Zukunft der E – Union
Erstellt von DL-Redaktion am Sonntag 17. September 2017
Wer schützt die Armen? – Füttert die Reichen
von Matthias Greffrath
Die Politologin Ulrike Guérot fordert eine europäische Republik. Doch solange es keine Fiskal- und Sozialunion gibt, braucht es den Nationalstaat.
„Verwunderlich“ findet es Ulrike Guérot, „wie sich der derzeitige europäische Kurs am Nationalstaat festklammert“. Wo doch jeder wissen könne, dass keine der großen Herausforderungen der nächsten Jahre im nationalstaatlichen Rahmen zu bewältigen ist: das Klima retten, Google besteuern, den Flüchtlingen helfen, die Jugendarbeitslosigkeit beenden, und das reparieren, was Europa zum Fluchtpunkt der Wünsche und der Wanderungen macht: den Sozialstaat.
Der „derzeitige europäische Kurs“ wird weiterhin vom EU-Rat bestimmt, der Kompromissbörse der nationalen Interessen, sprich der jeweiligen Wirtschaftsmächte. Was also anstehe, sei die Überführung der nationalstaatlichen Politikmechanismen in eine europäische Republik. Nicht der Nationen, sondern der Regionen – so führt Ulrike Guérot es in ihrer feurigen Streitschrift über den „neuen Bürgerkrieg“ (Ullstein) aus.
Wenn Multis, Finanzagenturen und digitale Raubritter die Steuersouveränität der Nationalstaaten unterspült haben, wenn Wettbewerbszwänge die Regierungen zwingen, die Infrastrukturen zu privatisieren und die Sozialsysteme zu demontieren, dann ist dem nur noch durch „eine Transnationalisierung der Demokratie“ (Jürgen Habermas) zu begegnen.
Der Gedanke ist theoretisch plausibel. Aber wenn man annimmt, dass die gewählten Politiker nicht ausschließlich Kreaturen des Kapitals sind, dann stellt sich die Frage: Warum kommt es nicht zu dieser Transnationalisierung? Sondern warum wachsen stattdessen die nationalen Bewegungen gegen Europa?
Auch hier gilt: „It’s the economy, stupid!“. Guérot selbst zitiert zustimmend Marine Le Pen: „Wenn es die Nation nicht mehr gibt, wer kümmert sich um die Armen?“ Mit anderen Worten: Solange keine Fiskal- und Sozialunion das freie Spiel des Kapitals balanciert, solange es zwischen den Regionen unterschiedlicher Produktivität nicht so etwas wie einen „Länderfinanzausgleich“ und für alle europäischen Arbeitnehmer ein einheitliches Arbeitsrecht gibt, bieten nur die nationalen Regelungen Schutz, auch wenn sie schwer unter Beschuss liegen.
Für die Herstellung solcher gesamteuropäischer Sozialstaatsstrukturen aber gibt es keinen „ökonomischen Treiber“, so wie es im 19. Jahrhundert die Gegnerschaft zwischen nationalen Industriebourgeoisien und Gewerkschaften war.
Abwärtsspirale in den Krisenjahren
Denn in den Nationalstaaten Europas wirken sich Interessen und Strategien der großen Kapitale unterschiedlich aus. Regierungen aber sind ihrer jeweiligen Klientel verpflichtet, und ebenso die Gewerkschaften: Die IG Metall hat in erster Linie die gutverdienenden Arbeiter in der deutschen Exportindustrie zu schützen. Zwar werden die Arbeitsverhältnisse in Europa überall und mit ähnlichen Tricks dereguliert (als Nächstes in Frankreich), werden überall die prekären Beschäftigungen, die befristeten oder die Werkverträge zur Regel. Aber ein europäisches Arbeitsrecht ist ebenso wenig in Sicht wie ein europäisches Unternehmenssteuerrecht.
Im Gegenteil: In den Jahren der Krise (so recherchierten die Journalisten von „Investigate Europe“) setzte, ermuntert vom Brüsseler Wirtschaftskommissar, eine Abwärtsspirale ein: im Steuerrecht, aber auch bei der Befristung von Arbeitsverträgen, dem Lohndumping und der Zerschlagung von Tarifsystemen.
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Liebeserkläreung
Automesse IAA
von Kai Schöneberg
Europas größte Autoschau tut was gegen das dieselfeindliche Klima im Land
Zur Eurobike, der weltgrößten Fahrradmesse Ende August in Friedrichshafen, konnte sie ja leider nicht kommen. Umso besser, dass Angela Merkel am Donnerstag Zeit für die Eröffnung der IAA hatte. Hier in Frankfurt auf der Autoshow ulkte die Kanzlerin, im selbstfahrenden Audi fehle jetzt nur noch eine Küche. Merkel in lustisch – bald ist Wahl.
Und natürlich gab es auch ein bisschen du, du, du. Ja, die Branche müsse „schnellstmöglich Vertrauen zurückgewinnen“ und ganz, ganz viel in neue Antriebstechnologien investieren. Nur so sei es auch zu schaffen, „Fahrverbote für Diesel zu verhindern“.
Wo Geld ist, finden wir auch Merkel, wo Armut herrscht dürfen Ehrenamtliche arbeiten
Die IAA („Zukunft erleben“) ist einfach klasse. Bei den 1.000 Ausstellern sind zwar die Nachhaltigsten und Spannendsten (Tesla, Volvo, Nissan . . .) nicht dabei. Dennoch tut Europas größte Brumm-brumm-Ausstellung endlich was gegen dieses mobilitätsfeindliche Klima im Land, in dem Autos das neue Rauchen sind.
Die Naturschützer vom BUND haben die Stände der deutschen Hersteller abgelatscht – und keinen einzigen Diesel gefunden, der die neue Euro Norm 6d erfüllt. Für 6d werden die Kisten unter realistischen, verschärften Bedingungen getestet. Schmu ist also zumindest erschwert. Und folgerichtig machen die deutschen Hersteller auf der IAA da nicht mit.
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Grafikquellen :
Oben — Alte Frau beim Kochen
DL – Red. privat
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Unterernährte vom Hunger geschwächte Kinder
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Der Mercedes-AMG Project One auf der IAA 2017