Aussetzung der Wehrpflicht nicht lange zurück.

Dass Beliebigkeit gar nicht das Problem der Union ist, dafür spricht auch, dass derzeit CSU-Chef Markus Söder populärer wird. In der SPIEGEL-Politikertreppe steht er nur zwei Plätze hinter Merkel auf dem fünften Platz. In einer Emnid-Umfrage für „Bild am Sonntag“ wünschen sich 35 Prozent der Deutschen in diesem Jahr eine stärkere Rolle für ihn, damit liegt er satte zehn Prozentpunkte über seinem Vorjahreswert. Auf dem CDU-Parteitag Ende November wurde seine Rede auffallend begeistert beklatscht.

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Söder ist flexibel. Er hatte als bayerischer Umweltminister kurz vor der Reaktorkatastrophe von Fukushima noch längere Laufzeiten für Atomkraftwerke und danach bemerkenswert schnell den Ausstieg gefordert. Er hatte jedenfalls nicht aufbegehrt, als ein Minister seiner Partei, Karl-Theodor zu Guttenberg, das Ende der Wehrpflicht betrieb. Er hatte bis zum Sommer 2018 den harten Asylkritiker gegeben, um dann ebenso hart umzuschwenken. Er geißelt heute die AfD, statt wie zuvor gelegentlich mit ihrer Sprache zu kokettieren. Er umarmt auf einmal Bäume. Und er gibt sich gar keine Mühe, seine Richtungswechsel zu bestreiten.

Quelle        :        Spiegel           >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen       :

Oben          —         Staatssekretär Sebastian Kurz bei einem Besuch bei der Firma DiTech in Wien-Brigittenau.

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Unten       —       Matthias Laurenz Gräff, „Blaues Blut für Österreich“. Öl auf Leinwand, 170×120 cm, 2017. Das Gemälde zeigt die politische und gesellschaftliche Anbiederung und Unterstützung der FPÖ und der ihr nachgesagten rechtsradikalen und auch deutschnationalen Idealen. In der Bildmitte hängt eine geschlachtetes und ausgeweidetes Schwein, welches mit einer Burschenschafterschleife geschmückt, und mit der Zahl 88 als Zeichen für Adolf Hitler und als Symbol der illegalen Neonazis gebranndmarkt ist. Das rote Blut des Tieres färbt sich, noch bevor es den bräunlichen Boden erreicht, blau. Dies symbolisiert die blaue Farbe der FPÖ, die von einem Nazi gegründet wurde. Von diesem blauen Blut trinken nun die jungen, kleinen Schweine. Stellvertretend für die Politik, Kultur und die Wirtschaft stehen nun Sebastian Kurz, Andreas Gabalier und Dietrich Mateschitz, welche keine Berührungsängste fühlen oder zumindest mit dieser radikalen Gesinnung angeblich sympathisieren. Im Bildhintergrund steht der Großglockner mit Heiligenblut in den österreichischen Alpen als Zeichen für die scheinmoralischen, beschaulichen, touristischen, lieblichen und idealen Werte der österreichischen Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund schweben aber eine blutbefleckte Motorsäge sowie ein ebenso blutbeflecktes Fleischerbeil. Dem gegenüber ist ein brennender Stuhl, der den Verlust des Wissens, der Bildung, der Moral, der Ethik symbolisiert. Die Axt als Zeichen der Brutalität des perversitierten Geistes steht dem vor. Der Fleischwolf, der das Herz durch sich dreht, zeigt gleichwohl den Verlust von menschlichen und höheren moralischen Werten auf. Darüber befinden sich links als auch rechts die anonymen Wähler, die Masse des Volkes, schemenhaft aufsteigend dargestellt, welche dem Ganzen eine klerikalen aber scheinfrömmlichen Inhalt geben. Darüber ziehen schwere Gewitter auf, die dadurch den drohenden Inhalt des Bildes noch verstärken.

  • CC BY-SA 4.0view terms
  • File:Matthias Laurenz Gräff, „Blaues Blut für Österreich“.jpg
  • Created: 2018-02-02 13:51:47    

 

 

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Wer war Qasem Soleimani?

Erstellt von DL-Redaktion am 7. Januar 2020

„Wichtiger als der Präsident“

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Von Michael Safi  The Guardian

Wer war Qasem Soleimani? Der Chef der Al-Quds-Brigaden hatte Erfolg damit, das regionale Umfeld seines Landes nach dem Irak- und dem Syrien-Krieg neu zu ordnen

Am Freitagmorgen haben Drohnen der US-Streitkräfte in Bagdad einen Mann getötet, der nicht nur im Iran, sondern auch in Syrien, im Libanon und im Irak zu den einflussreichsten Akteuren zählte.

Qasem Soleimani ist im Iran in den vergangenen Jahren zu einer bekannten Persönlichkeit geworden und wurde manchmal sogar als künftiger Präsident gehandelt. Dennoch ist der Befehlshaber der Revolutionären al-Quds-Brigaden außerhalb der Region, für deren Neugestaltung er möglicherweise mehr getan hat als irgendjemand sonst, eine relativ unbekannte Figur geblieben.

