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Archiv für die 'Rentenpolitik' Kategorie

Kolumne – In Rente

Erstellt von DL-Redaktion am 27. Juli 2023

Wenn Arbeit nie endet

VON BARBARA DRIBBUSCH

Die einen sind gesund und jobben aus Spaß. Anderen müssen trotz schlechter Gesundheit arbeiten, weil die Rente nicht reicht. Ein unfaires System.

Es ist nicht mehr so wie früher, als man abgemeiert war mit kurz vor 70. Neuerdings werden wir Alten wiederentdeckt, angebettelt, angefleht. Gabriele zum Beispiel, 68, Ex-Lehrerin an einer Sekundarschule, hat den Bittbrief neulich im Briefkasten gefunden. Die Behörde fragte an: Ob sie nicht, bitte, bitte, wenigstens ein paar Stunden wieder zurückkommen wolle in den Unterricht? Freie Wahl der Schule! Es herrsche akuter Lehrkräftemangel.

„Bloß nicht“, sagt Gabriele, „nichts Pädagogisches mehr! Da grille ich lieber Sandwiches.“ Im Bistro einer Bekannten hilft Gabriele in der Woche ein paar Stunden aus, kennt sich jetzt aus mit laktosefreien Milchsorten und neuerdings auch ein bisschen mit Kneipenbuchhaltung.

Stefan, pensionierter Englischlehrer, 70, gibt wieder Unterricht. An einem Gymnasium, sechs Schulstunden in der Woche. Das ist ein Tausender im Monat obendrauf auf seine Beamtenpension. „Super“, schwärmt Stefan, „seitdem ich arbeite, habe ich das Gefühl, mein Kurzzeitgedächtnis hat sich wieder verbessert“.

Arbeiten wollen, können oder müssen

So gut läuft es nicht für jeden. Das Leben ist nicht fair und im Alter wird es noch ein bisschen unfairer. Abgesehen von den Faktoren Erbschaft, Vermögen und Co hängt das finanzielle Glück oder Unglück an den Komponenten Rente, Nebenjob und Gesundheit. Arbeiten wollen, können oder müssen? Das ist die Frage.

Super ist die Kombi aus guter Rente oder Pension plus freiwilligem anregendem Zusatzjob plus stabiler Gesundheit: Hauptgewinn. Wer dann Mitte oder Ende 70 mit dem Arbeiten ganz aufhört, steht immer noch finanziell gut da, weil die Altersversorgung ausreicht. Weniger toll ist das „Modell Zeitbombe“: Kleine Rente plus nicht mehr freiwilliger Teilzeitjob plus angeknackste Gesundheit. Was passiert, wenn es nicht mehr geht mit dem Jobben jenseits der 75?

Werner zum Beispiel, 69, Diabetes, kaputte Bandscheiben, studiert, früher mal Semiprofi­musiker und gescheiterter Kneipier, hat nur 200 Euro an gesetzlicher Rente und seine kleine Mietwohnung in Berlin-Moabit. Er arbeitet über eine Zeitarbeitsfirma im Wachdienst in Kultureinrichtungen, Teilzeit. Wir sprachen darüber, ob man besser auf Sohlen aus „Memory Foam“ oder „Masai-Barfuß-Technologie“ vier Stunden lang auf Steinböden durchhalten kann.

Quelle        :        TAZ-online            >>>>>         weiterlesen

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Oben      —       Mann an der Führleine

Wikipedia – Author Leemclaughlin
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Das sind im übrigen Schauspieler welche sich dort präsentieren.

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Macrons – Rentenpolitik

Erstellt von DL-Redaktion am 4. April 2023

Der Staat und die Reproduktion des globalen Kapitals

File:Manifestation contre la réforme des retraites, Paris, le 28 mars 2023 — 44.jpg

Quelle     :     Untergrundblättle – CH

Von   :   Morteza Samanpour

Das Beispiel der Neuregelung des Rentenalters in Frankreich. Die Weigerung der französischen Regierung, der Forderung und dem öffentlichen Willen in der Rentenfrage nachzukommen, die derzeit durch eine Art „Ausnahmezustand“ gelöst wird, ist nicht nur spezifisch für Macron und die neoliberalen Kräfte der französischen Gesellschaft.

Sie zeigt auch grössere Veränderungen in den Funktionen von Regierung und Politik sowie eine Veränderung im Verhältnis der Regierung zum Kapital an.In Frankreich sind in den vergangenen Wochen Millionen Menschen in mehr als 250 Städten auf die Strasse gegangen, um Nein zu den neoliberalen Rentenreformen der Macron-Regierung zu sagen. Zusätzlich zu den Strassenprotesten haben öffentliche Streiks weite Teile der französischen Gesellschaft einbezogen: Lehrer:innen, Krankenschwestern, Hafen- und Flughafenarbeiter;innen und Energiearbeiter:innen, Schüler:innen und Studierende, Beschäftigte im städtischen Nahverkehr usw. verweigerten an vielen Stellen die Arbeit.Durch die Weigerung der Arbeiter:innen der Stadtreinigung, den Müll zu sammeln, türmen sich in Paris bereits 7.000 Tonnen Müll auf dem Strassenboden, dessen Gestank die Tiefe der öffentlichen Unzufriedenheit widerspiegelt und vom Verfall der virtuellen Demokratie erzählt. Dies ist nicht das erste Mal, dass die Nicht-Privilegierten, Gewerkschaften und unabhängige Organisationen der Linken in Frankreich gegen Rentenreformen kämpfen. Im Dezember 2019, kurz vor Beginn der Corona-Pandemie, kam es aus Protest gegen die neoliberale Rentenpolitik zum grössten Streik in der Geschichte Frankreichs seit Mai 1968, Die Pariser U-Bahnen stellten den Betrieb für mindestens einen Monat ein. Aber welches Ergebnis hatten die jahrelangen Kämpfe und Proteste gegen die Änderung der Rentengesetze?Unter völliger Missachtung der lauten Stimmen der Demonstranten und gegen das Gesetz und den Willen des Parlaments billigte die Regierung Macron am 16. März 2023 die „Rentenreform“ per Dekret unter Berufung auf den Verfassungsartikel 49.3. Schon einmal hatte Macron diesen juristischen Trick angewandt und die Wut gegen die neoliberale Änderung des Arbeitsrechts einfach übergangen. Damit hat Macron die Gesellschaft einmal mehr ausgetrickst und verhöhnt!

Was bedeutet eine solche Missachtung der Regierung gegenüber Arbeiter:innen, Gewerkschaften, Demonstrant:innen und zumindest den Oppositionsfraktionen im Parlament? Was sagt diese Form des neoliberalen Autoritarismus über die Rolle und die Stellung des Staates im zeitgenössischen Kapitalismus aus? Welche politischen Lehren kann man daraus für die Organisierung ziehen?

Dieser Text versucht zu zeigen, dass die Weigerung der französischen Regierung, die Forderung und den öffentlichen Willen in Bezug auf die Rentenfrage zu akzeptieren, die derzeit durch eine Art „Ausnahmezustand“ gelöst wird, nicht nur spezifisch für Macron und die neoliberalen Kräfte der französischen Gesellschaft ist: sie weist auch allgemein auf grössere Veränderungen in der Funktion von Regierung und Politik und eine Veränderung im Verhältnis zwischen Staat und Kapital hin. Diese Veränderungen können auch etwas zum Verständnis der kapitalistischen Verhältnisse im globalen Süden beitragen.

Von der Wohlfahrts- und Entwicklungsregierung bis zur Integration in das globale Kapital

Sehen wir uns zuerst kurz und knapp die schädlichen Auswirkungen von Macrons Rentenreformgesetzen an. Das Rentenalter wird von 62 auf 64 Jahre angehoben, und damit werden die Subalternen bis in ihre letzten Lebensjahre als Lohnsklaven:innen gehalten, die bis zu ihrem Tod ihre Arbeitskraft auf dem hart umkämpften Markt verkaufen müssen.

Aus einer Sicht existenzieller sozialer Rechte bedeutet dies, dass die herrschende Klasse Zeit, Leben und Arbeitskraft der Lohnempfänger:innen nutzt, um die Verwertung des investierten Kapitals so weit wie möglich zu steigern und sich gesellschaftliche Erträge privat anzueignen 1. Nicht umsonst haben die existenzielle Sorgen um Themen wie Leben und Tod mit der Reduzierung menschlicher Lebensmöglichkeiten im Rahmen kapitalistischer Kostenüberlegungen dramatisch zugenommen. Abgesehen von diesen „philosophischen“ Fragen wird der Mutterschaftsurlaub nach den neuen Gesetzen nicht als Teil der Arbeitsjahre gezählt, und wie bei allen Angriffe des Kapitals auf die gesellschaftliche Reproduktion sind es die Frauen, die den höchsten Preis zahlen.

Kurz gesagt, das Ergebnis solcher Reformen ist nichts anderes, als die gesellschaftliche Reproduktion noch schwieriger zu machen; während im Bereich existenzieller Bedürfnisse seit Jahren eine umfassende Krise vorangetrieben wird, die im Kern ein privatkapitalistischer Verwertungsangriff (Kommodifizierung) auf Wohnen, Bildung und Gesundheit ist, mussten sich Millionen Menschen zur Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse bereits verschulden und daher in Not geraten sind.

Aber die zentrale Frage ist: Wie kann der französische Präsident dieses Gesetz in einer sogenannten „demokratischen“ Gesellschaft trotz weit verbreiteter und vielfältiger Proteste durchbringen? Vielleicht ist es hier hilfreich, auf die charakteristische historische Natur und Funktion des Staates im zeitgenössischen Kapitalismus zu achten; Eine Frage, die über die besonderen Merkmale der französischen Gesellschaft hinausgeht. Seit Jahrzehnten sind die Nationalstaaten auf der ganzen Welt zu Ausführenden des transnationalen Kapitals, insbesondere des Finanzkapitals, geworden, und ihre Funktion als Institutionen, die für die Reproduktion des Kapitals verantwortlich sind, hat gravierende Veränderungen erfahren. Ein – wenn auch knapper – Vergleich mit der historischen Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg macht die Sache etwas klarer.

Der Wohlfahrtsstaat in Westeuropa und Nordamerika war neben der Bereitstellung öffentlicher sozialer Dienstleistungen für die Bürger auch für die Repräsentation des nationalen Industriekapitals verantwortlich, d.h. für die Bereitstellung der wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Bedingungen für die umfassende Reproduktion des Produktivkapitals. Auf globaler Ebene reifte das, was Marx im Kapital das soziale Gesamtkapital nannte, aus der Einheit der nationalen Kapitalien – Kapitalien, die in geopolitischer und wirtschaftlicher Konkurrenz mit anderen nationalen Staaten und Kapitalien neben eigener nationalen Staaten standen2.

Der Aufstieg des transnationalen Kapitals mit der Herrschaft des Finanzkapitals als dominierender Fraktion des Kapitalismus verändert auch die Rolle und Funktion des Staates: anstatt die Interessen des national-industriellen Kapitals zu vertreten, übernimmt der Staat die Rolle der Integration in das transnationale Kapital, insbesondere das Finanzkapital. Die politischen Folgen einer solchen wesentlichen Veränderung für den nationalen Staat, der den Raum für die Reproduktion des transnationalen Kapitals bietet, sind enorm und zielen letztendlich auf die Zerstörung der demokratischen Kräfte der Gesellschaft.

In Frankreich zum Beispiel gab es keinen Mangel an sozialen Bewegungen, die sich im letzten Jahrzehnt gegen neoliberale Gesetze und Deregulierungen formierten und sich in kontinuierlichen und umfangreichen Kämpfen engagierten: von? Nuit debout? bis zu Gelbwesten, von Kämpfen gegen Arbeitsgesetze und gegen die Rentenreformen. Und das Ergebnis? Unterdrückung der Bewegung mit umfassender Polizeibrutalität (Blinden, Verhaften und Einsperren usw.) und schliesslich die Erschöpfung der wütenden Menschen über einen langen Zeitraum.

Auf der anderen Seite der Welt, in der damals sogenannten „Dritten Welt“, war der zentrale Begriff für den postkolonialen Staat die „Entwicklung“: das Wachstum der industriellen Produktivkräfte und die wirtschaftspolitische Unabhängigkeit von Ost und West3. Der aus der Biologie stammende Begriff der Entwicklung, der bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht und sich auch in Hegels eurozentristischer Geschichtsphilosophie manifestiert, war einer der Zeitbegriffe (Temporalität), die in der Geschichte des Kolonialismus eine besondere Rolle spielten. Durch den Begriff der Entwicklung wurde der Kolonialismus historisch gerechtfertigt: Die kolonialisierten Gesellschaften wurden als Gesellschaften dargestellt, die nicht in der Lage seien, „zivilisatorisch fortschrittliche“ Potenziale zu entwickeln (oder zu verwirklichen).

Diese Gesellschaften mussten daher von aussen und durch die Gewalt der Kolonisatoren missioniert und erneuert werden. In der postkolonialen Ära nach dem Zweiten Weltkrieg und mit der Veränderung der Bedeutung von Entwicklung durch die Vereinigten Staaten – der sogenannten „Truman-Doktrin“ – wurde der Begriff der Entwicklung von seinen kolonialen Konnotationen gelöst und von den Staaten der sogenannten Dritten Welt selbst akzeptiert: Also war Entwicklung nun ein nationales Projekt für Wirtschaftswachstum, Wohlstand und Besiedlung sowie kulturellen und politischen Fortschritt, insbesondere bei der Verleihung von Bürgerrechten.

Als Khomeini 1979 – direkt nach seiner Rückkehr in den Iran – über kostenloses Wasser, Strom und Gas für die „armen Klassen“ sprach, und als er sagte: „wir werden Euch auf den Stand der Menschheit bringen“, wurden seine Worte im Kontext der historischen Ära der „Entwicklung“ verstanden; Eine Ära, die jedoch kurz vor der Revolution 1979 zu Ende gegangen war oder abgebaut wurde. Entwicklung als postkolonialer Traum und politisch-ökonomisch-kulturelles Projekt sollte mit seiner Verwirklichung durch den nationalen Staat in nicht allzu ferner Zukunft die Wunden des Kolonialismus in der historischen Vergangenheit heilen. Die „Dritte Welt“ sollte den Punkt erreichen, an dem der Westen historisch stand, durch den Tunnel der Zeit und basierend auf dem linearen und forschungsorientierten Geschichtsbild, das seine Wurzeln im Zeitalter der Aufklärung hatte.

Diese Träume, für die auch die anti-kolonialen Bewegungen weltweit gekämpft hatten, wurden aber nicht nur durch die Hände des Westens und des Imperialismus, sondern ab den 1970er Jahren von postkolonialen Regierungen im Einvernehmen mit den supranationalen Finanzagenturen IWF, Weltbank und privaten Investoren zerstört: also durch die gewaltsame und möglichst vollständige Integration der nationalen Ökonomie in den fremdbestimmten Weltmarkt. Die Mission des „Entwicklungslandes“ änderte sich von der „Entwicklung“ zur Integration in einen global-hierarchischen Kapitalismus. Soziale und politische Rechte, Wohlstand, Wirtschaftswachstum und Sicherung der Grundbedürfnisse sind zu ideologischen und leeren Wörtern geworden. Nicht nur wurden die Wunden des Kolonialismus nicht geheilt, sondern auch das Erbe des Kolonialismus wurde von den postkolonialen „nationalen“ Staaten genutzt, um sich in das globale Kapital zu integrieren.

Vom Mythos zur Realität der liberalen Demokratie

Die Geschichte des zeitgenössischen Kapitalismus, der die globalen Machthierarchien vertieft und die globalen Ungleichheiten in beispielloser Weise verschärft hat, hat gezeigt, dass die sogenannten „sich entwickelnde“ Gesellschaften sich keinem selbst entwickelten Ziel nähern, sondern ihre Gesellschaften ausgeliefert sind. Westeuropa und Nordamerika haben kein historisches Modell und keinen Massstab für historische Zeit (Zeitlichkeit), die andere Gesellschaften nachvollziehen könnten. Die Verneinung einer homogenen, linearen und segmentierten historischen Zeit, die in der Aufklärungsbewegung und der Philosophie Hegels wurzelt, ist nicht nur ein Produkt postkolonialer Studien, sondern wurzelt in der objektiven Realität aus der Bewegung des globalen sozialen Widerspruchs im Kapitalismus.

Datei:Manifestation contre la réforme des retraites, Paris, le 28 mars 2023 — 37.jpg

Waren es früher Faschismus und Krieg, die in den Werken von Bloch, Benjamin und Adorno die europäische Philosophie der linearen Zeit in Frage gestellt haben, so ist es nun das Erbe des Kolonialismus und der globalen Ungleichheiten, die die Zeitphilosophie zwangen, die Pluralität historischer Zeiten zu akzeptieren. Im Gegensatz zum kulturellen Pluralismus der Postkolonialisten:innen wird diese Pluralität historischer Zeiten aktiv vom Kapital bzw. dem prozessierenden sozialen Antagonismus geschaffen. Die historischen Entwicklungen der heutigen Welt haben auch gezeigt, dass der Kapitalismus keinen logischen Zusammenhang mit der Demokratie hat, auch nicht in Form einer formalen Demokratie, d. h. Gleichheit vor dem Gesetz und Bürgerrechten.Weder die religiöse autoritäre Diktatur (mit der Brutalität der Revolutionsgarden) in der Islamischen Republik sind getrennt vom kapitalistischen Körper, noch der Autoritarismus der Macron-Regierung mit seinen Verstössen gegen die Demokratie in Frankreich. Die Berichterstattung über die Gelbwesten in Radio und Fernsehen der Islamischen Republik Iran als Beweis für die Tiefe der Krise und die Repression der Demonstranten:innen im Westen ist ebenso absurd und lächerlich wie die liberale Erzählung des französischen Fernsehen vom revolutionären Jina-Aufstand im Iran als eine Bewegung, die einen Rechtsstaat wie in Frankreich anstrebt. Wenn es im Kapitalismus Rechte gibt, sind sie das Produkt von Geschichte und Klassenkampf im weitesten Sinne. Ja, es stimmt, dass der Kapitalismus Lohnarbeit auf der allgemeinen Ebene voraussetzt, aber er endet nicht notwendigerweise mit „freier“ Lohnarbeit4.

Fazit

So wie die Ära der Entwicklung im globalen Süden seit Jahrzehnten vorbei ist, so ist auch im globalen Norden die Zeit nationaler Wohlfahrtsstaaten längst vorbei. Das Kapital erreicht seine Einheit nicht mehr auf nationaler Ebene. Neben der Neugruppierungen des Kapitals schafft der Staat vor allem die Bedingungen für die Reproduktion des transnationalen Kapitals durch Deregulierung und Neoliberalisierung der Wirtschaft. Das Finanzkapital spielt dabei die entscheidende Rolle für die Herstellung eines Massstabs der globalen Profitraten.

Die Globalisierung des Kapitals bedeutet daher gerade keinen Verlust der Macht des Staates gegenüber scheinbar transnationalen feindlichen Kräften, sondern er erlangt eine doppelte neue Bedeutung: der Staat hat nun entscheidende Aufgaben bei der Integration des nationalen Raums und wie auch der nationalen Zeit in den globalen Kapitalraum. Das sind zwangsläufige Folgen der Entnationalisierung des Territoriums und der gesellschaftlichen Zeiten, die traditionell davon abhängen. Mit einem Wort, die Mission des nationalen Staates in der historischen Gegenwart ist nichts anderes als die Denationalisierung der Wirtschaft als Voraussetzung für den Eintritt in den globalen Markt und die Reproduktion des globalen Kapitals.

Deswegen wird der Wille des „Bürgers/ der Bürgerin“ immer mehr beiseite geschoben, und die Exekutive des Staates geniesst eine doppelte Macht im Vergleich zu Legislative und Kontrollinstitutionen. Im globalisierten Zeitalter verschwindet der Staat nicht, sondern seine Funktion und sein Wesen, insbesondere seine herausgehobenen Institutionen wie die Regierung, werden neu definiert. Mit Frankreichs Verfassungsartikel 49.3 kann die Regierung der Legislative die Macht auf trickreiche Weise entziehen und Gesetze willkürlich durchbringen. Er besagt, dass ein von der Regierung unter Berufung auf ihn eingebrachtes Gesetz als angenommen gilt – es sei denn, ein innerhalb von 24 Stunden eingereichter Misstrauensantrag gegen die Regierung erhält eine Mehrheit.

Er darf nur drei Mal pro Sitzungsperiode angewandt werden. Allerdings gibt es eine Ausnahme: wenn sich das geplante Gesetz auf das Staatsbudget bezieht – und das ist auch bei der Rentenreform der Fall. Die formale liberale Demokratie ist unter solchen Bedingungen tot, weil die Menschen nicht in der Lage sind, durch Wahlen und parlamentarische Vertretung politisch an ihrem kollektiven Schicksal teilzunehmen. Der Autoritarismus der französischen Regierung ist nicht nur Macron eigen, sondern dem Staat im zeitgenössischen Kapitalismus eigen.

Organisation und Politik von unten stehen in einer solchen Situation vor grossen Herausforderungen. Die objektive Situation diktiert die populäre Politik, sich so weit wie möglich von der parlamentarischen Demokratie und der rechtlichen Intervention zu distanzieren und stattdessen dem Staat und der herrschenden Klasse gesellschaftspolitisch entgegenzutreten. Dies ist ein Thema, das in Zukunft einer gesonderten Diskussion bedarf.

Morteza Samanpour

Fussnoten:

1 Nach Macrons neoliberalen Gesetzen wird die Zahl der Versicherungsprämienjahre von 41 auf 43 steigen. Das bedeutet, dass eine Person im Alter von 64 Jahren nur dann Anspruch auf eine volle Altersrente hat, wenn sie 43 Jahre gearbeitet hat.

2 Siehe den letzten Teil des zweiten Bandes von Marx‘ Kapital.

3 Sandro Mezzadra and Robert Neilson, The Politics of Operation: Excavating Contemporary Capitalism (Durham and London: Duke University Press, 2019)

4 In Frankreich mussten Frauen bis 1965 eine offizielle und gesetzliche Erlaubnis ihrer Ehemänner einholen, um arbeiten zu dürfen. Als Marx das Kapital (1867) veröffentlichte, waren die Disziplinar- und Strafvorschriften für die Beendigung des Arbeitsvertrags umfangreich, in dem Sinne, dass Einzelpersonen einen Vertrag frei schliessen, aber nicht davon zurücktreten konnten. Dies sind nur historische Beispiele, um den Mythos des Kapitalismus als Gleichheit vor dem Gesetz zu negieren, was einer gesonderten Diskussion bedarf, um im Detail analysiert zu werden.

Erstveröffentlichung auf Farsi

Author Jules*         /       Source    :    Own wirk        /        Date     :    28 March 2023, 16:55:36

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Unten         —      Dans le cortège parisien de la manifestation du 28 mars 2023 contre la réforme des retraites.

Verfasser Jules*         /     Source    :      Own work      /       Date    :      28. März 2023, 16:27:28

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KOLUMNE * IN RENTE

Erstellt von DL-Redaktion am 4. April 2023

Von armen und reichen Freundinnen

File:Armut Bettler Obdachlos (12269249596).jpg

Eine Kolumne von Barbara Dribbusch

Manche Freundinnen unserer Kolumnistin sind chronisch krank und kriegen kaum Rente, andere haben geerbt. Wie geht man gut damit um?

Die kleine Geburtstagseinladung bei Vera hatte mir die Augen geöffnet: Wir müssen über Geld reden, erst recht im Alter. Ich hatte für Vera zum 70.Geburtstag ein, wie ich dachte, originelles Geschenk mitgebracht. Ein superleichter, faltbarer, teurer High-Tech-Camping-Stuhl war es. In Veras Mietshaus gibt es einen begrünten Hinterhof, sie hatte sich immer beklagt, dass dort keine Sitzgelegenheit existiere. Voilà! Dachte ich. Zu Veras Einladung in ihrer Einzimmerwohnung kam auch Gitta.

Gitta überreichte Vera einen Umschlag mit Geschenkband drumherum: „Ich dachte mir, das kannst du besser gebrauchen als irgendwelchen Schnickschnack“, sagte Gitta. Vera nahm den Umschlag mit einem verlegenen, aber auch erfreuten Lächeln an und bedankte sich. Kurz darauf sah ich, wie sie in der Küche den Umschlag öffnete und hineinlinste. Drinnen lagen ein 50-Euro- und ein 20-Euro-Schein, wie ich später erfuhr.

Mir dämmerte, dass Gitta das passendere Geschenk mitgebracht hatte. Wie konnte ich nur auf den doofen überteuerten Outdoor-Stuhl kommen? Vera ist schwer rheumakrank und lebt von einer kleinen Rente plus Grundsicherung, also auf Hartz-IV-Niveau. Sie hatte mir mal erzählt, wie schwierig es für sie sei, den Tierarzt für die Katze zu bezahlen, die ihr Ein und Alles ist. Ich hätte besser Geld schenken sollen, ganz einfach. Mit Freundin Hille sprach ich später über das Problem. Hille hat eine gute Rente, ist Erbin und schon lange mit Gisela, chronisch krank, Grundsicherungsempfängerin, befreundet.

„Da schämt man sich“

WerHatDerGibt demonstration Berlin 2020-09-19 61.jpg

Oft halten solche Freundschaften ja nicht, aber Hille hatte Gisi vor 40 Jahren in einer Psychiatrie-Ambulanz kennengelernt, die beiden sind inzwischen schon viele Kilometer zusammen durch Brandenburg gewandert und Hille hängt an Gisi, das weiß ich. Früher war das finanzielle Gefälle zwischen den beiden wohl auch nicht so gigantisch gewesen wie jetzt. „Ich kann’s dir jetzt sagen“, erzählte Hille, „ich hab einen Dauerauftrag eingerichtet für Gisi. 90 Euro in der Mitten jeden Monats, mit dem Erbe kann ich das auf Dauer durchhalten.“ Sie hatte zuvor Gisi immer mal wieder zwischendurch Geld geliehen, „aber frag mal eine Grundsicherungsempfängerin, wann sie dir das Geld zurückgeben kann. Bescheuert. Da schämt man sich“, schilderte Hille.

Quelle :          TAZ-online           >>>>>>         weiterlesen

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Description Armut Bettler Obdachlos
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2.) von Oben     —       Demonstration unter dem Motto „Wer hat der gibt!“ für die Umverteilung von Reichtum am 19. September 2020 in Berlin.

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Verstaubte Schulen ?

Erstellt von DL-Redaktion am 14. Februar 2023

Auf dem Rücken der Lehrer

Ein Debattenbeitrag von Philipp Dehne und Claudius Baumann

Mit den kürzlich vorgeschlagenen Maßnahmen werden die Bundesländer das Problem des Lehrkräftemangels nicht lösen. Weder jetzt noch in zehn Jahren.

Mit Spannung waren sie erwartet worden, die „Empfehlungen zum Umgang mit dem akuten Lehrkräftemangel“ der Ständigen Wissenschaftliche Kommission (SWK). Doch für Lehrkräfte, die immer häufiger über der Belastungsgrenze arbeiten und täglich die Folgen des Lehrkräftemangels erleben, sind die vorgeschlagenen Maßnahmen ein Schlag ins Gesicht. Die zentralen Empfehlungen der SWK – Einschränkung von Teilzeitarbeit, Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung und Möglichkeiten für längeres Arbeiten im Alter – lassen sich in einem Satz zusammenfassen: Leh­re­r*in­nen sollen halt mehr arbeiten. Und dann ’nen Yoga- oder Achtsamkeitskurs als Ausgleich machen, falls es durch die Mehrarbeit zu stressig wird. Nichts gegen Maßnahmen zur Gesundheitsförderung. Aber hier werden sie zur Rechtfertigung von individueller Mehrarbeit in Zeiten des strukturellen Problems Lehrkräftemangel missbraucht. Neoliberalismus at its best.

Die Vorschläge der SWK sind vor allem auch deshalb eine Enttäuschung, weil sie die zentralen politischen Versäumnisse der letzten 20 Jahre außen vor lassen. So werden die jetzt politisch Handelnden in die Verantwortungslosigkeit entlassen.

Dass der Lehrkräftemangel durch eine politische Fehlsteuerung hervorgerufen wurde und in fast allen Bundesländern Jahr für Jahr zu wenig Lehrkräfte ausgebildet sowie tausende Be­wer­be­r*in­nen für ein Lehramtsstudium abgelehnt wurden, weil der NC zu hoch war und es in vielen Fächern zu wenige Studienplätze gab und gibt, erwähnt die SWK nicht. Doch wer das Problem und seine Ursachen nicht anerkennt, wird keine brauchbaren Lösungsvorschläge machen können.

Dazu passend wird gerade in der öffentlichen Debatte immer wieder das Mantra des „demografischen Problems“ als Ursache für den Lehrkräftemangel wiederholt. Dabei ist der Lehrkräftemangel vor allem das Ergebnis politischen Versagens, das jetzt von der demografischen Entwicklung verstärkt wird.

Ohne eine echte Ausbildungsoffensive wird sich der Lehrkräftemangel nicht in den Griff bekommen lassen. Leider wird eine solche Ausbildungsoffensive in den Empfehlungen der SWK nicht einmal erwähnt.

Wie eklatant die Situation ist, zeigt sich beispielsweise in Berlin. Dort müssten die Schulen in den nächsten Jahren jährlich rund 3.000 Lehrkräfte einstellen, aber nicht mal 1.000 Lehr­amts­ab­sol­ven­t*in­nen verlassen jährlich die Berliner Unis. Dennoch wurden im letzten Wintersemester knapp 3.000 Bewerbungen auf einen Lehramtsstudienplatz abgelehnt, darunter viele in Mangelfächern. Jetzt die Studienbedingungen zu verbessern, um die Abbruchquoten zu verringern und parallel mit einer Ausbildungsoffensive mehr Studienplätze für das Lehramt zu schaffen, um so zusätzlich ausgebildete Lehrkräfte in sechs, acht oder selbst zehn Jahren zu haben, wäre ein zentraler Schritt auf dem Weg zu einer nachhaltigen Lösung des Lehrkräftemangels.

Eine Ausbildungsoffensive braucht es aber nicht nur in Berlin, sondern bundesweit. Auch hier ist das politische Versagen immens: Es gibt in Deutschland keine funktionierende bundesweite Koordination zwischen den Ländern in Bezug auf die Zahl der auszubildenden Lehrkräfte. Auch in der jetzigen Situation setzen einzelne Länder, beispielsweise Bayern, auf wettbewerbsorientierte Lösungen statt auf eine abgestimmte Prognostik, eine koordinierte Bedarfsplanung und eine gemeinsame Ausbildungsoffensive.

Um in diesen Punkten etwas zu erreichen, muss man nicht den Föderalismus im Bildungsbereich abschaffen. Aber ein Staatsvertrag Lehrkräftebildung, eine grundsätzlich bessere Bund-Länder-Kooperation und eine Aufweichung des 2006 im Zuge der Föderalismusreform beschlossenen Kooperationsverbots sind notwendig.

Die Empfehlung der SWK lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Leh­re­r*in­nen sollen halt mehr arbeiten

Die Umsetzung ist eine Frage des politischen Willens. Gerade im Bildungsbereich, den der Staat quasi monopolartig organisiert, muss er doch alles unternehmen, um Bildung in guter Qualität zu sichern. Die Abwärtsspirale geht sonst weiter. Wie können wir uns zehntausende Schul­ab­gän­ge­r*in­nen ohne Abschluss und eine weitere Spaltung der Gesellschaft leisten?

Quelle         :         TAZ-online       >>>>>        weiterlesen

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Oben      —     Bushaltestelle Kremenholl/Paulstraße in Remscheid

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Altersarmut – aber immer!

Erstellt von DL-Redaktion am 30. Januar 2023

Der Staat entlastet sich mit einem „Generationenkapital“

File:Armut Bettler Obdachlos (12269249596).jpg

Quelle:    Scharf  —  Links

Von        :    Johannes Schillo

Eine „Aktienrente“ wollte die Ampel-Regierung auf den Weg bringen, jetzt soll ein „Generationenkapital“ helfen, die Altersvorsorge zu sichern, d.h. den Staat zu entlasten.

Die Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung ist nämlich nicht gewährleistet, sie muss immer wieder und jetzt erst recht gesichert werden. So jedenfalls der Koalitionsvertrag von Scholz und Co., der zu diesem Zweck ergänzende „kapitalgedeckte Elemente“ einbringen wollte. Mit der Wortschöpfung „Generationenkapital“ hat nun Bundesfinanzminister Lindner die Diskussion um die Rentenversicherung belebt und um ein neues Highlight bereichert. Dabei ist die Rentendebatte sowieso durch viele Unsachlichkeiten gekennzeichnet.

Die Sorge um die Rente ist nicht die Sorge um die Rentner

„Die Zahl der Seniorinnen und Senioren, die auf Grundsicherung angewiesen sind, weil ihre Rente nicht reicht, steigt kontinuierlich an. Im Jahresvergleich von September 2021 zu September 2022 stieg die Zahl um 12 Prozent.“ Das meldet das Redaktionsnetzwerk Deutschland am 22. Januar 2023. „Die Altersarmut jagt von Rekord zu Rekord“, kommentierte Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch.

Zahlreiche Studien belegen ausführlich die Not alter Menschen, zuletzt etwa „Die polarisierende Pandemie“ (2022) des Armutsforschers Christoph Butterwegge oder die jüngsten Zahlen des Oxfam-Berichts (https://www.oxfam.de/), dessen Fazit lautet: „Erstmals seit 25 Jahren haben extremer Reichtum und extreme Armut gleichzeitig zugenommen.“ Butterwegge sprach davon, dass die Öffentlichkeit regelrecht in die Irre geführt werde, wenn es um die durch Corona manifest gewordenen sozialen Notlagen im Alter gehe: Sie würden „überwiegend als Generationenkonflikte interpretiert, wenn nicht sogar bewusst als solche inszeniert, um von den sozioökonomischen Interessengegensätzen und den hieraus resultierenden Verteilungskämpfen zwischen Klassen und Schichten abzulenken“.

Das ist aber keine neue Entwicklung. Diejenigen, die die Rentendiskussion maßgeblich bestreiten, werfen sich zwar gerne in die Pose desjenigen, der sich um das Wohlergehen der Rentner sorgt oder die Nöte der jungen Generation im Blick hat, die als Arbeitnehmer mit ihren Sozialbeiträgen und als Steuerzahler staatlicherseits für die Rentner zur Kasse gebeten werden. Dabei geht es aber stets in erster Linie um die Bezahlbarkeit der Renten, also um die Not der staatlichen Kassen. Das Wohlergehen von Rentnern wird so in der öffentlichen Diskussion zu einer Last, die irgendwie zu stemmen ist – zu einem Budgetproblem, das unser aller Anteilnahme verdient.

Dabei haben diejenigen, die heute Rente beziehen, ihr Arbeitsleben lang für die Rente bezahlen dürfen. Als Vorsorge für ihr Alter wurde dieses Geld nicht eingesetzt, sondern im so genannten Umlageverfahren an die damaligen Rentner ausgezahlt. Zwar hatten die auch schon immer einzahlen müssen, aber in den von Deutschland geführten Kriegen waren die Rentenversicherungen eben zugleich Kassen, aus denen sich der Staat bediente; er verpflichtete sie dazu, einen Teil ihres Vermögens in Kriegs- oder Reichsanleihen anzulegen. Das passte – Ironie der Geschichte! – übrigens zum Siegeszug des Sozialstaats, der Deutschlands imperialistischen Aufbruch ins Zeitalter der Weltkriege (https://gewerkschaftsforum.de/der-weg-ins-zeitalter-der-weltkriege-von-august-bebel-zu-olaf-scholz/) begleitete. Mit dem Ergebnis des Krieges war dann nicht nur das Geld weg, sondern weniger überlebenden Beschäftigten standen viele Kriegswitwenrenten gegenüber. Deshalb herrschte nach dem Zweiten Weltkrieg in der Rentenkasse große Flaute, die mit dem Umlageverfahren beseitigt wurde.

Doch auch die Beiträge der Arbeitnehmer, die zwangsweise bei jeder Lohnabrechnung zur Kasse gebeten werden, reichen für die Alterssicherung der Lohn- und Gehaltsempfänger nicht aus. Schließlich sind die Sozialbeiträge Teil der Lohnkosten, sie belasten die Gewinnrechnung der Unternehmen und sind deshalb, wie die Löhne und Gehälter selber, niedrig zu halten. Flexibler erweist sich da die Höhe der Rente, die von den diversen Regierungen systematisch gesenkt wurde, so dass Rentner mittlerweile mit weniger als der Hälfte ihres früheren Einkommens – im besten Fall – auskommen dürfen. Um in den Genuss dieses Höchstsatzes zu kommen, müssen sie heute zudem bis zur Vollendung des 67. Lebensjahres arbeiten.

Ein großer Teil erreicht diesen Höchstsatz nicht. Und selbst wenn man lebenslang einzahlt, kommt man nicht unbedingt über die Armutsgrenze. Mit der letzten Großtat in Sachen Rentenreform hatte es die SPD zu einer „Frage des Respekts“ erklärt, „dass Männer und Frauen mit geringen Einkommen im Alter einen Anspruch auf die Grundrente haben und nicht zum Amt gehen müssen, weil die Rente nicht reicht. Mit der Grundrente wird die Lebensleistung vieler Menschen im Rentenalter endlich anerkannt: mehr als eine Million Rentnerinnen und Rentner werden von der Grundrente profitieren.“ (https://www.spd.de/aktuelles/grundrente/) So die SPD-Vorsitzende Esken, die auch erklärte: „Wer lange gearbeitet hat, wird künftig im Alter nicht auf die Grundsicherung angewiesen sein!“

In Wirklichkeit sind die Renten vielfach so niedrig, dass ein Teil der Rentner auf Grundsicherung angewiesen ist oder weiter arbeiten muss, um die Rente aufzustocken. Mittlerweile ist es ja so, dass die sinkenden Reallöhne Frauen gar nicht mehr vor die Wahl stellen, Hausfrau zu sein oder arbeiten zu gehen, denn ein Gehalt reicht für eine Familie schon lange nicht mehr aus und von einer Rente kann gerade mal mit Mühe eine Person leben. Witwenrenten haben ein Niveau erreicht, dass Frauen gezwungen sind, eigene Rentenansprüche zu erwerben, wollen sie nicht völlig verarmen. Seit den Interventionen der damaligen rot-grünen Regierung zur Senkung des Lohnniveaus betonen die Parteien einhellig, dass die Rente eben nicht mehr das Auskommen im Alter sichert, sondern dass Lohnabhängige neben den Einzahlungen für die Rente auch noch privat Vorsorge zu betreiben haben. Als Angebot dafür wurde seinerzeit die Riester-Rente eingeführt – ein zusätzliches Geschäftsfeld für die Versicherungswirtschaft.

Die Nöte der Rentenversicherung – der Nachwuchs fehlt?

Für die Nöte der Rentenversicherung wird in der Regel die demographische Entwicklung bemüht: „Mit dem demographischen Wandel – immer mehr Rentnerinnen und Rentner stehen immer weniger Beitragszahler gegenüber – ist das bisherige Finanzierungsmodell aber nicht langfristig tragfähig.“ (https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standartartikel/Themen/Internationales_Finanzmarkt/Generationenkapital/startschuss-generationenkapital)

File:KAS-Politischer Gegner, SPD FDP-Koalition-Bild-1153-1.jpg

Unterstellt wird beim demographischen Wandel, dass die Versorgung der Alten von der Anzahl der Jungen abhängig wäre. Abhängig gemacht in der Finanzierung ist die Rente aber nicht vom Umfang des Nachwuchses, sondern von der Anzahl der beitragspflichtigen Arbeitnehmer – und das macht einen Unterschied. Schließlich gibt es im Kapitalismus immer Zeiten, in denen nicht all diejenigen gebraucht werden, die eine Arbeit brauchen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. So sind die Zeiten, in denen über Jugendarbeitslosigkeit geklagt wurde, gar nicht so lange her. Und wenn zurzeit Rekordmeldungen bezüglich der Beschäftigtenzahlen vermeldet werden, dann hat das wenig mit der Zahl der Geburten zu tun, beruht vielmehr auf der Zuwanderung von Arbeitskräften aus dem Ausland. Dies hat zu einer gewissen Entspannung der Finanzlage bei der Rentenversicherung geführt, weil viele Beitragseinnahmen und gleichzeitig – nicht nur durch die Pandemie – hohe Sterbezahlen zu verzeichnen sind, die die Ausgaben verringern. (https://www.spiegel.de/Wissenschaft/medizin/uebersterblichkeit-sterbefallzahlen-im-dezember-deutlich-hoeher-als-vor-der-pandemie-a-0d4b3802-0f70-426d-8985-6a8a41d7936e)

Die Ampel-Regierung ist dennoch nicht zufrieden, denn der Unterhalt der Rentner belastet auch den Haushalt: „Daneben (neben den Beiträgen) wird die gesetzliche Rentenversicherung zu einem erheblichen Anteil durch den Bundeshaushalt finanziert. So betrugen die Bundeszuschüsse 2022 über 100 Mrd. Euro und entsprechen damit rund 30 % der Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung.“ (Bundesfinanzministerium) Für dieses Geld kennen Politiker natürlich eine bessere Verwendung als die Finanzierung des Lebensunterhaltes im Alter. Schließlich stehen sie vor großen Herausforderungen wie der Subventionierung der Wirtschaft in Konkurrenz zu Amerika, der forcierten Aufrüstung und der Finanzierung des Kriegs in der Ukraine. Deshalb braucht es neue Lösungen.

Die Lösung: Der Markt muss es richten

Die Lösung wollen jetzt Arbeits- und Finanzministerium in Form des Generationenkapitals gefunden haben: „Das Generationenkapital ist eine neue zusätzliche Komponente zur langfristigen ergänzenden Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung. Aus öffentlichen Mitteln soll ein Kapitalstock aufgebaut werden, dessen Erträge zukünftig zur Stabilisierung der Rentenbeiträge in der gesetzlichen Rentenversicherung beitragen.“ (Bundesfinanzministerium) Dazu soll eine öffentliche Stiftung gegründet werden, die dieses Geld professionell verwaltet, sprich: mit den Geldern auf dem Finanzmarkt in Aktien und anderen Anlagen spekuliert.

Wenn hier von öffentlichen Mitteln die Rede ist, heißt das nicht, dass dieser Fonds aus Steuermitteln finanziert wird: „Im Bundeshaushalt 2023 sind für den Aufbau des Stiftungsvermögens Kredite des Bundes in Höhe von 10 Mrd. Euro vorgesehen. Empirische Studien zeigen, dass durch Anlage am Kapitalmarkt im langfristigen Durchschnitt deutlich höhere Erträge erzielt werden können, als durch die Kreditfinanzierung des Bundes entstehen.“ (Bundesfinanzministerium) Der Bund nimmt also Kredit auf, d.h. verschuldet sich und gibt diesen Kredit weiter an die Stiftung, die die Zinsen dafür zu zahlen hat. Mit dem geliehenen Geld soll die Stiftung dann spekulieren und Gewinne erwirtschaften, um die Zinsen zu begleichen und die Rentenfinanzierung zu ermöglichen. Eine Tilgung der Kredite ist offenbar nicht vorgesehen, schließlich werden staatlicherseits Schulden durch neue Schulden beglichen.

Dabei unterstellt das Ministerium, dass die Wirtschaft ständig wächst, denn deren Wachstum entscheidet ja über den Zuwachs an Aktien- und Geldvermögen. Im Gegensatz zu den Einkommen von Lohn- und Gehaltsempfängern scheint dieser Zuwachs eine relativ sichere Sache zu sein. Offenbar machen auf lange Sicht selbst Krisen die Reichen nicht ärmer – und von diesem wachsenden Reichtum soll die Rentenversicherung profitieren und somit das Rentenniveau stabilisiert werden. So einfach ist das: Der Markt macht‘s! Man lässt das Geld arbeiten! Ein „Taschenspielertrick“, zudem noch „ohne Sinn und Verstand“, kritisierte daher Jens Berger auf den NachDenkSeiten (https://www.nachdenkseiten.de/?p=92598) und fragte: „Warum stellt man nicht den ganzen Bundeshaushalt auf ein Generationenkapital um und nimmt heute Schulden auf, um später den gesamten Haushalt aus den Dividenden und Zinsen zu bezahlen?“

Ohne (Hinter-)Sinn ist das Projekt allerdings nicht. Ein „langfristiges Konjunkturprogramm für das deutsche Kapital“ kritisierte die Junge Welt (16.1.2023) – während Berger mit einer wirklichen Konjunkturförderung schon fast zufrieden wäre, weil sie Arbeitsplätze schaffen würde. Man kann das Vorhaben natürlich kapitalfreundlich nennen. Aber es ist nicht nur business as usual, Pflege des Standorts. Bezogen auf das Problem der Altersarmut ist es eine eindeutige Klarstellung und damit wegweisend für die konkreten Maßnahmen, die dann kommen werden: Armut im Alter ist in Wahrheit ein Notfall der staatlich betreuten Kassen. Das ist das Problem, das Anerkennung verdient. Was nichts anderes heißt, als dass auch in Zukunft die Rentner es schwer haben werden, mit ihrem beschränkten Einkommen über die Runden zu kommen, während die Wirtschaft vor steigenden Lohn(neben)kosten bewahrt und der Staatshaushalt nicht stärker belastet wird. Mehr Sorge haben Menschen, die vom Lohn abhängen, nicht zu erwarten.Zuerst im

Overton-Magazin erschienen.

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Unten      —        „Flaschen gehören in den Keller und nicht in die Regierung.“

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Aktiengedeckte-Rentenpleite

Erstellt von DL-Redaktion am 20. Dezember 2022

Die Aktienrente soll es nun richten – ein gefährlicher Irrweg

Der politische Holzweg. Die Gangster zocken mit allen was das Volk erarbeitet hat.

Ein Debattenbeitrag von Gerd Bosbach

An der Börse geht es nicht um Worte, sondern um Zukunftserwartungen und Spekulation. In einer Phase mit hohen Preisen einsteigen, um in schlechten Zeiten zu verkaufen, kann nur zum Verlust führen.

Jetzt ist es so weit: 10 Milliarden Euro für die Aktienrente werden im Haushalt des kommenden Jahres bereitgestellt – und Finanzminister Christian Lindner sieht es nur als einen Anfang an und fordert bereits eine weitere Aufstockung der Summe.

Die 10 Milliarden werden tatsächlich auch im Koalitionsvertrag als ein erster Schritt angesehen. Die Aufweichung des bisherigen Umlageverfahrens scheint kaum noch abzuwenden. Umlageverfahren bedeutet, dass die Rentenbeiträge der Arbeitnehmer für die aktuellen Renten verwendet werden. Die Aktienrente dagegen ist auf erfolgreiche Investitionen an der Börse angewiesen.

Die Befürworter einer kapitalgedeckten Rente scheinen volkswirtschaftlich schlecht geschult zu sein. So formulierte schon 1952 der Soziologe Gerhard Mackenroth: „Nun gilt der einfache und klare Satz, dass aller Sozialaufwand immer aus dem Volkseinkommen der laufenden Periode gedeckt werden muss. Es gibt gar keine andere Quelle (…), es gibt keine Ansammlung von Periode zu Periode, kein ‚Sparen‘ im privatwirtschaftlichen Sinne, es gibt einfach gar nichts anderes als das laufende Volkseinkommen als Quelle für den Sozialaufwand (…). Volkswirtschaftlich gibt es immer nur ein Umlageverfahren.“

Mackenroths Befund passt auch zur heutigen Realität ganz hervorragend. Die Gesellschaft lebt immer von dem, was gerade produziert oder als menschliche Dienstleistung aktuell angeboten wird.

Wir essen nicht das früher angesparte Brot, und Pflege und Kinderbetreuung gehen nur durch gerade Arbeitende. Das war schon immer so. Für gespartes Geld gibt es also nur Leistungen, wenn gerade genug Arbeit und deren Ergebnis angeboten wird. Geld kann man nicht essen. Insofern ist das Umlageverfahren der gesetzlichen Rente ganz natürlich. Die aktuell Arbeitenden versorgen die Alten, die Jungen, die nicht Arbeitenden und sich selbst.

Warum also der Umweg über Kapitalansammlungen? Zunächst einmal, weil daran viele Firmen verdienen. Offensichtlich sind das Versicherungsunternehmen mit Produkten, bei denen teils nicht einmal die eingezahlten Gelder wieder ausgezahlt werden. Die nächste Gewinnergruppe sind die Unternehmer: Über die Auslagerung eines Teiles der Rente an die Privaten können sie sich aus der paritätischen Finanzierung verabschieden und ihren Beitragsanteil deckeln. Für jeden Prozentpunkt weniger in die Gesetzliche waren das mehr als 5 Milliarden Euro jährlich. Kein Wunder, dass sie für die private Rente getrommelt haben.

Casino bei RWS.jpg

Der Weg für Rentenbezieher ?

Mangelnde volkswirtschaftliche Bildung vieler Po­li­ti­ke­r*in­nen erleichterte den Privatisierern der Rente das Geschäft. So kann man hohe private Renten versprechen, obwohl die gesamtwirtschaftliche Produktion nicht für eine vernünftige gesetzliche Rente ausreicht. Wenn die künftige arbeitende Generation zu klein ist, wer stellt die Güter für alle dann her, wer kauft Privatversicherungen oder die von den Versicherungen angesparten Wertanlagen? In einer Phase mit hohen Preisen für Immobilien, Boden, Geldanlagen und Aktien einsteigen, um in schlechten wirtschaftlichen Zeiten zu verkaufen, kann nur zum Verlust führen.

Und jetzt soll es der Aktienmarkt richten? Klar verlockt der Blick auf die Entwicklung der vergangenen Jahre. Aber eine Aktienrente würde die Nachfrage nach Aktien und damit ihre Preise steigern – dabei sind diese Preise durch die lockere Geld- und Zinspolitik der Vergangenheit schon sehr hoch. Nur was passiert, wenn die Aktien für die Renten verkauft werden müssen? Die Preise rauschen in den Keller. Der scheinbare Ertrag der Vergangenheit ist dahin, wenn dieser im großen Stil am Aktienmarkt materialisiert werden soll.

Spielfeld für Zocker

Ein, zwei Tellerwäscher können zu Millionären aufsteigen, aber nicht ein paar Millionen. Wer glaubt, dass steigende Aktienwerte etwas mit gestiegenem Vermögen zu tun haben, möge sich den US-Elektroautobauer Tesla ansehen. An der Börse waren dessen Aktien Ende 2021 mit rund 970 Milliarden Dollar mehr wert als alle anderen großen Autokonzerne zusammen. Und das trotz niedriger Gewinne. Hier geht es nicht um Werte, sondern um Zukunftserwartungen und Spekulationen der Börsianer. Die Börse ist für Zocker ein Spielfeld, aber nicht für eine sichere, langfristig angelegte Rente.

Quelle       :         TAZ-online         >>>>>         weiterlesen

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Oben     —   Historischer Knüppeldamm in Oranienburg

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Drei kleine Unterschiede

Erstellt von DL-Redaktion am 8. November 2022

Drei Länder, eine Krise, verschiedene Reaktionen

Quelle     :     Untergrundblättle – CH

Von     :    Renate Dillmann

Die Berichte zur Lage sehen in Deutschland, Großbritannien und Frankreich ziemlich gleich aus: Steigende Energiepreise, eine bereits ziemlich heftig „trabende“ Inflation, massive Zunahme der Staatsschulden, sinkende Wechselkurse der Landeswährung.

Überall stehen die Regierungen nach eigener Darstellung angesichts des Kriegs gegen Russland, den sie mitveranstalten und eskalieren, vor „harten Herausforderungen“. Ausgetragen wird das auf dem Rücken der Lohnabhängigen, denen die Regierungen deshalb allesamt „schwere Zeiten“ ansagen.

Die deutsche Bevölkerung lässt sich das gefallen. In Frankreich wird gestreikt. Im Vereinigten Königreich kommt der Widerstand von der anderen Klasse. Ein Lehrstück über kleine Unterschiede.

Deutschland: „Wir haken uns unter“

Deutschland scheint in dieser Situation gerade erneut das Kunststück hinzukriegen, Unzufriedenheit und Existenzängste der vom Lohn abhängigen Bevölkerungsmehrheit annähernd lautlos zu bewältigen. Wieder einmal schafft es die Regierung – eine durchaus beachtliche Leistung! – sich mit ihren Entlastungspaketen als überaus fürsorglicher Löser von Problemen darzustellen, mit deren Zustandekommen sie angeblich nichts zu tun hat.

Natürlich: Die deutsche Regierung hat gleich vierfach Glück. Erstens gibt es den Darth Vader „Putin“, auf den man mit ausgestrecktem Zeigefinger deuten und damit so tun kann, als lägen die Gründe der aktuellen Lage ganz ausserhalb der eigenen Einflussmöglichkeiten und Nutzenerwägungen.

Zweitens assistiert gerade bei dieser Art von Volksverblödung wie stets die Mainstream-Presse. Dass die kontinuierliche Inanspruchnahme staatlicher Schulden zur Bewältigung der Finanzkrise und der Corona-Politik die Inflation schon lange vor dem Ukraine-Krieg in Gang gesetzt hatte; dass Inflation kein sachgesetzlich ablaufender Prozess wie etwa die Schneeschmelze ist, sondern Resultat der Preistreiberei diverser und gar nicht russischer, sondern extrem deutscher Kapitale (z.B. der Wohnungs- und Energieunternehmen) – das blendet sie sowieso schon mal aus. Aber auch die politischen Beschlüsse der Regierung zu Waffenlieferungen, Aufrüstungskosten und Wirtschaftskrieg (den man im Land der Meinungsfreiheit nicht einmal so nennen darf) und die dafür rasant wachsenden Staatsschulden sind derzeit eher kein Thema im nationalen Diskurs – dafür aber alle Sorten von Gerechtigkeitsfragen, die man daran in sehr sehr grossen Überschriften aufmachen kann.

Drittens nimmt das deutsche Publikum praktische wie geistige Zumutungen klaglos hin. Die Aufforderung des Kanzlers funktioniert: „Wir“ haken uns lieber unter und stehen diese Sache, sprich: den Kampf gegen Putin „gemeinsam“ durch – auch wenn „diese Sache“ keineswegs gemeinsam beschlossen wurde und auch keineswegs alle trifft, schon gar nicht gleichermassen. Mit den ökonomischen und sozialen Folgen des Wirtschaftskrieges haben die „Mitglieder der Gemeinschaft“ nach ihren Möglichkeiten und ihrer Stellung „solidarisch“ umzugehen. Das heisst praktisch: Kein Inflationsausgleich bei den Löhnen, stattdessen Einmalzahlungen, Abwälzung der höheren Energiekosten auf „die Verbraucher“ und staatliche Hilfen dabei, dass jeder „das Seine“ leisten und ertragen kann.

Und viertens hat die Regierung bei ihrer nationalen Linie auch noch das Glück, dass Linksopposition und Gewerkschaften ihr nicht in die Parade fahren, sondern ihr ganz im Gegenteil tatkräftig und sozialpartnerschaftlich zur Seite stehen, um eventuell doch aufkommende Forderungen und Proteste in staatskonstruktive Bahnen zu lenken und aus dem von allen Seiten lauthals befürchteten „Heissen Herbst“ ein bestenfalls laues Lüftchen bzw. besser: eine nationale Einheitsfront zu machen. Damit kann die Ampel-Koalition offenbar gut leben (im Unterschied zu vielen ihrer Bürger) – solange man, das ist nationaler Konsens, „die Rechten“ da raus hält.

Das läuft in anderen europäischen Staaten gerade nicht so geschmeidig. England und Frankreich bieten da gerade zwei interessante Beispiele.

Großbritannien: Finanzkapital erzwingt neue Regierung(slinie)

„Die Macht der Märkte“ titelt die FAZ (22.10.22) und unter dem Titel „Parkettnotizen“ war in den VDI-Nachrichten zu lesen: „Die Kapitalmärkte zwingen Liz Truss zum Einlenken. Großbritanniens Regierung kassiert die geplante Steuerreform wieder ein. Die Bonität des Landes hätte unter der enormen Neuverschuldung zu sehr gelitten.“ Inzwischen ist die Premierministerin von der Herrschaft über das Vereinigte Königreich und einen der größten Finanzplätze der Welt bekanntlich zurückgetreten. Der Grund: Liz Truss wollte nationales Wachstum in neoliberaler Logik durch drastische Steuersenkung durchsetzen und den steuerlichen Ausfall für den Fiskus mit zusätzlichen Staatsanleihen kompensieren. Im Prinzip bewährt und erfolgreich. Das haben „die Kapitalmärkte“ ihr in dieser Lage allerdings nicht durchgehen lassen.

Die vereinigten Finanzanleger befürchteten gravierende ökonomische Folgen: Abwertung des britischen Pfunds, Ruinierung der Pensionsfonds, Verlust der Bonität für britische Staatsanleihen usw. Um das zu verhindern, haben sie einfach ihre ökonomische Macht ins Spiel gebracht und damit politischen Druck erzeugt – mit Erfolg: die Steuerpläne wurden zurückgenommen; der Finanzminister und die Premierministerin sind zurückgetreten.

Bemerkenswert daran sind die folgenden Punkte: Eine kapitalfreundliche Entscheidung der Regierung wurde zurückgewiesen – und zwar von den Kapitalmärkten. Die Kreditgeber und Profiteure der Kapitalvermehrung zweifelten offenbar daran, dass weitere Steuerentlastungen ihrem Bereicherungsinteresse dienlich sind. Und sie bezweifelten die Vertrauenswürdigkeit neuer britischer Staatsschulden, die unter dem Vorzeichen einer hohen Inflation und künftiger Leitzinserhöhungen wenig rentabel erscheinen. Ihr Zweifel an den Devisen- und Rentenmärkten, nicht der Einspruch der Opposition, nicht die Wut der Arbeiterklasse, fegte zunächst die Steuerpläne, dann den zuständigen Minister und schliesslich die Premierministerin weg.

Darin liegt auch ein Lehrstück in Sachen Demokratie: Liz Truss wurde weder gewählt noch abgewählt. Ihre brutale Kriegspolitik interessiert im Königreich anscheinend kaum jemand (außer Ex-Labour-Chef Corbyn). Die Briten haben auch nicht auf der Strasse rebelliert gegen die Frau und ihre Pläne. Über die Herrschaftsausübung von Frau Truss wird eben auf dem „Börsenparkett“ entschieden. Dort fragt man sich, ob die weitere Fortsetzung des Neoliberalismus zur Kriegswirtschaft passt.

Fazit: Nicht Wahlen, Proteste, Streiks, sondern das anerkannt eigennützige Urteil der Finanzkapitalisten, inwiefern politische Beschlüsse ihrer Bereicherung dienen, entscheiden über die Politik. Die hat sich also damit zu legitimieren und sich daran zu bewähren, inwiefern ihr Handeln dieser Klasse dient.

Frankreich: Gewerkschaft kämpft gegen Verschlechterung der Lebensverhältnisse

„Streiks in Frankreich weiten sich aus. Die Protestwelle in Frankreich reisst nicht ab. Nach wochenlangen Streiks an den Raffinerien dehnen sich die Protestveranstaltungen nun auch auf weitere Branchen aus. Die seit etwa drei Wochen andauernden Streiks an französischen Raffinerien haben sich am Dienstag auf die Eisenbahn, den Pariser Nahverkehr und weitere Branchen ausgeweitet. Auch Gymnasien, Berufsschulen, ein Atomkraftwerk und ein Elektrizitätswerk waren betroffen. Die Streikenden fordern etwa höhere Gehälter angesichts der Inflation.“ (Die Welt, 18.10.22)

In der Folge werden Raffinerien, Treibstofflager und Eisenbahnen sowie ein Dutzend Atomkraftwerke bestreikt, was zu erheblichen Problemen für alle möglichen Teilbereiche des kapitalistischen Produzierens und Vermarktens führt – unter anderem sind ein Viertel bis ein Drittel der Tankstellen ohne Treibstoff, es bilden sich riesige Schlangen.

Die Kämpfe der Gewerkschaften, vor allem der CGT, drehen sich um die Punkte:

a) Echter Inflationsausgleich für die Beschäftigten (ein Angebot von Total Energies von 7% und 6.000 € Jahresprämie wurde von der CGT als ungenügend abgelehnt).

b) Rücknahme der Rentenreform, die das Renteneintrittsalter auf 65 hochsetzt. Stattdessen eine Rückkehr zur Rente mit 60 (!) (eine Forderung, über die die deutsche Presse meist extrem unscharf berichtet – offensichtlich, um ihr Publikum, dem gerade eine Erhöhung des Renteneintritts-Alters auf 69 (!) Jahre als Sachzwang einer „sicheren Rente“ in Aussicht gestellt wird, nicht zu verwirren).

c) Keine Kriminalisierung der Streiks bzw. der Streikenden in der Energieversorgung und der Logistik. Über eine Kritik der französischen Kriegsbeteiligung ist nichts bekannt.

Die Streiks vor allem der Gewerkschaft CGT treffen dabei durchaus auf breite Sympathie in der Bevölkerung – auch die der negativ betroffenen Pendler, wie selbst die Tagesschau berichtet: „Ein paar Meter weiter schaut Sabrine hin und her zwischen den Anzeigen am Gleis und ihrem Handy. Obwohl ihr die Zugausfälle das Leben schwermachen, nimmt sie es den streikenden Lokführern nicht übel: ,Ich kann das verstehen in Bezug auf die Gehälter.‘ Evelyne, eine weitere Passantin, ist auf dem Weg zu einem Seminar. Sie unterstützt die Streiks: ,Es ist immer die einfache Bevölkerung, die die Konsequenzen ausbaden muss. Aber es gibt gute Gründe für die Streiks. Und es ist vielleicht Zeit, dass Frankreich aufwacht.‘“ Unterstützt werden die Forderungen auch durch Proteste der Berufsschüler und Gymnasiasten.

Bemerkenswert an den anhaltenden Streiks (wie bereits an den Aktionen der Gelbwesten 2018) ist einerseits, was eine Gewerkschaft anrichten kann, die im Vergleich mit deutschen Gewerkschaften ziemlich mitgliederschwach ist (die CGT hat unter 700.000 Mitglieder, Stand 2017) und sich laut Friedrich-Ebert-Stiftung in einer bereits Jahrzehnte anhaltenden Krise befindet. Falls deutsche Lohnabhängige also – allen bereits abgehandelten Tendenzen zum Trotz – auf abweichende Ideen kämen: Hier könnten sie sich in Sachen Organizing bzw. geschicktem Aufbau von Streikmacht bedienen!

Andererseits wird allerdings auch deutlich, wie kaltschnäuzig der Protest von unten von der Macron-Regierung zurückgewiesen wird. Der Präsident verlangt seinem Volk seit Beginn des Ukraine-Kriegs eine „Beschränkung des Konsums“ ab und fordert aktuell ein Ende der Blockaden. Um sich durchzusetzen, hat er mit Zwangsrekrutierungen nicht nur gedroht, sondern sie laut einem Bericht der Jungen Welt vom 14.10.2022 auch bereits umgesetzt: „Drei Arbeiter von einer Raffinerie bei Dünkirchen wurden zwangsrekrutiert, um ab 14 Uhr ihre Arbeit für zwölf Stunden wieder aufzunehmen. Nach Angaben der CGT erschien die Polizei bei den Beschäftigten zu Hause und benachrichtigte sie über ihre von der Präfektur unterzeichnete Zwangsrekrutierung. Als Reaktion auf dieses Vorgehen rief CGT-Generalsekretär Philippe Martinez zum Generalstreik auf.

Datei:2022-09-29 10-59-49 manif-Belfort.jpg

Macron und seine Premierministerin Élisabeth Borne forderten bereits seit Montag das Ende der »Blockade«, die vor allem in Paris und Umgebung sowie in den nördlichen Departements und der Hafenstadt Marseille im Süden zu Problemen bei der Benzinversorgung führt. Das französische Gesetz zur Funktion der Gebietskörperschaften erlaubt Regierungen die Zwangsrekrutierung eines Teils der streikenden Beschäftigten eines privaten Betriebs, ,wenn dieser für die lebensnotwendigen Bedürfnisse der Bevölkerung wichtig ist und der Ausstand die öffentliche Ordnung gefährdet‘.“

Die Macht der französischen Lohnabhängigen ist insofern – bei allem Einsatz, den sie an den Tag legen – nicht mit dem lautlosen Tritt des Zinsfusses auf dem britischen „Parkett“ zu vergleichen. Ohne Rechtsbruch – etwa bei den Blockaden – ist sie „auf der Strasse“ nicht einmal in Frankreich zu entfalten, wo der politische Generalstreik als Einflussnahme auf die Politik immerhin rechtlich anerkannt ist.

Und natürlich steht die freie Presse auch in Frankreich mehrheitlich ganz wie von selbst auf Seiten der Regierung, fragt sich besorgt, wie der Präsident die Proteste in den Griff kriegt und tut ihr Bestes, eventuelle Ausschreitungen in den Vordergrund ihrer Berichterstattung zu rücken, um die Bewegung zu kriminalisieren und sympathisierende „brave Bürger“ abzuschrecken.

Schon 2016 berichtete das Handelsblatt in ähnlicher Situation: „Die den Kommunisten nahestehende Arbeitnehmerorganisation (die CGT, RD) verhinderte auch die Auslieferung vieler Zeitungen. Ihr Vorsitzender Philippe Martinez hatte verlangt, die Medien müssten eine ausführliche Stellungnahme von ihm veröffentlichen, sonst würden sie nicht erscheinen. Offenbar verwechselte er Frankreich mit Venezuela. Als die Presse sich weigerte, seiner Erpressung zu folgen, blockierten CGT-Anhänger die Druckereien.“

In der Tat: Wo käme denn da die Meinungs- und Pressefreiheit in den europäischen Demokratien hin, wenn Unzufriedene, linke Gewerkschaften oder irgendwelche Aktivisten ihre „ausführlichen Stellungnahmen“ publizieren könnten?

Lehrstück über den kleinen Unterschied

Anders als in Deutschland lassen sich die Franzosen manchen Angriff auf ihre Lebensverhältnisse nicht bieten. Das bewundern viele Deutsche an ihren westlichen Nachbarn und beschweren sich – ein Fall von mittelschwerer Schizophrenie – über ihre eigene Untertanen-Mentalität. Ohne es beim nächsten Mal anders zu machen… Insofern eine stetige Wiederauflage und Steigerung der beliebten Lebenslüge der deutschen Lohnabhängigen, dass sich die erzwungene Unterordnung unter das Krisen- und Kriegsprogramm der Regierung letztlich irgendwie doch rechnet (jedenfalls mehr als das französische Gegenprogramm: Widerstand lohnt sich nicht! als die deutsche Lehre aus der Weltgeschichte).

Wenn in Frankreich die lohnabhängig Beschäftigten mit schöner Regelmäßigkeit gegen die staatlich verordneten Verschlechterungen ihrer Arbeits- und Sozialversicherungsbedingungen mobil machen, zeigt das allerdings auch die Grenzen, auf die für ihre Interessen kämpfende Arbeiter treffen – ob das nun Gewerkschaften oder Gelbwesten sind. Sie können mit Streik, Generalstreik und Randale einiges an Verschlechterungen verhindern; sie können die Regierung im Einzelfall sogar zur Rücknahme ganzer Gesetzesvorhaben zwingen. Was sie aber – jedenfalls solange sie sich im Rahmen dieser Wirtschaftsordnung bewegen (wollen) – nicht erreichen können, ist: den Willen und die Mittel von Kapital und Staat ausser Kraft zu setzen, die dank der „Sachgesetze“ der Standortkonkurrenz dafür sorgen, dass sich die vom Lohn Abhängigen immer und immer wieder derselben Frage ausgesetzt sehen: Ob ihr Verdienst und ihre soziale Absicherung nicht unverträglich mit den Erfordernissen des Marktes sind. Weshalb sie sich immer und immer wieder gegen diese Angriffe wehren müssen.

Da hat es das protestierende Finanzkapital in England einfacher. Seine Interessen an mehr money sind nicht Kosten für die Kapitalvermehrung (wie die Löhne der Arbeiterklasse), sondern ihr Zweck. Sein partikulares Interesse an steigenden Renditen und der dafür nötigen Stabilität von Finanzplatz und Währung fällt aufs Schönste mit dem britischen Allgemeinwohl zusammen: dem Wachstum des Standorts. Kein Wunder also, dass die Bedenken der Banker die Regierungspartei beeindrucken; kein Wunder auch, dass sie dafür nicht zu den plumpen Mitteln des Straßenkampfs greifen müssen…

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Unten         —        Demonstration der CGT für höhere Löhne am 29. September 2022 in Belfort.

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Verzicht als Bürgerpflicht:

Erstellt von DL-Redaktion am 29. Juli 2022

Gegen die Politik des Laissez-faire

Die Politiker sollen den Verzicht vorleben, welchen dem Volk vor diktiert wird.

Von       :      Philipp Lepenies

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat, forciert durch den deutschen Klima- und Wirtschaftsminister Robert Habeck, die Frage nach der Notwendigkeit von Konsumverzicht voll auf die politische Agenda gehievt.

Dabei ist diese Debatte keineswegs neu. Schon vor rund einer Dekade, im Jahr 2011, veröffentlichte der „Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen“ (WBGU ) ein Gutachten mit dem Titel „Welt im Wandel – Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation“. Die Autoren beriefen sich darin auf das kurz zuvor in einem aufsehenerregenden Fachartikel vorgestellte Konzept planetarer Belastungsgrenzen (planetary boundaries). Dessen Kernthese lautet: Wenn die Stabilität des gesamten Erdsystems gewährleistet bleiben soll, dürfen bestimmte Kipppunkte (tipping points) nicht überschritten werden. Um dieser Gefahr vorzubeugen, so die Schlussfolgerung im Gutachten, sei es dringend nötig, unsere vorherrschenden Konsum- und Produktionsmuster zu verändern.[1]

Dass diese Große Transformation mit massiven Einschnitten und damit zwangsläufig mit Verbot und Verzicht einhergehen würde, machte der WBGU deutlich, indem er sich in seinem Gutachten für die Aushandlung eines neuen Gesellschaftsvertrags aussprach. So wie sich in der klassischen Vertragstheorie die Menschen aus freien Stücken einer Regierungsform unterwerfen, um dem Chaos des Naturzustandes zu entgehen und somit ein Stück ihrer persönlichen Freiheit aufgeben, so müsse auch heute das gesellschaftliche Leben neu geregelt werden, um den Fortbestand der Menschheit auf dem Planeten Erde zu sichern. In einem wie auch immer gearteten neuen Gesellschaftsvertrag würden sich die Menschen darauf einigen, dass zum Wohl aller und zum Wohl zukünftiger Generationen Veränderungen notwendig seien. Ob nun explizit formuliert oder nicht: Das Gutachten legte damit nahe, dass bestimmte Dinge – aus guten Gründen – in Zukunft verboten sein würden und die Menschen Verzicht üben müssten.

Die Presseresonanz war schroff. In der „Welt“ sprach ein Autor von „Ökodiktatur pur“ sowie von antidemokratischem und jakobinischem Denken.[2] In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ nahm man Anstoß an der Vorstellung eines „gestaltenden Staates“, dessen Aktivitäten nur „einem seltsamen Demokratieverständnis“ entsprungen sein konnten. Insgesamt wurde die Aufforderung zur Transformation als absurde Spinnerei abgetan.[3]

Neben dem immer wieder beschworenen Drohszenario einer Ökodiktatur ist seitdem vor allem die Verbotspolitik zu einer im politischen Diskurs reflexartig und inflationär genutzten rhetorischen Floskel geworden. Sie wird verwendet, um auf vorgeschlagene Maßnahmen zu reagieren, die das Konsumverhalten der Bürger vor dem Hintergrund einer Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit verändern wollen – sei es durch ein Tempolimit auf Autobahnen, die Reduzierung von Fleischkonsum oder das Verbot von Plastikverpackungen oder Inlandsflügen.

Die Empörung über eine Verbotspolitik richtet sich in Deutschland in den meisten Fällen gegen die Vorschläge von Bündnis 90/Die Grünen. Daher ist häufig auch von „grüner Verbotspolitik“ die Rede. Insbesondere der Vorschlag zur Einführung eines Tempolimits auf Autobahnen ruft regelmäßig eine lautstarke Gegenwehr hervor, die den vermeintlich religiösen Fanatismus hinter der Einschränkung der persönlichen Freiheit geißelt. So schrieb der Chefredakteur einer großen Tageszeitung im Jahr 2013 unter der Überschrift: „Tempolimit – Auf dem Weg zum unmündigen Bürger“ ohne jeden Anflug von Ironie: „Die Autobahn symbolisiert einen Raum maximaler Freiheit – in einem Land, das weitgehend lahmreguliert worden ist. […] Die Existenz aber solcher Freiräume provoziert den eifernden Gegenwarts-Pietismus, der in Gestalt der rot-grünen Opposition den Alltag der Menschen mit einem Katechismus umfassend regeln will.“ Anscheinend sei das Ideal dieser Parteien „ein Überstaat“, der „möglichst umfassend in die Freiheitsrechte seiner Bürger eingreift, um diese zu einem lahmen, anständigen und naturgefälligen Leben ohne luxuriöse Extravaganzen zu zwingen“.[4]

Inzwischen hat sich der Vorwurf der Verbotspolitik allerdings auf fast jede Form geplanter politischer Veränderungen ausgeweitet – sogar auf die, die von der Regierung in Angriff genommen werden. Der Begriff ist überall, in Verlautbarungen des Bundesverbandes Rind und Schwein („Verbotspolitik der Bundesregierung gefährdet Landwirtschaft“[5]) ebenso wie in Statements der Chef-Lobbyistin der Autobauer („Fortschrittswachstum statt Verbot und Verzicht“[6]). Selbst Regierungsmitglieder versuchen bewusst, sich in diesem Sinne zu profilieren. Bundesratsinitiativen werden von Bundesministern mit der Pauschalbegründung abgelehnt, es gebe schon „genug Verbote“.[7] Als seien grundsätzlich jedes Verbot und jedes weitere Verbot unangemessen.

