Sahra Wagenknecht
Erstellt von DL-Redaktion am Freitag 27. Februar 2009
Sahra Wagenknecht über die Kapitalismuskrise<
„Ich bin keine einsame Stimme mehr“
Lang hatte es Sarah Wagenknecht in ihrer Partei schwer. Linke-Chef Lothar Bisky lästerte mal, wenn sie noch leicht zu hinken beginne, werde sie zur wiederauferstandenen Rosa Luxemburg. 2008 verhinderten Bisky und Gregor Gysi ihre Kandidatur als Parteivize. Jedoch sitzt die Sprecherin der innerparteilichen Kommunistischen Plattform schon seit 2000 im Bundesvorstand erst der PDS, dann der Linken. Seit 2004 ist sie Europaabgeordnete.
Später: Beim Bundesparteitag am Wochenende in Essen will sie nicht mehr für die Europawahl nominiert werden. Sie plant den Sprung in den Bundestag – über die Landesliste in Nordrhein-Westfalen, die ein Landesparteitag Ende März festlegt. Zurzeit stellt sie ihr Buch vor, Titel: „Wahnsinn mit Methode: Finanzcrash und Weltwirtschaft“
taz: Frau Wagenknecht, seit Sie Politik machen sind Sie eine Außenseiterin. Hat die Kapitalismuskrise das verändert?
Sahra Wagenknecht: Ich habe nicht dass Gefühl, dass meine Kapitalismuskritik gegenwärtig eine Außenseiterposition ist. Aber das allein nützt nicht viel. Ich will eine andere Politik und Wirtschaftsordnung erreichen. Da sind wir noch lange nicht.
Regierungspolitiker reden von Verstaatlichung und Enteignung.
Die Art der Verstaatlichung, die die Bundesregierung betreibt, hat nichts mit dem zu tun, was ich vertrete. Sie will Zocker freikaufen, Verluste sozialisieren und mit Milliarden an Steuergeld genau das Modell stabilisieren, das die Krise herbeigeführt hat.
Sie müssen doch Genugtuung verspüren, auch wenn die Kanzlerin sich nicht gleich zum Kommunismus bekennt.
Man kann in einer Krise keine Genugtuung verspüren: Viele Menschen haben Angst. Es ist auch nicht vorgezeichnet, dass die Gesellschaft nach links rückt. Wenn sich das soziale Desaster fortsetzt, aber wir als Linke es nicht schaffen, die Menschen zu erreichen, könnte die Gesellschaft furchtbar nach rechts abdriften. Umso wichtiger ist es, dass wir als Linke klare Alternativen vertreten und dabei glaubwürdig sind.
Ist es zumindest so, dass Ihre Positionen und die Ihrer Partei nicht mehr so weit voneinander entfernt sind?
Die Linke ist antikapitalistisch und steht damit klar links von der früheren PDS. In vielen Beschlüssen finde ich mich wieder. Das war früher häufiger nicht der Fall.
Werden Sie auch besser behandelt?
Nun ja, es war vorher auch nicht so, dass ich gebissen und an den Haaren gezogen wurde.
Aber auch nicht gestreichelt.
Wenn ich Streicheleinheiten brauche, gehe ich nicht auf eine Parteiversammlung. Richtig ist: Die Arbeitssituation im Parteivorstand ist jetzt anders. Ich bin keine einsame Stimme mehr.
In Talkshows dürfen Sie nun ständig auftreten.
Da saß ich vorher schon. Neu ist, dass man bestimmte Argumente nicht mehr so leicht wegwischen kann. Früher wurde gesagt, der Kapitalismus sei die einzige Ordnung, die Produktion stimuliert und dadurch Reichtum schafft. Das kann nun keiner mehr bringen. Der Kapitalismus zerstört heute Wohlstand im gigantischen Ausmaß.
Wie würden Sie die Krise angehen?
Wir brauchen eine radikale Umverteilung der Einkommen und Vermögen von oben nach unten. Außerdem sollen die für die Krise zahlen, die sie verantworten und vorher profitiert haben. Deshalb fordern wir eine Millionärsteuer, die an die Substanz geht.
Zehn Prozent?
Die Position der Linken ist fünf Prozent. Ich kann mir mehr vorstellen. Aber es wäre gut, wenn es überhaupt eine solche Steuer gäbe.
Darüber können die Konjunkturpakete nicht bezahlt werden.
Alleine die fünf Prozent wären im Jahr 80 bis 100 Milliarden Euro Einnahmen. Es gibt in Deutschland knapp fünf Billionen Euro an Geldvermögen. Nach den Zahlen der Investmentbank Merrill Lynch besitzt ein Prozent der Bevölkerung die Hälfte davon. Das wären diejenigen, die von einer Millionärsbesteuerung betroffen wären. Also: Da ist viel Geld zu holen.
Millionäre sind nicht nur Zocker, sondern auch Unternehmer, die Arbeitsplätze schaffen. Die sind nicht nötig?
Ich rede von Geldvermögen. Die wenigsten Leute haben in ihrem Leben eine Million Euro Geldvermögen erarbeitet. Es ist entweder geerbt oder stammt aus Spekulationen.
Und wenn die Millionäre abhauen?
Das können sie gerne machen. Sie können nur nicht ihr Geld mitnehmen, während der Staat für die Verluste aus der Finanzkrise geradestehen soll.
Millionäre legen auch Geld an, das dann den Banken für Kredite zur Verfügung steht.
Es ist jahrelang viel zu viel Geld auf die Finanzmärkte geflossen: In Wetten, in Spekulationen – in die große Party, deren Folgen wir gerade erleben. Genau dieses Geld stand nicht für Kredite zur Verfügung.
Was schlagen Sie vor?
Ein funktionierendes Finanzsystem ist elementar. Aber zurzeit tragen die vielen Milliarden, die wir hinein stopfen, nicht mal dazu bei, dass das Finanzsystem seine Aufgaben erfüllt. Die großen privaten Banken sind praktisch bankrott. Der Staat sollte sie entschädigungslos übernehmen und durch strikte Regeln dafür sorgen, dass wieder Investitionen finanziert werden statt Spekulation.
Wie sieht für Sie eine kapitalismusfreie Gesellschaft aus?
Es ist eine Gesellschaft, in der die Schlüsselbereiche der Wirtschaft und die Daseinsvorsorge in öffentlicher Hand sind. In der nicht primär für Rendite produziert wird, sondern für den Bedarf. In der die Beschäftigten die Entwicklung ihres Unternehmens real mitbestimmen können. Und in der die Einkommensunterschiede viel kleiner sind als heute.
Quelle : TAZ >>>>> weiterlesen
http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/%5Cich-bin-keine-einsame-stimme-mehr%5C/
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Flickr: Eröffnung Kreisgeschäftsstelle DIE LINKE. Kreis Soest mit Sahra Wagenknecht |
Author | Michael Bruns |