„Er war wichtiger als der Präsident, sprach im Iran mit allen Fraktionen, verfügte über eine direkte Verbindung zum Obersten Führer und war für die Politik des Iran in der Region zuständig“, fasst Dina Esfandiary, eine Fellow bei der Denkfabrik Century Foundation, Soleimanis Bedeutung zusammen. „Wichtiger und einflussreicher konnte man nicht sein.“

Iranischer Halbmond

Die Al-Quds-Brigaden haben die Aufgabe, den Einfluss des Iran im Ausland zu vergrößern, und der 62-jährige Soleimani tat dies in den vergangenen zwei Jahrzehnten mit außerordentlich großem Erfolg. Inmitten des Chaos und der vielen Toten, die auf den durch die USA geführten Angriff auf den Irak im März 2003 und den inneren Krieg in Syrien ab März 2011 folgten, sah Soleimani eine Gelegenheit, um mit personellen und finanziellen Mitteln quer durch die Region – vom Libanon im Westen bis zum Jemen im Süden – eine pro-iranische Einflusszone in Form eines Halbmondes zu schaffen.

Der beständige Aufstieg der Hisbollah im Libanon; Irans entscheidende Intervention zur Unterstützung Baschar al-Assads im syrischen Bürgerkrieg; der anhaltende Widerstand der Huthi-Milizen gegen die von Saudi-Arabien angeführten Streitkräfte sowie der Aufstieg schiitischer Milizen im Irak: Jede dieser Entwicklungen kann bis zu einem gewissen Grad auf den kleingewachsenen, grauhaarigen iranischen Kommandeur zurückgerührt werden, der 1957 als Sohn einer armen Bauernfamilie geboren wurde.

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In seiner Autobiografie berichtet Soleimani, er sei in Rabor im Osten des Iran geboren worden und habe mit 13 in einen Nachbarort gehen müssen, um dort die Schulden seines Vaters bei der Regierung des Schahs abzuarbeiten. Als der Monarch 1979 gestürzt wurde, verschrieb sich Soleimani der klerikalen Herrschaft Ajatollah Ruhollah Chomeinis und schloss sich den Revolutionsgarden an, jener paramilitärischen Einheit, die gegründet wurde, um einen Putsch gegen die neu ausgerufene Islamische Republik zu verhindern.

Lust an der Konfrontation

Nach zwei Jahren wurde er an die Front geschickt, um die Invasion der irakischen Armee zurückzuschlagen. Schnell zeichnete er sich vor allem durch gewagte Aufklärungsmissionen hinter den irakischen Linien aus und wurde zum Führer einer Brigade ernannt. Er wurde mindestens einmal verwundet und verlor viele Männer, doch nie seine Lust an der Konfrontation. Der Krieg brachte ihn auch in Kontakt mit der Art von ausländischen Milizen, wie er später mit spürbaren Folgen für die Gegner seines Landes führen sollte.

Quelle     :           Der Freitag            >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen        :

Oben        —      Qasem Soleimani in a seminar in Qom

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Unten           —         Funeral of Qasem Soleimani, Tehran, Iran on 6 January 2020.

This is a file from the Mehrnews.com website, which states in its footer, „All Content by Mehr News Agency is licensed under a Creative Commons Attribution 4.0 International License.“

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Beamter der EU-Behörde

Erstellt von DL-Redaktion am 27. Dezember 2019

EU-Bankenaufseher wird Lobbyist bei Finanzlobby-Gruppe

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Quelle         :         INFOsperber CH.

Von  Tobias Tscherrig

Adam Farkas, Direktor der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde, wechselt zu einer der mächtigsten Finanzlobby-Gruppen der Welt.

Am 9. August 2007 hielt die Finanzwelt den Atem an: Die Zinsen auf den weltweiten Handel mit Finanzinstrumenten stiegen sprunghaft an. Es folgte eine globale Finanzkrise, die mit dem Zusammenbruch der US-amerikanischen Grossbank Lehman Brothers ihren Höhepunkt erreichte. Grosse Finanzdienstleister mussten mit staatlichem Fremdkapital gerettet werden, einige Banken wurden ganz verstaatlicht und später geschlossen. Die Verschuldung von vielen Staaten stieg stark an, die Krise wirkte sich auf die Realwirtschaft aus. Produktionssenkungen und reihenweise Zusammenbrüche von Unternehmen waren die logische Folge.

Die Ursachen der Finanzkrise, die gemäss dem Internationalen Währungsfonds (IWF) Wertpapierverluste von insgesamt vier Billionen US-Dollar zur Folge hatten, sind vielfältig. Schuld war unter anderem der spekulativ aufgeblähte Immobilienmarkt in den USA. Aber vor allem zeigte die Krise, was Kritikerinnen und Kritiker bereits damals seit vielen Jahren bemängelt hatten: Die Verbindungen zwischen Banken, Aufsichtsbehörden und Politik waren viel zu eng, die Kontrollen funktionierten nicht.

Ein Umstand, der sich nicht geändert hat. Der aktuellste Fall: Adam Farkas, Exekutivdirektor der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde wechselt am 31. Januar 2020 zur Association for Financial Markets in Europe – und damit zu einer der einflussreichsten und ressourcenstärksten Finanzlobby-Gruppen der Welt. Unter anderem berichtete «Lobbycontrol» darüber.

