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Wald-wirtschaft + -brände

Erstellt von Redaktion am Montag 27. August 2018

Kein Wald vor lauter Bäumen

File:Waldbrand-Bodenfeuer.jpg

Von Ulrike Fokken

In Brandenburg brennen die Kiefernwälder wie Zunder. Doch das Feuer ist auch eine Chance – für eine Rückkehr zum Naturwald.

Ein feiner Hauch Rauch liegt in der Luft über Berlin und vermittelt den Städtern eine Ahnung davon, was ein Waldbrand ist. Rund 50 Kilometer südwestlich der Hauptstadt stehen auf 400 Hektar Büsche, Heidekraut und Kiefern in Flammen, vor allem Kiefern. Wenn das Feuer die Baumkronen erreicht, springen die Flammen wie ein Eichhörnchen von Ast zu Ast und sind nicht mehr aufzuhalten. Hunderte Bäume sind verbrannt. Tausende Kiefern stehen noch, die Stämme angesengt und schwarz, Glut glimmt hier und dort am Boden. „Wir haben die Lage so weit im Griff“, befindet Christian Stein, Vize-Landrat der Region am Samstagabend.

Allein: In Brandenburg brennt in Wahrheit kein Wald, sondern ein Forst. Ein Acker aus Kiefern, den Förster in den vergangenen 70 Jahren gepflanzt haben. In der DDR war ein Forst dazu da, regelmäßig abgeerntet zu werden. Auf die Natur nahmen die realsozialistischen Forstleute keine Rücksicht. Ihr Lohn wurde gekürzt, wenn die von ihnen neu gepflanzten Bäumchen nicht nach drei Jahren angewachsen waren. Diese Sicherheit gab ihnen die Kiefer – und nicht die Eiche.

Der Nachteil in Zeiten des Klimawandels mit seinen knochentrockenen Sommern: Kiefern brennen wie Zunder, ihr Harz beschleunigt jeden Brand. Das Brandenburger Umweltministerium warnt im letzten Landeswaldbericht: „In den großen Kieferngebieten besteht eine hohe Gefährdung durch Waldbrand. Am Waldumbau geht deshalb kein Weg vorbei.“

Zwei Drittel der Bäume in Brandenburg sind Kiefern, die meisten wachsen im Süden des trockensten deutschen Bundeslands. Ginge es nach der Natur, dann würden Eichen- und Laubmischwälder die sandigen Flächen bedecken. Doch die preußischen Forstleute haben schon vor Jahrhunderten den Wald abgeholzt – und die Flächen mit Kiefern aufgeforstet. Nördlich von Berlin, in der Schorfheide, hatten die Kiefer-Monokulturen den angenehmen Nebeneffekt, dass die nackten Bäume eine freie Schussbahn für die Jäger ermöglichten, zunächst für Kaiser Wilhelm II, dann für Reichsjägermeister Hermann Göring und später Erich Honecker, die dort auf Rothirsche anlegten. Forst aus Kiefern und Fichten produziert eben schnell wachsende, gerade Stämme für die Holzindustrie, er bringt sicheres Geld und er erleichtert die Trophäenjagd.

Nur Mischwälder können die Trockenheit überstehen

Dabei flöten es die Drosseln aus den Wäldern, dass nur Mischwälder aus Buchen, Ahorn, Linden, Eichen, Tannen, Elsbeeren, Ulmen und auch mal Kiefern im Klimawandel bestehen. Naturnahe Laubmischwälder speichern Wasser auch nach starken Regenfällen, stehen Trockenheit und Stürme durch, halten den Boden zusammen und bilden ein funktionierendes Ökosystem. „Natürliche Wälder haben in langer Evolution ihr Überleben durch Anpassung gesichert – sie passen sich auch an den Klimawandel an, mit allen Individuen des Wald-Ökosystems“, sagt Forstwissenschaftler Lutz Fähser, der als ehemaliger Forstdirektor von Lübeck vor über 20 Jahren damit begann, seinen 5.000 Hektar großen Stadtwald naturnah zu bewirtschaften.

