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Von Hollands Linke lernen:

Erstellt von Redaktion am Mittwoch 21. Juni 2017

Eine neue Sprache für eine moderne Linke

File:Sven Giegold bewirbt sich.jpg

von Sven Giegold

In der Aprilausgabe kritisierte »Blätter«-Redakteur Albrecht von Lucke die neue konturlose Mittigkeit der Grünen. Dem hält der grüne Europa-Abgeordnete Sven Giegold eine linke grüne Alternative entgegen.

Zwei Wahlen in Europa, zweimal kollektive proeuropäische Erleichterung. Allerdings war die Freude über den Ausgang der Wahlen in den Niederlanden und in Frankreich – egal ob bei Christdemokraten, Sozialdemokraten, Liberalen oder Grünen – nicht so sehr davon geprägt, wer gewonnen hatte, sondern vor allem davon, wer nicht gewonnen hatte, nämlich die Rechtspopulisten, Geert Wilders und Marine Le Pen. Trotz Zugewinnen haben sie ihr Ziel, den Wahlsieg, verpasst. Europa 2, Rechtspopulisten 0, lautet somit der Zwischenstand nach den ersten beiden Akten des europäischen Superwahljahrs.

Zweifelsohne sind diese Wahlergebnisse eine gute Nachricht für Europa, und wie auch die neue Bewegung „Pulse of Europe” zeigen sie, dass die Europäische Union keinesfalls ein Auslaufmodell ist. Doch gerade im holländischen Wahlergebnis steckte noch viel mehr, abseits der groben Binarität Pro- und Contra-Europa oder, anders gesagt, der Wahl zwischen Populismus und großkoalitionärem Status quo. In den Niederlanden wurde eine moderne Linke geboren, eine linke Alternative, die anders auftritt und insbesondere: besser kommuniziert. Die Partei, die dafür steht heißt „GroenLinks”, also Grün-Links, ihr Shootingstar ist Jesse Klaver. Ihr Ergebnis von 2012 vervierfachten die Grünen in diesem Jahr, ihr Wahlkampf wurde zu einer breiten Graswurzelbewegung, getragen vor allem von jungen Leuten. Landesweit wurde GroenLinks zur zweitstärksten Partei bei jungen Wählern und zur stärksten Kraft in Amsterdam.

»In den Niederlanden wurde eine moderne Linke geboren.«

Der grüne Frontmann Klaver hat im Wahlkampf etwas getan, womit man in den letzten Jahren in Deutschland scheinbar keinen Blumentopf außerhalb eines engen Milieus gewinnen konnte. Er hat klar und deutlich gesagt: Ich bin links. Dabei hat Klaver das „Linkssein” nicht neu definiert, aber anders und besser vermittelt. Im Mittelpunkt seiner Kampagne stand ein zentraler Wert: Mitgefühl. Mit diesem Begriff kann jeder Mensch etwas anfangen. Mitgefühl empfinden wir alle, allen wurde es schon einmal zuteil und jeder wünscht es sich. Diesen Begriff zeichnet eine starke emotionale Nachvollziehbarkeit und eine äußerst positive Konnotation aus. Mitgefühl spielt auf der zwischenmenschlichen Ebene und für den Erfolg von Kommunikation eine große Rolle: Seit Sigmund Freud wissen wir, dass sich nicht auf der Sachebene, sondern auf der Beziehungsebene entscheidet, ob Kommunikation gelingt. Emotionale Nähe sowie gemeinsame Werte lenken das Gelingen von zwischenmenschlicher Kommunikation zu mehr als 80 Prozent. Jesse Klaver formulierte es bei einem seiner Wahlkampfauftritte so: „Schaut euch doch um. Da ist mehr, das uns verbindet als das uns trennt. Also reichen wir einander die Hand.” Während Tausende Menschen im Publikum an seinen Lippen klebten, resümierte Klaver: „Das sind die Momente, in denen Veränderung beginnt.”

Diese emotional-intelligente Rhetorik bringt zum Ausdruck, worauf linke Politik beruht: dass in einer Gesellschaft nicht das Recht des Stärkeren gilt, sondern die Stärke des Miteinanders. Dabei geht es nicht um Gleichmacherei, sondern um den Abbau großer Ungleichheit – und zwar, weil Menschen in Gesellschaften mit weniger Ungleichheit schlicht glücklicher sind. Programmatisch setzt Grün-Links dort an, wo sich auch andere linke Parteien in Europa positionieren: Steuererleichterungen für niedrige und mittlere Einkommen, stärkere Besteuerung der Spitzeneinkommen, die Eindämmung von Gehaltsexzessen in den Top-Positionen großer Unternehmen, das Ende von Steuersparmodellen für internationale Großunternehmen. Letzteres hat in den Niederlanden besondere Brisanz, weil das Land zu den größten Steueroasen Europas gehört und davon unterm Strich sogar profitiert.

Jesse Klaver wendet sich dagegen, weil diese staatlich organisierten Steuertricks das Gerechtigkeitsempfinden vieler Menschen stört. Anders als die Sozialdemokraten in anderen Steueroasen wie Luxemburg, Malta oder Belgien tauchte GroenLinks bei dem Thema nicht ab. Vielmehr nahm Jesse Klaver die Steueroase bei den Hörnern und erzwang eine breite öffentliche Diskussion, bei der vor allem der sozialdemokratische Finanzminister Dijsselbloem als Verteidiger des niederländischen Steuersumpfes alt und unglaubwürdig aussah. Bei dieser sozialen Offensive verspricht Klaver anders als linke Parteien in Spanien oder Griechenland, die in Wahlen stark gewonnen haben, keinen Bruch und auch nicht das Blaue vom Himmel, sondern schlicht „Veränderung“.

Überhaupt kann man Klavers GroenLinks nicht vorwerfen, im Diffusen stehen geblieben zu sein. Die politischen Vorschläge sind konkret ausbuchstabiert und mit Zahlen und Finanzierungsvorschlägen unterlegt. Dazu zwingt schon die in den Niederlanden übliche Berechnung der ökonomischen Folgen und finanziellen Solidität der Vorschläge durch eine „neutrale” Stelle. Bei dieser Prüfung schnitt das Programm von GroenLinks überdurchschnittlich gut ab. Diese detaillierten technischen Vorschläge standen allerdings nicht im Vordergrund bei den öffentlichen Auftritten Jesse Klavers.

»Jesse Klaver steht für etwas, nicht gegen etwas.«

Quelle  :  Blätter >>>>> weiterlesen

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Source Flickr: Svem Giegold bewirbt sich
Author Bündnis 90/Die Grünen Nordrhein-Westfalen
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