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RENTENANGST

Norbert Lammert

Erstellt von Gast-Autor am 6. März 2015

Man redet Deutsch

Ich bekomme die Alte noch so klein

Autor: U. Gellermann

Rationalgalerie

Datum: 05. März 2015

Sprich gefälligst erstmal Deutsch: Diesen Herrenmenschen-Satz kann man schon mal in der U-Bahn hören, wenn ein deutscher Pädagoge mit Hauptschulabschluss einem dieser Ausländer mal klar macht, dass nicht alle Tage Kreuzberg ist. Natürlich nur dann, wenn nicht mehrere Fremde in der Nähe sind. Nun hat der Bundestagspräsident, wohl geschützt durch ganze Bataillone von Sicherheitsbeamten, auch eine Lanze für das Deutschtum gebrochen: „Dass jemand, der in Deutschland tätig ist, auch Deutsch spricht, halte ich für eine schiere Selbstverständlichkeit. Das sollte auch für Imame gelten.“

Das kann natürlich nur der Anfang sein. Demnächst, so ist zu hoffen, wird es in den Werbeagenturen ein Lammert-Verbot für „Denglisch“ geben, jene kryptische Mischung aus schlechtem Deutsch und noch schlechterem Englisch, das zu Wendungen wie „entweder machen wir es jetzt stylisch oder es wird gecancelt“ führen kann. Auch in der IT-Branche wird bald der Bundes-Sprachen-Schutz (BSS) eingreifen, wenn mal wieder „gedownloadet“ wird oder beim Auspacken des neuen „smartphone“ das Kommando „zip it!“ ertönt, um dann in der „Cloud“ zu verschwinden obwohl keine einzige Wolke am Himmel ist. Nur wenig später wird Lammert dann deutsche Untertitel unter bayerische TV-Serien durchsetzen. Schließlich wissen wir alle, dass die DDR am Wort „Broiler“ gescheitert ist: Ein Staat, der ein Grillhähnchen amtlich zum Broiler machte, konnte auf Dauer nicht ernst genommen werden.

Norbert Lammert kommt aus Bochum: Dort besuchen jährlich etwa 70.000 Pilger die Stiepeler Wallfahrtskirche St. Marien mit dem Gnadenbild der „Schmerzhaften Mutter“. Und obwohl die Reform der katholischen Messe das Lateinische im Gottesdienst weitgehend abgeschafft hat, ist das mystische „amen“ immer noch nicht durch das von Luther übersetzte „wahrlich“ ausgewechselt worden. Wahrlich wurde Norbert Lammert vom zutiefst katholischen „Cusanuswerk“ mit einer Graduiertenförderung auf die Erfolgsleiter gehoben. Nicht auszuschließen ist, dass hinter der Forderung des Karriere-Katholiken „Man spricht Deutsch“ schnödes Konkurrenz-Denken steckt: „Man ist katholisch, zumindest aber christlich“. Nicht auszudenken wenn die Bochumer Wallfahrt künftig von der Mekka-Pilgerei überschattet werden würde.

Lammert gehörte schon vor Jahren zu den Bundestagsabgeordneten, die der deutschen Sprache Verfassungsrang geben wollten: Sie sollte Bestandteil des Grundgesetzes werden. Der Mann, der sich öffentlich weltläufig gibt, leidet offenkundig an einem Deutsch-Komplex. Seit Jahren versucht er sich in Kompensation: Kreuze und Großkreuze aller Art schmücken seine Brust und krümmen seinen Rücken. Doch die wichtigste aller Ehrungen ist ihm sicher die „Fiege-Bierkutschermütze“, eine Ehrung der Bochumer Fiege-Privatbrauerei. Wer dem Alkohol dergestalt ehrend verbunden ist, dem muss der Islam fremd sein: Prost Imam, hier wird Deutsch gesprochen.

