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Zum FDP-Bundesparteitag

Erstellt von DL-Redaktion am Freitag 11. Mai 2018

Kubicki provoziert seinen Parteichef

Das ist MEINE FDP

Von Mike Szymanski und Stefan Braun, Berlin

Christian Lindner hat sich das anders vorgestellt. Sicher, der FDP-Vorsitzende möchte, dass auf dem Parteitag diskutiert wird. Aber Streit, nein, das passt nicht zu seinen Vorstellungen. Lebendig? Unbedingt! Zerstritten? Auf keinen Fall!

Dieses angepeilte Bild könnte ihm nun ausgerechnet der zweitstärkste Mann in der FDP kaputt machen. Gemeint ist Wolfgang Kubicki. Auf sein Betreiben hin steuert die FDP passend zum Parteitreffen am Samstag und Sonntag in Berlin auf neuen Streit um den Kurs gegenüber Russland zu. Wie es scheint, will Kubicki bei dem Treffen eine Entscheidung erkämpfen, die anders aussieht als die seines Parteichefs.

Kubicki ist der prominenteste Vertreter jener in der Partei, die Zweifel an den Sanktionen gegenüber Russland haben. Er gehört vornweg zu denen, die auf Moskau einen Schritt zugehen möchten. Und um das zu erreichen, befeuert er die Debatte pünktlich zum Parteitreffen mit einer neuen Initiative.

In einem Änderungsantrag für ein Beschlusspapier zur Russlandpolitik beklagt er, dass die gegenüber Moskau verhängten Sanktionen „keine erkennbaren Fortschritte in Richtung der gewünschten deeskalierenden und friedensstiftenden Wirkung gebracht“ hätten. Sie müssten deshalb überprüft werden. Weiter heißt es in dem Antrag, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt: „Im Rahmen dieser Überprüfung dürfen wir vernünftigerweise nicht ausschließen, den Friedensprozess durch ein dosiertes Entgegenkommen unsererseits wieder zu dynamisieren.“

Quelle     :      Suedeutsche-Zeitung         >>>>>        weiterlesen

Wolfgang Kubicki vor dem FDP-Parteitag

„Sie müssten Amerika besetzen“

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Das Interview führte  Martin Reeh

Kubicki weiß auch nicht, wie man von Deutschland aus Facebook beeinflussen soll. Frauen sind ihm in der Politik oft zu unengagiert. Aber die Grünen, die mag er wieder.

taz: Herr Kubicki, die FDP denkt ergebnisoffen über eine Frauenquote nach. Angenommen, sie käme: Ist das dann noch Ihre Partei?

Wolfgang Kubicki: Für mich ist die Quote nicht so wichtig, dass ich dadurch den Bezug zu meinen Freien Demokraten verlieren würde, denen ich seit bald 48 Jahren angehöre. Aber es wäre schon eine echte Herausforderung, nachdem wir uns jahrzehntelang gegen eine Frauenquote gewehrt haben. Wenn sie denn eingeführt würde.

Sie haben im Spiegel gesagt: „Wir würden die Frauen doch mit Handkuss nehmen. Viele Frauen scheuen die Auseinandersetzung. Wenn Frauen in den Wettbewerb gehen, passiert das häufig untereinander.“

Das ist das Bedauerliche.

Sie schieben den Schwarzen Peter den Frauen zu.

Nein. Ich meine nur, dass sich in einem solchen Falle niemand darüber beklagen sollte, dass Frauen unterdurchschnittlich vertreten sind. Denn das könnten sie selbst ändern. Ich habe erlebt, dass Frauen im Zweifel stark genug sind, sich durchzusetzen. Warum sie sich in Parteien und anderen Organisationen vergleichsweise wenig engagieren, weiß ich nicht.

Warum sind in der FDP-Fraktion von Schleswig-Holstein von neun Abgeordneten nur zwei Frauen?

Weil sich bei uns nicht mehr Frauen für die vorderen Plätze beworben haben. Der Wunsch, auch in meiner eigenen Partei, mehr Frauen auf Listenplätzen ordentlich zu positionieren, ist groß. Wir sind ja nicht die einzige Partei, die darunter leidet, dass Frauen sich entsprechend ihres Bevölkerungsanteils vergleichsweise wenig einbringen. Im Gegenteil: Es ist bei allen so – sogar bei den Grünen. Es muss andere Gründe haben als die Behauptung, Männer machen Bünde und verschwören sich gegen Frauen.

