DEMOKRATISCH – LINKS

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RENTENANGST

100.000-Mark-Schäuble

Erstellt von DL-Redaktion am 30. Oktober 2017

Eine Geisterstunde der Demokratie

Matthias Laurenz Gräff. Triptychon "Der griechische Altar. Merkel und Schäuble als falsche Caritas".jpg

Nur ein Kreuz hängt einer weiteren Fütterung im Weg?

Autor: U. Gellermann

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Gewählt! Gewählt! Gewählt! – Tätä! Natürlich total demokratisch. Der neue Präsident des Deutschen Bundestages. Doktor Wolfgang Schäuble. Lang, lang ist es her. Da hatte der selbe Doktor Schäuble vom Waffenhändler Karl-Heinz Schreiber eine Parteispende von 100.000 Mark bekommen. Das Geld verschwand. Und ist bis heute verschwunden. – In diesen Tagen ist der dubiose Geld-Verschwindler Schäuble mit schönster Mehrheit gewählt worden. Die Abgeordneten haben alle ein Rederecht, das sie hätten nutzen können. Zum Beispiel so:

Andrea Nahles, SPD, die neue Oppositionsführerin: „Meine Damen und Herren, ich will ohne langes Drum-Herum-Gerede dem Kollegen Wolfgang Schäuble zur Wahl zum Bundestagspräsidenten gratulieren! Und jeder, der es wagt, den verehrten Herrn Schäuble auf die 100.000 Mark anzusprechen, die er vor Jahren mal in einer Schublade vergessen haben soll, der kriegt es von mir persönlich in die Fresse! Und wer jetzt behauptet, das sei eine faktische Fortsetzung der großen Koalition, der hat natürlich Recht: Längst arbeiten wir mit der CDU in Niedersachsen an der Weiterführung dieser bewährten Gang. Und wer weiß, ob wir das nicht in diesem hohen Hause auch wieder hinkriegen! So geht Demokratie.“

Ihr folgt Alexander Gauland, Fraktionsvorsitzender der AfD: „Was sind schon die paar Mark im Angesicht deutscher Geschichte! Das mindert weder die Leistung deutscher Soldaten an der Front noch anderswo. Na schön, der Herr Doktor Schäuble hat mal 100.000 Mark entsorgt. Da gäbe es noch viel mehr zu entsorgen! Wenn wir erst mal die Flüchtlingsfrage entsorgt haben, dann muss man sich über die läppischen 100.000 Mark keine Sorgen mehr machen. Mit uns wird sich Deutschland wieder ins Gesicht schauen können, ohne Rot zu werden. Ja, wenn es Euro gewesen wären, die der Herr Schäuble irgendwo vergessen hat. Da hätte er sogar ein gutes Werk getan. Denn der Euro beleidigt die Deutsche Mark, so wie der Flüchtling das Deutsche Volk beleidigt. Das wird allen Beteiligten noch leid tun.“

Federnden Schrittes betritt Christian Lindner, FDP, das Rednerpult: „Es ist doch eine Frage der Freiheit, meine Damen und Herren, ob man 100.000 Mark hat oder nicht. Zwischen Haben und Nicht-Haben liegen doch bei genauer ökonomischer Betrachtung glatt 200.000 Mark! Sicher, Herr Dr. Schäuble ist höchst liberal mit dieser Summe umgegangen. Aber er hätte doch seinen Steuerberater fragen sollen. Der hätte ihm schon einen schönen Platz zum Verschwindenlassen nennen können. Wegen ein paar 100.000ern werden wir jedenfalls keine Neid-Debatte beginnen. Der große, freie Markt schluckt solche kleinen Beträge, ohne auch nur zu rülpsen! Das ist die Freiheit, die wir meinen. Herzlichen Glückwunsch, lieber Wolfgang, und immer Zeit genug zum Geld zählen!“