Die fanatischen Gegner der Verbotspolitik kennzeichnet eine fatale Überzeugung: Der aktuelle Lebensstil muss nicht angepasst werden. Eine Politik ohne Verbote und Einschränkungen sei nicht nur möglich, sondern selbstverständlich. Damit verbunden ist die Vorstellung, die auch den Koalitionsvertrag der Ampel kennzeichnet, wonach die Herausforderungen des Klimawandels und der Umweltzerstörung sich allein durch innovativen technischen Erfindergeist und durch die rationalen Dynamiken des Marktes in den Griff bekommen lassen – in jedem Fall ohne staatliche Einschränkungen und „Bevormundungen“.[8]

Die Verteidigung der »Freiheit«

In diesem Zusammenhang wird in aller Regel der Begriff der Freiheit bemüht. Verbote und Verzicht verringerten die persönliche Freiheit – weniger in einem politischen als im Sinne je eigener Konsumentscheidungen. Ein von allen „Volksparteien“ gern genutzter Topos ist dabei das Bild des „kleinen Mannes“ (oder natürlich der „kleinen Frau“), der sich redlich abrackere und dem man wie dem Tabak verehrenden Lehrer Lämpel in Wilhelm Buschs „Max und Moritz“ doch bitte seine kleinen Freiheiten und Freuden gönnen solle. Der Topos hilft, um Verbotspolitik als sozial extrem ungerechten Eingriff in ein selbst erarbeitetes und damit zweifelsfrei wohlverdientes Konsumverhalten darzustellen.[9] So sah sich der damalige Fraktionschef der Union, Ralph Brinkhaus, 2019 zu der Verlautbarung veranlasst, dass er sich nicht schäme, Menschen zu repräsentieren, die „mit einem Verbrennungsmotor unterwegs sind, Nackensteaks essen und fleißig sind“. Schließlich seien diese „das Rückgrat unserer Gesellschaft“.[10]

Verbotspolitik verliert so jede Berechtigung. Die besondere Spezies des im Schweiße seines Angesichts überlebenden Bürgers genießt absoluten Schutz und verdient maximale Freiheit. Sie darf nicht Ziel von Verboten und Verzicht sein. Die Überzeugung, der Staat dürfe das Leben und damit das Konsumverhalten seiner Bürger nicht regeln, ist jedoch nicht nur ein Glaubensgrundsatz bestimmter politischer Milieus. Sie ist mittlerweile tief in der Gesellschaft verankert. Auch die Reaktionen auf die Corona-Maßnahmen haben diese Haltung unmissverständlich deutlich gemacht. Staatlich verordnete Verhaltensregeln wurden von manchen als illegitimer Eingriff in die autonomen Handlungsentscheidungen der Bürger zurückgewiesen. Das Wort „Freiheit“, verstanden als die Erlaubnis, trotz Ansteckungs- und eventuell Lebensgefahr alles tun und lassen zu können, was man möchte, wurde bei Protesten ebenso oft bemüht wie der Begriff und das Schreckensbild der vermeintlich existierenden oder unmittelbar bevorstehenden Corona-Diktatur seitens der sogenannten Querdenker. Die Steigerung war dann der Vergleich mit den Bevormundungen des SED-Regimes der DDR. Insbesondere diese Bewegung zeichnet sich dadurch aus, sich nichts vorschreiben lassen zu wollen. In einer demokratischen Regierung erblickt sie eine Tyrannendespotie, die es wagt, Konsumfreiheiten einzuschränken. Die extreme Haltung, als Individuum im Namen der eigenen Freiheit völlig ungestört tun und lassen zu können, was man will, sich weder einschränken zu müssen noch sein Verhalten zum Nutzen des Allgemeinwohls anzupassen, hat sich über die letzten Jahre immer stärker und in allen Lebenslagen verbreitet. Eine Richterin am Bundesgerichtshof stellte in einem Interview erstaunt fest: „Es ist doch eine Binsenweisheit, dass meine Freiheit immer nur so weit reicht, bis sie die Sphäre der anderen berührt. Ich wundere mich, dass man es als Zumutung empfindet, sich ein wenig einzuschränken im Interesse der anderen.“[11] Die so empfundenen Zumutungen lauten: Verbot und Verzicht.

Konsum als erste Bürgerpflicht

Entscheidend für die radikale Ablehnung von Verbot und Verzicht ist der Stellenwert des individuellen Konsums. Zum einen, weil in den aktuellen Transformationsdebatten ein Verbot immer den individuellen Konsum beschneiden würde; zum anderen, weil Konsum und das Recht, ungehindert zu konsumieren, das genaue Gegenteil von Verzicht sind.

Porsche 911 Carrera RS vorne links.jpg

Christian Lindners Porsche ?

Dass der Konsum jedoch solch eine Sonderrolle einnimmt, liegt am Glauben an die sogenannte Konsumentensouveränität. Der Begriff geht auf neoliberale Autoren wie William Hutt und Ludwig von Mises zurück. Mit diesem Konzept wurde nicht nur das Recht auf unbegrenzten und unreglementierten individuellen Konsum abgeleitet. In dieser Vorstellung löste auch der Konsument den politischen Bürger als Souverän ab. Um das Gemeinwesen effizient zu gestalten, war daher unbegrenzter individueller Konsum maximal geboten. Konsum wurde zur ersten Bürgerpflicht. Freiheit wurde zur ungestörten Konsumentscheidung und die Demokratie zu einer democracy of the consumer. Der Neoliberalismus fußt auf der Vorstellung eines allseits Nutzen spendenden Effekts des individuellen Konsums. Freie Märkte und damit Freiheit existieren nur, wenn konsumiert wird und der Einzelne nach Herzenslust konsumieren darf. Während in der Mehrheitsdemokratie individuelle Wünsche eingeschränkt werden können, ist das am Markt nicht der Fall. In puncto Freiheit, so die Neoliberalen, ist der Markt der Demokratie um Längen voraus. Wie schön ist doch eine Welt, in der man sich gar nicht am Allgemeinwohl orientieren muss, sondern ungestört nur an sich selbst denken darf!

Der phänomenale Erfolg des Neoliberalismus beruht auch darauf, dass genügend Menschen davon überzeugt worden sind, dass diese neoliberalen Grundprämissen einen unumstößlichen, naturgesetzlichen Charakter haben. In der heftigen Reaktion auf Verbotspläne und Verzichtszumutungen zeigt sich das überdeutlich. Die Ideologie des Neoliberalismus lässt den Schluss zu, dass Verbot und Verzicht, vom Staat verordnet, illegitime politische Instrumente sind und unterlassen werden müssen. Aber der Neoliberalismus basiert nicht auf Annahmen, wie die Welt wirklich ist – er basiert auf einer Weltanschauung, wie die Welt sein sollte. Ironischerweise ist die politische Nachhaltigkeit des Neoliberalismus kein evolutionärer Zufall, sondern das Ergebnis eines ausgetüftelten Plans neoliberaler Wissenschaftler, Denkfabriken und Interessenvertretungen, die jahrzehntelang in der westlichen Welt nicht müde wurden, die Politik mit der „Natürlichkeit“ der neoliberalen Ideen zu füttern.[12] Der Triumph des Neoliberalismus zeigt sich letztendlich in einer Politik, die im Geiste des Unterlassens steht. Individuen erwarten vom Staat, möglichst mit Verbots- und Verzichtsideen in Ruhe gelassen zu werden. Politiker orientieren sich am Vorbild eines möglichst untätigen Minimalstaats, der gar nicht in Betracht zieht, das Verhalten seiner Bürgerinnen und Bürger dann zu reglementieren, wenn es aus Nachhaltigkeitsgesichtspunkten der Allgemeinheit mehr schadet, als es dem Einzelnen nützt.

Quelle       :        Blätter-online         >>>>>          weiterlesen

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Das globale Finanzcasino

Erstellt von DL-Redaktion am 25. Januar 2022

Noch mehr Geld für das globale Finanzcasino?

Casino bei RWS.jpg

Quelle:    Scharf  —  Links

Von Holger Balodis

Die deutsche Alterssicherung könnte zu einem Brandbeschleuniger des internationalen Finanzcasinos werden. Es wäre die fatale Wandlung von einem Anker der Sicherheit zu einer Institution, die sogar unmittelbar krisenverschärfend wirkt. Was steckt dahinter?

Rund zwei Jahrzehnte nachdem die rot-grüne Koalition mit der Riester-Rente der kapitalgedeckten Altersvorsorge den Weg bahnte, soll diese Strategie nun sogar noch intensiviert werden. Frei nach dem Motto: Versagt ein Rezept grandios, so muss man nur die Dosis erhöhen. Denn die Riester-Rente gilt landauf landab als gescheitert.

Auch der zweite Bereich der Altersvorsorge, der ganz überwiegend von Lebensversicherungen in Form von Pensionskassen betrieben wird, läuft aktuell schlecht, die betriebliche Altersversorgung (bAV). Was sich früher Betriebsrente nannte, hat diesen Namen heute nicht mehr verdient. Die Einzahlungen erfolgen ganz überwiegend durch die Arbeitnehmer*innen, verwaltet werden diese meist von Pensionskassen. Doch die Ergebnisse sind so schlecht, dass 40 der 135 Pensionskassen in der Gefahr sind, in Schieflage zu geraten. Bei der Kölner Pensionskasse, der Pensionskasse der Caritas und der Pensionskasse der deutschen Steuerberater ist das schon passiert. Die Aufsichtsbehörde hat ihnen die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb entzogen. Und wie reagiert die neue Bundesregierung?

Sie will mehr Risiko durch noch mehr Aktieninvestments in den Bereichen Riester und bAV ermöglichen. Auch im Kernbereich, der gesetzlichen Rente, soll der Einstieg in diese riskante Anlage erfolgen. Dafür sollen Sicherheiten wie der garantierte Beitragserhalt bei Riester und die Arbeitgeberhaftung in der bAV fallen. Soll heißen: Die Risiken werden alleine auf Arbeitnehmer*innen und Rentner*innen abgeladen. Die Arbeitgeber*innen und Finanzunternehmen wie Allianz und Blackrock profitieren hingegen. Sie sind raus aus der Haftung und bekommen neues Geschäft zugeschustert. Und was kaum jemand zu bemerken scheint: Wenn aus allen drei Säulen der deutschen Altersvorsorge mehr Geld in den Kapitalmarkt fließt, wird das Risiko einer weltweiten Wirtschaftskrise angefacht.

Schon heute betragen die globalen Finanzanlagen über 1.000 Billionen Dollar, was dem 12fachen des weitweiten Sozialprodukts entspricht.
Damit entkoppeln sich diese Finanzanlagen immer mehr von der Realwirtschaft. Es kommt zu gefährlichen Blasenbildungen, Finanz- und Wirtschaftskrisen wie in den Jahren 2001 und 2008 werden immer wahrscheinlicher. Der amerikanische Ökonom Robert Shiller, ein Experte für Kapitalmarktanalyse, hatte beide Krisen vorhergesagt und erhielt u.a. dafür den Wirtschaftsnobelpreis 2013. Für Shiller ist die Lage an den weltweiten Aktienmärkten so überhitzt, dass er Verluste von 50 Prozent für wahrscheinlich hält.

Soll die deutsche Altersicherung wirklich Teil eines solchen Zockersystems werden? Wohl kaum. Stattdessen sollten wir die stabile, umlagefinanzierte gesetzliche Rente so ausbauen, dass alle Rentner*innen wirklich davon leben können. Außerdem das Riester-Experiment zu den Akten legen und die Betriebsrente wieder zu dem machen, was sie früher mal war: Eine rein arbeitgeberfinanzierte Zusatzleistung. Das kann klappen.

Holger Balodis und Dagmar Hühne: Rente rauf! So kann es klappen, DVS Verlag, 204 Seiten, 18 Euro (ISBN 978-3-932246-98-2)

Urheberrecht
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Ist die Linke zu defensiv?

Erstellt von DL-Redaktion am 23. September 2021

Ist die Linke als Bewegung und als Partei zu defensiv?

File:ETH-BIB-Taormina, Esel-Karren-Dia 247-05635.tif

Zu Klein – zu Satt  und Lahm – Ideenarm ?

Quelle:    Scharf  —  Links

Von Charlotte Ullmann

Wir Linken sind und waren, seitdem ich zurückdenken kann (Studentenbewegung), viel zu defensiv:

In allen Fragen, insbesondere darin, die Systemfrage zu stellen oder die wenigen bisher stattgehabten Kämpfe (z. B. Häuserkämpfe hier in Frankfurt in den 70iger Jahren) für eine Systemveränderung konsequent durchzuhalten.

Sicher, dann kommt die „Staatsgewalt“ der jeweiligen Regierungen und zeigt, wo der Hammer hängt!

Wiewohl die Aktionen der derzeitigen bundesweiten Mieterbewegung (Mietenwahnsinn usw.), insbesondere derjenigen in Berlin, bereits ansatzweise zeigen, was man machen kann (Enteignung großer börsennotierter Wohnungsgesellschaften – siehe Mietendeckel).

Doch dann bekommen die „Revolutionären“ erneut einen  auf den Deckel, siehe Verfassungsgericht, das wegen einer formalen Lapalie, eines Machtstreits zwischen Bund und Ländern, den Mietendeckel wieder kassiert hat.

Das Argument von vielen Linken, dass unsere parlamentarische Demokratie lediglich der Erhaltung des kapitalistischen Systems verschrieben ist, ja sogar dieser frühkapitalistischen neoliberalen Zurichtung spätestens seit Kohl und Schröder (Agenda 2010) in den letzten 40 Jahren, stimmt mehr, als uns lieb ist.

Obwohl doch eigentlich unser Grundgesetz in vielen Paragraphen dagegen steht!

Und wenn wir diese unsere Verfassung konsequent umsetzten und lebten, wäre schon viel gewonnen, auch wenn es darin immer noch gewaltige Widersprüche gibt, wie bsw. denjenigen zwischen dem „Recht auf Eigentum“ und der Pfli cht, mit seinem Eigentum Gutes zu tun („Eigentum verpflichtet“).

Aber dieser Widerspruch ließe sich aufheben, wenn die Profiteure des Kapitalismus, die ca. 10% ausmachen, von den restlichen 90 %, täten die sich nur richtig zusammen, überstimmt würden.

Volker Pispers hat einmal in einem seiner fulminanten kaberettistischen Stakatos gefragt, warum 90 % der Wähler diejenigen Parteien wählten, die für die oberen 10 % der Menschen Politik machten.

Tja, diese Frage habe ich mir auch noch nicht beantworten können.

Dabei wäre es ja so einfach: Der Bürger hat die „Wahl“ in der (Schein)-Demokratie, um mit Brecht zu sagen: „Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selber!“

Was tun? Das lässt sich nicht nur mit Lenin fragen!

Transformationsbemühungen scheinen hier nichts auszurichten.

Aber wer will sein Leben schon hergeben für revolutionäre Umwälzungen?

Mein Sohn, der jetzt Arzt geworden ist und von diesem erzkapitalistischen  Gesundheitssystem mittlerweile profitiert, schon gar nicht mehr.

File:Die Linke Grundrecht Grundeinkommen BGE Berlin 2013.jpg

Bleiben die Abgehängten und Abgespeisten (Arbeitslose und prekär Beschäftigte), die in ihrem alltäglichen Lebenskampf gerade noch überleben können, auf jeden Fall keine Kraft mehr für den Aufstand haben.

Wenn sie wenigstens diejenigen Parteien wählten (und nicht nur total verblendet und aus reinem Protest heraus die AFD, die für die Revolution von unten so viel tut wie der Papst gegen das Zölibat), also wenn sie  wenigstens diejenigen Parteien wählten, die noch in der Lage sind, die Systemfrage zu stellen wie zum Beispiel die Partei DIE LINKE, dann wäre es ja schon ein kleiner Schritt nach vorne.

Und jetzt mit der künstlich aufgeblähten Coronakrise, die vor allen Dingen dem Kapital nützt, den Reichen, diesen 10%,  die ihre Dividenden und Kursgewinne bei den krisengewinnlerischen Tech- und Gesundheitsaktien abgreifen und denen die Krisenverlierer schnurzegal sind?

Wenn diese restlichen 90 % begreifen würden, wo der Hammer hängt, nämlich bei diesen 10% der Reichen, dann würden sie endlich so wählen, dass es auch ihnen nützt.

Charlotte Ullmann in Frankfurt am Main am 21.9.2021

Urheberecht
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Photographer
Title
Taormina, Esel-Karren
Description
Kolorierung des Dias durch Margrit Wehrli-Frey, 1933
Depicted place Taormina
Date 1932
Medium Fotografie : Glasdiapositiv
Dimensions 8,5 x 10 cm
Accession number
ETH-Bibliothek_Dia_247-05635
Source E-Pics Bildarchiv online http://doi.org/10.3932/ethz-a-000079401

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Source Die Linke

Author stanjourdan from Paris, France

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Politische – Rentenwitze

Erstellt von DL-Redaktion am 22. September 2021

Renten – von Legenden umwoben

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Wer sich auf die Politik verlässt wird nicht so alt. 

Quelle:    Scharf  —  Links

Von Suitbert Cechura

Renten und Rentenreform sind ein Dauerthema in der Öffentlichkeit. Zwar hat bereits ein Arbeitsminister Norbert Blüm in den 1980er-Jahren die Renten für sicher erklärt, aber die ständigen Reformen und Reformvorschläge sprechen demgegenüber Hohn. Politiker, Wissenschaftler und Journalisten tun sich hervor mit Reformüberlegungen, wobei die verschiedenen Vorschläge oft mit Begründungen und Erklärungen daherkommen, die wenig mit der Wahrheit, aber viel mit Legenden zu tun haben. Diese gilt es zu durchleuchten

Die Sozialleistung

Die Rente firmiert als eine Sozialleistung: „Sozialleistungen sind alle Leistungen, die für die soziale Sicherung erbracht werden. Dazu gehören z.B. Kindergeld, Sozialhilfe, Wohngeld, die der Staat aus Steuermitteln finanziert. Etwa 70% der Sozialleistungen entfallen auf die Sozialversicherungen.“ (https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/lexikon-der-wirtschaft/20650/sozialleistungen)

Das Zitat spricht aus, wozu Sozialleistungen vom Staat erbracht werden. Sie sollen der sozialen Sicherung dienen, also dazu, dass bedürftige Bürger mit ihrer Armut irgendwie zurechtkommen. Denn wozu braucht es Kindergeld, Sozialhilfe oder Wohngeld, wenn man über ausreichend Mittel verfügen würde? Ohne diese Zahlungen kämen viele Menschen offenbar nicht über die Runden und für den Staat hieße dies mehr Kriminalität oder Unruhen. Schon der Erfinder der Sozialversicherungen hat gewusst, wozu die Sozialleistungen gut sind: „Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc., thun kund und fügen hiermit zu wissen: (…) Schon im Februar dieses Jahres haben Wir Unsere Überzeugung aussprechen lassen, dass die Heilung der sozialen Schäden nicht ausschließlich im Wege der Repression sozialdemokratischer Ausschreitungen, sondern gleichmäßig auf dem der positiven Förderung des Wohles der Arbeiter zu suchen sein werde.“ (Stenographischer Bericht über die Verhandlungen des Reichtages, V. Legislaturperiode, 1. Session 1818/82 Berlin 1882; 1f; zitiert nach Dillmann/Schiffer-Nasserie 2018, Der soziale Staat, VSA S.183)

„Sozialdemokratische Umtriebe“ finden heute allerdings vorwiegend in Parlamenten und Regierungen statt. Sie zielen auf den „sozialen Frieden“ , der nicht nur durch Repression zu sichern ist. Auch fast 140 Jahre Jahre nach Kaiser Wilhelm hat sich an dem Bedarf nach Sozialleistungen nichts geändert: Menschen, die durch ihre Arbeit eigentlich ihren Lebensunterhalt verdienen sollen, benötigen zusätzlich staatliche Unterstützung.

Der Verweis auf die 70% der staatlichen Sozialleistungen für die Sozialversicherungen mag zwar stimmen, ist aber irreführend. Denn die Einzahlungen für die Rente, für die Zeiten der Arbeitslosigkeit oder Krankheit, werden ja nicht vom Staat erbracht, sondern von den Arbeitnehmern selber. Es ist schon eine seltsame Leistung des Staates, bei der diejenigen, die in den Genuss dieser Leistung kommen, diese selber bezahlen müssen.

Formal werden die Beiträge zu den Sozialversicherungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern je zur Hälfte erbracht. Schaut man jedoch auf die Kostenrechnung von Unternehmen, so gelten die Beiträge zu den Sozialversicherungen als Bestandteil der Lohnkosten, sind also Teil des Lohns oder Gehalts der Arbeitnehmer, die diese nie zu Gesicht bekommen, weil dieser Teil wie die Steuern gleich an der Quelle vom Staat kassiert werden. Dieser bringt so sein Misstrauen gegenüber der Einkommensquelle der Lohnabhängigen zum Ausdruck. Der Lohn lässt offenbar neben den nötigen Aufwendungen des täglichens Lebens nicht genug übrig, um auf einen Teil freiwillig zu verzichten und genügend zurückzulegen. Die „Leistung des Staates besteht darin, sie aber genau dazu zu verpflichten.

Die Höhe der erzwungenen Beiträge ist aus staatlicher Sicht nicht aber in erster Linie ein Problem der arbeitenden Einzahler. Nicht deren Armut verbietet es, sie stärker zu belasten, sondern die Tatsache, dass die Höhe der Beiträge auch in die Kostenrechnung der Unternehmen eingeht und deren Profitkalkulation beschränkt. Damit die Beiträge niedrig und die Leistungen dennoch ausreichend sind, dafür steht der staatliche Zuschuss zu diesen Kassen. So sorgt der Staat dafür, dass ein Leben von Lohn und Gehalt überhaupt geht. Er kümmert sich so um die Nützlichkeit seiner Bürger, die ihm dafür gefälligst dankbar sein sollen.

Sozialversicherung

Arbeitslosenversicherung, Krankenversicherung, Rentenversicherung und berufliche Unfallversicherung gelten als Sozialversicherungen: „Sozialversicherung – gesetzliche Pflichtversicherung für breite Bevölkerungsschichten gegen Schäden, welche die soziale Existenzgrundlage der Versicherungsmitglieder und der Versicherungsgemeinschaft gefährden (Solidargemeinschaft auf der Basis des Solidaritätsprinzips im Unterschied zur freiwilligen Individualversicherung). Sie ist als Teil der staatlichen Sozialpolitik eine Versicherung gegen Risiken des Einkommensausfalles wegen verminderter Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Unfall, aufgrund von Arbeitslosigkeit, Alter und Invalidität sowie zum Ausgleich von Risiken infolge von Schwangerschaft oder Tod.“ (https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/lexikon-der-wirtschaft/20660/sozialversicherung)

Die Existenzgrundlage breiter Bevölkerungsschichten erweist sich demnach als eine sehr unsichere Angelegenheit, ist sie doch daran gebunden, dass man sich für andere nützlich machen kann und dafür bezahlt wird. Wer nicht gebraucht wird, weil die Anwendung nicht lohnend ist, oder nicht arbeiten kann wegen Krankheit, Schwangerschaft oder aus Altersgründen, verliert sein Einkommen. Und das eigene Einkommen reicht auch nicht, um für diese Notlagen Vorsorge zu treffen.

Es ist schon eine eigenartige Versicherung, bei der man gar nicht gefragt wird und es auch keinen Versicherungsvertrag gibt. Der Abschluss dieser Versicherung erfolgt ganz ohne Zustimmung der Betroffenen zwangsweise durch den Staat. Dass es sich dabei um eine Solidargemeinschaft handelt, ist eine der bekannten Legenden. Solidarität ist ein freiwilliger Zusammenschluss von Menschen zur Vertretung gemeinsamer Interessen. Ein solcher Zusammenschluss existiert bei den Sozialversicherungen nicht, der Beitrag zur Versicherung wird ungefragt einbehalten. Dass es sich dabei um das Solidaritätsprinzip handeln würde, wo jeder für den anderen einsteht, ist auch so ein Märchen. Wer dazugehört, für wen da wie eingestanden werden muss, alles das liegt außerhalb derer, die zu dieser Gemeinschaft zusammengeschlossen werden.

In Selbstverwaltung

Dass es sich um eine Solidargemeinschaft handelt, die sich selbst verwaltet, ist ein weiteres Märchen über die Sozialversicherungen: „Beitragszahler, also Versicherte und Arbeitgeber, regierten auch damals schon ihren Rentenversicherer selbst. Dieses Prinzip der Selbstverwaltung funktioniert bis heute in der gesamten deutschen Sozialversicherung und ist in dieser Form einzigartig.“ (https://www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Ueber-uns-und-Presse/Historie/historie_detailseite.html)

Einzigartig mag diese Organisationsform schon sein, doch handelt es sich um eine eigenartige Form der Selbstverwaltung. Über deren Einnahmen entscheidet sie so wenig wie über ihre Ausgaben. Wer welche Leistungen erhält oder auch nicht, liegt auch außerhalb ihrer Entscheidungssphäre. Abnicken dürfen die Vertreter von Arbeitnehmern und Arbeitgebern den auf den Vorgaben der Politik beruhenden Haushalt und dürfen ihn nachrechnen. Zu entscheiden gibt es da nichts Wesentliches. Beweisen soll diese Organisationsform, dass es sich bei diesen Versicherungen um Einrichtungen getrennt vom staatlichen Haushalt handelt. Im Prinzip handelt es sich aber um eine Unterabteilung staatlicher Sozialpolitik, die alles Entscheidende dieses Unterhaushaltes bestimmt: Die Höhe des Beitrags, wann wer welche Zahlungen aus diesem Haushalt erhält. Die Besonderheit dieses Unterhaushaltes besteht lediglich darin, dass er überwiegend aus Löhnen finanziert wird und andere Wirtschaftssubjekte von dieser Finanzierung verschont werden.

Als Generationenvertrag

Das Prinzip der Finanzierung der Rentenversicherung wird oft auch als Generationenvertrag bezeichnet: „Bezeichnung für das wissenschaftliche Erklärungsmodell der sozialen Rentenversicherung. Mit Generationenvertrag wird der unausgesprochene „Vertrag“ zwischen den beitragszahlenden und der rentenempfangenden Generation bezeichnet. Diese „Solidarität“ zwischen den Generationen“ beinhaltet die Verpflichtung der arbeitenden Generation zur Beitragszahlung in der Erwartung, dass die nachfolgende Generation die gleiche Verpflichtung übernimmt.“ (https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/lexikon-der-wirtschaft/19473/generationenvertrag)

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Die Abkanzelung des Bürgertum

Mit der Setzung des Vertrags in Anführungszeichen wird etwas Doppeltes deutlich gemacht. Der Vertrag existiert nicht wirklich, sondern ist eine Erfindung von Wissenschaftlern, die nicht die Realität erklären, sondern Modelle erfinden. Man braucht nicht unbedingt in das Bürgerliche Gesetzbuch schauen, in dem alles Wesentliche über Verträge zu finden ist, um zu wissen, dass zu einem Vertrag immer die Zustimmung beider Vertragsparteien gehört. Bei diesem besonderen Vertrag sollen offenbar schon Ungeborene ihre Zustimmung geben zu etwas, was sie noch gar nicht kennen können. Mit der Erfindung des Konstrukts „Vertrag“ wird aber ein Sachverhalt beschönigt. Aus der Verpflichtung, die staatlicherseits gesetzt wird, wird durch das Modell ein freiwilliges Zustimmungsverhältnis.

Äquivalenzprinzip

Bei der Darstellung der Rentenversicherung wird großen Wert darauf gelegt, dass es bei dieser Versicherung gerecht zugeht. Die Höhe der Rente soll sich an der Leistung des Versicherten orientieren: „Das Äquivalenzprinzip im Rentenrecht ist ein grundlegendes Prinzip im Rentenrecht. Es beruht auf der Idee, dass der Versicherte der eine hohe Rente bekommt auch hohe Beiträge in das Rentensystem eingezahlt hat. Das Äquivalenzprinzip stellt somit auf die individuelle Leistungsfähigkeit des Versicherten ab.“ (https://www.rentenbescheid24.de/renten-abc/begriffe-zur-gesetzlichen-rente/das-aequivalenzprinzip-im-rentenrecht/#.+:text=Das%20Äquivalenzprinzip%20im20%Rentenrecht%20ist,individuelle%20Leistungsfähigkeit%20des%20Versicherten%20ab)

Folgt man dieser Logik, so wird die Leistungsfähigkeit eines Menschen nach der Höhe der Einzahlung in die Rentenversicherung bestimmt. Es ist allerdings nicht das, was der Mensch konkret leistet, sondern seine Leistung wird gemessen in der Geldsumme, die die Rentenversicherung verbucht. Danach soll sich die Höhe der Rente bestimmen. Interessant wird dieses Verhältnis aber erst, wenn man weiß, wie sich das Äquivalenzprinzip bestimmt, wie sich die Leistung in der Rentenhöhe ausdrückt. Und da muss man feststellen, dass dieses Prinzip nicht einfach darin besteht, dass mit der Einzahlung auch das Ergebnis festliegt. Da haben Politiker sich viele modifizierende Faktoren ausgedacht, die dieses Prinzip bestimmen. So wird die Einzahlung ins Verhältnis gesetzt zu allen anderen und ein Durchschnitt bestimmt, an der die einzelne Leistung gemessen wird. Sinkt der Durchschnitt, so bekommt derjenige, der über dem Durchschnitt liegt zwar noch mehr als die anderen, aber absolut eben auch weniger. Auch das Verhältnis von Beitragszahler zu Rentenempfänger fließt mit in die Bestimmung der Rentenhöhe ein. Im Prinzip bestimmen die Politiker darüber, was der einzelne Rentenpunkt, in denen sich die Leistung des einzelnen ausdrückt, wert ist. So führte früher die Beitragszahlung zu 64% des Nettoeinkommens als Rente und heute zu 48% des Nettoeinkommens. Nur soll das Ganze nicht als eine willkürliche Setzung der Politik erscheinen, sondern sich aus einer komplizierten Rechenformel ergeben, in die auch die Einzahlung jedes Einzelnen mit einfließt.

Von dem Problem des demographischen Wandels

Dass es Probleme mit der Rente gibt, das ist inzwischen Allgemeingut, ebenso wie die Begründung, warum es diese Probleme gibt: „Pläne für eine „Rente ab 68“ sorgen bereits für heftige Kritik. Der demographische Wandel erfordere jedoch noch größere Einschnitte, betont Dr. Jochen Pimpertz vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW): „Die Demographie lässt sich nicht verändern. In den kommenden 20 bis 30 Jahre altert die Bevölkerung und deswegen kommen wir nicht umhin, die Regelaltersgrenze perspektivisch anzuheben, um die alterungsbedingten zusätzlichen Lasten fair zwischen den Generationen zu verteilen.“ (https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/rente-finanzierung-demographischer-wandel-100.html)

Bemüht wird immer wieder das Bild von den Jungen, die die Last der Alten tragen. Das Verhältnis der Jungen zu den Alten soll die Sicherheit der Renten bestimmen. Also ist immer wieder von Babyboomern die Rede, die mal für sichere Renten sorgen und dann wieder zu Last werden, wenn sie in Rente gehen. Das Bild ist allerdings sehr realitätsfremd. Schließlich hängt die Höhe der Beitragszahlung nicht von der Anzahl der geborenen Kinder ab. Viele Jahre gab es reichlich Kinder, aber diese wurden gar nicht gebraucht, wurden unter Jugendarbeitslosigkeit verbucht und an die Arbeitslosenversicherung zur Qualifizierung weitergereicht. Und wenn zu wenig Kinder geboren werden, dann bemisst sich der Facharbeitermangel nicht an der Menge der Arbeitskräfte, die gerne arbeiten wollen, sondern daran, ob die Unternehmen über genügend Auswahl bei den Arbeitskräften haben, um die Löhne zu diktieren. Ein Mangel herrscht dann schon bei einer Arbeitslosenquote von 5%. Die Politik ist dann bemüht, durch Import von Arbeitskräften für einen entsprechenden Überschuss zu sorgen.

Maßgeblich für die Rentenkasse ist natürlich die Höhe der Löhne. Nicht nur Rot-Grün mit den Hartz-Gesetzen hat sich da um die Senkung der Löhne verdient gemacht. Mit dem wachsenden Niedriglohnsektor gibt es immer geringere Beiträge zur Rentenversicherung; und es gibt immer mehr Rentner, die von ihrer Rente nicht leben können und daher Grundsicherung beziehen, welche nur anders heißt als das Arbeitslosengeld II bzw. Hartz IV. Das belastet die öffentlichen Haushalte. Deshalb müssen die Renten dringend reformiert werden.

Mit der Begründung des demographischen Wandels für eine Rentenreform wird die Wirkung der gelaufenen Lohnsenkungen, die mit der Inflation fortschreiten – denn alle Lohnabschlüsse liegen zur Zeit unter der Inflationsrate – in das Verhältnis von Jung und Alt verwandelt und die Jungen gegen die Alten aufgestachelt.

Ginge es wirklich um die Versorgung der Alten durch die Jungen, dürfte dies auch dann kein Problem sein, wenn es weniger Junge und mehr Alte gibt. Schließlich produzieren junge Menschen heute viele Dinge in weniger Zeit als früher und können in der gleichen Zeit also viel mehr Produkte herstellen. Dieser technische Fortschritt kommt aber nicht denen zu Gute, die arbeiten oder gearbeitet haben, sondern denen, die arbeiten lassen.

Die Altersvorsorge ist eine sehr persönliche Sache

In der Rentendebatte ist immer häufiger von dem Drei-Säulen-Modell der Alterssicherung die Rede:

„Ihre Altersvorsorge ist ein ganz persönlicher Mix. Die wichtigste Einnahmequelle im Alter ist und bleibt für einen großen Teil der Bevölkerung in Deutschland die gesetzliche Rente. Sie bildet nach wie vor ein staatlich garantiertes Fundament in Sachen Altersvorsorge. Daneben sind Alterseinkünfte aus betrieblicher Altersvorsorge oder privater Vorsorge möglich. Deshalb spricht man vom „Drei-Säulen-Modell“. Wie Sie diese Bandbreite für Ihre Altersvorsorge nutzen, hängt von Ihren individuellen Bedürfnissen und Möglichkeiten ab. Altersvorsorge ist also eine sehr persönliche Sache.“ (https://www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Rente/Moeglichkeiten-der-Altersvorsorge/Drei-Saeulen-der-Altersvorsorge.html)

Dass es sich bei der Altersvorsorge um eine ganz persönliche Angelegenheit handelt, widerlegt schon die erste Säule der Altersvorsorge, die dem Einzelnen gar nicht zur Wahl steht. Mit dem ersten Satz des Zitates ist eine Absage erteilt an die Vorstellung, mit der Rentenversicherung sei so etwas wie eine gesellschaftlich gegebene und ausreichende Absicherung für Lohn- und Gehaltsempfänger im Alter vorhanden. Es ist eine der zweifelhaften Errungenschaften der früheren Rot-Grünen Regierung, die die Lohn-Nebenkosten, also den staatlich fixierten Anteil der Lohnkosten für die Sozialversicherungen, für zu hoch befand und nicht nur die Löhne, sondern auch die Renten kräftig senkte. Damit wurde offiziell aufgekündigt, dass die Rente im Alter irgendwie den Lebensstandard absichern würde. Die Absicherung für die Zeit ohne Arbeitseinkommen im Alter wurde zur privaten Angelegenheit erklärt. Die abhängig Beschäftigten wurden aufgefordert, freiwillig zusätzlich eine Altersvorsorge zu betreiben. Dazu hat Rot-Grün den Betroffenen ein Angebot in Form der Riester-Rente gemacht. Wer zusätzlich sich gegen Altersarmut versichert, erhält einen staatlichen Zuschuss. Damit hat diese Regierung den Versicherungsunternehmen eine neue Geschäftssphäre eröffnet. Das Ergebnis ist bekannt: „Hohe Kosten, magere Rendite – die geförderte private Altersvorsorge in Deutschland ist heftig umstritten (…) Die Zurückhaltung vieler Vorsorgesparer hat Gründe. Nach einer Auswertung der „Bürgerbewegung Finanzwende“ fließt durchschnittlich jeder vierte Euro, der in einen Riester-Vertrag eingezahlt wird, in die Finanzierung der Kosten. Die Anbieter, Versicherer, Banken und Fondsgesellschaften verdienen also kräftig mit.“ (https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/riester-rente-reform-101.html) Während für die Anbieter der Gewinn gesichert ist, musste ausdrücklich gesetzlich geregelt werden, dass die Versicherten wenigstens im Alter ihre eingezahlten Beträge zurückerhalten.

Während die erste Säule drastisch reduziert wurde, scheitert die zweite Säule bei vielen schon am fehlenden Einkommen, schließlich zeigt die Einrichtung eines Niedriglohnsektors seine Wirkung: „Neue Zahlen zeigen jetzt, wie groß das Problem der Altersarmut bei geringfügig Beschäftigten künftig werden könnte: Fast 1,2 Millionen droht demnach wegen fehlender Rentenansprüche ein Ruhestand mit sehr wenig Geld. Wie aus einer Anfrage der Linke-Fraktion hervorgeht, zahlt gut die Hälfte der rund 2,3 Millionen geringfügig Beschäftigten zwischen 25 und 65 Jahren nicht in die Rentenkasse ein.“ (WAZ 26.8.2021) Diese Rechnung gibt nur ein schiefes Bild wieder. Denn selbst bei Einzahlung in die Rentenkasse können die geringfügig Beschäftigten keinen Rentenanspruch erwerben, der über die Grundsicherung hinausweist. Und auch alle Vollzeit-Beschäftigten mit Mindestlohn und kurz darüber erwerben keinen nennenswerten Rentenanspruch. Die jetzt gehandelten Vorschläge zum Mindestlohn zielen ja gerade darauf, diese Menschen von staatlichen Zuschüssen im Alter unabhängig zu machen. Das bedeutet nicht, dass sie damit der Armut entkommen.

Die dritte Säule der Altersvorsorge sollen die Betriebsrenten bilden: „Als Arbeitnehmer haben Sie Anspruch auf Entgeltumwandlung, also darauf, dass Teile Ihres Lohns oder Gehalts für eine spätere Betriebsrente gespart werden.“ (Deutsche Rentenversicherung: Betriebliche Altersvorsorge.pdf) Ein bemerkenswerter Rechtsanspruch wird hier gefeiert. Arbeitnehmer haben den Anspruch, dass ihr Arbeitgeber einen Teil ihres Lohns unversteuert in eine Finanzanlage einzahlt, die er bestimmt. Was er an Sozialabgaben bei dieser Regelung spart, soll er in diese Einlage einbringen. Auch diese Form der Alterssicherung muss der Mensch sich leisten können.

Mit den drei Säulen haben sich die Regierenden aller Parteien einen Anspruch entledigt: Dass man von seiner gesetzlichen Rente leben kann. Auch für Lohnabhängige ist damit Alterssicherung eine Privatangelegenheit geworden, was nicht bedeutet, dass man deswegen vom Staat weniger zur Kasse gebeten würde.

Ein Blick nach vorne – zeigt die Selbstversorger

Wahlkampf – Streit um Renten

Im Wahlkampf wird immer wieder das Bild bemüht, dass es bei der Wahl auch immer um eine Entscheidung in der Sache geht. Dazu gibt die Rentenfrage ein schönes Beispiel ab. So will die CDU eine „Generationenrente“ prüfen, bei der der Staat einen bestimmten Betrag ab der Geburt in einen Fonds einzahlt, der sein Geld am Kapitalmarkt anlegt. Die SPD spricht vom schwedischen Modell, bei dem jeder Bürger verpflichtet wird, 2,5% seiner Einkünfte am Kapitalmarkt anzulegen. Die AfD setzt auf eine Fondslösung. Die FDP schlägt vor, 2% des Beitrags zur Rentenversicherung in eine gesetzliche Aktienrente einzuzahlen, während die Grünen für eine kapitalgedeckte Altersvorsorge eintreten. Wahrlich schöne Wahlalternativen, die alle die Rente vom Kapitalwachstum abhängig machen wollen, ohne dass Unternehmen oder Staat weiter belastet oder besser noch entlastet werden. Die Linke schert da etwas aus und tritt für eine höhere Absicherung von 53% des Nettolohnes ein, als Realpolitiker gehen sie davon aus, dass auch da die Beitragszahler zur Kasse gebeten werden.

Ein Grund zum Wählen soll die Rente schon deshalb sein, weil sie in den Programmen der Parteien vorkommen, auch wenn den Wählern versprochen wird, dass auch in Zukunft ihre Alterssicherung eine unsichere Angelegenheit ist.

Zuerst erschienen bei telepolis

Urheberecht
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Grafikquellen      :

Oben        —   Catrinas – Day of the Dead Ladies

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2. ) von Oben     —       Franz Müntefering (l.) und Gerhard Schröder (r.) bei der Abschlusskundgebung im Bundestagswahlkampf 2005 in Frankfurt am Main

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Raus aus dem Silodenken

Erstellt von DL-Redaktion am 14. September 2021

Die Klimawende kann im Ganzen nur durch tiefes Umdenken geschehen.

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Von Katrin Elsemann und Laura Haverkamp

Auch Sozialentrepreneure sind gefragt. Leider werden sie oft in ihrer Arbeit behindert. Solange wir Wachstum nur monetär berechnen, verlieren wir den Blick auf das, was zerstört wird.

Man stelle sich vor, wir lebten in einer Gesellschaft, in der Fortschritt am Wohlergehen möglichst vieler Menschen und des Planeten gemessen würde. Einer Gesellschaft, die Wertschöpfung förderte und Schadschöpfung verhinderte. In einer Gesellschaft, in der wir Unternehmen und Organisationen gründeten und führten rund um die Idee, einen Beitrag zu einer chancengerechten, nachhaltigen und inklusiven Welt zu leisten.

Zukunftsbilder wie diese zur Realität zu machen hieße, soziale Innovationen zu fördern. Sie beschreiben laut dem Hightech-Forum der Bundesregierung, einem der obersten Beratungsgremien für Zukunftsfragen, „neue soziale Praktiken und Organisationsmodelle, die darauf abzielen, für die Herausforderungen unserer Gesellschaft tragfähige und nachhaltige Lösungen zu finden“. Und sie kommen in diesem Wahlkampf kaum vor. Stattdessen hören wir immer wieder etwas von (nicht) zumutbaren Zumutungen, von Gängelung, von möglicher Verbotskultur, von der Notwendigkeit, Freiheit (welche eigentlich?) zu schützen. Das ist ein Versäumnis. Soziale Innovationen gehören auf die große Bühne der Politik, aus vielen Gründen.

Auf dem Weg in Richtung Zukunft, so viel scheint uns als wissenschaftsorientierten Bür­ge­rin­nen klar, müssen wir wilde Anstrengungen unternehmen, um uns nicht selbst durch unsere nicht zugemuteten Zumutungen unserer Lebensgrundlage zu entziehen. Ob Klimakrise, demografischer Wandel, Digitalisierung, soziale Spaltung: Die gesellschaftlichen Herausforderungen sind groß und komplex. Und sie bedürfen, dass wir rausgehen aus den Silos, Gewohnheiten und Zuständigkeiten, in denen wir uns heute noch viel zu stark organisieren. Umdenken ist angesagt!

Erstes Hindernis auf dem Weg zu einer nachhaltigen und chancengerechten Welt: Die Technologie wird es schon richten. Nein, wird sie nicht. Und erst recht nicht, wenn wir auf dem Weg auch Bildung mitnehmen und gesellschaftliches Miteinander neu denken. Transformation ist sozial, immer. Daher kann auch unser Innovationsbegriff und unser Innovationsökosystem nicht auf rein technologische Innovationen ausgelegt sein.

So wird uns die Ernährungswende nicht gelingen, wenn wir unsere Haltung zu Lebensmitteln nicht verändern. Innovationen liegen auch darin, Kindern Natur näher zu bringen, Wertschöpfungsketten für nicht genormte Lebensmittel zu schaffen oder die öffentliche Allmende wieder zu beleben.

Die Mobilitätswende wird uns nicht gelingen, wenn wir nicht die Beziehung von Arbeit und Leben neu denken. Soziale Innovationen stecken in der Wiederbelebung ländlicher Strukturen durch die Stärkung von Bürgerengagement, in regionalen Mobilitätskonzepten und in multifunktionalen Wohn- und Arbeitsformen.

Klimaschutz wird uns nicht gelingen, wenn wir nicht Konsumalternativen aufzeigen, Menschen für Klimaschutz begeistern und mit neuen Landwirtschaftskonzepten schützen.

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Seit 16 Jahren auf den Ritt durch den Klimawandel

An all diesen und vielen anderen Veränderungsprozessen arbeiten heute schon Social Entrepreneurs – Unternehmerinnen und Unternehmer, die innovativ gesellschaftliche Herausforderungen angehen und dabei die ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit im Blick behalten. Die bisher aber von der Politik ausgebremst werden, da es für Sozialunternehmen keine klare Zuständigkeit innerhalb der Bundesregierung gibt. Das zeigt sich schon bei der Gründung – und der richtigen Rechtsform. Sozialunternehmen haben die Gemeinwohlorientierung in der DNA verankert, bekommen aber oft keine Gemeinnützigkeit, da ihre innovativen Geschäftstätigkeiten nicht in die Abgabenordnung der Finanzämter passen.

Nächster Punkt: Wenn jedes politische Ressort das gut macht, was es am besten kann, ist alles getan. Nein, ist es nicht. Wenn wir bei diesem Silodenken bleiben, in dem das Wirtschaftsministerium Wachstum fördert, das Umweltministerium aufräumt, was an ökologischen Schäden produziert wurde, und das Sozialministerium sich darum bemüht, dass für alle etwas übrig bleibt, gibt es keinen Fortschritt.

Quelle        :            TAZ-online             >>>>>         weiterlesen 

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Grafikquellen          :

Oben     —       Karikatur von Gerhard Mester zum Thema Klimawandel und Kohleverbrennung: – Totschlagargument Arbeitsplätze (Stichworte: Globus, Erde, Klima, Kohle, Energie, Umwelt)

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Zum Bundestagswahlkampf

Erstellt von DL-Redaktion am 14. September 2021

Stabil unterwegs in Richtung Abgrund

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Eine Kolumne von Christian Stöcker

Es gibt eine Menge politische Standardfloskeln, die gerade ihren Sinn verlieren. Dazu gehören »Stabilität« und »Verlässlichkeit«, zwei Lieblingsvokabeln von Angela Merkel. Sie bedeuten jetzt das Gegenteil.

Wer sich ein eindrückliches Bild davon verschaffen will, was in den nächsten Jahrzehnten auf den Planeten Erde zukommt, dem sei Kim Stanley Robinsons Roman »Das Ministerium für die Zukunft« empfohlen.

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Eine persönliche Reformidee

Erstellt von DL-Redaktion am 13. Juni 2021

So geht es auch ohne die Rente mit 68

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Eine Kolumne von Hermann-Josef Tenhagen

Politik und Wissenschaft diskutieren über die Rente mit 68. Doch eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit ist kein Muss: Wer klug vorsorgt, kann auch im Alter das Leben genießen.

Jetzt ist es quasi amtlich, die gesetzliche Rente in ihrer heutigen Form macht die Besserverdienenden zu reicheren Rentnern, die Ärmeren zahlen drauf. Das steht auch in der umstrittenen neuen Studie des wissenschaftlichen Beirats des Wirtschaftsministeriums. Deren Inhalt aber mag sich Minister Altmaier an keiner Stelle zu eigen machen, schließlich schlagen die Wissenschaftler auch ganz ernsthaft eine Rente mit 68 vor. Fürs Jahr 2042, wenn die Lebenserwartung weiter so steigt wie bisher. Erhellend ist die Studie trotzdem.

Doch sie ist gleich in mehrfacher Hinsicht politisch:

  1. Der Vorschlag wurde natürlich erst nach der Wahl in Sachsen-Anhalt öffentlich, eigentlich liegt die Studie schon seit 4. Mai vor.
  2. Für den Vorschlag haben sich die Wissenschaftler ein hermetisch geschlossenes Experimentierfeld gebaut. Größere Änderungen der Rentenpolitik haben sie für ihre Modellrechnungen ausgeschlossen. Weder sollen in dem Modell künftig Beamte in die Rentenversicherung einzahlen noch Selbstständige.
  3. Und eine nennenswerte Migration, also junge Männer und Frauen aus dem Ausland, die hier arbeiten wollen und ganz nebenbei unsere Rente mitfinanzieren, schließen die Wissenschaftler für ihr Szenario auch gleich aus. Studien zeigen aber, dass solche Arbeitsmigration einen deutlich positiven Effekt auf die Rentenkasse haben.

Dann bleiben aber nur noch weniger Optionen. Weil die Zahl der künftigen Rentnerinnen und Rentner so schon feststeht und die Zahl der künftigen Erwerbstätigen auch, können nur die einen mehr zahlen oder die anderen weniger bekommen. Der Geburtsjahrgang 2012 (674.000 Kinder), der einen wesentlichen Teil meiner Rente wird zahlen müssen, ist etwa halb so groß wie mein Geburtsjahrgang 1963 (1,356 Millionen Kinder).

Wenn die Erwerbstätigen die höhere Rentenlast nicht über die Beiträge zahlen sollen, kann die Rechnung natürlich auch über Steuern ausgeglichen werden. Schon 2019 flossen über hundert Milliarden Euro Steuergeld in die Rentenkasse, im Corona-Jahr 2020 waren es noch einige Milliarden mehr, deutlich über 20 Prozent des Bundeshaushalts. Und bei den Steuern können künftige Regierungsmehrheiten natürlich Milliardäre oder Autofahrer stärker zur Kasse bitten. Bezahlt werden muss es aber in jedem Fall aus dem hierzulande erwirtschafteten Wohlstand. Und mehr davon kriegen dann wir Alten.

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Rentenerhöhung reicht nicht

Erstellt von DL-Redaktion am 3. Juli 2020

Das Hohe Lied von einer Niedrigen Rentenerhöhung

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Quelle      :      Scharf   —   Links

Von Holger Balodis

Nun gab es sie doch: die Rentenerhöhung von 3,45 Prozent im Westen und 4,2 Prozent in Ostdeutschland. Kritiker wollten sie eigentlich wegen Corona ausfallen lassen. Doch die geforderte Nullrunde kommt mit großer Wahrscheinlichkeit im nächsten Jahr, so will es die Rentenanpassungsformel.

Was bei diesen Rechenspielen leicht vergessen wird: Es gab in den vergangenen 30 Jahren ein Bündel von staatlichen Maßnahmen, die massiv in Rechte der Versicherten und Rentner eingegriffen haben. Darunter die radikale Streichung der Anrechnung von Ausbildungszeiten, die Einführung von rentensenkenden Dämpfungsfaktoren, die schrittweise Einführung der Rentenbesteuerung und vieles mehr. Für die meisten bedeutet das eine Entwertung ihrer Rente um rund 40 Prozent.

Mit anderen Worten: Die Renten in Deutschland sind viel, viel zu niedrig. Im Durchschnitt werden Altersrenten von weniger als 1.000 Euro monatlich ausgezahlt. Das liegt klar unter der Armutsgefährdungsschwelle, die das Statistische Bundesamt bereits 2018 für Einpersonenhaushalt mit 1.035 Euro bezifferte.

Dabei ginge das auch anders. Der aktuelle Rentenwert, der seit gestern bei 34,19 Euro im Westen und 33,23 Euro im Osten liegt, könnte auf 45,00 Euro bundesweit erhöht werden. Dann würde die Standardrente nach 45 Versicherungsjahren in Ost wie West auf 2.025 Euro brutto klettern und dadurch würden auch jene, die schlechter verdienen und weniger Arbeitsjahre schaffen, eine halbwegs armutsfeste Rente bekommen. Wie das geht, rechnen wir haarklein in unserem neuen Buch „Rente rauf! So kann es klappen“ vor.

Die wichtigsten Maßnahmen: Der Einstieg in eine Erwerbstätigenversicherung, moderate Beitragssatzsteigerungen und ein fairer Bundesanteil, so wie er bereits 1957 bei der großen Rentenreform vorgesehen war. Gewinner wären alle Rentner, aber auch die heutigen Beitragszahler, also die Jungen. Die marschieren nämlich, wenn nicht schleunigst etwas passiert, fast zur Hälfte in Richtung Altersarmut. Etwas mehr belastet würden Arbeitgeber und Staat, doch verglichen mit den coronabedingten Lasten, wären das wahrlich nur Peanuts. Und die gesellschaftlichen Kosten, die ein Rentensystem verursacht, das immer mehr Menschen in die Altersarmut stürzt, sind fraglos sehr viel höher. Es ist die richtige Zeit, einen mutigen Schritt zu tun.

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Rentner brauchen keine Corona – ihnen reicht der Hunger !

Die heute im Bundestag verabschiedete Grundrente ist das übrigens nicht. Sie hilft so gut wie niemandem über die Armutsgefährdungsschwelle. Und denen, die am schlechtesten verdient haben, hilft sie gar nicht. Das ist ärgerlich und peinlich zugleich.

Der Link zu einem Interview mit Holger Balodis: Warum wir bessere Renten brauchen! https://www.youtube.com/watch?v=PWnsNU4dQG4

Holger Balodis und Dagmar Hühne: Rente rauf! So kann es klappen, DVS Verlag, 204 Seiten, 18 Euro (ISBN 978-3-932246-98-2), jetzt die leicht überarbeitete 2. Auflage Sie bekommen das Buch schnell und portofrei entweder direkt über uns (info@vorsorgeluege.de) oder den Frankfurter DVS-Verlag (http://www.dvs-buch.de/).

Urheberrecht
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Description Armut Bettler Obdachlos
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Unten         —        Suizide    –  кримзон VI

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Opposition – „Die Linke“ ?

Erstellt von DL-Redaktion am 23. Juni 2020

Das Bedingungslose Grundeinkommen und die fragwürdige Demokratie  innerhalb der Partei „Die Linke“

File:Die Linke Grundrecht Grundeinkommen BGE Berlin 2013.jpg

Quelle        :      Scharf  —  Links

Von Charly Hörster

Es ist entschieden. Die nach Satzung erforderlichen Unterschriften für einen Mitgliederentscheid zur Aufnahme eines bedingungslosen Grundeinkommens in die Programmatik der Linkspartei sind eingereicht, geprüft und für gültig befunden worden.

Der Vorstand hat am vergangenen Wochenende beschlossen, gemäß Satzung den Mitgliederentscheid zur Beschlussfassung dem nächsten Bundesparteitag vorzulegen.

So weit, so gut.

Weniger gut, weil nicht nur meines Erachtens „zu weit“ gehend, ist die Beschlussfassung des Vorstandes, dem Bundesparteitag bei der Durchführung des Mitgliederentscheides zu empfehlen, mit „Nein“ zu stimmen.

Die Konsequenzen, den Mitgliedern ein solches Abstimmungsverhalten vorschreiben zu wollen, liegen auf der Hand:

1. Nimmt die Mitgliedschaft die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens in die Programmatik per Mitgliederentscheid, vermutlich im Jahre 2021/22 nach der Bundestagswahl, an, steht der Bundesvorstand völlig „belämmert“ da. Seine Autorität wäre dahin. Das Vertrauen der Mitgliedschaft in den Vorstand ebenso. Ein Vorstand, der das Vertrauen der Mitglieder verliert, hat folgerichtig mit sofortiger Wirkung zurückzutreten. Es müsste ein neuer Vorstand gewählt werden, der den Kampf um die Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens in der Gesellschaft und in eventuellen Verhandlungen mit anderen Parteien auch glaubwürdig durchführen kann.

2. Schlimmer wäre die andere Konsequenz. Folgen die Mitglieder der Empfehlung des Bundesvorstandes, so glaubt dieser sicher, erst einmal einen Sieg errungen zu haben. Aber es handelt sich hier um einen „Pyrrhussieg“ der Demokratie, denn die Parteiführung hat dann einen Sieg über die eigene Basis errungen. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass laut auch von Katja Kipping angeführten Umfragen, über 70 % der Parteimitglieder der Linken, sich die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens gut vorstellen können. Die Genossinnen und Genossen hätten dann gegen ihre eigenen Überzeugungen entschieden, und sich so zu gehorsamen Untertanen der Parteifürsten degradieren lassen. Und das in einer linken Partei! So etwas rächt sich in aller Gewissheit nicht nur in der Politik!

Was bedeutete das Scheitern des Ersten aus der Basis heraus bewirkten Mitgliederentscheides? Für das Selbstbewusstsein der Partei und ihrer einzelnen Mitglieder? Außenstehende könnten sagen, dass sich die Mitglieder mal wieder brav den Vorgaben des Parteikaders folgend verhalten hätten.

Weitere Mitgliederbefragungen oder gar -entscheide, wofür immerhin ein Quorum von 5 % der Mitglieder an Unterschriften beizubringen ist, würden zum lahmen Gaul. Man bedenke, dass sich die Partei „Die Linke“ ja eigens Volksentscheide in ihr Programm geschrieben hat! Wie glaubwürdig bliebe sie dann noch bei einem solchen Vorgehen und einer solchen Abstimmungsgängelung?

Abschließend möchte ich noch einmal darauf aufmerksam machen, dass ein Mitgliederentscheid die höchste Form parteidemokratischer Ausübung darstellt. Dagegen ist die Frage, wie der Bundesvorstand entscheiden würde „völlig Wurst“ oder wie es in einer weniger fleischigen Sprache heißen könnte, unerheblich und nicht gerade einer parteiinternen Demokratie förderlich!

Inhaltlich bleibt festzuhalten, dass das von der den Mitgliederentscheid bewirkt habenden Bundesarbeitsgemeinschaft ausgearbeitete Konzept des Bedingungslosen Grundeinkommens jedem einzelnen Mitglied unserer Gesellschaft eine sichere und finanziell sorgenfreie Existenz und Teilhabefähigkeit ermöglicht. Darüber hinaus werden jedwede Sanktionsmöglichkeiten, die Nötigung zur Aufnahme einer nicht eigens akzeptierten Arbeit und eine die natürliche Scham ignorierende Bedürftigkeitsprüfung abgelehnt! Was wäre das für eine grandiose linke Politik!

Hätten wir bereits ein linkes Grundeinkommen verwirklicht, würde die Gesellschaft in und auch nach der Corona-Pandemie noch ein bisschen bunter und vielfältiger aussehen. Es gäbe weniger Pleiten, keine Existenzsorgen, vermutlich viel weniger Selbstmorde, aber auch weit mehr kleinere Unternehmen mit spritzigen Ideen.

File:Grundeinkommen statt Existenzangst BGE Berlin 2013.jpg

Die Einführung eines solchen Grundeinkommens sorgt also nicht nur für ein gesundes Selbstbewusstsein der Menschen, sondern auch für mehr Kreativität und Vielfalt und auch für eine stabilere Gesundheit! Schließlich sollte der Mensch nicht mehr „arbeiten müssen, um zu leben“, sondern ein Leben führen dürfen, das sinnvolle Arbeit aus sich heraus erst ermöglicht! Hierzu muss aber erst mal jeder Zwang zur Arbeit aufgehoben werden. Die Genossinnen und Genossen der Linkspartei sollten sich mit deutlicher Mehrheit für dieses Stück Zukunft und Glaubwürdigkeit aussprechen!

 Charly Hörster, 1. Vorsitzender des philosophischen Josef-Dietzgen-Clubs e.V. (Mitglied im Netzwerk Grundeinkommen)

Eiertanz der Partei DIE LINKE um ein Bedingungsloses Grundeinkommen – 21-06-20 20:55
Schindler zum möglichen Mitgliederentscheid BGE – 21-06-20 17:30

Urheberrecht
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Träume sind Schäume ?     vom 21. 06. 2020

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Grafikquellen      :

Oben       —       Mehr als 2.000 Teilnehmer demonstrieren für ein Bedingungsloses Grundeinkommen auf der BGE-Demonstration am 14. September 2013 in Berlin

Source Die Linke

Author stanjourdan from Paris, Franc

 

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Unten          —          Mehr als 2.000 Teilnehmer demonstrieren für ein Bedingungsloses Grundeinkommen auf der BGE-Demonstration am 14. September 2013 in Berlin

Basic Income Demonstration in Berlin

Author stanjourdan from Paris, France
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LINKE: Zukunft – für wen?

Erstellt von DL-Redaktion am 11. Juni 2020

Das Konjunkturpaket der Regierung

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So geht Regierung, für jeden Baum eine Kanne – den Rest für uns selbst.

Quelle     :        Scharf  —  Links

Hintergrundinformation des Bereichs Strategie & Grundsatzfragen der Partei DIE LINKE.

Die Bundesregierung hat das größte Paket von Wirtschaftshilfen und Konjunkturanreizen seit Bestehen der Bundesrepublik verabschiedet. Das Konjunkturprogramm setzt auf Anreize für Innovationen in der Auto- und Metall-Industrie, um Elektromobilität und Dekarbonisierung zu beschleunigen. Die Ko-Finanzierung von Kauf, Flottenaustausch, Antrieb (über Strompreissenkungen und Ladeinfrastruktur) soll darauf hinwirken, dass entsprechende Produktionskapazitäten aufgebaut werden. Forschungsförderung in großem Umfang entlastet die Unternehmen davon, ihre Gewinne für die eigene Innovation einzusetzen. Die Förderung ist eine Modernisierungs-Strategie der Industrie aus Steuermitteln, die auf die Struktur der Wirtschaft insgesamt keinen Einfluss nimmt: Es gibt keine systematische Förderung kollektiver, umweltfreundlicher Mobilität: Keine Maßnahmen zum Umstieg vom Flugzeug auf die Schiene für Fahrgäste oder Fracht – aber es werden Flugzeuge gefördert, die weniger Kerosin verbrauchen. Wer sich Bahnfahrten nicht leisten konnte, kann das auch nicht, wenn – falls – die Bahn tatsächlich die 3% Mehrwertsteuersenkung von den Preisen abzieht. Das Eigenkapital der Bahn wird erhöht, aber es gibt keine billigeren Fahrpreise, Freifahrten oder Bahncard 50 für alle. Eine gesellschaftliche Steuerung, die klimaneutrale Wirtschaftszweige wie Gesundheit und Pflege, allgemein personennahe Dienstleitungen stärkt, ist nicht vorgesehen.

Das Paket verbindet Zuschüsse für den Umstieg der Industrie auf Elektro-Antriebe, Wasserstofftechnologie und Digitalisierung mit Steuersenkungen für Unternehmen. Auch die beschlossene Senkung der Mehrwertsteuer ist zuallererst ein Geschenk an die Unternehmen – die keineswegs gezwungen sind, die Preise entsprechend zu senken. Alle Umfragen sagen, dass die meisten Menschen keine größeren Anschaffungen in der Zeit der Krise planen, auch nicht, wenn es Kaufprämien gibt. Aus dieser Zurückhaltung sollen ihnen 3% Mehrwertsteuer-Senkung heraushelfen – für sechs Monate. Eltern bekommen einmalig 300 Euro. Alleinerziehende mit entsprechendem Einkommen können mehr Freibeträge bei der Steuer absetzen – viele müssen allerdings gar keine Steuern zahlen, weil sie direkt in der Armutsfalle sitzen: 36% der Alleinerziehenden beziehen Hartz IV (aber nur 9,4% der Gesamtbevölkerung). Sie können 300 Euro auf den Kopf hauen und das war’s.

Hätte man den Verbraucher*innen mehr Geld geben wollen, wären höhere Löhne das richtige Mittel gewesen: z.B. indem Zuschüsse für Unternehmen an Tariflöhne gebunden worden wären, durch die erleichterte Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen, durch einen Sonderfonds für die Aufstockung der Gehälter in der Pflege und durch Anhebung der Grundsicherung. Die Empfehlung der Mindestlohnkommission zur Höhe des Mindestlohns steht noch aus. Auch das wäre eine Chance, den Beschäftigten mehr Sicherheit zu geben und gleichzeitig die Nachfrage zu stärken. Höhere Löhne, mehr Personal in der Pflege, entschlossener Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs oder eine Anhebung von Arbeitslosengeld und Grundsicherung – das wären Maßnahmen, die längerfristig dafür gesorgt hätten, dass Menschen optimistisch die Zukunft geplant hätten. Die systemrelevanten Beschäftigten, die uns mit ihrem engagierten Einsatz und für schlechten Lohn durch die Krise gebracht haben, gehen wieder leer aus.

Auch die Deckelung der Sozialversicherungsbeiträge auf 40 Prozent ist ein Geschenk zu allererst an die Unternehmen (und eine alte FDP-Forderung): Sie schützt die Unternehmen davor, die Kosten der sozialen Absicherung der Beschäftigten zu tragen. Die Nettoeinkommen der Beschäftigten würden geschützt durch eine höhere Tarifbindung, die gesetzliche Fortgeltung von Tarifverträgen bei Auslagerung von Unternehmensteilen – und durch einen deutlich höheren Mindestlohn. Doch von all dem findet sich im Konjunkturpaket der Regierung: nichts.

Liquiditätshilfen     

Die befristete Absenkung der Mehrwertsteuer ist mit 20 Milliarden Euro der größte Einzelposten im Konjunkturpaket. Die „Stärkung der Binnennachfrage“ wird als Ziel genannt. Ob sie diese Wirkung überhaupt erzielen kann, hängt davon ab, ob die Unternehmen die Steuersenkung als Preissenkung an die Kunden weitergeben. Eine kurzfristige Absenkung der Mehrwertsteuer hat am ehesten im hochpreisigen Bereich Auswirkungen auf die Preise. Dass der Mehrwertsteuersatz für Hotels in der Vergangenheit abgesenkt wurde, hatte beispielweise kaum Auswirkung auf die Preise. Diese Steuersenkung ist als staatlicher Zuschuss an die Unternehmen zu bewerten. Soweit es ihnen zur Umsatzsteigerung sinnvoll erscheint, können sie entscheiden die Preise zu senken. Daher wird die Absenkung auch als Ersatz für die im Vorfeld umstrittene Kaufprämie für Autos mit Verbrennungsmotoren oder im Preissegment über 40.000 Euro diskutiert. Oder sie nutzen die gesenkte Steuer bei gleichbleibenden Preisen zur Erhöhung ihrer Gewinnmargen. Wird die Steuer Anfang kommenden Jahres wieder auf das bisherige Niveau angehoben, ist zudem eine Preiserhöhung mit der Begründung der erhöhten Steuer möglich. Alternativ ist eine Debatte zu erwarten, die Mehrwertsteuer dauerhaft auf dem niedrigeren Satz zu belassen und damit die Steuereinnahmen des Staates dauerhaft zu senken. Die Mehrwertsteuer trägt ca. ein Drittel zum Steueraufkommen bei. Ein Ausgleich aus stärker progressiven Steuern wäre sinnvoll, aber unwahrscheinlich, da zunächst die (Teil-)Abschaffung des Solidaritätszuschlags ansteht. DIE LINKE hat sich stets gegen Erhöhungen der Mehrwertsteuer ausgesprochen. Eine (noch dazu: zeitlich begrenzte) Senkung der Steuer hat jedoch nicht denselben Effekt auf die Einkommen wie der Verzicht auf eine Erhöhung, da es einzig den Unternehmen überlassen ist, ob die Steuersenkung in Form von niedrigeren Preisen an die Verbraucher*innen weitergegeben wird. Sie ist deshalb kein wirksamer Weg zur Stärkung der Kaufkraft niedriger Einkommen.

Gleich der zweite Punkt des Paktes ist die als „Sozialgarantie 2021“ bezeichnete Deckelung der Sozialversicherungsbeiträge bei 40 Prozent. Krisenbedingt werden höhere Ausgaben der Sozialversicherung erwartet. Die fehlenden Beträge sollen aus Steuermitteln „jedenfalls bis zum Jahr 2021“ gedeckt werden. Das wird als „Schutz der Nettoeinkommen der Beschäftigten“ verkauft, schützt aber vor allem die Gewinne der Unternehmen vor höheren Sozialversicherungsbeiträgen: denn bei ihnen fallen sie besonders ins Gewicht, da sie für alle Beschäftigten zu zahlen sind. Die Beiträge sind die soziale Absicherung der Beschäftigten. Die Deckelung beinhaltet deswegen die Gefahr, dass in Zukunft Leistungen eingeschränkt werden – wegen „leerer Kassen“. Dies ist besonders relevant, da auch die zukünftige Finanzierung der Rentenversicherung noch offen ist.

An direkt so benannten Hilfen für Unternehmen enthält das Paket 13 Milliarden Euro für erleichterte Abschreibungen und Ausweitung des zulässigen steuerlichen Verlustrücktrags für 2020 und 2021 sowie die dauerhafte Verschiebung der Fälligkeit der Einfuhrumsatzsteuer (= Mehrwertsteuer auf Importe). Die Gewerbesteuer soll dauerhaft stärker mindernd bei der Einkommensteuer angerechnet werden. Personengesellschaften können zudem künftig wählen, wie Kapitalgesellschaften besteuert zu werden, und sich so den für sie billigeren Steuersatz auswählen.

25 Milliarden Euro stehen für weitere Zuschüsse zu den Betriebskosten für kleine und mittlere Unternehmen für Juni bis August bereit, deren Umsätze Corona-bedingt stark zurückgegangen sind. Gemeinnützige Organisationen wie Bildungsstätten sollen über 1 Milliarde zusätzlicher KfW-Kredite gestützt werden, die den Ländern zur Verfügung gestellt werden. Eine weitere Milliarde ist für Kultureinrichtungen vorgesehen.

Arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Maßnahmen

Eltern bekommen einen Kinderbonus von 300 Euro pro Kind. Er wird nicht auf die Grundsicherung angerechnet. Er wird allerdings mit dem steuerlichen Kinderfreibetrag verrechnet, so dass er höher Verdienenden nicht zugutekommt. Der Finanzbedarf dafür wird mit 4,3 Mrd. Euro veranschlagt. Die Sozialverbände kritisieren, dass eine gezielte Förderung von armutsgefährdeten Kindern an dieser Stelle sozialpolitisch weiterführender gewesen wäre.

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Die vereinfachte Beantragung der Grundsicherung („Hartz IV“) soll bis zum 30. September 2020 verlängert werden. Eine Erhöhung der Regelsätze ist nicht vorgesehen. Auch die Regeln zur Vermögensprüfung werden nur zeitweise ausgesetzt, nicht verändert oder abgeschafft.

Der Zugang zum Kurzarbeitergeld soll verlängert werden und dazu im September eine Regelung vorgelegt werden. Zum Schutz von Beschäftigten vor Erwerbslosigkeit ist dies zweifellos gut. Es ermöglicht allerdings den Unternehmen die der Lohnkosten in Zeiten schwacher Auftragslage auf die Erwerbslosenversicherung abzuwälzen. Das hat sich z.B. bei BMW gezeigt: Die Löhne der Beschäftigten wurden wochenlang aus der Erwerbslosenversicherung bezahlt. An die Aktionär*innen schüttete das Unternehmen gleichzeitig 1,6 Milliarden Euro Dividenden aus. Die Kosten dafür werden durch die nun vereinbarte Deckelung der Sozialversicherungsbeiträge zusätzlich aus Steuermitteln aufgebracht – und damit faktisch die Gewinne der Aktionär*innen subventioniert.

Mit 500 Millionen Euro sollen zudem Ausbildungsplätze erhalten werden und der Abbruch von Ausbildungen durch die Betriebe verhindert werden. Dafür erhalten Betriebe Zuschüsse von 2.000 Euro pro Ausbildungsplatz, wenn sie in gleichem Umfang wie in den letzten drei Jahren Ausbildungsplätze anbieten. Unternehmen, die mehr Ausbildungsplätze als bisher anbieten, erhalten 3.000 Euro pro zusätzlichem Ausbildungsplatz. Kleine und mittlere Unternehmen (= bis max. 250 Beschäftigte) können Prämien beantragen, wenn sie begonnene Ausbildungen weiterführen und Azubis und Ausbilder nicht in Kurzarbeit schicken, oder ihre Azubis durch eine geförderte Auftragsausbildung ausbilden lassen.

Entlastung der Kommunen

Zur Entlastung der Kommunen sind 10 Milliarden Euro vorgesehen. Die CDU hat sich hier durchgesetzt mit der Übernahme von 75 Prozent der Kosten der Unterkunft für Hartz-IV-Beziehende und einen Ausgleich der entgangenen Gewerbesteuereinnahmen. Die SPD konnte sich mit der Forderung der Übernahme der kommunalen Altschulden durch den Bund nicht durchsetzen. Die strukturellen Probleme der Kommunen bleiben somit bestehen: Der kommunale Investitionsstau beträgt 138 Milliarden Euro.

Zum Ausgleich der Einnahmeausfälle des ÖPNV werden einmalig 2,5 Milliarden Euro bereitgestellt. Umbauten und Erweiterungen von Kitas werden 2020 und 2021 mit insgesamt 1 Mrd. Euro gefördert. Investitionen in Ganztagsschulen und Ganztagsbetreuung in diesem Jahr und 2021 sollen die Länder zusätzlich zur Verfügung gestellt werden. Der Investitionsstau in Schulen wird auf 58 Mrd. Euro geschätzt. Die Regierung hat 2 Mrd. Euro Finanzbedarf eingeplant. Für Sportstätten gibt es zusätzlich 150 Mio. Euro. Für einzelne Klimaschutzprogramme des Bundes soll zudem der erforderliche kommunale Eigenanteil gesenkt werden.

Zukunfts- und Investitionsprogramm

Im „Zukunftspaket“ sollen 50 Milliarden investiert werden. Im Fokus stehen dabei 1.) Ausbau der Elektromobilität, 2.) Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft und 3.) beschleunigte Digitalisierung von Wirtschaft, Verwaltung und öffentlichen Dienstleistungen. Zudem wird die unternehmensnahe Forschung mit 2,3 Mrd. Euro stärker gefördert und Beiträge von Unternehmen ggf. durch öffentliche Mittel ausgeglichen.

Im Verkehrsbereich soll der „Strukturwandel der Automobilindustrie begleitet und zukunftsfähige Wertschöpfungsketten aufgebaut werden“. Dazu wird der Verkauf von Elektro- Hybridautos mit zusätzlichen 2,2 Mrd. Euro subventioniert. Für reine Verbrenner ist – über die gesenkte Mehrwertsteuer hinaus- – keine Prämie vorgesehen. Zudem soll die KfZ-Steuer für Neufahrzeuge ab 2021 am CO2-Ausstoß orientiert sein und für Fahrzeuge über 95g CO2/km stufenweise angehoben werden. Die Befreiung von der KfZ-Steuer für E-Autos wird bis 2030 verlängert. Gefördert werden zudem Investitionen der Hersteller in neue Verfahren, Anlagen und Forschung & Entwicklung mit 2 Mrd. Euro. Für den Ausbau der Ladesäulen, Batteriezellfertigung gibt es weitere 2 Mrd. Euro. Weitere Mittel gibt es für die Flottenerneuerung bei Bussen, LKW und Handwerker-Fahrzeugen. Die damit beabsichtigte Abkehr vom Verbrennungsmotor ist prinzipiell zu begrüßen. Umweltpolitisch bleibt sie aber hinter den Erfordernissen zurück. Eine Abkehr von Fokus auf Individualverkehr ist nicht bezweckt.

Der Deutsche Bahn werden zwar 5 Mrd. Euro zusätzliches Eigenkapital zur Verfügung gestellt. Eine Zweckbindung oder gar Verpflichtung auf eine sozialere und ökologischere Politik gibt es nicht. Jeweils eine 1 Milliarde gibt es für Modernisierungsinvestitionen in der Luftfahrt und Schifffahrt. Beim Luftverkehr soll die Umstellung der Flotten auf CO2-ärmere moderne Flugzeuge gefördert werden. Bei der Schifffahrt wird die Betankung mit Flüssiggas, Austausch von Schiffen, Schleusenmodernisierung und „digitale Testfelder“ gefördert. Auch hier geht es um die etwas CO2-sparsamere Fortführung der bestehenden Strukturen. Eine Reduzierung des Verkehrs ist hingegen nicht intendiert. Das würde einen Bruch mit der Logik der Unternehmen erfordern.

Der zügige Aufbau einer deutschen Wasserstoff-Wirtschaft ist der zweite Schwerpunkt des Investitionsprogramms. „Um den Einsatz dieser Technologien auch in Deutschland im Industriemaßstab zu demonstrieren, sollen bis 2030 industrielle Produktionsanlagen von bis zu 5 GW Gesamtleistung einschließlich der dafür erforderlichen Offshore-und Onshore-Energiegewinnung entstehen.“ Dafür die Befreiung der –stromintensiven – Wasserstoffproduktion von der EEG-Umlage vorgesehen. Das Wasserstofftankstellen-Netz soll ausgebaut werden, um den Einsatz in LKW zu fördern. Ebenso soll für Flugzeuge eine Kombination von Wasserstoff und Elektroantrieb gefördert werden. Eine verpflichtende Quote von Wasserstoff in Flugbezin soll geprüft werden. Ebenso eine Nachfragequote nach per Wasserstoffreduktion hergestelltem Stahl und die Förderung von Wasserstoffanlagen nach dem Kraft-Wärme-Koppelungs-Gesetz. Die regulatorischen Grundlagen für den Aufbau der Wasserstoffwirtschaft sollen zügig gelegt werden. Zusätzlich sollen in afrikanischen Ländern „auf der Basis der oben beschriebenen Technologien „made in Germany“ große Produktionsanlagen aufgebaut werden“, um „Deutschlands Wasserstoffbedarf zu decken“. Insgesamt 9 Milliarden sind dafür eingeplant.