Als hätte es die Finanzkrise nie gegeben

Die verhängnisvolle Nähe zwischen Kontrollbehörden und Finanzlobby entsteht auch durch Personen, die die Seiten wechseln: Erst arbeiten sie während Jahren bei Kontrollbehörden, dann wechseln sie zur Finanzlobby. Ihr Insider-Wissen macht sie zu begehrten Kandidaten, die Lobby versucht daraus ihren Nutzen zu ziehen.

So wechselte zum Beispiel der frühere Präsident der EU-Kommission, José Manuel Barroso, im Juli 2016 zur Investment-Bank Goldmann Sachs. Der Wechsel sorgte für viel Kritik. «Diese elendigen Seitenwechsel von der Politik in die Wirtschaft nähren die Zweifel an der Gemeinwohlorientierung der Politik», sagte etwa der deutsche EU-Abgeordnete Sven Giegold von den Grünen gegenüber der «FAZ». Der damalige EU-Parlamentspräsident Martin Schulz bezeichnete das Vorgehen als «völlig inakzeptabel».

Barroso selbst betonte, bei seinem neuen Job handele es sich nur um eine Art Beratertätigkeit. Wie diese im Detail aussah, belegte dann ein Brief, der dem «Spiegel» vorliegt. Demnach traf Barroso in seinem neuen Job zum Beispiel EU-Vizekommissionschef Jyrki Katainen – in einem Hotel, in unmittelbarer Nähe zum Hauptgebäude der Kommission. Es gab keine Begleiter, keine Notizen, keine schriftlichen Belege. Das Treffen wurde auf der Internetseite der EU-Kommission offiziell als Lobbytreff eingetragen, allerdings erst, nachdem das Onlineportal «Politico» darüber berichtet hatte.

«Der Brief von Kommissar Katainen legt sehr nahe, dass Barroso tatsächlich seine privilegierte Position dazu nutzt, die EU im Namen von Goldman Sachs zu beeinflussen», sagte Margarida Silva von Alter-EU, einem Zusammenschluss von etwa 200 Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften im «Spiegel». «Keiner ausserhalb der Institution hat mehr Insider-Wissen, Kontakte und anhaltenden Einfluss als früherer Präsident der Kommission.»

Vom Regulierer zum Interessens-Verband der Regulierten

Trotz all der Kritik winkte das Ethikkomitee der EU-Kommission den Wechsel von Barroso zu Goldman Sachs im Oktober 2016 durch. Und das, obwohl die EU-Kommission den Verhaltenskodex für ihre Mitglieder verschärft hatte und stets betonte, bei Lobbytreffs schärfere Transparenz- und Ethikstandards als nationale Behörden anzuwenden. Es genügte, dass Barroso zusagte, seine neue Position nicht zu nutzen, um persönlich Lobbying in seiner ehemaligen Behörde zu betreiben.

Und nun also Adam Farkas. Der Wechsel des Exekutivdirektors der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) hin zur Finanzlobby-Gruppe Association for Financial Markets in Europe (AFME) ist dreist. Nicht nur, weil die AFME als einflussreichste Finanzlobby-Gruppe der Welt gilt. Vielmehr wechselt ein ehemaliger Regulierer zu dem Verband, der die Interessen der Regulierten vertritt. Was eigentlich ein absolutes No-Go sein müsste, wurde so vom obersten Entscheidungsorgan der EBA genehmigt. Der sogenannte «Rat der Aufseher» unter dem Vorsitz von José Manuel Campa sah keinen Interessenskonflikt und verlangte von Farkas einzig die Erfüllung von zwei Auflagen: Demnach darf Farkas während zwei Jahren nicht an Lobby-Aktivitäten gegenüber seinem ehemaligen Arbeitgeber, der EBA, beteiligt sein. Ausserdem ist es ihm untersagt, während eineinhalb Jahren die AFME bei Themen zu beraten, die mit seinen Tätigkeiten der letzten drei Jahre zusammenhängen.

Auflagen, die schlichtweg nicht kontrolliert werden können. Ausserdem hat die AFME Farkas wohl genau wegen seiner Vergangenheit angestellt und wird ihn nicht während mehreren Jahren Däumchen drehen lassen.

Interessenskonflikte statt Distanz

Die EBA ist eine EU-Agentur, die sich hauptsächlich mit der Überwachung und Regulierung von Banken beschäftigt. Sie berät auch das Europäische Parlament und die EU-Kommission bei der Entwicklung von Gesetzen und koordiniert die Arbeit der nationalen Bankenaufsichten. Die AFME vertritt die entgegengesetzten Interessen: Sie repräsentiert mehr als 180 Banken, darunter einige der grössten US-amerikanischen und europäischen Finanzmarktakteure. «Lobbycontrol» umreisst das Ziel des Verbands: «EU-Institutionen und Gesetze entsprechend ihrer Interessen zu beeinflussen.» Dafür gibt AFME jährlich rund fünf Millionen Euro aus.