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Fotoquelle: Wikipedia – Urheber Heinrich-Böll-Stiftung

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Erstellt von Gast-Autor am 27. August 2013

Ein Ausflug zu den kalten Höhen der Sprache

Literarischer März 2015 Marion Poschmann 02.jpg

Autor: U. Gellermann

Rationalgalerie

Datum: 26. August 2013

Es ist ein kaltes Land, in dem die Figuren der Marion Poschmann ihr Wesen treiben. Und ihre Menschen im Roman „Sonnenposition“ sind seltsam leblos. Liegt das bröckelnde Schloss, in dem die psychiatrische Anstalt, Hauptbühne des Romans, untergebracht ist deshalb auf dem Gebiet der verblichenen DDR? Soll das Gewesene seinen düsteren Schatten auf das Heute werfen? Der Rheinländer Altfried Janich, ein Arzt der Anstalt, hätte die Kulisse nicht gebraucht. Schon sein Hobby weist ihn als Schattenwesen aus. Er jagt „Erlkönige“, jene neuen Automodelle, die, mit Applikationen verfremdet, zum Testen über Nebenstraßen gefahren werden: Zwar wollen die Hersteller die Prototypen der rauen Wirklichkeit aussetzen, aber kein fremder Blick soll die künftige Gestalt der Modelle erahnen können. Janich wird nie ein Foto der von ihm begehrten Objekte gelingen, immer bleiben ihm leere Landschaften, verwehte Bäume, Regen auf einsamen Straßen.

Scheinbar ganz anders Odilo, Janichs einziger Freund. Der ist ein erfolgreicher Forscher und versucht das Luziferin, den Stoff der Glühwürmchen und Quallen leuchtend macht, auf andere lebende Organismen zu übertragen. Er luziferisiert Mäuse. Weil er von dieser Wissenschaft besessen ist, weil sie all seine Zeit frisst, schläft er nur noch wenige Stunden, wohnt immer noch bei seiner Mutter und ist so selbstbezogen wie nur einer sein kann. Wie solch ein Sonderling ein Liebesverhältnis zur durchaus lebensbejahenden Schwester Janichs entwickeln konnte, wird immer das Geheimnis der Autorin bleiben. Ohnehin sind die Figuren des Romans bar jeder Entwicklung: Sie tauchen als fertige Geschöpfe auf dem literarischen Schachbrett auf, werden ein wenig hin und her geschoben, um dann im Dunkel der Schöpfungsgeschichte wieder zur verschwinden.

Weil das bröckelnde Schloss mit seinen kafkaesken Räumen der Schriftstellerin anscheinenden nicht genug an Düsternis hergibt, wird ihm noch eine Geschichte als Vernichtungsort der Euthanasie beigegeben: Gaskammern soll es dort gegeben haben, sogar die Zahlen der Ermordeten werden im Roman akribisch aufgeschrieben. Ein anderer Ausflug in die deutsche Geschichte führt in die Heimat von Janichs Eltern, nach Schlesien. Bruder und Schwester begleiten eine Tante nach Polen, die auf dem ehemaligen Hof der Familie ein Grabkreuz errichten will. Es überrascht nicht, dass dieses Stück Polen eher grau als farbig ist, dass die Gefühle der Kreuzzügler eher verhalten als eindringlich sind und dass selbst die Schneekoppe, der Sehnsuchtsberg der Schlesier, nur als Zweitehand-Erlebnis auftaucht.

All diese Tristesse wird in einer makellosen Sprache erzählt, mal marmorn, mal ehern fühlt sich die Syntax an. Wortgebäude von kühler Pracht errichtet Marion Poschmann, aber man mag nicht darin wohnen. Nur einmal leistet sie sich einen Satz, der ihrer Kontrolle entglitten ist und überdeutlich erkennen lässt, dass die Form den Inhalt überwuchert hat: „Abgerissenes Seegras, dem Roß des Okeanos zum Fraß vorgeworfen, von der gleichmäßigen Peristaltik der Wellen zu Bällen gerollt, kleine Tischtennisbälle und größere Tennisbälle, perfekt gerundete Pferdeäpfel der See.“ Bei so viel Form wird dann die Funktion, der Gang der Haltung zweitrangig.

Buchtitel: Sonnenposition
Autor: Marion Poschmann
Verlag: Suhrkamp

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Grafikquelle    :  Marion Poschmann als Jurymitglied beim Literarischen März

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