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RENTENANGST

Wolfgang Niedecken über Köln

Erstellt von DL-Redaktion am 31. Januar 2016

„Für mich ist das Globalpatriotismus“

das Interview führte Peter Unfried

In seiner Heimat traf schon immer die Welt aufeinander, sagt der BAP-Sänger. Ein Gespräch über Köln zwischen Silvester und Karneval.

Sonntagmorgen, 11 Uhr. Berlin schläft. Wolfgang Niedecken kommt mit seiner Frau Tina Niedecken in ein Kreuzberger Café, das von außen orange leuchtet. Weil in Köln in allen Sälen Karneval ist, hat er vor ein paar Tagen das neue BAP-Album halt in Neukölln vorgestellt. „Second best“, sagt er.

taz.am wochenende: Herr Niedecken, die sexuellen Übergriffe gegen hunderte Frauen auf der Kölner Domplatte . . .

Wolfgang Niedecken: Ich hab inzwischen schon manchmal das Gefühl, dass ich mich dafür entschuldigen muss, dass das in Köln passiert ist.

Ist Ihnen das unangenehm? Bei Ihrem Konzert im Berliner Heimathafen haben Sie das Thema sehr dezent berührt.

Jetzt kommt mal was Schönes aus Köln, habe ich gesagt. Wir waren jedenfalls fassungslos, ich dachte: Das kann doch nicht sein. Doch! Es ist tatsächlich in Köln passiert.

Köln steht jetzt für Ängste, Staatsversagen, politische Propaganda von allen Seiten. Wie sehen Sie die Lage?

Sexuelle Gewalt ist nicht zu tolerieren, das ist selbstverständlich. Die Untersuchungen sind aber immer noch nicht abgeschlossen und längst nicht alle Fragen geklärt: Wieso reisen so viele nach Köln, hat das jemand organisiert? Wenn es kriminelle Banden waren, steckt jemand dahinter? Aber da bewege ich mich schon in Richtung Verschwörungstheorien und das möchte ich nicht. Man muss allerdings fragen: Wem nützt das, was in Köln passiert ist? Es nützt der AfD, der Pegida, überhaupt allen Ewiggestrigen. Und dann nützt es auch dem IS.

Sie verdächtigen die islamistische Terrororganisation?

Ich sage nicht, dass der IS dahintersteckt. Aber wenn aus einer Willkommenskultur plötzlich „Ausländer raus!“ wird, dann hätte der IS Deutschland da, wo er uns haben will: der Staat, in dem man Muslime hasst.

Sie sind mit BAP groß geworden in einer Zeit, in der Rock ’n’ Roll den gesellschaftlichen Protest vergrößern half – und umgekehrt. Diese Allianz gibt es nicht mehr.

Das sehe ich nicht so. Wir haben letztes Jahr im Januar in Dresden vor der Friedenskirche ein Konzert gegen Pegida gespielt. Im Schneetreiben. Herbert Grönemeyer, Gentleman, Silly, Keimzeit, Jupiter Jones, meine Wenigkeit und viele mehr. Das war ein richtiges Statement, genau an der Stelle, an der sonst Pegida marschiert. So was geht immer noch. Übrigens organisiert von Dresdner Ärzten.

Gegen Pegida, das ist eine einfache Gut-Böse-Konstellation. Aber wofür mobilisiert man in der komplexen Flüchtlingssituation?

Ja, das ist ganz schwer. Ich versuche es, indem ich meine Meinung sage, wenn man mich fragt. Und wenn es irgendwo eine gute Idee gibt, was man machen kann, dann bin ich dabei. So wie beim „WIR. Stimmen für geflüchtete Menschen“-Konzert auf dem Münchner Königsplatz im vergangenen Oktober.

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Fotoquelle: Wikipedia – Attribution: © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

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Möbelhaus

Erstellt von DL-Redaktion am 22. Februar 2015

Er ist jetzt Robert Kisch

VON PETER UNFRIED

WÜRDE Er war Starjournalist. Dann wurde er Einrichtungsberater. Jetzt trägt er einen anderen Namen, weil er darüber ein Buch geschrieben hat. „Möbelhaus“ bringt die Antisolidarisierung der deutschen Gesellschaft auf den Punkt. Eine Begegnung

Herr …? „Keine Namen, bitte“, sagt er hastig, nachdem er die Filiale einer Café-Kette neben einem Hauptbahnhof betreten hat. Auch keine Städtenamen. Keine Personenbeschreibung. Ihn auf keinen Fall mit dem echten Namen ansprechen, der ihn zur journalistischen Marke gemacht hat. Er ist jetzt „Robert Kisch“. Er hat ein Buch über sein neues Leben als Möbelverkäufer geschrieben. Und er will nicht, dass sein Möbelhaus ihm nachweisen kann, dass er das war. „Tatsachenroman“ hat der Verlag sicherheitshalber auf den Titel geschrieben. Erfunden sei nichts, sagt Kisch. „Alles ist so. Leider.“

„Möbelhaus“ ist ein wichtiges Buch; nicht weil es literarische Grenzen sprengt, nicht weil es als Sachbuch undercover die Ausbeutung in einem Unternehmen oder einer Branche aufdeckt, sondern viel besser: weil es anhand einer einfachen Geschichte einen blinden Fleck der Gesellschaft beschreibt und dabei ihre kulturelle und moralische Verwahrlosung. Und die Schuldfrage nicht einfach an den Kapitalismus auslagert – obwohl der Reflex naheliegt. „Es gibt nicht den einen Bösen“, sagt Kisch.

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Grafikquelle: Wikipedia – Urheber Pava

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Eine moderne Weihnachtsstory

Erstellt von DL-Redaktion am 25. Dezember 2013

Weihnachten mit Penelope und Adorno

Eines Morgens kam ich ins Ankleidezimmer und hatte den Kopf voll mit dem gelähmten Land, der sich abduckenden Gesellschaft und den großen Veränderungen, die wir jetzt endlich angehen müssen. Und da fand ich meine Schuhe nicht. Da steckte hundertprozentig die Macht dahinter.

„Macht“, rief ich, „wo sind meine Schuhe?“

„Sie stehen vor dir“, rief sie zurück.

Ich schaute nach unten. Da standen aber nur meine Winterschuhe. „Von selbst wechselt du sie ja nicht“, rief sie. In ein paar Tagen sei Weihnachten. Tschieses Kreist.

Trotzdem: War so ein radikaler Schritt tatsächlich schon nötig? Da musste ich sicher auch noch meine langen Unterhosen aus der Schublade holen. Die Wucht der Transformation ließ mich auf der Ikea-Schuhkiste zusammensinken. In diesem Moment kam Adorno herein, schaute mich aus seiner Kapuze heraus an und sagte freundlich: „Du hast deine besten Zeiten auch hinter dir, Pu.“

„Und du erst“, sagte ich schlagfertig.

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Fotoquelle: Wikipedia

Author Aaron Spike / Anonymous
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