Damit die EBA ihre Überwachungsaufgaben unabhängig wahrnehmen könnte, müsste sie also zwingend auf Distanz zur Lobby-Organisation AFME gehen. Statt Distanz zu schaffen lässt sie es aber zu, dass Farkas, der seit der EBA-Gründung im Jahr 2011 als ihr Exekutivdirektor amtet und sich dabei unvergleichliches Insider-Wissen angeeignet und ein umfassendes Netzwerk aufgebaut hat, direkt zur Bankenlobby wechselt. Das wertvolle Wissen und die Netzwerke von Farkas, fliessen ab dem 31. Januar 2020 zur Gegenseite, zu den Banken, die drohende Regulierungen so weit als möglich lockern wollen.

Lobbying gegen strenge Regeln

Im Übrigen ist der Wechsel von Adam Farkas nicht der erste Fall, der die EBA und ihren Willen zur Unabhängigkeit schlecht aussehen lässt. Im Mai 2019 machte die Behörde den ehemaligen Santanderbank-Cheflobbyisten José Manuel Campa zu ihrem neuen Chef.

Zwischen Regulierungsbehörden und Banken gibt es erneut personelle Verstrickungen und mangelnde Distanz. Dabei haben die Banken gemäss der Organisation «Financewatch» längst damit begonnen, gegen die strengeren Regeln, die ihnen nach der Finanzkrise auferlegt wurden, zu lobbyieren. Als hätte es die Finanzkrise nie gegeben.

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Weiterführende Infosperber-Artikel zur Thematik:

«Die Demokratie steht unter Druck des Finanzsektors»

«Die Risiken für eine nächste weltweite Finanzkrise nehmen zu»

Zehn Jahre Finanzkrise – nach der Krise ist vor der Krise

«Eine neue Finanzkrise ist unvermeidbar»

Themenbezogene Interessen (-bindung) der Autorin/des Autors

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Unten        —         10,000 dollars of 1928-1934 (obverse)

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Ein Stadtgespräch aus Berlin

Erstellt von DL-Redaktion am 26. November 2019

Bürgerversammlung im Olympiastadion

Von Alexander Nabert

Im Gefühlsgleichschritt der Bewegung. Eine Kondomfirma, eine Klimagruppe und „die Wissenschaft“ treffen sich als emotionale Masse im Stadion. Was kann da schon schiefgehen?

Von Lenin ist das Wort überliefert, dass die Revolution in Deutschland nie etwas werde. „Wenn diese Deutschen einen Bahnhof stürmen wollen, kaufen die sich noch eine Bahnsteigkarte“, soll der russische Revolutionär gespottet haben. Heutzutage beläuft sich der Preis der „Utopie“ auf 29,95 Euro. Soviel kostet die Eintrittskarte zur „größten Bürger*innenversammlung Deutschlands“, die 2020 im Berliner Olympiastadion stattfinden soll, sofern die Veranstaltenden mindestens 60.000 Tickets verkaufen.

Die Idee: Die „renommiertesten Expert*innen aus allen Bereichen“ kommen zusammen, „um die Lösungen für die drängendsten Probleme unserer Zeit gebündelt zu präsentieren“ und werden dabei gefeiert „wie wir ansonsten nur Rockstars feiern“. Laut Organisierenden diene dies der „Inspiration und der emotionalen Aufladung“.

Auch der Rest der Veranstaltung steht im Zeichen der Gefühle, die es wohl zweifellos braucht, wenn man eine Massenbewegung organisieren will. Die Veranstaltung soll den Teilnehmenden das „Gefühl geben, dass sie auch als Einzelpersonen Veränderungen bewirken können“. Und überhaupt: „Wir werden danach mit dem guten Gefühl nach Hause gehen, einen weiteren Schritt in Richtung Veränderung unternommen zu haben.“

Erreicht werden soll das neben den personenkultig gefeierten Expertise-Rockstars durch massenhafte Petitionen an den Bundestag, die man aus dem Olympiastadion heraus mit seinem Smartphone mitzeichnen können soll.

Was bei Beyoncé okay ist

Hinter dem Projekt steht das Berliner Hygieneartikel-Unternehmen Einhorn, das Gefühle schon länger als Geschäftsfeld für sich erschlossen hat und allerhand überteuerte vegane Kondome und Menstruationsartikel in hippem Design auf den Markt wirft. Als offizielle Kooperationspartner treten die Scientists for Future sowie der Berliner Ableger von Fridays for Future auf; Luisa Neubauer ist eines der Gesichter im Werbefilm.

File:StreetParadeZurich2011Trash.jpg

Politician – how dare you are ?

Petitionen an den Deutschen Bundestag bringen in aller Regel nichts. Zwar hatte das Unternehmen Einhorn mit einer Petition zur Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes für Periodenprodukte Erfolg, weil Olaf Scholz sich im Kampf um den SPD-Vorsitz profilieren musste, doch das bleibt die Ausnahme. Petitionen sind nämlich keine direktdemokratischen Verpflichtungen für die Legislative. Was der Parlamentsmehrheit nicht in den Kram passt, wird stets abgelehnt. Das ist Usus im Petitionsausschuss.

