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RENTENANGST

Zukunft gesetzlicher Renten

Erstellt von DL-Redaktion am Dienstag 7. September 2021

Ein größeres Stück vom Kuchen

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Von Michael Paetz und Maurice Höfgen

Eine Erhöhung des Rentenalters ist unnötig und ungerecht. Vielmehr müssten Löhne vom Wirtschaftswachstum profitieren, dann steigen auch die Renten.

Pünktlich zum Wahlkampfbeginn kommt das Thema Rente auf den Tisch. Vor leeren Kassen wird gewarnt. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger fordert eine längere Lebensarbeitszeit und beklagt, die gesetzliche Rente stehe vor der Unfinanzierbarkeit. Vor einigen Wochen veröffentlichte zudem der wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministeriums eine Studie, in der die finanzielle Nachhaltigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) infrage gestellt wird.

Der Beirat schlägt deshalb eine Anhebung des Renteneintrittsalters auf 68 Jahre vor. Dem arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) geht auch das nicht weit genug. IW-Ökonomen fordern gar eine Anhebung auf 70 Jahre. Aber kann der Lebensunterhalt im Alter tatsächlich nur durch längeres Arbeiten abgesichert werden?

Fakt ist, dass wir auch in Zukunft nur das verbrauchen können, was wir auch produzieren. Wenn der Anteil der Personen im erwerbsfähigen Alter schrumpft, müssen weniger Menschen die Güter für alle herstellen. Sie versorgen mit ihrer Arbeit aber nicht nur die Rentner, sondern auch die Kinder. Dass der Anteil der Kinder schrumpft, wirkt – entgegen der öffentlichen Wahrnehmung – dem Problem grundsätzlich entgegen.

Zudem wächst stetig die Produktivität, also die Güterproduktion pro Person. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Einwohner ist die Wertschöpfung heute im Vergleich zu 1957 dreieinhalb Mal so groß. Im gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt gibt es also offenbar gar kein Problem, weiterhin alle Menschen zu versorgen.

Erstmal Produktivität erhöhen

Die Digitalisierung sollte auch in Zukunft dafür sorgen, dass die Güterproduktion pro Arbeitnehmer ansteigt, sofern wir die Weichen richtig stellen. Um auch zukünftig eine adäquate Lebenssicherung zu gewährleisten, sollte man daher alles dafür tun, die Produktivität zu erhöhen, bevor man über versteckte Rentenkürzungen diskutiert. Die viel zu geringen staatlichen Investitionen in (digitale) Infrastruktur und Bildung stellen das eigentliche Problem für die Nachhaltigkeit unseres Rentensystems dar.

Zugleich wird der Wohlstand trotz demografischer Entwicklung weiter steigen. Allerdings stehen wir vor einem Verteilungsproblem – und das bereits heute: So ist das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt seit 1991 um 40 Prozent gestiegen, der durchschnittliche Bruttolohn aber nur um 16 und die Standardrente um mickrige 5 Prozent. Die Mehrheit der Bevölkerung bekommt demnach ein immer kleineres Stück vom stetig wachsenden Kuchen ab.

Die schlechte finanzielle Situation der gesetzlichen Rentenversicherung hat also maßgeblich mit der schwachen Lohnentwicklung zu tun. Umgekehrt würden steigende Löhne auch steigende Renteneinzahlungen bedeuten und den Topf der GRV füllen. Zudem kurbeln steigende Löhne die Nachfrage an. Und wenn die Wirtschaft brummt, investieren die Unternehmen, erhöhen damit auch die Gütermenge und steigern die Produktivität.

Um das Problem der drohenden Armutsrenten zu erfassen, reicht es aber nicht aus, die durchschnittliche Lohnentwicklung zu betrachten. Denn seit Mitte der Neunziger ist diese sehr ungleich. Menschen, die im Niedriglohnsektor tätig sind, haben preisbereinigt heute häufig weniger Lohn als noch vor 25 Jahren. Sie können daher auch nicht so viel in das Rentensystem einzahlen und müssen mit einer Rente rechnen, die zum Leben nicht reicht. Führt man sich vor Augen, dass Geringverdiener im Durchschnitt eine kürzere Lebenserwartung haben, somit auch weniger Jahre in Rente genießen, ist das besonders perfide.

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Die Lumpen im Frack

Hausgemachtes Verteilungsproblem

Hier machen sich die Agendareformen der Schröder-Jahre bemerkbar. Wie von Kritikern vorhergesagt, hat die Spreizung der Lohneinkommen durch Einführung des laut Schröder „besten Niedriglohnsektors“ dazu geführt, dass immer mehr Menschen keine ausreichende Rente mehr erhalten. Hinzu kam die Senkung des Rentenniveaus.

Das deutsche Verteilungsproblem ist folglich selbst verschuldet. Wären die Löhne ähnlich gestiegen wie das BIP pro Kopf und hätte man das Rentenniveau nicht reduziert, müssten wir heute gar nicht über drohende Altersarmut diskutieren. Es wären auch keine steigenden Beitragssätze notwendig, wenn die Lohnempfänger vom gesamtwirtschaftlichen Fortschritt profitiert hätten.

Quelle        :       TAZ-online            >>>>>        weiterlesen

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Grafikquelle :

Oben      —   A strawberry Chiffon cake with creamy flower in coffee shop at shopping mall in Yuen Long

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