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Weltmeisterin über Erfolg

Erstellt von DL-Redaktion am Mittwoch 25. April 2018

Eisschnelllauf-Weltmeisterin über Erfolg
Gunda Niemann-Stirnemann – “ Kaugummi raus!“

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Gunda Niemann-Stirnemann wusste immer, was sie wollte: Sportlerin sein, die beste. Seit ihrer Pubertät ging sie diesem Ziel nach. Und erreichte es, gleich mehrfach. „Los, komm. Heute“, sagte ihr Trainer. Und „Regenjacke an, zack“, war sie aus dem Haus: Gunda Niemann-Stirnemann, Rekordweltmeisterin im Eisschnellauf, über Erfolg.

Das Interview führten Jan Feddersen und Jann Luca Zinser

Sie lebt als Eisschnelllauftrainerin in Erfurt und hat nur selten journalistischen Besuch. Hier empfängt sie einen frühen Bewunderer und einen, der mal als Junior ihr Schützling war: Gunda Niemann-Stirnemann, die Athletin, nach der zu Lebzeiten eine Eishalle benannt wurde.

taz am wochenende: Frau Niemann-Stirnemann, Sie sind eine berühmte Eisschnellläuferin, die für ihren Trainingsfleiß bekannt war. Wie geht es Ihnen heute?

Gunda Niemann-Stirnemann: Gut. Ich hatte Zeiten, in denen es nicht ganz so rosig ging, aber da boxt man sich durch. Als Leistungssportler ist man immer ein Kämpfer. Dass man nicht aufgibt. Manche schaffen es …

… und viele schaffen es nicht, oder?

So ist es. Und ich wünsche mir, dass es so viele wie möglich schaffen. Wenn man mal eine kleine Krise hatte, dass man da sagt: Jetzt ran, jetzt zeige ich es euch aber.

Manche werden im Moment einer Krise nervös. Was ist Ihr Modus, um das Gefühl von Krise zu bewältigen?

Ich analysiere: warum? Wieso kommt diese Situation auf mich zu? Wenn man diese Analyse für sich hat, sieht man seine Position und findet heraus: Was ist mein Stand als Mensch? Dann versuche ich klar zu entscheiden, was möglich ist. Das ist der Weg.

File:Erfurt Eissportzentrum Gunda-Niemann-Stirnemann-Halle Thüringen - Foto Wolfgang Pehlemann Steinberg Ostsee DSCN1555.jpg

Was trieb Sie an, eine der erfolgreichsten Eisschnellläuferinnen der Welt zu werden?

Die rote Linie meines Lebens ist, dass ich mit Liebe und Leidenschaft Sport treibe. Wenn man Weltspitze sein wollte, so wie ich, musste man viel tun. Dann musste man sagen, ich möchte besser, fleißiger sein als die anderen. Das ist, glaube ich, auf allen Ebenen des Lebens so. Ob man Musik macht, gut zeichnen kann oder wie ich auf dem Eis Talent hat. Das sollte man nutzen. Und ich wollte es ausleben.

Wie fing es bei Ihnen, noch in der DDR, an?

Ich war eigentlich immer untalentiert. Man hat mir gesagt, ich sei zu klein für Volleyball. Zu klein, zu kräftig. Ich habe schrecklich geweint, weil ich Volleyballerin werden wollte. Ich liebte diesen Teamsport. Ich war die kleine Chefin, ein kleines Alphatier. Wir waren eine super Mädchengruppe. Man hat mir aber gesagt: Das wird nichts. Nicht genug Talent. Die suchten große Schlanke. Da ging für mich eine Welt zugrunde. Ich habe gesagt, Mama, ich möchte so gerne. Ich war gut! Ich wollte einfach immer gewinnen, immer gut sein.

Sie kamen dann auf eine Sportschule?

Ja – noch in der Leichtathletik. Ich sollte mit Sprint anfangen, war aber am Start zu langsam. Im Vordergrund stand immer, dass ich eine gute Einstellung hatte. Das harte Arbeiten.

Mussten Ihre Eltern Sie antreiben?

