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Wenn Symbole lügen

Erstellt von Redaktion am Freitag 26. Februar 2016

„Sichere Herkunftsstaaten“

 von Christian Rath

Der Begriff „sichere Herkunftsstaaten“ gehört sofort abgeschafft. Denn er ist nicht nur unpräzise, sondern auch verhöhnend.

Alle paar Monate werden neue Staaten zu „sicheren Herkunftsstaaten“ erklärt. Im Herbst 2014 waren es Serbien, Bosnien und Mazedonien. Ein Jahr später kamen Kosovo, Albanien und Montenegro dazu. Und jetzt sollen Algerien, Marokko und Tunesien als „sichere Herkunftsstaaten“ etikettiert werden.

Nichts gegen Symbolpolitik. Sie kann mit wenig Aufwand große Wirkung erzeugen. Sie kann mobilisieren, zufriedenstellen, die gesellschaftliche Atmosphäre verbessern. Die Symbolpolitik aber, die mit dem Label der angeblich „sicheren Herkunftsstaaten“ verbunden ist, ist verhöhnend und verdummend. Problematisch sind weniger die damit verbundenen rechtlichen Folgen, es ist vielmehr der Begriff, der schleunigst abgeschafft gehört.

Die Menschenrechtslage in Nordafrika ist alles andere als zufriedenstellend. In marokkanischen Gefängnissen wird gefoltert, Homosexuelle werden inhaftiert. In Algerien sind die politischen Rechte stark eingeschränkt. Und in Tunesien geht die Regierung mit zunehmender Härte gegen Proteste vor. Wie will die Bundesregierung mit den Verantwortlichen dieser Länder einen Menschenrechtsdialog führen, wenn sie ihnen gleichzeitig per Gesetz einen Persilschein ausstellt?

Das Attribut „sicher“ verhöhnt auch die Situation der Migranten aus solchen Ländern. Die Leute verlassen ihre Heimat, weil sie eben kein gesichertes Auskommen haben, keine gesicherte Zukunft für sich und ihre Kinder. Roma vom Westbalkan werden in vielen Lebensbereichen diskriminiert. Soll das ein „sicheres“ Leben sein?

Suggestion der totalen Entrechtung

Die Asylanträge von Menschen aus Nordafrika und vom Westbalkan scheitern nicht, weil ihre Herkunftsländer allgemein sicher sind, sondern weil dort kein Bürgerkrieg herrscht und den konkreten Antragstellern keine individuelle Verfolgung droht. Wenn Marokko für Schwule unsicher ist, dann kann daraus ein Heterosexueller keinen Asylanspruch ableiten.

Wenn Islamisten in Algerien willkürlich inhaftiert werden, können säkulare Migranten damit keinen Schutzanspruch begründen. Der Begriff der „sicheren Herkunftsstaaten“ beschönigt einerseits die Lage und erschwert andererseits das Verständnis, worauf es im Asylverfahren ankommt: auf individuelle Verfolgung, Bürgerkrieg und konkrete Gefahr.

Quelle: TAZ >>>>> weiterlesen

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Fotoquelle: Wikipedia – Jasmin Revolution / Author M.Rais / CC0

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