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Industrielle Landwirtschaft

Erstellt von DL-Redaktion am 5. August 2014

Das ostdeutsche Acker-Imperium

Die KTG Agrar SE bewirtschaftet satellitengesteuert 30.000 Hektar in Ostdeutschland, so viel Land wie kein anderer Konzern

AUS ORANIENBURG GABRIELA M. KELLER

Es war einmal ein Bauer, der hatte kein Land. Er wuchs auf einem Hof in Bayern auf, die Eltern bauten Spargel und Erdbeeren an. Doch den Hof erbte der ältere Bruder. Da zog er aus, sein Glück zu suchen.

Heute ist Siegfried Hofreiter Herr über den größten Landwirtschaftskonzern Deutschlands, die KTG Agrar, ein Imperium mit 23 Standorten, 775 Mitarbeitern und mehr als 40.000 Hektar, davon rund 32.000 in Ostdeutschland und auch noch 8.000 in Litauen.

Dazwischen liegen rund 30 Jahre und eine Geschichte, die eng verknüpft ist mit dem rasanten Wandel der Landwirtschaft in Ostdeutschland.

Der Bauer lebt in einem Haus, das aussieht wie von der bayrischen Alm nach Brandenburg teleportiert, Holzbalkone, Giebeldach, Heckenrosen. Es steht mitten auf dem Gelände des Standorts Oranienburg. Gegenüber erhebt sich ein Verwaltungsbau; weiter hinten liegen neue, saubere Maschinen- und Lagerhallen zwischen Erdbeerfeldern verstreut.

Aber der KTG-Vorstandsvorsitzende ist nicht da. Er ist in seinen Ländereien unterwegs. Stattdessen läuft Benedikt Förtig über die Einfahrt heran, 29 Jahre alt, ein stämmiger Baden-Württemberger mit Hornbrille und BWL-Diplom, der aus einer Bauernfamilie stammt und vor fünf Jahren eine E-Mail an Hofreiter schrieb, weil er „unbedingt Teil eines innovativen, wachsenden Unternehmens sein wollte“. Inzwischen hat er es in den Vorstand der KTG Agrar geschafft, die als SE – Societas Europaea – firmiert, als Aktiengesellschaft in der Europäischen Union.

Förtig weiß, dass die KTG in den Augen vieler für eine Entwicklung steht, die darauf hinausläuft, dass Geld und Land in den Händen weniger konzentriert sind. Investoren und Konzerne übernehmen immer mehr Flächen, die Preise für Kauf und Pacht steigen rapide. Förtig lächelt schmal und sagt: „Bei uns ist das so, dass wir uns mehr im internationalen Wettbewerb sehen. Wir schauen im Moment vor allem nach Osteuropa. Und verglichen mit den Verhältnissen dort, sind wir eher klein.“

Aber wer eine Weile in den ländlichen Gegenden im Osten unterwegs ist, hört andere Geschichten. Die handeln von einem Ausverkauf, der mit der Wende einsetzte. Bernd Graebert*, Landwirt in der Altmark, Sachsen-Anhalt, sitzt in seinem schmalen Wohnzimmer und erinnert sich, wie Siegfried Hofreiter Mitte der 90er Jahre mit seinem jüngeren Bruder Werner in der Region aufgetaucht ist.

Der Umsatz stieg auf 165 Millionen Euro

Nach dem Ende der DDR wurde aus der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) am Ort eine Agrargenossenschaft, die 1996 vor der Pleite stand. Dann kamen die Hofreiters, sagt er, und die Mitglieder ließen sich überreden, ihnen ihre Anteile günstig zu verkaufen. „Wir haben das selbstständige Wirtschaften nicht gelernt“, sagt er. „Die wussten, wie man mit Insolvenzen reich wird. Die standen immer gleich da, wo eine Agrargenossenschaft auf der Kippe stand.“

Er selbst konnte von Stadt, Kirche und dem Treuhand-Nachfolger BVVG 150 Hektar pachten. Nur wollten die Hofreiters das nicht einfach hinnehmen, sagt Graebert, zeigt aus dem Fenster. „Da unterm Nussbaum haben wir diskutiert.“ Sie hätten ihm gesagt: Er schaffe das doch allein nicht. Lieber solle er ihnen seine Flächen überlassen und für sie als Manager arbeiten. „Ich wollte das nicht“, sagt er leise. Viele Eigentümer aber hatten nichts dagegen, den Investoren Flächen zu verpachten, meist alte Leute ohne Bindung an ihr Land: „Die waren froh, als die Hofreiters kamen.“

Die KTG Agrar wächst und wächst: 2013 hat der Konzern seinen Umsatz um 50 Prozent gesteigert, auf 165 Millionen Euro. Ein Viertel der Flächen, die sie bewirtschaftet, ist Hofreiters Eigentum. Nun breitet sich das Unternehmen zunehmend nach Osten aus: In Rumänien und Russland ist die KTG bereits als Farmmanager aktiv.

In Oranienburg schlendert Benedikt Förtig durch den Schatten der Maschinenhalle, vorbei an riesigen Mähdreschern und Traktoren, die aussehen wie eine Mischung aus Marsfahrzeug und Panzer, gewaltige Maschinen mit 500 PS. Zwar hat jeder Standort einen eigenen Maschinenpark, sagt Förtig, zusätzlich aber gibt es eine Flotte von Mähdreschern, die sich zur Erntezeit wie eine mobile Einsatzgruppe von Süden nach Norden wälzt, bis nach Rügen, wo die Maschinen nach Litauen verschifft werden. „Wir haben in der KTG-Gruppe 40 Mähdrescher, die jeweils zwischen 350.000 und 400.000 Euro kosten. Die setzen wir so ein, dass das Erntefenster maximal ausgenutzt wird.“

Von Oranienburg aus werden die Aktivitäten auf allen Flächen des KTG-Imperiums gelenkt. Sämtliche Maschinen sind per Satellit und GPS mit der Zentrale verbunden. Förtig tritt auf einen Trecker hinter der Maschinenhalle zu. Über eine Leiter geht es hoch zum Führerhäuschen. Neben dem Sitz hängt ein Tablet, auf dem der Fahrer alles sehen kann. Der Trecker fährt sogar von selbst seine festgelegte Route ab, vollautomatisch. „Alles ist vernetzt“, sagt Förtig, „alles ist ein System.“

Marktführer Öko-Anbau

Quelle: TAZ >>>>> weiterlesen

Siehe auch:

Die Saat ist aufgegangen

Die staatliche Enteignung

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Fotoquelle: Wikipedia – Urheber Cd design85

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