Nein. Meine Mutter hatte gar keine Zeit dafür. Sie hatte einen Obst- und Gemüseladen. Ich war das fünfte Kind. Die hatte mit sich zu tun und hat das Geld nach Hause gebracht, wir sind selbstständig groß geworden und haben uns die Ziele selbst gesteckt. Ich wollte auf die Sportschule.

Können Sie mit dem Begriff „den inneren Schweinehund überwinden“ etwas anfangen?

Mein Begriff war eher: gnadenlos zu sich selbst sein. Ich hatte so tolle Trainer, die mir den Spaß nicht genommen haben, weil sie erkannt haben, dass ich will. Das muss man ja auch erst mal sehen. Ich hatte die eine Trainerin, die mich zur Weltspitze geführt hatte.

Was machte Ihre Trainerin gut?

Sie hatte die Gabe, dass sie, was man nie gesehen hat, sehr streng war. Dieses Sensible, was man rein optisch erwartet hätte, war das Zielstrebige, was sie verfolgt hatte. Sie wollte beweisen, dass sie eine gute Trainerin ist. Und sie hat es geschafft. Wir waren drei Mädchen, die sie an die Weltspitze geführt hat, Constanze Moser, Heike Warnicke und ich. Das hat man ihr nicht zugetraut.

Was zeichnete ihre Strenge aus?

Dass sie dabei auch nett war. Wir mussten ihre Vorgaben ja umsetzen. Mir tat das gut. Diese Zuversicht, die sie ausstrahlte, die empfand ich so: Wenn wir so hart arbeiten, werden wir das schaffen. Wir werden es ihnen beweisen.

Was?

Dass wir es können. Dass wir es gemeinsam können.

Dachten Sie manchmal: Jetzt muss ich schon wieder zum Training – und habe keine Lust. Oder kennen Sie dieses Gefühl nicht?

Doch, doch. Ich musste mich immer wieder überwinden. Ich dachte oft: Ich bin so müde vom Training, eigentlich könnte ich mal Freunde treffen. Das Verrückte ist: Genau an der Stelle solltest du weitermachen. Das ist der Punkt, warum du besser bist als die anderen. Die meisten meiner Mitstreiter, die nicht weitermachten, haben es nicht geschafft. Die trainierten genauso hart. Sie hatten aber dieses Gen nicht.

Gen?

Ich hatte das Glück, dass ich körperlich beste Voraussetzungen für meinen Sport mitbrachte. Ein Herzspezialist hat mir mal gesagt: Wenn dein Herz ein Mal schlägt, kriegst du so viel Blut in deinen Herzmuskel, dass deine Muskeln besser mit Sauerstoff versorgt sind. Das heißt nicht, dass ich ein riesiges Herz habe, aber ich habe ein gutes Herz. Eine gute Pumpe.

Junge Sportlerinnen und Sportler scheitern ja oft während der Pubertät.

Das kann ich als Trainerin genau beobachten, ich habe gerade 16-, 17-jährige Sportler. Die sind mittendrin. So mittendrin, wie ich es damals war. Ich finde, sie sollen sich nichts verbieten. Man liebt es, dass man heimlich Dinge tut, die vom Internat nicht erlaubt sind. Grundvoraussetzung bei mir war: Ich wollte Sport. Ich tanzte gerne, ging in die Disko. Wir sind jeden Samstag mit der Familie tanzen gegangen, das war Tradition. Mich hat das nicht abgelenkt. Ich wollte, was ich wollte.

Haben Sie über Ihre Tochter, selbst ja Eisschnellläuferin, schon mal den Begriff „chillen“ gehört?

Klar. Sie sagt: „Ma, chill mal!“

Darf Ihnen das eine sagen, die Sie im Sport trainieren?

Wir haben einen Kompromiss geschlossen: dass ich auf der Arbeit Trainerin bin und zu Hause Mama.

Quelle     :      TAZ      >>>>>      weiterlesen

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Grafikquellen :

Oben    —    Gunda Niemann is a former German speedskater

 

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Unten  —   Noch als Gunda Kleemann beim Eisschnelllauf-Weltcup am 25. November 1989 in Berlin

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