Naturnahe Waldnutzung, das bedeutet vor allem, die Bäume und den Wald in Ruhe zu lassen. Also nicht alle fünf Jahre durchforsten, sondern die Bäume wachsen lassen, krumm, schief und verzweigt. Alte und junge Bäume, Sämlinge und uralte Bäume stehen durcheinander. Absterbende Bäume und Totholz bleiben liegen, denn Insekten und Pilze leben davon und sorgen dafür, dass die Nährstoffe in den Boden gelangen. So entstehen in Wäldern dicke Humusschichten, die Wasser speichern und für das feuchtkühle Klima im Wald sorgen. „Das Wirtschaften in Wäldern kann biologisch und wirtschaftlich nur gelingen, wenn man die kostenlose Produktivität und Selbsterneuerung der Natur absichert“, sagt Lutz Fähser, der mittlerweile in Rente ist. Sein Nachfolger im Stadtwald Lübeck führt die naturnahe Waldnutzung aber fort. Und weil sie ökologisch und wirtschaftlich sinnvoll ist, verleiht der Bundesdeutsche Arbeitskreis für Umweltbewusstes Management Lutz Fähser im September den diesjährigen BAUM-Umweltpreis.

Das Feuer in den Kiefernforsten von Brandenburg hat Werte vernichtet. Doch es könnte die große Chance für den Umbau von Forst zu Wald sein. In den Flammen sind die dicken Matten an Nadeln verbrannt, die seit Jahrzehnten unverrottbar in den Kieferplantagen liegen. Da dort kaum Kräuter, Gräser, Pflanzen wachsen, passiert im Boden wenig. Die Kiefernnadeln verbreiten ein saures Klima, in dem Asseln, Tausendfüßler, Springschwänze, Regenwürmer und die meisten anderen tierischen Humusmacher nicht leben. Nur hochspezialisierte Pilze und Mikroben können die Nadeln verdauen, brauchen dafür aber lange Zeit. Das Bodenleben in Kieferforsten ist eingeschränkt, der Nährstoffkreislauf stockt.

Das Feuer hat auch sein Gutes – für den Boden

Das Feuer hat auch sein Gutes: Es hat die in den Nadeln gebundenen Nährstoffe freigesetzt. Auf einen Schlag sind die für Pflanzen entscheidenden Stoffe im Boden und bieten beste Voraussetzungen für üppiges Wachstum. Stickstoff, Kohlenstoff, Phosphor, Calcium, Kalium und Magnesium lauern in der Asche, wo es noch vor Kurzem gebrannt hat.

„Wenn die Kronen brennen, gehen die Stoffe in Gas über und sind weg“, sagt Beate Michalzik, Professorin für Bodenkunde an der Universität Jena. Bei 500 oder 600 Grad bleibt nur Asche. Wir treffen Michalzik in einem Buchenmischwald der Laubgenossenschaft Kammerforst auf dem Hainich in Thüringen, um zu sehen, wie sich die Dürre auf den Boden und den Wald auswirkt.

„Ein Brand am Boden bedeutet einen kurzfristigen Eintrag an Pflanzennährstoffen – eigentlich schön, wenn die Pflanzen das nutzen“, sagt Michalzik, die für ein Forschungsprojekt selbst schon Waldboden abgefackelt hat. Kurzfristig finden Pflanzen nach einem Brand am Boden mehr Stickstoff, der sie in die Höhe treibt. „Jetzt muss man schnell bestocken“, sagt sie – also Bäume pflanzen und säen. Denn sobald es wieder zu regnen beginnt, rauschen die Nährstoffe durch die Asche und lose herumliegende Sandkörner hindurch und sind verschwunden. „Die Wiederbefeuchtung dauert, die Tropfen perlen erst einmal ab“, sagt Michalzik, die einen Waldbrand wie in Brandenburg gleichermaßen gruselig wie wissenschaftlich faszinierend findet. „Da entsteht ein hervorragendes Versuchsfeld, um den Waldumbau voranzutreiben“, sagt sie.

Die Blätter der Buchen fallen, dabei ist es August

Quelle     :         TAZ >>>>> weiterlesen

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Grafikquellen       :

Oben    —       Waldbrand (Bodenfeuer) im Bundesland Brandenburg, Sommer 2003

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Attribution: Tilo

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Unten      —          Waldbrand bei Goslar, 11. August 2003

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