Quelle         :         TAZ         >>>>>         weiterlesen

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Oben        —         12th IAAF World Championships in Athletics

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Doppeldeutige Revolution

Erstellt von DL-Redaktion am 7. November 2019

Die Fälschung der Geschichte : 30 Jahre 1989
Die Narren der Politik lassen sich für die Erfolge des V0lkes feiern.

Von Jens Reich

Für die politischen Ereignisse, die im Herbst 1989 ihren Anfang nahmen und nach einem turbulenten Jahr am 3. Oktober 1990 mit dem Beitritt zur Bundesrepublik das Ende der DDR besiegelten, haben sich in der kollektiven Wahrnehmung zwei konkurrierende Bezeichnungen und ein weltweit anerkanntes Ereignis von symbolischer Wirkung festgesetzt. „Wende“ und „Friedliche Revolution“ sind die beiden Sammelbezeichnungen, und das symbolische Ereignis ist der „Fall der Mauer“ am 9. November 1989. Alle drei Begriffe haben in den drei Jahrzehnten seither neben ihrem faktischen Inhalt einen propagandistischen Beigeschmack bekommen.

Das Wort „Wende“ hat eine nicht aufhaltbare Karriere im Sprachgebrauch gemacht, weil es in der Alltagssprache kurz und geschmeidig den Bezug auf die Zeit vor und die nach 1990 herzustellen gestattet: „vor der Wende“ und „nach der Wende“. Viele Zeitgenossen von damals, mich eingeschlossen, finden das ärgerlich, weil das Wort, das vor 1989 in der Bundesrepublik der Kohl-Ära im politischen Sprachgebrauch war, von den ums politische Überleben ringenden SED-Machthabern (Egon Krenz vor allem) als Vorspiegelung einer das System rettenden Kurskorrektur übernommen wurde. Das Volk wollte mit einer solchen Wende definitiv nichts zu tun haben, und der Volksmund (schon vor Christa Wolf in ihrer Rede vom 4. November) nannte die solche friedlichen Reformen beteuernden Genossen „Wendehals“. Zufällig war der Spechtvogel Wendehals 1988 von Ornithologen zum Vogel des Jahres ausgerufen worden, und das lieferte dem Karikaturisten der „Zeit“ die Anregung zu einer hoch amüsanten Karikatur. Sie stellte einen im gezackten Loch der Berliner Mauer sitzenden, stark gerupften Vogel mit der unverkennbaren Physiognomie des Egon Krenz dar: „Wendehals, Vogel des Jahres“.

Seitdem bemühen sich Aktivisten der damaligen Umwälzung ebenso wie Journalisten und Zeithistoriker darum, anstelle der Wende die umständliche Fügung „Friedliche Revolution“ als den Sachverhalt treffende Bezeichnung in den kollektiven Sprachgebrauch zu integrieren. Auch diese Wendung hat unverkennbar überredende Absicht. „Friedlich“ im Sinne von „friedfertig“ war die Volkserhebung gewiss nicht, „gewaltfrei“ wäre das passende Adjektiv, und ob es tatsächlich eine Revolution gewesen ist, darüber streiten die Theoretiker bis heute. Wer in der DDR zur Schule gegangen ist und danach noch weiter Zeitung gelesen hat, begreift unter diesem Schlüsselbegriff der marxistischen Lehre (mit dem paradigmatischen Beispiel der Großen Französischen Revolution von 1789) eine gewaltsame (!) Umwälzung der grundlegenden Eigentums- und Produktionsverhältnisse und der zugehörigen Staatsstruktur und damit des gesamten Überbaus, also der gesellschaftlichen und kulturellen Lebensverhältnisse der Bevölkerung eines Landes. Dass so etwas 1989 stattgehabt hat, wird wohl jeder intuitiv bestätigen, der zur Bevölkerung dieses Staates gehört hat, ungeachtet jeder politologischen Interpretation.

Bleibt man bei der marxistischen Staatsdoktrin, dann wird man allerdings vielleicht eher der Bezeichnung „Konterrevolution“ zustimmen müssen, denn intuitives Ziel und erreichtes Ergebnis der Volksbewegung war definitiv nicht die Errichtung einer neuen Gesellschaftsordnung, sondern die Wiederherstellung einer vormaligen, näherungsweise vielleicht des Weimarer Systems. Dass es die Übernahme der gesamten gesellschaftlichen Ordnung der Bundesrepublik werden würde, und nicht allein ihres Wohlstands, hatten vielleicht manche von Anfang an im Sinn, waren jedoch später besorgt und hätten gern manches Gewohnte behalten. Anders kann ich mir jedenfalls den Stoßseufzer nicht erklären, den ich nach 1990 oft gehört habe, als es Realität wurde: „Dafür haben wir die Revolution nicht gemacht!“

Mit „Fall der Mauer“ ist das eigentliche Ereignis ebenso unklar beschrieben. Die Mauer fiel ja gar nicht, metaphorisch begriffen, durch Einwirkung des Volkes um (wie in der Bibel bei Josua 6:20: „Da erhob das Volk ein großes Kriegsgeschrei, und man blies die Posaunen. Da fiel die Mauer um…“) – das Verdienst für die Öffnung am 9. November kommt vielmehr Günter Schabowski zu („sofort, unverzüglich…“), sowie dem Grenzpolizisten Harald Jäger („Wir fluten jetzt!“). Das revolutionäre Volk verhielt sich brav und versprach: „Wir kommen zurück!“, ließ sich den Ausweis zur vermeintlichen Dauer-Ausreise stempeln und inspizierte den Westen.

