DEMOKRATISCH – LINKS

                      KRITISCHE INTERNET-ZEITUNG

RENTENANGST

„Wozu der ganze Mist!“

Erstellt von Redaktion am Dienstag 25. April 2017

Was ist los in einer gereizten Gesellschaft,

Roemerberggespraeche-03-2016-heinz-bude-ffm-765.jpg

„Niemand glaubt daran, dass sich Märkte selbst regulieren könnten“

wenn jede Verständigung scheitert?  Heinz Bude und Jakob Augstein über die politische Stimmung in Deutschlan. Ein Interview

Im Zauberberg schrieb Thomas Mann über das Jahr 1913: „Was lag in der Luft? Kriselnde Gereiztheit. Erbitterter Streit, zügelloses Hin- und Hergeschrei entsprang alle Tage zwischen einzelnen und ganzen Gruppen.“ Einer der eloquentesten Gesellschaftsinterpreten ist Heinz Bude. In Das Gefühl der Welt ergründet er den Ursprung von Stimmungen.

Jakob Augstein: Leben wir heute vielleicht wieder in der Gereiztheit, Herr Bude, wie sie Thomas Mann für das Jahr 1913 beschrieb?

Heinz Bude: Ja, es herrscht grollende Übelgelauntheit – und zwar quer durch alle politischen Lager und sozialmoralischen Milieus.

Woran erkennen Sie das?

An der Flüchtlingsdebatte zum Beispiel. „Bist du wahnsinnig? Du kannst doch nicht Leute einfach so ins Land lassen“, sagte der eine. Und die andere: „Aber, es geht doch in Zeiten der Globalisierung gar nicht anders!“ Viele machen die Erfahrung, dass sie mit Leuten, die sie schon 20 oder 30 Jahre kennen, heftigst in Streit geraten.

Warum gibt es keine Brücke mehr zwischen den Diskutanten?

Die Gereiztheit ist das Ergebnis einer paradoxen Entwicklung: Es wird gleichzeitig alles immer besser und immer schlechter.

Aha, wie soll ich das verstehen?

In den letzten 20 Jahren ist – weltweit – die Zahl der Menschen, die in absoluter Armut leben, gesunken. Das gleiche gilt für die Kindersterblichkeit. Die Bildungschancen für Mädchen sind gestiegen. Kurz: der Abstand zwischen entwickelten Ökonomien und insbesondere Schwellenländern geht zurück.

Prima, die Welt rückt zusammen.

Ja, aber während die Ungleichheit zwischen den Gesellschaften zurückgeht, hat sie innerhalb der Gesellschaften zugenommen. Sogar extrem. Die Menschen fühlen diese Entwicklung. Sie reagieren gereizt, weil sie keine wirklich gute Erklärung dafür bekommen, wie beides zusammenhängt.

Wäre das nicht Ihr Job als Soziologe, das plausibel zu machen?

Die Bilanz ist auch bei uns zwiespältig. Da gibt es Garagenunternehmer, die sich nicht um einen tollen Bildungsabschluss gekümmert haben, aber immens reich geworden sind. Daneben mühen sich Journalisten, Werber und Unternehmensberater, sich im Zustand „prekären Wohlstands“ über Wasser zu halten. Über 30 Jahre dachte man – angefangen von Reagan über Thatcher bis zu Gerhard Schröder –, eine gute Gesellschaft bestehe aus starken Einzelnen. Mittlerweile zeigt sich in allen westlichen Gesellschaften die Mehrheit davon überzeugt: Starke Einzelne können sich nicht retten. Egal wie reich man ist, als Einzelner kann man sich nicht gegen Klimawandel oder Zuwanderung schützen.

Quelle: Der Freitag >>>>> weiterlesen

——————————————————————————————————–

Grafikquelle : Heinz Bude, Soziologe, bei den Römerberggesprächen im März 2016. Über „Die Stimmung der Spaltung. Befindlichkeiten in der überforderten Republik.“

Kommentar schreiben

XHTML: Sie können diese Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>