Verwicklungen in der SPD
Erstellt von Redaktion am Samstag 13. August 2022
Ein Raubzug namens Cum-ex
Von : Gernot Knödler und Stefan Reinecke
Das Hamburger Bankhaus Warburg, ein verbrecherisches Hütchenspiel – und was das mit Kanzler Olaf Scholz und SPD-Politiker Johannes Kahrs zu tun hat.
Weil in einem Schließfach des Hamburger SPD-Granden Johannes Kahrs 214.800 Euro gefunden wurden, rückt der Cum-Ex-Skandal der dortigen Warburg-Bank wieder in den Blickpunkt. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
1.) Was sind Cum-ex-Geschäfte überhaupt?
Es handelt sich um einen systematischen Steuerbetrug. Die Cum-ex-Geschäfte waren ein organisierter Raubzug. Die Banken ließen sich mit Tricks und Leerverkäufen rund um den Dividendenstichtag vom Staat Steuern erstatten, die nie gezahlt worden waren. Das Ganze funktionierte wie eine Art Hütchenspiel, bei dem die Finanzbehörden am Ende nicht mehr durchblicken konnten, wem wann welche Aktien gehört hatten. Den deutschen Staat hat das rund 10 Milliarden Euro gekostet. Cum-ex war kein Steuervermeidungstrick am Rand des Illegalen, sondern gezielter Diebstahl. Die traditionsreiche Hamburger Warburg-Bank hat sich an diesem kriminellen Betrug beteiligt – wie viele andere Banken auch.
2.) Welche Rolle hat Olaf Scholz dabei gespielt?
Das ist die entscheidende Frage. Scholz hat 2016 und 2017 als Erster Bürgermeister in Hamburg Christian Olearius, Miteigentümer der Warburg-Bank, dreimal in seinem Amtszimmer empfangen. Damals sollte die Warburg-Bank 47 Millionen Euro aus den Cum-ex-Raubzügen aus dem Jahr 2009 zurückzahlen. Diese Rückforderung wäre Ende 2016 verjährt gewesen. Laut seinen eigenen Tagebüchern schilderte Olearius Scholz die miese wirtschaftliche Lage der Bank. Scholz habe zwar nichts versprochen, schreibt Olearius, doch er habe das Gefühl, „dass wir uns keine Sorgen zu machen brauchen“.
Scholz empfiehlt dem Banker am 9. November, die rechtliche Begründung der Bank, warum sie meint, die 47 Millionen nicht zurückzahlen zu müssen, an den damaligen Finanzsenator Peter Tschentscher zu schicken. Das passiert auch, obwohl die Finanzbehörde diese Begründung längst hat. Kurz darauf bestätigt sich Olearius frohe Erwartung, dass er sich keine Sorgen zu machen braucht. Die Hamburger Finanzbehörde entscheidet: Die Bank braucht die 47 Millionen nicht zurückzuzahlen.
3.) Warum trifft die Finanzbehörde diese Entscheidung, die offenkundig falsch war?
Es gab 2016 in der Finanzbehörde lange Debatten um diese 47 Millionen. Manche waren für die Rückforderung des Geldes, weil es sich um einen Cum-ex-Betrug handele. Auch die Sachgebietsleiterin Daniela P. sieht das so – ändert aber plötzlich ihre Meinung. Am Ende ist die Finanzbehörde der Ansicht, die schwer nachvollziehbaren Cum-ex-Geschäfte der Bank aus dem Jahr 2009 nicht beweisen zu können. Ein Argument ist: Wenn die Bank wegen der Zahlung der 47 Millionen in finanzielle Schwierigkeiten komme, müsse die Stadt am Ende dafür haften. So stellt es Tschentscher im Hamburger Cum-ex-Untersuchungsausschuss dar.
4.) Was hat Olaf Scholz damit zu tun?
Er sagt: nichts. Die Finanzbehörde habe unabhängig entschieden. Er habe keinen Einfluss auf die Rückzahlung genommen. Am Donnerstag hat er versichert: „Sie können sich darauf verlassen, dass ich nicht zu den Leuten zähle, die so was machen.“
Wer möchte auf Politiker wetten? Der Clan-Chor steht schon bereit: „Und dann will es Keiner gewesen sein, denn Niemand hat es gesehen.“
5.) Ist das glaubwürdig?
Auffällig ist die zeitliche Nähe zwischen Olearius’ Termin bei Scholz im November 2016 – und der Entscheidung der Finanzbehörde, die Sache auf sich beruhen zu lassen, ein paar Wochen später. Scholz’ Engagement bei der Aufklärung dieser Affäre übersichtlich zu nennen, ist eine Untertreibung. Zuerst behauptete die Senatskanzlei, Scholz habe sich nie mit Olearius getroffen. Das war, wie die Tagebücher zeigten, unwahr. Im Untersuchungsausschuss konnte sich Scholz im Mai 2021 an nichts mehr erinnern. Um diese Erinnerungslücken plausibel zu finden, muss man sehr sozialdemokratisch sein. Scholz ist bekannt für sein gutes Gedächtnis. Und es ging ja um viel Geld und eine bekannte Hamburger Bank in Schwierigkeiten. Daher rührt der Verdacht: Der Kanzler verschweigt etwas.
6.) Hat Scholz sich womöglich bereichert? Geht es um Korruption?
Nein. Es geht nicht um Bestechung. Politik und Wirtschaft sind in Hamburg traditionell eng verflochten. Der Verdacht lautet, dass Scholz mit Rücksicht auf die Bank und Arbeitsplätze, die in Gefahr geraten könnten, der Finanzbehörde sanft nahegelegt hat, auf die Rückforderung zu verzichten.
7.) Hat die Warburg-Bank das geklaute Geld wieder rausgerückt?
Quelle : TAZ-online >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — Bankhaus Warburg in Hamburg-Altstadt, Eingang Ferdinandstraße 75.