Wahlskandal-Ravensburg?
Erstellt von DL-Redaktion am Sonntag 1. Oktober 2017
Barriere behinderte den Weg zur Wahlurne
KBZO – Wahllokal fälschlicherweise als barrierefrei bezeichnet – Rollstuhlfahrer haben Nachsehen
Ravensburg sz Weil ihr Wahllokal am vergangenen Sonntag als barrierefrei ausgewiesen, das tatsächlich aber nicht war, sind Betreuer und Bewohner des Körperbehindertenzentrums Oberschwaben (KBZO) verärgert. Die Stadt Ravensburg spricht von einem einmaligen Vorfall.
Cornelia Tews arbeitet seit drei Jahren als hauptamtliche Betreuerin für Menschen mit Behinderung am KBZO in Weingarten. Gemeinsam mit einer Kollegin begleitete sie am Sonntag vier Bewohner des KBZO in das für sie zuständige Wahllokal am Bildungszentrum St. Konrad in Ravensburg. In der Wahlbenachrichtigung war der Ort, an dem die vier Bewohner ihre Stimme für die Bundestagswahl abgeben sollten, als barrierefrei ausgewiesen.
Als die beiden Betreuerinnen mit den vier Bewohnern des KBZO, die allesamt im Rollstuhl sitzen, an St. Konrad ankamen, mussten sie allerdings feststellen, dass ein Absatz an der Tür das Einfahren ins Wahllokal mit Rollstühlen unmöglich machte. „Die fünf Wahlhelfer waren zwar freundlich, aber halt auch absolut hilflos“, berichtet Cornelia Tews.
Quelle : Schwäbische >>>>> weiterlesen
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Kreiswahlleiter RV, 30.09.2017
Herrn Peter Hagg
Friedenstrasse 6
Landratsamt Ravensburg
88212 Ravensburg
Anfechtung der Bundestagswahl 2017 im Wahlkreis 294
geschehen bei der Vorbereitung oder Durchführung zu einer Wahl grobe Fehler, die dazu führen, dass es zu einem veränderten Wahlergebnis komm, ist eine Wahl anfechtbar.
Ich fechte hiermit die Bundestagswahl 2017 hinsichtlich des Gesamtergebnisses in den Wahlbezirken der Stadt Ravensburg an. Vorsorglich fechte ich auch die Bundestagswahl 2017 hinsichtlich des Ergebnisses im gesamten Wahlkreis 294 an.
Wie die „Schwäbische Zeitung“ aktuell berichtet [http://www.schwaebische.de/region_artikel,-Barriere-behindert-den-Weg-zur-Wahlurne-_arid,10745001_toid,535.html ], war das Wahllokal „Bildungszentrum St. Konrad“ in der Ravensburger Nordstadt, das für die Bewohner des benachbarten „Körperbehindertenzentrums Oberschwaben“ (KBZO) zuständig ist, im Vorfeld per Information über den Modus der Bundestagswahl als „barrierefrei“ ausgewiesen. Das entspricht nicht den Tatsachen, sondern es war eine eklatante Fehlinformation.
Es ist für mich unerklärlich, warum weder die Schulleitung St. Konrad und /oder die Ravensburger Stadtverwaltung gerade und explizit für das KBZO ein Wahllokal mit für alle tagtäglich erkennbare Barriere wählt, bzw. eine völlig falsche Information weitergibt. Es geht ja auch aus dem Presseartikel hervor, dass es die Stadtverwaltung nicht für nötig gehalten hat, auch nur eines ihrer 31 (Kernstadt) bzw. 47 (insgesamt) Wahllokale persönlich in Augenschein zu nehmen, in dem Wissen, dass unsere Region überproportional von Menschen mit Behinderungen bewohnt und das Wort „Inklusion“ in aller Munde ist.
Abgesehen davon dürfte es für die betroffenen Mitbürger*innen doch irgendwie höchst unangenehm gewesen sein, dass man sie, denen es wichtig ist, so wenig wie nötig fremde Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen, was auch zu ihrer Lebensbewältigungsstrategie gehört, in einer Film reifen Aktion über die Stufe gehievt hat. Sie hätten alle vier aus Protest umkehren sollen. Dann wäre dieser Fall auf jeden Fall klar.
Ich möchte Sie in Ihrer Funktion als Kreiswahlleiter bitten zu überprüfen, inwieweit weitere Bewohner*innen des KBZO – im Rollstuhl oder ansonsten auf Barrierefreiheit angewiesen – im Zuständigkeitsbereich von „St. Konrad“ deshalb an der Wahl nicht teilgenommen bzw. sich von ihr haben abhalten lassen, weil sie die Barriere nicht überwinden konnten, bzw. von den enormen Schwierigkeiten dies zu tun, wussten. Das Gleiche erbitte ich für alle anderen Wahllokale in der Kernstadt und den unechten Teilorten.
Der Kreis Ravensburg ist bundesweit dafür bekannt, dass in ihm sehr viele Menschen mit Behinderungen leben, weshalb ich Sie bitte, zusätzlich alle Wahllokale in den 245 Wahlbezirken des Wahlkreises Ravensburg bei der Bundestagswahl 2017 auf Barrierefreiheit zu überprüfen, wo diese auch zuvor als barrierefrei ausgewiesen wurden und ob durch eine eventuelle Fehlinformation, ein Mensch mit Behinderung oder mehrere von der Teilnahme an der Bundestagswahl 2017 abgehalten wurden.
Es gibt in Deutschland über 100.000 Menschen mit Behinderung, die aus rechtlichen und gesetzlichen Gründen nicht wählen dürfen, aber um ihr Wahlrecht kämpfen. Da sollten wir denen von ihnen, die wählen dürfen, auch so mit Achtung und Respekt entgegen kommen, damit sie ihr Wahlrecht auch in Anspruch nehmen können – was in dem Ravensburger Fall nicht zu erkennen ist – und zwar sowohl von Seiten der Schulleitung „St. Konrad“ (Katholische Schule) als auch der Stadtverwaltung Ravensburg.
Während sich die Stadt Ravensburg mit der „Singularität eines solchen Falles“ herausredet, hat sie in Wirklichkeit offenbart, wie sie arbeitet und wie „ernst“ ihr es wirklich mit der Inklusion ist.
Ich bitte Sie höflich aber bestimmt, sich der Sache anzunehmen und ein eventuell justitiables Ergebnis über den Landes- und den Bundeswahlleiter an den Deutschen Bundestag zur Entscheidung weiterzuleiten. Ich verweise dabei auf § 5 Absatz 4 des Wahlprüfungsgesetzes und erbitte ihre „Amtshilfe“.
Ich danke Ihnen.
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Weinert, Untere Burachstrasse 94, 88212 Ravensburg
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Grafikquellen :
Oben — Eines der Gebäude des Körperbehinderten-Zentrum Oberschwabens