Wo ist die Solidarität?
Erstellt von DL-Redaktion am Freitag 11. Mai 2018
Wohlstand und Armut
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In einem der reichsten Länder der Welt könnten wir uns internationale Solidarität gut leisten. Dennoch werden sogar die Armen im eigenen Land weiter stigmatisiert.
Wir leben in einem der wohlhabensten Länder der Welt. Die Stimmung der Menschen spiegelt das allerdings nicht ganz so eindeutig wider. Zwar geben in Umfragen die meisten Menschen an, mit ihrer Gesamtsituation eher zufrieden zu sein. Doch soziale Ungleichheit und Ungerechtigkeit halten trotzdem viele für ein Problem. Der darin enthaltene Widerspruch steigert sich schließlich noch einmal, wenn es um die Frage geht, was denn jeder einzelne bereit wäre beizutragen, um soziale Ungleichheit zu bekämpfen. So gut geht es uns dann doch wieder nicht.

Zwanzig Jahre später gibt es einen Mindestlohn, auch wenn den Millionen Beschäftigte gar nicht bekommen. Gleichzeitig wird über eine Erhöhung diskutiert. Die Arbeitslosigkeit ist auf Rekordtief, und das liegt nicht nur an den beschönigten Statistiken. Die deutsche Wirtschaft brummt, sie hat die Krisen seit 2008 so gut überstanden wie kaum ein anderes (europäisches) Land. Trotzdem gibt es weiterhin eine breite Stigmatisierung von Armut und eine Entsolidarisierung in der Gesellschaft. Die Mittelschicht ist verunsichert, sie trägt die Hauptlast des Sozialstaats, und wird weiter von Abstiegsängsten geplagt.
Wir brauchen ein Gegennarrativ
Der unmittelbare Auslöser dieser Ängste ist – abgesehen von den ihnen zugrunde liegenden strukturellen Problemen – wohl vor allem eines: die Flüchtlingskrise von 2015 und die folgende Rechtsdrift der öffentlichen Debatte, eine allgemeine Stimmung der Angst und Sorge zunächst als Auslöser und dann wiederum als Folge des Erfolgs der AfD. Hier fehlt noch immer dringend ein Gegennarrativ, eine andere Erzählung, etwa von Hoffnung und Vertrauen. Denn eigentlich sollte es bei uns keine übergroßen Gründe zur Sorge geben. Wir stehen wirtschaftlich enorm gut da und sind zugleich politisch stabiler als fast alle unsere Nachbarn.
Natürlich werden die globalen Herausforderungen nicht kleiner, und wir sind fern davon, sie optimal anzugehen. Dafür ist der vielleicht nicht einmal wachsende, dabei aber sich zumindest deutlicher als früher zeigende Unmut in der Bevölkerung und der Erfolg der AfD und anderer Rechtspopulisten und autoritärer Nationalisten ein deutliches Symptom. Aber es ist eben nur ein Symptom. Und zwar ein Symptom, das uns Gelegenheit gibt, seine Ursachen zu bekämpfen.
Das wird langsam ja auch getan, wie unbeholfen auch immer. Wenn die neue Regierung sich etwa endlich mehr um die „kleinen“ Leute kümmern möchte, zeigt sie durch genau diese Begriffswahl noch einmal auf, was die Politik eben immer noch von diesen Leuten und einem Großteil der Bevölkerung trennt. Aber sie macht immerhin Anstalten, dieses Problem in den Blick zu nehmen. Schon wesentlich virtuoser versuchen sich inzwischen einige charismatische Abgeordnete darin, längst an die äußerste Rechte verloren geglaubte Begriffe wieder neu zu besetzen, Heimat etwa, aber auch ganz allgemein das Konservative. Und nachdem das erste laute Gepolter und Getöse verklungen war, wurden hier auch gemäßigtere, durchdacht-verantwortungsvollere und breiter anschlussfähige Positionen hörbar, wie etwa die von Winfried Kretschmann.
Quelle : Der Freitag >>>>> weiterlesen
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Grafikquelle :
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