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„Wo kommst du her?“

Erstellt von Redaktion am Sonntag 24. Februar 2019

Der ethnische Ordnungsfimmel

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Eine Kolumne von

Wer sich über die Wo-kommst-du-her-Frage ärgert, bekommt zu hören: Das sei bloß Interesse. Aber wenn dann etwa Dieter Bohlen „Herne“ als Antwort nicht reicht, zeugt das von einem problematischen Herkunftskonzept.

Kennen Sie das, dass Sie wildfremde Leute einfach so für nichts und wieder nichts loben? „Sie sprechen aber gut Deutsch!“ Oder dass sie Ihr Aussehen kommentieren? „Sie sehen gar nicht türkisch aus, kommen wirklich beide Eltern aus der Türkei?“ Ich leider schon. Übergriffige Bemerkungen zu Aussehen, Aussprache und der Ahnengalerie gehören zum Alltag vieler Menschen, wenn sie einen erkennbaren Migrationshintergrund haben.

Besonders die verbale Ausbürgerung – „Wo kommst du her?“ – kann einen jederzeit und überall treffen. In der U-Bahn, beim Arzt oder in einer Casting-Show. Diese Woche beschäftigte das Internetvolk ein Ausschnitt von „Das Supertalent“ (RTL), in der Juror Dieter Bohlen ein fünfjähriges Mädchen auf der Bühne fragt, wo es herkommt. Aus Herne, lautet die Antwort. Leider fragt Bohlen weiter:

Er: „Und Mama und Papa? Philippinen, oder…?“

Sie: „Die sind auch in Herne.“

Er: „Wo kommt ihr her, aus welchem Land, gebürtig?“

Sie: „Ich weiß es nicht.“

Er: „Oma und Opa oder so…?“

Bohlen lässt erst von ihr ab, als die Mutter vom Bühnenrand „Thailand“ sagt. Das Interessante an der Szene: Das kleine Mädchen kapiert gar nicht, worauf der Mann hinaus will. Hier prallen zwei Welten aufeinander, die nicht nur mit 60 Jahren Altersunterschied erklärt werden können. Offenbar hat die kleine Melissa, so heißt das Mädchen, ihre Karriere als „Deutsch-Asiatin“ noch nicht angetreten. Das Kind dachte bis zu dieser Begegnung doch tatsächlich, es sei aus Herne und von hier. Leider wird ihr im Laufe ihres Lebens wohl noch öfter klargemacht, dass das nicht so sei.

Mit dieser Erfahrung ist sie nicht allein. Bis zu einem gewissen Alter bleibt man vom ethnischen Ordnungsfimmel verschont. Aber dann, irgendwann, merkt man es: dass man immer gefragt wird, wo man herkommt – andere aber nicht. Dass bei dir „Herne“, „Peine“ oder „Nürnberg“ als Antwort nicht ausreicht. Dass die Fragerei erst aufhört, wenn du Türkei, Iran oder Thailand gesagt hast. Auch, wenn du selbst findest, dass du von hier bist.

File:Ungarn September 2015 (21138294115).jpg

Millionen von Menschen werden immer wieder zwangsmigrantisiert und viele sind genervt davon. Doch jedes Mal, wenn man darüber diskutieren will, sind die Herkunftsdetektive überrascht, warum sich die muffeligen Migranten schon wieder so anstellen. Wo doch die Fragesteller*innen nur Interesse an der Person zeigen und Smalltalk führen wollen. Wo bitte ist das Problem?

Ein Typ erklärte auf Twitter ganz selbstverständlich, Melissa sei halt noch zu klein, um zu wissen, wo sie herkommt. Und genau da liegt das Problem: Er meinte, wo sie wirklich herkommt, also ethnisch, mit Vorfahren, Wurzeln und allem drum und dran.

Deutschsein – als Clan, als Dorf, als Blutsgemeinschaft

Quelle      :          Spiegel-online         >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen      :

Oben      —                 DSDS – Live on Tour. 27. Juli 2014, Stadthalle Wien.

Unten     —         Flüchtlinge am Budapester Ostbahnhof

Source Ungarn September 2015
Author Rebecca Harms from Wendland, Germany

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