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Staatskrise wird zur Normalität – Krise, Rezession, Finanznot:

Erstellt von Redaktion am Samstag 10. Februar 2024

 

 

Regierung vor Scherben ihrer Wirtschaftspolitik.

Streit um Hilfen für Unternehmen

Von Klaus Fischer

Britta Pedersen/dpa

Bedienen unterschiedliche Klientelen: Die Minister Christian Lindner und Robert Habeck

 

Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck hat seinen bisherigen Kurs mal eben in den Senkel gestellt.

Am vergangenen Wochenende erklärte der Grünen-Politiker in der Welt am Sonntag (WamS), dass es so wie bisher nicht weitergehen könne: »Auch ich sehe, dass wir in der Summe eine Unternehmensbesteuerung haben, die international nicht mehr wettbewerbsfähig und investitionsfreundlich genug ist«, sagte er dem Springer-Blatt.

»Genau deshalb sollten wir überlegen, wie wir zum Beispiel Steuererleichterungen, Steueranreize für Investitionen in der Perspektive finanzieren.«

Hat Habeck also endlich erkannt, dass die Lokomotive der EU auf den Prellbock zusteuert? Die Krise ist offensichtlich. Sie wird zwar weiter dem bösen Putin zugeschrieben – so viel geistige Verrenkung war bislang stets vermittelbar. Doch nun sind selbst konjunkturgläubige Wessis ins Grübeln gekommen, wie die »Beliebtheitswerte« für die Scholz-Habeck-Lindner-Regierung zeigen.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) schrumpft. Vor allem hohe Energiepreise – und das Beharren auf schneller »grüner« Transformation – belasten die Konkurrenzfähigkeit des früheren Exportweltmeisters. Die Automobilbranche – lange das Huhn, das goldenen Eier legte – baut Tausende Jobs ab. Andere verlagern ihre Produktion oder machen den Laden dicht. Die Zahl der Pleiten erreicht Rekordhöhen. Schlimmer noch: Inflation frisst Ersparnisse, bedrängt abhängig Beschäftigte in bislang nicht gekanntem Maße. Geringverdiener und Armutsrentner geraten tiefer in Existenznot. Und während Beamte, der öffentliche Dienst insgesamt, aber auch Metaller, Eisenbahner oder Beschäftigte der Luftfahrtbranche auf ihre Gewerkschaften setzen können, sind Hunderttausende Mindestlöhner auf sich allein gestellt. Das – und das weitere Beharren auf einer Konfrontation mit Russland – hat die weltweit zu den fünf größten Volkswirtschaften zählende BRD in schweres Fahrwasser gebracht.

Neu ist Habecks Vorstoß nicht. Schon vor Monaten war er mit der Idee zur Einführung eines subventionierten »Industriestrompreises« für ausgewählte Unternehmen auffällig geworden. Doch solche Ideen kosten. Selbst ein Land, das zu den gierigsten der Welt zählt, was das Steueraufkommen betrifft, kann das kaum stemmen. Allein der Bund jongliert inzwischen mit gut und gerne einer halben Billion Euro pro Jahr, zum Teil in »Sondervermögen« versteckt. Und es reicht nicht.

Es gebe »extrem enge finanzielle Spielräume« bei Bund, Ländern und Kommunen, so Habeck weiter in der WamS. »Und ja, wir werden sicherlich sparen müssen«, meinte er mit Blick auf Finanzminister Christian Lindner (FDP). Der kommentierte den Vorstoß seines Kollegen im selben Medium süffisant: Die Idee sei »in jeder Hinsicht überraschend« gewesen. »Der Wirtschaftsminister sagt damit ja, dass er mit der bestehenden Wirtschaftspolitik der Bundesregierung unzufrieden ist und er etwas komplett anderes für nötig hält.« Dabei ist auch Lindner für Steuersenkungen für Unternehmen, will aber momentan keine weiteren Schulden machen. Damit sind die finanziellen Spielräume auf nahezu Null reduziert.

Beide Politiker haben eine unterschiedliche Klientel. So versucht der Freidemokrat Lindner, die bündnisgrünen Ambitionen des Klimaschutzministers zu bremsen. Nicht zuletzt der neu entfachte Zank um das EU-Lieferkettengesetz und die angestrebte EU-Einigung zur CO2-Reduzierung bei Lkw und Bussen um 90 Prozent bis 2040 machen das deutlich. Beide Vorhaben werden momentan von der FDP blockiert, was in den Medien allerlei Befürchtungen über mangelnde deutsche »EU-Solidarität« provoziert. Doch sinkende Wirtschaftsleistung mündet in fallende Profitraten und mindert das Steueraufkommen. Der »Wohlstand« (wo er noch da ist) erodiert, es gärt in der Bevölkerung. Auch der »Migrationsdruck« hält an.

USA und NATO dringen darauf, die Ukraine weiter mit Milliarden zu füttern. Die »grüne« Agenda kommt teurer als gedacht, bietet indes kaum Planungssicherheit, weil wichtige Säulen – etwa, bei der Stahlerzeugung auf Strom aus »grünem Wasserstoff« zu setzen – technologisch und kostenmäßig kaum fundamentiert sind.

Die Ampelkoalition hat keine Wahl. Sie jongliert mit mehreren riesigen Elefanten. Und wenn sie bei einem patzt, fällt das Spiel in sich zusammen. Sie muss etwas in die Arena werfen, um vor allem das Kapital zu beruhigen. Da sind sich Habeck und Lindner einig – während Kanzler Olaf Scholz wie immer schweigt. Doch Lösungen gibt es nicht. Eher ein Ende mit Schrecken: noch mehr Schulden. Das Grundgesetz wird geändert. Die Ampel zerfällt. Die Union macht auf »große« Koalition mit Scholz’ SPD. Alles geht weiter wie bisher. Eine Staatskrise, die zur Normalität wird.

Quelle:

https://www.jungewelt.de/artikel/469013.wirtschaftspolitik-staatskrise-wird-zur-normalit%C3%A4t.html

Aus: Ausgabe vom 10.02.2024, Seite 5 / Inland – Wirtschaftspolitik

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