Gebt uns ein Feindbild!
Erstellt von DL-Redaktion am 31. Januar 2015
Terror und Pegida:
Gebt uns ein Feindbild!
von Albrecht von Lucke
Hinter dem Ruf „Wir sind das Volk“ der Demonstranten verbirgt sich der Vulgär-Rousseausche Gedanke, dass der allgemeine Volkswille heute auf der Straße liegt und nicht mehr in den Parlamenten. Die Wutbürger von Dresden treten dezidiert gegen „das System“ auf, womit sie neben der Politik längst auch die angebliche „Lügenpresse“ meinen. So steht Pegida in erster Linie für die völlige Ablehnung dessen, was man als „politisch-medialen Komplex“ bezeichnen könnte: die „Eliten“ aus Medien und Politik.
Angesichts der Geschichte der Bundesrepublik haben wir uns daran gewöhnt, derartige Systemkritik als ein eher linkes Phänomen zu begreifen. Um 1968 glaubte sich die Linke in der Tradition Adornos einem großen Verblendungszusammenhang aus Konsumwirtschaft, Politik und Medien ausgesetzt. Daher gelte es gegen die Mainstream-Medien – und speziell gegen die „Springer-Presse“ – zu demonstrieren und Alternativen aufzubieten. Gleichzeitig firmierte die parlamentarische Demokratie als bloß „bürgerliche“, gegen die rätedemokratische Formen zu entwickeln seien. Heute ist dieses anti-bürgerliche Ressentiment wieder dort gelandet, wo es ursprünglich, in den 1930er Jahren, eben auch herkam – nämlich von ganz rechts, aus der Kritik an den Parteien des „Systems von Weimar“. Daher ist es so fatal, wenn Oskar Lafontaine in klassischer NS-Diktion konkurrierende Parteien als „Systemparteien“ denunziert. Damit arbeitet er, ob gewollt oder ungewollt, den Propagandisten einer Querfront mit der Neuen Rechten in die Hände. So versucht der einstige Linke und heutige Nationalchauvinist Jürgen Elsässer längst alle Anti-Westler, von links wie rechts, gegen das „System“ der EU zu sammeln: „Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks sind alle negativen Elemente der UdSSR auf die EUdSSR übergegangen: Das Politbüro mit den allmächtigen Kommissaren sitzt nicht mehr in Moskau, sondern in Brüssel; je mehr sich Westeuropa entchristianisiert, desto mehr findet das Dritte Rom [Putins Moskau] wieder zum Glauben; der Kampf gegen die Familie und für die sexuelle Umerziehung werden in der EU unter dem Titel Gender Mainstreaming in einem Maße betrieben, wie es nicht einmal im Frühbolschewismus der Fall war.“
Wie zu Zeiten der Großen Koalition der 60er Jahre muss es SPD und Linkspartei gelingen, eine politische Alternative zur Dominanz der Union zu formulieren. Die Linke ist hier auch deshalb besonders gefordert, weil es sich bei der Anhängerschaft von Pegida keineswegs um „geborene“ AfD-Wähler handelt. Ihre Aufgabe besteht darin, die großen sozialen Verunsicherungen, die in dieser neuen politischen Heimatlosigkeit auch mitschwingen, aufzugreifen und ihnen einen demokratischen Ausdruck zu verleihen. So käme es etwa darauf an, den breiten Vorbehalten in der Bevölkerung gegen die neoliberale Deregulierung des Welthandels endlich eine Stimme zu verleihen und CETA bzw. TTIP doch noch zu verhindern.
Quelle: Blätter >>>>> weiterlesen
———————————————————————————————————————————
Grafikquelle :
Abgelegt unter Bundestag, P. DIE LINKE, Regierung | 3 Kommentare »