Um diese stromintensiven Umstellungen der Industrie zu fördern wird zudem die EEG-Umlage gesenkt durch einen Zuschuss aus Steuermitteln in Höhe von 11 Mrd. Euro. Im beschlossenen Konjunkturpaket ist diese Absenkung der EEG-Umlage gleich der dritte Punkte (nach der Mehrwertsteuersenkung und der Deckelung der Sozialversicherungsbeiträge), was seine Bedeutung deutlich macht. Denn günstige Strompreise sind Voraussetzung „für die Energiewende hin zu strom-und wasserstoffbasierten Technologien“. Eine Reduktion des Stromverbrauchs ist nicht vorgesehen, aber er soll möglichst CO2-neutral produziert werden. Deshalb wird der Ausbau erneuerbarer Energien gefördert, indem der Deckel auf Solarenergie-Ausbau abgeschafft wird und das Ausbau-Ziel für Offshore-Windkraft auf 20 GW angehoben wird. 700 Millionen Euro werden für „nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder“ in Aussicht gestellt. Begründet wird dies mit den gesunkenen Holzpreisen und der „Förderung der Digitalisierung in der Forstwirtschaft“ sowie der Unterstützung von Investitionen in moderne Betriebsmaschinen und -geräte.

Sehr stromintensiv ist auch die dritte Säule des Investitionsprogramms: Digitalisierung beschleunigen. Geplante Investitionsmittel für Künstliche Intelligenz werden von 3 auf 5 Milliarden aufgestockt. „Aus diesen Mitteln sollen neben der Aufstockung bestehender Programme insbesondere zusätzliche Supercomputer in Deutschland angeschafft werden, um dem Bedarf an Rechenkapazität gerecht zu werden sowie die systematische digitale Bereitstellung von Daten bisher nicht zugänglicher Datenpools -gegebenenfalls in Echtzeit-für KI-Anwendungen ermöglicht werden.“ Zudem sollen „KI-Ökosysteme von internationaler Strahlkraft“ aufgebaut werden und so die Basis gelegt „für ein europäisches KI-Netzwerk und die Wettbewerbsfähigkeit von KI „Made in Europe“.“ Mit weiteren 2 Milliarden Euro soll das Ziel gefördert werden, „dass Deutschland in wesentlichen Bereichen der Quantentechnologien, insbesondere dem Quantencomputing, der Quantenkommunikation, der Quantensensorik und auch der Quantenkryptographie wirtschaftlich und technogisch an der Weltspitze konkurrenzfähig ist.“ Auch die Bundeswehr bekommt ein „Zentrum für Digitalisierungs- und Technologieforschung“. Deutschland solle weiter „bei den zukünftigen Kommunikationstechnologien 5G und perspektivisch 6G in der Weltspitze als Technologieanbieter eine führende Rolle einnehmen“, weshalb neue software-gestützte Netzwerk-Technologien mit weiteren 2 Mrd. Euro gefördert werden. Für ein flächendeckendes 5G-Netz bis 2025 wird mit weiteren 5 Milliarden Euro der Netzausbau dort staatlich bezahlt, wo er für die privaten Netzwerk-Betreiber nicht profitabel ist.

Selbst die 3 Milliarden Euro für das „Zukunftsprogramm Krankenhäuser“ sind nicht für mehr Pflegepersonal und bessere Versorgung vorgesehen, sondern für bessere digitale Infrastruktur der Krankenhäuser, Robotik und Telemedizin. Der Begriff „Pflege“ kommt im Programm nicht vor.

Das Investitionsprogramm zeigt den Willen zur Förderung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie. Da dies unter den aktuellen Bedingungen nicht mehr mit Verbrennungsmotoren zu erreichen ist, setzt die Regierung Anreize für den Umbau zu einer deutlich CO2-ärmeren Industriestruktur und Marktführerschaft deutscher Technologie im Bereich CO2-freier Wasserstoff, Elektromobilität und Digitalisierung. Dafür werden afrikanische Länder in strategischen Partnerschaften mit verplant. Zukünftige Einsätze der Bundeswehr zum Schutz „unserer Ressourcen“ können schon jetzt auf den Weltkarten eingetragen werden.

Ein wichtiger Teil einer Zukunftswirtschaft in der Gesellschaft wären die öffentliche Daseinsvorsorge sowie die damit verbundenen sozialen Infrastrukturen in den Bereichen Mobilität, Erziehung, Bildung, Kultur, Gesundheit und Wohnen. Zwar sieht das „Zukunftspaket“ der GroKo im Mobilitätsbereich die Förderung von Flottenaustauschprogrammen vor, um dort die Elektrifizierung voranzubringen. Aber dass der ÖPNV mehr Personal braucht, das besser bezahlt wird – davon ist kein Wort zu lesen. Die anderen Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge – insbesondere dass dringend bezahlbarer Wohnraum durch sozialen Wohnungsbau geschaffen werden müsste – kommen nicht vor. Immerhin wird mit 1 Mrd. pro Jahr die energetische Gebäudesanierung gefördert. Ob dies die Bewohner auch vor Mietsteigerungen schützt, ist nicht erwähnt.

Die Engführung im „Zukunftspaket“ der Bundesregierung wird besonders deutlich im Vergleich mit dem LINKEN Zukunfts- und Investitionsprogramm aus dem Jahr 2017: Dort sind 120 Mrd. Euro pro Jahr vorgesehen, die gesellschaftlich breit investiert werden in den Ausbau von Bildung (inkl. Kitas), Wohnungen, Gesundheit, Pflege, ÖPNV sowie öffentliche und digitale Infrastrukturen – m.a.W. also in zukunftsträchtige Bereiche der Gesellschaft.1 Um die öffentlichen Investitionsfördermaßnahmen schnell in konkrete Investitionsprojekte umsetzen zu können, will die Regierung das Vergaberecht temporär vereinfachen. Das birgt die Gefahr, dass die Beteiligung von Bürger*innen und Umweltverbänden abgebaut wird. Die geplante Beschleunigung des Planungsrechts auf europäischer Ebene und ein gefordertes Programm zur „Entbürokratisierung“ hätte die Schleifung des vor allem von der EU gesetzten strikten Naturschutzrechts zur Folge.

Die Hilfen für Unternehmen sind nicht an Tarifbindung, das Verbot von Entlassungen, Verbot von Ausschüttung von Dividenden oder verbindliche Klimavorgaben geknüpft.

Reaktionen aus Gewerkschaften, Verbänden und Parteien

Gewerkschaften

Die Gewerkschaften reagieren überwiegend positiv auf das Konjunkturprogramm. Überraschendweise gilt dies auch und gerade für die Mehrwertsteuersenkung, obwohl völlig ungewiss ist, ob sie als Preissenkung an die Verbraucher*innen weitergegeben wird. Einzig ver.di kritisiert, dass es besser gewesen wäre, den Menschen das Geld direkt zur Verfügung zu stellen (z.B. in Form der von ihr vorgeschlagenen „Konsum-Schecks“). Das ver.di-Referat für Selbstständige kritisiert zudem, dass das Programm auf die besondere wirtschaftliche Situation der Solo-Selbstständigen kaum reagiere. Es fehle nach wie vor an einer Kompensation ihrer Corona-bedingten Erwerbsausfälle („Unternehmer*innen-Einkommen“). Solo-Selbstständige seien somit die einzigen Erwerbstätigen, die dafür ausschließlich auf Grundsicherung verwiesen werden. Damit werde weiterhin ignoriert, dass sie – ebenso wie andere Unternehmen und Arbeitnehmer*innen – ein Problem wirtschaftlicher Art haben, das mit entsprechenden Instrumenten angegangen werden müsse.

Die im Programm vorgesehene Entlastung der Kommunen wird von den Gewerkschaften durchwegs positiv gesehen. Kritisiert wird, dass die Altschuldenproblematik ausgeklammert wurde. Der Kinderbonus und die schrittweise Senkung der EEG-Umlage werden begrüßt. Als einzige Gewerkschaft kritisiert die IG Metall, dass auf eine Kaufprämie für Autos mit Verbrennungsmotor verzichtet wurde. Aus ihrer Perspektive hätte auch der Kauf von Autos mit emissionsarmen, modernen Verbrennungsmotoren gefördert werden müssen, auch um Beschäftigung in der Automobilindustrie zu sichern.

Sozialverbände

Der Sozialverband VdK sieht vor allem den Familienbonus von 300 Euro pro Kind als nicht zielführend. Besser wäre es aus seiner Sicht gewesen, nur arme und bedürftige Familien zu unterstützen. Auch der Paritätische Wohlfahrtsverband hatte sich schon im Vorfeld gegen einen Familienbonus ausgesprochen. Er forderte stattdessen eine Erhöhung der Grundsicherung um 100 Euro pro Monat und eine Einmalzahlung in Höhe von 200 Euro pro Kopf. Das würde in der Summe etwa ebenso viel kosten wie ein Familienbonus in Höhe von 300 Euro. Außerdem wir kritisiert, dass arme Menschen ohne Kinder überhaupt nicht vom Konjunkturprogramm profieren. Auch das Aussparen von Gehaltsverbesserungen für die Pflegekräfte kritisiert der Paritätische Wohlfahrtsverband.

Umweltverbände

Die geplante Erhöhung der Kaufprämie für Autos mit Elektroantrieb hat nach Ansicht von Umweltschützern noch zu große Schlupflöcher. Für den BUND ist die zusätzliche Förderung von Fahrzeugen mit Plug-in-Hybrid-Technologie eine Kaufprämie für Verbrenner durch die Hintertür. Es brauche einen Nachweis, wie die Plug-in-Hybride bewegt würden, etwa über das Auslesen von Verbrauchsdaten bei der Hauptuntersuchung. Wenn nicht mindestens 70 bis 80 Prozent der Strecke elektrisch gefahren würden, sei das Auto ein Verbrenner. Förderungen sollten dann erst nachträglich gewährt werden. Auch die Greenpeace beurteilt das Konjunkturpaket kritisch. Einige sinnvolle Investitionen in Klimaschutz würden überlagert von vielen Maßnahmen, die Geld pauschal mit der Gießkanne verteilen, etwa über die gesenkte Mehrwertsteuer. Problematisch sei zudem, dass Hilfen für Unternehmen nicht an verbindliche Klimavorgaben geknüpft würden.

Parteien

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer forderte die Firmen auf, die Absenkung der Mehrwertsteuer an die Verbraucher weiterzugeben. Für dem bayerischen Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ist die Senkung der Mehrwertsteuer das Herzstück des Konjunkturprogramms. Denn sie löse Kaufimpulse aus, die sich – so seine Hoffnung – dann auch auf den Automarkt auswirkten. Bereits einen Tag nach Vorstellung des Programms entspann sich eine Diskussion, ob die Mehrwertsteuersenkung, wie bislang vorgesehen, am 31. Dezember enden oder möglicherweise fortgesetzt werden solle. Söder (CSU) brachte eine längere Dauer ins Spiel, falls es im Herbst zu Rückschlägen im Kampf gegen das Coronavirus kommen sollte oder die Wirtschaft sich nicht erhole. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wandte sich gegen Söders Vorschlag: „Wir könnten uns die Finanzausfälle auf Dauer gar nicht leisten“, sagte sie im ARD-Fernsehen. Dagegen lobte Friedrich Merz (CDU) das Programm der Großen Koalition, weil es nicht zu einseitig auf den Konsum und die Nachfrage setzt. Die Krise müsse auch als „Chance einer durchgreifenden Modernisierung unserer Volkswirtschaft“ genutzt werden, und dazu enthalte das Konzept der Koalition gute Vorschläge. Dazu zählt er die Maßnahmen zur Digitalisierung der Verwaltung und zur Beschleunigung der Genehmigungsverfahren.

Aus der SPD kommen überwiegend positive Stimmen. Das direkte Kaufanreize für Autos mit Verbrennungsmotoren verhindert wurden, wird als Erfolg gewertet. Die soziale Unausgewogenheit des Programms tritt dahinter zurück. Eine Ausnahme ist Gustav Horn. Der ehemalige Chef des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) leitet nun als Mitglied des SPD-Bundesvorstands den wirtschaftspolitischen Beirat. Er ist von dem Konjunkturprogramm nicht restlos überzeugt. Zwar setzten viele Elemente „den richtigen Impuls“. Die konjunkturelle Dimension sei allerdings zu gering ausgeprägt. Erfahrungsgemäß werde die Preissenkung von den Unternehmen nur sehr langsam weitergegeben. Die Mehrwertsteuersenkung wäre besser auf bestimmte, von der Krise besonders betroffene Branchen begrenzt worden. Außerdem kritisiert er die fehlende Altschuldenregelung für die Kommunen. Eine ganz anders gelagerte Ausnahme ist Stephan Weil, der SPD-Ministerpräsident des VW-Landes Niedersachsen. Er bedauert, dass die Bundesregierung keine Kaufanreize für emissionsarme Fahrzeuge geschaffen habe.

FDP und AfD kritisierten die hohen Staatsausgaben des Konjunkturprogramms. Die AfD fordert die Mehrwertsteuer dauerhaft um sieben Prozent zu senken und die EEG Umlage abzuschaffen.

Die Vorsitzende von Bündnis90/Die Grünen Annalena Baerbock lobte den Verzicht auf eine Abwrackprämie als „Lernkurve“. Sie kritisiert die mangelnde sozialpolitische Komponente im Konjunkturpaket. Menschen mit keinen oder sehr geringen Einkommen würden nicht berücksichtigt. Es hätte eine Aufstockung der Hartz-IV-Regelsätze gerade für Kinder in diesem Bereich gebraucht. Die Solo-Selbstständigen fielen durch das Raster. Damit habe dieses Paket für sie eine deutliche soziale Schieflage.

1 Von diesen 120 Mrd. Euro refinanzieren sich 60 Mrd. Euro durch höhere Steuereinnahmen aufgrund der höheren Beschäftigung infolge der Investitionen.

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Oben      —       Girl with a watering – mural in Białystok, at Piłsudskiego Avenue

Unten      —      Flaschensammler in einer Großstadt

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Pflege-Kampagne: LINKE

Erstellt von DL-Redaktion am 6. Juni 2020

Pflege-Kampagne der LINKEN – zwei Schippen drauflegen

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AKL

Beschluss des Bundessprecher*innenrats

der Antikapitalistischen Linken (AKL) am 2.Juni nach Diskussion im AKL-Länderrat am 24.Mai 2020

Krise des Gesundheitswesens mit Personalmangel, Arbeitsdruck und niedrigen Löhnen bestand schon vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Corona hat die Krise sichtbarer gemacht und verschärft. Angesichts der SARS-Cov2-Pandemie und der Tatsache, dass sich laut RKI bis 18.5.2020 20.400 Beschäftigte von Kranken- und Pflegeeinrichtungen mit dem Virus infiziert und bereits 61 Beschäftige aus diesen Bereichen gestorben sind, schlägt die AKL vor, die seit geraumer Zeit laufende Pflegekampagne zu einem Hauptschwerpunkt der Aktivitäten der Partei auf allen Ebenen zu machen.

Die Pandemie hat die Missstände im Gesundheitswesen genauso offengelegt, wie sie die gesellschaftliche Bedeutung desselben und der Tätigkeit aller Beschäftigten für alle deutlich gemacht hat. Das bedeutet aus unserer Sicht, dass DIE LINKE ihre begonnen Aktivitäten fortsetzen und verstärken sollte, die Krankenhausbeschäftigten dabei zu unterstützen, in die Offensive zu kommen und sich Mitglieder der Partei innerhalb der Gewerkschaft ver.di für eine kämpferische Strategie zur Durchsetzung der Forderungen einsetzen sollten. Es bedeutet aber auch, dass DIE LINKE ihre eigenen sozialistischen Forderungen betonen, die Eigentums- und Systemfrage am Beispiel des Gesundheitswesens erklären und beantworten und mit Bündnispartner*innen (Kolleg*innen, ver.di, Krankenhaus statt Fabrik, Pflegebündnissen) eine Strategie zur Durchsetzung erarbeiten sollte. Die Pflegekampagne sollte eine beispielhafte Kampagne für einen sozialistischen Systemwechsel werden.

DIE LINKE stellt derzeit eine Lohnerhöhung von 500 Euro für Pflegekräfte, eine bedarfsgerechte Personalbemessung und jeweils 100.000 Pflegekräfte mehr in Krankenhaus und Altenpflege in den Mittelpunkt ihres Programms, siehe hier: https://www.pflegenotstand-stoppen.de/start/. Darüber hinaus unterstützt sie u.a. die Abschaffung der Fallkostenpauschalen und spricht sich für ein Verbot von Profiten im Krankenhaus aus und unterstützt diesbezüglich die Forderungen des Bündnisses Krankenhaus statt Fabrik: https://www.die-linke.de/partei/parteistruktur/parteivorstand/2018-2020/beschluesse/detail/news/unterstuetzung-fuer-den-aufruf-des-buendnisses-krankenhaus-statt-fabrik/

In anderen Materialien spricht sie sich dafür aus, dass Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen in öffentliche Hand überführt werden: https://www.die-linke.de/fileadmin/download/themen/Gesundheit_und_Pflege/AdPg-2020.7-Gesundheitssystem.pdf

All das unterstützen wir. Darüber hinaus schlagen wir vor, dass folgende Forderungen in den Forderungskatalog der Kampagne aufgenommen werden oder stärker in den Vordergrund gestellt werden:

Bezüglich der akuten Pandemie-Situation:

–   DIE LINKE fordert bereits ausreichend qualitativ hochwertige Schutzausrüstung und Desinfektionsmittel – sofort und nicht erst in einigen Monaten. Wir meinen: Notfalls müssen Betriebe, die Schutzausrüstungen produzieren können, sofort verstaatlicht werden und die Produktion umgestellt werden. Von niemand kann verlangt werden, dass er ungeschützt arbeitet.

–  Regelmäßige Tests (mindestens einmal wöchentlich) aller Beschäftigten in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen

–  Keine Verlängerung der täglichen Arbeitszeit auf 12 Stunden bzw. 60 Stunden in der Woche

–  Sechs-Stunden-Schicht und 30 Stunden-Woche für alle bei vollem Lohn- und Personalausgleich

–  Wer ungeschützt Kontakt zu Infizierten hatte, muss sofort getestet werden und bis zum Vorliegen des Testergebnisses bzw. zwei Wochen in Quarantäne

–  Für die Einrichtung von Krisenstäben in allen Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen bestehend aus Vertreter*innen der Belegschaft, ver.di und den Leitungen der Einrichtungen. Vertreter*innen der Beschäftigten und Gewerkschaften müssen eine Mehrheit in diesen Krisenstäben haben und mit einem Vetorecht ausgestattet sein.

– Insourcing der outgesourcten Servicebereiche:  ein Krankenhaus – eine Belegschaft! Rücknahme aller (Teil-)Privatisierungen – Gleiche tarifliche Standards und Bedingungen für alle, mindestens TVöD für Alle. Verkleinerung der Reinigungsflächen pro Reinigungskraft

– 500 Euro mehr für alle Pflegekräfte und 500 Euro Corona-Zuschlag während der Pandemie und Kampf für eine weitere Anhebung der Gehälter mit einem Einstiegsgehalt von 4.000 Euro für eine Pflegefachkraft und eine qualitative Anhebung des Mindestlohns für Pflegehilfskräfte, den die Regierung erstmal nur auf 10,85 Euro anheben will.

– Starke Lohnzuwächse für alle Beschäftigten von der Reinigungskraft bis zum Assistenzarzt

– Beschäftigte, die sich bei der Arbeit im Krankenhaus, in einer Pflegeeinrichtung oder im Sanitätsdienst durch eine Covid-19-Erkrankung geschädigt wurden, erhalten eine dauerhafte monatliche Entschädigung. Im Todesfall erhalten Hinterbliebene eine Entschädigung

– Auf der Grundlage von weit höherer Bezahlung und der Einführung von bedarfsgerechten Personalschlüsseln wird eine Kampagne gestartet zur Rückgewinnung der ca. 120.000 bis 200.000 Rückkehrwilligen („Hartmann#PflegeComeBackStudie vom November 2018), die aus dem Pflegeberuf ausgestiegen sind. Die Abwerbekampagne von Pflegepersonal aus anderen Ländern muss sofort gestoppt werden. In den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen müssen – wie DIE LINKE es bereits fordert – je 100.000 Pflegekräfte mehr beschäftigt werden.

– DIE LINKE fordert die sofortige Abschaffung der Fallkostenpauschalen. Wir meinen, dass diese Forderung viel stärker als bisher in den Mittelpunkt der strategischen Überlegungen der Partei und des Forderungskatalogs gestellt werden muss. Es gibt jetzt ein Zeitfenster, diese Forderung an der Seite der Beschäftigten zu erkämpfen. Bei der Einführung einer bedarfsgerechten Finanzierung und dem Verbot von Gewinnen (wie es bis Mitte der 1980er Jahre in Westdeutschland bestand) muss die volle Refinanzierung aller Kosten ohne Erhöhung der Krankenkassenbeiträge für die abhängig Beschäftigten gewährleistet sein

– Für eine Diskussion in ver.di für einen Kampf um einen einjährigen allgemeinverbindlichen „Corona-Tarifvertrag“, der die Forderungen der Krankenhausbeschäftigten, wie sie in verschiedenen offenen Briefen und Erklärungen formuliert wurden, erfüllt.

Grundsätzlich:

  • Stopp aller Schließungen von Krankenhäusern und Wiederinbetriebnahme von geschlossenen aber noch vorhandenen Krankenhäusern nach bedarfsgerechter Planung auch für Pandemiezeiten.

– DIE LINKE fordert, dass Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen in öffentliches Eigentum überführt werden. Das unterstützen wir. Wir setzen uns dafür ein, diese Forderung viel stärker als bisher in der Kampagne in den Mittelpunkt zu rücken.

–    Überführung der Pharmaindustrie in öffentliches Eigentum bei demokratischer Kontrolle und Verwaltung von Beschäftigten, Wissenschaftler*innen, Gewerkschaften und des Staates.

–    Forschung raus aus Unternehmerhand! Forschungseinrichtungen in öffentliches Eigentum und Veröffentlichung aller Forschungsergebnisse zur Kooperation statt Konkurrenz.

Wir schlagen außerdem vor, dass alle Kreisverbände aufgerufen werden, Beschäftigte in diesem Bereich, die Parteimitglieder sind, zusammenzubringen und unsere Tätigkeit innerhalb von ver.di und den Pflegebündnissen zu koordinieren, in den Kreisverbänden selbst, bei Stammtischen, im Rahmen der BAG Betrieb und Gewerkschaft oder der BAG Gesundheit und Soziales.

Wir halten an dem Parteivorstandbeschluss aus dem Januar 2020 fest zur Durchführung einer Aktivenkonferenz für Gewerkschafter*innen, Aktive aus Pflegebündnissen und Parteimitglieder. Sollte das aufgrund von Einschränkungen des Versammlungsrechts nicht auf bundesweiter Ebene möglich sein, sollen solche Konferenzen regional oder als Videokonferenz stattfinden.

File:Bundesarchiv Bild 137-014462, Tsingtau, "Deutsches Heim".jpg

Gleichzeitig sollte die Partei konkrete Schritte unternehmen, um den Protest auf die Straße zu tragen. Die erste Gelegenheit dazu wird der Aufruf von „Keine Profite mit unserer Gesundheit“ und anderen aus Anlass der ursprünglich am 17./18.6.2020 geplanten Gesundheitsministerkonferenz sein, siehe auch https://gesundheitohneprofite.noblogs.org/. Wir schlagen vor, dazu einen bundesweiten Aktionstag der Partei auszurufen und an dem Tag Aktionen oder kleine Kundgebungen vor Krankenhäusern oder in Innenstädten durchzuführen.

Wir fordern die Bundestagsfraktion auf, entsprechende Anträge in den Bundestag einzubringen. Die Landesregierungen, denen die Partei angehört, sind in der Pflicht, zentrale Punkte wie beispielsweise deutliche Lohnerhöhungen in öffentlichen Einrichtungen, TVöD für Alle etc umzusetzen und die Volksentscheide für mehr Personal in den Krankenhäusern endlich zuzulassen oder die Forderungen direkt umzusetzen.

Vor allem aber müssen wir uns jetzt auf die Angriffe vorbereiten, die im Zuge der Wirtschaftskrise auf die Arbeiter*innenklasse und sozial Benachteiligte zukommen. Deshalb fordern wir die Parteiführung auf, die Initiative zu einer bundesweiten Großdemonstration im Herbst 2020 (oder regionalen Demos) unter dem Arbeitstitel „Die Krise nicht auf dem Rücken der Beschäftigten und Erwerbslosen abwälzen – Die Reichen sollen zahlen“ unter Einhaltung des Infektionsschutzes zu ergreifen, in der die Forderungen der Beschäftigten im Pflege- und Gesundheitswesen eine zentrale Rolle spielen sollen, die aber auch einen ersten Mobilisierungspunkt für alle Teile der Arbeiter*innenklasse und sozial benachteiligter Schichten darstellen soll, die sich gegen das Abladen der Krisenkosten auf die Masse der Bevölkerung zur Wehr setzen wollen.

Die AKL-Mitglieder im Parteivorstand werden entsprechende Anträge in das Gremium einzubringen.

akl - Antikapitalistische Linke

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Grafikquellen          :

Oben       —        Healthcare Products

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Regieren nach Zahlen

Erstellt von DL-Redaktion am 18. Mai 2020

Politik in Zeiten von Corona

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Wenn der alte Robert je geahnt hätte, wer mit seinen Namen heute noch jonglieren geht ?

Von Adrian Lobe

Die Politik höre in der Coronakrise endlich auf die Wissenschaft, loben Kritiker. Doch das führt zu einer Depolitisierung des politischen Systems.

Es ist zum täglichen Ritual geworden, der Pressekonferenz des Robert-Koch-Instituts (RKI) zu folgen. „Fieberkurve der Gesellschaft“, so könnte man die epidemiologischen Bulletins, die mit einem Beipackzettel möglicher Risiken dargereicht werden, überschreiben. Hatte Zahlenlehre einst den Charme eines verstaubten Hochschulseminars, ist Statistik plötzlich sexy.

Jeder hat zumindest schon mal was von der Reproduktionszahl R oder der Verdoppelungsrate gehört. Endlich mal ein sachlicher Diskurs! Endlich eine emotionslose, auf Fakten gestützte Politik! Wo US-Präsident Donald Trump den Rat von Experten ignoriert und haarsträubende Therapien vorschlägt, stützt die Bundesregierung ihre Maßnahmen auf wissenschaftliche Erkenntnisse. Die Politik hört endlich auf die Wissenschaft, heißt es. Warum nicht gleich so? Das Klima wäre längst gerettet! Doch was die einen als evidenzbasierte Politik feiern, bedeutet in Wahrheit eine Entpolitisierung des politischen Systems.

Gerade weil die von der Bundesregierung beschlossenen Maßnahmen – Öffnungsverbote, Kontaktbeschränkungen, Maskenpflicht – sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse stützen, neigen sie dazu, sich gegen gesellschaftlichen Widerspruch zu immunisieren. Wer die Beschlüsse kritisiert, setzt sich dem Verdacht der Wissenschaftsfeindlichkeit aus. Mit fast schon blindem Eifer richtet die Regierung ihr politisches Handeln an epidemiologischen Kennzahlen aus. Liegt die R-Zahl unter eins, stehen die Zeichen auf Lockerung. Liegt sie über eins, geht die Tendenz zum Lockdown. Regieren nach Zahlen.

Welcher Wert ist maßgeblich?

Dabei sind die epidemiologischen Modelle, auf denen die Handlungsempfehlungen der Wissenschaft beruhen, durchaus anfechtbar. Wegen der unterschiedlichen Berechnungsweisen gab es mehrfach Verwirrung um den R-Wert, von dem es nun zwei gibt. Doch welcher ist maßgeblich? Und bilden die Werte das Infektionsgeschehen korrekt ab?

Die Diskussion wird weitestgehend in der scientific community geführt, einem elitären Zirkel von Wissenschaftlern, wo Einwände nur aus berufenem Munde zulässig sind. Kritik erschöpft sich in Methodenkritik. Dieser dünkelhafte Szientismus führt nicht zu einer höheren Legitimation oder besseren Qualität von Politik. Im Gegenteil: Er senkt die Legitimation, weil er die Hürden für die Beteiligung erhöht.

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Die wissenschaftliche Regierungs-Medusa mit Maske und Taucherbrille.  

Die Kritik an technokratischen Steuerungsformen ist nicht neu. Der Soziologe Helmut Schelsky geißelte in seinem Aufsatz „Der Mensch in der wissenschaftlichen Zivilisation“ (1961) die „Verwissenschaftlichung“ und „Technisierung“ des Gemeinwesens: „Es wird in diesen Fällen deutlich, dass heute oft nicht mehr die Politiker das Allgemeininteresse vertreten, sondern gerade die Fachleute des wissenschaftlich-technischen Staates.“

In ähnlicher Stoßrichtung schrieb Jürgen Habermas in seinem Buch „Technik und Wissenschaft als „Ideologie““ (1968): „Die heute herrschende Ersatzprogrammatik bezieht sich hingegen nur noch auf das Funktionieren eines Systems. Sie schaltet praktische Fragen aus und damit die Diskussion über die Annahme von Standards, die allein der demokratischen Willensbildung zugänglich wären. Die Lösung technischer Aufgaben ist auf öffentliche Diskussionen nicht angewiesen.“

Quelle      :        TAZ          >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen       :

Oben        —        Robert-Koch-Denkmal, by Louis Tuaillon (1862–1919) – Robert-Koch-Platz, Berlin, Germany.

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Rentenkürzung — Corona?

Erstellt von DL-Redaktion am 13. Mai 2020

Neuer Angriff auf die Rente

Quelle      :      Scharf   —  Links

Von Dagmar Hühne

Corona liefert den Gegnern einer besseren Rente neue Munition. So fordern die Arbeitgeber, die für den 1. Juli geplante Rentenerhöhung solle halbiert werden. Angeblich um die Lasten in der Krise gerecht zu verteilen. Es könne nicht angehen, dass Millionen Arbeitnehmer durch Kurzarbeit Lohneinbußen hinnähmen, während die Rentner gleichzeitig kräftige Steigerungen erhielten.

Wie bitte? Urplötzlich soll genau jener Mechanismus, den die Arbeitgeber ganz maßgeblich der Politik auf den Leib geschrieben haben, außer Kraft gesetzt werden. Die Rentenanpassungsformel, die durch den Einbau von Riester- und Nachhaltigkeitsfaktoren dazu geführt hat, dass die Renten über lange Jahre von der Entwicklung der Löhne abgehängt wurden, soll just in dem Jahr nicht mehr gelten, in dem die Rentner den „Lohn“ für die gute Wirtschaftslage des Vorjahres bekommen sollen. Die Rentner werden grundsätzlich immer mit einem Jahr Verzug an der Lohnentwicklung beteiligt. So sind die Anhebungen von 3,45 Prozent im Westen und 4,20 Prozent im Osten das Ergebnis von folgenden Faktoren: 1. Den Lohnerhöhungen des Jahres 2019, 2. der gestiegenen Zahl an versicherungspflichtig Beschäftigten im Vorjahr sowie 3. der politisch gewollten Angleichung von Ost- und Westrenten.

Nur zur Erinnerung: Die politisch gewollten Einschnitte in die gesetzliche Rente führten dazu, dass die Renten seit 1990 um rund ein Drittel an Wert verloren haben. Andererseits brachten die Maßnahmen in Form von sehr niedrigen Sozialbeiträgen der Arbeitgeberseite aufsummierte Vorteile in Höhe von mindestens 200 Milliarden Euro. Sie waren die Nutznießer der verfehlten Rentenpolitik. Wenn aber nun 2020 aufgrund der bestehenden Anpassungsformel eine Rentenerhöhung von drei bis vier Prozent herauskommen soll, wird mit der Coronakrise die erstbeste Chance ergriffen, diese aus Sicht der Arbeitgeber ungebührliche Erhöhung zu torpedieren. Das ist schäbig und überaus durchsichtig: Wieder einmal tun die Arbeitgeber alles, um die Gefahr steigender Beitragssätze zu verhindern.

Derzeit beträgt der Rentenbeitragsatz 18,6 Prozent, das ist weniger als 1985! Die Zahl der Rentner hat sich seitdem fast verdoppelt, doch der Beitragssatz wurde künstlich niedrig gehalten. Das musste zwangsläufig zu Verschlechterungen bei den Renten führen. Jeder fünfte Bewohner in Rentnerhaushalten lebt heute schon unterhalb der Armutsgrenze. Im Übrigen werden die Rentner durchaus an den Folgen der Coronakrise beteiligt werden. Nur eben mit einem Zeitverzug von einem Jahr. Wenn die durchschnittlichen Bruttolöhne im laufenden Jahr sinken sollten, fällt die Rentenerhöhung im nächsten Jahr aus. Doch die Rentenanpassung 2020 in Frage zustellen, ist nicht nur dreist, sondern auch dumm. Gerade in Krisenzeiten sollte die Konjunktur gestärkt werden. Und gesetzliche Renten fließen traditionell ganz überwiegend in den Konsum. Viel sparen lässt sich bei einem durchschnittlichen Auszahlbetrag von weniger als Tausend Euro monatlich sowieso nicht. Wir sollten deshalb Zeiten wie diese nutzen, um endlich bessere Renten für alle zu fordern. Renten, wie sie in den meisten Nachbarländern schon heute gezahlt werden.

Der Link zu einem Interview mit Holger Balodis: Warum wir bessere Renten brauchen! https://www.youtube.com/watch?v=PWnsNU4dQG4

Urheberrecht
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Grafikquelle       :Flaschensammler in einer Großstadt

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Vom Wissen zum Schaffen

Erstellt von DL-Redaktion am 5. April 2020

Denn die ’Fakten’ sprechen für sich:

Es sollte immer berichtet werden was wir gesehen haben und nicht was wie sehen möchten.

Quelle         :      Scharf  —  Links

Eine Zusammenstellung von Dr. Nikolaus Götz

Zahlendifferenzen bei der Berichterstattung zur Coronainfektion (Covid-19) oder wie „wir“ von den Medien manipuliert werden….(Auf dem Zweiten sind sie blind!)

Samstag, 4.4.2020

Aus der Wissenschaft:

Deutschland: Robert Koch Institut: Stand 4. 4. 2020 Uhrzeit: 10.10 Uhr

Infizierte: 85 778 ;Verstorbene : 1158;     Genesene: ca. 21.400 (2.4. 2020)

USA: John Hopkins Universität: 4. 4. 2020 (6.43 nachmittags)

Infizierte: 92 150;       Verstorbene: 1330;   Genesene: keine Angabe

Politische Manipulatoren:

ZDF: 19. 00 Uhr: Hauptnachrichten: im Blick ’Corona’

Infizierte: 92 150        Verstorbene: 1330      Genesene: 26 400 (oder schon mehr)

Bericht: Der Globus im Griff des Virus: „Die Welt steht still!“, meint das ZDF! Und:

ZDF jetzt in Panik um New York, da dort mehr Verstorbene als in ganz Deutschland!

„Angst weht durch die Stadt….“

Riss im Deutsch-französischen Verhältnis: Saarbrückens Oberbürgermeister Uwe Conradt warnt und Versöhnungsgespräch auf der d-f. Grenzbrücke bei Grossrosseln/Saar

China gedenkt der am Corona-Virus Verstorbenen (Coronavirus-Berichtszeit: 16 Min.

Nachrichtenlänge insgesamt: 20 Minuten

ARD 20. 00 Uhr: Hauptnachrichten: im Blick ’Corona’

Infizierte: 86 000 ;      Verstorbene : 1158   Genesene: keine Angabe

Bericht: Probleme bei der Kreditgebung an dt. Firmen durch die Banken

Freiwilligendienste tauschen/Wissenschaftler fordern einen Ausstieg aus dem dtsch.

’Shut-Down’/ konkreter Weg soll jedoch die Politik finden, verstärkte Kontrolle des dt. Kontaktverbotes durch die Polizei z.B. im ‚Englischen Garten’ von München

Frankreich hat die Kontrollen durch die Polizei verstärkt, Franzosen benötigen schriftliche Ausgangsbescheinigung

in Flüchtlingslager in Griechenland Coronavirus festgestellt

China 3326 Tote: nationale Schweigeminuten für die Toten der Coronavirus-Krise

Coronavirus-Berichtszeit bis zu den Lottozahlen: 13 Minuten;

Quellen: zur individuellen Überprüfung:

Robert Koch Institut: www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/ Situations-berichte/ 2020-04-02-de.pdf?__blob=publicationFile/

www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Fallzahlen.html

USA: John Hopkins Universität: coronavirus.jhu.edu/map.html

ARD: www.tagesschau.de/sendung/tagesschau/index.html

ZDF: www.zdf.de/nachrichten

Freitag, 3 April 2020:

Aus der Wissenschaft:

Deutschland: Robert Koch Institut: Stand 3. 4. 2020 Uhrzeit: 8.30 Uhr

Infizierte: 79 696 ;      Verstorbene : 1017                 Genesene: ca. 21.400 (2. 4. 2020)

USA: John Hopkins Universität: 3. 4. 2020 (ohne Zeitangabe)

Infizierte: 89 451;       Verstorbene: 1208;                 Genesene: keine Angabe

Politische Manipulatoren:

ZDF: 19. 00 Uhr: Hauptnachrichten: im Blick ’Corona’

Keine neuen konkreten Zahlenangaben; Verweis auf die Zahlen der John Hopkins-Uni

Hauptbericht: Abflachung der Ansteckungskurve in Deutschland; trotzdem: die Ausgangsbeschränkung bleibt weiterhin! Und viel Geschwätz!

Eigener Italienbericht: Krematorien überfordert! Selbstloses gegenseitiges Helfen der lieben Italiener untereinander…“ach wie gut ist es in Deutschland….“

Eigener Chinabericht: immer mehr und viele ’Unkranke’! (So ein Ärger!)

ARD 20. 00 Uhr: Hauptnachrichten: im Blick ’Corona’

Infizierte: rund 80 000;          Verstorbene:1017 ;                 Genesene: keine Angabe

Bericht: Die Reproduktionsrate des C-Virus ist gefallen: jedoch kein Datum für die Aufhebung der Ausgangssperren; laut dem Direktor des RKI Prof. Dr. L.H. Wieler ist es dafür noch zu früh! Seine Ratschläge: Bahn/Busse sollten wieder verstärkt fahren; Gesichtsmaske tragen; nicht zum Eigenschutz, sondern zum Schutz seiner Nächsten; Dt. Forschung entwickelt ’Antikörpertests’ zur nachträglichen Überprüfung einer C-Virus Erkrankung

Weitere Infos:

Schulen: Möglichkeit der Wiederaufnahme nach Ostern; Datum noch nicht sicher

Bundesinnenminister Horst Seehofer plant weiteres Einreiseverbot!

USA: die Coronakrise wird schlimmer und weitet sich aus; jetzt: 2900 Tote;

Arbeitslosenquote in den USA bei 4,4%; jetzt schon 10 Mill. Arbeitslose, Tendenz steigend

Zugunglück bei Basel/Sänger Bill Rivers ist tot/ Rüdiger Nehberg ist verstorben

 Quellen: zur individuellen Überprüfung:

Robert Koch Institut: www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/ Situations-berichte/ 2020-04-02-de.pdf?__blob=publicationFile/ www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Fallzahlen.html

USA: John Hopkins Universität: coronavirus.jhu.edu/map.html

ARD: www.tagesschau.de/sendung/tagesschau/index.html

ZDF: www.zdf.de/nachrichten

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Grafikquelle      :

Antje-Brunnen in Hamburg-Poppenbüttel des Bildhauers Frijo Müller-Belecke

 


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Corona-Isolation in Serbien

Erstellt von DL-Redaktion am 1. April 2020

Jeder stirbt für sich allein

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Aus Belgrad Ivan Ivanji

Für Menschen über 65 gilt in Serbien eine Ausgangssperre. Der 91-jährige Holocaustüberlebende Ivan Ivanji macht sich Gedanken über die Maßnahmen.

Begrenzungen der Freiheit während einer Pandemie sind in geordneten Gesellschaften erforderlich. Wieso aber in Serbien einzelne Altersgruppen unterschiedlich behandelt werden, ist nicht nur unverständlich, sondern auch verfassungswidrig. Denn in Serbien wurde für Senioren über 65 Jahren eine absolute Ausgangssperre verhängt. Für die Überschreitung dieser Verordnung muss man eine Geldbuße von rund 1.300 Euro zahlen, für serbische Rentner, die im Schnitt mit 350 Euro über die Runden kommen müssen, eine unbezahlbare Summe. Kontrolle dieser Maßnahme übt nicht nur die Polizei aus, sondern auch Dreierpatrouillen der Militärpolizei mit schussbereiten Maschinenpistolen.

Bevor ich über die Situation und meine Gedanken zur Coronavirus-Situation berichte, muss ich zugeben, dass ich kein typisches Fallbeispiel bin. Ich habe mit dem Massentod sehr früh nahe Bekanntschaft gemacht und bin finanziell und materiell gesichert, sehr viele Mitbürger dagegen nicht.

Wie gefährdet bin ich persönlich? Mit mindestens 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit hätte ich am 27. Mai 1944 ermordet werden sollen. An diesem Tag wurde ich als 15-Jähriger in Auschwitz an einem übermüdeten SS-Arzt vorbeigetrieben, der mit einer Handbewegung entschied, dass ich arbeitsfähig bin und nicht der Sonderbehandlung (sprich Gaskammer) unterzogen werde.

In einer furchtbaren Lage befand ich mich vom 18. Februar bis zum 13. April 1945 im Außenkommando des KZ Buchenwald in Langenstein, einem Dorf nahe Halberstadt. Von den rund 7.000 Häftlingen überlebten etwa 2.500. Aus heutiger Sicht ist für mich noch schrecklicher als die Arbeit in den Stollen der Harzer Thekenberge, dass wir keine Betten hatten, sondern auf halb verfaultem Stroh so dicht beieinanderliegen mussten. Keiner konnte sich auf die andere Seite drehen, ohne Dutzende Mithäftlinge zu bewegen. Man musste starr liegen bis zum Morgen.

Ich wunderte mich, als ich nach dem Krieg erfuhr, dass Einzelhaft in den Gefängnissen eine schwere Sondersanktion ist. Wäre ich je zu einer Kerkerstrafe verurteilt worden, hätte ich sofort um Einzelhaft gebeten.

Meine „Zelle“ hat 68 Quadratmeter

Heute befinde ich mich, 91 Jahre alt, wegen der Coronavirus-Pandemie wieder im Gefängnis, allerdings in einer sehr bequemen Einzelhaft. Meine „Zelle“ ist 68 Quadratmeter groß, hat Fensterwände in zwei Himmelsrichtungen und eine nach Südwesten ausgerichtete Terrasse. Von der blicke ich auf einen schönen kleinen Rasenplatz. Es ist 22 Grad warm, die Bäume sind dabei, ihr erstes Grün anzulegen, mehrere Bänke sind frei. Ich verstehe nicht, warum ich mich in größere Gefahr bringen würde, säße ich eine halbe Stunde im Park. Experten sagen, eine Ansteckung sei im Freien mit sicherer Distanz unwahrscheinlich.

Doch ich habe der Obrigkeit zu gehorchen, wie auch jüngere Mitbürger, für die die absolute Ausgangssperre von 17 bis 5 Uhr morgens gilt. Im Kampf gegen die Pandemie wurden in verschiedenen Ländern unterschiedliche Maßnahmen ergriffen, die zur Begrenzung der individuellen Freiheit führen – das verstehe ich. Weltweit spricht man von „einer nie da gewesenen Situation“. Das akzeptiere ich jedoch nicht, schlicht gesagt, das ist nicht wahr.

Ohne sich der Gefahr auszusetzen, die aktuelle Pandemie kleinzureden, können wir uns ruhig daran erinnern, dass zwischen 1346 und 1353 ein Drittel aller Europäer am „Schwarzen Tod“, also der Pest, gestorben ist. 1918/19 haben fünfzig bis siebzig Millionen Menschen die „Spanische Grippe“ nicht überlebt. Damals wurde nicht so genau gezählt wie heute, auf einige Millionen Tote mehr oder weniger kam es nicht an. Jedenfalls waren es im Laufe eines Jahres mehr Tote als in den vier Jahren des Ersten Weltkrieges.

Police in Park - Belgrade - Serbia (15803609642).jpg

Ich höre Einwände: „Aber das ist doch nicht das Gleiche!“ Die Pest wurde von keinem Virus, sondern vom Bakterium Yersinia pestis verursacht, die Influenza nach dem Großen Krieg von einem Virus der Gruppe H1N1, und jetzt haben wir es mit dem bisher unbekannten Virus Corona, bezeichnet auch als SARS-Cov-2, zu tun. Für Wissenschaftler, Epidemieologen, Virus- und Genforscher ist das hochinteressant, aber für Patienten schnurzegal, ob es sich um ein Bakterium, ein Virus oder die Strafe Gottes handelt.

Man wird Schuldige suchen

Es stimmt also keineswegs, dass „so eine Situation“ nie da gewesen ist; es ist jedoch richtig, dass es früher nie Medien gab, die so schnell weltweit Bilder und Nachrichten über Tatsachen und Fake News verbreiteten, nicht nur wohlfundierte Empfehlungen geben, sondern auch sensationslustig Panik schüren. Und nie da gewesen war eine solche gegenseitige Abhängigkeit der Weltwirtschaft. An Einbrüchen ihrer Einkommen, ihrer Existenz, werden sehr viele Menschen, lange nachdem die Krankheit medizinisch gesehen überwunden ist, leiden.

Quelle        :      TAZ        >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen    :

Oben        —       Central Cemetery, Szczecin, Poland

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Unten      —           Police in Park – Belgrade – Serbia

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Das Ende einer Theorie

Erstellt von DL-Redaktion am 22. März 2020

Corona-Dämmerung für Neoliberalismus

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Kommentar von Ulrike Herrmann

Die Pandemie zeigt: Den Neoliberalismus kann man getrost beerdigen. Nur der Staat kann den Kapitalismus retten.

Die Coronakrise hat auch ihre Vorteile. Sie dürfte die neoliberale Ideologie beerdigen, die die westliche Welt seit 1980 dominiert hat. Zwei Spitzenpolitiker brachten einst plastisch auf den Punkt, wie platt Marktradikale denken. Die britische Premierministerin Margaret Thatcher ließ wissen: „Es gibt keine Gesellschaft.“ In ihrem Weltbild existierten nur Individuen, die ausschließlich für sich selbst sorgen sollten.

Auch US-Präsident Ronald Reagan hinterließ einen Spruch, der das neoliberale Denken treffend zusammenfasst: „Die Regierung ist nicht die Lösung unseres Problems, die Regierung ist das Problem.“ Der Staat sollte schrumpfen, auf dass der freie Markt übernimmt. Also wurden die Rentenkassen privatisiert, die Finanzmärkte dereguliert, Staatsvermögen verkauft und die Steuern für die Reichen gesenkt. Auch in Deutschland wurden diese Konzepte kopiert.

Die Coronakrise zeigt nun, dass der „freie Markt“ eine Fiktion ist. Märkte können nur existieren, wenn der Staat sie stützt. Die Talfahrt des Aktienindex DAX ist ein Lehrstück: In knapp einem Monat fielen die deutschen Börsenkurse um fast 40 Prozent – noch nie war ein Absturz so dramatisch. Der Wertverlust wäre sogar noch drastischer ausgefallen, wenn der Staat nicht eingegriffen hätte

Der DAX hat sich nur deshalb auf niedrigem Niveau stabilisiert, weil die Europäische Zentralbank (EZB) Banken und Wirtschaft mit Milliarden Euro flutet und die deutsche Regierung flankierende Maßnahmen ergreift. Sie hat das Kurzarbeitergeld aufgestockt, wird die Solo-Selbstständigen unterstützen und sich an schlingernden Großkonzernen wie der Lufthansa beteiligen.

Die „Märkte“ versagen, weil sie nur funktionieren könnten, wenn sich die Zukunft verlässlich berechnen ließe. Aktienkurse preisen die Gewinne von morgen ein. Doch wie spätestens in Krisenzeiten auffällt, ist die Zukunft prinzipiell nicht planbar. Daher gibt es keine Alternative zur Solidarität. Also zum Staat.

Nur ein Beispiel: Private Altersvorsorge ist reiner Mumpitz. Riester- und Rürup-Renten wurden einst eingeführt, auf dass der Einzelne „individuell“ für sein Alter spare. Ganz staatsfern sollten diese Programme sein, was schon deshalb lachhaft war, weil der Staat Milliarden an Subventionen zahlte, damit die Renditen der Riester-Verträge überhaupt attraktiv aussahen. Wie die Coronakrise jetzt zeigt, hätten diese Aktiensparpläne sogar gänzlich an Wert verloren, wenn der Staat nicht „unbegrenzte“ Geldmengen in die Wirtschaft pumpen würde. Aktien haben ja keinen Wert „an sich“ – die Kurse sind nur leidlich stabil, wenn der Staat als Garant dahintersteht.

Quelle          :         TAZ        >>>>>       weiterlesen

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Grafikquellen     :

Oben        —     The Spitting Image Margaret Thatcher puppet, on display at the Imperial War Museum.

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Unten        —      Walter Riester (2009)

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Zum Siegen verurteilt:

Erstellt von DL-Redaktion am 13. Februar 2020

Macron und die Rente 

Emmanuel Macron and Angela Merkel (Frankfurter Buchmesse 2017).jpg

An ihre Rentenalmosen werden wir sie hängen !

von Steffen Vogel

Emmanuel Macron steht vor einem entscheidenden Jahr. Nach etwas mehr als der Hälfte seiner Amtszeit stößt er ausgerechnet bei seinen wichtigsten Reformvorhaben auf immer heftigere Widerstände. In Europa ist der französische Präsident von Berlin derart ausgebremst worden, dass er zunehmend alleine vorprescht, etwa mit seinem Plädoyer für eine strategische Annäherung an Russland. Im eigenen Land wiederum will es ihm nicht gelingen, das Image des „Präsidenten der Reichen“ abzulegen. Nach dem Gelbwesten-Aufruhr des vergangenen Jahres steht er nun erneut massiv unter Druck. Die geplante Rentenreform seiner Regierung stößt auf heftige Ablehnung bei bis zu drei Vierteln der Bevölkerung. Mittlerweile hat sich die Streikbewegung, die am 5. Dezember 2019 begann, zum längsten Ausstand von Transportarbeitern seit 1968 ausgewachsen. Aber auch Erzieher und Krankenschwestern, Lehrer und Anwältinnen beteiligen sich an den Protesten, zeitweilig wurden Raffinerien und Häfen blockiert.

Für Macron steht damit viel auf dem Spiel. Er hat seinen Anspruch als europäischer Erneuerer gegenüber seinen Amtskollegen in der EU, vor allem aber in Berlin, stets mit der Ankündigung verknüpft, gleichzeitig Frankreich im wirtschaftsliberalen Sinne zu modernisieren. Scheitert er mit seinen zentralen Reformen im Inland, verliert er seine Autorität und dürfte damit auch in Brüssel als Antreiber nicht mehr ernst genommen werden.

Das gilt insbesondere für die Neuordnung des Rentenwesens, die eines der wichtigsten Wahlversprechen Macrons ist und als Schlüsselreform seiner Amtszeit gilt. Doch speziell in dieser Frage entlädt sich in Frankreich nicht zuletzt ein ideologischer Grundsatzkonflikt: Auf der einen Seite steht ein Präsident, der gegen das international weit verbreitete Negativimage eines reformunfähigen Frankreichs ankämpfen will und dafür bewusst Konflikte eingeht, die vorsichtigere Politiker zweifellos vermeiden würden – zumal das französische Rentensystem zwar kompliziert und relativ teuer, seine Finanzierung aber keineswegs akut gefährdet ist. Im Gegenteil fällt das Defizit in der Rentenkasse derzeit sogar niedriger aus als vor zehn Jahren: Entsprach das Minus im Jahr 2010 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, liegt es heute nur noch bei 0,1 Prozent (oder 2,9 Mrd. Euro).[1] Wie gering der Handlungsdruck ist, erkennt man auch daran, dass das neue Rentensystem erst für jene gelten soll, die 1975 oder später geboren wurden, also erst in etwa anderthalb Jahrzehnten seine Wirkung entfalten wird.

Auf der anderen Seite steht ein Teil der Gewerkschaften und der Linken, die Macron fälschlich für einen Wiedergänger Margaret Thatchers halten. Sie zielen daher nicht auf Kompromisse, sondern auf eine krachende Niederlage der Regierung – so wie 1995, als ebenfalls mit einem Streik über Weihnachten die Rentenreform der Regierung Juppé gekippt wurde und das Kabinett gleich mit. Einen ähnlichen Erfolg konnten die Gewerkschaften jedoch schon lange nicht mehr verbuchen, von den Gelbwesten wurden sie gar als bürokratisch verschmäht. Daher sehen viele von ihnen in Macrons Rentenreform eine günstige Gelegenheit, aus der Defensive zu kommen.

Die Protestbewegung stützt sich dabei auf eine in Frankreich stärker als anderswo verbreitete kapitalismuskritische Grundhaltung. Viele Franzosen begreifen die Rente nicht nur als Befreiung von der Marktlogik, sondern wollen auch ganz grundsätzlich ein Sozialmodell verteidigen, bei dem der Staat seine Bürger vor wirtschaftlichen Wechselfällen zu schützen hat.[2] Nach wie vor nimmt daher eine Mehrheit von ihnen lieber massive Verkehrsbehinderungen und andere Einschränkungen ihres Alltages in Kauf, als Macrons Reform glücken zu sehen.

Im Windschatten dieses Grundsatzkonfliktes verteidigen einzelne Berufsgruppen ihre Partikularinteressen. Denn das bisherige System privilegiert bestimmte Gruppen, darunter die streikerprobten Eisenbahner. Die geplante – und durchaus sinnvolle – Zusammenlegung der 42 Rentenkassen zu einer einzigen würde ihnen die Möglichkeit nehmen, wie bisher schon mit 52 Jahren in den Ruhestand zu gehen. Zwar hat die Regierung wohlweislich bestimmte Sonderrechte unangetastet gelassen, darunter die der Sicherheitskräfte. Doch ausgerechnet bei einem derart wichtigen Vorhaben ist es Macron nicht gelungen, einen breiten Konsens zu schmieden. Stattdessen steht er, dessen persönliche Beliebtheitswerte seit langem schwach sind, nun auch in der Sache einer verallgemeinerten Ablehnung gegenüber.

Das Rentenkonzept der Regierung, das nach parlamentarischer Beratung noch vor dem Sommer in Kraft treten soll, ist in bestimmten Punkten derart kritikwürdig, dass Macron damit selbst solche Kräfte verprellt hat, die grundsätzlich für eine Neuordnung der Altersversorgung sind. Die Grünen etwa fordern ein ähnliches System wie das nun geplante, lehnen Macrons Reform aber rundweg ab. Für die Sozialisten sind die Pläne der Regierung gar schlichtweg „regressiv“.[3]

Magere Jahre

Ein Stein des Anstoßes ist das eigentliche Kernstück der Reform: Künftig soll das gesamte Erwerbsleben in ein individuelles Punktekonto einfließen. Bei Rentenbeginn würden die angesammelten Punkte mit ihrem dann gültigen Gegenwert in Euro multipliziert. Dieses System hilft prekär Beschäftigten, da dabei jede einzelne Arbeitsstunde zählen soll, während ihnen bislang nur solche Quartale angerechnet werden, in denen sie mindestens 150 Stunden vorweisen können.

GJ Paris (31102115797).jpg

Viele andere aber dürften Einbußen erleiden. Denn bisher errechnete sich die Rente für Beschäftigte in der Privatwirtschaft nur aus den 25 besten Berufsjahren und für jene im öffentlichen Dienst aus den letzten sechs Monaten.[4] Daraus ergibt sich derzeit eine Durchschnittsrente von 1422 Euro brutto im Monat. Nach dem neuen System sollen nun auch magere Jahre der Berechnung zugrunde gelegt werden. Das aber ist ein Problem für alle, die aufgrund von Arbeitslosigkeit eine unterbrochene Erwerbsbiografie haben oder zu Berufsbeginn ein niedriges Einstiegsgehalt akzeptieren mussten.

Quelle       :        Blätter         >>>>>           weiterlesen

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Oben       —         Emmanuel Macron and Angela Merkel (Frankfurter Buchmesse 2017)

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Die Grundrentendebatte

Erstellt von DL-Redaktion am 10. November 2019

Zynische Grundrentendebatte

Für PolitikerInnen zählt nur die eigene Würde

Quelle          :         Scharf  —  Links

Von Holger Balodis

Die Debatte um die Grundrente wird bizarr. Die Union beharrt darauf, dass nur diejenigen diese Rente bekommen sollen, die sie auch wirklich benötigen. Und dass nicht eine ostdeutsche Friseurin die Grundrente für eine westdeutsche Zahnarztfrau zahlen soll. Solche Argumente hört man wirklich. Doch wer bitteschön, der nach 35 Versicherungsjahren nur eine Rente von 400 oder 500 Euro zu erwarten hat, benötigt die Aufstockung auf rund 800 Euro nicht?[1][1] Wie viele reiche Zahnarztgattinnen gibt es, dass es gerechtfertigt wäre, Millionen von Kleinrentnern in ein aufwändiges Kontrollregime à la Hartz4 zu zwingen? Ein Kontrollregime, das so abschreckt, dass schon heute über die Hälfte der armen Rentner, die unzweifelhaft Anspruch auf Grundsicherungsleistungen haben, auf diese staatliche Leistung verzichtet. Will die Union mit der Grundrente etwa eine Leistung installieren, auf die dann die meisten doch aus Scham verzichten?

Schaut auf unsere westlichen Nachbarländer! In ausnahmslos allen Staaten von Dänemark bis Österreich gibt es eine Art von Mindestrente. Sie ist entweder abhängig von einer Mindestzahl an Versicherungsjahren oder es reicht schon – wie in Holland und Dänemark – die jahrzehntelange Anwesenheit in diesen Ländern. Nirgendwo gibt es eine Bedürftigkeitsprüfung, nirgendwo eine absurde Neiddebatte, die das absolute Minimum für die Menschen im Alter in Frage stellt. Und dieses Minimum liegt in nahezu allen Nachbarstaaten deutlich höher als das, was Hubertus Heil mit seiner Grundrente vorschlägt. Drei Beispiele gefällig? In Österreich bekommen alle, die 30 Jahre vorweisen können, 1.223 Euro monatlich[2][2]. In Luxemburg bekommen alle, die 40 Jahre vorweisen können, mindestens 1.841,51 Euro monatlich. In den Niederlanden bekommt jeder, der 50 Jahre dort gelebt hat, ab 66 eine Grundrente in Höhe von 1.244,75 Euro.

Nur in Deutschland gibt es eine unwürdige Neiddebatte, die in zynischer Weise selbst die untere Mittelschicht gegen die Ärmsten aufbringt. Menschenwürdiges Leben im Alter muss für alle gelten. Punkt.

Das schafft die geplante Grundrente übrigens nur sehr unzureichend, weil sie nicht alle Kleinverdiener über das Grundsicherungsniveau heben wird. Und noch etwas: Dass die schlechtbezahlte Friseurin für die Grundrente der Zahnarztgattin zahlen müsse, ist glatt gelogen. Wenn die Finanzierung der Grundrente aus Bundesmitteln erfolgt, und alles andere wäre Unsinn, dann zahlen hierfür die Steuerzahler, also damit auch der Zahnarztgatte. Falls er Steuern zahlt, aber das ist ein anderes Thema.

Mehr dazu in unserem neuen Buch „Rente rauf!“, das voraussichtlich zum Jahreswechsel erscheinen wird. Derzeit können noch Exemplare zum ermäßigten Subskriptionspreis von 16 Euro (portofreie Lieferung) bestellt werden.

Das Youtube-Video zum Buch: https://www.youtube.co/watch?v=ZshuMxZSz-w

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[1][1] Der DGB hat in einer Studie ermittelt, dass 90 Prozent der potenziellen Grundrentenbezieher, die Aufstockung dringend brauchen. https://www.dgb.de/themen/++co++261b2934-7cd1-11e9-ae47-52540088cada

[2][2] In Österreich werden pro Jahr 14 Renten à 1.048,57 Euro ausgezahlt. Umgerechnet auf die hierzulande üblichen 12 Renten ergibt das 1.223,33 Euro. Quelle: Die österreichische Sozialversicherung in Zahlen, August 2019, S.18

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Grafikquelle       :        Am Landgericht in Frankfurt am Main

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Der Antisoziale Patriotismus:

Erstellt von DL-Redaktion am 16. September 2019

Die Rentenpläne der AfD

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Von Christoph Butterwegge

Vor den anstehenden Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen im September beziehungsweise Oktober inszeniert sich die ostdeutsche AfD als Fürsprecherin der Benachteiligten – und all jener, die sich benachteiligt fühlen. Allerdings zeigt sich die vermeintliche „Kümmererpartei“ gerade hinsichtlich ihres Rentenkonzepts nicht nur zutiefst gespalten, sondern auch hochgradig unsozial. Dort, wo vielen Menschen aufgrund längerer Arbeitslosigkeit und/oder schlecht bezahlter (Leih-)Arbeit künftig Altersarmut droht, plädiert der völkisch-nationalistische und in weiten Teilen rechtsextreme Parteiflügel um Björn Höcke, dem Landes- und Fraktionsvorsitzenden der thüringischen AfD, für einen „solidarischen Patriotismus“, der all jenen zugutekommen soll, die eine deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Dagegen setzt der national- bzw. wirtschaftsliberale Flügel um Bundessprecher Jörg Meuthen und die Bundestagsfraktionsvorsitzende Alice Weidel weniger auf staatliche Interventionen als auf den (Finanz-)Markt, das Prinzip Eigenverantwortung und individuelle Selbstvorsorge.

Obwohl die Richtungsgruppierungen innerhalb der AfD in vielen Politikbereichen konträre Positionen vertreten, gelang es ihnen bisher fast immer, zugunsten einer möglichst breiten Akzeptanz in der Wählerschaft für alle Strömungen tragbare Kompromisse zu schließen. Dabei bildet die „Massenmigration“ von Flüchtlingen das Schlüsselthema, mit dem die Partei alle übrigen Themenkomplexe zu verbinden und die konträren Lager zu einen versucht.[1] Dies gilt auch für das Problem der Altersarmut, obwohl es mit der Fluchtthematik nichts zu tun hat: Erstens erhalten Flüchtlinge (noch) keine Rente. Und zweitens hat der Bundestag bereits lange vor dem „Sommer der Migration“ im Jahr 2015 beschlossen, dass das Sicherungsniveau der Renten von damals 53 auf bis zu 43 Prozent vor Steuern im Jahr 2030 sinken kann, ohne dass der Staat eingreift.

Auch sechseinhalb Jahre nach ihrer Gründung hat die AfD immer noch kein Rentenkonzept verabschiedet. Die Vielzahl unausgegorener Papiere der verschiedenen Parteigruppierungen sollte eigentlich im September dieses Jahres auf einem Sonderparteitag zur Sozialpolitik in einen Beschluss münden. Doch da die AfD in der Rentenpolitik nach wie vor heillos zerstritten ist, verschob ihr Bundesvorstand den Parteitag kurzerhand auf das kommende Jahr. Bis dahin kann jede Strömung ihr eigenes Konzept als mehrheitsfähig präsentieren – und damit auf Wählerfang gehen.

Eigentum als Alterssicherung

Die Werbetrommel wird bereits seit längerem kräftig gerührt. Im Mai 2018 stellte Uwe Witt, nordrhein-westfälischer AfD-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender der „Alternativen Vereinigung der Arbeitnehmer“ (AVA) dieser Partei, zusammen mit dem Oberurseler Stadtverordneten Peter Lutz ein Diskussionspapier mit dem Titel „Alterssicherungskonzept für die Bürgerinnen und Bürger Deutschlands“ vor. Ausgehend von der These, dass die Rentenversicherungsbeiträge zu hoch, die Renten zu niedrig und die Zukunftsaussichten katastrophal seien, nahmen sie das jahrzehntelange Hinausschieben „notwendiger Anpassungsmaßnahmen“ ins Visier.[2] Gemeint waren damit offenbar Rentenkürzungen, denn Witt und Lutz lehnen Beitragserhöhungen ebenso ab wie höhere Steuerzuschüsse. Was sie als „Flexibilisierung durch Lebensarbeitszeit“ bezeichnen, läuft auf eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit und eine Anhebung des durchschnittlichen Renteneintrittsalters hinaus: „Wir müssen uns […] in Zukunft von einem fixen Renteneintrittsalter entfernen und allein die geleistete ‚Lebensarbeitszeit‘ zum Maßstab des Renteneintritts nehmen. Wer mit 15 Jahren anfängt zu arbeiten und Rentenbeiträge zu zahlen, sollte auch mit 60 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen dürfen. Wer sich hingegen mit seiner Ausbildung viel Zeit lässt, muss dann auch die Konsequenz ziehen und erst später in die Rente eintreten.“[3] Abgesehen davon, dass schon heute kaum noch jemand die 45 Beitragsjahre des „Standardrentners“ erreicht, hieße dies, dass für Akademiker*innen mit entsprechend langen Ausbildungszeiten die Rente mit 70 oder 75 Jahren zur Regel würde.

Neben einer Verlängerung der Lebensarbeitszeit soll die Einnahmebasis der Rentenversicherung um Beamte und Selbstständige erweitert und das „Lohnabstandsgebot“[4] beachtet werden. Darüber hinaus fordern Witt und Lutz einen „On Top Zuschuss“ zur Rentenbeitragszahlung der Niedriglohnempfänger*innen von bis zu 40 Prozent.[5] Weiter setzt die AVA auf ein Drei-Säulen-Modell – bestehend aus staatlicher, betrieblicher und privater Vorsorge –, bei dem sich die Unterstützung der betrieblichen und der privaten Altersvorsorge „an Effizienzkriterien zu orientieren“ habe: „Insbesondere in der dritten Säule, der privaten Vorsorge, wollen wir neue Wege gehen. Denn wir fordern hier eine deutlich höhere staatliche Förderung bei der Schaffung von selbstgenutztem Wohneigentum für jeden Erwerbstätigen wie auch die staatliche Unterstützung bei der Bildung von Unternehmenseigentum in Arbeitnehmerhand.“[6] Staatlich subventioniertes Eigentum soll also an die Stelle von Sozialleistungen treten – ohne ihn zu nennen, greift die AVA dabei die Idee des „Volkskapitalismus“ von Ludwig Erhard auf, während ansonsten wenig originelle Ideen entwickelt wurden.

Völkische Sonderregelungen

Ebenfalls bereits im Mai des letzten Jahres veröffentlichte Markus Frohnmaier ein „Impulspapier“ zu Rentenpolitik. Er ist langjähriger Bundesvorsitzender der Jungen Alternative, verfügt über gute Kontakte in die rechtsextreme Szene und ist heute AfD-Bundestagsabgeordneter. Frohnmaier spricht sich für einen „Volkskapitalismus“ im Sinne einer „Volksrente“ nach Schweizer Vorbild aus. Das bisherige Umlageverfahren soll zwar nicht abgeschafft, sein Schwerpunkt aber zu einem „kapitalgedeckten“ – in Wirklichkeit: zu einem finanzmarktabhängigen – Rentensystem verschoben werden.

Die geplante „Volksrente“ verfügt über drei Bestandteile: erstens eine „Grundrente“ für „alle Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit weltweit“, die sie durch Pflichtbeiträge finanzieren, sofern ihr Jahreseinkommen mindestens 15 000 Euro beträgt; zweitens eine „Lebensrente“ als „kapitalgedeckte private Teilzwangsversicherung“, welche die Lebensleistung widerspiegeln und im Idealfall den Löwenanteil der Ausgaben eines Ruheständlers decken soll; drittens eine „rein private und freiwillige Zusatzrente“, durch die sich der Lebensstandard im Alter dem Lebensstandard im Arbeitsleben noch stärker angleichen soll.[7]

Beiträge zur Grundrente wären an die Höhe des Einkommens, aber auch an die Zahl der Kinder gekoppelt (pro Kind würden sie halbiert).[8] Nichtdeutsche hätten jedoch stets den vollen Grundrentenbeitrag zu entrichten und erhielten auf ihr „Lebensrentenkonto“ im Unterschied zu deutschen Staatsbürger*innen auch keinen staatlichen Zuschuss.

File:2017-04-23 AfD Bundesparteitag in Köln -68.jpg

Zwei Ärsche ohne Kopf – ergeben keinen Zopf

Ganz im Sinne einer völkischen Ideologie werden Deutsche privilegiert und wird die traditionelle Familie hochgehalten: „Eine deutlich bessere Absicherung im Alter als jedes Rentensystem [sind] nach wie vor die eigenen Kinder“, so Frohnmaier; mit ihnen könne „auf eine höhere Lebensrente im Zweifel einfacher verzichtet werden“.[9] Frohnmaier gehört folglich zu den Verächtern, nicht zu den Verteidigern des modernen Sozialstaates, glaubt er doch, man könne die Altersvorsorge im 21. Jahrhundert wie in einer altertümlichen Gesellschaft organisieren, in der Kinder den Reichtum ihrer Eltern darstellten und diese im Alter mit „durchfütterten“. Statt jedoch die Konsequenz aus seiner absurden Vorstellung zu ziehen und den Eltern mehrerer Kinder, die sie im Alter versorgen könnten, eine staatliche Rente vorzuenthalten, macht Frohnmaier das Gegenteil und möchte sie gegenüber Kinderlosen privilegieren.

Nichtdeutsche dürfen derzeit nicht gegenüber Deutschen diskriminiert werden, denn das Sozialversicherungssystem finanziert sich durch verfassungsrechtlich nach Art. 14 Abs. 1 GG als Eigentum geschützte Beiträge von Arbeitnehmer*innen und Arbeitgebern. Wer also gewisse Rentenbestandteile deutschen Ruheständler*innen vorbehalten will, verstößt gegen die Verfassung – weshalb Frohnmaier auch eine Grundgesetzänderung anstrebt. Zugleich will die AfD, wie in ihrem Bundestagswahlprogramm angekündigt, zum Blutrecht zurückkehren und sowohl Mehrfachstaatsangehörigkeiten als auch Einbürgerungen nach dem seit knapp zwanzig Jahren geltenden Territorialprinzip wieder abschaffen.[10] Hier lebende Nichtdeutsche hätten dann keine Möglichkeit mehr, die deutsche Staatsbürgerschaft und damit volle Rechte als Rentenbezieher*innen zu erhalten.

»Staatsbürgerrente« für deutsche Geringverdiener

Quelle           :         Blätter         >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen       :

Oben     —         MAISCHBERGER am 24. Januar 2018 in Köln. Produziert vom WDR. Thema der Sendung: Ganz unten: Wie schnell wird man obdachlos? Foto: Christoph Butterwegge (Armutsforscher)

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Stadtgespräch aus Berlin

Erstellt von DL-Redaktion am 13. September 2019

Schräg gestimmt

Gut Essen auf Kosten Anderer ?

Von Barbara Dribbusch

Der „Generation Mitte“ geht es gut wie nie, aber die Leute klagen über schlechte Stimmung. Die Seele funktioniert nun mal paradox.

Alle Jahre wieder kommen News von Allensbach. In Form von Umfragen unter MitbürgerInnen: Hey, wie geht es euch so? Wie ist das Befinden, zufrieden mit dem Einkommen, mit der Welt? Das Interessante daran: Die Stimmung ist oft schlechter als die Lage. Es könnte auch umgekehrt sein, man kennt das aus Glücksstudien, wo plötzlich irgendein armes Land erstaunlich weit vorne liegt im Happiness-Ranking.

Aber die Deutschen sind eisern: Die Wirtschaft lief zwar gut in den vergangenen Jahren, die Arbeitslosigkeit ist eher niedrig, trotzdem herrscht vielerorts Unbehagen. „Die Menschen haben immer weniger Respekt voreinander“, „Regeln werden immer weniger beachtet“, „Der Egoismus nimmt zu“, „Die Aggressivität nimmt zu“, das sagten zwischen 68 und 81 Prozent der rund 1.100 Befragten im Alter zwischen 30 und 59 Jahren in einer am Donnerstag vorgestellten Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach. Wobei 68 Prozent auch eine Zunahme der Fremdenfeindlichkeit konstatierten.

Datei:ChristianLindner-FDP-2.jpg

Der Irre übte mit DR – Titel

In dieser „Generation Mitte“ (was in diesem Fall etwas mit der Altersstruktur und nichts mit „Mittelschicht“ zu tun hat) waren 59 Prozent aber mit ihrer wirtschaftlichen Situation zufrieden, 44 Prozent der „Generation Mitte“ geht es heute nach eigenen Angaben wirtschaftlich besser als vor fünf Jahren, im Vergleich zu 2018 sind das zwei Prozentpunkte mehr. In Ostdeutschland stimmten sogar 46 Prozent der Befragten der Aussage zu, dass eGleichzeitig sieht man auch immer mehr arme Leute in den Straßen, die weniger haben als man selbst. Schuldgefühl! Es liegt an der EU-Erweiterung Richtung Osteuropa und der Zuwanderung von Geflüchteten, dass die globale Armut nun auch hier, in Deutschlands Metropolen viel sichtbarer geworden ist.s ihnen besser geht als vor fünf Jahren.

Verlustangst steigt

Mit den objektiven wirtschaftlichen Daten und der Einkommenssituation hat es also gar nicht so viel zu tun, ob man die Welt am Abgrund wähnt oder nicht. Im Gegenteil, die Seele funktioniert nach einem Paradox. Wenn es wirtschaftlich aufwärtsgeht, hat man auch mehr zu verlieren. Verlustangst! Außerdem gibt es dann immer ein paar Leute, die noch mehr Geld machen als man selbst. Ungerechtigkeit!

File:Gerhard Schröder, der Basta-Kanzler.png

Der Genosse aus der Gosse !

Gleichzeitig sieht man auch immer mehr arme Leute in den Straßen, die weniger haben als man selbst. Schuldgefühl! Es liegt an der EU-Erweiterung Richtung Osteuropa und der Zuwanderung von Geflüchteten, dass die globale Armut nun auch hier, in Deutschlands Metropolen viel sichtbarer geworden ist.

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Oben      —        Abendmahl‘ von Arno Funke

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DER ROTE FADEN

Erstellt von DL-Redaktion am 2. Juni 2019

Rentner, gebt das Wahlrecht ab!

Roter Faden Hannover rote Zusatzmarkierung.jpg

Durch die Woche mit Johanna Roth

Und den Führerschein gleich mit. Denn für beides gilt: Die Alten gefährden die Jungen. Was wir brauchen, ist eine Epistokratie der Jugend.

„Seniorin kracht in Schaufenster“, „Rentner fährt in Menschenmenge“. Wir alle kennen diese Unfallmeldungen, es gab sie auch in dieser Woche. Immerhin müssen Führerscheine in der EU inzwischen alle 15 Jahre neu beantragt werden. Aber verpflichtende Fahrtauglichkeitstests? Och nö.

In Deutschland, einig Fahrerland, wollen wir uns nicht nur die Freiheit erhalten, mit 222 Stundenkilometern über die A100 zu brettern (das war allerdings ein 20-Jähriger), sondern auch jene, die Automatiklimousine durch die Fußgängerzone zu steuern, und wenn dann das Gaspedal plötzlich dort sitzt, wo eigentlich gerade noch die Bremse war, tja, dann. „Ich setze auf Eigenverantwortung“, sagt niedlich Bundesverkehrsminister Scheuer, unterstützt vom ADAC, während die vielen Experten, die unermüdlich darauf hinweisen, dass im Alter nicht nur das Sehvermögen, sondern auch die Selbsteinschätzung schlechter werde, still verzweifeln.

Anderer Leben gefährden ist das eine. Das andere: anderer Zukunft gefährden. Am Sonntagabend, als die Europawahl-Hochrechnungen kamen, zeigte sich: Unter 60 wurde hierzulande mit Blick auf die Straße gewählt, über 60 mit Blick in den Rückspiegel. Die Zustimmung für die Grünen – die bei den unter 60-Jährigen vorne lagen und bei den Erstwähler*innen so viele Stimmen holten wie Union und SPD zusammen – sank antiproportional zum Alter der Wählenden. Bei der CDU verhielt es sich genau andersherum.