Petra Pau von der Linkspartei hebt an zu reden. Stille breitet sich aus im Bundestag. Denn die LINKE gilt als scharfer Gegner der CDU und als klassischer Feind der Rüstungsindustrie und ihrer korrupten Vertreter im Parlament: „Das Grundgesetz sagt ja eindeutig, dass wir Abgeordneten nur unserem Gewissen unterworfen sind. Seit Dr. Wolfgang Schäuble sich dafür ausgesprochen hat, dass Israel assoziiertes EU-Mitglied werden soll, sagt mir mein Gewissen: Wer die Folgen des Holocaust so konsequent wieder gut machen will, dass er sogar den Nahen Osten in die Mitte Europas holen möchte, der kann kein schlechter Mensch sein. Und wer weiß, vielleicht sind die Waffen des Händlers Karl-Heinz Schreiber sogar gegen die terroristischen Palästinenser verwendet worden. Dann wären die verschwundenen 100.000 Mark doch für einen guten Zweck eingesetzt. Deshalb kann ich heute guten Gewissens sagen: Auf gute Zusammenarbeit auch in den nächsten Jahren, Herr Dr. Schäuble.“

Katrin Göring-Eckardt, von Bündnis 90/Die Grünen, ist die letzte der Gratulanten: „Meine Damen und Herren, was sagt die Bibel in diesem Fall: ‚Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein‘. Nun gab es ja einst in meiner Partei auch Steinewerfer, aber diese Zeit ist schon lange vorbei. Als brave Untertanen kämen wir heute nie auf solche Ideen. Ich gehe außerdem davon aus, dass Wolfgang Schäuble damals nur eine interessante Form der Müll-Beseitigung vornahm. Da lag bedrucktes Papier herum, und er ließ es einfach spurlos verschwinden. Und schließlich sagt uns die Bibel auch: ‚Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.‘ So hat der evangelische Christ Wolfgang Schäuble diese gefährlichen 100.000 Mark einfach dem üblichen Kreislauf entzogen und andere vor der Versuchung bewahrt. Wenn ich jetzt an dieser Stelle an die Lutherbibel erinnere, die da sagt: ‚Alles hat seine Zeit – Schweigen hat seine Zeit und Reden hat seine Zeit‘, dann darf ich jetzt den Mantel des Vergessens über den Betrag werfen, den ich schon gar nicht mehr nennen will und deshalb alle Abgeordneten bitten: Schweigen Sie mit!“

Im Ergebnis dieses allgemeinen Schweigens verpasste der Bundestag eine Sternstunde der offenen und ehrlichen Debatte, um eine Geisterstunde zu zelebrieren, die dem Parlament ihren Stempel für die nächsten Jahre aufdrückt: Schweigen ist Gold, im Wert von mindestes 100.000 Deutschmark.

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Grafikquelle    :    Matthias Laurenz Gräff, Triptychon „Der griechische Altar. Merkel und Schäuble als falsche Caritas“, Öl auf Leinwand, 120×80 / 80×100 cm / 120×80 cm cm, 2015 http://www.matthiaslaurenzgraeff.com/

 

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Ein Hohes Haus, oder?

Erstellt von DL-Redaktion am 18. März 2014

Willemsen leidet am Hohen Haus — ohne große Menschen

Ein ganzes Jahr hat er sich ins Parlament gesetzt um den Bundestagsabgeordneten zuzuhören und dann ein Buch darüber geschrieben. Seine Beobachtungen bezeichnet Roger Willemsen als einen Abgesang auf die Würde des Parlaments und wir sollten ihm dafür dankbar sein, sich für eine so lange Zeit in dieser unterbelichteten Szene auf gehalten zu haben.

Wobei wir immer schon ironisch auf die breite Presse geblickt haben, welche dieses seltsame, sich selber Politiker nennende Völkchen, im vorauseilenden Gehorsam seinen Lob zollt. Vielleicht auch ein Grund mit, weshalb die Printmedien mehr und mehr an Leser verlieren. Die Bürger und hier vor allen Dingen die Jugend hat ein sehr feines Gespür für die Umgebung welche sie umgibt. Eine dumm schwätzende, von Parteien abhängige politische Hilfsarbeiter Clique, zudem mit einer breiten Selbstbedienungsmentalität ausgestattet, sind nicht die richtigen Menschen um sich über Andere zu erheben.

