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Archiv für April 9th, 2024

Rückblende vom 01. April 2024 zum Ostermarsch 2024 in Hamburg

Erstellt von Redaktion am 9. April 2024

Redebeitrag für den Ostermarsch 2024 in Hamburg am 1. April 2024

Lühr Henken, Hamburg  
– Sperrfrist: 01.04., Redebeginn: ca. 12.30 Uhr –
– Es gilt das gesprochene Wort –
 
Liebe Friedensfreundinnen, liebe Friedensfreunde,
die Entscheidung des Bundeskanzlers, keine TAURUS an die Ukraine zu liefern, ist eine gute Entscheidung. Denn sie verhindert zunächst einmal eine unkalkulierbare Eskalation des Ukraine-Krieges. Aber diese Nichtlieferung gilt ausdrücklich nicht dauerhaft, so dass sie nicht unumstößlich ist. Und wir wissen, was ein Nein des Kanzlers bei Gepard und Leopard früher bedeuteten: Nichts. Sie wurden geliefert. Was noch bedeutsamer ist: die 600 TAURUS in deutscher Hand sollen einsatztauglich gemacht werden. Wir werden weiterhin wachsam sein müssen, damit es nicht zur Lieferung der Taurus kommt. Wir wissen die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung hinter uns. 61 Prozent lehnen die Lieferung von TAURUS an die Ukraine ab. Dabei muss es bleiben!

Was mich beunruhigt, ist die Kombination von Folgendem: Auch nur zarteste Ansätze, Verhandlungen als Lösungsansatz für den Ukraine-Krieg in die öffentliche Debatte zu werfen, werden verbal gnadenlos niedergeknüppelt. Das Zweite: Die Rüstungsproduktion hierzulande und in Europa soll gesteigert werden. Drittens: Waffen für die Ukraine sollen mit deutschem und europäischem Geld überall auf der Welt eingekauft werden können – auch in den USA. Wenn die USA die Waffen nicht für die Ukraine kauft, dann sollen die Europäer mit Deutschland an der Spitze sie in den USA kaufen. Scholz treibt diese Vorhaben nach Kräften voran. Nicht verhandeln wollen und gleichzeitig Waffenproduktion und Waffeneinkauf steigern, um sie an die Ukraine zu liefern, ist Kriegstreiberei!
Diese Kriegstreiberei macht sich auch in der deutschen Rüstungsexportstatistik sehr deutlich bemerkbar. Das letzte Jahr brachte den höchsten Genehmigungswert für deutsche Exporte aller Zeiten. Ein Plus von 45 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das schlug sich im letzten Jahr auch schon auf die tatsächlich erfolgten Exporte  schwerer Waffen und Rüstungsgüter nieder, wie SIPRI, das Stockholmer Friedensforschungsinstitut, errechnete. Deutschland belegte im letzten Jahr beim Export weltweit nach den USA Platz 2!  Ein Plus von 122 Prozent gegenüber 2022. Deutschland ist Vizeweltmeister beim Export des Todes.
Welch ein Skandal!
Das ist ein Ergebnis der Zeitenwende-Rede von Scholz vor mehr als zwei Jahren. Damals kündigte er den Tabubruch an: Künftig solle Deutschland Waffen auch in Krisen- und Kriegsgebiete liefern.

Das war Teil 1 seiner Zeitenwende-Rede.

Teil 2 der Rede war die Ankündigung, künftig mehr als zwei Prozent der Wirtschaftsleistung, also des BIP, ins Militär zu stecken. Das wird dieses Jahr der Fall sein. Ein Interna aus dem Verteidigungsministerium machte die FAZ publik: Pistorius geht von 2,1 Prozent in diesem Jahr aus. Das macht, wenn die Wirtschaftsprognosen zutreffen, 89 Milliarden Euro aus – ein Rekordwert –  ein Plus von 21 Milliarden gegenüber dem letzten Jahr. Aber das soll es längst nicht gewesen sein. Verteidigungsminister Pistorius machte vor kurzem deutlich,  dass auch 3 bis 3,5 Prozent möglich wären, je nach Weltlage. Überträgt man diese Zahlen auf die heutige Zeit, wären das horrende 125 beziehungsweise 150 Milliarden Euro im Jahr für die Bundeswehr. Und das alles aus dem Bundeshaushalt. Das bedeutet, die 70 Milliarden, die in diesem Jahr direkt aus dem Haushalt in die Bundeswehr fließen, steigen auf bis zu 150 Milliarden. Diese zusätzlichen 80 Milliarden müssen im Haushalt an anderer Stelle gespart werden. Im Haushalt sind 175 Milliarden für  Sozialausgaben vorgesehen. Dieser Betrag würde dann fast halbiert werden. Die Folge: Halbierung des Bürgergeldes, der Grundsicherung, der Arbeitsförderung und auch der Rentenzuschüsse aus dem Bundeshaushalt. Das bedeutet konkret: Kürzung der Renten um bis zu 20 Prozent. Ich finde, die Regierung muss bei solchen Aufrüstungsplänen die gesamte Wahrheit auf den Tisch legen. Das ist bisher nicht der Fall. Sie verschweigt die extremen sozialen Folgen der Hochrüstung: der absehbare Bankrott des Sozialstaats! Das gefährdet den Frieden im Innern.  Wir wollen nicht Kanonen statt Butter, sondern Butter statt Kanonen!!