File:Abfalleimer als Wahlurne.JPG

Nun finde ich das nicht etwa deshalb bedenklich, weil die Grünen prinzipiell überaus toll wären. Man kann gute Gründe haben, sie nicht zu wählen, und die Aufmerksamkeit für das Thema Klima ist weit weniger ihnen zu verdanken als den Kids, die seit Monaten auf die Straße gehen.

Zugemüllt mit Kohlekraftwerken und Plastiktüten

Umso erschreckender ist die Deutlichkeit dieses Stimmungsbilds: Wer jung ist, wählt die Grünen, weil er*sie ein Bewusstsein für den Klimawandel überhaupt nur bei diesen sieht. Weil er*sie weiß, was auf dem Spiel steht. Und vor allem: Weil er*sie selbst davon betroffen ist. Ein bis zwei Generatio­nen davor rennen dagegen dem Narrativ der Union hinterher: Alles Panikmache, geht mal lieber anständig auch zur Schule, es geht hier schließlich um unseren WOHLSTAND (das CDU-Lieblingswahlkampfbuzzword).

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Oben    —    Roter Faden in Hannover mit beschriftetem Aufkleber als Test für einen möglichen Ersatz des auf das Pflaster gemalten roten Strichs

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Rente wird frisch frisiert

Erstellt von DL-Redaktion am 23. Mai 2019

Gesetzentwurf zur Grundrente

Von Ulrich Schulte

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat einen Gesetzentwurf für eine neue Grundrente vorgelegt. Aus der Union kommt scharfe Kritik.

Die Grundrente ist eines der wichtigsten Projekte der SPD. Niedrigverdiener, die 35 Jahre lang gearbeitet haben, müssten im Alter mehr Geld als die Grundsicherung bekommen, das betonen SozialdemokratInnen seit Monaten.

Arbeitsminister Hubertus Heil hat am Mittwoch einen detaillierten Vorschlag vorgelegt. Die Grundrente sei ein „Ausdruck des Respekts vor Lebensleistung und ein wesentlicher Beitrag im Kampf gegen Altersarmut“, sagt Heil. Der Gesetzentwurf wurde am Dienstagabend ins Kanzleramt geschickt und geht jetzt in die Ressortabstimmung.

Kern der Reform wäre eine neue Grundrente: Wer mindestens 35 Jahre lang gearbeitet, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt hat, soll im Alter mehr bekommen als die Grundsicherung. Diese Grundrente würde von der Rentenversicherung automatisch an alle bezahlt, die infrage kommen. Eine Bedürftigkeitsprüfung gäbe es nach dem Willen der SPD nicht. BezieherInnen müssten also nicht ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse offenlegen.

Die Reform zielt auf NiedrigverdienerInnen oder Leute mit unterbrochenen Erwerbsbiografien. Profitieren würden laut Arbeitsministerium drei Millionen RentnerInnen, 80 Prozent davon Frauen. Die Aufschläge würden variieren. Eine Friseurin, die 40 Jahre auf dem Niveau von 40 Prozent des Durchschnittslohns gearbeitet habe, komme derzeit auf eine monatliche Rente von 512,48 Euro, rechnet das Ministerium vor. Mit der Grundrente käme sie auf 960,90 Euro im Monat. Bei anderen Erwerbsbiografien fiele der Aufschlag deutlich niedriger aus.

Feldzug der Bürokratie gegen die BürgerInnen

Dass die Große Koalition Heils Vorschlag 1:1 umsetzt, ist so gut wie ausgeschlossen. Aus der Union kommt scharfe Kritik. Ein Knackpunkt ist die Bedürftigkeitsprüfung. Auf eine solche haben sich CDU, CSU und SPD im Koalitionsvertrag geeinigt. Mit ihr sänken die Zahl der Begünstigten und die Kosten deutlich. Die SPD argumentiert, dass Menschen, die ein Leben lang gearbeitet hätten, nicht dazu gezwungen werden dürften, sich vor dem Sozialamt zu erklären.

„Bei der Bedürftigkeitsprüfung werden schon finanzielle Rücklagen ab 5.000 Euro angerechnet oder ein kleines Eigenheim“, heißt es in einem Papier des Arbeitsministeriums. Eine Bedürftigkeitsprüfung sieht man in Heils Haus deshalb als „Feldzug der Bürokratie gegen die BürgerInnen“. Alle RentnerInnen müssten angeschrieben und zur Offenlegung ihrer Vermögensverhältnisse angehalten werden. Dies, so die Botschaft, sei für gebrechliche 90-Jährige unzumutbar.

„Ich appelliere an die SPD, diesen Vorschlag zurückziehen“

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Sagt: Peter Altmaier:   „Denn ich habe ja ganz gut davon gelebt – wie ihr seht !“

In der Union sieht man das anders. CSU-Landesgruppenchef Ale­xander Dobrindt wirft der SPD unseriöse Zahlengaukelei vor. Ein Modell ohne Bedürftigkeitsprüfung widerspreche dem Koalitionsvertrag. Außerdem wird vor dem Gießkannen-Prinzip gewarnt. So ist zum Beispiel die Rede von der sprichwörtlichen Zahnarztgattin mit kleiner Rente, die von der Grundrente profitiere, obwohl sie sie nicht nötig habe. Bei der SPD hält man dagegen, dass das Zahnarzt-Paar ja in diesem Fall mehr Steuern zahlen müsste.

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Oben     —         Mittelscheitel, Karikatur von Theo Lingen

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Theresa Mays Abgesang

Erstellt von DL-Redaktion am 12. April 2019

Sag beim Abschied leise Nay-nay

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Jetzt kann es nur noch nach Oben gehen !

Von Tom Kibasi | The Guardian  auf der Freitag

Die Verschiebung des EU-Austritts auf Oktober bedeutet das Ende für Theresa May und ihren Brexit-Deal.

Großbritannien bleibt bis Ende Oktober diesen Jahres in der EU – aber mit reduzierter Macht und Status, wobei für Ende Juni eine Überprüfung seines Verhaltens angsetzt ist. In einer Ehe entspräche das der Verbannung aufs Sofa, wenn nicht gar in den Gartenschuppen.

Die Demütigung von Mittwoch Abend, als 27 andere Nationen über das britische Schicksal entschieden, war ein Vorgeschmack auf eine „Norwegen-Plus“- oder „Binnenmarkt 2.0“-Lösung, bei denen Entscheidungen über Großbritannien in dessen Abwesenheit getroffen werden. Sie offenbarte die Lügen der Brexit-Befürworter und die Unmöglichkeit einer starken und stabilen Position außerhalb der EU. Historiker werden eines Tages festhalten, dass die Briten ihre Macht in Europa so lange nicht wertschätzten, bis sie sie verloren hatten. Auch Theresa May wurde erneut gedemütigt. Aber es scheint keine tiefen Spuren zu hinterlassen, sie besitzt scheinbar kein Schamgefühl. May bleibt davon überzeugt, dass sie im Recht war und ist. Die Schuld liegt bei ihren Kritikern – und nicht bei ihrem Deal oder ihrer politischen Führung.

Die Frage, die unbeantwortet bleibt, ist: Was nun? Die wenigsten führenden EU-Politiker hatten daran geglaubt, dass die Gespräche zwischen Tories und Labour zu einem Deal führen würden, den das Parlament unterstützen könnte. Und das zu Recht. Es ist nicht in Jeremy Corbyns Interesse, die konservative Partei aus einer Krise zu führen, in die sie sich selbst manövriert hat. Und für May hätte jeder für die Labour-Partei akzeptable Deal eine mögliche permanente Spaltung ihrer eigenen Partei zur Folge gehabt, wie es sie seit 1846 und der Abschaffung der Korngesetze nicht gegeben hat.

Aus diesem Grund wurden diese Verhandlungen nie mit guten Absichten geführt – sonst wären die Brexit-Hardliner in der Regierung bereits zurückgetreten. Kabinettsmitglieder von Außenminister Jeremy Hunt bis Geoffrey Cox scheinen nicht in der Lage zu sein, ihre doppelzüngigen Ambitionen zu verheimlichen, indem sie quasi versprechen, dass ein zukünftiger Tory-Chef jeden Deal zunichte machen würde.

Der Abbruch der Gespräche zwischen May und Corbyn ist daher nur eine Frage der Zeit

Aber all das hat eh keine Bedeutung. Selbst wenn May und Corbyn sich auf einen Deal für einen weichen Brexit ohne eine bestätigendes Referendum einigen könnten, würde die Mehrzahl der Tory-Abgeordneten wegen des Inhalts dagegen stimmen und die Labour-Abgeordneten allein schon wegen des Procedere dagegen sein. Wenn May versuchen sollte, Fraktionszwang für ein „Volksreferendum“ durchzusetzen, würde ihre Regierung zerbrechen.

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So lässt sich die Sache von Unten betrachten ?

Würden sie hingegen tatsächlich einen Deal aushandeln, könnten sich die Partei-Spitzen in einer Lage wiederfinden, in der die einzigen Abgeordneten, die dafür stimmen, auf den beiden Vorderbänken sitzen. Dieses Vorgehen verzweifelter Unterstützer der Premierministerin hat weder im Parlament, der Tory-Partei oder der Labour-Bewegung große Zugkraft.

Quelle      :      Der Freitag            >>>>>        weiterlesen

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Grafikquelle      :

Oben         —          Mother Theresa May

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Unten      —       Ohmigod!

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Mein Rentenkonzept für alle

Erstellt von DL-Redaktion am 16. Februar 2019

„Steuerfreie Sockelrente“ für ALLE

Von Stefan Weinert / Ravensburg

Zur öffentlichen Diskussion und eventueller Zustimmung ( = Unterschrift für diese Petition)

HIER  —   Klick

Das bisherige deutsche Rentenkonzept wird nicht abgeschafft, sondern ergänzend durch Einführung eines Sockelbetrages für alle und den Wegfall der Steuerpflichtigkeit für alle geändert. Zwar passt dieses Konzept nicht ganz auf einen Bierdeckel, zumindest aber auf zwei übersichtliche DIN-A4-Seiten.

Die bisher nach den Rentenpunkten berechnete Rente wird von staatlicher Seite für den einzelnen Arbeitnehmer dahin gehend ergänzt, dass er für jeden vollen Monat, den er in seiner Lebenszeit rentenversicherungspflichtig gearbeitet hat, bzw. für Zeiten, wo Rentenbeiträge [auch durch andere] gezahlt wurden (dazu gehören auch die Erziehungsjahre (siehe Mütterrente), bezahlten Urlaubstage, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Tage an denen Krankengeld bzw. Arbeitslosengeld I gezahlt wurde) vom Staat einen Sockelbetrag von 1 Euro zusätzlich erhält. Dabei spielen weder die Höhe des einst gezahlten Monatslohnes, noch die Höhe des monatlichen gezahlten Rentenversicherungsbeitrages eine Rolle.

Der Mindestzuzahlungsbetrag auf die monatliche Rente seitens des Staats beträgt dabei 120 Euro (120 Monate = 10 Jahre gearbeitet), der Höchstbetrag beläuft sich auf 504 Euro ( 504 Monate = 42 Jahre gearbeit).

Diese Regelung gilt für jede/n zum Zeitpunkt des Inkraftretens dieses Rentenkonzeptes lebende/n Rentner/in ab dem Tag des Inkrafttretens. Vom Staat verordnete Rentenerhöhungen (meist zu 1.7. eines Jahres) gelten für den Gesamtbetrag.

Wichtiger Baustein des hier zur Diskussion gestellten Rentenkozeptes ist, dass sowohl die durch Arbeitnehmertätigkeit (Lohn und Gehalt) erworbene Rente, als auch der vom Staat gezahlte Sockelbetrag (siehe oben) generell und grundsätzlich steuerfrei sind.  

Wer die Rente versteuert, der muss – von der Logik und der Gerechtigkeit her  – auch das Krankengeld und Arbeitslosengeld I versteuern, denn beide sind, wie auch die Rente, Versicherungsleistungen  Das geschieht aber nicht. Sie unterliegen nur dem so genannten „Progressionsvorbehalt“. D.h. sie wirken sich lediglich auf die Höhe des Steuersatzes für das zu versteuernde Einkommen aus.

Durch den gezahlten Sockelbetrag (bei 35 Arbeitsjahren läge er bei 420 Euro) würden Millionen von bisherigen steuerfreien „Kleinrentnern“ auf einmal steuerpflichtig, was das Anliegen des Sockelbetrages konterkarieren würde.

Finanziert wird das vorgeschlagene Rentenkonzept (zu zahlender Sockelbetrag und Wegfall von Rentensteuern) aus einem Fond, der aus Überschüssen der Rentenversicherungsanstalten, der Krankenkassen, der Agentur für Arbeit, so wie aus dem weiteren Staatshaushalt gespeist wird.

Nachdruck, Vervielfältigung und Weiterverbreitung nur mit Quellenangabe!

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Grafikquelle     :     Stefan Weinert – (cc) Privat

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Die Rente ist weiblich

Erstellt von DL-Redaktion am 7. Februar 2019

Was ist hier schon gerecht?

Datei:Meißner Landschwein - Sau; Foto R. Klemm (zugeschnitten).jpg

Die fettesten Schweine aus Politik und Wirtschaft haben die Tröge lange leer gefressen, wenn sich das Volk über den Rest-Abfall hermachen darf.

von Ulrike Baureithel |

Altersvorsorge Hubertus Heil will eine Grundrente ohne Prüfung der Bedürftigkeit. Leistungsideologen bringt das auf die Palme.

Die Armut ist alt und weiblich, hieß es bis in die 90er Jahre. Damals beglückwünschten sich die Rentenversicherer noch, wenn der Anteil der Rentnerinnen sank, die auf Sozialhilfe angewiesen waren. Und auf Frauenpresseseminaren, die die damalige Bundesversicherungsanstalt für Angestellte noch ausrichtete, wurde stolz verkündet, dass Frauen künftig mit einer auskömmlichen Altersversorgung rechnen könnten. Die damals schon zirkulierende Idee einer Grundrente schien erst einmal beerdigt. Das war 1996. Zuvor hatten die Regierungen Kohl die Rentenhöhe allerdings bereits an die Entwicklung der Nettolöhne gekoppelt, mit negativen Folgen. Sie hatten das Renteneintrittsalter auf 65 erhöht (von 60 für Frauen und 63 für langjährig beschäftigte Männer) und die rentenwirksamen Ausbildungszeiten eingeschränkt. Es war der erste drastische Einschnitt in das System der gesetzlichen Rentenversicherung.

Um sich die Dimension der seither (insbesondere unter SPD-Führung) umgesetzten rentenpolitischen Zumutungen ins Gedächtnis zu rufen, muss allerdings auch daran erinnert werden, dass das damalige Rentenniveau noch bei 70 Prozent lag. Die durchschnittliche Rente von Frauen betrug 1.484 (West) und 1.311 Mark (Ost). 2017 beträgt die durchschnittliche Einstiegsrente für Frauen 716 Euro, die Inflationsrate liegt seither bei knapp 30 Prozent. Gerechnet wurde einst damit, dass das Rentenniveau bis 2030 auf 64 Prozent sinken würde, was damals als skandalös empfunden wurde. Heutzutage wird ein Minister schon attackiert, wenn er ankündigt, es bei 48 Prozent des Nettoeinkommens halten statt weiter senken zu wollen – die Kohl-Regierung wäre 1996 in den Orkus geschickt worden, hätte sie so etwas nur angedeutet.

Die Rente ist weiblich

Und noch eine andere Zahl verdeutlicht, wie sehr sich der Hintergrund geändert hat, vor dem die Rentendebatte geführt wird: Gab es Mitte der 90er Jahre um die 160.000 Sozialhilfeempfänger im Rentenalter, waren es 2017 544.000, die Grundsicherung bezogen, weil Rentenbezüge und Vermögen nicht ausreichten, um ihre Existenz basal zu sichern. Wobei man auch heute noch von einer hohen Dunkelziffer ausgehen kann. Es ist zu erwarten, dass diese Zahl drastisch steigen wird, wenn immer mehr Beschäftigte mit unregelmäßigen Erwerbsverläufen ins Rentenalter kommen.

Zwar hat die Armut heute ein anderes Gesicht, es sind nicht mehr Kriegswitwen, die einsam in ihren kalten Buden hocken, sondern „junge Alte“ mit mäandernden Lebensläufen und -brüchen, oft genug hoch qualifiziert und mit Ansprüchen an das Leben. Und es sind eben nicht nur die immer wieder aufgerufenen Friseurinnen oder Lagerarbeiter mit Mindestlohn, es sind auch Büroangestellte und akademisch Tätige, teilzeitarbeitende Altenpflegerinnen und Langzeitarbeitslose. Und es sind wieder zunehmend mehr Frauen, jedenfalls behauptet das Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). 75 Prozent der drei bis vier Millionen heutigen und künftigen Rentnerinnen, die von der Grundrente, wie sie Heil in Aussicht stellt, profitieren würden, wären nämlich Frauen. Das ist erstaunlich angesichts der Tatsache, dass Kindererziehungszeiten mittels Mütterrente inzwischen berücksichtigt werden.

Doch wer lange erwerbstätig war, so Heil, soll eine halbwegs auskömmliche Alterssicherung erhalten. „Lebensleistung verdient Respekt“, lautet seine Botschaft, „denn jemand, der jahrzehntelang hart gearbeitet hat, hat ein Recht darauf, deutlich mehr zu bekommen als jemand, der nicht gearbeitet hat.“ Bei 35 Jahren zieht der Minister allerdings die Grenze, von der an dieser Respekt gezollt werden soll. Wer 35 Jahre lang versicherungspflichtig erwerbstätig war, Kinder erzogen oder gepflegt hat, soll auf eine Grundrente hoffen dürfen, die mehr ist als „Placebo“-Politik. Die viel zitierte Friseurin mit Mindestlohn käme auf 961 statt 514 Euro, eine Krankenschwester mit zwei Kindern, die eigentlich nur 860 Euro Rente erhielte, könnte mit 1.100 Euro rechnen, so die Beispiele aus dem Arbeitsministerium. Allerdings: Arbeitslosigkeit oder Minijobs schlagen dabei nicht zu Buche. Und wer das Pech hat, nur 34 Jahre und 10 Monate auf seinem Rentenkonto angehäuft zu haben, bleibt ebenfalls außen vor. So viel zur Gerechtigkeit. Immerhin will der Minister aber dafür sorgen, dass andere staatliche Zahlungen, etwa Wohngeld, nicht auf die Grundrente angerechnet werden. 2021 soll sie in Kraft treten.

Mit seinem Vorstoß geht der Sozialdemokrat weit über die Verabredungen im Koalitionsvertrag hinaus, in dem eine Grundrente zehn Prozent über der Grundsicherung festgeschrieben ist. Davon dürften nach Berechnungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes jedoch nur 130.000 armutsgefährdete Rentner profitieren.

Datei:Abschiedvostellung.jpg

Nicht lange nach der Geburt beginnt die Fahrt ins ungewisse.

Heil reagiert mit seinem Vorstoß auch auf die neue Unionsvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer, die Mitte Januar einen Vorschlag aus dem Arbeitsministerium angemahnt hatte, allerdings vor allem im Hinblick auf die „gebrochenen Erwerbsbiografien“ in Ostdeutschland und die dort stattfindenden Landtagswahlen. Von Heils Entwurf dürfte sie so wenig begeistert sein wie etwa der Sozialexperte der Union, Peter Weiß, der es ablehnt, „Geld mit der Gießkanne zu verteilen.“

Und natürlich geht es um Geld. Aber eben nicht nur. Die Grundrente kostet, keine Frage, Heil rechnet mit einem „mittleren einstelligen Milliardenbetrag“ jährlich; gemessen an den rund 100 Milliarden, die der Bund ohnehin in die Rentenkassen einspeist, überschaubar. Andere Experten rechnen mit dem Doppelten, doch das ist nicht die Krux – auch wenn Finanzminister Olaf Scholz seinem SPD-Kollegen gut getimt in die Parade grätscht, wenn er auf das voraussichtliche Defizit im Bundeshaushalt dieses Jahr verweist und die Ministerien zum Sparen mahnt.

Quelle        :         Der Freitag          >>>>>         weiterlesen

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Oben       —          Meißner Landschweine. Aufnahme von Dr. Roland Klemm, 2010 im Betrieb Merzdorf Leuben-Schleinitz.

Urheber
Public domain Dieses Werk wurde von seinem Urheber Dr. Roland Klemm als gemeinfrei veröffentlicht. Dies gilt weltweit.
In manchen Staaten könnte dies rechtlich nicht möglich sein. Sofern dies der Fall ist:
Dr. Roland Klemm gewährt jedem das bedingungslose Recht, dieses Werk für jedweden Zweck zu nutzen, es sei denn, Bedingungen sind gesetzlich erforderlich.

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Unten         —        Napoleon III. und sein Sohn Lulu überqueren den Rheinfall. Gemeint ist natürlich ein Reinfall.

Quelle http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kla1870/0338?sid=0b4c736cfe729fa6572041d0aa135c90
Urheber Kladaradatsch
Public domainPublic domainfalsefalse
Public domain Dieses Werk ist gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist.
Dies gilt für das Herkunftsland des Werks und alle weiteren Staaten mit einer gesetzlichen Schutzfrist von 100 oder weniger Jahren nach dem Tod des Urhebers.

 

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Irrtümer und Wahrheiten

Erstellt von DL-Redaktion am 13. Dezember 2018

Demografische Irrtümer und Wahrheiten

Quelle     :      Scharf – Links

Von Holger Balodis

Hartnäckig werden Forderungen nach mehr Generationengerechtigkeit in der Rente mit demografischen Argumenten begründet: Viel zu wenig Nachwuchs, zu viel Alte, die obendrein immer älter werden, ein stark schrumpfendes Erwerbstätigenpotenzial – oft wird das Horrorszenario eines sterbenden Volkes bemüht. 2060 sollen es schon 12 Millionen Menschen weniger sein. In 400 Jahren schließlich sind alle weg.

Solche Prophezeiungen sind unsinnig, aber leider kaum aus den Köpfen zu bekommen. Versuchen wir es mit Fakten: Die Bevölkerung Deutschlands wächst seit sieben Jahren regelmäßig an und erreicht aktuell mit rund 83 Millionen Personen erneut einen historischen Rekordwert. Das sind rund 10 Millionen mehr als zu den Babyboomerzeiten in den frühen 1960er Jahren (bezogen auf Gesamtdeutschland). Es wächst jedoch nicht nur die Gesamtbevölkerung, auch die Zahl der Erwerbstätigen erreicht Jahr für Jahr neue Höchststände: Gerade übertraf sie die 45 Millionen-Marke. Vor zehn Jahren waren es noch 4 Millionen Erwerbstätige weniger. Nun mag man einwenden, für die Rente sei die Anzahl der versicherungspflichtig Beschäftigten sehr viel wichtiger. Doch auch die kennt nur eine Richtung: nach oben. Die Agentur für Arbeit meldet rund 33,5 Millionen Personen, so viele wie noch nie. „Kein Wunder“, sagen jetzt einige: „Da sind ja noch all die Babyboomer dabei.“ Richtig, doch die wurden vor zehn Jahre auch schon mitgezählt. Und da lag die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung deutlich unter 28 Millionen. Offenbar sind hier Effekte wirksam, die sich mit den demografischen Horrorprophezeiungen nicht so recht vereinbaren lassen. Zuwanderung (vor allem aus Europa), höhere Erwerbstätigkeit von Frauen, spätere Verrentung – und sogar die Geburten haben in den jüngsten Jahren wieder deutlich zugelegt. Wohin das in ein paar Jahren führen wird, weiß heute niemand. Es wird aber deutlich: Die Prognosen der Demografie-Apologeten sind höchst unsicher.

Die heutigen Werte hatte vor 10 oder 15 Jahren niemand vorhergesagt. Und die beständig wiederholte Behauptung, der demografische Wandel führe mit Sicherheit zur großen Krise, womöglich zum Ende der umlagefinanzierten gesetzlichen Rente, ist Unsinn. Wahr ist: der eigentliche demografische Wandel liegt längst hinter uns. Innerhalb von etwas mehr als 100 Jahren hat sich das Verhältnis von Beitragszahlern und Leistungsempfängern so dramatisch verändert, wie das wohl nie wieder passieren wird. Die gesetzliche Rente hat das exzellent überstanden, bis Politiker zur Jahrtausendwende den Lobbyisten der Finanzwirtschaft erlagen und die Axt an ein erfolgreiches Rentensystem legten. Die Demografie kann dafür nicht glaubhaft bemüht werden. Statt weiter und noch stärker die Finanzwirtschaft zu füttern, sollte ein erfolgreiches System wieder auf die Beine gestellt werden.

Holger Balodis und Dagmar Hühne:

Die große Rentenlüge – Warum eine gute und bezahlbare Altersicherung für alle möglich ist, Westend Verlag, 208 Seiten, 18 Euro (ISBN 978-3-864889-177-9)

Urheberrecht
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Unten       —           Im Alter gehst du betteln Skulptur in Hamburg…im Alter gehst du Betteln

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DER ROTE FADEN

Erstellt von DL-Redaktion am 12. Dezember 2018

Schwäne auf Spitze,
Allianz – Chef unter Arschlochverdacht

Roter Faden Hannover rote Zusatzmarkierung.jpg

Durch die Woche mit Nina Apin

Angestrebter Gemütszustand: Adventsbesinnlichkeit. Ist-Zustand: Geht so. Zumindest gebe ich mir Mühe: Der mit dem Sohn in der Grundschule gebastelte Adventskranz steht auf dem Tisch, die selbst gebackenen Plätzchen sind auch gelungen – aber irgendwas ist ja immer.

Zum Beispiel die Kuvertüre: Enthält PALMÖL! Also das Zeug, das Regenwälder zerstört, Kleinbauern die Existenz raubt und Orang-Utan-Babys zu Waisen macht. Stand neulich im Greenpeace-Magazin – weswegen die Tochter, die bereits Crunchy-Müsli aus dem Haushalt verbannt hat, fast den Glasierpinsel weggeschmissen hätte. Aber dann siegte doch die Lust am Dekorieren.

Gemütlich war auch die Abendrunde in der Kneipe mit Freunden. Dann berichtete einer, dass die Wohnungen, die gerade in unserer Straße hochgezogen werden, für 8.500 Euro den Quadratmeter verkauft werden. Und das in einer Gegend, in der Versandhäuser Sofortzahlung bevorzugen. Betretene Gesichter bei den Anwesenden. Denn so eine Nachricht heißt ja nichts anderes als: Die Einschläge kommen näher.

Zum Beispiel muss die Musikschule meiner Tochter wegen Mieterhöhung demnächst raus. Doch es gibt auch Good News: Bekannte sind in eine Wohnung gezogen, deren Eigentümerinnen ihnen freiwillig sensationelle Mietkonditionen gewähren – sie wollen, erklärten sie den perplexen Neumietern, das allgegenwärtige Spiel der Gier nicht mitspielen. Wir trinken auf die guten Immobilieneigentümer und wünschen ihnen ein langes Leben.

Allianz CEO Oliver-Baete meets PM Modi.jpg

Doch schon bei der Lektüre der aktuellen Zeit ist das kurzzeitige Wohlgefühl wieder im Eimer: Da erzählt Allianz-Chef Oliver Bäte frisch von der Leber weg, „Gerechtigkeit sei für ihn ein marxistischer Begriff. Er wisse gar nicht recht, was das sein solle – wenn, dann könne er überhaupt nur mit dem Begriff „Interessenausgleich“ etwas anfangen. Von der Analyse her ist das natürlich korrekt, schließlich hat nie jemand behauptet, im Kapitalismus gehe es gerecht zu. Und da Bäte ja fürs Risikenabschätzen zuständig ist und nicht Abgeordneter der Linkspartei, ist das Herstellen von, nennen wir es Chancengleichheit auch nicht sein Kerngeschäft. Aber als hochbezahlter Manager so was rauszuhauen bringt ihn trotzdem unter Arschlochverdacht. Wie soll man solche Äußerungen anders verstehen als: Herr Bäte von der Al­lianz findet dann wohl auch, dass es kein Recht auf bezahlbares Wohnen in der Innenstadt gibt – oder auf einen intakten Regenwald.

Quelle       :          TAZ         >>>>>         weiterlesen

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Oben     —    Roter Faden in Hannover mit beschriftetem Aufkleber als Test für einen möglichen Ersatz des auf das Pflaster gemalten roten Strichs

Unten     —        The CEO-Designate Allianz Group of Germany, Mr. Oliver Baete calls on the Prime Minister, Shri Narendra Modi, in New Delhi on January 16, 2015.

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Gesellschaftskritik

Erstellt von DL-Redaktion am 4. November 2018

Das Märchen von den teuren Alten

File:Aurich 4.jpg

Von Bernd Hontschik

Dem Gesundheitswesen unserer alternden Gesellschaft droht die Kostenexplosion. Klingt einleuchtend, ist aber falsch.

Unser Gesundheitswesen ist in Gefahr! Das hört man immer wieder. Die größte Gefahr gehe davon aus, dass die Gesundheit bald nicht mehr bezahlbar sein werde. Der medizinische Fortschritt mache die Medizin immer teurer, deswegen könne er nicht mehr allen zugutekommen. Man werde rationieren, prio­risieren und zuteilen müssen. Und dann ist da außerdem auch noch die immer weiter steigende Lebenserwartung, die immer größer werdende Zahl alter Menschen. Älter ist kränker ist teurer, so lautet die Schreckensformel. Aber stimmt das eigentlich alles?

Der Begriff der Kostenexplosion wurde 1974 von dem damaligen Gesundheitsminister von Rheinland-Pfalz, Heiner Geißler, in die politische Diskussion eingeführt. Mithilfe einer irreführenden Visualisierung von eigentlich recht geringen statistischen Schwankungen der Gesundheitskosten entstand der Eindruck einer steil ansteigenden Kostenkurve. Der Spiegel setzte daraufhin mit der Serie: „Krankheitskosten: Die Bombe tickt“ im Jahr 1975 das ganze Land unter Strom. Spätestens jetzt war klar: Es bestand dringender Handlungsbedarf!

Im Jahr 1998 erschien ein Taschenbuch mit dem Titel „Das Märchen von der Kostenexplosion“ und entwickelte sich schnell zu einem Bestseller. Bis dahin hatte der Begriff der Kostenexplosion aber schon enorme Bedeutung in sämtlichen Diskussionen über die Zukunft des Gesundheitswesens erlangt. Alle Welt war der Meinung, dass das Gesundheitswesen bald nicht mehr bezahlbar sein werde und längerfristig auf den totalen Zusammenbruch zusteuere.

Tatsächlich gibt es aber gar keine Kostenexplosion im Gesundheitswesen. Es hat auch noch nie eine gegeben. Die Ausgaben für das Gesundheitssystem sind in unserem Land seit Jahrzehnten konstant. Sie betragen 10 bis 12 Prozent des Bruttoinlandsprodukts mit minimalen Ausschlägen nach oben oder unten, und zwar nicht weil die Kosten explodieren, sondern wegen konjunktureller Schwankungen dieses Bruttoinlandsprodukts. In dem nun schon zwanzig Jahre alten Buch wurde damals die These von der Kostenexplosion definitiv widerlegt, ja sogar ad absurdum geführt. Doch damit war die These von der angeblichen Kostenexplosion im Bereich des Gesundheitswesens keineswegs erledigt. Bis heute wird in jeder Talkshow und bei jeder Erörterung über die Zukunft unseres Gesundheitswesens immer wieder auf diese angebliche Kostenexplosion verwiesen.

Als einzelner Beitragszahler spürte man ja nichts von der Konstanz der Gesundheitskosten, im Gegenteil. Man spürte stattdessen eine kontinuierliche Erhöhung der Krankenkassenbeiträge. Diese beruhte aber nicht auf einer Kostenexplosion, sondern auf einem dramatischen Einbruch der Einnahmen der gesetzlichen Krankenver­sicherung infolge der zunehmenden Arbeitslosenquote in den achtziger und neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts, die teilweise bis zu 12 Prozent betrug. Die dadurch fehlenden Beitragseinnahmen konnten nur durch Beitragserhöhungen ausgeglichen werden. Und um diese ­Beitragserhöhungen möglichst gering ausfallen zu lassen, wurden Selbstbeteiligungen der Erkrankten eingeführt, obwohl diese dem Konzept einer Solidarversicherung diametral widersprachen.

Catrinas - Day of the Dead Ladies.jpg

Rezeptgebühr, Zuzahlungen, individuelle Zusatzbeiträge und selektive Beitragserhöhungen bei eingefrorenem Arbeitgeberanteil waren solche Veränderungen. Dadurch wurden die Krankheitskosten mehr und mehr, Schritt für Schritt von der Solidargemeinschaft auf den einzelnen Kranken abgewälzt. Diese Entwicklung wurde von ausnahmslos allen politischen Parteien betrieben und fand ihren Höhepunkt in der rot-grünen Agenda 2010. Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder rief gleich zu Beginn seiner Regierungserklärung am 14. März 2003 den paradigmatischen Satz ins Plenum: „Wir werden Leistungen des Staates kürzen, Eigenverantwortung fördern und mehr Eigenleistung von jedem Einzelnen abfordern müssen.“

Zeitgleich wurde ein neues Vergütungssystem in den Krankenhäusern eingeführt, das die Höhe der Vergütung von der Schwere der Erkrankung und dem Aufwand der therapeutischen Maßnahmen abhängig machte, die Diagnosis Related Groups (DRG), oder auf Deutsch: Diagnosebezogene Fallgruppen. Diese Umstellung hatte und hat bis heute enorme Auswirkungen. Die Liegezeit von Kranken wird nun mit allen Mitteln reduziert, die Fallzahlen werden mit allen Mitteln erhöht und die Diagnosen werden so stark wie möglich dramatisiert, um in einer höhere Bezahlgruppe der DRG zu gelangen.

Quelle       :          TAZ             >>>>>           weiterlesen

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Oben     —       Aurich, Niedersachsen, Skulpturengruppe „Oma und Opa“ vor dem Historischen Museum in der Fußgängerzone

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Unten      —         Catrinas – Day of the Dead Ladies

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Heil macht Renten-unheil

Erstellt von DL-Redaktion am 4. September 2018

Jetzt ist die Rente aber sicher, oder?

Datei:Hubertus Heil 1271.jpg

Weiße Schrift auf blauen Grund : Drecksland ?

Eine Analyse von , , und

Mehr Geld für Mütter und eine mittelfristig stabile Rente: Die Koalition feiert ihr Rentenpaket. Die echten Probleme werden vertagt. Eine Analyse in sechs Zahlen.

Für Bundesarbeitsminister Hubertus Heil ist dieser Mittwoch ein „hervorragender Tag“. Der Sozialdemokrat gibt Details zum Rentenpakt bekannt, den das Kabinett am Vormittag beschlossen hat. Das geplante Gesetz gewährleiste „Sicherheit und Gerechtigkeit für alle Generationen“, ist Heil überzeugt. Die große Koalition will bis 2025 das Rentenniveau auf 48 Prozent des Durchschnittslohns stabilisieren und den Beitragssatz auf höchstens 20 Prozent ansteigen lassen. Außerdem weitet die Regierung die berühmte Mütterrente aus und will Geringverdiener bei den Rentenbeiträgen entlasten.

Insgesamt kostet das Paket mindestens 32 Milliarden Euro, mit am teuersten ist die Mütterrente. Geht es nach Heil, dann ist das Gesetz nur der erste Aufschlag: Im nächsten Jahr soll die Regierung die Grundrente beschließen und Selbstständige besser absichern. Außerdem müsse man unbedingt noch in dieser Legislaturperiode „die Weichen für den Zeitraum ab 2025 stellen“, wenn die Generation der Babyboomer in Rente geht. Wie groß diese Herausforderung ist, zeigen diese sechs Zahlen.

Einmal im Jahr wagen die Experten der Deutschen Rentenversicherung einen langfristigen Ausblick auf die Entwicklung der Renten. Demnach lässt sich das Rentenniveau von derzeit 48 Prozent dank der guten wirtschaftlichen Lage noch sechs Jahre halten. Dann wird es, so prognostizierten die Experten im vergangenen Herbst, bis 2030 auf 45 Prozent sinken – außer man steuert gegen. Doch das Niveau auf 48 Prozent zu halten wird teuer: Allein im Jahr 2040 müsste der Staat dafür nach Prognosen des Rentenfachmanns Axel Börsch-Supan rund 50 Milliarden Euro aufwenden. Summiert man die Jahresbeträge bis dahin auf, kommt man auf eine beeindruckende Summe von rund 493 Milliarden Euro.

Wie finanziert man einen solchen Betrag? Am Ende gibt es nur zwei Möglichkeiten: über höhere Steuern oder höhere Rentenbeiträge. Börsch-Supan geht davon aus, dass im Jahr 2030 die Mehrwertsteuer um vier Prozentpunkte steigen müsste, um das Rentenniveau bei 48 Prozent zu halten. Die Alternative: Jeder Arbeitnehmer zahlt mehr in die Rentenversicherung ein. Das aber würde bedeuten, dass der Beitragssatz auf mehr als 25 Prozent im Jahr 2040 steigen würde.

Zwar ist die Geburtenrate in Deutschland in den vergangenen Jahren leicht gestiegen – der demografische Wandel lässt sich damit aber nicht aufhalten. Das Statistische Bundesamt hat ausgerechnet: Im Jahr 2040 werden 30,5 Prozent der Bevölkerung 65 Jahre oder älter sein. Dabei unterstellten die Statistiker, dass jedes Jahr unterm Strich etwa 100.000 Menschen nach Deutschland einwandern. Als Ausgangsjahr für die Prognose hat das Bundesamt das Jahr 2013 genommen, damals lag der sogenannte Altenquotient bei nur 20,9 Prozent. Kämen doppelt so viele Menschen nach Deutschland, läge der Anteil der Alten im Jahr 2040 nur etwa einen Prozentpunkt niedriger, also bei 29,5 Prozent.

Diese Entwicklung hat drastische Folgen für das Rentensystem in Deutschland: Heute kommen auf 100 Menschen, die Beiträge in die Rentenversicherung einzahlen, 60 Rentner – im Jahr 2030 wird dieses Verhältnis bei etwa 1:1 liegen.

Die Zahl der Menschen, die Grundsicherung im Alter erhalten, steigt seit Jahren, wenn auch auf niedrigem Niveau. Anspruch haben nach Angaben der Rentenversicherung potenziell alle Rentner, deren gesamtes Monatseinkommen unter 838 Euro liegt. Inzwischen beziehen 544.090 Personen die zusätzliche staatliche Unterstützung, das sind etwa 2,5 Prozent aller Rentnerinnen und Rentner. Folgt man den Prognosen des Rentenforschers Bruno Kaltenborn, dann wird sich die Lage in den kommenden Jahrzehnten nicht dramatisch verschlechtern. Er geht in einer Studie im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung von einem Anstieg bei Männern auf 5,9 Prozent und bei Frauen auf 5,2 Prozent aus, die im Jahr 2030 Anspruch auf die Grundsicherung im Alter hätten.

Quelle     :        Zeit-online        >>>>>         weiterlesen

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Grafikquelle      :        Hubertus Heil, September 2009<bt /> Hubertus Heil (* 3. November 1972 in Hildesheim) ist ein deutscher Politiker. Er ist stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion mit Zuständigkeit für die Themen Wirtschaft und Arbeit. Er war von November 2005 bis November 2009 Generalsekretär der SPD.

Urheber Sven Teschke
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Die Angst bleibt

Erstellt von DL-Redaktion am 2. September 2018

Kommentar zum Rentenpaket

Bildergebnis für Wikimedia Commons Bilder Rentner

Kommentar von Anja Krüger

Das Rentenpaket der Bundesregierung erschöpft sich im Klein-Klein. Dabei wäre jetzt der richtige Zeitpunkt für eine echte Vorsorgereform.

Sehr viele Menschen haben Angst vor Altersarmut. Dabei ist die gesetzliche Rente eigentlich ein gutes System und der privaten Altersvorsorge weit überlegen. Aber etliche Bundesregierungen haben das System ausgehöhlt, indem sie Ansprüche gekürzt und Leistungen gesenkt haben. Die Große Koalition hat am Mittwoch ein neues Rentenpaket beschlossen. Doch leider wird das niemandem die Furcht nehmen können. Denn die Verbesserungen sind zu klein und ändern nichts am grundsätzlichen Problem.

Nötig wäre eine neue Rentenpolitik, die für eine echte Absicherung sorgt: eine ausreichende Mindestrente für alle, der Ausstieg aus der staatlichen Förderung der privaten Altersvorsorge und genug Geld zum Leben für Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten können. Doch der SPD-Sozialminister Hubertus Heil verliert sich im Klein-Klein, statt eine echte Reform wenigstens zu erwägen und in einer anderen Regierungskonstellation denkbar zu machen.

Nach dem Beschluss der Großen Koalition soll das Rentenniveau – also das Verhältnis der Durchschnittsrente nach 45 Jahren Arbeit zum Durchschnittslohn – bis 2025 auf dem heutigen Stand von 48 Prozent bleiben. Aber diese Stabilisierung reicht nicht. Schon heute ist die Rente für viele Menschen viel zu niedrig, immer mehr müssen zum Sozialamt.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts hat sich die Zahl der RentnerInnen mit einem Minijob zwischen 2003 und 2017 auf mehr als eine Million verdoppelt. Nach den Plänen der Regierung bekommen ab 2019 immerhin Mütter oder Väter etwas mehr Rente, die vor 1992 geborene Kinder haben.

Entlastungen bei Beitragszahlungen

Pro Sohn oder Tochter gibt es einen weiteren halben Rentenpunkt, also insgesamt 2,5. Für jüngere Kinder gibt es drei. Ein Rentenpunkt ist derzeit im Westen 32,03 Euro wert, im Osten nur 30,69 Euro – diese Ungerechtigkeit zu beseitigen, haben SPD und Union wieder einmal versäumt.

Immerhin: Die Große Koalition will Beschäftigte mit niedrigem Einkommen bei Beitragszahlungen entlasten. Die Grenze, ab der volle Rentenbeiträge gezahlt werden müssen, soll von jetzt 850 Euro auf 1.300 Euro steigen. Das bedeutet bis zu 20 Euro im Monat netto mehr für Beschäftigte mit niedrigem Einkommen. Das Pro­blem bleibt aber: Die spätere Rente wird nicht zum Leben reichen.

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Oben    —      Löhne und Renten retten!

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Unten     —    Pfandring an einem Abfalleimer in Köln

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Kassen voll, Rentner arm

Erstellt von DL-Redaktion am 7. August 2018

Der Streit über die Rentenversicherung geht weiter

File:2017-06-25 Hubertus Heil by Olaf Kosinsky-3.jpg

Schröders Verwalter  der Hartz 4 Gesetze / Heil – Hubertusd Volksschmarotzer nie gearbeitet – Rente gesichert!

Von  Anja Krüger

Im Gegensatz zur kapitalgedeckten Altersvorsorge geht es der oft totgesagten gesetzlichen Rentenversicherung prächtig. Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften und Sozialverbände haben unterschiedliche Vorstellungen, wie das SPD-geführte Arbeitsministerium damit umgehen soll.

So sieht es also aus, wenn sich Freidemokraten um Altersvorsorge kümmern: Die vorige FDP-Bundestagsfraktion hatte wegen der Betriebsrenten ihrer Mit­arbeiter bei der Rheinischen Zusatzversorgungskasse Schulden von mehr als fünf Millionen Euro – und diese einfach nicht bezahlt. Denn nachdem die FDP 2013 aus dem Bundestag geflogen war, war die Partei extrem klamm. Nun hat die Zusatzversorgungskasse aufgegeben, sie sieht keine Chance mehr, das Geld einzutreiben. Den Schaden haben diejenigen, die eine niedrigere Betriebsrente bekommen. Folgen für den Arbeitgeber: keine.

So geht das mit der kapitalgedeckten Altersvorsorge, wenn der Arbeitgeber einfach nicht zahlen will. Bei der gesetzlichen Rentenversicherung ist das deutlich schwieriger. Zahlt der Arbeitgeber Sozialbeiträge nicht, kann er schlimmstenfalls ins Gefängnis kommen.

Nicht nur wegen der zwangsweise guten Zahlungsmoral der Arbeitgeber sieht es in der Kasse der gesetzlichen Rentenversicherung zurzeit bestens aus. Die Konjunktur boomt, nie zuvor ­waren in der Bundesrepublik so viele Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Das wirkt sich unmittelbar auf die Rentenkasse aus, weil automatisch Beiträge von jedem sozialversicherungspflichtig Beschäftigten an die gesetzliche Rentenversicherung fließen. Versuchen Arbeitgeber, die Zahlungen zu verzögern, werden Sozial­versicherungsträger schnell rabiat. Aus den Beiträgen der heutigen Versicherten werden die Bezüge der heutigen Rentner gezahlt, für weitere Leistungen gibt es zudem Steuerzuschüsse. Das ist das sogenannte Umlageverfahren.

Nach der rot-grünen Rentenreform von 2002 sind die Rentenansprüche allerdings erheblich zugunsten der ­privaten Altersvorsorge eingeschränkt worden. Bei dieser und vielen Betriebsrenten gilt das sogenannte Kapitaldeckungsverfahren. Dabei wird Kapital angesammelt, das verzinst und mit dem später die Auszahlung finanziert wird. Die Höhe hängt vom Zustand der Kapitalmärkte ab. Dieses Verfahren ist ­zurzeit in der Krise, weil die Zinsen so niedrig sind.

Der so oft totgesagten gesetzlichen Rentenversicherung dagegen geht es prächtig. »Die finanzielle Lage der gesetzlichen Rentenversicherung ist nach wie vor sehr erfreulich. Die Löhne steigen seit Jahren kräftig und die ­Beschäftigung nimmt kontinuierlich zu«, so Alexander Gunkel, Vorsitzender des Bundesvorstands der gesetzlichen Rentenversicherung. Man habe »beträchtliche finanzielle Reserven« aufgebaut. Nach Auszahlung der Renten bleibt noch eine ganze Menge übrig. Im vergangenen Jahr war es eine halbe Milliarde Euro.

Datei:SPD Plakat 1932-4.jpg

»In Österreich ist der Renten­versicherungsbeitrag der Arbeit­geber höher als der Beitrag der Arbeitnehmer.« Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbandes VdK

Obwohl der Beitragssatz zu Beginn des Jahres um 0,1 Prozentpunkte auf 18,6 Prozent des Bruttoeinkommens gesenkt wurde – die von Beschäftigten und Arbeitgebern je zur Hälfte zu bezahlen sind –, sollen in diesem Jahr Prognosen zufolge sogar 1,4 Milliarden übrigbleiben. Die fließen in die sogenannte Nachhaltigkeitsreserve für Rentenzahlungen, die dann bei rund 35 Milliarden liegen würde. Damit könnte die Rentenversicherung, wenn auf einen Schlag alle Einnahmen ausblieben, 1,62 Monate lang die Renten weiterzahlen.

Die Nachhaltigkeitsreserve ist politisch wichtig. Denn an ihre Höhe ist der Beitragssatz gekoppelt. Gesetzlich vorgesehen ist, dass sie bei mindestens 0,2 Monatsausgaben liegt. Fällt sie ­darunter, muss der Beitragssatz angehoben werden. Liegt sie über 1,5 Monatsausgaben, soll der Beitragssatz sinken. Dafür entscheidend ist aber die Prognose für das kommende Jahr – und damit die Pläne der Großen Koalition.

Quelle     :    Jungle.World >>>>>> weiterlesen

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Grafikquellen    :

Oben     —       Hubertus Heil auf dem SPD Bundesparteitag am 25. Juni 2017 in Dortmund

Autor   —    © Olaf Kosinsky      /    Sourcer    —    Own work

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Unten    —        Wahlplakat der SPD zur Reichstagswahl vom 6. November 1932

Die Schutzdauer für das von dieser Datei gezeigte Werk ist nach den Maßstäben des deutschen, des österreichischen und des schweizerischen Urheberrechts abgelaufen. Es ist daher gemeinfrei.
Liegt eine triviale Wiedergabe vor, so erreicht diese weder die für einen urheberrechtlichen Schutz als Lichtbildwerk nötige Schöpfungshöhe, noch weist sie ein „Mindestmaß an persönlicher Leistung“ (vgl. BGH GRUR 90, 669 – Bibelreproduktion) auf, um in Deutschland Leistungsschutz als Lichtbild genießen zu können.

 

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Modernes Regieren

Erstellt von DL-Redaktion am 11. Juli 2018

Ein papiernes Fundstück aus dem Regierungsviertel

Näher an den herrschenden Realitäten geht kaum noch

Ein Schlagloch von Matthias Greffrath

Tief im Inneren der Regierungsmaschine herrscht Unbehagen darüber, dass im Schatten der Migrationskrise andere Aufgabenfelder der Koalition verblassen, namentlich der Pflegenotstand und die Wohnungsnot. In diesem Zusammenhang fand ein innerministerielles Papier, das uns zugespielt wurde, unser Interesse. Es handelt sich offenbar um Vorüberlegungen nachgeordneter Dienststellen und trägt die Überschrift „Strategische Synergien“. Wir dokumentieren es im Folgenden in Auszügen:

„Oberste Prinzipien deutscher Entwicklungspolitik sind Hilfe zur Selbsthilfe und die Entwicklung produktiver Beziehungen zwischen den Kontinenten (,Entwicklungshilfe ist keine Einbahnstraße‘). So sind in den letzten Jahrzehnten von jedem Euro, den wir in Afrika investieren, rund 75 Cent zurückgeflossen. Dieses Arbeitspapier skizziert eine kreative Ergänzung beider Prinzipien und Möglichkeiten erweiterter Kooperation bei der Bewältigung transkontinentaler Engpässe.

In ersten Überlegungen haben wir mit Unterabteilungsleitern aus Wirtschafts-, Entwicklungs- und Gesundheitsministerium das Konzept einer KOMPLEXEN UND MULTILATERALEN PROGRAMMIERUNG ANHALTENDER, NACHHALTIGER, ERWEITERTER INTEGRATION (KUMPANEI) entwickelt. So können wir aus systembedingten Strukturschwächen durch sinnvolle Synergien sichere und sanfte Sanierungsstrategien entwickeln. Im Folgenden verknüpfen wir damit drei aktuelle Engpässe des Regierungshandelns und stellen erste Überlegungen zu einen integrierten Lösungsstrategie an:

1. In Deutschland verschärft sich das METHUSALEMPROBLEM: Die Pflege und Unterbringung älterer Mitbürger belastet schon jetzt die Haushalte – eine Verbesserung der Pflegeschlüssel und der generellen Ausgestaltung der Pflege ist aus Kostengründen unwahrscheinlich.

2. Das WOHNRAUMPROBLEM beruht zumindest teilweise darauf, dass ältere alleinlebende MitbürgerInnen nach dem Auszug der Kinder und dem Verscheiden von Partnern in ihren überdimensionierten Wohnungen bleiben.

File:Niger highway overloaded camion 2007.jpg

Umzug der RentnerInnen in die neue Zukunft, als Dank des Abendland !

3. Das MIGRATIONSPROBLEM entsteht nicht nur durch Asylbewerber und Kriegsflüchtlinge. In den nächsten Jahrzehnten werden Millionen von Eritreern, Somalis, Kenianern, Senegalesen nach Norden drängen, allein, um der Armut zu entkommen.

Diese drei Problemlagen – Pflegenotstand, Wohnungsnot und Migrationsdruck – ergänzen sich zu einer mehrdimensionalen Situation negativer Komplementarität. Aber mit Hilfe kreativer Synergien könnte aus solchen negativen Triplebilanzen ein dreiseitiger Gewinn werden, der Haushalte entlasten und Humanität und Lebensqualität steigern kann:

Quelle     :    TAZ           >>>>>           weiterlesen

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Oben      —     Karikatur von Gerhard Mester Weiter so (2016)

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  • File:20161221 xl 1515–Gehard-Mester Weiter so.jpg
  • Erstellt: 21. Dezember 2016

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Altenpflege in Schland

Erstellt von DL-Redaktion am 1. Juli 2018

Schafft die Pflegeversicherung ab

File:Altenpflege 03.jpg

Von  Christoph Lixenfeld

Die Pflegeversicherung ist für viele Probleme in Deutschlands Altenhilfe verantwortlich. Investoren sichern sich damit traumhafte Renditen.

Nachmittags in einem Altenheim nördlich der schwedischen Großstadt Göteborg: Wie jeden Dienstag steht heute Musik auf dem Programm. Bewohner, die noch auf den Beinen sind, wiegen sich behutsam zu einem alten Volkslied, Rollstuhlfahrer tanzen gemeinsam mit Pflegerinnen, ein Mann spielt Gitarre. Die Stimmung ist entspannt, niemand sieht auf die Uhr, die Musik spielt so lange, wie die Beteiligten Spaß daran haben.

Die Schweden haben – anders als die Deutschen – Zeit für ihre alten Menschen, weil es in ihrem Land keine Pflegeversicherung gibt. Pflegekräfte sind dort Angestellte der Kommune, bezahlt aus Steuergeldern. In Deutschland sind die Verhältnisse andere. Wobei es an dieser Stelle nicht nottut, zum x-ten Mal detailliert die menschenunwürdigen Zustände in Deutschlands Altenpflege zu beschreiben. Wir alle lesen ständig darüber, und fast keine Woche vergeht, in der das Thema nicht in irgendeinem Polittalk diskutiert wird.

Stattdessen geht es in diesem Text um die Ursache des ganzen Elends, die Pflegeversicherung. Nur wenn wir sie abschaffen, lassen sich die vielerorts menschenunwürdigen Verhältnisse beenden, nur dann werden Pflegekräfte auch bei uns Zeit haben für eine liebevolle, zugewandte Betreuung. Denn die Pflegeversicherung ist mit ihrem planwirtschaftlichen System fehlgeleiteter Zuteilung für fast alle Probleme in Deutschlands Altenhilfe verantwortlich.

Das gilt zunächst für unsere Heime. Die Zustände in der stationären Altenpflege – und als Folge davon ihr Image – sind so verheerend, dass nur 8 Prozent der Deutschen freiwillig in ein Pflegeheim ziehen würden. Trotzdem werden Jahr für Jahr etwa 300 zusätzliche Häuser gebaut. Und das Ende dieses Booms ist längst nicht erreicht. „Es gibt aktuell noch viel zu wenig Heime (…), hier muss noch sehr viel gebaut werden in den nächsten Jahren“, sagt zum Beispiel Holger Wittmann, Partner der auf Pflegeimmobilien spezialisierten Beratungsfirma MFG GmbH.

Er könnte Recht behalten, jedenfalls wenn sich an den Verhältnissen nichts ändert: Nach einer (eher konservativen) Schätzung des Statistischen Bundesamts steigt die Anzahl der Pflegebedürftigen bis 2050 von heute 2,9 auf 4,5 Millionen. Werden davon dann genauso viele stationär versorgt wie heute, bräuchte Deutschland mindestens 5.000 zusätzliche Heime.

Renditen von bis zu 7 Prozent

Auf diese Zukunft wetten unzählige Investoren. Allein im zweiten Halbjahr 2017 wurden drei große deutsche Altenheimketten von Hedgefonds übernommen. Für eine davon – Alloheim – war es seit 2008 bereits der dritte Eigentümerwechsel.

Lukrativ sind solche Investitionen deshalb, weil sich – der Pflegeversicherung sei Dank – sowohl mit dem Bau als auch mit dem Betrieb von Pflegeheimen viel Geld verdienen lässt. So viel, dass Privatanlegern – auch sie können in Heime investieren – Renditen von bis zu 7 Prozent versprochen werden.

Denn auf dem Markt der Pflegeangebote müssen Gewinne nicht gegen harte Konkurrenz erkämpft werden, sondern der Staat teilt sie planwirtschaftlich und pünktlich am ersten des Monats zu.

Die Erbauer von Pflegeheimen werben auf der Suche nach Investoren ganz offen mit dieser lukra­ti­ven Zuteilung, der Satz „Mieteinnahmen staatlich garantiert“ fehlt in fast keinem Prospekt. Und Geldanleger, die in eine Pflegeimmobilie investieren, bekommen ihre Rendite sogar dann, wenn einige Zimmer des Heims vorübergehend leer stehen.

Möglich wird das durch eine trickreiche Konstruktion: Investor und Erbauer auf der einen und Betreiber des Heims auf der anderen Seite sind zwei unterschiedliche Firmen. 40 Prozent aller Heime in Deutschland werden nach diesem Investorenmodell betrieben. Der Betreiber zahlt dem Erbauer eine pauschale monatliche Pacht, die unabhängig ist von der Belegung des Heims. Das Geld für diese Pacht stammt zum Großteil aus der Pflegeversicherung.

Die Bedürfnisse der Menschen werden ignoriert

Quelle   :     TAZ          >>>>>        weiterlesen

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Grafikquelle     :       Altenpflege durchgeführt von einem Zivildienstleistenden in München

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Attribution: Andreas Bohnenstengel

 

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Von Schweden lernen

Erstellt von DL-Redaktion am 15. Mai 2018

Die Pflege in Deutschland ist in einem katastrophalen Zustand.

File:2014-09-12 - Ursula Engelen-Kefer MdB - 8854.jpg

Gespräche vom Engel –

Deutsche brauchen nicht lernen. Sie wissen alles, zumindest wenn sie Mitglieder der CDU oder SPD sind. Im besonderen nicht, sollten sie Kanzlerin oder Fianzminister sein, damit zählen sie sich immer zu den Größten dieser Welt welche sich überall einmischen müssen, um ihre Marktanteile zu sichern.  DL – Red. IE

Von Ursula Engelen-Kefer

Pflegenotstand – Für dessen Verbesserung sollte sich die Bundesregierung an Skandinavien orientieren.

Der Pflegenotstand in Deutschland beherrscht nicht nur mediale Schlagzeilen und Talkshows, sondern auch den Alltag von immer mehr pflegebedürftigen und pflegenden Menschen. Die Koalitionsvereinbarung der GroKo Neuauflage enthält eine Fülle von Einzelvorschlägen auch für die Gewinnung von Pflegekräften. Allerdings beschränken diese sich eher auf ein Herumkurieren an Symptomen. Die Wurzeln des Pflegenotstands können sie kaum anpacken.

Die Aufstockung der Vollzeitstellen für Pflegekräfte als Sofortprogramm ist ein Tropfen auf den heißen Stein, ebenso die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn verkündete Verbesserung der Entlohnung, auch durch die Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge. Vielmehr bedarf es einer grundsätzlichen Reform des Pflegesystems, wie es insbesondere in Schweden schon seit Jahren praktiziert wird.

Dort besteht seit vielen Jahren eine Vollversorgung in der Kranken- und Altenpflege, die durch die Kommunen bürgernah organisiert und aus Steuern finanziert wird. Die beitragspflichtige Pflegeversicherung in Deutschland ist hingegen nur eine Teilversicherung auf Bundesebene. Entsprechend geringer sind in Deutschland die finanziellen Ressourcen und damit auch die Pflegeleistungen. Gemessen am Bruttosozialprodukt sind die Ausgaben für die öffentliche Pflege in Schweden etwa dreimal so hoch. Dafür machen die privaten Kosten nur wenige Prozente aus, während sie in Deutschland etwa die Hälfte betragen und nach wie vor ein großer Teil der Pflege in den Familien selbst – und damit vor allem von Frauen – erbracht wird.

zum Käfer!

Besonders eklatant ist der hohe Anteil kommerzieller Pflegeeinrichtungen in Deutschland – mit den bekannten gravierenden Nachteilen für Pflegebedürftige und Pflegekräfte. Dagegen sind in Schweden, wie in den übrigen skandinavischen Ländern, die Altenpflegeeinrichtungen in öffentlicher Verantwortung. Der Personalschlüssel – nur der Hälfte der Pflegebedürftigen auf eine Pflegekraft – ist erheblich günstiger. Das ist eine wesentliche Voraussetzung sowohl für die Qualität der Pflege als auch die Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte.

Besondere Herausforderungen ergeben sich in Schweden wie in Deutschland bei der Integration von MigrantInnen einschließlich AsylbewerberInnen in die Gesundheits- und Pflegeberufe. Trotz höherer Geburtenrate steigt auch in Schweden der Bedarf an Pflegeleistungen schon allein durch die Erhöhung der Lebenserwartung. Zudem gibt es auch hier den „Brain Drain“ durch Abwanderung von Fachkräften in andere skandinavische Länder mit besseren Löhnen und Arbeitsbedingungen, insbesondere Norwegen.

Quelle    :        TAZ        >>>>>        weiterlesen

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Oben    —      Ursula Engelen-Kefer (* 20. Juni 1943 in Prag als Ursula Kefer) war von 1990 bis 2006 stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB). Zurzeit ist sie Dozentin an der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit in Schwerin.

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Author Sven Teschke
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Unten   —     Tobias M. EckrichFlickr: http://www.flickr.com/photos/digitalcourage/9691359025/in/set-72157635372016963

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Debatte Arbeit im Alter

Erstellt von DL-Redaktion am 19. April 2018

Milchschäumen mit 67

Von Barbara Dribbusch

Immer mehr Leute jenseits der 60 arbeiten, auch noch im Rentenalter. Ist das nun gut oder schlecht? Kommt drauf an. Das soziale Gefälle ist groß.

Heute zählt sich Isolde G., 67 Jahre alt, zu den Glückspilzen, obwohl es früher nicht danach aussah. Ihr ganzes Leben lang hat sie gearbeitet, zuerst als Köchin, dann als Erzieherin. Sie ist gesund geblieben. Heute erhält sie eine Rente von 1.400 Euro. Und hat vor Kurzem noch einen Teilzeitjob im Cafe einer Freundin angenommen, als Tresenkraft und Kaffeezubereiterin. Damit erreicht sie ein Einkommen von insgesamt 1.900 Euro netto im Monat. „So gut wie jetzt ging es mir noch nie“, sagt die Berlinerin.

G. ist ein positives Beispiel für eine neue Vielfalt an Lebensmodellen der über 60-Jährigen. „Lebensmodelle“– das klingt nach Selbstgestaltung, nach Freiwilligkeit. Eigentlich aber handelt es sich um höchst unterschiedliche Lebenslagen, die viel mit Glück oder Pech, mit Krankheit und Gesundheit, mit Arbeitslosigkeit, vielleicht einer Scheidung, zu tun haben. All dies entscheidet über die spätere materielle Situation – und die Frage stellt sich, inwieweit die Politik die sozialen Gefälle abmildern soll und kann oder nicht.

Materiell am besten geht es Leuten mit auskömmlicher Rente oder Pension, die vielleicht sogar geerbt haben. Einige davon sind noch erwerbs­tätig. Man arbeitet dann nicht aus Not, sondern um aktiv zu bleiben, unter Menschen zu sein.

Anders sieht es aus bei Personen mit Minirente, die vielleicht eine lange Familienphase, eine Scheidung erlebt haben, die Teilzeit arbeite­ten, die nicht auskommen mit dem Altersruhegeld. In der Pflege reduzieren viele ältere Frauen ihre Arbeitszeit, weil die Belastung so groß ist. Das schmälert die Rente. Im Alter müssen sich diese KleinrentnerInnen etwas hinzuverdienen, falls sie das schaffen.

FrührentnerInnen haben es schwer

Heikel ist die Lage der gesundheitlich Eingeschränkten, die in Frührente gehen und dann von einer geringen Erwerbsminderungsrente leben müssen. Wer zwischendurch lange arbeitslos war oder als Kleinselbstständiger nicht eingezahlt hat in die Rentenkasse, kann später auf einem Einkommensniveau in Höhe der Grundsicherung landen.

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/8/8f/KAS-Rentenreform-Bild-11935-1.jpg

So wurden RentnerInnen auch schon früher von Regierungen vorsätzlich betrogen: Man denke an die Kriegswitwen !  Merkel folgt also nur der alten CDU Traditionen!

Fast eine Million Menschen im Alter zwischen 65 bis 74 Jahren sind in Deutschland erwerbstätig, so das Statistische Bundesamt. Das ist jeder Neunte in dieser Altersgruppe. Der Anteil hat sich in zehn Jahren verdoppelt. Auch im Deutschen Alterssurvey kommen die Forscher zu dem Schluss, dass die Erwerbstätigkeit im Rentenalter vor allem von zwei Gruppen geprägt ist, einmal gut aufgestellten Selbstständigen oder ehemaligen BeamtInnen, andererseits MinirentnerInnen, denen ohne den Job die Altersarmut droht.

Es gibt zwei Trends, die gegeneinanderlaufen. Einerseits hat sich der Arbeitsmarkt für die Älteren verbessert, aufgrund des Nachwuchsmangels sind die Betriebe bemüht, die Älteren länger zu halten. Die Erwerbsquote auch unter den 60- bis 64-Jährigen ist gestiegen. Wer im Rentenalter noch einen Job sucht, profitiert überdies von der guten Konjunktur.

Quelle   :      TAZ       >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen    :

Oben    —       zwei Cappuccino

 

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Das Stinkefinger Portrait

Erstellt von DL-Redaktion am 16. Februar 2018

gemeinsames Symbol von Sozis, Punkern und Fußballprolls

Von Arno Frank

Kevin Kühnert, 28, hat in der „Sagen Sie jetzt nichts“-Rubrik der Süddeutschen Zeitung eine vielsagende Antwort gegeben. Auf die Frage „In CDU-Führungsrunden nennt man Sie offenbar den ,niedlichen Kevin‘. Einverstanden?“ antwortete der Bundesvorsitzende der Jungsozialisten mit einem nonverbalen Klassiker – dem Stinkefinger.

Was in diesem Fall niedlich ist, weil es sich bei Kühnert um eine altersgemäße Geste handelt; anders als bei Peer Steinbrück, der 2013 an gleicher Stelle als SPD-Kanzlerkandidat auf eine ähnlich provokante Frage („Pannen-Peer, Problem-Peer, Peerlusconi – um nette Spitznamen müssen Sie sich keine Sorgen machen, oder?“) den seit der Antike bekannten „schamlosen Finger“ zückte. 2016 war es Sigmar Gabriel, der in Salzgitter rechten Pöblern seinen Mittelfinger zeigte.

Kühnert stellt sich also in eine alte sozialdemokratische Tradition, bei mangelndem Respekt spielerisch eine Penetration mit dem symbolischen Phallus anzudrohen. Im Affekt gibt sich der ansonsten eher dröge Funktionär eben als bodenständiger Proletarier zu erkennen – und tut, was „man nicht macht“.

Als wohlbedachte Provokation soll der Stinkefinger den politischen Gegner auf Distanz halten. Er erklärt sich von selbst und ist der prägnanteste Ausdruck dessen, was man „unüberbrückbare Differenzen“ nennen könnte. Allerdings verstellt die gut durchblutete Aggressivität schnell den Blick darauf, dass es sich in Wahrheit um eine defensive Geste handelt.

Quelle    :    TAZ        >>>>>        weiterlesen

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Grafikquelle   :  Die Stinkefinger-Geste

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Schwerkraft-Verhältnisse

Erstellt von DL-Redaktion am 14. Dezember 2017

Zur Beharrlichkeit des Verehrers dieser Gesellschaft

File:Bettlerin Obdachlose (12269192996).jpg

Quelle  :   Untergrundblättle

Von 25karat.net

Es ist oftmals ganz schön frustrierend. Die Gesellschaft, in der wir leben, produziert haufenweise augenscheinliche Absurditäten: Menschen hungern, während Lebensmittel weggekippt werden.

Menschen müssen unter Brücken schlafen, während Häuser leer stehen. Menschen werden in die Lohnarbeit gezwungen, während Maschinen diese zusehends überflüssig machen. Menschen müssen mit einer Schale Reis pro Tag überleben, während Katzen mit «DeliCatesse mit Lachs und Meeresfrüchten» gefüttert werden. Die Liste aller Brutalitäten ist schier endlos und niederschmetternd. Kämen morgen Aliens auf unseren Planeten, sie würden sofort erkennen, dass hier was grundsätzlich schiefläuft. Doch jene, die hier leben, scheinen sich an die Widersprüche gewöhnt zu haben. Mehr noch: Sie klammern sich oftmals gerade dann besonders verbissen an diese Welt, wenn man auf deren elenden Zustand hinweist.

Die Strategie der RealistInnen

Egal wie beschissen der Zustand der Welt und egal wie gut die Argumente dagegen: Den sogenannten RealistInnen fallen immer neue Strategien ein, um nicht einsehen zu müssen, dass etwas grundsätzlich im Argen liegt. Da hüpfen sie von einem Thema zum nächsten und würgen jede Klärung ab. Da wird man selbst wegen des Alters oder der unterstellten Naivität lächerlich gemacht. Da wird die vermeintliche Natur des Menschen ins Feld geführt. Da wird auf Nordkorea verwiesen. Und da wird rhetorisch gefragt, was man denn eigentlich wolle, wo doch eine andere Gesellschaft überhaupt nicht möglich sei. Alles geht durcheinander, nichts wird geklärt und doch glauben sie sich im Recht. Weil halt alles so ist, wie es ist. Die RealistInnen werden dadurch bestätigt, dass sich das Elend fortspinnt und aus den Menschen Feinde macht, was ihnen wiederum Beweis dafür ist, dass die Menschen naturgemäss egoistisch und feindselig sind.

Dabei wäre es doch erst mal recht augenscheinlich, dass vieles so banal wie falsch ist: Es liegt nicht in der Natur, dass es BesitzerInnen von Maschinen gibt, die andere beschäftigen, um möglichst viel Geld zu scheffeln. Es ist kein unabänderliches Schicksal, dass einige kaum überleben können, während andere die dritte Luxusjacht kaufen. Es ist absurd zu glauben, dass der Mensch von Natur aus Handel treiben und Geld anhäufen würde, wo doch die Geschichte der Menschheit zu grossen Teilen ganz anders verlaufen ist. Niemand bei Verstand will nordkoreanische Verhältnisse in der Schweiz installieren, die Argumente zielen in eine ganz andere Richtung. Sie zielen darauf, dass mit den heutigen Möglichkeiten und dem Wissen eine Gesellschaft realisierbar wäre, in der alle nach ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen leben könnten. Die Vernunft ist doch auf der Seite derer, die auf diese Banalitäten hinweisen. Warum bloss bleiben die Argumente häufig so kraftlos? Woher kommt die beharrliche Uneinsichtigkeit?

Die Schwerkraft der Verhältnisse

Wir sind alle gezwungen, in dieser Welt zu leben und uns entsprechend ihren Vorgaben zu verhalten. Alleine können wir uns nicht der Lohnarbeit, den Steuern oder der Schule entziehen. Wir sind also davon abhängig, dass wir Geld verdienen, um dieses für mehr oder weniger nützliche Dinge ausgeben zu können. Damit das klappt, sind wir auf ein Unternehmen angewiesen, das uns einstellt. Ebenso auf einen Sozialstaat, der uns im Notfall einige Überreste des Reichtums zuteilt. Den FirmenbesitzerInnen und dem Staat müssen wir im Gegenzug unsere Arbeitskraft und einen Teil unseres erarbeiteten Geldes abgeben. Das scheint für uns, die wir in dieser Gesellschaft aufgewachsen und sozialisiert sind, naturgegeben zu sein. Aus diesem Teufelskreis können wir nur kollektiv ausbrechen; nämlich indem wir das Bestehende einreissen, damit auf den Trümmern eine neue Welt entstehen kann. Dieses Projekt ist zurzeit aber nicht gerade weit fortgeschritten. Es scheint im Gegenteil, als wäre der Kapitalismus unumstösslich.

Unsere Kritik an dieser Gesellschaft bleibt also vorerst eine, die wir nicht praktisch umsetzen können. Denn auch wenn wir aus unserer Kritik Konsequenzen zu ziehen versuchen, steht einer befreiten Gesellschaft vieles entgegen. Das bestehende System ist sehr beharrlich und aus der eigenen Erfahrung kennen wir auch nichts Anderes. Darum ist es für die allermeisten Menschen schlicht eine emotionale Unmöglichkeit, sich gegen das Ganze zu positionieren. Es wäre ein zu eklatanter Widerspruch zum alltäglichen Leben und zu ihrer eigenen Erfahrung. Sie identifizieren sich stattdessen mit der Gesellschaft und ihrem Staat. Sie schmiegen sich auch gedanklich ganz an die bestehenden Normen an. Und sie bilden eine entsprechende Persönlichkeit aus. Sie reagieren oftmals ignorant oder gar aggressiv auf Menschen, die diese Gesellschaft in Frage stellen. Denn damit stellt man nicht einfach nur ein abstraktes System in Frage, sondern zugleich die Lebensperspektive jener, die es sich in dieser Gesellschaft eingerichtet und ihre Ellbogen ausgefahren haben.

Wenn Menschen in der Diskussion also auf schlüssige Argumente gegen das herrschende Schlamassel mit Abwehr reagieren, dann hat das ganz wesentlich damit zu tun. Das ist aber noch nicht alles.

Anpassung und Gewalt

Das ständige Sich-Anpassen, das Funktionieren und das Integrieren führen auch dazu, dass man gewisse Neigungen und Bedürfnisse unterdrücken muss. Man schafft sich einen Panzer. Man verhärtet sich. Faul sein? Sich den Zwängen entziehen? Nicht funktionieren? Geniessen ohne Leistung? Ich doch nicht! Die unterdrückten Bedürfnisse glaubt man dann in jenen zu entdecken, die nicht mitmachen wollen oder dürfen: Der faule Flüchtling, der lüsterne junge Mann aus Afrika, die gefühlsduselige Frau; oder eben die Kommunistin, die sich allem entziehen will und kein produktives Mitglied der Gesellschaft ist.

Nicht nur rassistische und sexistische Vorurteile, sondern auch die Wut auf jene, die es anders machen wollen, speisen sich aus dem Zwang nach Anpassung. Für viele werden diese Menschen persönliche Feinde. Diese Verhältnisse erfordern das geradezu, weil sie beständige Abstriche bei den eigenen Bedürfnissen erzwingen. Weil sie den Einzelnen den kapitalistischen Zwängen unterwerfen und ihn gegen alle anderen in knallharte Konkurrenz setzen. Solidarität und Kritik sind Momente, die man bewusst dagegen stark machen muss.

Es gibt ganze Heerscharen von Professionellen, die dafür sorgen, dass alles beim Alten bleibt: PolitikerInnen, PsychologInnen, JournalistInnen, LehrerInnen, PolizistInnen, Stars und ExpertInnen aller Arten. Die Liste ist fast so lang wie die Widersprüche, die diese Gesellschaft produziert. In Schule, Medien, Politik und Werbung werden Werte und Vorstellungen dieser Gesellschaft zementiert und uns mundgerecht immer und immer wieder präsentiert. Das wird aber nur wirksam, weil damit an das oben beschriebene angepasste Bewusstsein angedockt werden kann. Man wird zur eilfertigen Arbeitskraft, zur begierigen KonsumentIn und zur loyalen StaatsbürgerIn erzogen; und ist das dann auch gern.

Es gibt genügend Leute, die ein weit reichendes Interesse an der Aufrechterhaltung des ganzen Irrsinns haben, weil sie auf die eine oder andere Weise davon profitieren. Es hat wenig Sinn, mit diesen über das Problem Kapitalismus zu reden. Bei vielen anderen kann und soll man es durchaus versuchen, die Panzer sind nicht immer ganz kugelsicher. Die Verhärtung hat sich oftmals noch nicht ganz gegen Begehren und Träume durchgesetzt – und diese sind potentiell auf unserer Seite.

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Erstellt von DL-Redaktion am 13. November 2017

Ältere werden in die Armutsfalle „zweiter Arbeitsmarkt“ abgeschoben

File:Spende aus dem Westen.JPG

Quelle  :   Untergrundblättle

Autor Martin Mair – streifzuege.org

Zunehmend sortiert „die Wirtschaft“ ältere Menschen aus und die Politik reagiert hilflos.