Nirgendwo klaffen Lüge und Wahrheit weiter auseinander als gerade in der Politik. Nirgendwo anders lässt sich so leicht und vor allen Dingen risikolos so schnell und einfach das finanzielle Leben privat absichern. Erst einmal in die Hierarchie einer Partei in die Spitze gelangt, gibt es kaum genügend goldene Löffel zu stehlen um wieder aus dem  Raster nach unten durchzufallen. Dabei ist das kein Problem einer einzelnen Partei, denn geht es um Macht und Geld sind alle gleich und sich darin einig. Selbst wenn DIE LINKE morgen in die Regierung käme, würde sie sich nicht von allen Anderen unterscheiden und sich in diesem Land nichts zum Positiven verändern..

Denn Wissen ist Macht und es ist das wichtigste zur Verteidigung derselben, dieses Wissen nicht nach unten durchzustechen. Selbst Politiker mit falschen DR. Titeln werden goldene Brücken zur Wiedergeburt gebaut. Im Zivilleben nennen wir dergleichen Betrüger, Heiratsschwindler oder Hochstapler welche dementsprechend mit Gefängnis bestraft werden. In der Politik gehen sie straffrei aus, obwohl sie eine breite Bevölkerung und nicht eine einzelne Person betrogen haben.

Ein Uli Hoeneß wird so, zweifellos zu Recht, wegen Steuerhinterziehung zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Politiker welche die jetzt nachzuzahlenden Gelder durch eine falsche Ausgabenpolitik verschwenden gehen dagegen straffrei aus. Beispiele wie Stuttgart 21, den Berliner Flughafen, Waffenlieferungen über Kreditzusagen der  Regierung in ein Pleiteland wie  Griechenland sind hier nur einige Beispiele.

In Ihrer Buchbesprechung schreibt die Journalistin Anja Maier in der TAZ in ihrem Schlusskapitel folgendes:

„Das Hohe Haus“ ist ein ernüchterndes Buch. Durch seine geschliffene Wortwahl, die klugen Gedankengänge, die Roger Willemsen mit seinen Lesern durchstreift, schaut man tief hinein in das parlamentarische System – also in das, was als solches ausgestellt wird. Besser ist es eben nicht, was dort im Reichstag aufgeführt wird. Aber es könnte, es müsste besser werden. Ein Blick auf diktatorisch geführte Staaten würde schon genügen, um eine gewisse Demut gegenüber den parlamentarischen Möglichkeiten dieses Landes zu empfinden. Doch es steht zu befürchten, dass niemand diesen Blick wagt. Nicht so lange die Mehrheitsverhältnisse so sind wie in dieser gerade erst beginnenden Legislatur.

Willemsen leidet am Hohen Haus

Das Schiff gleitet fast lautlos den Rhein hinauf, wendet, gleitet stromabwärts, dreht wieder. Peu à peu taucht das Ufer ins Dunkle, während im Bauch des Schiffes ein fasziniertes Publikum sich auf die Schenkel schlägt, an den Kopf fasst, ungläubig lauscht. Vorne auf der Bühne wird unser Parlament seziert. Und plötzlich stehen vor unserem geistigen Auge die Abgeordneten ganz nackt da, ganz schäbig, undiszipliniert, schlecht erzogen.

„Ich habe für Sie gelitten“, tut Roger Willemsen kund, Allroundgast auch auf der diesjährigen lit.Cologne. Ohne ihm Unaufrichtigkeit unterstellen zu wollen, ist dieser Satz ans Publikum eher eine rhetorische Schwalbe. Trotzdem muss man ihm Respekt zollen: Ein Jahr lang  hat er in den Sitzungswochen den Bundestag besucht, ausgeharrt und aufgeschrieben, dem Volksvertreter aufs Maul geschaut. Und hat am Freitagabend Zeugnis abgelegt, im Wechsel mit der Schauspielerin Annette Schiedeck und dem Hörfunk-Moderator Jens-Uwe Krause. Wenn Willemsen gelitten hat, dann sicherlich mit einem gerüttelt Maß an empörter Lust!

Gemeinplätze und Hohlräume

Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger >>>>> weiterlesen

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Fotoquelle: Wikipedia – Urheber Martin Lindner

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