In diesem Reigen der Aufrüstung stehen zwei Mega-Projekte im Vordergrund. In seiner Zeitenwende-Rede  vor mehr als zwei Jahren erklärte Kanzler Scholz, dass er diese deutsch-französischen Projekte mit „oberster Priorität“ verfolge. Erstens, das Panzer-Projekt MGCS, mit dem künftige Landkriege gewonnen werden sollen, und zweitens FCAS, das Luftkampfsystem der Zukunft. Mit FCAS sollen europäische Weltmachtträume ab Mitte des Jahrhunderts in Erfüllung gehen. Ein großer Stolperstein: Die Kosten. Greenpeace hat errechnen lassen, dass der FCAS-Betrieb über 30 Jahre lang wohl 1.100 bis 2.000 Milliarden Euro kosten wird. Ein nie dagewesener Horror! Die Entwicklung von MGCS und FCAS sind im Gange, ohne dass die Öffentlichkeit auch nur im Geringsten über diese Kostengigantomanie in Kenntnis gesetzt wurde. Deshalb die Forderung heute: Stoppen Sie diesen Rüstungswahnsinn sofort!!

Es gibt noch zwei weitere Vorgänge die gestoppt werden müssen. Sie gefährden unser Leben in höchstem Maße.
Der erste: Die Diskussion um eine EU-Atombombe auf der Basis der französischen Atommacht, und eng verwandt damit eine nationale deutsche Atombombe. Beide Diskussionen verbieten sich, weil die Realisierung solcher Machenschaften den Atomwaffensperrvertrag bricht. Sie gefährden unser Leben, weil sie Russland geradezu zu einem atomaren Präventivschlag einlädt. Schluss mit dieser Diskussion!Deutschland soll endlich auf die Nukleare Teilhabe verzichten und dem Atomwaffenverbotsvertrag beitreten!

Der Zweite: Gestoppt werden muss die Vorbereitung der Stationierung von US-Hyperschallwaffen Dark Eagle in Deutschland, die für 2025 vorgesehen ist. Dark Eagle sollen, wie einst Pershing II, einen strategischen Enthauptungsschlag gegen die Führung in Moskau ermöglichen. Würde die Ampel sich dem entgegenstellen, wäre ein russischer Präventiv- oder Vergeltungsschlag nicht mehr zu fürchten.  Leider verhält sich die Bundesregierung bisher dazu wie die drei Affen: Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen. Das ist mehr als unverantwortlich und bricht mit dem Regierungseid: Schaden von Deutschland abzuwenden. Wir haben gerademal noch ein Jahr Zeit, um Scholz, Habeck, Lindner und Co. zu einem Stopp dieses wahnsinnigen US-Vorhabens zu bewegen.

Alles dies sind höchst beunruhigende Indizien für eine tatsächlich lebensgefährliche Zukunft, der wir nicht entgehen können, indem wir allesamt kriegstüchtig werden. Die zugrunde liegenden Konflikte sind nur so aus der Welt zu schaffen: per Gespräch, durch Verhandlungen und kontrollierte Verträge. Nicht Kriegstüchtigkeit ist die Voraussetzung zur Konfliktlösung, sondern die Fähigkeit zum Frieden.

Ich bitte euch, nehmt das hier Gehörte mit in euren Freundes- und Kolleg:innenkreis. Helft mit, den Widerstand gegen Aufrüstung und Krieg aktiv zu erweitern!

Nur eine große Friedensbewegung ist in der Lage, die Politik auf Verhandlungen und Abrüstung hin auszurichten. 

Vielen Dank!
 
Lühr Henken ist Co-Sprecher des Bundesausschuss Friedensratschlag.

Quelle:
https://www.friedenskooperative.de/ostermarsch-2024/reden/l%C3%BChr-henken-hamburg
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Rückblende vom 27.03.2024 auf die Ostermärsche 2024 – Absage an Kriegstüchtigkeit

Erstellt von Redaktion am 9. April 2024

Friedensbewegung
Absage an »Kriegstüchtigkeit«
Ostermärsche für Frieden und Abrüstung haben begonnen. Höhepunkt am Wochenende.
DGB mit doppeldeutigem Aufruf

Von Henning von Stoltzenberg

Alexander Pohl/aal.photo/imago
Ostermarschierer im vergangenen Jahr in München (8.4.2023)
Ausgewählte Termine Donnerstag, 28. März

Am vergangenen Sonnabend haben die Veranstaltungen der Ostermarschbewegung
für Frieden und Abrüstung mit dem Potsdamer Ostermarsch begonnen.