Wir sind das und/oder ein Volk

Ähnlich doppeldeutig stehen die beiden berühmten, damals vor allem in Leipzig gerufenen Losungen „Wir sind das Volk“ und, Wochen danach: „Wir sind ein Volk“. Der erste Slogan lässt sich sehr energisch von einer anonymen Menge skandieren, mit deutlichem Akzent auf dem alle vereinigenden „Wir“, und er suggeriert die Fortsetzung „…und nicht ihr da oben, ihr SED-Bonzen und Blockflöten!“. Beim zweiten Slogan ergibt sich kein solcher taktgerechter Rhythmus, weil die Betonung auf das Wort „ein“, das als Variation des ersten auftrat, sich nicht einstellen will – der zweite Satz rumpelt vielmehr synkopierend dahin. Skandiert man den zweiten Satz so energisch wie den ersten, dann verkrümelt sich das unbetonte „ein“ in die Umgebung von „ein beliebiges“ und lässt unartikuliert zurück, dass bereits damals die tendenzielle Spaltung bestand zwischen denen im „einigen Volk“, die den Beitritt sofort und bedingungslos wollten, und den anderen, die sich ihm gegenüber zögernd oder sogar ablehnend verhielten.

Diese Doppeldeutigkeit wohnte dem umstürzenden Aufbruch von Anfang an inne. Die widersprüchlichen Begriffspaare „Oben-Unten“, „Ost-West“ „Umwälzung-Kurskorrektur“, „liberal-illiberal“ waren in jenen Wochen alle gleichzeitig handlungswirksam vorhanden, aber eine Entscheidung wurde vertagt und bis heute nicht eingelöst. Im Gegenteil: Nachdem die Hängestellung eine Dekade lang beruhigt erschien, brechen nun, im dreißigsten Jahr danach, die Widersprüche als Feldzeichen politischer Gegensätze wieder auf.

Drängten die Fordernden und Handelnden damals mit dem Ruf „Wir sind ein Volk“ auf Öffnung der Mauern, auf Sprengung der Grenzen, nach Freiheit, „ins Offene“, so skandieren sie heute wieder „Wir sind das Volk“ (und diesmal nicht „ein Volk“) und meinen neue Abgrenzung und Ausgrenzung, Wiederherstellung von Kontrolle und Ablehnung jeglicher Veränderung, wie sie die globale Entgrenzung mit sich bringt. Die vehemente öffentliche Zurückweisung von Bewegungen wie AfD und Pegida durch eine Mehrheit der Bevölkerung bedeutet auch, dass man die im eigenen politischen Denken vorhandenen ambivalenten Tendenzen verdrängen möchte.

Gerade die im Osten politisch erwachsen Gewordenen leben heute mit zwiespältigen Tendenzen: Damals war die Mehrheit vehement für die schnelle Wiedervereinigung, heute gilt sie als von der Bonner Elite übergestülpt. Analog unterstützen heute die meisten, dass Flüchtlinge aufgenommen werden, aber meinen gleich darauf, dass der anstehende globale Flüchtlingsstrom eingegrenzt werden müsse, um das prekäre Gleichgewicht zwischen Freiheit und Sicherheit nicht zu gefährden. Fehlende Sicherheit bezieht sich dabei sowohl auf global entstehende Zumutungen wie auf intern aufgebrochene soziale und politische Konflikte.

Neue Krisen, neue Polarisierungen

Vor zehn Jahren, also zum 20. Jubiläum des Herbstes 89, konnte man meinen und habe auch ich gemeint, dass die mehr oder weniger gelungene Revolution zur Vergangenheit gehöre, alle Messen gelesen und ihr Kanon in zahllosen Büchern, Zeitschriftenartikeln und Audio- und Videodokumentationen niedergelegt wäre. Der gewaltlose Volksaufstand habe im Osten die Bürgerfreiheiten und Menschenrechte wiederhergestellt und im Übrigen eine Gesellschaft gebildet, die sich mental und in ihrer Wirtschaftsverfassung dem Vorbild der Bundesrepublik West langsam annähere. Die politische Willensbildung und ihre Realisierung liefe weitgehend über die Parteien, die aus der Zivilgesellschaft Wünsche und Forderungen aufnähmen, diese auf Durchführbarkeit und Mehrheitsfähigkeit prüften und gegebenenfalls über Parlamente und Regierungen realisierten. Offen blieb allerdings die Frage, ob diese Demokratie wirklich stabil wäre, wenn es zu ernsten gesellschaftlichen Krisen käme.

Krisen, von außen hineingetragene wie intern entstandene, haben wir seitdem in der Tat zahlreich erlebt. Und von grundlegenden Lösungen sind wir weit entfernt: Die Träger des politischen Handlungsmandats „fahren auf Sicht“, versuchen unbefriedigende Kompromisse und schieben die prinzipiellen Entscheidungen dilatorisch in die Zukunft.

