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Vor dem Liefern das Gehirn einschalten

Erstellt von Redaktion am Donnerstag 28. August 2014

Deutsche Waffen und das friedliche
Zusammenleben der Völker

Autor: U. Gellermann

Rationalgalerie

Datum: 28. August 2014

Erst liefern, danach darüber reden: Ein interessanter Grundsatz, der schon im normalen Versandhandel zu schweren Irritationen führen könnte. Noch absurder ist er in der Politik. Sagen wir, die Bundesregierung wäre der Handelsvertreter, der Bundestag wiederum sei der Volksvertreter und dem Volk gehöre der ganze Betrieb. Dann wäre die Reihenfolge bei Lieferungen etwa so: Ein Kunde – in unserem Fall kurdische Milizen – bestellt Waffen. Den Wunsch schreibt die Regierung säuberlich auf. Mit dem Zettel – 300 Milan Panzerabwehr-Raketen, 4.000 Sturmgewehre, 100 Ausbilder, als Berater getarnt, und jede Menge Munition – sollte der Regierungsvertreter eigentlich jetzt zum Parlament gehen, dem Eigentümer-Vertreter der international bekannten und beliebten Bundesrepublik-Waffen-AG. Das macht die Regierung aber nicht.

Schon am Sonntag, sagt die oberste Handelsvertreterin Angela Merkel, wird das Kabinett „eine abschließende Entscheidung fällen“, also die Auslieferung in Bewegung setzten. Und außerdem, so die Kanzlerin: „Die Entscheidung über Lieferungen von militärischen Gütern aus den Beständen der Bundeswehr liegt in der Kompetenz der Bundesregierung“. Deshalb dürfen die Volksvertreter dann am Montag nach der Kompetenzentscheidung noch mal eine Placebo-Runde drehen: `Also wir,´ werden die von den Regierungsparteien sagen, `wir werden der Verantwortung gegenüber dem Volk im Irak gerecht, wir waren, sind und werden für Lieferungen sein.´ Die GRÜNEN reden mit einer Zunge dafür und einer dagegen, nachher ist es dann keiner gewesen. Und die LINKEN sind sicher strikt dagegen, auch wenn ihr Fraktionsvorsitzender mal kurz dafür war. Und das Volk, die Aktionäre? Die wurden schon längst gefragt. Vom Forsa-Institut. Und siehe: 63 Prozent waren gegen die Waffenlieferung, nur 30 dafür. Na und?

Hat sie nicht Recht, die Handelsvertreter-Riege in Berlin? Im Kriegswaffenkontrollgesetz obliegt die Genehmigung von Waffenlieferungen der Bundesregierung. Da kann das Parlament lange reden. Auch und gern über den Artikel 26 im Grundgesetz, der mahnend besagt „Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören . . . sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.“ Ja, aber, wird die Regentin aus der Uckermark einwenden – wenn sie sich überhaupt in einer Sache, die längst entschieden ist zu einem Redebeitrag herablässt – wir wollen doch nur das friedliche Zusammenleben der Völker im Irak herbeiführen.

Wahrscheinlich des friedlichen Zusammenlebens wegen unterstützt die Bundesrepublik Deutschland schon lange die „Vereinigten Arabischen Emirate (VAE)“. Das ist diese nette, kleine Diktatur an der Küste des Persischen Golfes, die schon viele deutsche Spürpanzer gekauft hat, auch Minenjagdboote und anderes Gerät, bald auch 60 erstklassige “Eurofighter”-Kampfjets. Gleich nach nebenan, nach Katar, in eine andere Diktatur am Golf, liefert Deutschland 62 der berühmten Leopardpanzer, 24 solide Panzerhaubitzen und jede Mange tödliches Kleinmaterial. Und was machen die beiden Länder damit? Sie proben friedliches Zusammenleben. In Libyen.