Am kommenden Wochenende finden im gesamten Bundesgebiet über 100 Kundgebungen und Demonstrationen statt –
einmal mehr unter dem Eindruck kriegerischer Auseinandersetzungen in Europa, im Nahen Osten und
vor dem Hintergrund des Aufrüstungskurses der Bundesregierung.

Die Teilnehmer eint die Ablehnung der Aufrüstung zur »Kriegstüchtigkeit« und
die Kritik am herrschenden Diskurs über diese Kriege.

»Die Kriege beenden, die Aufrüstung stoppen! Friedensfähigkeit statt Kriegstüchtigkeit!«
lautet etwa der Slogan für den Ostermarsch Rhein-Ruhr, der traditionell am Ostersonnabend in Duisburg beginnt.

Die Welt befinde sich in existentieller Gefahr,
ist die Einschätzung der Organisatoren der Ostermarsch-Aktionen in der Region.

Die weltweiten Spannungen, Konflikte und Waffengänge sowie die Atom- und Hochrüstung
steigerten die Gefahr eines großen Krieges, die ökologische Katastrophe bedrohe die Lebensgrundlagen.

Die alte, von den USA dominierte Weltordnung gehe dem Ende entgegen, und eine neue Weltordnung sei im Entstehen.

Die Rückkehr der Diplomatie statt der Illusion militärischer Lösungsversuche
sei ebenso das Gebot der Stunde wie die Beendigung sämtlicher Waffenexporte.

Während diese Einschätzung in der Friedensbewegung überwiegend Konsens ist,
gibt es wie schon im vergangenen Jahr Kontroversen hinsichtlich der Frage der Bündnispartner.

So ist erstmalig die Aktion des Friedensforums Düsseldorf nicht Teil des Ostermarsches Rhein-Ruhr,
weil dort auch Akteure mit von der Partie sind,
denen von verschiedenen Beteiligten »Rechtsoffenheit« vorgeworfen wird.

Der Ostermarsch Rhein-Ruhr sieht sich in antifaschistischer Tradition und grenzt sich deutlich gegen rechts ab.

Andernorts werden ähnliche Diskussionen geführt, allerdings nicht immer öffentlich.

Die Abspaltung der Gruppe um Sahra Wagenknecht von der Linkspartei und die Gründung des BSW
führt dagegen nicht zwingend zu einer weiteren Zersplitterung der Friedensbewegung.

»Uns ist es wichtig zu betonen, dass wir uns anhand dieser Frage nicht aufspalten lassen«,
sagte Felix Oekentorp, einer der Sprecher des Ostermarsches Rhein-Ruhr, gegenüber jW.

So werde Özlem Alev Demirel, Linke-Spitzenkandidatin zur Europawahl, in Dortmund sprechen,
während Andrej Hunko (BSW) in Herne als Redner eingeladen wurde.

Ein ernsteres Problem für die Friedensbewegung ist dagegen
die ambivalente Position des DGB auf der Bundesebene,
der mit einem eigenen Aufruf zu den Ostermarsch-Aktionen mobilisiert.

Der Gewerkschaftsbund fordert einerseits von der Bundesregierung,
sich mit aller Entschlossenheit für diplomatische Ansätze zur Konfliktlösung einzusetzen und neue Initiativen
für die Wiederbelebung von Abrüstung, Rüstungs- und Rüstungsexportkontrolle auf den Weg zu bringen.

In dem Aufruf fordert der DGB eine »Politik, die für Gewaltfreiheit,
ein breites Sicherheitsverständnis und multilaterale Kooperation eintritt,
statt sich auf militärische Bedrohungen und Freund-Feind-Rhetorik zu fixieren«.

Zuvor heißt es jedoch, man stehe solidarisch an der Seite der Ukraine,
wenn es darum ginge, ihr die Wahrnehmung ihres Rechts auf Selbstverteidigung zu ermöglichen –
was man kaum anders denn als Bekenntnis zu Waffenlieferungen an Kiew verstehen kann.

Außerdem fällt kein Wort über die israelischen Kriegsverbrechen und die humanitäre Katastrophe im Gazastreifen.

Zahnlos heißt es, die Bundesregierung müsse gemeinsam mit ihren Partnern dafür sorgen,
dass die Grenzen des humanitären Völkerrechts von keiner Kriegspartei überschritten würden.

»Ich freue mich darüber und finde es positiv, dass der DGB zum Ostermarsch aufruft.

Die Passagen zum Ukraine-Krieg stimmen mich jedoch wenig euphorisch.

Die Passage zum Nahen Osten ist wohl der Staatsräson geschuldet«,
schätzt Oekentorp den Aufruf der Gewerkschaftsspitze ein.

Quelle: https://www.jungewelt.de/artikel/472210.friedensbewegung-absage-an-kriegst%C3%BCchtigkeit.html
Aus: Ausgabe vom 27.03.2024, Seite 3 / Schwerpunkt

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