Wendehals (Jynx torquilla)

Wendehals (Jynx torquilla)

Die politische Stimmung im Wahlvolk tendiert derweil zu je einem von zwei kaum zu vermittelnden Polen: einerseits liberal, menschenrechts- und bürgerfreiheitlich gesinnt, weltoffen, einwanderungsfreundlich, reformgläubig und Europa-affin und andererseits autoritär, nationalbewusst, migrationskritisch, abgrenzungs- und kontrollorientiert. Für die einen hat der Staat als Hauptaufgabe, die Freiheit des Individuums zu gewährleisten, während die anderen die Herstellung von Sicherheit und Ordnung für vorrangig erklären. Hinsichtlich der die Zukunft entscheidenden ökologischen Frage halten die einen radikalen Umbau der die Biosphäre als Ganzes gefährdenden Lebensweise für notwendig, meist ohne sich der einschneidenden Konsequenzen für das eigene Leben bewusst zu werden. Andere bestreiten die Krise oder halten sie für nicht beeinflussbar oder meinen auch, dass wenn eine ausbräche, sie durch technische Erfindungen und Maßnahmen durch „Wachstum“, ohne Verzicht, aufzulösen sei.

Der mentale Graben zwischen den beiden Tendenzen prägt sich im Gebiet der vormaligen DDR am deutlichsten aus. So deutlich, dass es schwierig wird, handlungsfähige Landesregierungen und teilweise auch kommunale politische Verwaltungen zu bilden.

Quelle         :         Blätter            >>>>>          weiterlesen

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Oben         —        Transparent gegen Wendehälse bei einer Montagsdemonstration

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Neues aus der Schweiz

Erstellt von DL-Redaktion am 6. November 2019

Fragwürdige Nobelpreise für Wirtschaftswissenschaftler

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Quelle        :    INFOsperber CH.

Von     Marc Chesney

Nicht etwa die Königliche Schwedische Akademie verleiht diese Wirtschafts-«Nobelpreise», sondern die Schwedische Reichsbank. Wofür?

Red. Der Autor ist Finanzprofessor an der Universität Zürich. In einem ersten Beitrag forderte er eine Reform der Inhalte von Lehre und Forschung. In diesem Beitrag hinterfragt er die Kriterien, nach denen die Nobelpreise in den Wirtschaftswissenschaften vergeben werden.

Der «Wirtschaftsnobelpreis» ist eine journalistische Erfindung. Es handelt sich dabei um den «Preis der Schwedischen Reichsbank in Wirtschaftswissenschaft zur Erinnerung an Alfred Nobel». Er wurde 1968 anlässlich des dreihundertjährigen Bestehens der Reichsbank geschaffen und wird auch von ihr finanziert. Diese Präzisierung ist wichtig.1 Die Mathematiker, für die es keinen Nobelpreis gibt, haben mit der Fields-Medaille etwas Gleichwertiges eingeführt, ohne sich auf Alfred Nobel zu beziehen. Diesen Weg hätten auch die Ökonomen beschreiten sollen.

In einem Gebiet wie der Medizin lässt sich leicht verstehen, dass die Themen der Preisträger uns alle betreffen. Von 2015 bis 2018 ging es zum Beispiel um die Behandlung zahlreicher Krankheiten – insbesondere Krebs, Malaria sowie diejenigen die von Parasiten herrühren – und um die Gesundheit der Menschheit allgemein.2

Was die «Nobelpreise» für Wirtschaft anbelangt3, sind die Entscheidungen der Jurymitglieder für das Jahr 2018 gesellschaftlich relevant, weil sie unter anderem mit der Klimaerwärmung zusammenhängen. Doch William D. Nordhaus, einer der in diesem Bereich forschenden Preisträger, behandelt das Thema in seinen Arbeiten aus einer rein technisch-ökonomischen Optik, ohne zum Beispiel die mit dem Geoengineering verbundenen ethischen Fragen anzugehen.

2013 wurden Forschungsarbeiten zur Bewertung von Finanztiteln ausgezeichnet. Nach der Finanzkrise von 2008 war dieses Thema aktuell und ist es bis heute geblieben. Die Preise von Finanztiteln schwanken weiterhin stark, und die Finanzmärkte sind nach wie vor sehr instabil. Demnach haben diese Arbeiten offenkundig keine Früchte getragen. Einer der drei Ausgezeichneten, Eugene Fama, ist bekannt für seine Theorie der Markteffizienz, wonach die Finanzmärkte nicht falsch liegen können. Er soll nachgewiesen haben, dass kurzfristige Vorhersagen von Aktienkursen äusserst schwierig seien. Grossartig!

Robert J. Shiller wiederum soll gezeigt haben, dass es leichter sei, Aktienkurse langfristig vorherzusagen als kurzfristig. Das tönt zwar beruhigend. Nur: Wenn kurzfristige Vorhersagen äusserst gewagt sind, wieviel unsicherer müssen dann erst langfristige sein. Bezeichnenderweise definiert niemand genau, was «langfristig» heisst. Deshalb ist ein Nutzen von Shillers Erkenntnis schwer ersichtlich.