Im Februar 2014 präsentierte die rot-schwarze Regierung ein Arbeitsmarktpaket für die „Generation 50+“: 350 Millionen Euro würden investiert und neben Lohnsubventionen sollte auch der „zweite Arbeitsmarkt“ ausgebaut werden, in dem, so SPÖ-Sozialsprecherin Sabine Oberhauser, ältere ArbeitnehmerInnen die Gelegenheit erhielten, „eine sinnvolle und gesellschaftlich anerkannte Beschäftigung auszuüben, zum Beispiel in den Bereichen SchülerInnenbetreuung oder Haushaltsdienstleistungen.“1

Unter Sozialminister Alfred Dallinger wurden in den 1980er Jahren „sozialökonomische Betriebe“ (SÖBs) und „gemeinnützige Beschäftigungsprojekte“ (GBPs) als Teil der „experimentellen Arbeitsmarktpolitik“ eingeführt. Sie hatten primär Jugendliche ohne abgeschlossene Ausbildung als Zielgruppe und waren tendenziell freiwillig.

Mit dem Ansteigen der Arbeitslosigkeit buchte das Arbeitsmarktservice (AMS) immer mehr ältere, erfahrene Arbeitslose unter Androhung von Bezugssperren zu. Einige wehrten sich und gingen bis zum Verwaltungsgerichtshof, der die Sperren aufhob, weil der „zweite Arbeitsmarkt“ aufgrund seiner Vermischung von Arbeit und „sozialpädagogischer Betreuung“ nicht zumutbar sei. (VwGH GZ 2002/08/0262, GZ 2002/08/0135, GZ 2003/08/0200 u.A.)

Statt den „zweiten Arbeitsmarkt“ als freiwilliges Angebot neu zu positionieren, änderte die neu gewählte rot-schwarze Regierung unter Sozialminister Erwin Buchinger (SPÖ) im Herbst 2007 das Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG): Ab Jänner 2008 konnte das AMS Arbeit in SÖBs und GBPs als „zumutbare Arbeitsverhältnisse“ wieder mit existenzgefährdenden Bezugssperren erzwingen. Damals hatte der frisch installierte Sozialminister, Bruder von AMS Vorstand Herbert Buchinger, auf der Veranstaltung „Wege in die Zukunft“ vor SozialarbeiterInnen Sanktionen als notwendiges „Disziplinierungsmittel“ bezeichnet.2

Unterminiertes Arbeitsrecht

Gleichzeitig hatten die Gewerkschaften GPA-djp und vida mit der „Bundesarbeitsgemeinschaft Sozial- und Gesundheitsberufe“ (BAGS) und dem Verband der Erwachsenenbildung (BABE) eine „Transitarbeitskräfteregelung“ ausgehandelt: Anstatt eines regulären Lohns mit Anrechnung von Vordienstzeiten gestanden die „Sozialpartner“ den „Transitarbeitskräften“ in den SÖBs und GBPs nur noch einen niedrigen, vermutlich sittenwidrigen Pauschallohn von ca. 1.300 Euro brutto zu. Ohne Anrechnung von Vordienstzeiten und Qualifikationen und ohne Gehaltsvorrückungen. Von vielen im Kollektivvertrag festgeschriebenen Zusatzleistungen und Rechten werden die „Transitarbeitskräfte“ ausgeschlossen. Mit dem Segen der Gewerkschaft wurde vereinbart, dass diese „verpflichtend psychosozial begleitet und betreut werden“.

Obwohl die „kollektivvertraglichen Differenzierungskriterien, die das Ausnützen der sozialen Schwäche der Arbeitnehmer erschweren“ sollten (Csebrenyak Erich, Geppert Walter, Massl Wolfgang, Rabofsky Eduard: ABGB und Vertragsrecht, S. 128), und die regulären Branchenkollektivverträge in voller Absicht umgangen werden, gab es darüber nicht einmal eine rechtswissenschaftliche Diskussion. Laut Höchstgerichten können nämlich auch Kollektivverträge rechtswidrig sein. (OGH 9ObA80/11x) Wenngleich immer mehr Menschen, die sofort am „ersten Arbeitsmarkt“ arbeiten könnten, am „zweiten Arbeitsmarkt“ als ArbeitnehmerInnen zweiter Klasse zwischengelagert werden, preisen Arbeiterkammer und Österreichischer Gewerkschaftsbund diesen immer noch als angebliche Hilfe zur Integration in den „ersten Arbeitsmarkt“ an.

Theorie und Praxis des „zweiten Arbeitsmarktes“

Die Erläuterungen zur AlVG-Novelle 2007 nennen als Zielgruppe der SÖBs „Personen mit eingeschränkter Produktivität“ sowie „am Arbeitsmarkt benachteiligte Personen“, die „Vermittlungshemmnisse“ hätten und „Betreuungs- und Trainingsmöglichkeiten“ bräuchten. Die AK Oberösterreich und deren Tochterfirma FAB präsentierten heuer die Studie „SÖB und GBP im Wandel!“3, erstellt vom Institut für Berufs- und Erwachsenenbildungsforschung an der Universität Linz. Ihr zufolge sind SÖBs und GBPs für Arbeitslose mit „speziellen Hindernissen“ – wie „Langzeitarbeitslosigkeit, Alter, Behinderung, Betreuungspflichten, soziale Fehlanpassung, ehemalige Drogenabhängige, Haftentlassene, Nichtsesshafte, etc.“ – vorgesehen.

Tätigkeiten von SÖBs und GBPs sind im Niedriglohnsektor angesiedelt und entsprechen selten den Berufen und Kenntnissen der ZwangsteilnehmerInnen. Während laut Studie die zu den FAB-SÖBs/GBPs in Oberösterreich vom AMS zugewiesenen Arbeitslosen vorher in den Bereichen Gesundheit/Sozialwesen (38%), Handel (10%), Produktion (10%), Verwaltung (6%), Gastronomie (6%) tätig waren, boten die untersuchten SÖBs/GBPs Jobs in den Bereichen Gastronomie (22%), Bau (18%), Garten (17%) und Dienstleistungen (13%) an. Besonders hart erwischt es die zumeist wegen Krankheit aus dem Gesundheits- und Sozialbereich Ausgeschiedenen, die dann je rund die Hälfte der „TransitmitarbeiterInnen“ in den SÖBs/GBPs der Bereiche Sperrmüll, Garten und Bau stellen und auch mehrmals in diesen Betrieben arbeiten „dürfen“. Es „lässt sich generell kein sehr starker Zusammenhang mit späteren Berufsgruppen ableiten“ heisst es weiter in der Studie.

Die Erfolgsquote ist nicht berauschend: Lediglich 20,6% der Frauen und 24,3% der Männer finden direkt im Anschluss eine Arbeit, nach sechs Monaten steigt diese auf etwa 40%. Vergleichszahlen einer Kontrollgruppe ohne SÖB/GBP-Teilnahme fehlen bzw. werden nicht genannt.4 Weil das AMS nun vermehrt ältere und qualifizierte Menschen zuweist, häufen sich die Beschwerden beim Verein „Aktive Arbeitslose Österreich“.5 Einige Beispiele:

Eine studierte Biochemikerin, die als diplomierte Sozial- und Lebensberaterin arbeitete, durfte beim Caritas Shop Carla Gröbming in einer schlecht belüfteten Garage Altkleider schlichten. Sie brach sich den Fuss an einer Stufe und als sie am Ende der Probezeit kündigte, wurde sie vom AMS mit Bezugssperre bestraft.

Ein ehemals kaufmännischer Angestellter wurde zum SÖB „Chamäleon“ in eine schlecht belüftete Halle zur Mülltrennung verdonnert, obwohl er auf seine Rückenleiden hinwies. Er schied sogleich wieder aus, weil er nach einem Tag Arbeit für mehrere Wochen in den Krankenstand musste. In Kärnten wurde eine Kauffrau zum SÖB „Neue Arbeit“ in die Schneiderei/Wäscherei zum Bügeln geschickt, wo sie und viele andere als „Arbeitstraining“, ohne regulären Lohn und Pensionsversicherung, sechs Monate und mehr auf Kosten der Arbeitslosenversicherung gratis für die Firma hackeln dürfen. Wohl rein zufällig beliefert die Grossküche von „Neue Arbeit“ die Geschäftsstellen des AMS.

Einer Lehrerin aus Russland wollte die Arbeitsinitiative Bezirk Feldkirch (ABF) „Primärtugenden“ durch Hilfstätigkeiten bei der Mikroverfilmung beibringen. Sie wurde vom männlichen Vorgesetzten gemobbt. Die ABF versetzte die Frau in die „Manufaktur“ (Verpackung), wo sie die weit unter ihrer Qualifikation liegende Arbeit verweigerte und daraufhin vom AMS gesperrt wurde. Zusätzlich demütigend: Die männlichen Richter vom Verwaltungsgerichtshof schenkten dem Mobbingopfer kein Gehör und bestätigten die Bezugssperre. (VwGH GZ 2012/08/0043)

Der wirtschaftliche Nutzen der hoch subventionierten SÖBs und GBPs dürfte gering sein, Erfahrungsberichten zufolge sind die Betriebe eher ineffektiv. Sie dienen wohl mehr der Aufrechterhaltung des Scheins der Lohnarbeitsgesellschaft. Irgendeinen Job zu haben wird offenbar als einzige Möglichkeit der „Integration“ in „die Gesellschaft“ betrachtet.

Pathologisierung

SÖBs und GBPs betonen daher gerne die Defizite, die angeblich beseitigt, und die „Integrationsleistung“, die erbracht würde, wozu die Vermittlung von „Arbeitstugenden“ zähle. In Arbeitsverträgen samt zugehörigen Regelwerken finden sich besonders disziplinierende, repressive und mitunter rechtswidrige Elemente – etwa unangekündigte Alkoholkontrollen bei der Caritas Steiermark (der Alkohol kommt in den „Regeln der Zusammenarbeit“ gleich drei mal vor!) oder Strafen wie: „Bei unbegründetem Nichterscheinen am Arbeitsplatz vor 12:00 Uhr gilt der ganze Tag als unentschuldigt“ („Chamäleon“).

Für ältere Erwerbsarbeitslose, die nur wegen ihres Alters von der Wirtschaft diskriminiert werden, ist es besonders demütigend zwangsweise eine „sozialpädagogische Betreuung“ über sich ergehen lassen zu müssen. Das kann die Offenlegung des Privatlebens in hochnotpeinlichen Betreuungsgesprächen, nicht nur vor der Sozialarbeiterin, sondern auch vor dem gesamten „Schlüsselpersonal“ bedeuten, wie der Film „Hotspot“ von Sabine Derflinger über das Restaurant „Michls“ eindrucksvoll zeigt.

Laut Verwaltungsgerichtshof ist diese Betreuung „im Rahmen eines echten Beschäftigungsverhältnisses nur in den engen Grenzen der in § 9 Abs. 2 AlVG normierten Zumutbarkeit möglich“ (VwGH GZ 2004/08/0148). Laut Ministeriumserlass soll sie „der Durchführung der vertraglich vereinbarten Tätigkeit förderlich sein bzw. im weiteren Sinne jedenfalls dem Erwerb oder der Vertiefung beruflicher Qualifikationen dienen“. (Dienstanweisung BMWA-435.005/0025-II/1/2006)

Der Ideologie des neoliberalen „Aktivierungsregimes“ unterstellt, dass nicht die fehlenden Arbeitsplätze Ursache der Erwerbsarbeitslosigkeit sind, sondern „Vermittlungsdefizite“ der Arbeitslosen. Diese Defizitorientierung führt zur Täter-Opfer-Umkehr und demütigt die Opfer des Wirtschaftssystems zusätzlich.

Gemeinnütziger Sklavenmarkt

Eine besondere Form der SÖBs sind die „gemeinnützigen Personalüberlasser“ (SÖBÜ). Unternehmen können dort risikofrei – weil jederzeit fristlos zurückschickbar – Arbeitslose austesten und gleichzeitig „Wiedereingliederungsbeihilfen“ kassieren.

Vor allem das rot-grüne Wien setzt massiv auf diese Form des „zweiten Arbeitsmarktes“ und hat die Zahl der „Stellen“ massiv ausgebaut. In Wien gelten zwei der drei grossen SÖBÜs als SPÖ-nahe: bfi jobtransfair gehört der Arbeiterkammer und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund, itworks der Österreichischen Studien und Beratungsgesellschaft (ÖSB). Als besonderes Zuckerl gesteht eine neue AMS-Qualitätsrichtlinie den Unternehmern zu, die Arbeitslosen unentgeltlich, voll auf Kosten der Arbeitslosenversicherung, in Form eines „Praktikums“ bzw. einer „kostenlosen Personalüberlassung“ auszutesten.6 Dadurch wird das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz verletzt, denn während einer Überlassung ist der gleiche Lohn wie jener, der im Beschäftigerbetrieb üblich ist, zu zahlen. Angeblich soll es auch Firmen geben, die dadurch profitieren, dass sie sich alle drei Monate neue geförderte Arbeitslose beim SÖBÜ holen und so gut wie nie jemanden fix anstellen.

Politik drückt beide Augen zu

AK und ÖGB drücken vermutlich deshalb beide Augen zu, weil sie einerseits in allen AMS-Aufsichtsgremien mitreden und andererseits als Inhaber der bfi/baf/BBRZ-Gruppe der grösste Anbieter von AMS-Massnahmen sind. Ausserdem haben sowohl in SÖBs und GBPs als auch beim AMS viele ParteifunktionärInnen und -freundInnen eine Stellung oder sind in den Vereinsvorständen zu finden. GBPs werden oft von Gemeindeverbänden betrieben und sind somit auch parteipolitisch verortet. Der Politfilz im AMS-Bereich gehört immer noch zu den bislang medial und erst recht wissenschaftlich unbeleuchteten Politbiotopen rot-schwarzer Proporzpolitik.7

Für jene, die einen SÖB überstanden haben, warten noch versicherungstechnische Fallen: Wer sein karges Einkommen durch eine geringfügige Beschäftigung aufgebessert hatte, darf für das ganze Jahr rückwirkend Lohnsteuer zahlen, wenn damit dank SÖB/GBP die Jahresfreigrenze überschritten wurde. Wer selbständig war, verliert womöglich dank „rollierender Neuberechnung“ gleich den AMS-Bezug für das ganz Jahr und darf diesen zurückzahlen. Wer unter 45 Jahre alt ist, kann durch den Erwerb einer neuen Anwartschaft auf deutlich weniger Arbeitslosengeld kommen, weil das Einkommen, nach dem der Bezug berechnet wird, oft viel geringer ist als vorher.

Dass SÖBs und GBPs laut oben genannter Studie gerade für ältere und qualifizierte Menschen am ungeeignetsten sind, stört die Regierung überhaupt nicht. Geht es doch primär darum, die von den lästigen Alten verunstaltete Langzeitarbeitslosenstatistik zu schönen.

Martin Mair
streifzuege.org

Fussnoten:

1 http://bit.ly/1ITjFKd

2 http://www.sozialearbeit.at/veranstaltung.php?event=true&detail=33

3 http://media.arbeiterkammer.at/ooe/Studie_SOEB_im_Wandel_2015.pdf

4 http://bit.ly/1HBEoBV, S. 71

5 http://www.arbeitslosennetz.org/arbeitslosigkeit/ams-berichte/index.html

6 http://www.ams.at/_docs/001_AV_SOEB_GBP_RILI.pdf Punkt 6.4.7

7 https://nzz.at/s/F2vvy-nzwF

Soweit nicht anders angegeben und keine genauere Quellenangabe vorhanden ist, gilt für die Texte auf dieser Website die Creative Commons Lizenz (CC).

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Grafikquelle    :   Rentner erbettelt Geld für Essen für sich und seinen Hund vor der Kirche in Wismar von einem begüterten Touristen aus Nordrhein-Westfalen.

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Author Kate1kunst

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Ostdeutsche Lebenslügen

Erstellt von DL-Redaktion am 10. November 2017

Plädoyer für eine kritische Selbstbefragung

von Michael Lühmann

Was ist da bloß los in Dresden, in Sachsen, in Ostdeutschland angesichts der immensen AfD-Erfolge? Schnell werden die alten Erklärungsmuster präsentiert, etwa die vom im Zuge der Transformation zurückgelassenen, wütenden, an den Verhältnissen leidenden Ostdeutschen, im Brennglas verdichtet und pathologisiert in der Figur des ostdeutschen Mannes. Auch die Erzählung von den abgehängten Regionen jenseits der alten Grenze hat wieder Hochkonjunktur – von Westdeutschen erst geplündert, hernach unter den Nagel gerissen und bis heute via Zeitungsredaktionen, Intendanzen und Niederlassungsleitern beherrscht. Kurz, der Osten und mit ihm der „Ossi“ wird, wenn überhaupt, zumeist einseitig, als antidemokratisches Rudiment einer DDR-Sozialisation in Stellung gebracht, als Opfer der Transformation inszeniert, der er ungefragt beiwohnte – weshalb sich früher oder später der Hass entladen musste.

Eine solche, zudem verkürzte, Infantilisierung des Ostdeutschen ist aber schon eines der zentralen Probleme. Denn die Auffassung, dass der „Ossi“ von den „Wessis“ überrannt und geplündert wurde und bis heute gegenüber dem Westen benachteiligt ist, scheint zwar mit Blick auf Lohnentwicklungen, Eigentumsquoten und Eigentumshöhen richtig und beklagenswert. Aber unschuldig ist „der Ostdeutsche“ an den Entwicklungen im Osten nicht, ebenso wenig wie er nicht erst im Zuge der herbeigeschriebenen „Flüchtlingskrise“ radikalisiert worden ist. Zentral für das Verständnis der ostdeutschen Unzufriedenheit, die sich bei einem beängstigend hohen Anteil Ostdeutscher derzeit in der Wahl rechtsextrem durchwirkter Parteien wie der AfD manifestiert, sind vor allem drei Entwicklungen, die sich aus dem Zusammenspiel von ostdeutscher Sozialisation und ostdeutscher Situation ergeben: die überhöhten Erwartungshaltungen vor und nach 1989, spezifische politische Regionalkulturen und ein generationeller Bias.

Von unterirdisch beheizten Straßen und gläsernen Tankstellen

Was heute bisweilen als ein besonderes Gespür der Ostdeutschen für Ungerechtigkeiten gelesen und als Erklärungsmuster für die Wahl der AfD nur allzu gern in Stellung gebracht wird, ist nichts anderes als die Konsequenz eines kaum hinterfragten Selbstbetrugs der Ostdeutschen. Dieser gründet in latenten, aber tiefsitzenden Enttäuschungen, die schon vor 1989 aufkeimten und sich über Dekaden verstärkten. Migrierten die Ostdeutschen vor 1989 via ARD und ZDF imaginär in den „goldenen Westen“, ließen sie im Zuge der Revolution von 1989 ihren Ruf „Neues Forum zulassen“ zugunsten Helmut Kohls „blühender Landschaften“ im Wortsinne links liegen. Nicht die Erwartung einer direktdemokratischen Politik, sondern das Versprechen von Wohlstand und Glück fuhr 1990 fulminante Wahlsiege ein. Nicht Demokratisierung und Ökologisierung wurden zum Signum der siegreichen Revolution, sondern die an den Westen gerichtete – und gegen alle, auch klugen Bedenken umgehend erfüllte – Forderung der DDR-Bürger nach der D-Mark, die man sonst per Abstimmung mit den Füßen durchsetzen wollte. Denn dahinter stand die Idee von einem Land, in dem „die Straßen unterirdisch beheizt“ würden und „die Tankstellen nie schließen“, in dem „die Leute gar nicht mehr wussten, was sie noch schöner machen wollten“ und das nach „Asphaltstraßen mit gläsernen Tankstellen, nach Terrassen mit Strohhalmgetränken und Musik über einem blauen See“ aussah – so die literarische Verarbeitung dieses verzerrten und viele Enttäuschungen erklärenden Westbildes im Osten in Ingo Schulzes Roman „Neue Leben“.

Natürlich lässt sich die ostdeutsche Sehnsucht nach einem Leben in Freiheit und einem geeinten Deutschland nicht allein auf Konsum reduzieren, nicht auf Schilys Bananen-Metapher. Aber weil auch im Osten mit Erich Honeckers „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ das hehre Ziel einer Gesellschaft der Gleichheit schon vor 1989 auf dem Altar des Konsumsozialismus geopfert wurde, hat sich der Realitätsschock nach 1989 nochmals problematisch verstärkt. Hatte schon Honecker den Ostdeutschen in den 1970er Jahren bescheidenen Wohlstand versprochen, zog Kohl mit den „blühenden Landschaften“ nach. Und sicher blüht vieles im Osten, die gläserne Manufaktur ebenso wie so manche bis heute brachliegende Gewerbegebietsfläche, doch beheizt werden die Straßen noch immer nicht, und statt Strohhalmen gab es Deindustrialisierung à la Treuhand, ABM und Hartz IV. Das ist gemessen an den Lebenshoffnungen der Menschen im Osten wenig, doch gewehrt hat sich kaum einer. Treu wählten sie im Osten Helmut Kohl, der die Breuelsche Treuhandradikalkur gegen alle Mahner durchsetzte. Treu wählten die Dresdnerinnen und Dresdner einen FDP-Oberbürgermeister, der den gesamten sozialen Wohnungsbau der Stadt privatisierte. Treu kauften die Ostdeutschen mit der neuen Währung alles, was nur westdeutsch aussah: 15 Jahre alte Gebrauchtwagen zu Phantasiepreisen, westdeutschen Joghurt, westdeutsche Butter, westdeutsches Mehl, Krönung statt Mona Gold, Nutella statt Nudossi, Coca- statt Vita-Cola. Dass sie damit – Rotkäppchen und Jenoptik mögen die Ausnahmen sein – die ostdeutsche Wirtschaft mit ruiniert haben, das stellten sie erst fest, als die Ostalgiewelle all die Produkte zurückbrachte, zwar unter ihren ostdeutschen Namen, aber nun in westdeutscher Hand.

So richtig das Lamento sein mag, dass ein Großteil der für den Wiederaufbau Ostdeutschlands verwendeten Gelder nach 1989 wieder in westdeutsche Kassen zurückfloss, die Gründe dafür haben eben auch mit den Ostdeutschen selbst zu tun. Gleiches gilt für die politische Ebene. Blickt man etwa nach Sachsen, wo der Frust am größten sein muss, dann bleibt die Erkenntnis, dass die Wählerinnen und Wähler auch den ostdeutschen Politikern wenig bis nichts zutrauten. Die originär und mehrheitlich ostdeutschen Parteien wie die wiedergegründete SDP/SPD, die Bürgerbewegten von Bündnis 90 oder die gewendeten Sozialisten wurden mit politischer Nichtbeachtung gestraft, während in Sachsen und Thüringen mit Kurt Biedenkopf und Bernhard Vogel westdeutsche Politiker Ergebnisse von über 50 Prozent einfuhren. Und heute folgen die frustrierten und verängstigten ostdeutschen Männer wieder westdeutschen Politikerimporten, den Höckes, Gaulands und Maiers – auch weil sie enttäuscht sind von einer der ihren: von Angela Merkel.

Die Lasten der Vergangenheit

Quelle    :    Blätter >>>>> weiterlesen

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Grafikquelle    :    Wahlplakat der CDU 1998

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Altern in Deutschland

Erstellt von DL-Redaktion am 30. September 2017

Die Lüge vom guten Altwerden

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/a9/Stufenleiter_der_Gr%C3%B6%C3%9Fe_und_des_Sturzes_Napoleons.jpg

Von Jakob Simmann

Wer heute in Deutschland geboren wird, wird im Schnitt über 80 Jahre alt. Gleichzeitig hatte das Alter noch nie einen so schlechten Ruf. Warum?

Die greise Frau, mit Kohlestrichen gezeichnet, ist Albrecht Dürers Mutter Barbara. In ein loses Hemd gekleidet, ein Tuch über dem Haar, blickt sie mit blinden Augen am Maler vorbei. Der Wangenknochen schiebt sich zur Oberfläche, darunter fällt die Wange ein. Und auch das Schlüsselbein zeichnet sich unter der Haut ab. Die schmalen Lippen sind zusammengepresst, die Stirn liegt in unzähligen Falten. Sie ist 62 Jahre alt.

Dürers Porträt der eigenen Mutter von 1514 gilt als erstes realistisches Bild eines alten Menschen. Es zeigt, wie sehr das hohe Alter lange Zeit vor allem als Lebensphase des Leidens und Gebrechens galt. Wer das Erwachsenenalter überlebte, hatte vor allem gelitten. So schrieb Dürer: „Diese meine fromme Mutter hat 18 Kinder tragen und erzogen, hat oft Pestilenz gehabt, viel andrer schwerer und merklicher Krankheit, hat große Armut gelitten, Verspottung, Verachtung, höhnische Wort, Schrecken und große Widerwärtigkeit.“

500 Jahre nachdem Dürers Kohlezeichnung entstand, ist die Lebenserwartung in Deutschland auf über 80 Jahre geklettert. Die Gründe dafür sind vielfältig: Sauberes Trinkwasser und Impfungen verhindern, dass viele Kinder schon im ersten Lebensjahr sterben, soziale Sicherungs- und Gesundheitssysteme erreichten irgendwann auch die Armen, Antibiotika retten die Leben von Millionen Menschen, die an einer Lungenentzündung oder infizierten Wunden leiden, und flächendeckende Vorsorgeuntersuchungen geben Ärzten die Chance, bösartige Krankheiten früher zu erkennen und zu behandeln.

Immer fitter, mobiler, jünger

Die Medizin fand aber nicht nur Wege, das Leben zu verlängern, sondern auch Möglichkeiten, das Leben alter Menschen lebenswerter zu machen: 800.000 Menschen, die unter Grauem Star, einer Trübung der Augenlinse und typischen Alterskrankheiten leiden, werden allein Deutschland jedes Jahr operiert und können danach wieder deutlich besser sehen. Und wer sich den Oberschenkelhals bricht und vorher mobil war, hat heute dank ausgeklügelter chirurgischer Techniken gute Chancen, schon nach Stunden wieder mit dem Laufen zu beginnen.

Damit hat sich auch unsere Wahrnehmung des Alters auf den Kopf gestellt: Immer mobiler, immer fitter, immer jünger wollen die Alten sein.

„Die Lebensweise alter Menschen ist heute deutlich vielfältiger als früher, vielleicht sogar vielfältiger als die junger“, sagt Julia Twigg, Professorin für kulturelle Altersforschung an der University of Kent in England. „Das liegt auch daran, dass Alte weniger Zwängen durch Arbeit oder Familie ausgesetzt sind als junge Menschen.“

Entscheidenden Anteil daran, dass die Bilder vom Altern immer vielfältiger geworden sind, hatten die Jugendbewegungen des 20. Jahrhunderts. Zum Beispiel der Punk.

Alte Menschen beim Sex? Kein Tabu mehr

Die Punkszene entstand Ende der siebziger Jahre als Auffangbecken für Menschen, die „sich desillusioniert, machtlos und von der Gesellschaft ausgestoßen fühlten“, erzählt der Soziologe Andy Bennett. Bennett hat für seine Doktorarbeit Altpunks in Kent, Lille und Adelaide interviewt und begleitet: „Für viele war die Bewegung ein neues Zuhause.“ Sie waren jung und besetzten Häuser, verweigerten den Wehrdienst und provozierten die Bürgerlichen mit chaotischer Musik, bunten Haaren und Tattoos. Es ging gegen die Eliten, es ging um Freiheit und den Abbau von sozialen Tabus.

Was klein begann, veränderte die Gesellschaft. „Die dominante Mainstream-Gesellschaft und antihegemoniale Subkulturen wie der Punk reiben sich anein­ander. Dabei nimmt die Mainstream-Kultur langsam, aber sicher Aspekte und Ansichten der Subkultur auf.“ Bennett, der inzwischen eine Professur an der Griffith University in Australien hat, sieht darin den zentralen Mechanismus der sozialen Evolution. Zusammen mit anderen Bewegungen wie dem Feminismus und der Studentenbewegung brach der Punk auf diese Weise soziale Normen auf.

Und weil die Punks und die 68er langsam alt werden, erreicht die neu gewonnene Freiheit heute auch das Alter. Julia Twigg erklärt: „Heute sehen wir, dass die Tabus, die mit einem alternden Körper verbunden waren, radikal verschwinden.“

,,La conception de l'Empire": Tomi Ungerers Plakat-Entwurf für das Festival, der 1989 einen Eklat auslöste.Foto: Festival

Der deutsche Film „Wolke 9“ handelt von einem Ehepaar um die 70, das schon dreißig Jahre verheiratet ist, bis sich die Ehefrau in einen anderen Mann verliebt. Gleich zu Beginn des Films haben die zwei Protagonisten Sex. In der intimen Szene, die mehrere Minuten dauert, küssen sie ihre ins Alter gekommenen Körper, rollen auf einem Teppich herum und stöhnen.

Auch die Mode für alte Menschen ändert sich. Twigg forscht zu Kleidung und Mode im Alter. Es gab zum Beispiel geläufige Ideen dazu, was ältere Frauen tragen sollen: dunklere Farben, Schnitte, die weiter sind, und keine Kleidung, die aufreizend ist. Das ändert sich: Heute tragen auch ältere Frauen Körperbetontes und Farbenfrohes.

Früher war Altern natürlich, jetzt ist es eine Krankheit

Quelle   :   TAZ >>>>> weiterlesen

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Grafikquellen

Stufenleiter der Größe und des Sturzes Napoléons, Radierung, Deutschland 1814

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Linkes Sittengemälde   — Verlinkung mit der Saarbrücker-Zeitung – Napole4on mit seinem Rotkäppchen

 

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Im Rentenwahlkampf

Erstellt von DL-Redaktion am 30. Juni 2017

Martin Schulz geißelt die
rentenpolitische Enthaltsamkeit der Bundeskanzlerin.

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Nur: In seiner Partei sieht es nicht viel besser aus

Zur Altersvorsorge von Ursula Engelen Kefer

Mit ihrem Programm zu den Bundestagswahlen haben die SPD und Kanzlerkandidat Martin Schulz beim Parteitag in Dortmund am vergangenen Wochenende auch den Renten-Wahlkampf eingeläutet. Bestätigt wird dabei das bereits bekannte Rentenkonzept mit der doppelten Haltelinie beim derzeitigen Rentenniveau von etwa 48 Prozent, einem Beitragssatz von 22 Prozent und einem steuerlichen Demografiezuschuss. Allerdings gilt dies nur bis 2030, obwohl SPD-Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles erst im November mit ihrer Verkündung des weiteren dramatischen Rentenabfalls bis 2045 nicht nur die Partei aufgescheucht hat.

Aus der CDU/CSU gibt es bei der Rente wenig Erhellendes. Vielmehr ertönt ein mehrstimmiger Chor, ob ein eigenes Rentenkonzept noch vor den in drei Monaten anstehenden Bundestagswahlen vorgelegt werden soll.

Mit besonderer Angriffslust ist Schulz die Bundeskanzlerin ob ihrer rentenpolitischen Enthaltsamkeit angegangen. Bleibt nur zu hoffen, dass seine politische Keule nicht als Bumerang zurückschlägt. Immerhin geht es mit etwa 20 Millionen Rentnern um ein zuverlässiges Wählerpotenzial.

Burgfrieden in der SPD

Dabei war die öffentliche Begleitmusik zu den Rentenplänen von Schulz in der SPD zunächst eher vielstimmig. Mit der Verabschiedung des Wahlprogramms auch zur Rente ohne Gegenstimmen sollte zumindest die Befriedung in der Partei erreicht werden. Die kritischen Stimmen wurden geräuschlos niedergebügelt. Dafür soll in einer Arbeitsgruppe mit den betroffenen gesellschaftlichen Gruppen geprüft werden, ob das Rentenniveau nach 2030 angehoben werden kann. Ob die häufige Wiederholung von Schulz, keine weitere Erhöhung des Rentenalters zuzulassen, die Kritik an der von der SPD selbst eingeführten Rente mit 67 abwenden kann, wird sich zeigen. Abzuwarten bleibt ebenso, ob der Renten-Burgfrieden innerhalb der SPD anhält.

So notwendig es ist, den freien Fall des Rentenniveaus seit der Riester-Reform 2001 anzuhalten, so lässt sich hierdurch keinesfalls das propagierte Ziel für ein „angemessenes Leben im Alter“ ermöglichen. Dies ist mit einer ausgezahlten Monatsrente von im Schnitt knapp über 1.100 Euro für Männer und 650 Euro für Frauen nicht möglich.

Es ist daher für die Herstellung sozialer Gerechtigkeit auch im Alter unabdingbar, die massive Absenkung des Rentenniveaus rückgängig zu machen und die Riester-Treppe wieder nach oben zu gehen. Vor allem müssen Arbeitgeber ihren hälftigen Anteil an den erforderlichen Beiträgen leisten. Zu erhöhen ist auch der Steuerzuschuss, zumindest für die Mütterrente sowie die 63er-Regelung von etwa 10 Milliarden Euro im Jahr. Die derzeitige Finanzierung zulasten der Beitragszahler ist nicht nur sozial ungerecht, sondern gefährdet Vertrauen und damit die Zukunft der gesetzlichen Rentenversicherung.

 

Quelle    :    TAZ >>>>> weiterlesen

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Grafikquelle    :    Ursula Engelen-Kefer (* 20. Juni 1943 in Prag als Ursula Kefer) war von 1990 bis 2006 stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB). Zurzeit ist sie Dozentin an der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit in Schwerin.

 

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In die Armut riestern

Erstellt von DL-Redaktion am 23. Juni 2017

Die Privatisierung der Renten geht weiter. Heutzutage geht dies, auch mit einer Linken, anders als noch vor 15 Jahren, ohne große öffentliche Diskussion vonstatten.

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/6/6d/KAS-Rentenpolitik-Bild-12016-1.jpg

Auf Jura studieren – heisst als Politiker zu schmieren

Die gesetzliche Rente wird weiter geschwächt. Das ist das Ergebnis einer Sitzung des Bundestags, bei der die Regierungskoalition aus CDU, CSU und SPD Anfang Juni ein Gesetzespaket verabschiedete, das einige schwerwiegende Veränderungen mit sich bringt . Eines dieser Gesetze ist das sogenannte Betriebsrentenstärkungsgesetz. Allzu große öffentliche Aufmerksamkeit gab es dafür nicht, obwohl die Altersarmut dadurch weiter zunehmen dürfte.

Datei:Walter Riester.jpg

Um das zu vereinen bringen die  Gewerkschafter ihre Arbeiter zum weinen

Betriebsrenten gelten als zweite Säule der Alterssicherung. Die beiden anderen Säulen sind die klassische umlagefinanzierte gesetzliche Rente (»erste Säule«) und die private Rente (»dritte Säule«) einschließlich der »Riester­rente«. Bei der Betriebsrente gab es bisher fünf verschiedene Varianten. Diese ­erstrecken sich von der direkten Zuständigkeit des Arbeitgebers für die Rente über betriebsübergreifende Pensionsfonds bis hin zu arbeitgebervermittelten Verträgen mit privaten Versicherungsgesellschaften. All diesen ­Finanzierungsmodellen ist gemeinsam, dass der Arbeitgeber für die Gewährleistung und vor allem für eine garantierte Höhe der Rente verantwortlich ist.

Das neue Gesetz fügt jetzt eine sechste Finanzierungsform hinzu. Sie nennt sich »Sozialpartnermodell«. Das Besondere daran ist, dass der Arbeitgeber hier, anders als bei den anderen Varianten der Betriebsrente, keine bestimmte Höhe der späteren Renten­zahlung mehr garantieren muss. Diese Garantie hat bisher viele Firmen davon abgehalten, überhaupt eine Betriebsrente anzubieten. Die Arbeitgeber haften nämlich bei den anderen Varianten, wenn die zugesagte Rentenhöhe nicht erwirtschaftet werden kann, und müssen gegebenenfalls aus eigenen Mitteln zuzahlen. Diese Haftung entfällt bei dem neuen Modell. Hier gibt es nur eine sogenannte Zielrente – das ist eine ­angestrebte Rentenhöhe, die aber nicht garantiert werden muss.

Quelle  :  Jungle World  >>>>>  weiterlesen

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Grafikquellen   :

Oben  — aus dem Tal der Lügen

Lügen HABEN KURZE BEINE. >>Ich stehe dafür, daß die Renten steigen wie die Nettoeinkommen.<< Gerhard Schröder, 17. Februar 1999 Abbildung: Porträtfoto Plakatart: Kandidaten-/Personenplakat mit Porträt Auftraggeber: CDU-Bundesgeschäftsstelle, Hauptabteilung Öffentlichkeitsarbeit, Bonn Objekt-Signatur: 10-025 : 311 Bestand: Wandzeitungen (10-025) GliederungBestand10-18: CDU-Bundesgeschäftsstelle Lizenz: KAS/ACDP 10-025 : 311 CC-BY-SA 3.0 DE

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Griffe in die Rentenkasse

Erstellt von DL-Redaktion am 20. April 2017

Wahlgeschenke aus der Rentenkasse

Bericht: Verena von Ondarza

– Oft finanzieren Politiker Wahlgeschenke mit versicherungsfremden Leistungen aus der Rentenkasse.

– Allein für die Mütterrente rechnet das Institut der Deutschen Wirtschaft bis 2030 mit zusätzlichen Kosten von 108 Milliarden Euro.

– Jeder dritte Wähler ist älter als 60 Jahre, deshalb umwerben Politiker ihre Wähler  besonders häufig mit Renten-Themen.

Mit dem Versprechen einer „Solidarrente deutlich oberhalb der Grundsicherung“ zieht SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz in den Bundestagswahlkampf. Wahlgeschenke für Rentner und Wähler, die bald in Rente gehen, haben eine lange Tradition. Immer wieder greifen Politiker in die Rentenkasse, um sogenannte versicherungsfremde Leistungen wie die Mütterrente zu finanzieren.

Dabei sind die Aufgaben der Rentenversicherung klar festgelegt: Sie ist zuständig für Renten wegen Alters, Erwerbsminderung oder Rehabilitationsleistungen. Andere Leistungen müssen eigentlich von der Allgemeinheit, also aus Steuermitteln finanziert werden, sagt Ingrid Künzler, Geschäftsführerin der Deutschen Rentenversicherung Nord.

 Mütterrente ist versicherungsfremde Leistung

Die Mütterrente ist 2014 als Teil des sogenannten „Rentenpakets 2“ eingeführt worden, um die Erziehungsleistung von Müttern finanziell zu würdigen, die vor 1992 Kinder bekommen haben und deshalb nicht oder nicht durchgehend erwerbstätig waren. Als versicherungsfremde Leistung müsste die Mütterrente über einen Bundeszuschuss aus Steuermitteln finanziert werden.

Bundeszuschuss deckt Kosten nicht

Doch den Zuschuss wird die Deutsche Rentenversicherung erst fünf Jahre nach ihrer Einführung im Jahr 2019 erhalten. Und selbst dann dürfte er nicht die Kosten der Mütterrente decken: Die Höhe des Bundeszuschusses orientiert sich an der Zahl der Mütter, die aktuell Kinder geboren haben – die Höhe der Auszahlungen an der Zahl der Mütter, die vor 1992 Kinder geboren haben. Weil die Geburtenraten heute niedriger sind als damals, wird der Bundeszuschuss wohl nie die Kosten der Mütterrente decken.

Rentenversicherung rutscht ins Minus

Das Institut der Deutschen Wirtschaft hat die Kosten der Mütterrente ausgerechnet: Bis Ende 2017 wird sie demnach 24,3 Milliarden Euro kosten. Bis Ende 2030 rechnet das Institut mit zusätzlichen Kosten in Höhe von 108 Milliarden Euro. Bei der Deutschen Rentenversicherung macht sich die Mütterrente bereits in der Bilanz bemerkbar. 2015, im ersten Jahr der neuen Mütterrente, waren die Ausgaben der Rentenversicherung erstmals seit 2008 höher als die Einnahmen.

Warum Politiker Rentner umwerben

Warum die Politik sich im Wahlkampf an Rentnern und Menschen kurz vor der Rente ausrichtet, hat Politikwissenschaftler Professor Uwe Wagschal von der Uni Freiburg untersucht: Bei der Bundestagswahl 2013 war ein Drittel der Wahlberechtigten über 60 Jahre alt. Und die Wahlbeteiligung war in dieser Gruppe rund 20 Prozent höher als bei Erstwählern. Bei dieser Bundestagswahl 2017 dürfte der Anteil der Wähler über 60 weiter steigen.

Quelle : ARD – Das ERSTE >>>>> HIER

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Grafikquelle :  Kassenlade

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Gregor Gysi ist noch da

Erstellt von DL-Redaktion am 20. April 2017

Die Rentenmauer muss weg

Gregor Gysi Die Linke Wahlparty 2013 (DerHexer) 11.jpg

Unser Kolumnist findet, dass die Angleichung von Ost- und Westrenten nicht bis 2025 warten kann. Stimmen Sie hier ab, ob Gregor Gysi Recht hat

Die Ost-West-Angleichung der Renten ist wieder ein aktuelles Thema geworden. Die deutsche Rentenversicherung prüft derzeit, ob der Bundestag beim Rentenrecht Gesetze verletzt. Die Mitarbeiterinnen und ­Mitarbeiter des Bun­destages erhalten Westrenten. Die Rentenversicherung aber meint, dass die Frage danach zu entscheiden ist, ob deren Schreibtisch zufällig westlich oder östlich des alten Grenzverlaufs steht.

Und nach diesem Kriterium sollen sie dann ernsthaft eine unterschiedliche Rente erhalten? Das macht erneut den ganzen Irrsinn des bald 27 Jahre nach der Einheit immer noch getrennten Rentenrechts deutlich. Die Rentenmauer muss endlich weg.

Quelle :  SUPERillu >>>>>weiterlesen

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Grafikquelle :  Feier der Partei Die Linke in der Berliner Kulturbrauerei. Gregor Gysi.

 

 

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Die Sonne geht für alle kostenlos auf

Erstellt von DL-Redaktion am 5. Februar 2017

File:Sonnenaufgang im Oslofjord.jpg

SELBSTBESTIMMUNG

12,9 Millionen Menschen in Deutschland gelten als „armutsgefährdet“. Die durchschnittliche Armutsgefährdungsquote beträgt 15,7 Prozent

Quelle: Mikrozensus

 

Wann fängt Armut an? Reichen 850 Euro für ein anständiges Leben? Über die Bedeutung des Gefühls, eine Wahl zu haben.

Autortrin : Barbara Dribbusch

Das Zahnkonto ist Gisa Muthangs Erfindung. Vor längerer Zeit schon hat sie Geld für ihre Zahnbehandlungen angelegt. Jeden Monat zahlt sie 100 Euro ein. Manche Menschen sparen auf ein Auto, Muthgang  spart auf neue Backenzähne. Zähne hauen ins Budget, wenn man nur 850 Euro im Monat hat. “ Man muss umdenken“, sagt die ehemalige Erzieherin, die mit 60 Jahren vorzeitigin Rente ging, „Es ist ein neuer Lebensabschnitt.“

Muthgang empfängt zumTee in ihrer kleinen Wohnung, zweieinhalb Zimmer mit Grünblick im Berliner Bezirk Charlottenburg. Nichts Überflüssiges steht herum, nur zwei Gitarren verraten, dass man sich in einem Haushalt mit Musikern befindet. Muthgang hat eine Zeit der kontrollierten Schrumpfung hinter sich.

Sie stammt aus der Mittelschicht, verbrachte ihre Kindheit im Einfamilienhaus am Grunewald, in einer Gegend, in der viele Berliner leben, die mehr Geld haben als der Durchschnitt. Der Vater war Abteilungsleiter in einem großen Medienkonzern. Er verließ die Familie mit drei Kindern früh, heiratete ein zweites Mal und ist jetzt im hohen Alter ein teurer Pflegefall. „Mit einem Erbe kann ich nicht rechnen“, sagt Muthgang.

Sie arbeitete als Erzieherin im Hort einer Ganztagsschule, Vollzeit, eine engagierte Pädagogin aus der linksalternativen Szene. Nach gesundheitlichen Krisen verminderte sie nach und nach ihre Arbeitszeit. Mit 60 ist sie raus, Burn-out. Sie lebt mit ihrem Lebenspartner zusammen, einem Musiker, der auch wenig hat. Die beiden führen getrennte Kassen. Ihren richtigen Namen will sie nicht in der Zeitung lesen.

In zehn bis zwanzig Jahren könnte es viele Ältere geben, die so wie Gisa Muthgang mit wenig Geld auskommen müssen. Die Gefahr, arm zu werden, ist bei den über 65-jährigen Frauen und Männern laut Mikrozensus in den vergangenen Jahren gestiegen. Der Entwurf des 5. Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung nennt Risikofaktoren für Altersarmut: lange Arbeitslosigkeit, Selbstständigkeit ohne Vorsorge, eine lange Familienphase, Teilzeitarbeit, Scheidung, Krankheit.

Auf neun Quadratmetern darf geraucht werden

Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) will deshalb eine Art Mindestrente in einer Höhe zwischen 850 oder 900 Euro einführen für jene, die lange gearbeitet haben. Das wäre etwa so viel Geld, wie Gisa Muthgang im Monat hat. Wie lebt es sich mit einem Einkommen in dieser Höhe? Wann stellt sich das Gefühl von Armut ein?

„Man bewegt sich eher in Bereichen, wo alles wenig oder nichts kostet“, sagt Muthgang, „aber arm will ich mich nicht fühlen.“

Welche Werte sind wichtig, wenn das Einkommen sinkt? Gisa Muthgangs Antwort lautet: Wahlfreiheit und Selbstbestimmung, das Gefühl, trotz eingeschränkter finanzieller Möglichkeiten die Kontrolle über das eigene Leben zu behalten.

„Ich habe meine finanzielle Situation lange kommen sehen“, sagt die schlanke Sechzigerin mit den kurzen blonden Haaren und den großen Augen, „wir haben uns drauf vorbereitet“. Mit den Mietkosten fängt das kontrollierte Schrumpfen an. Das kinderlose Paar leistete sich vor Jahren noch eine Wohnung mit 100 Quadratmetern im Dachgeschoss. Die Freunde bewunderten die großzügigen Zimmer, die tolle Aussicht, den Wintergarten. Doch als Muthgang klar wurde, dass ihre Kraft nicht reichen wird bis zum gesetzlichen Rentenbeginn mit 66 Jahren, entschloss sich das Paar zu einer Verkleinerung.

56 Quadratmeter groß ist ihre Zweieinhalbzimmerwohnung mit Balkon und Blick auf einen Wald. Vor dem Umzug haben sie viele Bücher und Klamotten verschenkt und verkauft. „Man wirft auch Ballast ab“, sagt Muthgang. Sie hört sich für einen Moment an wie eine der Minimalisten, die es als Lebensstil begreifen, nicht zu viel zu besitzen. Muthgang setzt sich ihre Maßstäbe selbst. Sie versucht es zumindest.

Durch den Umzug sparte das Paar 600 Euro Miete. Muthgang und ihr Lebenspartner zahlen jetzt zusammen 600 Euro Warmmiete. Sein Zimmer ist neun Quadratmeter groß. „Wer will, darf darin rauchen“, sagt sie.

Die Freunde, die sich anfangs noch besorgt erkundigen, ob die Zweisamkeit infolge der neuen räumlichen Enge keinen Schaden nehme, sind verstummt. Von Neumietern der gleichen Wohnungen im Komplex fordert der Eigentümer jetzt eine um 400 Euro höhere Miete. Ein Nachbar mit dem gleichen Wohnungsschnitt habe sein 9-Quadrameter-Zimmer jahrelang untervermietet, erzählt sie. „Das geht ja auch.“ Sie kann sich Maßstäbe nicht nur selbst setzen, sondern sie auch ändern, wenn es nötig ist.

Der Gedanke, dass ihr Partner nicht mehr da sein könnte, beunruhigt sie hin und wieder. „Allein könnte ich mir die Wohnung nicht leisten“, sagt Muthgang. Eine kleinere bezahlbare Wohnung wäre in dieser Lage kaum zu finden. Viele Ältere leben in einer Art verschämten Armut, um in ihren Wohnungen bleiben zu können, nachdem der Partner gestorben ist. Bei Alleinlebenden im Rentenalter liegt die Mietbelastung in Westdeutschland durchschnittlich bei 44 Prozent des Einkommens, zeigt der neue Armutsbericht. Das ist ein Rekord im Vergleich unter allen Altersgruppen.

Quelle: TAZ >>>>> weiterlesen

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Fotoquelle: Sonnenaufgang im Oslofjord

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Author Der WildenThaler/ own work

 

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Von Riester zu Nahles

Erstellt von DL-Redaktion am 14. Januar 2017

 Altersarmut trotz Rente

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/20/Prof_Dr_Christoph_Butterwegge.jpg

von Christoph Butterwegge

Das Thema Rente wird im bevorstehenden Bundestagswahlkampf eine weit größere Rolle spielen als in der Vergangenheit – nicht zuletzt wegen der wachsenden Angst vieler Menschen vor Altersarmut, die auch unter der Großen Koalition nicht abgenommen hat. Dagegen könnte eine solidarische Bürger- oder Erwerbstätigenversicherung dieses Kardinalproblem der Gesellschaft nicht nur lösen, sondern auch die politische Brücke zwischen SPD, Bündnisgrünen und Linkspartei für eine rot-rot-grüne Koalition nach der nächsten Bundestagswahl bilden – wenn denn die bisher nur an lockeren Gesprächsrunden beteiligten Parlamentarier der drei Fraktionen dies ernsthaft wollten.

Schließlich gehört die Bürgerversicherung im Gesundheitsbereich schon länger zum Forderungskatalog aller drei Parteien – und das aus gutem Grund. Denn um die Renten zukunftssicher und armutsfest zu machen, reichen bloße Schönheitsreparaturen wie in der Vergangenheit immer wieder unternommen und auch aktuell von Arbeitsministerin Andrea Nahles geplant, keinesfalls aus.

Vielmehr muss der Kreis der Beitragszahler endlich erweitert werden: Nicht bloß (Solo-)Selbstständige müssten in die Rentenversicherung einbezogen werden, sondern auch Beamte, Abgeordnete und Minister. Auch erwachsene Nichterwerbstätige könnten einer Mindestbeitragspflicht unterworfen werden. Für jene Personen, die den nach der Einkommenshöhe gestaffelten Beitrag nicht entrichten können, müsste der Staat einspringen.

Allenthalben wird prognostiziert, dass zukünftig immer mehr Seniorinnen und Senioren relative Armut droht. Um dem zu begegnen, muss das Solidar- gegenüber dem Äquivalenzprinzip gestärkt werden. Dazu wäre eine starke An- bzw. gar die Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung notwendig, wie es SPD-Generalsekretärin Katarina Barley vorgeschlagen hat. Denn warum muss die Solidarität bei einem Monatseinkommen von 6200 Euro in West- und 5400 Euro in Ostdeutschland enden, wie das momentan der Fall ist? Wer mehr verdient, braucht für das über diesen Betrag hinausgehende Einkommen keine Rentenversicherungsbeiträge zu entrichten – ebenso wenig wie sein Arbeitgeber. Die Schweiz macht vor, dass es auch anders geht und Spitzenverdienern deshalb nicht zwingend unangemessen hohe Renten gezahlt werden müssen: Dort ist die staatliche Rentenzahlung gedeckelt, obwohl auf das ganze Erwerbseinkommen Rentenbeiträge fällig werden. Eine stark degressive Ausgestaltung der Leistungskurve entspräche viel eher dem bewährten Modus bei Dienst- und Sachleistungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung: Dort erhält der Abteilungsleiter trotz seines höheren Beitrages schließlich auch nicht mehr Grippetabletten als seine Sekretärin mit demselben Krankheitsbild.

Hinzu kommt ein weiteres: Die aktuelle Hauptursache für Erwerbs- und spätere Altersarmut bildet der breite Niedriglohnsektor. Um wenigstens allen sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten eine armutsfeste Rente zu ermöglichen, muss der gesetzliche Mindestlohn auf über 10 Euro pro Arbeitsstunde angehoben werden. Nötig ist zudem eine Überführung der Mini- und Midijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse, ein Verbot der Leiharbeit sowie eine stärkere Beschränkung von Werk- und Honorarverträgen. Außerdem sollte die Bundesagentur für Arbeit wieder verpflichtet werden, für Hartz-IV-Bezieher (ausreichend hohe) Beiträge in die Rentenkasse einzuzahlen.

Quelle: Blätter >>>>> weiterlesen

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Fotoquelle: Dirk Schneider (ds-foto)Eigenes Werk (own work ) by ds-foto: http://dsfoto.wordpress.com

 

  • CC BY-SA 3.0
  • File:Prof Dr Christoph Butterwegge.jpg
  • Erstellt: 15. März 2013

 

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Scharfe Kritik an Merkel:

Erstellt von DL-Redaktion am 15. September 2016

Kanzlerin hält Millionen Deutsche absichtlich in Armut

„Mutti“-Merkel erntet scharfe Kritik, sie lasse die Deutschen absichtlich verarmen. „Die Gesellschaft braucht Armut als Abschreckung“, meint ein Experte.

Die deutsche Wirtschaft läuft gut. Zuletzt verzeichnete der Staat einen Milliarden-Überschuss. Trotzdem leben in Deutschland etwa 12,5 Millionen Menschen in Armut. Die Bundesregierung unternimmt nur wenig um die Situation zu ändern.

„Die Bundesregierung hat die Armut in Deutschland nicht ausreichend bekämpft, denn trotz des starken wirtschaftlichen Aufschwungs ist die relative Einkommensarmut angewachsen,“ kritisierte Wirtschaftsexperte Markus Grabka vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung gegenüber der „Huffington Post“.

Durch ihre Steuerpolitik halte die Kanzlerin die Menschen arm. Merkels Maßnahmen, wie eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, treffe wieder nur die Armen. Gleichzeitig hätte die Absenkung der Kapitalertragssteuer den Reichen genutzt, sagt der Kölner Politik-Professor Christoph Butterwegge zu „T-Online“.

Der Experte wird sogar noch deutlicher und sagt: „Die Gesellschaft braucht Armut als Abschreckung“. Dadurch entstehe eine Drohkulisse, die die Leistungsgesellschaft zusammenhalte. (so)

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Soziale Ungleichheit

Erstellt von DL-Redaktion am 1. Mai 2016

Wie viel Ungleichheit verträgt die Gesellschaft?

von Uta Meier-Gräwe

Wer hat, dem wird gegeben – in Deutschland mehr denn je. Die viel gelobte soziale Marktwirtschaft soll laut einer Studie längst nicht mehr funktionieren. Die Kinder der Armen brauchen endlich Aufstiegschancen.

Die 2009 im Verlag Zweitausendeins erschienene Publikation „Gleichheit ist Glück. Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind“ fand seinerzeit bestenfalls in Fachkreisen eine gewisse Beachtung; zu reflexartig war die Abwehr gegenüber dem Begriff „Gleichheit“, der viele an Gleichmacherei aus ehemaligen DDR-Zeiten zu erinnern schien. Der amerikanische Titel „The Spirit Level. Why Greater Equality makes Societies Stronger“ traf den Kern der Sache wahrscheinlich ohnehin besser: Die epidemiologische Analyse von Richard Wilkinson und Kate Pickett hatte nicht nur ein weiteres Mal detailliert belegt, dass arme Menschen in ungleichen Gesellschaften früher sterben, ihre Kinder kaum Aufstiegschancen haben und es dort höhere Kriminalitätsraten gibt als in Ländern mit einer geringeren Spreizung zwischen Arm und Reich.

Sie konnten darüber hinaus anhand einer Fülle von Daten überzeugend nachweisen, dass Status- und Abstiegsängste, gesundheitliche Beeinträchtigungen und ein Vertrauensverlust gegenüber Politik und Staat auch unter Mittelschichtsangehörigen verbreitet sind, weil soziale Probleme nicht nur auf Arme beschränkt bleiben, sondern umso stärker in die Mittelschichten hineinsickern, je ungleicher eine Gesellschaft ist.

So weit, so gut. War das aber hierzulande wirklich ein Thema? Befand sich die deutsche Gesellschaft nicht schon längst auf dem Weg, aus dem PISA-Schock 2000 die richtigen Lehren zu ziehen und für mehr Durchlässigkeit und Aufstiegschancen von Kindern aus benachteiligten Herkunftsmilieus zu sorgen? Und wurden Politiker nicht müde, der Bevölkerung immer wieder zu versichern, eine staatliche Umverteilung von Steuergeld mit Augenmaß zu betreiben und dabei eine bessere Zielgenauigkeit an den Tag zu legen? Offensichtlich nicht. Denn im internationalen Vergleich fällt Deutschland heute vor allem durch eine sich stetig verschärfende Spaltung zwischen einem überbordenden Reichtum und einer sich verfestigenden Einkommensarmut auf.

Die Besteuerung von Immobilien, Erbschaften oder Finanztransaktionen ist bei uns deutlich niedriger als in den meisten europäischen Nachbarländern. Der Matthäus-Effekt „Wer hat, dem wird gegeben“ findet in der bundesdeutschen Realität seine Bestätigung wie nie zuvor. Eine Prognose der Bertelsmann-Stiftung bis 2020 geht zudem davon aus, dass es eine weitere Einkommensspreizung zwischen exportorientierten Branchen wie der chemischen Industrie, dem Fahrzeugbau oder der Pharmaindustrie auf der einen Seite und den weiblich konnotierten Dienstleistungsberufen im Bereich Erziehung, Soziales und Gesundheit auf der anderen Seite geben wird, zwischen oberen Einkommensgruppen und denen im Niedriglohnsektor, aber auch zwischen Haushalten mit Kindern und solchen ohne Kinder.

Quelle: FR >>>>> weiterlesen

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Die Vermesser des Lebens

Erstellt von DL-Redaktion am 27. April 2016

Die Vermesser des Lebens

File:Zwei Jahrhunderte Teil1.jpg

von Dan Bouk

Vor mehr als hundert Jahren begannen große Versicherungen in den USA mit dem Sammeln von Kundendaten

Ein Foto aus dem Jahr 1903, veröffentlicht von dem Lebensversicherer New York Life: Frauen in gestärkten weißen Blusen, die Karteikarten in riesige Stahlschränke einsortieren, und Männer in schwarzen Anzügen, die an ihren Schreibtischen stapelweise Unterlagen durchsehen. Das Bild bringt in Erinnerung, dass Versicherer Unmengen persönlicher Daten verwalten, die genauso umfangreich und wertvoll sind wie ihre Geldreserven. Diese Tatsache ist unlängst wieder ins öffentliche Bewusstsein vorgedrungen, als bei einem Hackerangriff auf die zweitgrößte Krankenversicherung der USA (Anthem Inc.) Daten von mehr als 10 Mil­lio­nen Versicherten gestohlen wurden.

Die seinerzeit von New York Life gesammelten Daten stammten aus medizinischen Untersuchungen, aus Informationen zur privaten und finanziellen Situation, die von Wirtschaftsauskunfteien oder von Detektivbüros erworben wurden, aus Angaben der Versicherten selbst oder Recherchen der Versicherungsmakler. Sie enthielten darüber hinaus Hinweise vom Medical Information Bureau (MIB), dem Dachverband der größten US-Lebensversicherer, die sich gegenseitig mit Informa­tio­nen über jegliche „Beeinträchtigung“ von Antragstellern versorgten. Dazu gehörten nicht nur tatsächlich nachgewiesene Erkrankungen, sondern auch Hinweise auf potenzielle Gesundheitsprobleme, wie etwa Tuberkulose in der Familie, Übergewicht oder eine der Gesundheit abträgliche Wohngegend. All diese Informationen wurden in Karteikästen kreuz und quer durchs Land geschickt.

Leitende Betriebsärzte durften Einsicht in die von den Versicherungsangestellten streng gehüteten Akten nehmen. Manche Versicherer schlossen die MIB-Karteikarten sogar in Tresorschränke ein. Den leitenden Betriebsärzten war es strengstens untersagt, mit ihren Untergebenen über diese Akten zu sprechen, andernfalls drohten Sanktionen seitens des MIB – aber nicht aus Gründen des Datenschutzes, sondern weil die Versicherungsunternehmen nicht wollten, dass ihr Informationsaustausch publik wurde. Wenn die Öffentlichkeit von den kursierenden Karteikarten und deren Einfluss erfahren hätte, wäre es womöglich zu ernsthaften Problemen gekommen.

Als Ende des 19. Jahrhunderts Lebensversicherungen zu einem Massen­pro­dukt avancierten, wurde die Überprüfung potenzieller Versicherungsnehmer mehr und mehr automatisiert. Die New York Life spielte dabei eine Vorreiterrolle, nicht nur wegen ihrer hervorragend gepflegten Karteikarten – seit Einführung der Buchhaltung und bis zum Beginn des Computerzeitalters die wichtigste Informationsquelle für Unternehmen –, sondern weil sie sich besonders kreative Methoden bei der Auswahl und Einstufung der Versicherten hatte einfallen lassen.

Die Mediziner und Statistiker der Versicherung hatten gemeinsam eine „numerische Methode“ erfunden, die aus einzelnen Individuen “kalkulierbare Risiken“ machte. Das Ergebnis war eine makabre Arithmetik, die dank Versicherungsstatistik und Sterblichkeitsraten den jeweiligen Beeinträchtigungen und Risikofaktoren auf den MIB-Kärtchen Zahlenwerte zuwies. Diese wurden zu einem Gesamtwert aufaddiert, der das Schicksal der somit quantifizierten Person prognostizieren sollte und festlegte, ob sie einen Standardvertrag oder günstigere Prämien oder schlechtere Leistungen angeboten bekam – oder gar keine Aussichten hatte, in die Gemeinschaft der über 10 Mil­lio­nen US-Amerikaner, die eine Lebensversicherung besaßen, aufgenommen zu werden.

Lebensversicherungen waren im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert für viele US-Bürger die einzige Form, Geld zu sparen und zu investieren. Darüber hinaus verdienten immer mehr Menschen und Familien ihren Lebensunterhalt mit Löhnen oder Gehältern oder den Einnahmen aus einer eigenen Firma, und immer weniger lebten von dem, was sie auf ihrem Land produzierten, oder von ihrem ererbten Reichtum.

Mit der Lebensversicherung tat sich eine neue Möglichkeit auf, Vermögen zu sichern und an die nächste Generation weiterzugeben. Davon profitierten wiederum die Versicherer: Wenn beispielsweise ein Bauer eine Hypothek aufnehmen wollte, um Land zu kaufen, musste er vorher oft eine Lebensversicherung abgeschlossen haben. Das Entscheidende für viele Arbeiterfamilien war jedoch, dass die Lebensversicherung ihre soziale Lage und Würde schützte und ihnen die Schmach eines Armenbegräbnisses ersparte, falls – was damals oft vorkam – eines ihrer Kinder früh verstarb.

Die einfachen Leute hatten nicht nur die Bedeutung von Lebensversicherungen erkannt, sie solidarisierten sich auch gegen offensichtliche Ungerechtigkeiten. Als sich in den 1880er Jahren zum Beispiel herumsprach, dass manche Versicherungskonzerne Afroamerikaner diskriminierten. Bei geringeren Ansprüchen sollten sie die gleichen Beiträge wie Weiße zahlen. Daraufhin organisierte sich der Widerstand, bis schließlich in den nördlichen Bundesstaaten Antidiskriminierungsgesetze beschlossen wurden. Diese juristische Auseinandersetzung war ein Meilenstein in der Geschichte des Kampfs gegen Rassismus und für Bürgerrechte in den Vereinigten Staaten. Und sie erinnerte die Lebensversicherer außerdem an die problematischen Seiten ihres Geschäfts.

Zu der Krise, die die Versicherungsfirmen ereilte, kam es allerdings nicht wegen der gehorteten Daten, sondern weil die Lebensversicherer in den Augen der Allgemeinheit zu reich geworden waren, so reich, dass es ihnen selbst, dem Kapitalismus und der Demokratie in den Vereinigten Staaten nicht mehr guttun konnte.

Es begann damit, dass James Hazen Hyde, dessen Vater Henry Baldwin ­Hyde 1859 die Equitable Life Assurance So­cie­ty of the United States gegründet und bis zu seinem Tod 1899 zur weltweit größten Lebensversicherung ausgebaut hatte, 1905 einen seiner glamourösen Kostümbälle veranstaltete. Zur Unterhaltung der im Louis-seize-Stil verkleideten Damen und Herren trat eine berühmte französische Schauspielerin auf.

Quelle: Le monde diplomatique >>>>> weiterlesen

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English: Science timeline, 1820-1930
Deutsch: zeitliche Abfolge der Klimawissenschaft, 1820-1930
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Abscheulich!

Erstellt von Gast-Autor am 17. Januar 2016

Abscheulich!

Es ist hinterhältig, wenn der Freund den Freund hintergeht. Es ist widerlich, wenn der Kollege den Kollegen am Arbeitsplatz bestiehlt. Es ist heimtückisch, wenn Medien in ihrer Berichterstattung die Menschen täuschen. Der Gipfel der Abscheulichkeit jedoch ist es, wenn die politische Führung das eigene Volk verrät.

Die Beispiele des Verrats aufzuzählen, würde dicke Bände füllen. Ein Beispiel für Abscheulichkeit durch Staat und durch Medien zeigt sich in der unfassbaren Brutalität, mit der die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft von denen behandelt werden, die den Eid für ihr Wohlergehen geschworen haben. Ein unscheinbaren Beispiel macht diese Niedertracht überaus deutlich:

Beispiel:

Die Rente stieg im Jahr 2015 im Durchschnitt um ungefähr 2,0 Prozent. Für die 72jährige Rentnerin Anna M. aus Dortmund mit einer Rente von Euro 500,00 pro Monat bedeutet das eine Erhöhung von 10,00 Euro im Monat oder Euro 0,0411663 pro Tag oder vier Cent. Dafür kann sie sich nicht einmal ein Hustenbonbon kaufen.

Doch damit nicht genug. Frau M. erhält die Rentenerhöhung zwar auf dem Papier, aber, da sie zu ihrer kleinen Rente Leistungen aus der Grundsicherung, sprich Hartz IV, bezieht, werden die zehn Euro Rentenerhöhung mit gleichem Datum von der Grundsicherung abgezogen.

Folglich ist ihr Existenzminimum real um 0,00 Euro gestiegen. Auch damit nicht genug. Denn ein halbes Jahr später, zum 01. Januar 2016, stieg der Grundsicherungsregelsatz um fünf Euro (5,00 Euro). Summa summarisch ist ihre durch gesetzgeberische Manipulationen und widerwärtigen Tricks der Sozialgesetzgebung in der Realität das gesamte Existenzminimum um Euro 5,00 gekürzt worden. Obwohl Hartz IV zum 01. Januar 2016 gestiegen ist, bleibt ihr faktisch fünf Euro weniger zum Leben. Der Geldwertverlust durch Inflation ist hier noch gar nicht eingerechnet.

Wer hat sich so etwas Niederträchtiges nur ausgedacht? So was, sollte man meinen, kann doch selbst dem nicht einfallen, dem die Idiotie ins Gesicht geschrieben steht. Der Bundessozialministerin in Berlin jedoch fällt so was ein!

Beim Fall Frau M. ist noch anzumerken, dass sie vier Kinder großgezogen hat, dass sie deswegen eine niedrige Rente bezieht, und dass alle Kinder in festen Berufen arbeiten und monatlich Steuern an den Staat abführen, deren Gesamtsumme die Rente ihrer Mutter um ein Vielfaches übersteigt.

Wehe einer solchen Staatsführung. Sie hat keinen Respekt verdient und jedes Vertrauen verloren. Was bleibt, ist Verachtung!

Es ist kalt geworden in Deutschland. Mitten im frühlingshaften Januar gleicht das Land einer riesigen, einer eisigen Gruft.. Die Kälte von Untoten, von Zombies weht uns an. Sie weht von denen her, die wir die „Spitzen“ unserer Gesellschaft nennen: von ökonomischen und politischen Institutionen, von Politikern, von Managern, von den Börsen, von Banken und Versicherern und – teilweise – von den Medien. Wer den Nahles, den von der Leyens, den Schäubles, den Nichtkönnern oder den Gabriels, den Oppermanns, den Fischers und Schröders, den Riesters, den Merkels und vielen anderen bei ihren Diskussionen in Talkrunden in die Gesichter sieht, der weiß, warum von Untoten hier die Rede ist.

Der Sozialstaat hat Reißaus genommen. Er ist verraten worden. Seit 1998 haben unsere sogenannten „Volksvertreter“ in engster Zusammenarbeit mit der Hochfinanz jede Möglichkeit genutzt, den Sozialstaat zu eliminieren. Sie haben das Gesetz gebrochen, sie haben den Eid gebrochen, den sie geschworen haben, sie sind Verbrecher. Denn im Artikel 20, Abs. 1 unseres Grundgesetzes ist festgeschrieben: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat“.

Angesichts sich ausbreitender Verwahrlosung und Verödung könnte man verzweifeln. Armut. Nicht nur materiell. Auch geistig. Auch psychisch. In Diskussionsrunden. In Parlamenten. In Arbeitsämtern. In Präsidien. In Rathäusern. In Sozialämter. In Krankenhäusern. In Pflegeeinrichtungen. Ganze Stadtteile verkommen. Nicht zu reden von Konzernzentralen. Und was uns die Politik derzeit bietet, ist Chaos, ist – zusätzlich zum politischen Wirrwarr – soziale Eiszeit. Wann reißen wir endlich Politikern, den Medien und Managern die Masken von ihren erbärmlichen Visagen? Wann bringen wir deren verlogene Fassaden zum Einsturz? „Wir denken“, sagt der Soziologe Ulrich Beck, „in Zombie-Kategorien. In jenen vegetiert der öffentliche Diskurs dahin. Wir sind so erkaltet wie jene Zombie-Institutionen, in denen wir häufig leben ohne zu leben.“

Wo ist die Empörung? Empöre dich, Deutschland! Empört Euch, ihr Rentnerinnen und Rentner dieser Republik.

Wenn heute in den unterschiedlichen politischen Lagern eine so einmütige Zustimmung zur sozialen Kälte, zur Politik der Privatisierungen und völligen Neo-Liberalisierung der Märkte zu beobachten ist, wo doch nach 1945 alle, wenn auch mit verschiedenen Ansätzen in eine solidarische Gesellschaft aufbrechen wollten, dann ist die Politik immer mehr eine Gefangene des alles beherrschenden raubtierhaften Kapitalismus geworden und hat ihren gesellschaftlichen Gestaltungsauftrag selbstverschuldet verloren. Sie ist so (wie ein Großteil der Medien) zum Handlanger einer von Kapitalinteressen geleiteten Ideologie geworden, bei der das Geld – wie es bei Leitbildern aller anderen Ideologien auch üblich ist – zum Selbstzweck wird. Die Politik und die Politikdarsteller haben sich von dem als alternativlos dargestellten Gesetz des Kapitalismus – der totalen Vermarktung um des Gewinnes willen – und der daraus folgenden neoliberalen Ideologie, ins totale Aus setzen lassen.

Es ist diese Politik, es sind diese dem jeweiligen Modewahn ausgelieferten Politiker, die den derzeitigen negativen gesellschaftlichen Zeitgeist, die die unkontrollierbaren bösartigen Migranten ströme, die die Finanz- und Wirtschaftskrisen zu verantworten haben. So fliegen denn unsere Politiker mangels Verstandes, um es mit Erich Kästner zu sagen:

„wie mit Engelsflügeln immer auf den ersten besten Mist. Selbst das Schienbein würden sie sich bügeln! Und sie sind auf keine Art zu zügeln, wenn sie hören, das was Mode ist. – Wenn’s doch Mode würde zu verblöden! Denn in dieser Hinsicht sind sie groß. Wenn’s doch Mode würde, diesen Kröten jede Öffnung einzeln zuzulöten! Denn dann wären wir sie endlich los.“

Wir Deutsche haben im Verlauf der rund 240 Jahre seit der Aufklärung die Macht des Klerus und des Adels, die Macht der Fürsten, Könige und Kaiser überwunden und besiegt. Wir haben die Leibeigenschaft abgeschüttelt und die selbstverschuldete Unmündigkeit – und wir haben uns im Zuge der Aufklärung zu freien Menschen emporgeschwungen. Deshalb  werden wir es nicht zu lassen, wenn uns heute die Macht des Geldes versklaven und erneut zu Untertanen machen will. Wir bekennen uns zu den allgemeinen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gesellschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt. Wir sind freie Menschen in einem Land der Freien. Wir folgen dem Wahlspruch der Aufklärung, den unsere Väter uns als größtes Erbe hinterlassen haben: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit,wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!ist der Wahlspruch der Aufklärung.“

Wer den Sozialstaat zerstört, zerstört die Demokratie. zerstört jede Solidarität, zerstört die Gemeinschaft. Von allen Ministerien, die mit angeblicher Wichtigkeit protzen, ist nur ein einziges für den Staat und für das Volk von herausragender, von existenzieller Bedeutung: das Ministerium für Soziales! Bis Ende der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts wussten die Menschen unseres Landes das. Mit Norbert Blüm ist der letzte einer Reihe großartiger Männer von der öffentlichen und politischen Bühne verschwunden. Ihm folgten Typen wie der geistig verirrte homosexuelle Westerwelle oder… oder … und … und! Und die Medien jubeln jedem Schwachsinn zu.

Dass die Medien, große Teile der Politik und ein überwiegender Teil der Manager von Geistlosigkeit, von irregeleiteten Geistern und von Ungeistern beherrscht werden, ist nicht wirklich neu – dazu muss man nur die Ohnmacht und verlogenen Berichterstattungen gegenüber der derzeitigen Migrantenkrise und gegenüber den Krisen der Banken und gegen über den Finanz  Wirtschaftskrisen der vergangenen Jahre beobachten. Da wird offenbar, dass die, die uns die Welt erklären oder unser Land gestalten wollen, dass dieses Pack in Sphären lebt, denkt und handelt, in denen Wirklichkeit, so, wie sie an und für sich ist, nicht stattfindet, nicht stattfinden kann. Sie sind ohnehin die Bauchredner des Seins, Papageien, Wiederholungstäter, die nie eigenes Denken zustande gebracht haben, denen selbständiges Denken, welches sie aus ihrer Unmündigkeit befreien könnte, fremd ist.

So aber produzieren sie nichts Neues, sondern allenfalls Abgestandenes – und es sind gerade sie, die die falschen wissenschaftlichen Theorien, wie sie derzeit in den Finanz- und Wirtschaftswissenschaften, in der Medizin, im Bereich des Sozialen oder in den Gesundheits- und Pflegewissenschaften in Umlauf sind, bedenkenlos, ahnungslos und Kenntnislos umsetzen oder verbreiten. Sie laufen den falschen Propheten hinterher, den Ackermanns, den Sinns, den Steinbrücks, den von der Leyens und merken nicht, wie sehr sie denen immer wieder aufsitzen. Wie es um die Zerklüftung der Gesellschaft bestellt ist, nehmen sie nicht mehr wahr. Sie bringen die Gesellschaft nicht voran, sondern behindern ihre Weiterentwicklung. Sie liefern nicht Information, sondern Desinformation. Inzwischen hat die Gesellschaft einen Verblödungsgrad  erreicht, den etwa die Religionen niemals bewerkstelligen konnten. „Die Kinder des Glaubens wie die Kinder der Wissenschaften bedeuten kein Ende der Torheit, sondern nur dessen beliebige Fortsetzung“, sagt der Paderborner Philosoph Hans Ebeling.

Stirbt der Sozialstaat, denn stirbt die Demokratie. Noch ist im Volk das Wissen wach, dass ohne Sozialstaat eine geistig gesunde Volksgemeinschaft nicht überlebensfähig ist.