In Libyen fielen jüngst Bomben auf islamische Milizen, die gerade den Flughafen von Tripolis einnehmen wollten. Die New York Times schreibt diesen friedensfördernden Angriff den Vereinigten Arabischen Emiraten zu. Der Flughafen „gehört“ jenen islamistischen Kräften, die von der Friedensdiktatur in Katar unterstützt werden. Schließlich hat das Emirat Katar den vom Westen bejubelten „Aufstand“ in Libyen schon von Beginn an mit Geld und Waffen befördert. Da kann doch jetzt nicht die Konkurrenz jene Friedensdividende einfahren, die man so hart erkämpft hat, denkt man sich in Doha. Und bei der deutschen Regierung, die all die schönen Waffen an die unterschiedlichen Golfstaaten verscherbelt hat, da wird man sich Gedanken über Ergänzungslieferung machen müssen: Auch die besten deutschen Waffen verschleißen im Krieg.

Jeden Tag liefern uns deutsche Medien Bilder und Berichte über die Kämpfe im Nordirak. Angsterfüllte Menschen auf der Flucht. Provisorische Flüchtlingslager. Eingestreut Bilder von tapferen kurdischen Kämpfern mit veralteten Waffen. Muss man in dieser Situation nicht auch mit Waffen helfen? Es gibt Medienkonsumenten denen fällt auf, dass man sehr ähnliche Bilder auch aus der Ost-Ukraine haben könnte: Leichen in Trümmern ostukrainischer Dörfer und Städte, Hunderttausende auf der Flucht. Kämpfer mit veralteten Waffen. Doch diese Bilder sind nicht oder nur schwer zu haben. Denn wie meist wissen die Medien wo die guten Flüchtlinge sind, im Nord-Irak. Und wo die bösen Flüchtlinge sind: In der Ostukraine. Und so entscheidet auch die Regierung sorgfältig wer böse und wer gut ist: Neuerdings sind die Kurden im Irak gut, die werden mit Waffen beliefert. Und gut ist auch der Präsident der Ukraine, der bekommt Geld und jede Menge politische Unterstützung. Darüber wird das Parlament am Montag auf keinen Fall debattieren. Wo kämen wir denn hin, wenn die Volksvertreter auch noch über die Grundlinien der Außenpolitik debattieren würden? Wahrscheinlich in eine Debatte um die Treue zur USA. Die wird nur geliefert, darüber wird nicht geredet.

„Wäre eine gemeinsame Strategie . . . in der Region des Nahen und Mittleren Ostens nicht auch eine Chance für einen Neuanfang mit Russland?“ Der das fragt ist Armin Laschet, und der ist weder in der Regierung noch im Parlament. Aber immerhin stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU. In seinem jüngsten Artikel in der FAZ fällt ihm auf, dass die syrische Regierung ihre Minderheiten gegen islamistischen Terror schützte. Er zitiert den UN-Sonderbrater zur Prävention gegen Völkermord, der „vor einem Genozid an Christen und Muslimen warnte, wenn die Regierung Assad stürzt“. Zu einer Zeit, als der Westen inklusive der Bundesregierung heftig die Kriegstrommel gegen die syrische Regierung rührte und die Westentaschen-Generale in den deutschen Redaktionen versuchten den Sturz Assads herbeizuschreiben. Laschet, als Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken in der Christenfrage besonders sensibel, hat begriffen, dass Vieles mit Vielem zusammenhängt. Eine Erkenntnis, die der nur scheinbar klugen Merkel bis heute fehlt.

So wird der Bundestag am Montag mehr oder minder redlich das bereits entkornte Stroh dreschen. Denn wie üblich hat die Bundesregierung längst an Parlament und Bevölkerung vorbei entschieden, die USA bei der vermeintlichen Reparatur ihres Irak-Krieges mit Waffen, nicht mit Politik zu unterstützen. Zwei Sätze sollten in der Debatte trotz ihrer programmierten Ergebnislosigkeit trotzdem fallen. Der eine ist von Armin Laschet: „Eine differenzierte Sicht auf den syrischen Bürgerkrieg und etwas weniger wohfeile Rhetorik . . . täte der deutschen und der europäischen Außenpolitik . . . gut.“ Der andere sollte als dauerhaftes Transparent quer über dem Bundesadler im Plenarsaal des Reichstages angebracht werden: „Vor dem Liefern unbedingt das Gehirn einschalten!“

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Grafikquelle    :      Die IDF ist am Dingo interessiert, hier Bundeswehr-Dingos in Afghanistan.

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