Wo wir gerade bei den Grünen sind: Deren Bundesgeschäftsführer Michael Kellner hat kürzlich geschrieben, dass erst eine Entgiftung zwischen Ihren beiden Parteien stattfinden müsste, ehe man erneut über eine Jamaika-Koalition redet.

Das sehe ich auch so. Ich komme aus einer sehr gut funktionierenden Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein. Eine der Grundlagen dafür war ein Mindestmaß an Vertrauen zwischen den handelnden Akteuren. Das gab es auf Bundesebene nicht. Wir werden daran arbeiten müssen, dass wir uns wechselseitig nicht mehr als den Gottseibeiuns betrachten.

Wie weit sind die informellen Gespräche zwischen FDP und Grünen?

Robert Habeck und ich sehen uns ja ohnehin häufiger. Ich bin Bestandteil der Koalitionsrunde in Kiel. In Berlin gibt es erste Treffen von Grünen und Liberalen. Nicht als feste Institution, sondern wo einzelne Personen mit anderen einzelnen Personen Essen gehen und sich austauschen.

Wie finden Sie Robert Habeck als Grünen-Chef?

Er ist eine Bereicherung für die Grünen, weil er ein sehr offener Gesprächspartner ist und weil er reflektiert. An diesen Worten sehen Sie, dass ich gerade einen Teil meiner Vorurteile wiederbelebe, weil darin die Behauptung liegt, dass die Grünen sonst nicht reflektieren. Bei einigen war das früher so. Mit Robert Habeck und auch Annalena Baerbock an der Spitze, die ihren Job richtig gut macht, haben die Grünen die Möglichkeit, die SPD weiter zu entkernen.

Dennoch haben Sie Robert Habeck auf Facebook neulich „Robert Tur Tur“ genannt, nach dem Scheinriesen aus „Jim Knopf“, weil er die FDP als „asozial“ bezeichnet hat. Gehört so etwas zum Geschäft?

Ja, aber das war liebevoll und nett. Vor allen Dingen: Er hat sich dafür entschuldigt, dass er die FDP „asozial“ genannt hat. Das sei ihm im Eifer des Gefechts einfach so rausgerutscht.

Für die Mitglieder von Grünen und FDP ist die jeweils andere Partei vielleicht immer noch das jeweils größte Feindbild. Was müssen Sie tun, um das zu ändern?

Wir haben in Schleswig-Holstein gelernt, dass sich wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, Prosperität und Umweltschutz nicht ausschließen. Wir wollen ein Land der Elektromobilität werden. Das setzt den Bau von Straßen voraus, denn auch Elektrofahrzeuge brauchen Straßen. In Kiel sehen wir: Alles, was wir wollen, können wir gemeinsam erreichen, wenn wir nicht die Klischees der Vergangenheit wiederbeleben.

Am Samstag beginnt Ihr Parteitag. Der Leitantrag „Für ein Deutschland der Innovation“ umfasst 22 Seiten. Wäre es nicht ein Beitrag zur Entbürokratisierung, den auf vier oder fünf Seiten zu verkürzen?

In meiner Partei herrscht nach wie vor die Überlegung, dass man sehr viel erklären muss, bevor man zum Wesentlichen kommt. Das erklärt den Umfang. Wir werden mal sehen. Ich glaube, auf dem Parteitag wird es eine Reihe von Kürzungsvorschlägen geben.

Es geht in dem Antrag vor allem um die Digitalisierung – und da vor allem um die Chancen. Nach einem Absatz zum Wettbewerbsrecht habe ich vergeblich gesucht. Robert Habeck hat neulich gesagt, wir brauchen die Möglichkeit, Firmen wie Facebook wieder zu entflechten und denen etwa ­Instagram und WhatsApp wegzunehmen. Warum schreibt die FDP nichts dazu?

Ich fand den Ansatz von Robert Habeck interessant. Ich habe mir überlegt, wie er das eigentlich machen will, aus Schleswig-Holstein oder Deutschland heraus Facebook zu entflechten. Sie müssten Amerika besetzen, um das zu erreichen. Im Internet helfen uns nationale Regelungen nicht mehr weiter. Wir müssen internationale Vereinbarungen schließen, damit Unternehmen nicht ihre monopolartige Stellung ausnutzen, um andere am Marktzutritt zu hindern.

Steht auch nicht im Leitantrag.

Quelle     :     TAZ        >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen :

Oben   —     Lindner bei einer FDP-Wahlkampfkundgebung in Köln vor der Landtagswahl 2012

Unten   —     „Lambertz Monday Night 2015“ im „Alten Wartesaal“ in Köln, am 02.02.2015.

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