Nur auf dem Boden einer allgemeinen, solidarischen und obligatorischen Risikoabsicherung blüht das Land – hat dieses Land geblüht. Der Sozialstaat ist das Konstrukt aufgeklärter und freier Menschen, gezeugt als Antwort auf unternehmerische und liberale Willkür, geboren aus Elend und Not, aus ökonomischer Unterdrückung und individueller Unfreiheit. Er ist die Antwort auf die schweren sozialen Konflikte der Gründerjahrzehnte der 1. Industriellen Revolution. Geschichtskenntnisse helfen oft besser, die Wiederholung von Fehlern zu vermeiden, als alle Wirtschaft – und sozialwissenschaftlichen Erkenntnisse. Um zu verstehen, was vor sich geht,muss man größere Zeiträume überblicken können. Dann wird deutlich, dass der Sozialstaat Voraussetzung ist für die innere und äußere Freiheit der Menschen. Er ist die Antwort darauf, dass alle Menschen von gleicher Würde sind. Der Sozialstaat gewährleistet die Grundanerkennung jeder Person. Ohne ihn sind Persönlichkeitsrechte, wie unsere Verfassung sie kennt, leeres Getöse. Erst der Sozialstaat ermöglicht jedem einzelnen Bürger jene Freiheit, die er oder sie als soziale Wesen zur Verwirklichung seiner oder ihrer republikanischen und demokratischen Grundrechte braucht. Denn Personalität und Gemeinwohl sind sozialstaatliches Fundament. Und sein Entstehen war Kampf. Nur der stete Kampf hält ihn seit 150 Jahren am Leben. Wer ihn abschaffen will, der muss mit Widerstand rechnen. Und wer die Widerständler abfällig Sozialromantiker nennt, täuscht sich selbst – und täuscht das Volk.

alter-aktiv-bdpv e.v.
Gerd Heming (Vors.)

Münster, Januar 2016

Die Texte sind für nichtkommerzielle Zwecke nutzbar, wenn die Quelle der Texte genannt wird.

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Das zerrissene Land

Erstellt von DL-Redaktion am 29. April 2015

Ein Armutsbericht als Bilanz von 10 Jahre Angela Merkel

File:Ulrich Schneider (15525230882).jpg

von Christian Woltering, Gwendolyn Stilling und Ulrich Schneider

Es ist ein Trauerspiel: Das dritte Jahr in Folge muss der Paritätische Gesamtverband seinen Armutsbericht mit dieser Botschaft eröffnen: Noch nie war die Armut in Deutschland so hoch wie derzeit – und zudem die regionale Zerrissenheit so tief.

Die Armutsquote im Jahr 2013 – auf dieses Jahr beziehen sich die Daten, die dem Bericht zugrunde liegen – betrug in Deutschland 15,5 Prozent. Damit hat sie im Vergleich zum Vorjahr um 0,5 Prozentpunkte zugenommen. Rein rechnerisch müssen rund 12,5 Millionen Menschen zu den Armen gezählt werden. In der längerfristigen Betrachtung wird so ein klarer Trend wachsender Armut seit 2006 deutlich, von 14 auf besagte 15,5 Prozent; das bedeutet einen Anstieg der Armut um 11 Prozent. Damit muss die Behauptung der Bundesregierung, die Armut in Deutschland sei in den letzten Jahren relativ konstant geblieben bzw. die Aussage der damaligen Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, man könne sogar wieder von einer sich schließenden Einkommensschere sprechen, als widerlegt betrachtet werden.

Wie in jedem Jahr wertete der Paritätische Gesamtverband für seinen Armutsbericht die Daten des Statistischen Bundesamtes aus und unterlegte und ergänzte diese mit eigenen Berechnungen. Der gängigen Methode der Armutsmessung von OECD, WHO und Europäischer Union folgend, markiert dabei ein Nettoeinkommen von unter 60 Prozent des nach Haushaltsgröße bedarfsgewichteten mittleren Einkommens (Median) die Armutsgrenze. Ob man bei dieser Grenze von Armut sprechen kann, hängt von den Schwellenwerten ab, die sich aus dieser Berechnung ergeben. Im Jahr 2013 lag die so errechnete Armutsschwelle für einen Singlehaushalt bei 892 Euro netto, für Familien mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern unter 14 Jahren bei 1873 Euro.

 Wachsendes Ungleichheitsgefälle

Die amtlichen Statistiker sprechen dabei mit aller Vorsicht von einer Armutsgefährdungsschwelle. Diesem Terminus wollte der Paritätische Gesamtverband in seinem aktuellen Armutsbericht jedoch nicht mehr folgen: Denn die 60-Prozent-Schwelle liegt mittlerweile – je nach Wohnort und Mietkosten – nahe oder sogar unterhalb der Hartz-IV-Bedarfsschwelle. So läge beispielsweise die vierköpfige Modellfamilie mit ihren 1873 Euro in Mecklenburg-Vorpommerns Greifswald zwar mit 57 Euro noch sehr knapp über dem Hartz-IV-Niveau, im teuren Wiesbaden in Hessen jedoch bereits 206 Euro darunter. Wer heutzutage mit der 60-Prozent-Schwelle arbeitet, muss daher in weiten Teilen Deutschlands von Armut sprechen.

Mit Ausnahme von Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt ist die Armut in allen Bundesländern gestiegen, wenn auch unterschiedlich stark. Auffällig dabei: Gerade die Länder, die in Deutschland die geringste Armut aufweisen, nämlich Bayern (11,3 Prozent) und Baden-Württemberg (11,4 Prozent) zeigen auch deutlich unterdurchschnittliche Zuwachsraten, während die Länder, die sich ohnehin relativ abgeschlagen am Fuße der Wohlstandsleiter befinden – nämlich Berlin (21,4 Prozent), Mecklenburg-Vorpommern (23,6 Prozent) und Bremen (24,6 Prozent) – auch überproportionale Steigerungsraten aufweisen. Beim Schlusslicht Bremen hat die Armut im Jahr 2013 sogar um 1,7 Prozentpunkte zugenommen. Das heißt: Jeder Vierte muss hier bereits zu den Armen gezählt werden.

Die Fliehkräfte in Deutschland nehmen somit zu, die regionale Zerrissenheit wird von Jahr zu Jahr tiefer. Betrug die Differenz zwischen der Region mit der niedrigsten Armutsquote (Schleswig-Holstein Süd mit 7,8 Prozent) und der Region mit der höchsten Quote (Vorpommern mit 25,6 Prozent) im Jahre 2006 noch 17,8 Prozentpunkte, so waren es 2013 bereits 24,8 Prozentpunkte Abstand: Heute stehen sich das baden-württembergische Bodensee-Oberschwaben mit 7,8 Prozent und Bremerhaven mit 32,6 Prozent gegenüber. Ist in der einen Region gerade jeder Dreizehnte arm, so ist es in der anderen bereits jeder Dritte. Von gleichwertigen Lebensverhältnissen in Deutschland kann mit Blick auf derartige Unterschiede keine Rede sein.

Ost-West-Schablone greift nicht mehr

Die gängige Ost-West-Schablone greift dabei nicht mehr. Unter den 20 ärmsten der insgesamt 95 Raumordnungsregionen in Deutschland befinden sich sieben westdeutsche, vom Schlusslicht Bremerhaven bis zu den Regionen Dortmund, Hannover oder Duisburg. In Bremen steigt die Armutsquote seit 2009 nunmehr im vierten Jahr hintereinander steil an. In dieser relativ kurzen Zeit ist die Armut dort um mehr als ein Fünftel von 20,1 auf 24,6 Prozent gewachsen. In Berlin lässt sich ein solch klarer Trend bereits seit 2006 beobachten. Hier ist die Armutsquote seitdem sogar um mehr als ein Viertel angestiegen, von damals 17 auf nunmehr 21,4 Prozent. Hinzu kommt, dass Berlin die Region mit der höchsten Hartz-IV-Quote bleibt. Während diese bundesweit 9,6 Prozent beträgt, sind es in der Bundeshauptstadt 20,7 Prozent. Insbesondere Kinder sind betroffen: Jedes dritte Kind lebt in Berlin von Hartz IV.

Eine ähnliche Dynamik, wenn auch glücklicherweise auf niedrigerem Niveau, zeigt Nordrhein-Westfalen. Hier hat die Armutsquote im Jahr 2007 erstmals den gesamtdeutschen Mittelwert überschritten und steigt seitdem – außer 2012 – in jedem Jahr stärker als in Gesamtdeutschland. Der Zuwachs seit 2006 beträgt in Nordrhein-Westfalen 22,7 Prozent.

Eine besondere Problemregion bildet dort nach wie vor das Ruhrgebiet. Bestand im letzten Jahr noch Hoffnung, dass der lang anhaltende Anstieg der Armut in dieser Region 2012 erst einmal gestoppt sein könnte, nahm die Armut in 2013 erneut um 0,9 Prozentpunkte zu. Damit steigt die Armutsquote im Ruhrgebiet auf den Wert von 19,7 Prozent und liegt damit noch höher als in Brandenburg, Thüringen oder Sachsen. Die Hartz-IV-Quote lag 2013 bei 16,1 Prozent und damit entgegen dem Bundestrend sogar noch leicht höher als im Jahr 2006 (15,7 Prozent).

Neue, alte Risikogruppen

Quelle: Blätter >>>>> weiterlesen

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Politik – Das infame Spiel mit den diskriminierenden Begriffen

Erstellt von Gast-Autor am 13. Dezember 2014

 Politik – Das infame Spiel mit den diskriminierenden Begriffen

.In einer neoliberalen Epoche, in der die Konkurrenz schärfer geworden ist, wird Leistungsfähigkeit und körperliche Gesundheit zum Non-plus-Ultra erklärt. Hart muss der Menschen sein – zäh wie Leder! Es zeigt sich hier ein allgemeines wirtschaftspolitisches Prinzip, das den Deutschen nicht unbekannt ist, und das von einem überwiegenden Teil der Gesellschaftsmitglieder erneut als erstrebenswert betrachtet und zum alleinigen Kult erhoben wird. Dass diese Ideale, bezieht man sie  auf die Gesamtgesellschaft,falsch sind und infam, wird nicht mehr erkannt. Insbesondere Menschen, denen ein gewisses Maß echter humaner Bildung fehlt, lassen sich leicht dazu verführen, die Denkweisen des Neoliberalismus als leitende Denkweisen für sich zu verinnerlichen. Wer nicht mithält, wer nicht mithalten will oder nicht mithalten kann,  ist out. Diskriminierung zieht auf diese Weise schleichend in unsere Rechtsordnung. Menschen werden kategorisiert.

Wo aber Diskriminierung sich in das Rechtssystem eingeschlichen hat, kommt es zu schweren Menschenrechtsverletzungen. Wo Diskriminierung verankert ist in der Rechtsordnung, wird es gefährlich für den Zusammenhalt der Gesellschaft, der allein auf Gerechtigkeit beruht. Wo politische Diskriminierung zu schweren Menschenrechtsverletzungen führt, haben wir es mit politischer Verfolgung zu tun – gleich in welchem Land. – Deshalb höchste Alarmstufe vor Politikern und Akadämlichen.

Neuerdings gehört, was die Frage anbelangt, nämlich was der Mensch sein muss, auch das richtige Alter dazu, denn es ist ja ebenfalls eine neue Kategorie. Und aktuell ist es der „bedürftige“ alte Mensch. In England kriegen 80jährige keine Beipass-Operation, keine künstlichen Hüftgelenke, werden vom Dialyseapparat abgeschaltet, es sei denn, sie haben genügend privaten Reichtum angehäuft,  um lebensnotwendige medizinische Behandlungen aus der eigenen Tasche bezahlen zu können.  Wir sind heute in Deutschland genau so weit. Für bestimmte Leute werden die Lebensrisiken privatisiert. Leute, die älter sind als 80, sollen gefälligst Krücken verwenden. Auch solches Denken beginnt schleichend. Die Mehr-Klassen-Medizin schreibt das warnende Menetekel mit blutiger Schrift in die Hirne unserer  Gesellschaft.

Wer älter ist als 75, der sollte keine lebenserhaltenden Medikamente mehr bekommen. Alles unter Kostengesichtspunkten., kein Zweifel, aber wir können sehen, wo wir hinkommen mit der Kategorisierung von Menschen. Wenn die Leute Pech hatten oder das Pech haben, dass sie zur falschen Klasse, Rasse, Nation, Religion, zum falschen Geschlecht, zum falschen Alter gehören, dann werden oder wurden sie liquidiert, vergast, gesteinigt, zu Tode gefoltert, in die Luft gesprengt oder sonst wie umgebracht.  Die falschen Menschenbilder waren und sind die Ursachen für die schwersten Verbrechen, die die Menschen je begangen haben. Aber auch waren sie Ursache für die schwerwiegendsten politischen Fehlentscheidungen, die die Menschen erleben mussten. Und deswegen ist die Frage nach dem richtigen Menschenbild die entscheidende Frage. Das richtige Menschenbild! Nun, das richtige Menschenbild kann, nach den Erfahrungen, die die Deutschen mit den anderen kategorisierenden Menschenbildern gemacht haben, kein Abklatsch dieser falschen Menschenbilder sein!  Es ist die apriori Erkenntnis aus dieser Erfahrung. Der Mensch wie er geht und steht ist der eigentliche Mensch. Unabhängig davon, ob er jung oder alt ist, Mann oder Frau, krank oder gesund, und unabhängig davon, ob jemand Deutscher ist oder Ausländer, Christ oder Jude, Weißer oder Schwarzer. Mit diesem Menschenbild müssen sich zivilisierte Nationen, müssen vor allem auch die Deutschen sich unterscheiden von den diskriminierenden Menschenbildern der Nazis, der Kommunisten, der Nationalisten, der Fundamentalisten, weil sie sonst den Anspruch für eine rechtsstaatliche Demokratie verlieren.

(Copyright Gerd Heming) Verfasser)

Bund der Pflegeversicherten e.V. /alter-aktiv-bdpv
Gerd Heming (Vors.)
Münster, Dezember 2014

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Das Elend mit der Bedürftigkeit

Erstellt von Gast-Autor am 26. November 2014

Das Elend mit der Bedürftigkeit

„Wir lehnen den Begriff „Pflegebedürftigkeit“ ganz entschieden ab“ sagte Gerd Heming, Vorsitzender des Bundes der Pflegeversicherten e.V., „denn in der Pflege haben wir es nicht mit Bedürftigen zu tun, sondern mit Menschen, die einen gesetzlichen und durch ihre Beiträge legitimierten Anspruch erworben haben, mit Menschen,  die aufrecht und auf Augenhöhe mit allen Mitbürgern durchs Leben gehen. Wir, vom BdPV e.V., sprechen daher von  Menschen mit einem erhöhten oder hohem oder außerordentlich hohem Pflegebedarf!. Wenn wir den Begriff „Pflegebedürftigkeit“ überhaupt benutzen, so nur, so weit er im SGB XI gebraucht wird. Dass er in der Sozialgesetzgebung so gebraucht wird, spiegelt übrigens das Denken und die Einstellung des Gesetzgebers wider.“

Der Begriff „Bedürftige“ ist ein politischer Begriff, er ist politisch gewollt., da über jemanden, der bedürftig ist, hochmütiger  und respektloser bestimmt werden kann, als über jemanden, der seine gesetzlichen Ansprüche kennt und weiß, dass er durch Zahlung von Beiträgen eine menschenwürdige Behandlung sich selbst allererst ermöglicht hat.

Bedürftigkeit ist kein sozialer und kein biologischer Begriff. Denn hier ist nicht „Bedürfnis“ gemeint, sondern mit Absicht die dis kriminierende Bezeichnung „Bedürftigkeit“. Dieser aber ist ein Begriff aus Zeiten, als in gewissen Kreisen der Gesellschaft Menschen noch davon überzeugt waren, „Herrenmenschen“ zu sein  Er soll die missliche Situation deutlich machen, in der jene Menschen sich befinden, die – in den Augen des Herrenmenschen und  des Adels –  das echte und vollwertige Menschsein noch nicht erreicht haben und folglich –  ohne jegliche Rechte –  auf Almosen angewiesen sind.  Er ist ein Begriff aus Adelszeiten, als es in Deutschland noch Könige gab und Kaiser   –   und Untertanen. Aus diesen Zeiten sind uns Denkweisen überliefert wie:

„…(diePflege), welche sich deshalb des Leidenden mit Liebe, ja mit Ehrfurcht zuwendet, weil sie in ihnen die Heimgesuchten Gottes sieht,welche Gott der Herr geschlagen, weil Er sie liebhat und die Er in dieser besonderen Art besucht, damit sie durch Leiden vollendet würden; – die Pflege gehört nach ihrem ganzen Charakter unzweifelhaft der Kirche.“ (Ballusek o.J., zit nach Leitner 1986)

„Das Wesen einer großen Pflegeanstalt besteht … darin, dass die Arten von Alten, für die man im Leben keine Verwendung mehr hat, und welche, einzeln zur Versorgung übergeben, große Kosten verursachen, zusammenführt in eine gemeinsame und billige Verpflegung, wobei sie überwacht, vor Gefahren geschützt und dem öffentlichen Ärgernis entrückt werden.“ (Fürst 1903, zit. n. Kondratowitz 1988)

„Diejenigen Anstalten, welche würdigen Siechen und Gebrechlichen Unterkunft bieten… begnügen sich durchweg mit leichteren Strafen, wie Ermahnung, Verweis unter vier Augen, Verweis in Gegenwart der übrigen Insassen oder des Anstaltsvorstandes, Verweigerung des Urlaubs, Verbot des Empfanges von Besuch, Verbot des Rauchens usw.“ (Buehl/Eschle 1903, zit n. Kondratovwitz 1988)

„Diese Alten, denen es auf der Stirne geschrieben steht, dass der Staub nun bald wieder muss zur Erde werden, befinden sich meistens in einem glücklichen Kindeszustande. Wie Kinder können sie auch durch Entbehrung kleiner Dinge sehr aus der Stimmung kommen. Deshalb sind sie für jegliche Freundlichkeit, und namentlich auch für Mitteilung materieller Hilfen und kleiner Erquickungen meist sehr dankbar.“ (Büttner 1890, zit. n. Kondratowitz 1988)

Der Begriff „Bedürftigkeit“ ist ein demokratiefeindlicher Begriff. Er ist ein entwürdigender Begriff, der nicht nur den Artikel 1 des Grundgesetzes der Deutschen missachtet (Würde hat mit Wert zutun), sondern sich ebenso gegen die Artikel 2 und Artikel 3 des GG wendet.

Menschen, denen ein gewisses Maß echter humaner Bildung fehlt, lassen sich leicht ins Bockshorn jagen. Auch sogenannte Akademiker oder Intellektuelle sind davor nicht gefeit. Ein Beispiel dafür mag als erhellend gelten, wenn wir an den Begriff der Invalidenrente denken. Wir hören noch die Leute um uns her, die, wenn sie in ihr Rentenalter kamen, sagten: „Ich habe mich von meinem Arzt zum Invaliden schreiben lassen“. Ob sie wohl ahnten,was dieser Begriff bedeutet?  Ein deutsches Problem. Begeisterung für die Macht, Untertanengeist.

Ich wiederhole: Menschen,  denen eingewisses Maß echter humaner Bildung fehlt,  kämpfen für ihreVerknechtung, als ginge es um ihr Seelenheil. Der Preis der Macht.

Die Macht des Wortes: Dumpfheit des herrschenden Systems, Raffinesse, Missachtung der natürlichen Gleichheit aller Menschen.  Märtyrer. Geschundene. Es ist nicht leicht, Menschen zu ihrem Glück zu überreden, aber es ist relativ leicht, sie zu ihrem Unglück zu überreden. Die eigene Dämlichkeit wird zum Kult erhoben.

Die eigeneDämlichkeit wird zum Kult erhoben  Ansonsten hätten die Rentnerinnen und Rentner sich hellauf empört und mit Kampfgeist gewehrt!  Denn In-valid bedeutet Un-Wert. Wenn also jemand sich zum Invaliden hat schreiben lassen, dann hatte er sich damit zum „Un-werten“ schreiben lassen. Mit anderen Worten: Nur Un-werten wird gnädigst Rente gewährt. Kein Wort davon, dass es sich bei der Rente um gesetzliche Ansprüche handelt, um Ansprüche, die durch harte Arbeit und durch die Zahlung von Beiträgen ehrbar erworben wurden. Würde hat mit Wert zu tun!

Es zeigt sich Mangel an Urteilsfähigkeit darin, wenn heute in politischen, ökonomischen und in bestimmten bürgerlichen Kreisen gefordert wird, die beitragsbasierten sozialen Systeme aufzulösen  und durch steuerbasierte oder kapitalgedeckte Systeme zu ersetzen.  Selbstverständlich stecken Interessen dahinter   (siehe: www.bund-der-pflegeversicherten.de ).

Denn wenn alles aus Steuern finanziert wird, dann entfallen die Ansprüche, die durch Beitragszahlung erworben werden, dann endlich kann die Höhe der sozialen Leistungen nach der jeweiligen Kassenlage des Staates bestimmt werden. Damit wird der letzte Rest von Stolz und Würde den betroffenen Menschen entrissen und an die Stelle des Interessenausgleichs tritt die brutalstmögliche Durchsetzung bestimmter Interessen.

Es ist leider so, dass nur noch wenige Menschen jene Kraft in sich spüren, die die Alten „thymotischeKraft“ genannt haben. Den meisten Deutschen fehlt innere Größe, es fehlt ihnen die thymotische Kraft, nämlich jene Kraft, die den Regungsherd des stolzen Selbst bezeichnet und der in der Brust von Helden wohnt.

Wir kehren zurück in vorrevolutionäre Zeiten. Eine Friedensordnung existiert nicht mehr – und es ist vergessen, dass sinnvolles Leben und Glück marktwirtschaftlich nicht herstellbar sind.

Wenn heute in sogenannten „gebildeten“ und gutsituierten Kreisen unserer Gesellschaft die politische und wirtschaftliche Lage der Nation zur Debatte steht, dann dauert es in der Regel nicht lange,  bis das Lamento über den ausufernden und nicht mehr bezahlbarenSozial- oder Wohlfahrtsstaat anhebt und man sich gegenseitig mit Vorschlägen zum Sozialleistungsabbau überbietet. Das Gutachten der Wirtschaftsweisen, das erst vor wenigen Tagen der Bundesregierung überreicht wurde, ist ein Zeugnis dafür. Denn im Gutachten wurden die Rente und die Sozialleistungen als Ursache gewertet, der die Leistungskraft der Ökonomie zum Opfer fiele. Übereinstimmend erkannten sie den Sozialstaat als zentralen Verursacher der Wachstumsschwäche der Wirtschaft und der Finanzkrise des Staates. Dass derartiges Lamento von Vielem, aber gewiss nicht  von Bildung und Weisheit zeugt, ist den ominösen Wirtschaftsweisen entgangen, statt Weisheit zeigt sich unverhohlen die Unfähigkeit, neues Denken und die Überwindung herkömmlicher Denkmuster zu wagen.

Die Wirtschaftsweisen erkennen nicht, dass ohne Sozialstaat die Demokratie zugrunde geht. wenn der Sozialstaat stirbt, stirbt die Demkratie.

Denn der Sozialstaat erzeugt Effekte, die der Wirtschaft sowohl direkt als auch auf indirektem Wege zu Gute kommen. Im Folgenden werden Nutzen und Wirkungen des modernen Sozialstaats verkürzt dargestellt. DieDarstellung wird allerdings deutlich machen, wie sehr die Wirtschaftsweisen, ihre Anhänger und die Propheten des neoliberalen Kapitalismus in die Irre gehen:

* Für die privatwirtschaftliche Produktionsweise hat der Sozialstaat den Effekt, sich von anfallenden Sozialkosten hinsichtlich der Risiken und Gefährdungen durch Krankheit, Verschleiß der Arbeitskraft, Alter und Arbeitslosigkeit unmittelbar entlasten zu können.

* Der Sozialstaat trägt zur Sicherung des ökonomisch benötigten, qualifizierten Arbeitskräftepotentials bei

* Die sozialstaatliche, sekundäre Einkommensverteilung (Krankengeld, Renten usw.) verhilft zu einer Verstetigung der Konsumnachfrage gegenüber Konjunkturschwankungen. Ohne sozialstaatliche Transferleistungen würde die Arbeitslosigkeit rasant wachsen und die Gewinne der Unternehmen ebenso rasant schrumpfen.

* Die sozialstaatlichen Sicherungen erleichtern den notwendigen wirtschaftlichen und sozialen Strukturwandel

* Der Sozialstaat besorgt die für alle Gesellschaftsbereiche notwendigen Infrastrukturen und garantiert die Mobilität der Gesellschaftsmitglieder auf den Strassen, auf den Gleisen, in der Luft, zu Wasser und in der Telekommunikation.

* Die Wahrung des sozialen Friedens in der Gesellschaft gehört zu den politischen Wirkungen des Sozialstaats. Er institutionalisiert zentrale gesellschaftliche Spannungs- und Konfliktlinien.

* Demokratie und Sozialstaat gehören zusammen. Ohne die Einräumung sozialer Rechte ist die politische Kultur eines demokratischen Verfassungsstaat auf Dauer nicht aufrechtzuerhalten.

* Der Sozialstaat dient der Bildung und Sicherung des Humanvermögens der Gesellschaftsmitglieder. Die sozialstaatliche Intervention in die gesellschaftlichen Verhältnisse sichert, stützt und fördert das in allen gesellschaftlichen Bereichen vorausgesetzte und benötigte Humanvermögen der Gesellschaftsmitglieder.

* Der Sozialstaat leistet einen Beitrag zur Legitimation gesellschaftlicher Ordnung. Er trägt dazu bei, ein auf permanenten gesellschaftlichen Wandel ausgerichtetes Gesellschaftssystem als gerechte Ordnung zu legitimieren und mit dem notwendigen elementaren Solidarvertrauen auszustatten. Er wirkt dem Verlust der humanen Orientierung mittelbar entgegen.

Bund der Pflegeversicherten e.V. /alter-aktiv-bdpv
Gerd Heming (Vors.)
Münster, November 2014

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Gefährlich ist’s, den Leu zu wecken-

Erstellt von Gast-Autor am 4. Oktober 2014

oder: Das Grundgesetz der Bundesrepublik

„Weh, wenn sich in dem Schoß der Städte
der Feuerzunder still gehäuft, das Volk, zerreißend seine Kette,
zur Eigenhilfe schrecklich greift!
Da zerret an der Glocke Strängen der Aufruhr, daß sie heulend schallt,
und, nur geweiht zu Friedensklängen,
die Losung anstimmt zur Gewalt.
„Freiheit und Gleichheit!“ hört man schallen; der ruh’ge Bürger greift zur Wehr,
die Straßen füllen sich, die Hallen, und Würgerbanden ziehn umher.
Da werden Weiber zu Hyänen und treiben mit Entsetzen Scherz;
noch zuckend, mit des Panthers Zähnen zerreißen sie des Feindes Herz.
Nichts Heiliges ist mehr,
es lösen sich alle Bande frommer Scheu;
der Gute räumt den Platz dem Bösen, und alle Laster walten frei.
Gefährlich ist’s, den Leu zu wecken, verderblich ist des Tigers Zahn;
jedoch der schrecklichste der Schrecken, das ist der Mensch in seinem Wahn.
Weh denen, die dem Ewigblinden des Lichtes Himmelsfackel leihn!
Sie strahlt ihm nicht, sie kann nur zünden,
und äschert Städt‘ und Länder ein.“

Friedrich Schiller (1759-1805) hat es in starken Worten einprägsam gefasst: Wenn der Gute dem Bösen den Platz räumt, dann walten alle Laster frei.

Johann Wolfgang v. Goethe (1749-1832) hat das Böse als Teil der Finsternis, die sich das Licht gebar, charakterisiert:

„Ich bin der Geist, der stets verneint! Und das mit Recht.;
denn Alles, was entsteht, ist wert, dass es zu Grunde geht;
drum besser wär’s, dass nichts entstünde.
So ist denn Alles, was ihr Sünde, Zerstörung, kurz das Böse nennt,
mein eigentliches Element.“

Wir haben das Böse, die Gewalt, die Zerstörung, nicht hinter uns gelassen. Es wirkt auch heute in der Welt, es wirkt unter uns, es wirkt auch in unserer Gesellschaft. Es wohnt in den Palästen, in den Schlössern und Villen. Aber wir haben ihm in Laufe der Jahrhunderte Bollwerke entgegengesetzt., wir haben ihm nicht zuletzt unser Grundgesetz entgegengesetzt.

Zu Goethes und Schillers Zeiten waren die Menschen in den deutschen Landen Untertanen, unfrei, der adligen Gewalt und der Gewalt des Klerus schutzlos ausgeliefert. Erst 1806, vor etwa zweihundert Jahren, wurde hierzulande die Leibeigenschaft aufgehoben, die Sklaverei beendet. Ein jahrhunderte langer Kampf unserer Väter zeitigte ein erstes Zwischenergebnis. Die Revolution von 1848 und die Paulskirchenverfassung waren weitere Schritte auf dem Weg zu dem Grundgesetz, unter dem wir heute leben.

Aber die Revolution von 1848 und die Paulskirche scheiterten. Sie wurden blutig nieder geknüppelt von den Mächtigen jener Zeit. Die Masse der Kleinbauern und Arbeiter waren bei der Paulskirchenverfassung ohnehin nicht vertreten. Drei Viertel der damaligen sogenannten „Abgeordneten“ waren Akademiker, davon die Hälfte Juristen. Schon zu jener Zeit sprachen unsere Väter von der unseligen „Juristendominanz“, die uns bis in unsere Tage das Leben selbst unter dem Grundgesetz nicht gerade leicht macht. 1849 setzte der Adel mit der Wahl Friedrich Wilhelm IV von Preußen zum deutschen Kaiser dem ganzen Theater ein schnelles Ende.

Es brauchte weitere einhundert Jahre, es brauchte den Ersten Weltkrieg, die Weimarerrepublik, die Nationalsozialisten, den Zweiten Weltkrieg, bis im Jahre 1949 das Grundgesetz, so, wie wir es heute kennen,, aus der Taufe gehoben wurde.

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist eine großartige Verfassung. Sie ist die beste Verfassung der Welt. Und sie hat Feinde. Es sind innere Feinde, die ständig die Werte der Verfassung in Frage stellen. Wir müssen diesen Feinden in Politik, Wirtschaft, Finanzwelt, Gesetzgebung und Rechtsprechung entschieden begegnen. Wir dürfen den Kampf unserer Väter, den sie oft mit dem Gefängnis oder gar mit dem Leben bezahlten, nicht verraten, wir dürfen uns selbst nicht verraten. Denn was vor hundert Jahren unmöglich schien, ist heute Wirklichkeit.
Wir sind Demokratie! Wir sind das Volk. Wir sind der Souverän. In unserer Verfassung steht im Artikel 20: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt. / Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden. / Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“

Es sind die Schutzrechte des Grundgesetzes, auf die es ankommt. Wir werden sie in den nächsten Veröffentlichungen des Bundes der Pflegeversicherten „alter-aktiv-bdpv“ unter der Überschrift „Erkenntnisse des Alters“ darstellen. Jeder sollte sie verinnerlichen. Denn sie sind unser Schutz gegen die Macht und gegen das Böse:

Art. 1 (Menschenwürde, Grundrechtsbindung).

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Art. 2 (Freie Entfaltung der Persönlichkeit, Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit der Person).

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit es nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Art. 3 (Gleichheit).

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“

Die weiteren Grundrechte als Schutzrechte werden in den folgenden Veröffentlichungen des BdPV e.V. dargestellt werden. Es wird ihnen ein Kommentar vorangestellt.

Für heute schließen wir mit einem weiteren nachahmenswerten Zitat aus Schillers „Glocke“:

Denn wo das Strenge mit dem Zarten,
Wo Starkes sich und Mildes paarten,
Da gibt es einen guten Klang.
Drum prüfe, wer sich ewig bindet,
Ob sich das Herz zum Herzen findet!
Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang.

Gerd Heming (Vors.)

Münster, Oktober 2014

Bund der Pflegeversicherten e.V.

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Wir wissen es nicht

Erstellt von Gast-Autor am 13. September 2014

Nichts ist gefährlicher als die Wahrheit

Was wollte uns Anna Planken von der ARD in der Nacht zum Mittwoch, dem 04. September 2014, zur Einführung der Sendung „Nachtmagazin“ sagen?

Wir wissen es nicht.

Sie sprach zwar von Vernunft und von Logik und verwies dabei auf Putin, aber was nun die Logik als Logik ist, das blieb bei ihr ein Rätsel – und die Logik, bezogen auf Putin, ebenfalls. Logik als Logik besagt ohnehin nichts, denn auch der Satz: „Wenn der Maikäfer fliegt, dann fliegt er“ besitzt Logik, sagt aber nichts weiter aus, als eben, dass ein Maikäfer fliegt, wenn er fliegt. Wir kennen so was vom Kindergarten her: Wenn Fliegen fliegen, fliegen Fliegen.

Nun ist es so, dass Medienleute wohl eine eigene Logik besitzen. Denn sie leben in Sphären, die dem Normalversteher – und selbst dem Putinversteher – nicht zugänglich sind. Vielleicht gehören Medienleute ja zu der Gruppe der „besonders Einsichtigen“. Aber müssen wir nicht, wenn jemand sich als „besonders einsichtig“ bezeichnet aufhorchen, hellhörig werden? Denn selbstverständlich meinen sie damit, sie selbst seien die anerkannten Experten. Welche Arroganz, welche Dummheit, welche Fehleinschätzung.

Der ordentliche Professor an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich, Michael Hampe, meint dazu: „Die Konsequenz anerkannter Experten in Sachen Vernünftigkeit oder Moral ist, dass Menschen, die in Expertenkulturen aufwachsen, sich angewöhnen, allein auf das Urteil dieser Experten zu vertrauen und deshalb nicht in der Lage sind, sich eigenständig zu koordinieren und zu orientieren. Ein soziales System, das Experten der Vernünftigkeit braucht, ist nicht demokratisch, sondern es ist ein System im Zeichen des platonischen Philosophenkönigs“.

Die Frage, die sich daraus ergibt, ist: Verstehen Medienleute eigentlich, was Demokratie bedeutet? Sind sie nicht vielmehr längst in ein gedankliches System geraten, das es ihnen unmöglich macht, sich „eigenständig zu koordinieren und zu orientieren“, was ja die Voraussetzung für Demokratie ist? Es scheint so, ihr öffentliches Auftreten und die Berichterstattungen über den Sozialabbau 2003 ff, während der Finanzkrisen von 2008 ff und über die verschiedenen kämpferischen Auseinandersetzungen in den vergangenen Monaten lässt das vermuten.

Demokratische Medien sind in bestimmten Situationen um keinen Deut qualifizierter und unabhängiger als Medien unter Diktaturen. Die „demokratischen“ amerikanischen Medien zu Beginn und während des Irakkrieges 2003 und ihre Unfähigkeit die wahnhaften Lügen des George W. Bush aufzuzeigen und zu durchschauen, sind ein hinreichender Beleg dafür. Die „besonders Einsichtigen“ sind nicht einsichtig. Schlimmer noch: Denn eine so verstandene „besondere Einsichtigkeit“ führt in Welt- und Lebensblindheit und damit in totale Uneinsichtigkeit. Die „besonders Einsichtigen“ werden schließlich zu „absolut Uneinsichtigen“ Kein Wunder dass die Medien die Zeichen der Zeit nicht verstehen. Und auch den Normalversteher verstehen sie nicht, denn der gehört ihrer Meinung nach eben nicht zu den „besonders Einsichtigen“. Welche Arroganz, welche Dummheit, welcher Mangel an Urteilskraft! Für den Normalversteher ist es in jeder Hinsicht – aber wirklich in jeder Hinsicht – besser, wenn er sich, wie einst Odysseus, die Ohren mit Wachs verstopfen würde.

Was die älteren Menschen von bestimmten Medien zu erwarten haben, machte vor einiger Zeit das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) deutlich, als es Menschen über 69 von einer seiner fragwürdigen Sendungen ausschloss. Dass solches Tun offene Diskriminierung gegenüber den Alten ist und somit möglicherweise einen strafrechtlich relevanten Tatbestand erfüllt, sei hier nur am Rande erwähnt.

Was beweist das?

Nun, das beweist, dass wir es bei Nachrichtensprechern und Moderatoren (männlich und weiblich) mit arroganten und selbstverliebten Sippschaften zu tun haben, die jenseits von Gut und Böse ohne Verstand umher geistern, mit Lebensblindheit geschlagen sind und uns trotz ihrer Blindheit die Welt erklären wollen. „Die Massen“, so der Paderborner Philosoph Hans Ebeling, „haben durch technische Intervention, nämlich sogenannte Informationssysteme, tatsächlich nur Systeme der Desinformationen, global (sit venia verbo) einen Verblödungsgrad erreicht, den die Religionen niemals bewerkstelligen konnten“.

Dass die Medien von Geistlosigkeit, von irregeleiteten Geistern und von Kleingeistern beherrscht werden, ist nicht wirklich neu.

Die heutigen Medien leben im Reich der Schminke, der gefärbten Haare, der Blendung und der luxuriös ausgestatteten Studios. Wenn sie doch nur die Verzierungen abreißen würden!

Aber sie schminken die Schminke nicht ab. Sie blenden weiter. Sie moderieren Sendungen länger als dem Zuschauer lieb sein kann. Die Schminke ist ein Symbol dafür, was die Nachrichtensprecher und –sprecherinnen wirklich sind: Sie ist ein Symbol für das, was sie wirklich geworden sind, Oberfläche, bloße Oberfläche. Und dies wiederum ist ein Symbol für die Qualität unserer elektronischen Nachrichtendienste. Wir besitzen ein magisches Werkzeug, genannt Fernsehen. Ein Werkzeug aus Licht und Ton. Ein Instrument, dass uns helfen könnte die am Besten informierte Gesellschaft zu sein. Freie und aufgeklärte Bürgerinnen und Bürger. Stattdessen bringen sie Sendungen wie Nachrichten in Schlagzeilen. Sie bringen nette Moderatoren und Moderatorinnen und hohles Geplauder. Sie servieren uns Kriege und Katastrophen wie die Zwischengänge einer Mahlzeit. Sie schnüffeln, sie tratschen, sie verführen. Nachrichten in Schlagzeilen aber sind nicht nur eine nationale Schande, sie sind ein nationales Elend geworden. Es fehlt ihnen an Zivilcourage.

Sie lächeln uns zu, aber sie können die eigene Verblödung hinter dem Lächeln nicht verbergen. Flachheiten. Eine Briefmarke ist für sie ein unüberwindbares Bergmassiv. Sie verdienen bestens, sie sind saturiert – und wer ihnen widerspricht, wer die Wahrheit beim Namen nennt, wird diskreditiert. Sie verdienen uns nicht – wir verdienen besseres.

Ein guter Reporter bringt die Fakten, ein großer Reporter versteht ihre Bedeutung, sie jedoch verstehen nichts.

Nachrichten sind unerwartet. Sie sind hart und wirklich. Und sie sind verdammt kompliziert.

Gerd Heming (Vors.)

Münster, September 2014

Bund der Pflegeversicherten e.V.

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Petition nach Art. 45 C

Erstellt von Gast-Autor am 30. Juli 2014

Petition nach Art. 45 c des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland

Sehr geehrter Herr Bundesminister Hermann Gröhe,

bitte setzen Sie sich mit uns, dem Bund der Pflegeversicherten, für ein gesundes und selbstbestimmtes Leben aller Menschen mit erhöhtem Pflegebedarf in der häuslichen, ambulanten und stationären Pflege ein. Um dies zu erreichen, fordern wir einen grundlegenden Wechsel in der medikamentösen Versorgung der pflegebedürftigen Menschen, weil  in vielen Fällen die Gabe von pharmazeutisch erzeugten Medikamenten das Leben der Menschen nicht verbessert, sondern verschlechtert. Wir verweisen dies bezüglich u.a. auf die Ausführungen von Prof. Dr. Stefan Görres, Universität Bremen, Fachbereich 11, Pflegewissenschaften, in seinem Aufsatz „Die gesundheitliche Versorgung im Alter“ (1997) hin, der wie folgt formuliert: Die medikamentöse Versorgung „wird aus geriatrischer Sicht kritisch betrachtet. Beispiele für durch Arzneimittel verstärkte oder verursachte Erkrankungen und Komplikationen sind:

–         Verwirrtheitszustände
–         Depressionen
–         Bewegungs-und Gangstörungen
–         Stürze
–         anhaltende Verstopfung

Diese Auswirkungen gefährden die Unabhängigkeit älterer Menschen und fördern Unselbständigkeit, Pflegebedürftigkeit und die unnötige Einweisung in stationäre Einrichtungen (‚W. Kruse, 1993).“

Wir, der Bund der Pflegeversicherten, orientieren uns bei unserer Forderung an die wissenschaftlich fundierten Erfahrungen, insbesondere in Israel, wie sie unter der Überschrift „Marihuana in Altenheimen“ dokumentiert sind (Prof. RuthGallily, Hadassa-Krankenhaus bei Jerusalem).

In der Dokumentation heißt es: „In der Geriatrie haben wir viele Patienten mit chronischen Krankheiten, die seit Jahren starke Medikamente mit heftigen Nebenwirkungen nahmen. Der große Vorteil: Medizinisches Cannabis hat fast keine Nebenwirkungen. Es ermöglicht dem Körper zu gesunden, anstatt gegen die Medikamente erst mal ankämpfen zu müssen.“ Weiter heißt es dort: „Medizinisches Cannabis kann eingesetzt werden bei Entzündungen jeder Art und gegen Arthritis, HIV, Parkinson, MS, Krebs, Psychotraumata und vieles mehr.“

Wir, der Bund der Pflegeversicherten, fordern daher eine Änderung in der Denkhaltung der mit gesundheitlichen und pflegerischen Fragen professionell beschäftigten Personen und Personengruppen. Denn Marihuana oder Cannabis ist keine Droge, sondern ein Heilmittel.

Immer wieder wird in Deutschland das Märchen verbreitet, Cannabis, Haschisch,Marihuana, Hanf und Co seien gefährlich. Aber Cannabis und Co sind Heilmittel. Es ist gelinde gesagt bemerkenswert, dass uns dieses Heilmittel unablässig als gefährliche Droge dargestellt wird. Das ist nur zu verstehen, wenn man sich klar macht, dass sehr einflussreichen Interessengruppen jedes Mittel recht ist, den Ruf  dieser einzigartigen pflanzlichen Medizin zu zerstören.

Vor 80 Jahren gab es Cannabis als Tinktur in jeder Apotheke – rezeptfrei. Medikamente wie Aspirin, Codein, Cortison etc. lösten ab 1926 dieses Allheilmittel für den kleinen Mann aus Profitgier ab. Zum Wohle der Arzneimittelindustrie. Damals setzte man sogar noch einen oben drauf, indem man selbst den Faserhanf ablöste, um die von Dypont entwickelte Kunstfaser auf den Markt zubringen.

Die Pharmaindustrie hat folglich kein Interesse, dass sich Cannabis als Medikament durchsetzt. Man kann eine Pflanze nämlich nicht so ohne Weiteres patentieren lassen.

In der Dokumentation heißt es weiter: „Cannabis und selbst die synthetische Gewinnung von DBD sind wahnsinnig billig.“

Die Pharmaindustrie will uns (den Bürgern, den Ärzten und Patienten) aber lieber Cortison und viele andere stinkteure Medikamente verkaufen.  Mächtige Lobbyistengruppensorgen deshalb dafür, dass über unsere Politiker, über  viele sogenannte Experten aus allen Bereichen des Gesundheitswesen und über die meisten Bürgerinnen und Bürger der Schleier der Lüge gebreitet wird und gebreitet bleibt.

Die Anpflanzung und Herstellung von medizinischem Cannabis muss allserdings durch öffentlich-rechtliche Institutionen bewerkstelligt und organisiert werden. Wie auch die gesamte Kontrolle darüber in öffentlich-rechtlicher Hand zu bleiben hat. Keinesfalls darf sie in die Hand privater Profiteure geraten. Beispiel Dronabinol: Dieses pflanzliche Produkt, besteht auf der Grundlage von Cannabis. Es kostet wenige Cent. Wenn aber die Apotheken es als Medizin auf den Markt bringen, haben sich die Kosten dafür verzehntausendfacht. Deshalb sollte auch hier dem Beispiel in Israel gefolgt werden.

Wie auch immer.  Selbst in Deutschland  wird Cannabis als Medikament immer populärer. –  Es ist daher an der Zeit, dass das Heilmittel Cannabis auch in Deutschland jedem Bürger je nach Bedarf und kontrolliert zugängig gemacht wird. Zum Wohle der vielen Patienten mit chronischen Krankheiten, die seit Jahren starke Medikamente mit heftigen Nebenwirkungen nehmen. Denn einer der unschlagbaren Vorteile von medizinischem Cannabis ist, dass es fast keine Nebenwirkungen hat. Es ermöglicht dem Körper zu gesunden, anstatt gegen die chemisch erzeugten Medikamente erst mal ankämpfen zu müssen. In vielen Kliniken und in allen deutschen Altenheimen wird dann das frohe Bewusstsein gelingender Lebensqualität die jetzige depressive Dunkelheit vertreiben. Außerdem werden die Kosten für gesundheitlich Maßnahmen drastisch sinken.

Das Synonym „DROGE“ist ein weitläufiger Sammel-Begriff, für alle Substanzen, welche aus bestimmtenPflanzen/teilen extrahiert werden können – so auch ätherische Oele usw.. Das ist alltäglich. Aber wollen wir deshalb etwa eine Drogerie oder eine Apotheke zu einem Fall für  den Staatsanwalt machen?

Der Siegeszug von Cannabis als Medikament wird nicht aufzuhalten sein! Selbst dann wird er nicht aufzuhalten sein, wenn mächtige Interessengruppen alles tun werden, um die Köpfe der Menschen zu vernebeln. Denn leider ist es in unserer Gesellschaft vielfach so, dass Menschen an ihrem eigenen Unheil in einer Weise verbissen festhalten, als ginge es um ihr Seelenheil. Man muss für sie nicht eine Anleitung zum Unglücklichsein schreiben, sie leiten sich selbst dazu an.

Mit freundlichen Grüssen
Bund der Pflegeversicherten e.V.
Gerd Heming (Vors.)

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Renten im freien Fall

Erstellt von DL-Redaktion am 30. Mai 2014

Debatte Renten

Datei:Ortsschild mit den Worten Arbeit und Rente.jpg

Autorin: Ursula Engelen-Kefer

GENERATIONENKONFLIKT Die SPD hat ihr Ziel aufgegeben, für eine zukunftssichere Altersversorgung zu streiten. Die Zeche zahlen die Jüngeren und viele Frauen

Das Rentenpaket mit der Rente ab 63 wird am 1. Juli in Kraft treten. Dank ihrer überwältigenden Mehrheit konnte sich die Große Koalition die elf Abweichler von der CDU/CSU spielend leisten. Dass die Grünen gegen das Gesetzespaket stimmten und sich Die Linke enthielt, hat an dem parlamentarischen Durchmarsch natürlich nichts geändert. Für die von der 63er-Regelung begünstigten Männer (die Mehrheit) sowie die Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren sind, ist dies eine gute Botschaft.

Die Kosten von 9 bis 11 Milliarden Euro im Jahr müssen jedoch die Beitragszahler schultern, die zum überwiegenden Teil niemals in den Genuss dieser Verbesserungen kommen werden. Gleichzeitig müssen die Älteren mit weiteren Verschlechterungen ihrer Renten rechnen: Der Generationenkonflikt wird also angeheizt. Niemand darf sich wundern, dass das Vertrauen in die Rentenversicherung weiter schwindet. Die nächsten Rentenreformen kommen bestimmt.

SPD geht Machterhalt vor

Auch die wiederholte Kritik der Sozialverbände als Interessenverwalter der gesetzlichen Rentenversicherung verhallten weitgehend ungehört. Dabei hat sich die SPD von ihren eigenen Beschlüssen – kein weiterer Abfall des Rentenniveaus – distanziert. Die Disziplin in der Koalition ist ihr wichtiger als die Zukunft der Alterssicherung. Auch dass die Aufstockung der Armutsrenten erst einmal aufgeschoben wurde, trägt sie mit. Jetzt befinden sich die Renten im freien Fall.

Wer 45 Jahre beitragspflichtige Beschäftigung durchgehalten hat, dem sei es gegönnt, mit 63 Jahren in die abschlagsfreie Altersrente gehen zu können. Dies gilt auch unter Anrechnung etwa von Zeiten der Arbeitslosenversicherung oder der Kindererziehung.

Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass damit weitere Gerechtigkeitslücken klaffen. Laut Bundesregierung werden von etwa 30 Millionen versicherungspflichtig Beschäftigten gerade einmal 50.000 die 63er Regelung in Anspruch nehmen. Das wären demnach noch nicht einmal 2 Prozent, davon überwiegend Männer mit überdurchschnittlich hohen Löhnen und Renten.

Die finanzielle Belastung von bis zu 3 Milliarden Euro jährlich ab 2030 muss dagegen von allen Beitragszahlern aufgebracht werden. Häufig hatten diese keine Chance auf eine dauerhafte versicherungspflichtige Beschäftigung. Dies gilt für viele Handwerksberufe und vor allem für personenbezogene Dienstleistungen – die Beschäftigungsdomäne der Frauen. Auch schwerbehinderte Menschen werden nicht einbezogen, obwohl gerade bei ihnen die Arbeitslosigkeit weiter ansteigt.

Bizarre Rechenmodelle

Quelle: TAZ >>>>> weiterlesen

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Die Zerstörung des Gemeinwohls

Erstellt von Gast-Autor am 3. Mai 2014

Erkenntnisse des Alters VI

Die Reichen und Superreichen haben sich jeder gesellschaftlichen Verantwortung längst entzogen. Sie leben unter uns. Aber sie leben nicht mit uns. Ihr Ziel ist Herrschaft! – nicht die Gemeinschaft, ihr Ziel ist die Diktatur des Geldes. Sie sind den Verlockungen des Geldes verfallen.  Sie erkennen nicht, dass nicht sie das Geld besitzen, sondern das Geld sie besitzt – dass das Geld ihr gesamtes Denken und Handeln wahnhaft bestimmt. Sie sind die Sklaven ihrer selbst. Sie sind süchtig wie Alkoholiker, die vom Alkohol besessen sind oder mit anderen Worten: Sie sind geistig und psychisch krank.  Denn ihr Wahn hat das Ziel der Zerstörung  gesellschaftlicher Moral und des Gemeinwohls, ihr Wahn  will die totale Verwirklichung des alles zermalmenden neoliberalen Kapitalismus. „Dieneuen Herrscher der Welt“, sagt der Schweizer Soziologe Jean Ziegler, „ – die Beutejäger des globalisierten Finanzkapitals, die Barone der transkontinentalen Konzerne, die Börsenspekulanten – häufen ungeheure Vermögen an. Mit ihrem Tun zerstören sie den Staat, verwüsten die Natur und entscheiden jeden Tag darüber ,wer sterben muss und wer überleben darf. Willfährige, effiziente Verbündete stehen ihnen zu Diensten, allen voran die Funktionäre der Welthandelsorganisation, der Weltbank und des Weltwährungsfonds.“  Dieser Geist ist die Urmutter aller Kriege, allen Tötens, allen Grauens. Es ist dieser wahnhafte Geist, den Goethe in seinem „Faust“ treffend sagen lässt: „Ich bin der Geist, der stets verneint, und das mit Recht. Denn alles, was entsteht, ist wert, dass es zugrunde geht. Drum besser wär’s. dass nichts entstünde! So ist denn alles, was ihr Sünde, Zerstörung, kurz das Böse nennt, mein eigentliches Element“.

Wenn die Menschheit leben will, wenn die Menschen sich selbst und das Gemeinwohl erhalten wollen, dann müssen die Reichen und ihre Propheten mit sofortige rWirkung weltweit den geschlossenen Abteilungen forensischer Psychiatrien zugeführt werden. Sie sind eine tödliche Gefahr für das Fortbestehen unserer Spezies.

Die Deregulierung der Finanz- und Wirtschaftswelt der vergangenen dreißig Jahre öffnete Steuerhinterziehung, Begünstigung, Betrug, Bestechung, geheimen Absprachen und der Umleitung von öffentlichen Mitteln in private Taschen Tür und Tor. Darüber hinaus generiert die deregulierte Finanzwelt „Plünderer“ – das sind Führungskräfte, die maximalen persönlichen Gewinn aus den Unternehmen ziehen, deren Leitung ihnen anvertraut wurde. Sie zielen auf private Gewinne, meist in Verbindung mit Börsenwerten. Das ist die eigentliche Motivation hinter vielen der Buchhaltungsbetrügereien die große  Firmen, Banken und auch Börsengesellschaften plagen. Allerdings haben die Plünderer mächtige Freunde in der Regierung, die zu ihrer Rettung eilen. So werden dann nicht Staaten und ihre Bevölkerung gerettet, sondern private Versicherungen, Banker und Banken.

Zwielichtigkeit ist der zweite Name der Reichen. Doch diese Zwielichtigkeit ist mitunter nur schwer zu erkennen. Am ehesten vielleicht sind sie mit jenen Psychopathen oder Soziopathen zu vergleichen, bei denen das Fehlen von Empathie, das Fehlen von sozialer Verantwortung und Gewissen in der Regel nur von jenen Menschen erkannt wird, die über große Soziale Kompetenz, durchdachte Lebenserfahrung und nicht zuletzt über Weisheit verfügen.. Psychopathen sind auf den ersten Blick charmant, sie verstehen es, oberflächliche Beziehungen herzustellen und „Freunde“ an sich zu binden. Dabei sind sie nicht selten sehr manipulativ, um ihre Ziele zu erreichen. Ihre  dissoziale Persönlichkeitsstruktur ist durch ausgeprägte Diskrepanz zwischen Verhalten und geltenden sozialen Normen gekennzeichnet. Man erkennt sie an ihrer Unfähigkeit, sich in andere hinein zu versetzen, an ihrer Unfähigkeit, längerfristige Beziehungen aufrecht zu erhalten, wobei sie jedoch keine Probleme mit der Aufnahme frischer Beziehungen haben. Schwieriger noch ist es, ihr fehlendes Schuldbewusstsein auszumachen, denn sie spenden oft und reichlich und geben sich ausgesprochen sozial. Allerdings spenden sie nur dort reichlich und jovial, wo sie die Folgen ihrer Spenden kontrollieren und entsprechende Anerkennung, Bewunderung und Dankbarkeit als ihren persönlichen Erfolg verbuchen können. Ihre Kontrollsucht ist übrigens einer der Gründe, warum sie sich der Zahlung von Steuern so gern entziehen. Sie können nicht akzeptieren, Geld zu zahlen, dessen Verwendung sie nicht kontrollieren und bestimmen können. Letztlich aber zeichnet sie eines gemeinsam aus, nämlich die Unfähigkeit, aus Erfahrung zu lernen.

Die Unfähigkeit aus Erfahrung zu lernen, zeigt sich bei all diesen Propheten des Neoliberalismus und Radikalkapitalismus. Friedhelm Hengsbach, Professor  für Wirtschafts-und Gesellschaftsethik, beschreibt in seiner berühmten Analyse mit der Überschrift „Das Reformspektakel“ die Propheten des Geldes und der alleszermalmenden Ökonomie wie folgt: „Dass die geringe Lernfähigkeit jener Propheten, die im Widerspruch zu empirischen Beobachtungen ihre marktradikal wirtschaftsliberale Bekenntnisse aufrecht erhalten, für die wirtschaftliche Krise mit verantwortlich ist, dass die politischen Entscheidungsträger, die ihnen gefolgt sind, nicht zur Beseitigung, sondern zur Verschärfung der Krisen beigetragen haben, dass die Konzernchefs sich in schwerwiegenden Entscheidungen der Fusion und Finanzierung von Unternehmen vergriffen haben, wird in der Öffentllichkeit nicht sonderliche registriert.“ Was, wie daraus zu schließen ist, darüber hinaus auch auf die Unfähigkeit so mancher Medien und Medienmacher verweist.

Diese Unfähigkeit ist immanent und hängt mit jenen minderwertigen Denkstrukturen und Denkweisen zusammen, der all jene anhängen, denen Neues Denken unbekannt ist und in deren Adern noch Reste des Blutes von Neandertalern rinnt.

Man muss nicht lange raten, welche Gruppen es sind, in deren Adern Reste des Blutes von Neandertalern fließt: Es sind die „meinungsführenden“ Gruppen der Gesellschaft! Neandertalerblut in den Adern entdecken wir im übertragenen Sinne innerhalb der Vorstände in den Medien, innerhalb der Vorstände der großen gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Institutionen, innerhalb der Vorstände der Wirtschafts- und Industrieverbände, innerhalb der Vorstände der großen Banken, privaten Versicherer, der Hedge-Fonds-Manager und nicht zuletzt innerhalb nahezu aller Disziplinen der Wissenschaften, allen voran die Rechts- und Staatswissenschaften, die Naturwissenschaften, die Lebenswissenschaften, der Gesundheits- und Pflegewissenschaften und – leider -auch in der Philosophie.

Innerhalb dieser unheiligen und morallosen Allianz werden Gesetze geschmiedet, die passgenau auf die Ziele und Interessen der Reichen ausgerichtet sind und somit das Gemeinwohl und den Gemeinsinn zerstören.

Den Reichen treibt der Wille zur Macht. Nicht nur zur Macht über Menschen und Völker – zur Macht über die ganze Welt. Sie schaffen sich in Gemeinschaft mit den ihnen hörigen Politikern und Medien ihre eigenen Gesetze, und mit „gesetzlicher Legitimation“ sind sie nun dabei, sich die Menschheit gefügig zu machen. Mit gesetzlicher Kraft frieren sie deren Freiheitsgrade ein. Und mit Gesetzesmacht zwingen sie die sozial erzeugte Kälte auf Minusgrade herab. Da sie selbst Sklaven sind, ist die Versklavung aller ihr Ziel. Der Rest der Welt als Verfügungsmasse. Deswegen predigen sie Flexibilität, deswegen predigen sie Deregulierung, deswegen predigen sie Privatisierung. „Die reale, positive Macht des Bösen“ formuliert der Philosoph Schelling, „ist nur zu verstehen, wenn das Böse nicht einer Schwäche des Willens beziehungsweise einer unbestimmten Willkür entspringt, sondern im Willen selbst gründet, nämlich im aktiven „Eigenwillen“ des Subjekts, das sich als Einzelner, als Gruppe oder auch zum Beispiel als Nation gegen den „Universalwillen“ durchsetzen kann. Wenn der „Eigenwille“ danach strebt, ‚das, was er nur in der Identität mit dem Universalwillen ist, als Partikularwille zu sein, dann ist er alspartikularisierter Wille böse.“

Leben ist Leben inmitten von Leben, das leben will – leben endet frühestens mit dem letzten Atemzuge.

Nur der große, aufrechte und aufrichtige Geist erkennt des Geistes Wert.

Die Politik hat sich in den letzten 30 Jahren weitgehendvon ihren höheren Anliegen verabschiedet und sich auf Management und Technokratie reduziert. Was wir brauchen ist eine neue Politik des Gemeinwohls, die weniger zögerlich ist als in den letzten Jahrzehnten und eindeutig Stellung bezieht zu Gerechtigkeit und Bürgersinn.

Die Ära die Marktgläubigkeit ist zu überwinden. Den amerikanischen Philosophen Michael Sandel erschüttert es, dass diese Ära, als deren führende Protagonisten Ronald Reagan und Margarete Thatcher zu nennen sind, „von der politischen Bühne verschwanden und durch Nachfolger ersetzt wurden – Bill Clinton, Tony Blair und Gerhard Schröder muss man dazuzählen. Sie mäßigten die Marktgläubigkeit, doch zugleich verfestigten sie sie. Keiner der drei Exponenten der linken Mitte – keiner! – stellte die Grundannahme, die Leitidee des Marktglaubens von Reagan und Thatcher infrage: dass die Märkte das wichtigste Instrument zur Erreichung des Gemeinwohls seien“

Heute wissen wir, dass die Leitidee des Marktglaubens Gemeinsinn und Gemeinwohl zerstören. Heute wissen wir, dass die Menschen sich  nach den großen Themen, nach zuverlässigen moralischen Werten sehnen.

Wenn die Alten hierzulande utilitaristischen Überlegungen angelsächsischer Art die Argumentation nehmen und gesellschaftliche Bedeutung in dem Sinne gewinnen wollen, dass sie  jenseits der Reproduktion auf andere Art etwas zur Erhaltung der Spezies beitragen,. dann muss diese Bedeutung über ihre persönliche Zukunft hinausgehen. Sie müssen erkennen, dass der Zeitgeist und die Ziele der privaten Wirtschaft und der privaten Versicherungen daraufgerichtet sind, die sozialen und Solidarität stiftenden Errungenschaften des späten 19. Jahrhunderts und insbesondere der 50er, 60er und 70er Jahre des 20.Jahrhunderts zu zerstören. Die Alten dürfen ihre Energien nicht für Trivialitäten verplempern. „Wenn die Alten ihre Energie im Alter verbrauchen oder mit Trivialitäten und Spielereien verplempern“, sagt die berühmte amerikanische Altersforscherin Betty Friedan, „wenn sie nur die Zeit totschlagen und das Alter und den Tod verleugnen, verschleudern sie ihre auf die Zukunft gerichtete Weisheit und Generativität. Ihr Leben muss mehr sein als nur jene bedeutsamen Erinnerungen, die sie vielleicht für ihre Enkel aufschreiben. Die Alten  können die Zukunft nicht voraussehen. Doch wenn sie an den Problemen arbeiten, vor denen unsere Gesellschaft steht, und dabei ihre im Lauf des Lebens erworbene Weisheit und Generativität einsetzen, einschließlich des Wissens um die Entstehung desSozialstaats, dann  hinterlassen sie ihren  Enkeln ein Vermächtnis, das darin besteht, dass sie bei der Gestaltung der Zukunft helfen und die Generativität und Solidarität des menschlichen Gemeinwesens entfalten und bewahren.“

Die Alten müssen ihr eigenes Leben leben, generativ solidarisch und als Teil der Gemeinschaft. Nur dem, der das Gemeinwohl fest im Blick hat, gehört die Zukunft.

Gerd Heming,
April 2014

Bund der Pflegeversicherten e.V.

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Zwischen Wohlstand und Verarmung

Erstellt von DL-Redaktion am 2. April 2014

Deutschland vor der Zerreißprobe

Autoren:  Christian Woltering, Gwendolyn Stilling und Ulrich Schneider

Die Armut ist gestoppt, die Einkommensschere schließt sich sogar wieder“ – mit dieser Darstellung der Lebensverhältnisse in Deutschland zog die schwarz-gelbe Bundesregierung ins Wahljahr 2013. Der Vierte Armuts- und Reichtumsbericht, herausgebracht im März 2013, sollte dieser Argumentation die Grundlage liefern. Tatsächlich wissen wir heute, dass das Gegenteil der Fall ist: Mit 15,2 Prozent ist die Armutsquote im Jahr 2012 auf ein neuerliches, trauriges Rekordhoch gestiegen.

Als der Paritätische Wohlfahrtsverband im Mai 2009 zum ersten Mal einen Armutsatlas für Regionen in Deutschland vorlegte wurde deutlich, dass Deutschland nicht nur sozial, sondern auch regional ein tief zerrissenes Land ist. Bei dieser ersten regionalen Betrachtung konnte lediglich auf drei Erhebungswellen – nämlich 2005 bis 2007 – zurückgegriffen werden. Entwicklungen nachzuzeichnen oder gar zu analysieren war auf dieser Datenbasis nicht möglich. Dies gelang erstmalig mit dem Paritätischen Armutsbericht 2011. Durch die Zusammenführung der Erkenntnisse des Armutsatlasses einerseits mit den seitdem regelmäßig veröffentlichten regionalen Armutsquoten der Statistischen Landesämter und des Statistischen Bundesamtes andererseits konnten erstmals – mit aller gebotenen Vorsicht – Trends analysiert werden, da regionale Daten nunmehr von 2005 bis 2010 vorlagen.

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Die Demontage der Rente:

Erstellt von DL-Redaktion am 26. März 2014

Schröder, Riester, Müntefering

Autor:  Martin Staiger

Seit Andrea Nahles, die neue Bundesministerin für Arbeit und Soziales, vor kurzem ihr Rentenpaket der Öffentlichkeit vorgestellt hat, wird über die Altersversorgung wieder breit diskutiert. Die Vorschläge gehen zumindest zum Teil in die richtige Richtung: Die Erhöhung des Rehabudgets und die Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente sind für Erwerbstätige mit Rehabilitationsbedarf und für Menschen, die dauerhaft nicht oder nicht mehr vollschichtig arbeiten können, ein echter Gewinn. Auch die Verbesserungen bei den Kindererziehungszeiten für Eltern mit vor 1992 geborenen Kindern waren schon lange fällig – auch wenn sie zu niedrig ausfallen. Da sie jedoch aus der Rentenkasse und damit aus dem falschen Topf finanziert werden, wird das Vertrauen in die Verlässlichkeit der Rentenpolitik weiter beschädigt.

Eindeutig zu kurz greift jedoch die Rente mit 63. Wer 45 Beitragsjahre auf dem Buckel hat, soll demnächst mit 63 Jahren eine abschlagsfreie Rente erhalten. Nahles will damit diejenigen belohnen, „die sich reingehängt und angestrengt haben“. Es gibt jedoch Millionen anderer, die das auch gerne getan hätten. Es war ihnen aber nicht vergönnt, da sie körperlich oder seelisch dazu nicht in der Lage waren, da sie in einer Region mit hoher Arbeitslosigkeit lebten oder da sie aufgrund einer Insolvenz ihres Arbeitgebers im höheren Alter ihren Job verloren und keinen neuen gefunden hatten. Für sie ändert sich nichts. Gute Sozialpolitik sieht anders aus.

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Ab in die Altersarmut

Erstellt von DL-Redaktion am 12. März 2014

SPD  –  Sie plündern Deutschland

RENTE Deutschland hat das Bismarck’sche Rentensystem abgeschafft, ohne etwas Adäquates an seine Stelle zu setzen. Sogar England macht es besser

Zu Beginn des Millenniums notierten die Briten erfreut, dass der Titel des „kranken Mann Europas“ an die Bundesrepublik übergegangen war, die schleppendes Wachstum und reformbedürftige Sozialsysteme plagten. Inzwischen bewundert man Deutschland von der Insel aus wieder vorbehaltslos für seine wirtschaftliche Stärke. Gelobt werden in dem Zusammenhang besonders die einschneidenden Sozialreformen der Regierung Schröder. Dieses Lob ist kurzsichtig.

Die deutschen Rentenreformen folgten dem „Drei-Säulen-Modell“, das seit den 1990er Jahren von Weltbank und EU besonders jenen Ländern vehement empfohlen wurde, die sich bis dato hauptsächlich auf großzügige, einkommensbezogene gesetzliche Renten stützten. Deutschland zählt dazu. Die Rentenversicherung wurde hier bereits Ende des 19. Jahrhunderts eingeführt, dann 1957 grundlegend erweitert. Dieses „Modell Bismarck“ schrieb seitdem für viele den Lebensstandard im Alter fort und schützte so vor Altersarmut. Zu Beginn des Millenniums galt es aber auch als langfristig unfinanzierbar.

Das Drei-Säulen-Modell

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Der Wert des Alters

Erstellt von Gast-Autor am 1. Februar 2014

Der Wert des Alters

Wenn das „Streben nach Glück“ in jungen Jahren auf das nahezu uneingeschränkte Streben nach materiellem Wohlstand und Macht reduziert ist, muss das Alter die Zeit sein, höhere Werte zu verfolgen.

Daher ist es, gelinde gesagt, eine eigenartige Denkweise, wenn gerade die Alten meinen, Altern sei eine Krankheit, die zu behandeln möglich sei. Altern ist keine Krankheit. Altern ist nicht behandelbar. Alter ist ein hoher Wert. Vom Tage unserer Geburt an altern wir,vom Tage unserer Geburt an sterben wir.

Da helfen auch nicht der so oft beschworene Jugendlichkeitswahn oder Anti-aging- Programme. Sie sind Irrwege, geistige Verirrungen – eben wahnhaft. Wer sich ihnen verschreibt, wer sich ihnen ausliefert, wer ihnen wie in einem religiösen Fieber verfällt, gibt seiner Vernunft den finalen Schuss. Er tötet das, was den Menschen zum Menschen macht.

Der größte Druck lastet zweifellos auf Frauen. Besonders, wenn sie in der Jugend schön und mit attraktiver äußerer Erscheinung beschenkt waren. Jetzt wird ihnen die vergangene Schönheit zum Verhängnis, denn sie haben nicht erkannt, dass Schönheit ein äußerst vergänglicher und hinterhältig täuschender „Wert“ gewesen ist. Der Druck erwächst aus der verbreiteten Auffassung, dass Schönheit gleich Jugendlichkeitswahn ist. Viele ältere Frauen, vor allem jene, die die Wellness-Anlagen der Welt bevölkern, glauben das. Wenn ihr Haar grau und ihre Haut faltig wird und ihr Körper seine frühere Straffheit und Elastizität verliert, halten sie sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für unattraktiv. Da helfen ihnen die goldenen Wasserhähne in ihren luxuriösen Bädern nichts.

Warum nur sind ausgerechnet Geist und Macht ein deutsches Problem? Woher kommt diese untertänige Begeisterung vor der angeblichen Macht? Warum kämpfen Menschen schier bis zum letzten Atemzug für ihre Verknechtung, als ginge es um ihr Seelenheil?

Ist es die Macht des Wortes, die Menschen tötet? Ist es die Dumpfheit des herrschenden Systems? Ist es die hinterlistige Raffinesse dieses Systems? Es ist nicht leicht, Menschen zu ihrem Glück zu überreden, aber es ist relativ leicht, sie zu ihrem Unglück zu überreden. Die eigene Dämlichkeit wird zum Kult erhoben.

Die Alten bleiben stumm. „Uneinsichtig, erinnerungslos und ohne Einkehr verläuft und endet das Leben der Meisten“, sagt der Paderborner Philosoph Hans Ebeling, „sie lassen das Alter verstreichen wie das ganze bisherige Leben selbst. Ein Leben ohne Einsicht, Erinnerung und Einkehr ist nicht ‚lebensunwert’, aber belanglos. Die Humanität gebietet, noch das Belanglose zu schützen. Aber besondere Achtung darüber hinaus kann solchem weithin ‚bewusstlosen“ Lebensvollzug nicht zugebilligt werden“. Die aber, so der Philosoph, also jene, die ohne Einsicht, ohne Erinnerung, ohne Einkehr seien, würden den Weltenlauf bestimmen. „Sie missbrauchen noch das *Weltgericht’. Sie ergeben sich dem Trost oder der Trostlosigkeit des Alters. Das Ende der Torheit setzt dagegen voraus, von sich aus aus der Zeitgenossenschaft herauszufallen. Spätestens für das Aller gibt es nur eine ‚Überlebensform’ des Geistes: Unzeitgemäß zu sein“.

Die Alten bleiben immer noch stumm. Wie aber soll ein stummes Alter Achtung gebieten? Das ist umso verwunderlicher, wenn man bedenkt, dass die Deutschen ein Volk des Alters sind.

Warum lassen dann aber die Deutschen es zu, dass das der Umgang mit dem Älterwerden und die Werte des demografischen Wandels kein wesentliches Thema sind? Wo bleiben jene Fragen, die das Alter um seiner selbst und um seiner Achtung willen stellen sollte?“ Ist den Alten nicht klar, dass Fragen, die nicht gestellt werden, logischerweise ohne Antwort bleiben?

Ist es denn wirklich der Jugendlichkeitswahn und die wahnhafte Hoffnung auf Anti-aging-Programme, die den Alten die Lippen verschließen?

Solange die Alten an den Illusionen und Erwartungen der Jugend festhalten und das, was sie wollen nur in diesem Kontext sehen, verstricken sie sich in ein immer verzweifelteres Spiel, das sie nur verlieren können. Das Streben nach Jugendlichkeit macht blind für die Möglichkeiten des Alters. Die Verdrängung des Alters blockiert jede Weiterentwicklung und verhindert, dass sich Lebensmöglichkeiten eröffnen, die den Alten, wenn sie realistisch Stellung bezögen, zur Verfügung stünden. Solange sie in der Jugendfalle stecken, können sie die Potenziale des Alters gar nicht wahrnehmen. Die eigene Haltung verhindert die Entwicklung von fruchtbaren Lösungen.

Es ist längst wissenschaftlich belegt, dass die Entwicklung der Intelligenz, die Fortbildung des individuellen Selbst, die Entfaltung von Kompetenzen und Generativität bis ins hohe Alter, bis ins hundertste Lebensjahr und darüber hinaus möglich ist. Sicher ist aber auch, dass die Wahrscheinlichkeit, die letzten Lebensjahre in einer Alten- oder Pflegeeinrichtung zu verbringen, mit zunehmendem Alter bis auf nahezu hundert Prozent in die Höhe schnellt.

Aber das ist in Deutschland kein Thema – und die Alten schweigen. Sie lassen es zu, dass ihre Kompetenzen und Potentiale ungenutzt bleiben. Sie lassen es zu, dass so ein gesellschaftlicher und volkswirtschaftlicher Schaden entsteht, der unermesslich und unersetzlich ist.

So bleibt die Macht in den Händen der Uneinsichtigen und Unbelehrbaren. Zu erinnern bleibt der über Jahrtausende anhaltenden Stillstand der Geschichte aus dem anhaltenden Willen zur Macht. „Der tragische Stil der Geschichte“, so Hans Ebeling, „ist nicht allein dadurch bestimmt, dass Verwirrungen selbstinszeniert werden. Tragisch ist, dass eigentlich nichts geschieht als die Aufsteigerung und Abgleichung blanker Selbsterhaltungsquanten. Handelte es sich nicht um die Geschichte von Menschen, wäre es möglich , das Komödiantentum in der Tragödie mehr zu schätzen“.

Unverzeihlich ist das Schweigen der Alten besonders dort, wo es um die Lebensqualität ihrer Alten, der über 80jährigen, geht. Unverzeihlich ist es und verachtungswürdig, dass die Alten nicht geschlossen gegen das heutige Anstalts- und Heimsystem aufstehen und kämpfen.

Die Alten sollten erkennen, dass ihnen von Medienseite keine Hilfe erwächst. Deshalb sollten sie sich um ihres eigenen Selbstwertes willen einmischen ins gesellschaftliche, mediale und politische Geschehen. Die Aufforderung zur Mitgestaltung ist ein dringlicher Appell. Die Gestaltung eines neuen Weltbildes darf nicht allein jenen überlassen bleiben, die aus kurzfristigen Interessen denken und handeln. Die Kurzdenker unserer Nation sind für die gesamtgesellschaftliche Entwicklung ein Fluch, sie zerstören die solidarische Gemeinschaft. Die Prinzipien der Nachhaltigkeit, der Sozialverträglichkeit und der Zukunftsverträglichkeit bleiben auf der Strecke. Es könnte eine wesentliche Aufgabe des Alters darin liegen, den Sozialstaat gegen seine Feinde zu schützen. Die Alten sind eine Macht. Sie sind eine Macht, die  hresgleichen sucht. Und es gilt, diese Macht nach außen deutlich zu machen. Denn es gibt viel zu tun. Es gilt, die Zweiklassenmedizin und Zweiklassenpflege rigoros zu bekämpfen. Die klare Einsicht muss zu der Erkenntnis führen: „Ja, wir haben eine Zweiklassenmedizin – und ja, wir müssen das System verändern. Der Fehler ist der, dass die einflussreichsten Menschen in unserem Land, also beispielsweise die Mehrzahl der Politiker, die Professoren, die die Gutachten schreiben, die Mitglieder des gemeinsamen Bundesausschusses der Ärzte und Krankenhäuser (GBA), die Richter, die Beamten, die Einkommensstärksten, die Meinungsmacher in unserer Gesellschaft zum größten Teil privat versichert sind. Und selbst wenn sie gesetzlich versichert sind, haben sie noch Privilegien, die die Probleme der gesetzlichen Krankenund Pflegeversicherung für sie deutlich abmildern. Weil dem so ist, muss eine Reform durchgesetzt werden gegen den Widerstand der privaten Krankenversicherung, gegen den Widerstand vieler Ärzte, aber ohne Unterstützung der einflussreichsten Menschen in unserem Land, weil die in dem solidarischen System nicht mitversichert sind, weil die sich längst aus der solidarischen Gemeinschaft ausgeklinkt haben.

