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Weihnachten auf Mallorca

Erstellt von Redaktion am Montag 23. Dezember 2013

Sie scheißen auf die Armut

Autor: U. Gellermann

Rationalgalerie

Datum: 23. Dezember 2013

Gegerbte Gesichter vor dem Supermarkt in Son Veri Nou: Deutsche Arbeitslose, Menschen, deren Traum vom ewigen Sommer auf Mallorca gescheitert ist, warten darauf, den Einkaufswagen vom Auto der Käufer wieder an den Stellplatz zu fahren. Das bringt einen Euro. Son Veri Nou ist kaum 20 Auto-Minuten von Palma, der Hauptstadt der Insel, entfernt. Der kleine Ort ist vollgestellt mit Protzkästen am Meer: Die größeren kosten um fünf, sechs Millionen, kleinere sind schon für zwei Millionen Euro zu haben. Man lässt peruanische Dienstmädchen einkaufen. Die haben selbst nicht genug, um den Arbeitslosen etwas abzugeben. Die, die abgeben könnten, zumeist Immobilienspekulanten, wohnen im Winter nicht auf der Insel. Zu kalt. Zu wenig mondän. Man lebt in Madrid oder Barcelona.

Eine goldglänzende Sonne beleuchtet die pittoreske Altstadt von Palma. Es geht auf Weihnachten zu. Blechern dringt der internationale Weihnachtsmusik-Terror aus den Lautsprechern an der Plaza Major: „I´m dreaming of a white Christmas“. Ein Weihnachtsmarkt sucht verzweifelt nach Kunden. Um die tausend Krippenfiguren werden angeboten. Die Geburt Jesu steht, wie jedes Jahr, vor der Tür. Ochs, Esel, Maria, Josef: Alle und alles sind in allen Größen im Angebot. Auch der „Caganer“ ist zu haben, die Bauernfigur aus dem 18. Jahrhundert, mit heruntergelassenen Hosen, scheisst in einer Ecke auf den Krippenboden. Immer schon haben die Katalanen und die Leute auf den Balearen diese Figur mit Gesichtern ihrer Politiker versehen. In den letzten Jahren taucht neben dem spanischen Ministerpräsident Mariano Rajoy immer häufiger der Kopf der Dame Merkel auf. Die heruntergelassenen Hosen stehen ihr.

Jeden Tag, so berichtet das deutschsprachige „Inselradio“, werden vier Zwangsräumungen allein in Palma exekutiert. Vor ein paar Tagen hat ein Mann in der Calle Francisco Fiol y Juan versucht, sich das Leben zu nehmen, weil er exmittiert werden sollte. Er war nicht der erste, er wird nicht der letzte sein. In ganz Spanien stehen 350.000 Hausbesitzer vor der Zwangsräumung. Weil sie ihre Kredite nicht bedienen können. Während die Dame Merkel und andere Schönschwätzer behaupten, die EU würde sich von der Krise erholen, steigt zum Beispiel in Spanien die Zahl der Kreditausfälle. Seit Beginn der Krise haben mehr als vier Millionen Menschen ihre Arbeit verloren. Und der Internationale Währungsfonds teilt mit, dass die spanische Arbeitslosenquote nicht vor 2018 unter 25 Prozent sinken wird. Es wird ein teurer Kaffeesatz sein, aus dem die Experten lesen.

Die Deutschen wähnen sich, im Vergleich zu den Südländern, in einem Land der Seeligen. Warum nur? Im vergangenen Jahr gab es 25.000 gerichtlich registrierte Zwangsräumungen in Deutschland. Weitere 40.000 Räumungen wurden ohne Erlaubnis der Gerichte durchgeführt. Wer die Miete oder die Kredite nicht zahlen konnte, verließ noch während des Verfahrens seine Wohnung. Nicht selten wurde nachgeholfen. Ganze Regionen veröden, sagt der Paritätische Wohlfahrtsverband in seinem jüngsten Armutsbericht. Mit einer 15,2-prozentigen Armutsquote, so der Bericht, „ist 2012 ein neuerliches, trauriges Rekordhoch erreicht.“ Gleichzeitig wächst, ob in Spanien oder Deutschland, der Reichtum der Reichen.

Man muss nicht nach Spanien fahren, um die Ursachen der wachsenden Armut zu erkennen. Der jüngste Koalitionsvertrag von CDU und SPD verzichten auf jede Steueranhebung bei den Superreichen. Der Winter der sozialen Kälte breitet sich aus in Europa. Und den Berufseuropäern fällt dazu nichts anderes ein, als die jeweiligen Haushalte auf Kosten der Ärmsten zu sanieren. Ob Angela Merkel oder Mariano Rajoy: Sie scheissen auf die Armut. Und wenn ihnen nicht in den entblößten Arsch getreten wird, dann scheißen sie auch noch morgen.

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Fotoquelle: DL/privat

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