Die Arbeiten der beiden Preisträger widersprechen sich eher, als dass sie sich ergänzen. Ersterer geht von der Hypothese aus, die Wirtschaftssubjekte seien rational, während der andere ihre Irrationalität ins Feld führt. In einer Zeit, in der die Finanzmärkte am Tropf der Zentralbanken hängen und die Kurse finanzieller Vermögenswerte regelmässig manipuliert werden, ist es paradox, dass die Verfasser von Arbeiten zur begrenzten Vorhersagbarkeit von Aktienkursen dermassen gefeiert werden und ihre Studien so viel Aufmerksamkeit erhalten.

«Den grössten Nutzen für die Menschheit»?

In seinem Testament erklärt Alfred Nobel, sein Ziel sei es, denen einen Preis zu verleihen, «die im vergangenen Jahr der Menschheit den grössten Nutzen erbracht haben». Genau dieses Ziel sollten die Jurymitglieder bei der Wahl der Preisträger vor Augen haben. Womit haben die 1997 Auserkorenen, Robert C. Merton und Myron Scholes, beide Spezialisten für Derivate, der Menschheit den grössten Nutzen erbracht? Indem sie sich für den Hedgefonds LTCM4 einsetzten, der 2000 in Konkurs ging?

Zu erwähnen ist auch der 1995 ausgezeichnete Robert E. Lucas Jr.. Laut seiner Theorie verhalten sich Wirtschaftssubjekte bei der Erwartungsbildung rational und täuschen sich im Durchschnitt gesehen nicht. Diese Hypothese steht in krassem Widerspruch zur Realität.

Etwas früher in der kurzen Geschichte dieses Preises begegnen wir Franco Modigliani und Merton Miller. 1985 wurden sie für ihr «Theorem» zur Unternehmensfinanzierung ausgezeichnet, wonach der Wert eines Unternehmens nicht vom Verhältnis seiner Eigenmittel und Schulden abhänge. Dieses theoretische Ergebnis diente zur Rechtfertigung einer massiven Verschuldung, welche die Finanzinstitute als starken Hebel zur Steigerung ihrer Eigenkapitalrendite nutzten. Auch heute noch ist dies eine der Ursachen der tiefgreifenden Instabilität des Finanzsystems.

Gérard Debreu, der Preisträger von 1983, hat die «allgemeine Gleichgewichtstheorie gründlich umformuliert», wo doch viel eher die erheblichen finanziellen und ökonomischen Ungleichgewichte untersucht werden sollten.

Larry Summer als zweifelhafte Koryphäe der Wirtschaftswissenschaft

Schliesslich ist auch noch Larry Summers zu nennen, der – obwohl er diesen Preis nicht erhalten hat – als Koryphäe der Wirtschaftswissenschaft gilt. 1998 stellte er sich als stellvertretender Finanzminister in der Clinton-Administration gegen Projekte zur Regulierung der OTC-Derivate, welche Brooksley Born, die Präsidentin der Commodity Futures Trading Commission, vorantrieb. Zur grossen Freude der Finanzwelt setzte er sich durch. Dieses finanzielle Laisser-faire war eine der Hauptursachen der Krise von 2007/2008.

Am 12. Dezember 1991, als Summers noch Chefökonom der Weltbank war, verfasste er zudem ein internes Memo, in dem er erklärte: «Die unterbevölkerten Länder in Afrika sind deutlich unterverschmutzt. Ihre Luftqualität ist unverhältnismässig ’gut’ im Vergleich zu Los Angeles und Mexiko […]. Umweltbelastende Industriebetriebe sollten vermehrt in die am wenigsten entwickelten Länder verlagert werden […] Die wirtschaftliche Logik, wonach grosse Mengen von Giftmüll dort abgelagert werden sollten, wo die Löhne am niedrigsten sind, ist meines Erachtens unwiderlegbar.» Weiter hielt er fest: «Es gibt Kinder, die in Textilfabriken in Asien arbeiten und ohne diese Arbeitsplätze Prostituierte wären.»

Kommentare erübrigen sich.

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Dieser Beitrag ist ein Auszug aus einem Artikel, der im Bulletin 3/2019 der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften erschienen ist.

  • Eine leicht kürzere Fassung auf französisch finden Sie hier.

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Zum Infosperber-DOSSIER

«Die Euro- und Währungskrise»

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FUSSNOTEN

1 Im Dezember 2004 erklärte Peter Nobel, ein Nachkomme von Alfred, in einem Interview: «Nirgendwo in der Korrespondenz von Alfred Nobel findet sich auch nur der geringste Hinweis auf einen Preis für Wirtschaft.»
2 Siehe die offizielle Website «The Nobel Prize in Physiology or Medicine»: 2018: James P. Allison and Tasuku Honjo «for their discovery of cancer therapy by inhibition of negative immune regulation»; 2017: Jeffrey C. Hall, Michael Rosbash and Michael W. Young «for their discoveries of molecular mechanisms controlling the circadian rhythm»; 2016: Yoshinori Ohsumi «for his discoveries of mechanisms for autophagy»; 2015: William C. Campbell and Satoshi Ōmura «for their discoveries concerning a novel therapy against infecti