Die Grundsatzfrage an Politiker und Meinungsmacher muss in diesen Tagen daher lauten: „Sind Sie solidarisch in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung versichert?“ Die Frage muss jetzt gestellt werden. Kein Politiker, der nicht solidarisch gesetzlich – und zwar ohne Beitragsbemessungs- und Pflichtversicherungsgrenze – in der GRV, GKV oder GPV vollversichert ist, darf auf der öffentliche Bühne als Vertreter des Volkes anerkannt werden.

Sie verdienen nicht uns – wir verdienen etwas Besseres.

Wenn die Alten hierzulande utilitaristischen Überlegungen angelsächsischer Art die Argumentation nehmen und gesellschaftliche Bedeutung in dem Sinne gewinnen wollen, dass sie jenseits der Reproduktion auf andere Art etwas zur Erhaltung der Spezies beitragen,. dann muss diese Bedeutung über ihre persönliche Zukunft hinausgehen. Sie müssen erkennen, dass der Zeitgeist und die Ziele der privaten Wirtschaft und der privaten Versicherungen darauf gerichtet sind, die sozialen und Solidarität stiftenden Errungenschaften des späten 19. Jahrhunderts und insbesondere der 50er, 60er und 70er Jahre des 20. Jahrhunderts zu zerstören. Die Alten dürfen ihre Energien nicht für Trivialitäten verplempern. „Wenn die Alten ihre Energie im Alter verbrauchen oder mit Trivialitäten und Spielereien verplempern“, sagt die berühmte amerikanische Altersforscherin Betty Friedan, „wenn sie nur die Zeit totschlagen und das Alter und den Tod verleugnen, verschleudern sie ihre auf die Zukunft gerichtete Weisheit und Generativität. Ihr Leben muss mehr sein als nur jene bedeutsamen Erinnerungen, die sie vielleicht für ihre Enkel aufschreiben. Die Alten können die Zukunft nicht voraussehen. Doch wenn sie an den Problemen arbeiten, vor denen unsere Gesellschaft steht, und dabei ihre im Lauf des Lebens erworbene Weisheit und Generativität einsetzen, einschließlich des Wissens um die Entstehung des Sozialstaats, dann hinterlassen sie ihren Enkeln ein Vermächtnis, das darin besteht, dass sie bei der Gestaltung der Zukunft helfen und die Generativität des menschlichen Gemeinwesens entfalten und bewahren.“

Die Alten müssen ihr eigenes Leben leben, generativ und als Teil der Gemeinschaft.

Haben wir also aus all diesen Gründen das Hilfesystem für den Ausgleich zwischen Schwächeren und Stärkeren im Sinne der „community care“ dahin zu entwickeln, dass Heime so weit wie möglich reduziert und dafür besser ausgestattet werden und an deren Stelle zunehmend ein ambulantes kommunales Hilfesystem tritt? Oder gibt es bessere Wege? Und haben wir die eher zunehmende Bereitschaft der Bürger zu (selbstbestimmtem) freiwilligem sozialen Engagement als Signal zu verstehen, nicht mit noch mehr Geldmitteln, wohl aber – wie vor dem 19. Jahrhundert – mit mehr Sachmitteln solidarisch für Andere einzustehen, um ihren Anspruch auf soziale Teilhabe zu erfüllen und dies für den richtigen Weg zur Weiterentwicklung einer Bürger- oder Zivilgesellschaft zu halten?

Gerd Heming (Vors.)

Münster, Januar 2014

Bund der Pflegeversicherten e.V.

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Zuwanderung schafft Zukunft

Erstellt von DL-Redaktion am 22. Januar 2014

Pressemitteilung der BDH

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Bonn, 22. Januar 2014. Die aktuelle Zuwanderungsdebatte darf nach Ansicht der Vorsitzenden des BDH Bundesverband Rehabilitation nicht in Unsachlichkeit versanden. Andernfalls drohe Deutschland seinen guten Ruf als weltoffenes Land zu verlieren, das von Europa und seinen offenen Grenzen kulturell wie ökonomisch dauerhaften Gewinn erzielt:

„Das Vertrauen, das uns im vergangenen Jahr immerhin mehr als eine Million Menschen mit ihrem Umzug nach Deutschland entgegengebracht haben, bedeutet eine große Verantwortung. Die Menschen, die auf der Suche nach ökonomischen und sozialen Perspektiven ihre Heimat verlassen, haben es verdient, dass sie respektvoll und mit offenen Armen empfangen werden, immerhin helfen sie uns dabei, demografische und sozio-ökonomische Probleme in den Griff zu kriegen. Gemeinsam müssen wir das „Projekt Deutschland“ im europäischen Gesamtkontext verstehen und die Werte unserer weltoffenen und toleranten Gesellschaft wieder stärker betonen. Denn auch die steigende Zahl qualifizierter Auswanderer spricht eine deutliche Sprache.“

Der Sozialverband weist in diesem Zusammenhang auf die demografischen Engpässe auf dem deutschen Arbeitsmarkt hin, die insbesondere die Pflege betreffen werden.  Arbeitsmarktexperten weisen immer wieder auf ein drohendes Pflegechaos hin und beziffern den Pflegekräftemangel im Jahre 2030 auf eine halbe Million Vollzeitkräfte: „Es zählt zu den großen Herausforderungen unserer Gesellschaft, die Qualität in der Pflege zu verbessern und würdevolles Leben im Alter als Leitbild politisch zu verankern. Dabei handelt es sich naturgemäß um ein personalintensives Aufgabenfeld, wenn es unser Ziel ist, die individuelle Betreuung zu verbessern. Ohne eine systematische Aufwertung des Pflegeberufs wird es uns allerdings in keinem Falle gelingen, qualifizierte Pflegekräfte von unserem Wirtschaftsstandort überzeugen und den demografisch bedingten Personalmangel in den Griff zu bekommen“, mahnt die Vorsitzende des Sozialverbands, der sich der Forderung der Fachverbände nach einer Neudefinition des Pflegebedürftigkeitsbegriffs einsetzt. „An dieser Stelle müssen wir tiefer in die Tasche greifen und die Pflegesätze deutlicher anheben, um Betroffenen und Angehörigen bei der Pflege bessere Rahmenbedingungen zu bieten. Diese Bereitschaft hängt ganz wesentlich mit Wertschätzung der Pflege und Respekt vor dem Alter zusammen“, so Ilse Müller.

Ansprechpartner
BDH-Bundesleitung
Eifelstraße 7
53119 Bonn
Telefon 02 28 / 9 69 84 – 0
Telefax 02 28 / 9 69 84 – 99
presse@bdh-bonn.de
www.bdh-reha.de

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Grafikquelle   : Bdh-klinik-greifswaldEigenes Werk

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Jeder ein König

Erstellt von DL-Redaktion am 16. Januar 2014

Debatte Grundeinkommen

Das Grundeinkommen ist ein Instrument der Freiheit – deswegen hat es so viele Gegner

Autor: Timo Reuter

Bedingungsloses Grundeinkommen bedeutet, dass der Staat die Menschen dafür bezahlt, dass sie am Leben sind. Ohne Zwang, ohne Bedingungen, für alle. Obwohl solch eine Zahlung bisher außer in Modellversuchen nirgendwo verwirklicht wurde, ruft die Idee seit Jahrzehnten heftige Kontroversen hervor – und zwar quer durch alle politischen Lager.

Eine erfolgreiche Volksinitiative hat dazu geführt, dass in der Schweiz als erstem Land der Welt innerhalb der nächsten Jahre über die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) abgestimmt wird. Weniger Erfolg hingegen wird die „Europäische Bürgerinitiative zum Grundeinkommen“ haben. Bis zum 13. Januar muss sie eine Million Unterschriften sammeln, um das Thema der EU-Kommission vorzulegen. Bisher konnten erst rund 230.000 Unterstützer mobilisiert werden.

Das BGE wäre eine der größten sozialpolitischen Revolutionen der Geschichte: 1.000 Euro für jeden würden unsere Gesellschaft wie Wirtschaft „auf den Kopf stellen“. Das Revolutionäre am Grundeinkommen ist dessen Bedingungslosigkeit. Das BGE verwirklicht in radikaler Weise das Recht auf Leben, welches maßgeblich von einer materiellen Basis abhängt. Durch die Gewährleistung einer solchen Basis würde den liberalen Werten der individuellen Freiheit und Würde erst wirkliche Geltung verschafft, indem das BGE – im Gegensatz zur klassischen Armutssicherung – die Menschen vom Zwang zur Arbeit befreit.

Quelle: TAZ >>>>> weiterlesen

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Der Wert der Gesellschaft

Erstellt von Gast-Autor am 4. Dezember 2013

Der Wert der Gesellschaft und die Macht des Bösen

Die Gestaltung eines selbständigen und selbstbestimmten Lebens, in dem jeder in seiner Persönlichkeit sich frei entfalten kann, in dem jeder ein Recht auf körperliche, geistige und seelische Unversehrtheit hat und in dem die Freiheit der Person garantiert ist, ist aus praktischer wie theoretischer Sicht die eigentliche Keimzelle einer freien Gesellschaft. Das gilt für Alt und Jung.

Die Freiheit des Einzelnen, die sich immer nur in der Verwirklichung der Freiheit des Anderen entfalten kann, fordert die Gesellschaft heraus. Denn diese Gesellschaft muss es wert sein, in ihr zu leben. Gleichzeitig aber verpflichtet sich der Einzelne, an der Gesellschaft teilzunehmen und keinen Zustand zu akzeptieren, der Unglück herbeiführen kann – und also keine Ungerechtigkeit.

In keiner anderen Gesellschaftsform lässt sich die freiheitliche Gestaltung des Lebens und die freie Entfaltung der Persönlichkeit besser verwirklichen als in der Gesellschaftsform der Demokratie. Denn Demokratie, so schon Kant, bedeutet Selbstgesetzgebung, bedeutet die Verantwortlichkeit des Einzelnen sich selbst und der Gesellschaft gegenüber. Dabei geht es nicht um Machtverhältnisse, sondern ausdrücklich um partnerschaftliches Beisammensein, es geht um den herrschaftsfreien Diskurs, er erlaubt keine wie auch immer geartete Diktatur. Demokratie erfordert deshalb fortwährende Achtsamkeit und Wachsamkeit, sie erfordert Bürgerinnen und Bürger, die Selbstachtung und Selbstbewusstsein in sich herausgebildet haben, die die Kraft des stolzen Selbst in sich lebendig fühlen und die ihr eigenes Denken und Handeln nie unter die Herrschaft eines Anderen stellen und es niemals zulassen, dass sich andere zu ihren Beherrschern aufschwingen.

Seit spätestens dem Zeitalter der Aufklärung vor etwa zweihundertundfünfzig Jahren ist dieses Wissen in den Köpfen der europäischen Menschen präsent. Es mag zwar in vielen Köpfen schlafen, es mag verschüttet sein oder von Gier und Arroganz überdeckt,  aber es ist nicht verloren. Es ist spätestens seit jenen Jahren unausrottbar im Denken der Europäer, als Immanuel Kant den Wahlspruch der Aufklärung formulierte: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung“

Aus ihrem so gesehenen Selbstverständnis kann folglich keine Demokratie es hinnehmen, wenn sich in ihr nichtdemokratische Machtstrukturen entwickeln. Denn in ihr geht alle Staatsgewalt „vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt“ (Art. 20 GG).

Die Aufklärung verlangt somit den emanzipatorischen Aufbruch. Gleichberechtigte Partnerschaft ist das Ziel. Von ihr, vom partnerschaftlichen Beisammensein, hängt das mögliche Glück unserer ganzen Gesellschaft ab. Tyrannisches Handeln, wie etwa das Handeln der Finanzmärkte, die Diktatur der Märkte und die Diktatur der Ideologien schadet der Gemeinschaft und ist dem Gemeinwohl zutiefst zuwider. Es gibt keine Hoffnung auf wahre Reformen, wenn dieses Übel unerkannt und unbekämpft bleibt und unbeschrieben in nebulösen Nischen unserer Gesellschaft lauert.

Jene, die den gerechten Zorn und die Kraft des stolzen Selbst in sich lebendig spüren, werden Tyrannei und jegliche Art von Diktatur glühend und voller Leidenschaft bekämpfen. Es ist der heilige Zorn gegen Ungerechtigkeit, der sie treibt. Es ist Zorn – nicht Wut. Wenn auch gewisse Medien den Unterschied, der Zorn von Wut radikal trennt, nicht ansatzweise verstehen. Solche Medien erfinden dann das Konstrukt vom „Wutbürger“ – obwohl an dieser Stelle der Begriff vom „Mutbürger“ angebracht ist. Es sind unfertige Medien, verblödete Medien, menschenverachtende Medien, die die Unterschiede der Begriffe nicht zu definieren wissen.

Zorn ist der Beweggrund, der auf Gerechtigkeit hinweist. Der gerechte Zorn ist göttlichen Ursprungs, durch ihn werden die Appelle der Gottheit den Sterblichen kund. Denn Zorn ist ein stolzgetriebener Affekt, der immer einen Bezug zur Heiligkeit besitzt. Eine Gesellschaft, die diesen Zorn nicht mehr zulässt, die es zulässt, dass geistlose und zynische Medienmacher, gierige Krämerseelen und verantwortungslose Politiker ihn verunglimpfen und in die Gosse zerren, ist ein Gesellschaft ohne wahre Größe.

„Das griechische Kennwort für das ‚Organ‘ in der Brust von Helden und Menschen, von dem die großen Aufwallungen ausgehen, lautet ‚thymos‘ – es bezeichnet den Regungsherd des stolzen Selbst, zugleich auch den rezeptiven ‚Sinn‘, durch den die Appelle der Götter sich den Sterblichen kundgeben.“

Es geht, wie eingangs gesagt, um eine Gesellschaft, die es Wert ist, dass der Einzelne in  ihr frei leben kann. Dieser Wert, der die Würde des Menschen, seine Einzigartigkeit und seine Selbstbestimmung zum Bezugspunkt hat, ist ein moralischer Wert – und dieser moralischer Wert darf nicht charakterschwachen Politikern, darf nicht Geschäftemachern und Wucherern, darf nicht gierigen Spekulanten jedweder Couleur überlassen werden.

Die Tage des Zorns werden kommen, wenn es unserer Gesellschaft nicht gelingt, die moralischen Maßstäbe, den Maßstab der Gerechtigkeit, den Maßstab der  Besonnenheit, den Maßstab der  Klugheit gepaart mit Tapferkeit und den Maßstab des Maßhaltens zu Richtschnur ihrer inneren Haltung zu machen. Ohne Moral wird sich alles menschliche Handeln in unmenschliches Handeln verkehren.

Gerd Heming (Vors.), Münster

November/ Dezember 2013

Bund der Pflegeversicherten e.V.

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Pflege – Missmanagment

Erstellt von Gast-Autor am 8. November 2013

Missmanagment heisst die Krise

Die Pflegeversicherung muss reformiert werden! Kein Zweifel. Aber nicht so, wie  Politik und Finanzindustrie sich das vorstellen.

Im Denken der Politiker und  von sogenannte Pflege-Experten haben sich Irrlehren über die richtige Führung von Pflegeeinrichtungen und über eine menschenwürdige Finanzierung der Pflege festgesetzt. Interessant daran ist, dass die Politik und die Träger und Betreiber von Pflegeeinrichtungen auf Vorstellungen hereingefallen sind,  die auf Irrlehren beruhen. Die Träger und Betreiber von Pflegeeinrichtungen  sind gewissermaßen auf sich selbst hereingefallen. Zum Schaden und Nachteil von einigen Hunderttausend Pflegerinnen und Pflegern und zum unsäglichen Leid von Millionen Pflegebedürftigen. Wir haben es hier mit einem inhärent destruktiven Prozess zu  tun. Man kann im Grunde sagen, dass die Betreiber und Träger von Pflegeeinrichtungen, die jetzt in Schwierigkeiten sind,  Opfer ihrer selbst geworden sind. Sie verloren jeden Bezug zur Realität. Sie wurden zu Opfern der Anwendung der von ihnen selbst ersonnenen Theorien. Phänomene dieser Art sind relativ gut erforscht. Solche Menschen sind sozusagen in ein selbstreferenzielles Gestrüpp geraden. Sie haben sich selbst verstärkende, sogenannte negative oder positive Regelkreise erzeugt, wie das in der Kybernetik genannt wird. Solche Regelkreise wirken sich aber alles andere als positiv aus. Sie schaukeln sich auf und verstärken sich gegenseitig, bis es zur Explosion oder zum Kollaps kommt. So entsteht ein Schaden an der gemeinsamen Sache, der kaum noch zu reparieren ist.

Was von solchen „Experten“ zu halten ist, die ihre fehlgeleiteten Theorien  an die Stelle von Realitäten setzen,  mag jedes Mitglied unserer Gesellschaft sich selbst ausmalen. Das Ergebnis hier ist jedenfalls ein schwerwiegender Schaden für die Pflegeversicherung und für alle Menschen, die von ihr abhängen – es ist ein Schaden sowohl in praktischer und ideeller als auch finanzieller Hinsicht.

Wir haben solche Prozesse, die in selbstreferenzielle Dickichte führen und sich selbst verstärkende Regelreise erzeugen, schon öfter beobachten können. Etwa bei der Sozialdemokratie, als Schröder, Clement, Steinbrück, Steinmeier und Konsorten, sich darin verirrten, neoliberalen und turbokapitalistischen Denkweisen zu folgen. Die Folge ist eine SPD, die ihren Status als Volkspartei verloren hat und nahezu zu einer Splitterpartei verkommen ist.

Wir können solche Prozesse auch bei den Medien beobachten. Denn auch die Medien, und hier insbesondere die Wirtschaftsredaktionen, sind – vor allem in den Jahren zwischen 2002 und 2009 – den Irrlehren neoliberaler Wirtschaftsprofessoren verfallen und haben diese Irrlehren unter ihre Leserschaften verteilt. Die Folge: Heute glaubt den Medien kaum noch jemand, und immer mehr Redaktionen schließen ihre Pforten.

Zur Zeit ist das Geld der Pflegeversicherten  zum Beutegut unkontrollierter privater und wohlfahrtlicher Gewinnsucht geworden. Die Privatisierung dieses sensiblen gesellschaftlichen Bereichs verstärkt das Leiden der betroffenen Menschen. Wo Eigennutz bestimmend wird, unterliegt Sitte und Ehrlichkeit.  Bei einem Personalabgleich beispielsweise, den der Medizinische Dienst (MDK) vor einiger Zeit in 22 Pflegeeinrichtungen durchführte, stellte sich heraus, „dass in 18 Einrichtungen die vom MDK festgestellte personelle Besetzung im Pflege- und Betreuungsbereich nicht mit den in die Pflegesätze einkalkulierten Personalzahlen und –kosten übereinstimmte“. Teilweise wurden bis zu zehn Personen mehr angegeben, als tatsächlich beschäftigt waren. Eine Pflegeeinrichtung macht auf solch korrupte Weise einen „Wíndfall-Profit“ von bis zu 400.000 Euro pro Jahr.  Nach Berechnungen des Bundes der Pflegeversicherten versanden jährlich allein im stationären pflegerischen Bereich 2, 8 Milliarden Euro. Dieser immensen Summe, dem Geld der Pflegeversicherten, steht nachweislich keine pflegerische Leistung gegenüber. Nicht Erhöhung der Einnahmeseite ist somit vorrangiges Ziel, sondern gründliche Diagnose, Transparenz und rechtlich sanktionierbare Verantwortung der Akteure in der Pflege.

Dabei ist  der Rahmen der Pflegeversicherung, das Pflegeversicherungsgesetz und die Finanzierung, stabil. Das Pflegeversicherungsgesetz (SGB XI) und seine Ergänzung, das Pflegequalitätssicherungsgesetz (PQSG), ist, sieht man von einigen Schwächen ab, ein sicheres Fundament für eine qualitativ hochwertige Pflege.

Warum aber trotzdem die Krise in der Pflege?

Es spricht einiges dafür, dass die wirkliche Krise – oder besser, der schwierigere Teil dieser Krise – noch bevorsteht. Was zur Zeit als Krise bezeichnet wird, ist meines Erachtens ihr Anfang. Es sind jene ersten Schwierigkeiten, die aus den Anfängen der Pflegeversicherung resultieren, also seit 1995, die bisher nicht überwunden wurden. Wenn also von einer Krise die Rede ist, dann ist sie bei den Trägern und Betreibern von Pflegeeinrichtungen angelegt, dann ist sie im Missmanagement zu finden, im miserablen Organisationsverständnis der Akteure, die die Pflegeversicherung derzeit kontrollieren. Es ist die Krise jener, die ihre Kosten nicht unter Kontrolle haben. Es ist die Krise von Akteuren sowohl der Praxis als auch der Politik, die in gewisser Weise „undermanaged“ sind, und die die Inhalte des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB XI) missachten. Es ist die Krise genereller Verirrungen, die die Pflege seit achtzehn Jahren begleiten.

Nur so ist es zu verstehen, dass etwa 10 Prozent der Pflegeeinrichtungen eine so miserable Pflege anbieten, dass ihre Bewohner ihr Leben riskieren. Fachleute sprechen von „gefährlicher Pflege“. Rund 50 Prozent arbeiten bestenfalls „mangelhaft“ bis „ausreichend“. Nur 10 Prozent pflegen „gut“. Pflegeskandale sind keine Einzelfälle, sondern weisen auf strukturelle Defizite in der Pflege hin – und auf Missmanagement, das die Pflege in diese skandalöse Krise geführt hat.

In deutschen Pflegeheimen siechen pflegebedürftige Menschen leise und ungehört vor sich hin. Sie warten auf ihre Erlösung, sie warten auf ihren Tod. Ihr Leben? – Ein nicht enden wollendes Martyrium!

Die menschenrechtswidrige Realität in Pflegeeinrichtungen ist dem Gesundheitsministerium durchaus bekannt, sie hat sie beschrieben und veröffentlicht:

Erschütternde Missstände in der Pflegepraxis
Falsch oder nicht ausreichend ernährte Bewohner
Nicht ausreichend mit Getränken versorgte Bewohner
Wegen unsachgemäßer Pflege an Dekubitus leidende Bewohner
Durch unverantwortliche Medikamentation ruhig gestellte Bewohner
Fehlen ausreichender Pflegeprozessplanung
Keine Rücksichtnahme auf die noch vorhandenen Ressourcen und Fähigkeiten der Bewohner
Ernährung über Magensonden
Versorgung mit Windeln anstelle des Ganges zur Toilette.

Die Kritik der Bundesgesundheitsministerin wird allerdings vollinhaltlich erst wirklich dramatisch, wenn man sich vergegenwärtigt, dass sich hinter jedem einzelnen Mangel strafrechtlich relevante Sachverhalte verbergen. Und zwar die Sachverhalte der „unterlassenen Hilfeleistung“, der „Körperverletzung“ (§ 223 StGB), der „Gefährlichen Körperverletzung“ (§ 223 a StGB), der „Misshandlung von Schutzbefohlenen“ (§ 223 b StGB), der „Körperverletzung mit Todesfolge“ (§ 226 StGB), der „Fahrlässigen Körperverletzung (§ 230 StGB), der „Freiheitsberaubung“ (§ 239 StGB) und anderer mehr. So berichten Rechtsmediziner immer häufiger über unsachgemäße tödliche Pflege. „Mord und Totschlag in Pflegeheimen“ könnte ein Titel der Medien lauten. Die Kosten, die der Gesellschaft, den Beitragszahlern der Pflegeversicherung, auf diese Weise entstehen, dürften allein hier einige Milliarden Euro und mehr betragen.

Mit der Pflegeversicherung hat all das wenig zu tun. Viel dagegen mit einem erschreckenden Desinteresse der Träger und Betreiber an nachprüfbaren und kontrollierten Pflegestandards. Bei den Politikern, die letztlich entscheiden, ist es völliges Unwissen und das Gefangensein in selbstreferentielles gedankliches Gestrüpp. Missmanagement heißt die Krise!

Die Pflegeversicherung hat die schlechte Pflege nicht provoziert, sondern aufgedeckt. Tatsächlich konnten Pflegeeinrichtungen bis zum Inkrafttreten des SGB XI nahezu unkontrolliert schalten und walten. Das war vor der Einführung der Pflegeversicherung so. Das hat sich nach ihrer Einführung nicht geändert. Es gibt keine Kontrolle. Und es gibt keine Korrelation zwischen gut und teuer. Es gibt preiswerte gute Heime und schlechte teure. Pflegefehler sind deshalb auch nach Ansicht der Autoren des „Dritten Altenberichts“ der Bundesregierung nicht etwa die Folge von zu wenig Geld, sondern „eindeutig Organisationsverschulden des Trägers. Es gibt in Deutschland keine Pflegesätze, die es nicht erlauben würden, für eine angemessene Grundpflege, für ausreichendes Essen und Trinken sowie Hilfe beim Toilettengang zu sorgen“.

In Deutschland streben machtvolle Interessengruppen eine privatisierte, kapitalgedeckte Pflegeversicherung an. Vergessen wird dabei, dass alle Versicherungen von privaten Personen generiert werden, sie werden nur unterschiedlich verwaltet: Öffentlich-rechtlich bzw. privat. Ferner sind die Leistungen, die von Arbeitgeberseite kommen,  teuer erkauft worden – mit dem Verlust des Buß- und Bettages. Zu dem wird eine Umstellung der Pflegeversicherung vom solidarischen Umlageverfahren auf eine kapitalgedeckte private Absicherung die Krise in der Pflege nicht beheben, sondern verschärfen. Alle Erfahrungen der vergangenen zwanzig Jahre mit Privatisierungen, beginnend mit der Einführung des privaten Fernsehens und (noch nicht) endend mit der Privatisierung des Gesundheitswesens, sprechen eine deutliche Sprache.  Gesundheit und Pflege werden zur Ware. Sie verkommen zu Dingen, die von Krämerseelen gehandelt  und von gierigen Konzernen organisiert werden. Unsere Gesellschaft muss sich entscheiden, welchen Weg sie gehen will.

In der Pflege haben wir es folglich nicht mit einer Krise der Pflegeversicherung zu tun, sondern mit einer Krise des Managements. Die Rahmenbedingungen sind gut. Die Krise ist anders. Sie ist aus Irrtümern und Irrlehren entstanden. Falsche Vorstellungen über Qualifikationen, Qualitäten, Transparenz, Glaubwürdigkeit und Ehre haben wichtige und große Teile der Gesellschaft, der Politik und der Medien erfasst – glücklicherweise nicht alle.

Trotzdem oder gerade deswegen ist es nun an der Zeit, eine „Pflegeprüfverordnung“ in Kraft zu setzen. Diese Verordnung enthält ein geeignetes Kontrollinstrumentarium – und liegt seit Jahren in den Schubladen qualifizierter Staatssekretäre im Gesundheitsministerium. Sie kann, wenn sie aus der Schubladengefangenschaft befreit ist, dazu beitragen, dass „Inhalt und Organisation der Leistungen von zugelassenen Pflegeeinrichtungen eine humane und aktivierende Pflege unter Achtung der Menschenwürde gewährleisten“. Sie ist ein geeignetes Instrument, ein effizientes und auf Kosten, Leistung und Transparenz getrimmtes Pflegesystem zu schaffen. Zu dem ließe sich endlich prüfen, ob „die den zugelassenen Pflegeeinrichtungen anvertrauten pflegebedürftigen Menschen nach dem allgemein anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse gepflegt, versorgt und betreut werden“. Die Pflege-Prüfverordnung kann sicherstellen, dass „die gesetzlich vorgeschriebene und vertraglich vereinbarte Leistungsqualität eingehalten wird“. Zweck der Verordnung ist es ferner, „die Einrichtungsträger in ihrer Verantwortung für die Qualität der Leistungen ihrer Einrichtungen einschließlich der Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität zu stärken“ sowie die Transparenz von erbrachter Leistung und angemessenen Kosten herzustellen.

Das Problem heute ist Unkenntnis vom richtigen Management. In Ermangelung einer soliden Ausbildung –  die durchaus möglich ist –  und daher des Fehlens von Standards, fällt es Politikern, Pflegemanagern, Trägern und Betreibern von Pflegeeinrichtungen schwer, richtiges von falschem Management zu unterscheiden und gutes von schlechtem. Gegen diese Arroganz, Dummheit und Unbelehrbarkeit ihres Managements kämpfen die Pflegerinnen und Pfleger, die direkt am Menschen arbeiten, verzweifelt – doch bisher vergeblich- an.

Dass derzeit in der Pflege von gewissen Elementen ein Kopfgeld von fünf Euro, der sogenannte „Pflege-Bahr“ ausgedacht wurde, ist Beleg dafür. In Anlehnung an Kant’s Wahlspruch der Aufklärung könnte man vielleicht sagen: „Habe Mut, Dich des verfügbaren Wissens über richtiges Management zu bedienen um in der Pflege Korruption und Scharlatanerie und tödliche Pflege auszumerzen und das Geld der Pflegeversicherten endlich in transparente und effiziente Bahnen zu lenken.

Wenn hier also Mut oder gar Kühnheit zur Reform verlangt wird, dann ist nicht die bloße Reform der Pflegeversicherung gemeint, sondern einerseits die Reform in den Köpfen der Akteure, die mit der Pflege befasst sind oder sich befassen, und andererseits die in den Köpfen derer, die darüber entscheiden oder berichten.

Gerd Heming (Vors.), Münster

OktoberNovember 2013

Bund der Pflegeversicherten e.V.

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Der Anlage-Notstand

Erstellt von Gast-Autor am 28. Oktober 2013

Mobilmachung zur Abwehr des Bettel-Standes

Autor: U. Gellermann

Rationalgalerie

Datum: 28. Oktober 2013

In Deutschland herrscht der Notstand. Er wurde jüngst an der Frankfurter Börse ausgerufen, als der DAX, jenes Instrument zur Messung des Aktienfiebers, erstmals in seiner Geschichte mehr als 9.000 Punkte erreichte: Die internationale Fettlebe, jene Schicht, die alles hat nur keine Moral, schmeisst mit Geld um sich und erzwingt so den ANLAGE-NOTSTAND. Nach der dritten Yacht, dem fünften Rolls Royce, dem Klo aus Gold und der Drittfrau in Diamanten gefasst, bleibt diesen Leuten nur noch der Aktienkauf. Es handelt sich um einen Akt der puren Verzweiflung. Denn die armen Spekulanten wurden zu diesen Käufen gezwungen: Die Zentralbanken drehen seit langem am Geldhahn und überschwemmen dabei die Anleger mit billigem Geld. Was soll er tun, der Spekulant? Er kauft Aktien, damit er nicht im Geldfluss untergeht.

Neben dem ANLAGE-NOTSTAND hat sich zeitgleich auch der BETTEL-STAND herausgebildet. Eine durchaus ehrenwerte Zunft, die eine sinnvolle Verwendung für abgelaufene Lebensmittel findet, die dafür sorgt, dass die Pfandflaschen nicht unsere Mülleimer überquellen lassen, und so pittoresk vor unseren Supermärkten lungert. Im BETTEL-STAND hat UNICEF-Deutschland jüngst eine Million Kinder entdeckt. Das sichert der Zunft den Nachwuchs, früh übt sich was ein rechter Hungerleider werden will. Das Statistische Bundesamt löst mit seiner Beobachtung, nach der nur eine halbe Million Deutsche über 65 eine staatliche Zulage zu ihrer Rente benötig, Besorgnis aus: Warum sind mehr Kinder arm als Alte? Warum ist die Armut nicht gerecht auf die Generationenen verteilt? Trösten kann den Beobachter nur, dass die Zahl armer Rentner ordentlich wächst. Man darf erwarten, dass in absehbarer Zeit die Generationengerechtigkeit hergestellt sein wird. Immerhin hat sich für die deutschen Frauen der Kampf um die Emanzipation gelohnt: Es gibt deutlich mehr arme Frauen als Männer.

Sogar im Armuts-Nationenvergleich hat Deutschland die Nase vorn: Jeder sechste Deutsche ist arm, sagt das Statistische Bundesamt. Damit liegen wir mit 16,1 Prozent Armen zwar hinter Griechenland (23,1 Prozent), aber deutlich vor den Tschechen, die es nur auf 9,6 Prozent bringen oder den Niederladen (10,1 Prozent) und den Franzosen (14,1 Prozent). Der internationale Wettbewerb ist hart, aber man darf von der startenden schwarz-roten Koalition erwarten, dass sie sich der Konkurrenz erfolgreich stellt. Hat sie doch schon mehr Bundestags-Vizepräsidentenposten geschaffen und arbeitet im Eiltempo daran auch mehr Minister aufzustellen als die Regierungen zuvor. Da wird doch ein Mehr an Armut nicht ausbleiben. Oder sollten wir wirklich hinter den Griechen zurückbleiben?

Nun ist aus anderen unterentwickelten Ländern bekannt, dass ein ANLAGE-NOTSTAND in Kombination mit einem ausgeprägten BETTEL-STAND den sogenannten Neid-Faktor auslöst. Es handelt sich um eine krankhafte Deformation des Bewusstseins, die nicht selten zu sozialen Umwälzungen, linken Regierungen oder lokalen Revolten führen kann. Dem muss die kommende Bundesregierung vorbeugen, indem sie den inneren NOTSTAND nach Artikel 86 a, Abschnitt 4 GG erklärt: „Zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes kann die Bundesregierung . . . Streitkräfte . . beim Schutze von zivilen Objekten und bei der Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer einsetzen.“ Der „innere Notstand“ kann von der Regierung bereits dann ausgerufen werden, wenn größere Naturkatastrophen eingetreten sind. Und die Geldflut des ANLAGE-NOTSTANDES trägt alle Merkmale einer natürlichen Katastrophe: Alle Dämme des Anstands sind längst gebrochen, in den Fluten des Geldflusses schwimmen die Trümmer einer Verfassung, die Gleichheit vor dem Gesetz vorsieht und die Geldschwemme erreicht langsam die Markierung der 20er-Jahre-Inflation.

Das ist die Stunde der Exekutive. Börsen- und Regierungsviertel sollten in putativer Notwehr von Elitetruppen abgesichert werden. Fallschirmjäger-Kompanien müssten prophylaktisch über sozialen Brennpunkten abspringen, vor die Anleger-Villen werden Panzer postiert, ebenso vor Juwelen-Läden, um plündernden Massen Einhalt zu gebieten. Friseure sollten vorbeugend verhaftet werden, damit sie mit ihren neuen Mindestlöhnen nicht den ANLAGE-NOTSTAND durch Börsenspekulationen verschärfen. Im Fernsehen treten stündlich die Fischer-Chöre auf und singen „Üb immer Treu und Redlichkeit“, die Stelle mit dem „kühlen Grab“ wird von einer Gruppe Sargträger choreografiert. Im Regierungsbunker tagt der „Gemeinsame Ausschuss“, jenes Gremium von 48 Leuten, das den Notstandsgesetzen entsprechend Bundestag und Bundesrat ersetzen soll. Einziger Tagesordnungspunkt: Wie schnell muss die Druckerpresse der Europäischen Zentralbank laufen, damit der ANLAGE-NOTSTAND die Notzüchtigung des BETTEL-STANDES dauerhaft sichert. Eine blonde Frau mit blauen Augen murmelt ständig vor sich hin: Das ist alles alternativlos. Ein fülliger Mann mit schwarzen Haaren sekundiert: Dieser Satz muss auf die Agenda. Und leise Musik durchweht den Bunker: „Näher mein Gott zu Dir“.

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Rente Zukunfts-fest machen

Erstellt von DL-Redaktion am 16. Oktober 2013

Altersarmut beseitigen : Renten Zukunfts-fest machen

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Pressemitteilung des BDH

Bonn, 14. Oktober 2013 – Altersarmut zählt nach Ansicht des BDH Bundesverband Rehabilitation zu den bedrohlichen sozialen Ungerechtigkeiten und politischen Fehlentwicklungen unserer Tage. Eine Umfrage des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zur persönlichen Renteneinschätzung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer macht deutlich, dass der derzeitige Kurs der Rentenpolitik in eine Sackgasse führen muss.

„Senkungen des Rentenversicherungsbeitrags passen absolut nicht in die Zeit“, warnt die Vorsitzende des Sozialverbandes, Ilse Müller. Es müsse einen Kurswechsel in der Rentenpolitik geben, um der drohenden Verarmung ganzer Bevölkerungsschichten wirksam entgegenzutreten: „Wenn 42 Prozent der gegenwärtig Erwerbstätigen davon ausgehen, dass ihre Rente später nicht zum Leben ausreichen wird, besteht politischer Handlungsbedarf. Die Umfrage des DGB zeigt deutlich, dass der demografische Wandel die vorhandenen systemischen Schwächen offenlegt und dies den Menschen längst bewusst ist. Eine Politik, die angesichts dieser prekären Ausgangslage durch Beitragssenkungen die Realität vernebelt, hilft niemandem weiter und lenkt von erheblichen Gerechtigkeitslücken bei der Rente ab. Langfristig wird Rentengerechtigkeit nur möglich sein, wenn sowohl ein Beitragssenkungs-Moratorium als auch eine gesetzliche Mindestrente realisiert werden können, um der grassierenden Altersarmut zu begegnen“, so Ilse Müller.

Die Alterung der Gesellschaft mache nach Ansicht der Verbandsvorsitzenden eine breitere Finanzierungsbasis notwendig, was sowohl moderate Beitragserhöhungen im Rahmen der Beitragsdeckelung von 22 Prozent nach sich ziehe als auch Berufsgruppen in die solidarische Finanzierung aufnehme, die bislang keinen Beitrag leisten. „Unsere Rentnerinnen und Rentner haben seit der Jahrtausendwende nahezu zehn Prozent ihrer Rente eingebüßt. Hinzu tritt der Kaufkraftverlust durch explodierende Energiepreise und allgemeine Preissteigerungen. Die Politik muss jetzt handeln und die Rentenkasse finanziell besser polstern und die Diskussion über eine neue Rentenformel aufnehmen.“

Kontakt

BDH-Pressestelle
Eifelstraße 7
53119 Bonn
Telefon 02 28 / 9 69 84 – 0
Telefax 02 28 / 9 69 84 – 99
E-Mail info@bdh-reha.de
V.i.S.d.P.: BDH Bundesverband Rehabilitation e.V.

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Erkenntnisse des Alters VII:

Erstellt von Gast-Autor am 3. Oktober 2013

Das Geld der gesetzlich Versicherten

Wo die freien Kräfte des Marktes keine Inseln der Ruhe schaffen, da muss die Politik sie schaffen. Ruhezonen. Vergleichbar den sozialen Räumen, den grünen Erholungsinseln und friedlichen Parks der Städte und Gemeinden. Kommerzfreie Zonen, in denen der Mensch durchatmen und zu sich selbst finden kann, in denen er Schutz findet, und in denen er den marktbrutalen zerstörerischen Kräften nicht ausgeliefert ist. Es sind dies die Schutzräume des sozialen Staates.

Der Sozialstaat kennt insbesondere fünf solcher Schutzräume: die Arbeitslosenversicherung (AV), die gesetzliche Krankenversicherung (GKV), die gesetzliche Rentenversicherung (GRV), die Pflegeversicherung sowie den besonderen Schutzraum für Kinder. Der Schutz dieser Räume ist  mit der Würde des Menschen unlöslich verkettet. Sie zu schützen und zu wahren, ist daher Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Gesetzgebung, ausführende Gewalt und die Rechtsprechung sind daran als unmittelbar geltendes Recht  gebunden. Das Recht soll nicht nur die Schwachen schützen, es muss zu dem die „Mächtigen“ vor sich selbst schützen. Es geht ums Gemeinwohl!

Die Politik, die Justiz und die Exekutive hat diesen grundlegenden Auftrag unserer Verfassung längst aus ihrem Denken  und Handeln verbannt. So sind dann die wirklichen Verlierer der Bundestagswahl 2013 alle, die in den solidarischen gesetzlichen Versicherungen ihren Schutz suchen. Umso verwunderlicher ist, dass ausgerechnet jene, die sich in diesen Versicherungen gut aufgehoben fühlen wollen, einer Kanzlerin vertrauen, von der sie in den zurückliegenden Jahren völlig negiert und verachtet worden sind. Allein diese Vertrauensseligkeit deutet  auf jene Denkhaltung hin, von der gesagt wird: „Die dümmsten Schafe suchen sich ihre Schlächter selbst“. Denn weder im Kinderschutz, in der Bildung, am Arbeitsmarkt, im Gesundheitswesen noch in der Pflege haben sich die Lebenslagen der Menschen seit 2005 verbessert. Für alle, die den Schutz des Staates am dringendsten brauchen, haben sich die Lebensumstände ganz im Gegenteil erheblich verschlechtert. Mit dem Vertrauen ist das folglich so eine Sache. Die Deutschen haben im Verlauf ihrer Geschichte  allzu oft allzu sehr vertraut. Man denke da nur an den Schwindler und Blender zu Guttenberg, dem bis zu 82 Prozent der Deutschen ihr blindes Vertrauen aussprachen. Und wer tiefer in die Geschichte hineinblickt, den erfasst, wenn von Vertrauen die Rede ist, das nackte Grauen. Besser wär’s, die Deutschen würden endlich ihren Verstand einschalten und  an Stelle des Vertrauens begründete Kontrolle anwenden.

So widerspricht die Vermarktung der oben erwähnten sozialen Räume eklatant den Erfordernissen der menschlichen Würde –  ihr Schutz hat  Verfassungsrang! Die zunehmenden von der Politik unterstützten Privatisierungen, wie sie im Gesundheitswesen, in der Pflegeversicherung und bei der Altersabsicherung zu beobachten sind, hintergehen diesen  Verfassungsrang. Die Ausbeutung der sozialen Sicherungssysteme durch politische Eingriffe, etwa durch die Beitragsbemessungsgrenze, durch die Pflichtversicherungsgrenze oder in dem mit den Beitragsgeldern der gesetzliche Versicherten versicherungsfremde Leistungen finanziert werden, darf politisch nicht gefördert, sondern muss justitiabel gestaltet und strafrechtlich verfolgt werden.

Ähnliches ist übrigens auch in den anderen sozialen Sicherungssystemen, Gesundheit, Arbeitsmarkt, Alter, Pflege zu beobachten. Die Beitragszahler, die in die gesetzlichen und solidarischen Absicherungen einzahlen, werden abgezockt und hinters Licht geführt..

Die Plünderung der sozialen Sicherungssysteme der vergangenen 20 Jahre ist im direkten Zusammenhang mit dem derzeitigen Zustand  der Gesellschaft zu sehen. Dieser Zustand  ist politisch gewollt, weil mächtige Interessengruppen in engem Zusammenspiel mit der Politik den Zusammenbruch der sozialen Absicherungen mit Macht vorangetrieben haben und immer noch vorantreiben, um das stabile Umlageverfahren, an dem für die Reichen nichts zu „verdienen“ ist, durch ein äußerst unsicheres und instabiles Kapitaldeckungsverfahren zu ersetzen, das darüber hinaus, wie die Krisen der vergangenen Jahre gezeigt haben, alles andere als demografiefest ist.

Die Privatversicherten,   die Selbstständigen,  die Arbeitnehmer mit einem Einkommen über 60.000 Euro, die Freiberufler, die  Abgeordneten, die Richter, die Berufssoldaten, die Pensionäre, die Beamten, die Politiker, sie alle beteiligen sich nicht an den vorgenannten gesamtgesellschaftlichen Aufgaben, leben aber durch sie. Nicht jene, denen Leistungen aus Hartz VI oder andere Transferleistungen zu diktiert werden, höhlen den Sozialstaat aus, sondern jene 10 Prozent der Bevölkerung, die sich aus der Gesellschaft längst selbst suspendiert haben.  Diese sind es, die als die wirklichen Parasiten des Systems zu gelten haben, nicht jene. Die derzeitigen Forderungen der FDP, die Beitragszahlungen in die Pflegeversicherung teilweise zu privatisieren, verstärkt das Parasitentum in Deutschland erneut um einige Drehungen.

Dass  Politikern nicht selten qualitativ hochwertige Urteilskraft fehlt und sie daher aus Dummheit langfristig wirkende fatale Entscheidungen treffen, haben uns nicht nur die Jahre der Schröder-Regierung gelehrt. Die Privatisierung kommunaler Einrichtungen, die Privatisierung von Rathäusern, Stadtwerken, Energieanlagen, städtischer Wasserwerke, die Hartz-Gesetzgebung, die mörderische Freizügigkeit der Private-Equity-Firmen und Hedge-Fonds sind begründende Beispiele dafür. Politische Entscheidungen  wirken somit auf lange Sicht grausam. Sie kommen über uns und über unsere Kinder und Kindeskinder.  Es ist die Herrschaft der Toten über die Lebenden, mit der wir es hier zu tun haben. Die Gewissheit, dass Politik pragmatisches Handeln zu sittlichen Zwecken ist, scheint im Dunkel der Geschichte verschwunden zu sein. Politik muss moralisch sein – es sei denn, wir ziehen es vor, von Zombies regiert zu werden.

Gleiches gilt für das Gesundheitswesen und ihrer kleinen Schwester, die Pflegeversicherung.

Gesundheit ist keine Ware, sie ist Menschenrecht. Sie ist Verfassungsrecht: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich“. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Gesundheit als „völliges körperliches, soziales und seelisches Wohlbefinden“. Die Vermarktung des Gesundheitswesens zeigt den wahren Zustand einer Gesellschaft. Es gibt kein richtiges Leben im falschen. Mit reflektierter Lebenskunst und Klugheit jedenfalls haben die politischen Entscheidungen des vergangenen Jahrzehnts – wie bereits bei der Privatisierung städtischer und kommunaler Einrichtungen gezeigt – nicht den Hauch von Ähnlichkeit.

Es ist der Geist der Zeit!

Wenn heute in sogenannten „gebildeten“ und gutsituierten Kreisen unserer Gesellschaft die politische und wirtschaftliche Lage der Nation zur Debatte steht, dann dauert es in der Regel nicht lange, bis das Lamento über den ausufernden und nicht mehr bezahlbaren Sozial- oder Wohlfahrtsstaat anhebt und man sich gegenseitig mit Vorschlägen zum Sozialleistungsabbau überbietet. Kritik am Sozialstaat gilt in der „gehobenen“ Mittelschicht  derweil als Modernitätsausweis. Sie signalisiert, dass man sich politisch auf der Höhe der Zeit und im Einklange mit den marktradikalen Positionen befindet, die übereinstimmend den Sozialstaat als zentralen Verursacher der Wachstumsschwäche der Wirtschaft und der Finanzkrise des Staates identifizieren. Dass derartiges Lamento von Vielem, aber gewiss nicht  von Bildung zeugt, entgeht der „gehobenen Schicht“. Die Zivilisation stirbt eben viele kleine Tode- und die Menschen sollten nur mit allerhöchster Wachsamkeit  Akademikern vertrauen. In Zeiten des Umbruchs sollten wir den Begriff „akademisch“ in „akadämlich“ umwandeln – und den Begriff „Akademiker“ in „Akadämliche“.

Alter, Krankheit, Gesundheit und Pflegebedürftigkeit sind sozial und solidarisch  abzusichern. Im Interesse der Menschen, im Interesse der Jugend, im Interesse unserer Selbstachtung, im Interesse des sozialen Friedens. Die  Ansätze neoliberalen Denkens, die auf Privatisierung der oben geforderten Ruhezonen gerichtet sind, gehen hier gefährliche Wege. Sie sind nicht hilfreich, sie fügen der Gesellschaft insgesamt Schaden zu. Der Kampf gegen den Sozialstaat weist auf einen Verblödungsgrad gewisser interessengebundener Gruppen, gegen den noch kein Kraut gewachsen ist.

Denn der Sozialstaat entlastet ausgerechnet seine Feinde unmittelbar von anfallenden akuten Sozialkosten hinsichtlich der Risiken und Gefährdungen durch Krankheit, Verschleiß der Arbeitskraft und Frühverrentung.

Sollen die Kosten gerecht verteilt sein, so müssen zwei Drittel der sozialen Kosten von den Arbeitgebern getragen werden.

Das gilt insbesondere, weil keine andere gesellschaftliche Gruppe in annähernder Weise vom Sozialstaat profitiert als eben diese. Denn für die privatwirtschaftliche Produktion hat der Sozialstaat hochentlastende Effekte. Er  trägt in hohem Maße zur Sicherung des ökonomisch, das heißt privatwirtschaftlich benötigten, qualifizierten Arbeitskräftepotentials bei. Die sozialstaatliche sekundäre Einkommensverteilungen, Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe verhelfen der Privatwirtschaft zu einer Verstetigung der Konsumnachfrage gegenüber Konjunkturschwankungen. Somit erleichtern die sozialstaatlichen Sicherungen der Privatwirtschaft den notwenigen wirtschaftlichen und sozialen Strukturwandel – und im gleichen Atemzug trägt der Sozialstaat in hohem Maße zur Wahrung des sozialen Friedens bei. Ferner sind die gesamten Infrastrukturen, vom Internet über den Straßen-, Autobahn- und Schienenbau bis hin zu den Fluglinien nur auf der Grundlage sozialstaatlicher Finanzierung ermöglicht worden – nichtsdestotrotz werden sie von den Feinden des Sozialstaats in übermäßiger Weise genutzt. Nur die solidarischen Sicherungssysteme sind von außen unzerstörbar.

Weil dem so ist, haben alle gesellschaftlichen Gruppen entsprechend ihrer Leistungskraft zur Sicherung der sozialen Systeme  solidarisch beizutragen. Die Kanzlerin ebenso wie der Lehrling, der Selbständige ebenso wie der Beamte, der Manager nicht minder als der Unternehmer. Die Quelle der sozialen und solidarischen Sicherungssysteme darf aber nicht allein das Einkommen aus Beschäftigung, sondern muss darüber hinaus das Einkommen aus Gewinnen, aus Mieten und Pachten, aus Spekulationen, aus Obligationen und aus anderen Wertpapieren sein. Zu fordern ist als Abrundung und Ergänzung eine klare Trennung der beitragsfinanzierten typischen Versicherungsaufgaben  von den öffentlich finanzierten Aufgaben, die zu den sogenannten Staatsaufgaben bzw. zum sozialen Ausgleich zählen. Eine ihren Aufgaben angemessene Finanzierung der Sozialsysteme könnte zu einer Senkung der Beiträge in der GRV, ALV, GKV und Pflegeversicherung von insgesamt bis zu zwanzig Beitragspunkten führen. Unter diesen Voraussetzungen würden die Lohnnebenkosten sozusagen über Nacht auf eine Quote von weit unter 30 gesenkt. Die Wirkungen, die sich daraus ableiten, sind leicht abzusehen: Die Arbeitnehmer haben ein entsprechend höheres Monats- oder Jahreseinkommen, die Kaufkraft erhöht sich, die Gesamtwirtschaft profitiert – die Belastung der Arbeitnehmer und Arbeitgeber sinkt, die Investitionen steigen.

Die Zukunft ist sozial – oder es wird keine Zukunft geben.

Gerd Heming (Vors.), Münster

September/Oktober 2013

Bund der Pflegeversicherten e.V.

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Der Staat zerstört die Renten

Erstellt von Gast-Autor am 27. September 2013

Wie der Staat ein Rentensystem zerstört

Gerhard Schröder, der Basta-Kanzler.png

Auch wenn es vielen Menschen nicht bewusst ist – das Umlagesystem der Rentenversicherung ist mit Abstand das beste Rentensystem – aber es wird seit vielen Jahren kontinuierlich zerstört. Warum, das habe ich in einem der letzten Beiträge verdeutlicht. Ein Rentensystem ist eine Goldgrube für die Versicherungswirtschaft und deshalb ist eine der Forderungen der WTO mit GATS, dieses System weitgehend zu privatisieren. Entsprechende Verträge mit der WTO werden in Brüssel abgeschlossen, am deutschen Parlament vorbei und für die Wahlbevölkerung absolut intransparent. Was da gekungelt wird, darüber spricht kein Politiker und auch die Presse verhält sich bei solchen Themen, als wüsste sie von nichts.

Welche Maßnahmen mit welcher Verantwortlichkeit erfolgen, um die Deutschen in die private Versicherungswirtschaft zu drängen, werde ich nun versuchen, ein wenig aufzudröseln, denn sie gehen weit über die bekannten Vorgänge hinaus und auch das BVerfG ist maßgeblich an diesem Spiel beteiligt.

>> weiterlesen beiFlegel

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Eine humorvolle Würdigung des ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröders und seines „Basta!“

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Die Zerstörung des Gemeinwohls

Erstellt von Gast-Autor am 13. September 2013

Erkenntnisse des Alters VI

Die Reichen und Superreichen haben sich jeder gesellschaftlichen Verantwortung längst entzogen. Sie leben unter uns. Aber sie leben nicht mit uns. Ihr Ziel ist  Herrschaft! – nicht die Gemeinschaft, ihr Ziel ist die Diktatur des Geldes. Sie sind den Verlockungen des Geldes verfallen.  Sie erkennen nicht, dass nicht sie das Geld besitzen, sondern das Geld sie besitzt- dass das Geld ihr gesamtes Denken und Handeln wahnhaft bestimmt. Sie sind süchtig wie  Alkoholiker, die vom Alkohol besessen sind oder mit anderen Worten: Sie sind geistig und psychisch krank.  Denn ihr Wahn hat das Ziel der  Zerstörung  gesellschaftlicher Moral und des Gemeinwohls, ihr Wahn  will die totale Verwirklichung des alles zermalmenden neoliberalen Kapitalismus.  „Die neuen Herrscher der Welt“, sagt der Schweizer Soziologe Jean Ziegler, „ – die Beutejäger des globalisierten Finanzkapitals, die Barone der transkontinentalen Konzerne, die Börsenspekulanten – häufen ungeheure Vermögen an. Mit ihrem Tun zerstören sie den Staat, verwüsten die Natur und entscheiden jeden Tag darüber, wer sterben muss und wer überleben darf. Willfährige, effiziente Verbündete stehen ihnen zu Diensten, allen voran die Funktionäre der Welthandelsorganisation, der Weltbank und des Weltwährungsfonds.“ Dieser Geist ist die Urmutter aller Kriege, allen Tötens, allen Grauens. Es ist dieser wahnhafte Geist, den Goethe in seinem „Faust“ treffend sagen lässt: „Ich bin der Geist, der stets verneint, und das mit Recht. Denn alles, was entsteht, ist wert, dass es zugrunde geht. Drum besser wär’s. dass nichts entstünde! So ist denn alles, was ihr Sünde, Zerstörung, kurz das Böse nennt, mein eigentliches Element“. Wenn die Menschheit leben will, wenn die Menschen sich selbst und das Gemeinwohl erhalten wollen, dann müssen die Reichen und ihre Propheten mit sofortiger Wirkung weltweit den geschlossenen Abteilungen forensischer Psychiatrien zu geführt werden. Sie sind eine tödliche Gefahr für das Fortbestehen unserer Spezies.

Die Deregulierung der Finanz- und Wirtschaftswelt der vergangenen dreißig Jahre öffnete Steuerhinterziehung, Begünstigung, Betrug, Bestechung, geheimen Absprachen und der Umleitung von öffentlichen Mitteln in private Taschen Tür und Tor. Darüber hinaus generiert die deregulierte Finanzwelt  „Plünderer“ – das sind Führungskräfte, die maximalen persönlichen Gewinn aus den Unternehmen ziehen, deren Leitung ihnen anvertraut wurde. Sie zielen auf private Gewinne, meist in Verbindung mit Börsenwerten. Das ist die eigentliche Motivation hinter vielen der Buchhaltungsbetrügereien die große  Firmen, Banken und auch Börsengesellschaften plagen. Allerdings haben die Plünderer mächtige Freunde in der Regierung, die zu ihrer Rettung eilen. So werden dann nicht Staaten und ihre Bevölkerung gerettet, sondern private Versicherungen, Banker und Banken.

Zwielichtigkeit ist der zweite Name der Reichen. Doch diese Zwielichtigkeit ist mitunter nur schwer zu erkennen. Am ehesten vielleicht sind sie mit jenen Psychopathen oder Soziopathen zu vergleichen, bei denen das Fehlen von Empathie, das Fehlen von sozialer Verantwortung und Gewissen in der Regel nur von jenen Menschen erkannt wird, die über große Soziale Kompetenz, durchdachte Lebenserfahrung und nicht zuletzt über Weisheit verfügen.. Psychopathen sind auf den ersten Blick charmant, sie verstehen es, oberflächliche Beziehungen herzustellen und „Freunde“ an sich zu binden. Dabei sind sie nicht selten sehr manipulativ, um ihre Ziele zu erreichen. Ihre  dissoziale Persönlichkeitsstruktur ist durch ausgeprägte Diskrepanz zwischen Verhalten und geltenden sozialen Normen gekennzeichnet. Man erkennt sie an ihrer Unfähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, an ihrer Unfähigkeit, längerfristige Beziehungen aufrechtzuerhalten, wobei sie jedoch keine Probleme mit der Aufnahme frischer Beziehungen haben. Schwieriger noch ist es, ihr fehlendes Schuldbewusstsein auszumachen, denn sie spenden oft und reichlich und geben sich ausgesprochen sozial. Allerdings spenden sie nur dort reichlich und jovial, wo sie die Folgen ihrer Spenden kontrollieren und entsprechende Anerkennung, Bewunderung und Dankbarkeit als ihren persönlichen Erfolg verbuchen können. Ihre Kontrollsucht ist übrigens einer der Gründe, warum sie sich der Zahlung von Steuern so gern entziehen. Sie können nicht akzeptieren, Geld zu zahlen, dessen Verwendung sie nicht kontrollieren und bestimmen können. Letztlich aber zeichnet sie eines gemeinsam aus, nämlich die Unfähigkeit, aus Erfahrung zu lernen.

Die Unfähigkeit aus Erfahrung zu lernen, zeigt sich bei all diesen Propheten des Neoliberalismus und Radikalkapitalismus. Friedhelm Hengsbach, Professor  für Wirtschafts- und Gesellschaftsethik, beschreibt in seiner berühmten Analyse mit der Überschrift „Das Reformspektakel“ die Propheten des Geldes und der alles zermalmenden Ökonomie wie folgt: „Dass die geringe Lernfähigkeit jener Propheten, die im Widerspruch zu empirischen Beobachtungen ihre marktradikal wirtschaftsliberale Bekenntnisse aufrechterhalten, für die wirtschaftliche Krise mitverantwortlich ist, dass die politischen Entscheidungsträger, die ihnen gefolgt sind, nicht zur Beseitigung, sondern zur Verschärfung der Krisen beigetragen haben, dass die Konzernchefs sich in schwerwiegenden Entscheidungen der Fusion und Finanzierung von Unternehmen vergriffen haben, wird in der Öffentllichkeit nicht sonderliche registriert.“ Was, wie daraus zu schließen ist, darüber hinaus auch auf die Unfähigkeit so mancher Medien und Medienmacher verweist.

Diese Unfähigkeit ist immanent und hängt mit jenen minderwertigen Denkstrukturen und Denkweisen zusammen, der all jene anhängen, denen Neues Denken unbekannt ist und in deren Adern noch Reste des Blutes von Neandertalern rinnt.

Man muss nicht lange raten, welche Gruppen es sind, in deren Adern Reste des Blutes von Neandertalern fließt: Es sind die „meinungsführenden“ Gruppen der Gesellschaft! Neandertalerblut in den Adern entdecken wir im übertragenen Sinne innerhalb der Vorstände in den Medien, innerhalb der Vorstände der großen gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Institutionen, innerhalb der Vorstände der Wirtschafts- und Industrieverbände, innerhalb der Vorstände der großen Banken, privaten Versicherer, der Hedge-Fonds-Manager und nicht zuletzt  innerhalb nahezu aller Disziplinen der Wissenschaften, allen voran die Rechts- und Staatswissenschaften, die Naturwissenschaften, die Lebenswissenschaften, der Gesundheits- und Pflegewissenschaften und – leider – auch in der Philosophie.

Innerhalb dieser unheiligen und morallosen Allianz werden Gesetze geschmiedet, die passgenau auf die Ziele und Interessen der Reichen ausgerichtet sind und somit das Gemeinwohl und den Gemeinsinn zerstören.

Den Reichen  treibt der Wille zur Macht. Nicht nur zur Macht über Menschen und Völker – zur Macht über die ganze Welt. Sie schaffen sich in Gemeinschaft mit den ihnen hörigen Politikern und Medien ihre eigenen Gesetze, und mit „gesetzlicher Legitimation“ sind sie nun dabei, sich die Menschheit gefügig zu machen. Mit gesetzlicher Kraft frieren sie deren Freiheitsgrade ein. Und mit Gesetzesmacht zwingen sie die sozial erzeugte Kälte auf Minusgrade herab. Versklavung ist ihr Ziel. Der Rest der Welt als Verfügungsmasse. Deswegen predigen sie Flexibilität, deswegen predigen sie Deregulierung, deswegen predigen sie Privatisierung. „Die reale, positive Macht des Bösen“ formuliert der Philosoph Hans P. Schmidt, „ist nur zu verstehen, wenn das Böse nicht einer Schwäche des Willens beziehungsweise einer unbestimmten Willkür entspringt, sondern im Willen selbst gründet, nämlich im aktiven „Eigenwillen“ des Subjekts, das sich als Einzelner, als Gruppe oder auch zum Beispiel als Nation gegen den „Universalwillen“ durchsetzen kann. Wenn der „Eigenwille“ danach strebt, ‚das, was er nur in der Identität mit dem Universalwillen ist, als Partikularwille zu sein, dann ist er als partikularisierter Wille böse.“

Leben ist Leben inmitten von Leben, das leben will – leben endet frühestens mit dem letzten Atemzuge.

Nur der große, aufrechte und aufrichtige Geist erkennt des Geistes Wert.

Die Politik hat sich in den letzten 30 Jahren weitgehend von ihren höheren Anliegen verabschiedet und sich auf Management und Technokratie reduziert. Was wir brauchen ist eine neue Politik des Gemeinwohls, die weniger zögerlich ist als in den letzten Jahrzehnten und eindeutig Stellung bezieht zu Gerechtigkeit und Bürgersinn.

Die Ära die Marktgläubigkeit ist zu überwinden.

Den amerikanischen Philosophen Michael Sandel erschüttert es, dass diese Ära, als deren führende Protagonisten Ronald Reagan und Margarete Thatcher zu nennen sind, „von der politischen Bühne verschwanden und durch Nachfolger ersetzt wurden – Bill Clinton, Tony Blair und Gerhard Schröder muss man dazuzählen. Sie mäßigten die Marktgläubigkeit, doch zugleich verfestigten sie sie. Keiner der drei Exponenten der linken Mitte – keiner! – stellte die Grundannahme, die Leitidee des Marktglaubens von Reagan und Thatcher infrage: dass die Märkte das wichtigste Instrument zur Erreichung des Gemeinwohls seien“

Heute wissen wir, dass die Leitidee des Marktglaubens Gemeinsinn und Gemeinwohl zerstören. Heute wissen wir, dass die Menschen sich  nach den großen Themen, nach zuverlässigen moralischen Werten sehnen.

Wenn die Alten hierzulande utilitaristischen Überlegungen angelsächsischer Art die Argumentation nehmen und gesellschaftliche Bedeutung in dem Sinne gewinnen wollen, dass sie  jenseits der Reproduktion auf andere Art etwas zur Erhaltung der Spezies beitragen,. dann muss diese Bedeutung über ihre persönliche Zukunft hinausgehen. Sie müssen erkennen, dass der Zeitgeist und die Ziele der privaten Wirtschaft und der privaten Versicherungen darauf gerichtet sind, die sozialen und Solidarität stiftenden Errungenschaften des späten 19. Jahrhunderts und insbesondere der 50er, 60er und 70er Jahre des 20. Jahrhunderts zu zerstören. Die Alten dürfen ihre Energien nicht für Trivialitäten verplempern. „Wenn die Alten ihre Energie im Alter verbrauchen oder mit Trivialitäten und Spielereien verplempern“, sagt die berühmte amerikanische Altersforscherin Betty Friedan, „wenn sie nur die Zeit totschlagen und das Alter und den Tod verleugnen, verschleudern sie ihre auf die Zukunft gerichtete Weisheit und Generativität. Ihr Leben muss mehr sein als nur jene bedeutsamen Erinnerungen, die sie vielleicht für ihre Enkel aufschreiben. Die Alten  können die Zukunft nicht voraussehen. Doch wenn sie an den Problemen arbeiten, vor denen unsere Gesellschaft steht, und dabei ihre im Lauf des Lebens erworbene Weisheit und Generativität einsetzen, einschließlich des Wissens um die Entstehung des Sozialstaats, dann  hinterlassen sie ihren  Enkeln ein Vermächtnis, das darin besteht, dass sie bei der Gestaltung der Zukunft helfen und die Generativität und Solidarität des menschlichen Gemeinwesens entfalten und bewahren.“

Die Alten müssen ihr eigenes Leben leben, generativ solidarisch und als Teil der Gemeinschaft. Nur dem, der das Gemeinwohl fest im Blick hat, gehört die Zukunft.

Gerd Heming (Vors.) Münster,
September 2013
Bund der Pflegeversicherten e.V.

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Rentenpolitik und Demografie

Erstellt von DL-Redaktion am 27. August 2013

Rentenpolitik muss Demografie beachten

Griechland – ein schöner Platz für Rentner –
mit einem Almosen von Merkel aber nicht möglich

 

BDH: „Beitragssenkungen schaffen nur konjunkturelles Strohfeuer“

Pressemitteilung:

Bonn, 26. August 2013 – Die stabile Konjunktur eröffnet nach Ansicht  des BDH Bundesverband Rehabilitation eine gute Gelegenheit, der  älteren Generation den dringend notwendigen wirtschaftlichen Spielraum  zu verschaffen und über die Rentendämpfungsfaktoren zu verhandeln.  „Spätestens nach der Bundestagswahl muss klar sein, wohin die Reise  geht. Die öffentlichen Kassen sind keine Sparschweine, hier kann die  Politik aktiv in die ökonomischen Verteilungsprozesse eingreifen und  wenigsten einen kleinen Teil der sozialen Schieflage der jüngsten  Vergangenheit wieder gutmachen. Wir raten zu einer schrittweisen  Abschmelzung der Rentendämpfungsfaktoren, um endlich den Kampf gegen  die Altersarmut aufzunehmen“ fordert die Bundesvorsitzende des  Sozialverbandes, Ilse Müller.

Bund, Länder, Kommunen und Sozialversicherungen haben nach Angaben des  Statistischen Bundesamtes (Destatis) im ersten Halbjahr  zusammengenommen einen Überschuss von 8,5 Milliarden Euro  erwirtschaftet. Das ist gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) einen  Anteil von 0,6 Prozent und schafft neuen politischen  Handlungsspielraum. Selbst im unsicheren europäischen Umfeld kann sich  die deutsche Wirtschaft mit einem stabilen Wachstum von 0,7 Prozent im  2. Quartal behaupten. Es sei höchste Zeit, dieses neue wirtschaftliche  Potenzial zwischen den gesellschaftlichen Gruppen sozial gerecht zu  verteilen, wie Ilse Müller unterstreicht: „Der Überschuss der  öffentlichen Haushalte gehört zum Großteil der älteren Generation, die  seit Jahren mit sinkendem Rentenniveau und einer Abkopplung ihrer  Kaufkraft von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung einen  großen Beitrag zur Stabilisierung der Sozialversicherung geleistet hat  und einen erheblichen Blutzoll für unsere Gemeinschaft geleistet hat.“

Die Senkung des Beitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung auf 18,9  Prozent passe ebenso wenig in die Zeit wie die kolportierte Senkung  auf 18,4 Prozent im kommenden Jahr. Es sei höchste Zeit, Antworten auf  die demografische Entwicklung unserer Bevölkerung zu finden, da der  Rentenversicherung eine Zerreißprobe drohe. Beitragssenkungen seien in  diesem Zusammenhang absolut kontraproduktiv und bestenfalls ein  konjunkturelles Strohfeuer, so Müller.

— Ende der Pressemitteilung —

Über den BDH Bundesverband Rehabilitation

Der BDH ist die größte deutsche Fachorganisation auf dem Gebiet der     Rehabilitation von neurologischen Patienten. Weiterhin bietet der BDH     rechtliche Beratung und professionelle Vertretung vor Behörden und   den   Instanzen der Sozialgerichtsbarkeit sowie ehrenamtliche soziale     Betreuung an. Die stationäre neurologische Rehabilitation nimmt   einen   wichtigen Stellenwert innerhalb des Leistungsangebotes des BDH   ein, um   Menschen nach einem Unfall oder sonstiger neurologischer  und    geriatrischer Krankheit Unterstützung auf dem Weg zurück ins  Leben  zu   bieten. Der BDH hat in Deutschland nach dem Zweiten  Weltkrieg auf  dem   Gebiet der neurologischen Rehabilitation  Pionierarbeit geleistet  und   Einrichtungen gegründet, die bis heute  Maßstäbe setzen und von  allen   gesetzlichen und privaten  Krankenkassen, den  Berufsgenossenschaften,   Rentenversicherungen und  Versorgungsämtern  sowie der Bundesanstalt für   Arbeit in Anspruch  genommen werden. In  der Trägerschaft des BDH   befinden sich heute  fünf über ganz  Deutschland verteilte neurologische   Kliniken. Dazu  kommen das  Rehabilitationszentrum für Jugendliche in   Vallendar und  das  Neurologische Therapie- und Beratungszentrum Ortenau   in  Offenburg. BDH Bundesverband Rehabilitation

Kontakt:
BDH Bundesleitung
V.i.S.d.P.: Ilse Müller
Eifelstr. 7, 53119 Bonn
tel 0228-96984-0 fax 0228-96984-99
mail presse@bdh-bonn.de
www.bdh-reha.de

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Grafikquelle    :  Küstenabschnitt im Herbst

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Das Alter und die Pflege

Erstellt von Gast-Autor am 25. August 2013

German Angst, das Alter und die Pflege

Die Angst der Deutschen ist unter dem Begriff „German Angst“ inzwischen weltweit ein gängiger Begriff. Der Ursprung der Angst aber ist Unkenntnis und Unwissenheit. Angst entsteht dort, wo Orientierung fehlt. Sind also die Deutschen ein Volk der Orientierungslosen und Unwissenden?

Der soeben veröffentlichte Sicherheitsreport des Allensbach-Instituts „zeichnet ein genaues Bild der Risiken und Gefahren, die den Deutschen schlaflose Nächte bereiten.“

„Ganz oben landet dabei die Angst davor, im Alter pflegebedürftig oder dement zu werden. 50 Prozent (2012: 47 Prozent) der Befragten machen sich darüber große Sorgen, 34 Prozent etwas Sorgen. Nur 18 Prozent machen sich kaum oder gar keine Sorgen.

49 Prozent befürchten, dass im Alter das Geld nicht reicht, 48 Prozent (2012: 40 Prozent) einen Einkommensverlust. 48 Prozent (47 Prozent) haben Angst vor einer Inflation.“

Wir können der Studie entnehmen, dass die Angst der Deutschen  im Vergleich zum Vorjahr gestiegen ist.

Die Studie wird jährlich von der Deutschen Telekom in Auftrag gegeben. Altersarmut wurde 2013 zum ersten Mal abgefragt – die Verfasser der Studie trafen wohl direkt einen Nerv der Deutschen. 84 Prozent machen sich, wenn sie auf das Alter sehen, mit Blick auf Pflegebedürftigkeit und Demenz, Sorgen. 97 Prozent befürchten Altersarmut.

Wenn aber der größte Teil der Angst aus Unsicherheit, Unkenntnis und Unwissenheit geboren wird, dann stellt sich die Frage: Warum klären sich die Menschen nicht auf, warum bekämpfen sie nicht ihre Unkenntnis? Warum begreifen sie nicht, dass Alter, neben dem Gewahrwerden der eigenen Endlichkeit, Abenteuer sein kann und Freiheit? Warum rebellieren sie nicht gegen politische Entscheidungen, die das gesamte Volk in den Abgrund führen?

Bereits im Juli 2002 schrieb Gerd Heming, Vorsitzender des Bundes der Pflegeversicherten, dass Altern in der Regel heute in einem Umfeld stattfindet, wie es früheren Generationen verschlossen war. Einhundertfünfzig Jahre zuvor, um 1850, betrug die mittlere Lebenserwartung der Menschen –  die Lebenserwartung unserer Urgroßmütter und Urgroßväter also –  sechsunddreißig Jahre. Noch 1957, dem Jahr, in dem die  noch jetzt in großen Teilen gültige Rentenreform gesetzliche Kraft erhielt, wurden die Menschen in Deutschland im Mittel siebenundfünfzig Jahre alt. Heute, 2002, ist die menschliche Langlebigkeit in den entwickelten Ländern der Welt auf runde achtzig Jahre gestiegen. Summa summarum: In den vergangenen einhundertfünfzig Jahren fügten hygienische Umsicht, gesetzlicher Schutz am Arbeitsplatz, medizinischer Fortschritt und solidarisches Miteinander dem menschlichen Leben  vierundvierzig wertvolle Jahre hinzu. Vierundvierzig zusätzliche Jahre! Jahre, die nicht nur verlebt, sondern gelebt –  bewusst, selbstbestimmt und gelungen gelebt werden wollen.

Das Umfeld, in dem gelingendes Altern heute stattfinden kann, ist gut. Die psychischen, physischen, sozialen, kulturellen, ökologischen und ökonomischen Voraussetzungen stimmen. Zumindest stimmen sie im Großen und Ganzen. Und ein großer Teil der älteren Menschen nutzt die Chancen.  Sie empfinden das Leben jenseits ökonomischer Verwertbarkeit als neue Freiheit, nicht selten als Abenteuer und leben Generativität. Sie treffen sich in sozialen Gruppen, erfreuen sich ihrer Enkelinnen und Enkel, führen ihren Haushalt, turnen in Sportvereinen,   füllen die Kurse der Volkshochschulen und nicht wenige nehmen die Angebote der Universitäten wahr und studieren Geschichte, Soziologie, Künste, Theologie, Psychologie, soziale Kompetenz oder Philosophie. Sie sind gelassen aktiv und lebenserfahren neugierig. Bei all dem sind sie generativ. Und sie wissen um ihre Endlichkeit – das macht sie stark. Sie runden ihr Leben ab. Immer mehr alte Menschen machen  aus ihrem Leben ein selbstbestimmt-gelungenes Werk.

Die modernen Alten verfügen über reiches faktisches und ebenso reiches strategisch- prozedurales Wissen. Es ist ein Wissen in den grundlegenden Fragen des Lebens. Es ist ein Wissen um die Lebenskontexte und um den stetigen gesellschaftlichen Wandel. In ihrem Handeln berücksichtigen die Alten die Relativität von Werten und Lebenszielen – und sie besitzen darüber hinaus ein Wissen, das die Unsicherheiten des Lebens einbezieht. Den aus dem Zeitgeist geborenen  Jugendlichkeitswahn lehnen  sie heiter lächelnd ab. Sie stehen zu ihrem Alter. Denn sie wissen, dass die Verleugnung des Alters gleichbedeutend ist mit Unreife, Rückschritt und Verblendung. Sie sind selbständig, selbstbestimmt und selbstbewusst. Sie besitzen Kompetenzen und Verstand. Und sie bedienen sich ihres Verstandes ohne die Leitung durch andere. Modische Novitäten wie Wellness- oder Anti-aging-Programme registrieren sie mit Gelassenheit. Messen jedoch weder ihnen noch ihren Produzenten und Machern irgendeinen besonderen Wert bei. Denn sie wissen die Mittel der  Intelligenz zu gebrauchen: Sie verstehen sich auf scharfsinnige  Selektion und kluge Kompensation.

Warum, zum Teufel, lassen sie sich dann von unbedarften und unwissenden Politikern und Medienleuten vorschreiben, wie sie zu leben haben und wie sie ihr Alter – auch bei Pflegebedürftigkeit – zu leben hätten?

