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Erstellt von DL-Redaktion am Donnerstag 27. September 2018

Umweltpolitik, ein Defensivspiel

Datei:Brand Schlackehalde Messel.jpg

Von Roland Schaeffer

Die Individualisierung der Umweltbewegung war nicht hilfreich. Ökologisches Handeln ist vom politischen Konzept zum privaten Lebensstil mutiert.

Mit ihrer ersten Nullnummer hat die taz vor 40 Jahren eine Umweltseite geschaffen. Das war damals eine Revolution. Was bei anderen Zeitungen unter „Vermischtes“ abgetan wurde, bekam hier einen festen Platz. Es war ein Signal: Hier wird ein Thema gesetzt.

Das Wissen über die Umweltwirklichkeit ist seitdem immens gewachsen. Das Menschheitsrisiko Klimawandel war 1978 in der Öffentlichkeit nicht bekannt. Die erneuerbaren Energien gab es nur in den Möglichkeitsräumen der Technikträume. Die Pläne zum Atomausstieg führten deshalb direkt in einen neuen Kohleeinstieg – zum Beispiel in Städten wie Bremen und Mannheim.

Zunächst ging es voran. Beim Weltgipfel in Rio 1992 wurde Nachhaltigkeit erstmals zum Leitbild erklärt, Staaten und Städte beschlossen Nachhaltigkeitspläne. Realisiert wurde nur wenig. Das Denken der 90er Jahre richtete sich auf den Markt, erst nach 1998 setzte die rot-grüne Bundesregierung die erneuerbaren Energien aufs richtige Gleis. Die größte Hoffnung, regenerative Versorgung der Menschheit, ist in Sichtweite.

In anderen Bereichen aber geht es rückwärts. 15 Millionen Hektar der Landesfläche werden „konventionell“ bewirtschaftet, das bedeutet heute meist eine Monokultur, die bis auf eine alle Pflanzenarten beseitigt und die Lebensräume für Insekten und Vögel zerstört. 150 Millionen „Nutz“-Tiere vergüllen das Grundwasser und überstehen die Quälhaltung nur durch Antibiotika. Die größten Braunkohle-Dreckschleudern der Welt laufen noch immer in Deutschland. Selbst mit ökonomischer Vernunft oder Wettbewerb hat all das wenig zu tun. Die Macht der Lobbys und Monopole ist das Elend der deutschen und europäischen Politik.

Mischung aus Selbstoptimierung und Schuld

Für vernünftige Klima- und Umweltpolitik gibt es in der Bevölkerung große Mehrheiten. Trotzdem ist aus dem Hoffnungsträger Umweltpolitik, der gemeinsamen Arbeit an der Sicherung der Zukunft, ein trauriges Defensivspiel geworden.

Die Ökologiebewegung hat seit 1978 weltweit das Denken verändert. Fatalerweise hat sie dabei das schlechte Gewissen zum täglichen Begleiter gemacht. Moderne Mittelschichtsmenschen neigen zu einer Mischung aus Selbstoptimierung und Übernahme von Schuld: Sind nicht „wir alle“ das Problem?

Der Soziologe Pierre Bourdieu hatte gewarnt: Hinter jedem „Wir alle“ verbergen sich die feinen Unterschiede des „… aber ich nicht ganz so wie die da“. Hilfreich war die Individualisierung des Problems nicht. Ökologie ist vom politischen Konzept zum privaten Lebensstil mutiert und der richtige Lebensstil zum sozialen Wertmaßstab: Würden „wir alle“ endlich das „richtige“ Obst, Auto, Käse, T-Shirt kaufen, dann wäre alles gut.

Nur: „Wir alle“ tun das nicht. Das Resultat: Manche fühlen sich besser – und andere schlechter. Die individualisierte Sicht auf ökologische Zusammenhänge spaltet die Gesellschaft. Der Staat flüchtet unterdessen aus der Verantwortung und die Wirtschaft erklärt für „nachhaltig“, was profitabel erscheint.

Quelle     :      TAZ          >>>>>           weiterlesen

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Grafikquellen     :

Oben     —     Brand auf der Abraumhalde der Ölschiefergrube Messel

Datum 1950er-Jahre
Quelle Digitales Bildarchiv Franz-Jürgen Harms
Urheber unbekannt, Album Paul Szyszka
w:de:Creative Commons
Namensnennung Weitergabe unter gleichen Bedingungen
Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“ lizenziert.

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Unten     —      Nordwestteil der Grube Messel im August 2010, Blick von Süden. Bei den weißen Hängen im Bildhintergrund handelt es sich um die Ausschusshalde des nahe gelegenen Ytong-Werks.

 

 

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