Die modernen Alten wissen, um es mit der amerikanischen Altersforscherin Betty Friedan zu sagen, dass die Funktion des Alters jenseits von Reproduktion und ökonomischer Verwertbarkeit auf andere Art etwas zur Erhaltung der Spezies beitragen muss. Sie muss über die persönliche Zukunft hinausgehen; denn wenn sie ihre Energien im Alter verbrauchen oder mit Trivialitäten und Spielerein verplempern, wenn sie ihre „Zeit totschlagen und das Alter und den Tod verleugnen“,  dann verschleudern sie ihre „auf die Zukunft gerichtete Weisheit und Generativität“. Ihr „Vermächtnis wird mehr sein als nur die bedeutsamen Erinnerungen, die“ sie „für ihre Enkel aufschreiben. Sie können die Zukunft nicht vorhersehen“. Nur wenn sie „an den Problemen arbeiten, vor denen unsere Gesellschaft steht“, und dabei ihre im Lauf des Lebens „erworbene Weisheit und Generativität einsetzen“, hinterlassen sie ihren Enkeln „ein Vermächtnis, das darin besteht“, dass sie bei der „Gestaltung der Zukunft helfen und die Generativität des menschlichen Gemeinwesens entfalten und bewahren“. Ziel allen Denkens und Handelns ist der Gemeinsinn und das Gemeinwohl.

„Dennoch“, meint der Gerontologe E. Olbrich, „sind die Potentiale des Alters kein Thema, das in beeindruckender Medienberichterstattung, in sozialpolitischen Zielvorgaben oder in wissenschaftlichen Kongressen häufig auftaucht. Potentiale des Alters haben sich – so wird argumentiert – bei Personen entwickelt, Institutionen haben sie kaum einmal aufgegriffen noch haben sie sie nennenswert gefördert. Institutdenken scheint den Blick für die Wahrnehmung von Potentialen des Alters eher zu verstellen und ihre Berücksichtigung zu erschweren“. Wenn dem so ist, welche eine Verschwendung dann! Keine Gesellschaft, die im globalen Spiel bestehen und überleben will, kann sich diese Verschwendung leisten.

Warum also diese Angst? Haben die Menschen nicht verstanden, was ihnen das Alter an Gewinn, Freiheit und Abenteuer bringt? Haben sie nicht verstanden, dass das Gerede vom „demographischen Wandel“ – so wie darüber in den Medien und in der Politik geredet wird – purer Unsinn ist?

Zweifellos hat die Akzentuierung von Defiziten des Alters anstatt von Potenzialen des Alters eine ihrer Quellen im Institutdenken. Aber auch im Denken der Macher, in den Redaktionen der Medien, in den Köpfen der Manager der privaten und öffentlichen Einrichtungen, in den Köpfen der Betreiber von Pflegeheimen, in den Köpfen der Intendanten und Intendanzen hat die Akzentuierung von Defiziten weiten Raum.  Vorurteile und Stereotype verhindern allzu häufig ein von Vernunft geleitetes Denken und Handeln.

Eine Forschergruppe, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung schrieb 1999 im „Zukunftsreport demografischer Wandel“: „Gerade in einer modernen Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft werden Erfahrungswissen und Qualifikationskultur sowie lebensbegleitendes Lernen und der Transfer von Wissen zu strategischen Wettbewerbsvoraussetzungen für die Individuen wie für Unternehmen dringend gebraucht. (…) Es gibt keinerlei Belege dafür, dass mit zunehmenden Alter die Fähigkeit, sich produktiv an Innovationsprozessen zu beteiligen, nachlässt. (…) Nach vorliegenden Erkenntnissen können von Älteren Aufgaben besser erfüllt werden (als von Jüngeren), die: Vertraut und trainiert sind, autonom bearbeitet werden können, komplexe Arbeitabläufe beinhalten, für deren Beherrschung Erfahrung eine wichtige Rolle spielt, soziale Kompetenzen voraussetzen und deren Erfüllung Kenntnisse über betriebliche Abläufe und  informelle Beziehungen voraussetzt“.

Warum setzen die Alten ihre Lebenserfahrung, ihr Können und ihre Kompetenzen nicht ein, um den Unsinn, der in den Medien und in der Politik über das Alter allzu oft verbreitet wird, aufzudecken und ihm Einhalt zu gebieten?

Gerd Heming (Vors.) Münster,
August/September 2013
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Merkels Katastrophen Politik

Erstellt von Gast-Autor am 9. August 2013

Manager, Politiker und andere Katastrophen

Die Jahre von 1998 bis 2013 werden einmal als die Jahre der politischen und ökonomischen Versager und der fatalen Katastrophen in die Geschichte der Deutschen eingehen. Man wird sie mit der Weimarer Republik vergleichen und vieles finden, was an die damalige Unfähigkeit, Verirrung und Verwirrung erinnert. Sie werden heute wie damals als die Jahre bezeichnet werden, die in den Untergang führten, an dessen Ende totale Vernichtung, millionenfaches Leid und Elend und Abermillionen Tote standen.

Abgesehen von etlichen zweifelhaften technischen Fortschritten und Begriffen wie „die mobile Gesellschaft“ oder die „Informationsgesellschaft“, hat sich nichts geändert, vieles ist schlimmer geworden! In den Köpfen tobt noch immer der Steinzeitmensch.

Das kommt daher, weil, wie so oft in unserer Gesellschaft, in den Medien und in der Politik, nicht gesagt wird, was gesagt werden muss. So wird die Entwicklung zum aufgeklärten Menschen verhindert und der Neandertaler ist unser zweites Ich. Wir haben selbständiges Denken ohne Leitung durch andere noch immer nicht gelernt.  Es wird von Krisen gesprochen und von den Auswirkungen der Krisen, aber von den Verursachern der Krisen und Katastrophen wird heute wie damals keiner zu Rechenschaft, zur Verantwortung und zur Haftung gezogen. Noch immer fehlen die gesetzlichen Grundlagen, mit denen wir die großen Übeltäter dieser Jahre strafrechtlich verfolgen und für viele Jahre – und wenn möglich für immer –  aus der Gesellschaft entfernen könnten. Mit dem kürzlich erschienenen Buch der Autoren Friedrich und Weik unter dem Titel „Der größte Raubzug der Geschichte“ wird uns eine Vorahnung von dem gegeben, was uns bevor steht. Der „Point of no Return“ ist längst überschritten.

Da haben wir eine Kanzlerin, von der gesagt wird: „Sie tut nichts“, „Sie hat nie etwas getan“, „Und wenn sie einmal doch etwas getan hat, dann wusste sie nicht, was sie tat“. Eigenartigerweise vertraut eine Mehrzahl der Deutschen ihr, aber es ist möglicherweise diese unkritische Mehrheit, die auch einen Guttenberg oder einen Hoeness aufs Schild gehoben haben.

In allen führenden Positionen der Politik, der Wirtschaft, der Industrie, der Banken, der Versicherungen, in Hochschulen und in Chefetagen der Medien und Verwaltungen haben wir es mit unsäglichen, selbstverliebten und lernunfähigen Nieten zu tun. Wohin man den Blick auch schweifen lässt – vom Auswärtigen Amt bis zum Ministerium für Wirtschaft –  überall herrscht  ein eklatanter Mangel an Urteilskraft!. Ganz zu vorderst in den Ministerien für Arbeit und Soziales, für Finanzen, für Gesundheit und für Familien, Senioren, Frauen und Jugend. Der Mangel an Urteilskraft ist aber das, was seit Kant „Dummheit“ genannt wird – und diesem Mangel ist nicht abzuhelfen.

Bereits in 2003 sagte der renommierte St. Gallener Ökonom, Prof. Dr. F. Malik, anlässlich der Mainzer Tage der Fernsehkritik: „Gesichte ist nicht gerade das, was Führungskräften naheliegt. In unserem „Informationszeitalter“ bewegen sich die Dinge schneller und schneller und vor allem eigendynamischer. Management ist nicht nur kurzfristiger sondern auch kurzsichtiger geworden. Um zu verstehen, was da vor sich geht, muss man aber größere Zeiträume überblicken können, als das üblich ist. Wer die Geschichte der letzten 100 Jahre präsent hatte, der konnte den Versuchungen der Zeit, den Verlockungen des Börsengeschehens und den Versprechungen der New Economy gegenüber leicht widerstandsfähig sein.“

„Es spricht einiges dafür, dass die wirkliche Krise – oder besser, der schwierigere Teil dieser Krise – noch bevorsteht, und zwar unmittelbar bevorsteht.  Was zur Zeit als Krise bezeichnet wird ist meines Erachtens ihr Anfang. (…) Dies alles hängt zusammen mit den generellen Verirrungen in der Wirtschaft der 90er Jahre, im Medienbereich in zweifacher Weise:

1. mit der Verbreitung und teilweisen Erzeugung falscher Vorstellung über Wirtschaft und Unternehmensführung, bis hin zur Manie an den Börsen durch die Medien

2.  mit der Nachahmung dessen, was sie selbst erzeugt und verbreitet haben, und zwar durch ihr eigenes Management.

Alle falschen Theorien, die produziert wurden, wurden in Realität umgesetzt. Folge ist, dass nun diese Art des Wirtschaftens stirbt, und dass jene zumindest unternehmerisch sterben, die sie – statt sie kritisch zu hinterfragen – dogmatisch angewandt haben.“

Wohlgemerkt! – diese Mahnungen stammen aus dem Jahre 2003. Bereits im Jahre 1998 veröffentlichte der Bund der Pflegeversicherten  Artikel mit der Überschrift „Wenn der Sozialstaat stirbt, stirbt die Demokratie“ und „Der große Bluff der privaten Banken und Versicherer“. Schon damals wurde der Neoliberalismus und der Turbokapitalismus als tödliche Gefahr für unsere Gesellschaft gebrandmarkt. Sage also niemand, er sei nicht auf die bevorstehenden Krisen hingewiesen worden. Nur haben die Hinweise, weil den allermeisten und insbesondere den Medien die Urteilskraft fehlte, niemand geglaubt.

Dabei hätte man sich nur eines einzigen Grundsatzes allen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Geschehens erinnern müssen: „Alles politische und ökonomische Denken und Handeln hat dem Gemeinwohl zu dienen!

Dass das Gemeinwohl im Denken der großen Akteure nicht existierte, erkennt man daran, dass in unserer Gesellschaft mehr als zwanzig Millionen Menschen gezwungen sind, mit weniger als dem Existenzminimum ihr Leben zu fristen. Und obwohl die „No-bail-out-Klausel“ in den europäischen Verträgen auf das Gemeinwohl verwies, wurden viele hundert Milliarden Euro zur Rettung von Banken und unfähigen und lernunwilligen Bankern vergeudet, statt sie dazu zu verwenden, die Armut und Not im eigenen Volk zu beseitigen.

Was in der Politik, in den Banken, in der Wirtschaft, in der Finanzindustrie, in den Hochschulen oder in den Verwaltungen gilt, nämlich der Mangel an Urteilskraft – und folglich Dummheit-  gilt auch im Management der Armut und Not. Am Management der Pflege lässt sich das beispielhaft verdeutlichen.

Die Pflegeversicherung hat die schlechte Pflege nicht provoziert, sondern aufgedeckt. Tatsächlich konnten Pflegeeinrichtungen bis vor fünfzehn Jahren nahezu unkontrolliert schalten und walten. Das war vor der Einführung der Pflegeversicherung so. Das hat sich nach ihrer Einführung nicht geändert. In der Pflege, wie in allen politischen Aktionen gibt es keine ernstzunehmende Kontrolle. Und es gibt keine Korrelation zwischen gut und teuer. Es gibt preiswerte gute Heime und schlechte teure. Pflegefehler sind deshalb auch nach Ansicht der Autoren des „Dritten Altenberichts“ der Bundesregierung nicht etwa die Folge von zu wenig Geld, sondern eindeutig Organisationsverschulden der Träger und/oder ein Verschulden der verantwortlichen Pflegedienstleister. „Es gibt in Deutschland keine Pflegesätze, die es nicht erlauben würden, für eine angemessene Grundpflege, für ausreichendes Essen und Trinken sowie Hilfe beim Toilettengang sowie für eine liebevolle Betreuung zu sorgen“. Es ist das Management, das zur Übernahme der  Verantwortung und zur Haftung gezwungen werden muss . und zwar mit allen der Demokratie zur Verfügung stehenden Mitteln.

In der Pflege haben wir es folglich nicht mit einer Krise der Pflegeversicherung zu tun, sondern mit einer Krise der Politik und des Managements. Die Rahmenbedingungen sind gut. Die Krise ist anders. Sie ist aus Irrtümern und Irrlehren entstanden, die von den Betreibern und Leitern der Pflegeeinrichtungen und nicht zuletzt von den verantwortlichen Pflegekassen leichtgläubig übernommen wurden. Falsche Vorstellungen über Qualifikationen und Qualitäten sind gesellschaftsweit zu beobachten, in der Pflege allerdings sind sie tödlich.

Wir haben es nicht mit einem Versagen der Pflegekräfte am Bett der Pflegebedürftigen zu tun, ebenso wenig wie wir es in den Bereichen Banken, Finanzen und Politik mit einem Versagen der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zu tun haben, sondern mit dem Versagen und der Unfähigkeit des vorgenannten Managements und mit dem Versagen des Management des Medizinischen Dienstes der Kranken- und Pflegekassen und der Heimaufsicht.

In den Schubladen der Politiker liegt seit Jahren versteckt eine „PflegePrüfverordnung“. . Diese Verordnung, wenn sie aus ihrer Schubladengefangenschaft befreit wird,  beinhaltet jenes  Kontrollinstrumentarium, das geeignet ist wirklich zu gewährleisten, dass Inhalt und Organisation der Leistungen von zugelassenen Pflegeeinrichtungen eine humane und aktivierende Pflege unter Achtung der Menschenwürde leisten.  Sie ist  ein geeignetes Instrument, ein effizientes und auf Kosten, Leistung und Transparenz getrimmtes Pflegesystem zu schaffen. Anstelle des derzeitigen ungeeigneten Pflege-TÜV ließe sich endlich prüfen, ob „die den zugelassenen Pflegeeinrichtungen anvertrauten pflegebedürftigen Menschen nach dem allgemein anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse gepflegt, versorgt und betreut werden“. Die Pflege-Prüfverordnung kann sicherstellen, dass „die gesetzlich vorgeschriebene und vertraglich vereinbarte Leistungsqualität eingehalten wird“. Zweck der Verordnung ist es ferner, „die Einrichtungsträger in ihrer Verantwortung für die Qualität der Leistungen ihrer Einrichtungen einschließlich der Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität zu stärken“ sowie die Transparenz von erbrachter Leistung und die Transparenz angemessener Kosten herzustellen.

Das Problem derzeit ist Unkenntnis vom richtigen Management. In Ermangelung einer soliden Ausbildung –  die durchaus möglich ist –  und daher des Fehlens von Standards, fällt es Politikern, Pflegemanagern, Trägern und Betreibern von Pflegeeinrichtungen sowie den Pflegekassen und der Heimaufsicht schwer, richtiges von falschen Management zu unterscheiden und gutes von schlechtem. In Anlehnung an Kant’s Wahlspruch der Aufklärung muss gefordert werden: „Habe Mut, Dich des verfügbaren Wissens über richtiges Management zu bedienen, um Korruption und Scharlatanerie auszumerzen.“

Wenn hier also Mut oder gar Kühnheit zur Reform verlangt wird, dann ist nicht die bloße Reform der Pflegeversicherung gemeint, sondern einerseits die Reform in den Köpfen der Akteure, die mit der Pflege befasst sind oder sich befassen, und andererseits die in den Köpfen derer, die über Wohl und Wehe der Menschen in der Pflege entscheiden oder berichten.

Solange wir das Handeln der Manager und Politiker nicht justitiabel handhabbar gemacht haben, solange werden wir von diesen selbstverliebten und lernunfähigen Nieten in die Katastrophen geführt.

Bund der Pflegeversicherten e.V.

Gerd Heming (Vors.)

Münster, August 2013

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Übt Widerstand !

Erstellt von Gast-Autor am 9. Juli 2013

Übt Widerstand !

In diesen Tagen erhalten mehr als zwanzig Millionen Rentnerinnen und Rentner der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV)in Deutschland ihren Rentenanpassungs- bescheid. Damit erhalten die Rentner im Westen ab dem 01. Juli 2013 eine Erhöhung von monatlich 0,25 Prozent und im Osten von monatlich 3,29 Prozent. Ein Rentner bzw. eine Rentnerin im Westen mit einer Rente von 500,00 Euro erhält folglich eine Rentenerhöhung pro Monat in Höhe von 1,25 Euro oder pro Tag von Euro 0,041. Davon kann er oder sie sich gerade einmal ein Sechstel Brötchen zum Frühstück kaufen.

Eine Rentenerhöhung dieser Höhe dürfte von der großen Mehrzahl der Rentnerinnen und Rentner der GRV als zynisch, verächtlich und als Missachtung ihrer Würde empfunden werden. Und das aus verschiedenen Gründen.

Zum Ersten gleicht die Rentenerhöhung die Preiserhöhungen der Grundlebensmittel des vergangenen Jahres nicht annähernd aus. Die liegt nämlich auf den Lebensunterhalt bezogen bei 5,7 Prozent, wenn man die Erhöhung der Nahrungsmittelpreise, die Erhöhung für Gas, die Erhöhung für Wasser und die Erhöhung der Strompreise zur Berechnungsgrundlage nimmt. Das heißt mit anderen Worten: Die Renten der RentnerInnen im Westen verlieren mehr als 5,25 Prozent an Kaufkraft. In den vergangenen zwanzig Jahre verlor der Wert der Renten 42 Prozent. D.h., von 1000,00 Euro ehemaliger Kaufkraft sind heute nur mehr 580,00 geblieben. Ein Sozialabbau somit, der den Artikel 14 und den Artikel 20 des Grundgesetzes außer Kraft setzt und die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsstaat und als Sozialstaat infrage stellt. Neoliberales Denken ist der Grund dafür. Denn diese Denkweise war darauf gerichtet, das soziale Umlageverfahren in Misskredit zu bringen, um möglichst viele Versicherte in die Fänge der privaten, kapitalgedeckten und teueren Versicherungen zu treiben.

Zum Zweiten wissen die Rentnerinnen und Rentner der GRV, dass die Rentenbeiträge, die sie für ihren Lebensabend im Generationsausgleich eingezahlt haben, durch gesetzgeberische Manipulationen zu einem großen Teil für Aufgaben zweckentfremdet worden sind, die von allen BürgerInnen hätten getragen werden müssen, also auch von den Beamten, Selbständigen, Richtern und Politikern.

Zum Dritten wissen sie, dass bereits während der ersten Wirtschaftskrise der Jahre 1966 bis 1968 runde 500 Milliarden Mark (250 Milliarden Euro) aus ihrer damals prallgefüllten Rentenkasse entwendet und zur Wirtschaftsförderung eingesetzt wurden. Sie wissen, dass sie mit ihren  gesetzlichen Beiträgen im Generationenverbund die Krise der 70iger Jahre finanzierten und dass ihre Kasse ausgeplündert wurde, um die enormen Lasten der Frühverrentungscampagne (runde 200 Milliarden Euro) und der Wiedervereinigung Deutschlands (bisher rund 600 Milliarden Euro) auszugleichen.

Sie wissen ferner, dass sie mit ihren Beiträgen die Kosten für die Kriegsfolgelasten, für Kindererziehungszeiten usw. seit über 50 Jahren mitfinanzieren. Aufgaben, die von der gesamten Bevölkerung zu tragen gewesen wären, auch von den Beamten, Ärzten, Richtern, Freiberuflern und all jenen, die Einkommen jenseits der Beitragsbemessungsgrenze und der Pflichtversicherungsgrenze beziehen.

Alles in allem dürfte der Staat bei den  Beitragszahlern der GRV mit 2 Billionen Euro (2.000.000.000.000,00 Euro) in schuldnerischer Verpflichtung stehen.

In der Rentendokumentation des ADG ivon  steht „Wer weiß heute noch, dass der Gesetzgeber 1955 im Zusammenhang mit der Umstellung der Rentenversicherung vom Kapitaldeckungs- zum Umlageverfahren die Rückzahlung seiner Schulden, die er bei den Rentenversicherungsträgern hatte, mit der Begründung verweigerte, dass der Bund ja sowieso Steuermittel zur Verfügung stellt, wenn die Beiträge zur Finanzierung der Renten nicht ausreichen sollten. Das waren damals immerhin etwa 14,5 Mrd. Mark, bei einem Haushaltsvolumen 1956 von etwa 30 Mrd. Mark“ (Quellen: Bundestagsdrucksache 1659, S. 67; Die Angestellten-Versicherung 1956, Heft 1,S. 1).

Zieht man all das in Rechnung, dann wäre eine Rentenerhöhung von 50 Prozent der einzig richtige Weg. Um Armutsrenten zu vermeiden, muss daher eine dynamisierte Mindestrente in Höhe von Euro 1.100,00 pro RentnerIn garantiert werden.

Stattdessen erleben die Rentnerinnen und Rentner in diesen Zeiten der Krise, dass unfähigen und verantwortungslosen Bankern viele hundert  Milliarden Euro ohne echten Diskurs auf die Konten geschoben werden; sie erleben, wie sich die Korruption ausbreitet und Gier und Ichsucht zum Kult erhoben werden.

Hinzu kommt, dass sie von den Medien verhöhnt werden, wenn diese beinahe unisono von „einem satten Plus in den Taschen“ der Rentnerinnen und Rentner schreiben und berichten. Falsche politische Entscheidungen sind nicht schön zu reden. Im übrigen stört der gönnerhafte Ton, der in den medialen Meldungen nahezu unumwunden und hintergründig widerhallt. Er wird als zynisch empfunden.

Denn die Rentnerinnen und Rentner sind keine Almosenempfänger, sie haben sich ihre Renten-Ansprüche durch die Arbeit vieler Jahre hart erworben. Sie haben im Rechtstaat Deutschland ein gesetzliches Recht auf ihre Rente, denn diese Rente ist nichts weniger, als ein auf viele Lebensjahre gründender Lohn, ein die Lebensqualität sichernder Ausgleich, für die Tage des wohlverdienten Ruhestandes. Nicht nur in eigenem Interesse, sondern auch im Interesse ihrer Kinder und Kindeskinder, sind die heutigen RentnerInnen verpflichtet, für eine Rente zu kämpfen, die ihren Lebensstandard sichert. „Was ihr heute für euch tut, das tut ihr für eure Söhne und Töchter und für eure Enkelkinder!“

Ferner ist die Frage, ob die Höhe der jeweiligen individuellen Renten den Grundsätzen unserer verfassungsmäßigen Ordnung entspricht, eine noch ungeklärte Frage.

Um diese Frage – und einige andere – zu klären, empfiehlt der Bund der Pflegeversicherten Widerstand. Er empfiehlt, gegen jeden Rentenbescheid, der den Versicherten durch die Deutsche Rentenversicherung Bund oder andere auf postalischem Wege zugesandt wird, Widerspruch einzulegen und  –  falls der Widerspruch kein befriedigendes Ergebnis zeitigt  –  gegen den Rententräger Klage bei den jeweils zuständigen Sozialgerichten zu erheben.

Der Widerspruch (und eventuell später die Klage von den Sozialgerichten) soll u.a. folgende fundamentale Fragen klären:

* Ob die Berechnung der Regelsätze der Rente der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) den Bestimmungen des Grundgesetzes entspricht
* ob die Zweiteilung der Absicherung der Grundrisiken in „private“ und „gesetzliche“ Absicherungen der Verhältnismäßigkeit und dem Gleichheitsgrundsatz der Verfassung gemäß ist,
* ob die willkürlichen Grenzen, wie sie durch die Beitragsbemessungsgrenze und durch die Pflichtversicherungsgrenze gezogen sind, mit dem allgemeinen Grundsätzen unserer Verfassung vereinbar sind. Da hier die Beteiligung anderer Einkommensarten (Gewinne, Aktiengewinne, Börsengewinne, Miete, Pachten usw.) an der allgemeinen Absicherung der gesellschaftlichen Grundrisiken willkürlichen ausgegrenzt wird.
* ob der Einsatz von Steuergeldern zur privaten Absicherung der Beamten verfassungskonform ist,
* ob die Zweckentfremdung von Beiträgen der Gesetzlichen Rentenversicherung nicht einen strafrechtlich relevanten Tatbestand darstellt.
* wieweit die Grundsätze des Grundgesetzes, wie sie in Artikel 1, in Artikel 14, in Artikel 20 und in Artikel 28 formuliert sind, durch gesetzgeberische Manipulationen innerhalb der GRV verletzt sind.
* wieweit die unklare Trennung von Beiträgen und Steuern, von Versicherungsaufgaben und Staatsaufgaben, der gesellschaftlichen Ordnung entgegensteht

Gerd Heming (Vors.) Münster, Juli 2013

Bundesgeschäftsstelle Bund der Pflegeversicherten
Von Schonebeck Ring 90
48161 Münster
Fon: 02533-3359
Fax: 02533-3362 n.Voranmeld.
E-Mail: Gerd.Heming@t-online.de

Ein Formular für Widerspruch / Klage findet ihr auf der Webseite des Bunde der Pflegeversicherten

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Das Leben gelingend leben

Erstellt von Gast-Autor am 18. Juni 2013

Erkenntnisse des Alters V
Das Leben gelingend leben

Wer sein Leben gelingend leben und im Alter glücklich abrunden will, der sollte genau hinhören und darüber tiefgreifend nachdenken, was Menschen in ihren letzten Lebenstagen zu sagen haben. Denn sie werden, wenn sie sich dem Tode nahe fühlen, zu Weisen. Sie bereuen dabei  nicht das, was sie im Leben getan haben, sondern sie bereuen das, was sie im Leben nicht getan haben.

Die kanadische Palliativpflegerin Bronnie Ware zeigt in ihrem soeben auf Deutsch erschienenen Buch „5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen“ (Arkana, 2013) die folgenden Hauptunterlassungen auf:

1. Nicht mutig das eigene Leben gelebt zu haben (d.h. nicht selbständig gedacht und gehandelt zu haben oder anders: sich zu sehr von der Meinung anderer abhängig gemacht zu haben. Anm.G.H.)
2. Nicht weniger gearbeitet zu haben
3. Die eigenen Gefühle nicht ausgedrückt zu haben
4. Den Kontakt zu den Freunden nicht aufrechterhalten zu haben
5. Sich nicht erlaubt zu haben, glücklicher zu sein

Die fünf Dinge machen deutlich, was der Bund der Pflegeversicherten jeder seiner e-Mails seit Jahren als Schlussgedanken beifügt. Der Schlussgedanke beginnt mit der Frage: „Haben Sie heute schon gelebt?“ und antwortet: „Der Bund der Pflegeversicherten steht für ein selbstbestimmtes, selbstbewusstes und gelingendes Altern. Seine Mitglieder leben Lebenskunst, sie werden nicht gelebt, sie leben durch sich selbst“. Sie haben den Mut, sich ihres eigenen Verstandes ohne Leitung durch andere zu bedienen.

Sie machen ferner deutlich, dass die Unterlassung der fünf Punkte eine schmerzhafte innere Leere bewirkt, wie sie den Menschen der westlichen Welt eigen sind. Die innere Leere wiederum bewirkt, dass diese Menschen sich selbst zu willfährigen Sklaven der Konsumindustrie und der Märkte machen. Sie haben der Verführung keinen Widerstand entgegenzusetzen. Es fehlt ihnen die Achtung  sich selbst gegenüber, Anderen gegenüber, dem Lebendigen insgesamt gegenüber. Sie wissen nicht mehr, was Leben heißt! Mit einem Ausruf, wie Albert Schweitzer ihn tat: „Leben ist leben inmitten von Leben das leben will“, können sie nichts anfangen. Insofern ist es also  richtig, den Blick auf jene zu richten, die dem Tode nahe sind. Von ihnen können wir lernen, dass unser Leben endlich ist. Der Gedanke aber, dass das Leben endlich ist, schärft die Achtung und den Respekt für das Leben, er ist für das gesamte Leben grundlegend wichtig. Er macht selbst unsere eigenen Entscheidungen erträglicher.

Der Paderborner Philosoph Hans Ebeling schreibt in seinem Buch „Über das Alter und das Ende der Torheit“ (Würzburg, 1999): „Medizinische und psychologische Gerontologie ebenso wie die Soziallehren des Alters und alternder Gesellschaften dienen vielem, aber nicht dem Ende der Torheit. Die Philosophie hat als ‚Liebe zur Weisheit’ zunächst kein anderes Ziel, als diesem Ende zu dienen. Das Alter (das es, nach Jahren bestimmt, nicht gibt) ist daher nur von Interesse, soweit es für das Ende der Torheit tauglich macht. Denn uneinsichtig, erinnerungslos und ohne Einkehr verlauft und endet das Leben der meisten. Sie lassen das Alter verstreichen wie das Leben selbst. Ein Leben ohne Einsicht, Erinnerung und Einkehr ist nicht ‚lebensunwert’, aber belanglos. Die Humanität gebietet, noch das Belanglose zu schützen. Aber besondere Achtung darüber hinaus kann solchem weithin ‚bewusstlosen’ Lebensvollzug nicht zugebilligt werden. Die ohne Einsicht, Erinnerung und Einkehr bestimmen immerhin den Weltlauf. Sie missbrauchen das ‚Weltgericht’. Sie ergeben sich dem Trost oder der Trostlosigkeit des Alters. Das Ende der Torheit setzt dagegen voraus, von sich aus aus der Zeitgenossenschaft herauszufallen. Spätestens für das Alter gibt es nur eine ‚Überlebensform’ des Geistes: unzeitgemäß zu sein.“

Unzeitgemäß zu sein, wird manchem – und besonders dem Privatversicherten und dem Beamten – nicht leicht fallen, er wird über seinen Schatten springen müssen, um beispielsweise folgende Aussagen zu akzeptieren:

Während die Kassen der gesetzlichen Pflegversicherung leer sind, stapeln sich in den Tresoren der privaten Pflegeversicherung derzeit ungefähr 14 Milliarden Euro. Es ist das Ergebnis falscher Politik. Denn während der gesetzlichen Pflegeversicherung die großen sozialen Lasten der gesamten Bevölkerung mitsamt den hohen Risiken des Lebens aufgebürdet wurden (z.B. die Kosten der Frühverrentung, die Kosten der Wiedervereinigung sowie die Kosten für die versicherungsfremden Leistungen), entzogen sich die Mitglieder der privaten Pflegeversicherung der allgemeinen Verantwortung und sonderten sich bewusst und gewollt von den Mitgliedern der gesetzlichen Pflegeversicherung ab.

Wie konnte es dahin kommen?

Es konnte dahin kommen, weil längst vergessen ist, dass Politik pragmatisches Handeln zu sittlichen Zwecken ist. Und weil die jetzige Zivilisation  viele kleine Tode stirbt. Es ist keine Kühnheit des Denkens mehr im Volk, keine Solidarität!

Zum ersten Mal in der Wirtschaftsgeschichte haben wir nicht eine Krise der Wirtschaft, sondern eine Krise des politischen Managements. Recht wird mehr und mehr zur Willkür der marktgängigem Maximen. Die Marktbeherrscher haben erreicht, sich das Recht für ihre eigenen Interessen dienstbar zu machen. Normen des Rechts sind unter den Augen der Verfassungshüter außer Kraft gesetzt. Es gilt nicht mehr die Stärke des Rechts, sondern das Recht der Stärkeren. Wir haben verloren. Das Recht, haben wir einst geglaubt, muss nicht allein die Schwachen schützen, es muss die Starken vor sich selbst schützen. Wir haben geglaubt, das Recht hat die Pflicht, die Starken und Mächtigen zu zügeln. Wir hatten die Macht der Vernunft für diesen Glauben auf unserer Seite. Wir haben vergessen, dass, wenn es uns nicht gelingt, die Kraft des Rechts ganz an erster Stelle zu halten, wir abgleiten werden in Plutokratie, Oligarchie und Absolutismus. Wir haben den Hunger der Hungrigen und die Bedürfnisse der Bedürftigen verleugnet, wir – als Ungleiche unter Ungleichen – haben vergessen, dass eine im hohen Maße ungleiche Gesellschaft sich selbst am meisten schadet.

Das marktgängige Denken, das heute zu Vorschlägen wie die Einführung des Kapitaldeckungsverfahren in die Pflegeversicherung führt, wurde durch die Lehren angelsächsischer Marktradikalität an den deutschen Hochschulen der Wirtschaftswissenschaften verbreitet. Die Gehirne ganzer Generationen von BWL- und VWL-Studenten sind mithilfe solcher Irr-Lehren von ihren Professoren  verseucht worden. Verlorene Generationen. Aber sie sitzen derzeit in meist beratender oder assistierender Funktion in den Zentralen der Macht. Ein fataler Zustand. Der irrige Glaube an die Überlegenheit angelsächsischen Managements hat zu Fehlentwicklungen geführt, die heute als moralische Defizite wahrgenommen werden, aber etwas anders sind. Diese Art der Unternehmensführung hat Personen an die Spitze politischer Entscheidungsgremien und großer Unternehmen gebracht, die früher keine Chance gehabt hätten und auch heute in den richtig geführten Unternehmen nicht in Spitzenpositionen sind.

Kern der Entwicklung sind die beiden größten Irrlehren der Wirtschaftsgeschichte: Shareholder-Value und Wertsteigerung als oberste Zwecke und Ziele eines Unternehmens. In einem makabren globalen Eroberungszug haben dies Irrlehren die Köpfe vieler vor allem auch jüngerer Führungskräfte erreicht. Nicht weil sie richtig wären – sondern weil sie den einzigen Managertheorien waren, die auf English verfügbar waren und noch immer sind.

Selbst im deutschsprachigen Raum, der in wichtigen Punkten Wirtschaftswissenschaften deutlich Besseres zu bieten hatte und in entscheidenden Aspekten der Unternehmensführung – der Corporate Governance – sehr viel höher entwickelt war, wurden die angelsächsischen Heilslehren bereitwillig übernommen. Die kritische Auseinandersetzung damit haben die Volks- und Betriebswirte in den neunziger Jahren mit wenigen Ausnahmen versäumt. Womöglich waren sie mit der Verbreitung der Irrtümer schon genug auslastet.

Es ist an der Zeit, das 2-Klassen-System der Absicherung der allgemeinen Risiken zu beenden. Es ist an der Zeit, die Versicherungspflicht- und die Beitragsbemessungsgrenze endgültig zu sprengen. Eine Bürgerversicherung muss die Leerstelle neu besetzen – und an dieser Versicherung sind alle Bürgerinnen und Bürger mit allen ihren Einkommensarten in angemessener Weise zu beteiligen.

Die Aufspaltung der Bevölkerung in Gruppen wird heute vollendet durch eine unerträgliche und undemokratische Spaltung in mindestens zwei gesellschaftliche Klassen. Weltweit ist die in Deutschland bestehende, mit solidarischen Grundsätzen nicht zu vereinbarende Art und Weise der Risikoabsicherung, ein einzigartiges Kuriosum. Neben einem gesetzlichen Vollversicherung  existiert in Deutschland ein privates Voll-Krankenversicherungssystem, das jeder Sozialstaatlichkeit widerspricht. Es herrscht kein Wettbewerb, und für die meisten Versicherten besteht keine Wahlfreiheit. Die Grundzüge einer in sich zerklüfteten Klassengesellschaft finden auf dieser Ebene bereits die Wurzeln gewollter und zutiefst ungerechter klassenbetonter Ungleichheit. Es wird immer deutlicher, dass mit dem Sozialstaat auch die Demokratie zugrunde geht.

Eine explizite soziologische oder sozialwissenschaftliche Betrachtung der gesellschaftlichen Gruppen in den beiden unterschiedlichen Absicherungssystemen erübrigt sich an dieser Stelle, da die eklatanten Ungleichheiten und die daraus resultierenden einseitigen Belastungen  auch ohne wissenschaftliche Analyse für jedermann unmittelbar einsichtig sind. Ebenso wird die ungleiche Risikobehaftetheit der gesellschaftlichen Gruppen in den beiden Systemen radikal einsichtig. Während die Beitragszahler der GKV die großen und problematischen Risiken der Gesamtgesellschaft tragen, entziehen sich die Beitragszahler der PKV ihrer solidarischen Verpflichtung – deren sie sich allerdings gerne dann erinnern, wenn ihnen in Folge ernsthafter oder chronischer Krankheiten oder beruflichen oder finanziellen Niedergangs die „Segnungen“ der PKV kalten Herzens entzogen werden.

Problematisch sind ferner jene gesellschaftlichen Gruppen, die aus ihrer geschichtlichen Entstehung, die noch aus feudalistischen „Kaiserzeiten“ und aus der Diktatur des Nationalsozialismus resultiert, dazu tendieren, sich außerhalb des „gewöhnlichen Volks“ zu stellen. Gemeint sind die mittleren und höheren Beamten, die Pensionäre, die Abgeordneten und Minister und nicht zuletzt die Richter. Sie alle werden von der steuerzahlenden Bevölkerung überhöht über Steuern alimentiert, ohne dass sich diese Gruppen im realen Risikofall an den allgemeinen Belastungen, wie sie etwa durch die Wiedervereinigung, durch Frühverrentung, durch Arbeitslosigkeit, Krankheit, Pflege und Sterben entstanden sind oder entstehen, angemessen beteiligen. Ihre Mitgliedschaft in der PKV stabilisiert aus nicht nachvollziehbaren Gründen eben das private System bis zu etwa 80 Prozent – oder, anders gesagt, die Private Krankenversicherung wird mit Mitteln des Steuerzahlers am Leben erhalten (ein Widersinn in sich)  – und das, ohne  durch ihr gesamtgesellschaftliches Handeln dazu legitimiert zu sein.

Erst innerhalb einer umfassenden Bürgerversicherung, in die jeder Bürger und jede Bürgerin verpflichtend mit allen Einkommensarten ohne Begrenzung einbezogen ist – und erst wenn die jetzigen Formen undemokratischer Selbstverwaltungen zerschlagen sind, wird sich ein Gesundheitssystem entwickeln lassen, das verantwortungsvoll, solidarisch und transparent seiner klassenlosen Verantwortung gerecht wird. Der erste Schritt einer solchen gesellschaftsweiten und versicherungstechnischen Neuordnung muss allererst in der Abschaffung der Privaten Kranken-Vollversicherung und in der Auflösung ihres risikoträchtigen und fehlgesteuerten Kapitaldeckungsverfahrens bestehen.

Gerd Heming (Vors.) Münster, Juni 2013

Bundesgeschäftsstelle Bund der Pflegeversicherten
Von Schonebeck Ring 90
48161 Münster
Fon: 02533-3359
Fax: 02533-3362 n.Voranmeld.
E-Mail: Gerd.Heming@t-online.de

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Zerstören die Reichen alle Moral?

Erstellt von Gast-Autor am 24. Mai 2013

Erkenntnisse des Alters IV
Zerstören die Reichen alle Moral?

Die Reichen und Superreichen haben sich jeder gesellschaftlichen Verantwortung längst entzogen. Sie leben unter uns. Aber sie leben nicht mit uns. Ihr Ziel ist  Herrschaft! – und nicht die Gemeinschaft, ihr Ziel ist die Diktatur des Geldes. Sie sind einem Wahn verfallen, der den Zusammenhalt der Gesellschaft zerreißt. Es ist daher unausweichlich, diesem grassierenden Wahn ein Ende zu setzen. Denn ihr Wahn hat das Ziel der  Zerstörung  gesellschaftlicher Moral, ihr Wahn  will die totale Verwirklichung des alles zermalmenden neoliberalen Kapitalismus. Es ist dieser wahnhafter Geist, den Goethe in seinem „Faust“ treffend sagen lässt: „Ich bin der Geist, der stets verneint, und das mit Recht. Denn alles, was entsteht, ist wert, dass es zugrunde geht. Drum besser wär’s, dass nichts entstünde. So ist denn alles, was ihr Sünde, Zerstörung, kurz das Böse nennt, mein eigentliches Element“. Es ist deshalb hochnotwendig, die Propheten des Neoliberalen Kapitalismus und des Privatisierungswahns zur Verantwortung zu ziehen und der Haftung zu überführen.

Die Deregulierung der Finanz- und Wirtschaftswelt der vergangenen dreißig Jahre öffnete Steuerhinterziehung, Begünstigung, Betrug, Bestechung, geheimen Absprachen und der Umleitung von öffentlichen Mitteln in private Taschen Tür und Tor. Darüber hinaus generiert die deregulierte Finanzwelt  „Plünderer“ – das sind Führungskräfte, die maximalen persönlichen Gewinn aus den Unternehmen ziehen, deren Leitung ihnen anvertraut wurde. Sie zielen auf private Gewinne, meist in Verbindung mit Börsenwerten. Das ist die eigentliche Motivation hinter vielen der Buchhaltungsbetrügereien, die große  Firmen, Banken und auch Börsengesellschaften plagen. Allerdings haben die Plünderer mächtige Freunde in der Regierung, die zu ihrer Rettung eilen. So werden dann nicht Staaten und ihre Bevölkerung gerettet, sondern private Versicherungen, Banker und Banken.

Zwielichtigkeit ist der zweite Name der Reichen. Doch diese Zwielichtigkeit ist mitunter nur schwer zu erkennen. Am ehesten vielleicht sind sie mit jenen Psychopathen oder Soziopathen zu vergleichen, bei denen das Fehlen von Empathie, das Fehlen von sozialer Verantwortung und Gewissen in der Regel nur von jenen Menschen erkannt wird, die über große Soziale Kompetenz, durchdachter Lebenserfahrung und nicht zuletzt über Weisheit verfügen.. Psychopathen sind auf den ersten Blick charmant, sie verstehen es, oberflächliche Beziehungen herzustellen und „Freunde“ an sich zu binden. Dabei sind sie nicht selten sehr manipulativ, um ihre Ziele zu erreichen. Ihre  dissoziale Persönlichkeitsstruktur ist durch ausgeprägte Diskrepanz zwischen Verhalten und geltenden sozialen Normen gekennzeichnet. Man erkennt sie an ihrer Unfähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, an ihrer Unfähigkeit, längerfristige Beziehungen aufrechtzuerhalten, wobei sie jedoch keine Probleme mit der Aufnahme frischer Beziehungen haben. Schwieriger noch ist es, ihr fehlendes Schuldbewusstsein auszumachen, denn sie spenden oft und reichlich und geben sich ausgesprochen sozial. Allerdings spenden sie nur dort reichlich und jovial, wo sie die Folgen ihrer Spenden kontrollieren und entsprechende Anerkennung, Bewunderung und Dankbarkeit als ihren persönlichen Erfolg verbuchen können. Ihre Kontrollsucht ist übrigens einer der Gründe, warum sie sich der Zahlung von Steuern so gern entziehen. Sie können nicht akzeptieren, Geld zu zahlen, dessen Verwendung sie nicht kontrollieren und bestimmen können. Letztlich aber zeichnet sie eines gemeinsam aus, nämlich die Unfähigkeit, aus Erfahrung zu lernen.

Die Unfähigkeit aus Erfahrung zu lernen, zeigt sich bei all diesen Propheten des Neoliberalismus und Radikalkapitalismus. Der Professor für Wirtschafts- und Gesellschaftsethik, Friedhelm Hengsbach, beschreibt in seinem Buch „Das Reformspektakel“ diese Propheten wie folgt: „Dass die geringe Lernfähigkeit jener Propheten, die im Widerspruch zu empirischen Beobachtungen ihre marktradikal wirtschaftsliberale Bekenntnisse aufrechterhalten, für die wirtschaftliche Krise mitverantwortlich ist, dass die politischen Entscheidungsträger, die ihnen gefolgt sind, nicht zur Beseitigung, sondern zur Verschärfung der Krisen beigetragen haben, dass die Konzernchefs sich in schwerwiegenden Entscheidungen der Fusion und Finanzierung von Unternehmen vergriffen haben, wird in der öffentlich nicht sonderliche registriert.“ Was, wie man daraus schließen muss, auch auf die Unfähigkeit so mancher Medien und Medienmacher verweist.

Friedhelm Hengsbach seinerseits zählt zur Generation 60plus. Und diese Generation  ist einzigartig.

Ihresgleichen gab es in der Geschichte der Menschheit nie. Die Generation 60plus des Jahres 2013 ist pures neues Denken, ist ein qualitativ hochwertiger Sprung innerhalb der menschlichen und geistigen Evolution. Sie mit früheren Generationen, etwa mit der Generation 60plus des Jahres 1951 oder mit der Generation 60plus des Jahres 1981, zu vergleichen, hieße, den modernen Homo sapiens sapiens mit dem vorsintflutlichen Neandertaler zu vergleichen. Trotzdem geschieht genau dies.

Dass der Vergleich geschieht, wie er geschieht, liegt nicht an der Generation 60plus des Jahres 2013. Dass er geschieht hängt mit jenen minderwertigen Denkstrukturen und Denkweisen zusammen, der all jene anhängen, denen Neues Denken unbekannt ist und in deren Adern noch Reste des Blutes von Neandertalern rinnt.

Man muss nicht lange raten, welche Gruppen es sind, in deren Adern Reste des Blutes von Neandertalern fließt: Es sind die meinungsführenden Gruppen der Gesellschaft! Neandertalerblut in den Adern entdecken wir im transferierenden Sinne innerhalb der Vorstände in den Medien, innerhalb der Vorstände der großen gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Institutionen, innerhalb der Vorstände der Wirtschafts- und Industrieverbände, innerhalb der Vorstände der großen Banken und Versicherer und nicht zuletzt  innerhalb nahe zu aller Disziplinen der Wissenschaften, allen voran die Rechts- und Staatswissenschaften, die Naturwissenschaften, die Lebenswissenschaften, der Gesundheits- und Pflegewissenschaften und – leider – auch in der Philosophie.

Die Generation 60plus des Jahres 2013  ist heute in der Regel besser ausgebildet, leistungsfähiger und vitaler als noch vor wenigen Jahrzehnten. Ein steigender Anteil der Seniorinnen und Senioren kann und will bis ins hohe Alter aktiv am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Individuelle Lebensstile und vielfältige Lebensentwürfe ersetzen das überkommene, eher negativ besetzte Altersbild.

Darum setzten die Alten sich für die Gesellschaft ein. Sie beobachten die großen gesellschaftlichen Krisen und Veränderungen – und sie erkennen, dass unter allen gesellschaftlichen Gruppe insbesondere zwei Gruppen herausragen, die für die Gesamtgesellschaft destruktiv und immens gefährlich sind: Es ist zum Ersten die Gruppe der Reichen und Superreichen, und zum Zweiten die Gruppe der Politiker. Beide Gruppen ähneln siamesischen Zwillingen. Sie sind miteinander bis aufs Blut verwachsen. Wobei der eine Zwilling, der Reiche, die Nähe des anderen Zwillings, des Politikers, lebensnotwenig braucht. Sie durchdringen einander und befruchten sich gegenseitig in unheiliger Allianz.

Innerhalb dieser unheiligen Allianz werden Gesetze geschmiedet, die passgenau auf die Ziele und Interessen der Reichen ausgerichtet sind.

Den Reichen aber treibt der Wille zur Macht. Nicht nur zur Macht über Menschen und Völker – zur Macht über die ganze Welt. Sie schaffen sich in Gemeinschaft mit den ihnen hörigen Politikern und Medien ihre eigenen Gesetze, und mit „gesetzlicher Legitimation“ sind sie nun dabei, sich die Menschheit gefügig zu machen. Mit gesetzlicher Kraft frieren sie deren Freiheitsgrade ein. Und mit Gesetzesmacht zwingen sie die sozial erzeugte Kälte auf Minusgrade herab. Versklavung ist ihr Ziel. Der Rest der Welt als Verfügungsmasse. Deswegen predigen sie Flexibilität, deswegen predigen sie Deregulierung, deswegen predigen sie Privatisierung. „Die reale, positive Macht des Bösen“ formuliert der Philosoph Hans P. Schmidt, „ist nach Schellings Meinung nur zu verstehen, wenn das Böse nicht einer Schwäche des Willens beziehungsweise einer unbestimmten Willkür entspringt, sondern im Willen selbst gründet, nämlich im aktiven „Eigenwillen“ des Subjekts, das sich als Einzelner, als Gruppe oder auch zum Beispiel als Nation gegen den „Universalwillen“ durchsetzen kann. Wenn der „Eigenwille“ danach strebt, ‚das, was er nur in der Identität mit dem Universalwillen ist, als Partikularwille zu sein, dann ist er als partikularisierter Wille böse.“

Die Generation 60 plus hat die Aufgabe, über das Wohlergehen der Gesellschaft, über Anstand und über Moral zu wachen. Dass sie dazu fähig sind, ergibt sich aus ihrem Leben selbst. Denn neben einer hohen sozialen Kompetenz besitzen die Alten in aller Regel  reiches Faktenwissen in den grundlegenden Fragen des Lebens, reiches Strategiewissen, Wissen um Kontexte des Lebens und des gesellschaftlichen Wandels, Wissen um die Relativität von  Werten und Lebenszielen und nicht zuletzt Wissen um die Ungewissheiten des Lebens. Daher ist es eine der herausragenden Aufgaben der Alten, etwa bei Wahlen (Bundestagswahl, Landtagswahl, Kommunalwahl) dezidiert abzuwägen, wem unter den Bewerbern um politische Ämter sie ihre Stimme schenken können.

Leben ist Leben inmitten von Leben, das leben will – leben endet frühestens mit dem letzten Atemzuge.

Nur der Geist erkennt des Geistes Wert.

Wenn die Alten hierzulande utilitaristischen Überlegungen angelsächsischer Art die Argumentation nehmen und gesellschaftliche Bedeutung in dem Sinne gewinnen wollen, dass sie  jenseits der Reproduktion auf andere Art etwas zur Erhaltung der Spezies beitragen,. dann muss diese Bedeutung über ihre persönliche Zukunft hinausgehen. Sie müssen erkennen, dass der Zeitgeist und die Ziele der privaten Wirtschaft und der privaten Versicherungen darauf gerichtet sind, die sozialen und Solidarität stiftenden Errungenschaften des späten 19. Jahrhunderts und insbesondere der 50er, 60er und 70er Jahre des 20. Jahrhunderts zu zerstören. Die Alten dürfen ihre Energien nicht für Trivialitäten verplempern. „Wenn die Alten ihre Energie im Alter verbrauchen oder mit Trivialitäten und Spielereien verplempern“, sagt die berühmte amerikanische Altersforscherin Betty Friedan, „wenn sie nur die Zeit totschlagen und das Alter und den Tod verleugnen, verschleudern sie ihre auf die Zukunft gerichtete Weisheit und Generativität. Ihr Leben muss mehr sein als nur jene bedeutsamen Erinnerungen, die sie vielleicht für ihre Enkel aufschreiben. Die Alten  können die Zukunft nicht voraussehen. Doch wenn sie an den Problemen arbeiten, vor denen unsere Gesellschaft steht, und dabei ihre im Lauf des Lebens erworbene Weisheit und Generativität einsetzen, einschließlich des Wissens um die Entstehung des Sozialstaats, dann  hinterlassen sie ihren  Enkeln ein Vermächtnis, das darin besteht, dass sie bei der Gestaltung der Zukunft helfen und die Generativität und Solidarität des menschlichen Gemeinwesens entfalten und bewahren.“

Die Alten müssen ihr eigenes Leben leben, generativ solidarisch und als Teil der Gemeinschaft.

Bund der Pflegeversicherten e.V.

Gerd Heming (Vors.)

Münster, Mai 2013

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Erkenntnisse des Alters III

Erstellt von Gast-Autor am 30. April 2013

 Steuerhinterzieher – Die Parasiten sind mitten unter uns

Wir haben es derzeit mit einer neuen Variante von Unterdrückern zu tun, mit den Steuerhinterziehern, den „Masters of the Universe“, den Reichen und Superreichen. Sie  verstehen sich als die neuen Herrscher der Welt. Billionen  und Aberbillionen Dollar und Euro haben sie an sich gerafft und neben sich und ihrem Mammon lassen sie keinen anderen Gott gelten. Sie schaffen ihr Geld in die Steueroasen und leben daheim von jenen Steuern, die andere für sie bezahlen. Sie sind die Parasiten im Fleische vorwärtsstrebender und anständiger Gesellschaften, sie sind die Vernichter des Edelmutes, sie sind die Vernichter der Charakterfestigkeit, des Anstandes und der Solidarität.

Sie leben unter uns. Aber sie leben nicht mit uns. Ihr Ziel ist  Herrschaft und nicht die Gemeinschaft, ihr Ziel ist die Diktatur des Geldes. Sie sind einem Wahn verfallen, und es ist an der Zeit, diesem grassierenden Wahn ein Ende zu setzen – denn ihr Wahn hat das Ziel der  Enteignung  gesellschaftlichen Vermögens, ihr Wahn  will die totale Verwirklichung des alles zermalmenden neoliberalen Kapitalismus.  Es ist deshalb hochnotwendig, die Protagonisten des Neoliberalen Kapitalismus und der Privatisierung öffentlichen Eigentums zur Verantwortung zu ziehen und der Haftung zu überführen.

„Wenn heute“, so der ehemalige Bensberger Kreis, „in den unterschiedlichen politischen Lagern eine so einmütige Zustimmung zur Politik der Privatisierung und völligen Liberalisierung des Marktes zu beobachten ist, wo doch nach 1945 alle, wenn auch mit verschiedenen Ansätzen in eine solidarische Gesellschaft aufbrechen wollten, dann ist die Politik anscheinend immer mehr eine Gefangene des alles beherrschenden modernen Kapitalismus geworden und hat ihren gesellschaftlichen Gestaltungsauftrag aufgegeben.“ Sie ist so (wie ein Großteil der Medien) zum Handlanger einer von Kapitalinteressen geleiteten Ideologie geworden, bei der das Geld – wie es bei Leitbildern aller anderen Ideologien auch üblich ist – zum Selbstzweck wird. Offenbar hat die Politik sich von dem als alternativlos dargestellten Gesetz des Kapitalismus, der totalen Vermarktung um des Gewinnes willen und der daraus folgenden neoliberalen Ideologie, in Zugzwang bringen lassen. Sind aus Vertretern des Volkes  Verräter des Volkes geworden? Die Rentnerinnen und Rentner, die Kranken, die Hartz IV-Empfänger, die Aufstocker usw. wissen, wovon hier die Rede ist.

„Die neuen Herrscher der Welt“, sagt der Schweizer Soziologe Jean Ziegler, „ – die Beutejäger des globalisierten Finanzkapitals, die Barone der transkontinentalen Konzerne, die Börsenspekulanten, die Steuerhinterzieher – häufen ungeheure Vermögen an. Mit ihrem Tun zerstören sie den Staat, verwüsten die Natur und entscheiden jeden Tag darüber, wer sterben muss und wer überleben darf. Willfährige, effiziente Verbündete stehen ihnen zu Diensten, allen voran die Funktionäre  in der Politik, in den oberen Etagen der Steuerbehörden und  Banken bieten sich untertänigst an, den Steuerhinterziehern bei der Eröffnung von Konten und Briefkastenfirmen in den Steueroasen behilflich zu sein. – Der Geist des Bösen weht von vielen Hügeln her.

Und nun tauchen wie aus geheimen Quellen die Bankkontendaten der Steuerhinterzieher auf! Endlich können die Kriminellen dingfest gemacht und dorthin überführt werden, wohin sie gehören: In den Knast.

Aber schon stellen Medienvertreter und entartete, dem Neoliberalismus hörige Politiker  die Frage, ob der Staat gestohlene Bankkundendaten aufkaufen dürfe, um mit ihnen Verbrecher, nämlich die Steuersünder, zu überführen?

Die Antwort ist eindeutig und klar. Der Staat darf nicht nur, der Staat muss. Er ist verpflichtet, die gewonnen Daten gegen Verbrechen einzusetzen.

Denn bei der Frage nach der Verwendung von gestohlenen Daten zur Überführung von Verbrechern handelt es sich um Güterabwägungen – und zwar um die Güterabwägung von  Rechtsgütern. Das eine Rechtsgut ist die gleichmäßige und konforme Besteuerung der Personen in ihren Wohnsitzstaaten, das andere ist: als Staat mit deliktisch erworbenen Informationen umzugehen. Wir leben in einem Rechtsstaat.

Wenn dies in den Köpfen der Gesellschaft erkannt wird, dann ist die Frage nach dem Kauf von gestohlenen Informationen schon nicht mehr abwegig. Denn hier wird dem Nachdenkenden bereits klar, dass man die Güterabwägung zugunsten des Kaufs ausführt. Die Frage, die dahinter steht ist nämlich: Gibt es ein Recht, dass ein anderer Staat Steuerausländer, d.h.  Personen, die in diesem Staat keine Staatszugehörigkeit haben, de facto von ihren Steuerverpflichtungen, die sie ihrem Heimatland gegenüber haben, befreien darf? Es gibt kein solches Recht! Und ein Rechtsstaat darf es nicht dulden, dass ein Unrechtsstaat in seine Rechte eingreift.

Das ist die eigentliche Kernfrage!

Eine Güterabwägung bedeutet nicht, dass der „Zweck die Mittel heiligt,“, sie bedeutet auch nicht, dass hier ein Nutzenkalkül zugrunde liegt. Es spielt auch keine Rolle, wie hoch der Betrag ist, der hinterzogen wurde, und damit aufgedeckt werden kann. Ein  Rechtsstaat hat einen hohen ethischen Wert und so kann gefragt werden: Verstößt der Kauf von gestohlenen Daten gegen grundlegende Menschen- und Grundrechte? Das tut er nicht. Und das andere Rechtsgut, nämlich die Verfolgung der Steuerhinterzieher und deren  Bestrafung, lässt ein rasches Ergebnis zu.

Denn aus den obigen Abwägungen wird erkannt, dass  Rechtsstaaten zwingend dazu verpflichtet sind, Steuerhinterzieher zu verfolgen und im Rahmen des Rechtsstaats zu bestrafen. Die Steuerbehörden könnten nämlich verklagt werden, sollten sie die Steuersünder nicht verfolgen und nicht versuchen deren Verbrechen aufzudecken.

Um es zu wiederholen: Weder die Schweiz, noch Liechtenstein, noch Luxemburg, noch die Cayman-Inseln, noch die Cook-Inseln,  noch irgendeine andere Steueroase auf der Welt hat das Recht, Personen, deren Staatszugehörigkeit sich in einem anderen Land befindet, von ihren Steuerverpflichtung zu befreien.

Es ist ja nicht neu, dass sich die Reichen und Wohlhabenden der Steuer entziehen. Ganze Heerscharen von Dienstleistern, Banken, Steuerberater, Unternehmensberater, bieten sich ihnen untertänigst an. So sind denn auch die Reichen die ersten, die ihren Reichtum außer Landes bringen, wenn  ihrem Reichtum auch nur eine Ahnung von Gefahr droht. Die Reichen Griechenlands, Italiens, Spaniens, Portugals, Irlands und Zyperns sind Beispiele für Kapitalflucht. In all diesen Ländern wurden und werden die weniger Wohlhabenden, die einfachen Menschen, ihrem Schicksal überlassen. Mit anderen Worten: Die Reichen kennen keine Gnade mit den Gesellschaften, die ihnen den Reichtum erst ermöglichten.

Bei vielen Banken wird Geld gespart aber auch angelegt. Die kleinen Sparer, bis zu einem Sparbetrag von 20.000 Euro, sind zu schützen. Anlagen, die darüber hinaus gehen, können als zielgerichtete auf Gewinn ausgerichtete Beteiligungen gesehen werden. Es ist nicht nachvollziehbar, warum solche Beteiligungen geschützt werden sollen. Denn Beteiligungen sind mit Risiko verbunden, und Anleger haben in jeder Hinsicht das Risiko zu tragen.

Im Übrigen  gilt, dass Reichtum verpflichtet. Es ist unsinnig, Reichtum durch Einsatz von Steuergeldern zu schützen. Das Risiko liegt allein im Ermessen und in der Verantwortung des Reichen.

Im Falle, dass eine Bank insolvent wird, haben die Reichen mit ihren Einlagen in voller Höhe zu haften und Verantwortung zu übernehmen. Dieser Zwang, Verantwortung zu übernehmen, wird in den Medien fälschlicher Weise als Enteignung angeprangert. Doch in Wirklichkeit haben wir es hier nicht mit Enteignung zu tun, sondern mit der Umsetzung dessen, was das Grundgesetz in Artikel 14 gebietet: Reichtum verpflichtet. Somit werden die Reichen nicht enteignet, sondern dadurch, dass sie an den Verlusten ihrer Beteiligungen – wenn auch zwangsweise – beteiligt werden, mit vollem Recht auf ihre grundgesetzliche Pflicht verwiesen. Den Medien ist hier nicht zu trauen, denn sie nennen ja auch mutige Bürger – etwa im Falle Stuttgarter Bahnhof – „Wutbürger“.

In den Staatsgrundlagenbestimmungen des Artikel 20 unseres Grundgesetzes ist unser Staat ein Rechtsstaat, ein Sozialstaat, eine Demokratie, eine Republik und ein Bundesstaat. Die staatlichen Behörden und Institutionen  haben eine primäre Aufgabe: Sie stehen unter der strengen Pflicht, den Staat und seine Ordnung gegen Verbrecher und gegen Verletzer des Grundgesetzes zu schützen.

Unter allen Umständen! Ohne Ausnahme!

Denn gegen jeden, „der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“

Alles in allem spielt die  Urteilskraft die entscheidende Rolle!

Die Handlungen und Aktionen der Steuerhinterzieher, eines großen Teils der Medien und nahezu der gesamten Politik lassen  jedoch einen katastrophalen  Mangel an eben dieser  Urteilskraft erkennen.

Der Mangel an Urteilskraft aber ist Dummheit!

In seiner „Kritik der reinen Vernunft“ äußerte sich bereits vor mehr als zweihundert Jahren Immanuel Kant zu diesen Themen. Er sagt: „Wenn der Verstand überhaupt als das Vermögen der Regeln erklärt wird, so ist Urteilskraft das Vermögen unter Regeln zu subsumieren, d.i. zu unterscheiden, ob etwas unter einer gegebenen Regel (casus datae legis) stehe, oder nicht. Die allgemeine Logik enthält gar keine Vorschriften für die Urteilskraft, und kann sie auch nicht enthalten. Denn da sie von allem Inhalte der Erkenntnis abstrahiert; so bleibt ihr nichts übrig, als das Geschäfte, die bloße Form der Erkenntnis in Begriffen, Urteilen und Schlüssen analytisch aus einander zu setzen, und dadurch formale Regeln alles Verstandesgebrauchs zu Stande zu bringen. Wollte sie nun allgemein zeigen, wie man unter diese Regeln subsumieren, d.i. unterscheiden sollte, ob etwas darunter stehe oder nicht, so könnte dieses nicht anders, als wieder durch eine Regel geschehen. Diese aber  erfordert darum, weil sie eine Regel ist, aufs neue eine Unterweisung der Urteilkraft, und so zeigt sich, dass zwar der Verstand einer Belehrung und Ausrüstung durch Regeln fähig, Urteilskraft aber ein besonderes Talent sei, welches gar nicht belehrt, sondern nur geübt sein will. Daher ist diese auch das Spezifische des so genannten Mutterwitzes, dessen Mangel keine Schule ersetzen kann; denn, ob diese gleich einem eingeschränktem Verstande Regeln vollauf, von fremder Einsicht entlehnt, darreichen und gleichsam einimpfen kann, so muss das Vermögen, sich ihrer richtig zu bedienen, dem Lehrlinge selbst angehören, und keine Regel, die man ihm in dieser Absicht vorschreiben möchte, ist, in Ermangelung einer solchen Naturgabe, vor Missbrauch sicher.* Ein Arzt daher, ein Richter, oder ein Staatskundiger, kann viel schöne pathologische, juristische oder politische Regeln im Kopfe haben, in dem Grade, dass er selbst darin gründlicher Lehrer werden kann, und wird dennoch in der Anwendung derselben leicht verstoßen, entweder, weil es ihm an natürlicher Urteilskraft (obgleich nicht am Verstande) mangelt, und er zwar das Allgemeine in abstracto einsehen, aber ob ein Fall in concreto darunter gehöre, nicht unterscheiden kann, oder auch darum, weil er nicht genug durch Beispiele und wirkliche Geschäfte zu diesem Urteile abgerichtet worden. Dieses ist auch der einzige und große Nutzen der Beispiele: dass sie die Urteilskraft schärfen. Denn was die Richtigkeit und Präzision der Verstandeseinsicht betrifft, so tun sie derselben vielmehr gemeiniglich einen Abbruch, weil sie nur selten die Bedingungen der Regeln adäquat erfüllen, (als casus in terminis) und über dem diejenige Anstrengung des Verstandes oftmals schwächen, Regeln im Allgemeinen, und unabhängig von den besonderen Umständen der Erfahrung, nach ihrer Zulänglichkeit, einzusehen, und sie daher zuletzt mehr wie Formeln, als Grundsätze, zu gebrauchen angewöhnen. So sind Beispiele der Gängelwagen der Urteilskraft, welche derjenige, dem es am natürlichen Talent derselben mangelt, niemals entbehren kann.

Der Mangel an Urteilskraft ist eigentlich das, was man Dummheit nennt, und einem solchen Gebrechen ist gar nicht abzuhelfen. Ein stumpfer oder eingeschränkter Kopf, dem es an nichts, als an gehörigem Grade des Verstandes und eigenen Begriffen desselben mangelt, ist durch Erlernung sehr wohl, so gar bis zur Gelehrsamkeit, auszurüsten. Da es aber gemeiniglich alsdenn auch an jenem (der secunda Petri) zu fehlen pflegt, so ist es nichts Ungewöhnliches, sehr gelehrte Männer anzutreffen, die im Gebrauche ihrer Wissenschaften jenen nie zu bessernden Mangel häufig blicken lassen.“

Bund der Pflegeversicherten e.V.

Gerd Heming (Vors.)

Münster, März/April 2013

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Author Candida Performa

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Erkenntnisse des Alters II: Die Rente

Erstellt von Gast-Autor am 30. März 2013

Erkenntnisse des Alters II: Die Rente

Die Rente steigt im Jahr 2013 im Westen um 0,25 Prozent, im Osten um 3,69 Prozent. Für die 72jährige Rentnerin aus Dortmund mit einer Rente von Euro 500,00 pro Monat bedeutet das eine Erhöhung um 1,25 Euro im Monat oder Euro 0,0411663 pro Tag oder vier Cent. Dafür kann sie sich nicht einmal ein Hustenbonbon kaufen.

In der Realität, d.h. in den Geldbeuteln der Rentnerinnen und Rentner, bedeutet die „Rentenerhöhung“ mit Blick auf die Inflation einen Kaufkraftverlust von zwei Prozent

Wer hat sich das ausgedacht? So etwas kann selbst dem nicht einfallen, dem die Idiotie ins Gesicht geschrieben steht. Der Bundesarbeitsministerin in Berlin jedoch fällt so was ein!

Es ist kalt geworden in Deutschland. Mitten im März gleicht das Land einer riesigen, einer eisigen Gruft.. Die Kälte von Untoten, von Zombies weht uns an. Sie weht von denen her,  die wir die „Spitzen“ unserer Gesellschaft nennen: von ökonomischen und politischen Institutionen, von  Politikern, von  Managern, von den Börsen,  von  Banken und Versicherern und – teilweise – von den Medien. Wer die von der Leyens, den Barbiers, den Niejahrs oder den Ackermanns, den Clements, den Schmidts und Schröders, den Steinbrücks, den Merkels und vielen anderen bei ihren Diskussionen in Talkrunden in die Gesichter sieht, der weiß, warum von Untoten hier die Rede ist.

Angesichts sich ausbreitender Verwahrlosung und Verödung könnte man verzweifeln. Armut. Nicht nur materiell. Auch geistig. Auch psychisch. In Diskussionsrunden. In Parlamenten. In Arbeitsämtern. In Präsidien. In Rathäusern. In Sozialämter. In Krankenhäusern. In Pflegeeinrichtungen. Ganze Stadtteile verkommen. Nicht zu reden von Konzernzentralen.  Und was uns die Politik derzeit bietet, ist Chaos, ist – zusätzlich zum politischen Wirrwarr – soziale Eiszeit. Wann reißen wir endlich Politikern und Managern die Masken ab? Wann bringen wir deren verlogene Fassaden zum Einsturz? „Wir denken“, sagt Ulrich Beck, „in Zombie-Kategorien. In jenen vegetiert der öffentliche Diskurs dahin. Wir sind so erkaltet wie jene Zombie-Institutionen, in denen wir häufig leben ohne zu leben.“

Wo ist die Empörung?  Empört Euch, ihr Leute! Empört Euch, ihr Rentnerinnen und Rentner dieser Republik.

Am 01. September 2011 meldete die ARD in ihrem Morgenmagazin die Nachricht vom „Rentenschock“. Die beiden moderierenden Nicht-Rentner des Magazins berichteten, dass die Renten in den kommenden 14 Jahren um 10 Prozent sinken würden. Sie hatten auch gleich einen „Experten“ bei der Hand, der die Kürzung der Renten mit dem demographischen Wandel in unserer Gesellschaft begründete: „Immer weniger junge Beitragszahler der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) müssen immer mehr Rentnerinnen und Rentner finanzieren.“

Der „Experte“, ebenso die beiden Moderatoren, merkten den Unsinn nicht, den sie zum abertausendsten Mal der Öffentlichkeit präsentierten. Doch auch durch die tausendfach wiederholte Präsentation des Unwahren und Unsinnigen wird die Meldung nicht richtiger. Denn wenn es stimmt, dass in Deutschland etwa zwei bis drei junge Versicherte der GRV einen Rentner finanzieren, dann stimmt es auch, dass in Staaten, wie beispielsweise Indien, 40 junge Inder einen Rentner finanzieren. Logischerweise müssten also die Renterinnen und Rentner in Indien – oder anderen Ländern mit einer hohen Jugendquote – eine um das Zwanzigfache höhere Rente kassieren als die Rentner in Deutschland und konsequenterweise müssten sie ein Leben in schwelgendem Luxus führen. Das ist aber offenbar nicht der Fall. Übrigens: Im Deutschland vor hundert Jahren trugen 16 Arbeitnehmer einen Rentner. Trotzdem lebte der Rentner damals in tiefer Armut. Die Geschichte vom demographischen Wandel ist somit Quatsch – und dem „Experten“ mangelt es an Urteilskraft – was bei Kant nichts anderes als Dummheit heißt.

Inzwischen atmete man ja schon auf, wenn die Medien sich eines gesellschaftlichen Themas nicht annehmen. Denn tun sie es, produzieren sie heilloses Durcheinander, und statt Aufklärung und Klarheit, Unwissenheit. Wo die Medien sich einmischen erwächst statt Heil Unheil!

Im Übrigen leben die Rentnerinnen  und Rentner in Deutschland seit Jahren im Renten-Dauerschock. Denn dass der Kaufwert ihrer Renten sinkt, erfahren sie real seit vielen Jahren. Die Senkung der Renten hat jedoch ganz andere Ursachen als die, die uns die Politik, die Wirtschaft und die Medien weismachen. Und das aus verschiedenen Gründen:

Zum Ersten glichen weder die Rentenerhöhungen der vergangenen 15 Jahren noch die Renten-Nullrunden dieser Jahre die Preiserhöhungen der Lebensgrundlagen annähernd aus.

Zum Zweiten wissen die Rentnerinnen und Rentner der GRV, dass die Rentenbeiträge, die sie für ihren Lebensabend im Generationsausgleich eingezahlt haben, durch gesetzgeberische Manipulationen zweckentfremdet worden sind. Sie wissen, dass bereits während der ersten Wirtschaftskrise der Jahre 1966 bis 1968 runde 500 Milliarden Mark (250 Milliarden Euro) aus ihrer damals prallgefüllten Rentenkasse entwendet und zur Wirtschaftsförderung eingesetzt wurden. Sie wissen, dass sie mit ihren  gesetzlichen Beiträgen im Generationenverbund die Krise der 70iger Jahre finanzierten und dass ihre Kassen geplündert wurden, um die enormen Lasten der Frühverrentungscampagne (runde 200 Milliarden Euro) und der Wiedervereinigung Deutschlands (ebenfalls bisher rund 200 Milliarden Euro) auszugleichen. Sie wissen, dass sie mit ihren Beiträgen die Kosten für die Kriegsfolgelasten, für Kindererziehungszeiten usw. seit über 50 Jahren mitfinanzieren.

Dies sind aber Aufgaben, die von der gesamten Bevölkerung zu tragen wären, auch von den Beamten, Ärzten, Richtern, Abgeordneten, Freiberuflern und all jenen, die Einkommen jenseits der Beitragsbemessungsgrenze und der Pflichtversicherungsgrenze beziehen.  Alles in allem dürfte der Staat bei den  Beitragszahlern der GRV mit 2 Billionen Euro (2.000.000.000.000,00 Euro) in schuldnerischer Verpflichtung stehen. Es ist an der Zeit, dass diese Gelder durch eine stattliche Rentenerhöhung und durch Senkung der Beiträge, an die Beitragszahler der GRV zurückgezahlt werden. Gleichzeitig müssen die Beitragsbemessungsgrenze und die Pflichtversicherungsgrenze radikal beseitigt und muss die Bürgerversicherung eingeführt werden.

Doch davon nichts in den Medien! Darüber berichten die Medien nicht!

In der Rentendokumentation des ADG ist zu lesen:  „Wer weiß heute noch, dass der Gesetzgeber 1955 im Zusammenhang mit der Umstellung der Rentenversicherung vom Kapitaldeckungs- zum Umlageverfahren die Rückzahlung seiner Schulden, die er bei den Rentenversicherungsträgern hatte, mit der Begründung verweigerte, dass der Bund ja sowieso Steuermittel zur Verfügung stellt, wenn die Beiträge zur Finanzierung der Renten nicht ausreichen sollten? Das waren immerhin etwa 14,5 Mrd. Mark, bei einem Haushaltsvolumen 1956 von etwa 30 Mrd. Mark“ (Quellen: Bundestagsdrucksache 1659, S. 67; Die Angestellten-Versicherung 1956, Heft 1,S. 1). Die private Absicherung der Lebensrisiken hat von Beginn an nicht funktioniert, sie war schon nach wenigen Jahren pleite. Auf die Pleite der großen privaten Versicherer können sich die dort Versicherten auch in den kommenden Jahren einstellen.

Weitere Eingriffe in die Rentenversicherung, bis hin zur Rente mit 67, programmieren eine Absenkung des Nettorentenniveaus von ehemals 70 auf 48 Prozent. Die 48 Prozent vom früheren Netto gelten aber auch nur für diejenigen, die 45 Versicherungsjahre schaffen. Der Durchschnittsverdiener, der ab 2030 in Rente geht, muss nach heutigem Rechtsstand 37 Jahre Beiträge gezahlt haben, um eine Rente auf Sozialhilfeniveau zu kriegen. Wer nur 80 Prozent vom Durchschnittseinkommen verdient – das betrifft vorrangig Frauen – für den werden das 42 Jahre. Und dabei erzielt bereits ein Drittel der Beschäftigten in Westdeutland Einkommen von weniger als 75 Prozent des Durchschnittsverdienstes. Schon heute liegen die Rentenzahlbeträge im Westen bei 90 Prozent der Frauen und 40 Prozent der Männer unter der Armutsgrenze.

Ein weiterer wesentlicher Grund für die Kürzung der Renten ist folgender: Der Anteil der Rentenausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) war bis in die späten 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts  relativ stabil. Bis dahin kompensierte die allgemeine Wohlstandsentwicklung sowohl den demografischen Wandel als auch die Fortschritte in der Rente. Das begründet die Annahme, dass ein Reformmodell, dass die Einnahmen an die allgemeine Wohlstandsentwicklung ankoppelte, den gesellschaftlichen Fortschritt und den demografischen Wandel auch in Zukunft kompensieren würde. Eine Reform der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) war also nicht notwendig, weil die Ausgaben explodierten, sondern wegen der Verteilungsverhältnisse. Darum ist die Bürgerversicherung von so entscheidender Bedeutung.

Nicht einmal eine so klare Aussage kapieren die Macher der Medien – und in der Politik herrschen die Toren.

Die zuvor genannten Verteilungsverhältnisse wurden 1998 mit der Wahl Gerhard Schröders zum B