Verstörende Gleichgültigkeit
Erstellt von Redaktion am Donnerstag 8. Juli 2021
Von der linksbürgerlichen Islamismus Toleranz
Die Deutsche Toleranz ist nie über den Ballermann hinausgekommen !
Eine Kolumne von Sascha Lobo
Von links kommen viele gesellschaftliche Fortschritte und menschenfreundliche Errungenschaften. In einem Punkt aber ist das Linksbürgertum unsensibel und teils ignorant: bei der Bedrohung durch Islamismus.
»Ich bin ein Mensch des Gleichgewichts. Ich lehne mich instinktiv nach links, wenn der Kahn rechts zu kentern droht – und umgekehrt.« Thomas Mann hat diese Sätze 1934 geschrieben. Sie klingen elegant und logisch und sind als politische Anleitung kompletter Unfug. Und doch hat diese Frühform einer persönlichen »False Balance« nicht nur überlebt. Sie markiert eine der bittersten Versagensgeschichten des deutschen (nichtmigrantischen) Linksbürgertums: die zu verbreitete Toleranz gegen den Islamismus.
Natürlich bin ich enorm dankbar für die meisten linksbürgerlichen Gesellschaftsströmungen der letzten Jahrzehnte (als verfassungspatriotischer Sozialliberaldemokrat ohne Parteizugehörigkeit zähle ich mich im weiteren Sinn dazu). Das Linksbürgertum hat von der Ehe für alle über eine immer offenere Ächtung des Rassismus bis zu den großen Schritten in Richtung Gleichberechtigung der Geschlechter eine Vielzahl von Fortschritten zumindest in Teilen durchgesetzt, auch wenn natürlich noch viele Schritte schmerzlich fehlen.
Die Liste des Erreichten ließe sich fortsetzen mit der Abschaffung von Wehrpflicht und Kernkraft – sowie mit der so überraschenden wie großteils menschenfreundlichen Erstreaktion zur Flüchtlingssituation 2015. Die Menschen, die bis heute von Rechten als »Bahnhofsklatscher« oder »Gutmenschen« beschimpft werden, weil sie halfen, als es notwendig war, dürften zum größten Teil Linksbürgerliche gewesen sein. Gut so.
Leider ist das Linksbürgertum viel zu unsensibel und manchmal regelrecht ignorant, was die Bedrohung durch Islamismus angeht. Der wichtigste Grund dafür ist meiner Einschätzung nach die oben zitierte, unkluge Mannsche Gleichgewichtshaltung. Unklug ist sie übrigens auch deshalb, weil sie nicht werte-, sondern fremdbestimmt ist, eine soziale Reaktion statt einer nüchternen Analyse.
Die These: Das Linksbürgertum will sich nicht rassistisch verhalten – und scheut deshalb zu oft Kritik an potenziell Rassismus-Betroffenen. Die Motivation ist aller Ehren Wert, denn nach Jahrhunderten von rassistisch-patriarchalen Gesellschaftsstrukturen ist es sehr sinnvoll, vorsichtig zu sein. In Deutschland umso mehr. Aber der Wunsch, sich nicht rassistisch zu verhalten oder so bezeichnet zu werden, darf nicht darin resultieren, die Augen vor Menschenfeindlichkeit zu verschließen, um möglichst keine unangenehmen Vorwürfe zu bekommen. Eine Haltung, die in Zeiten sozialer Medien leicht bedeutet, einfach nichts zu sagen oder per default zu beschwichtigen.
Teile der Antifa bereiten sich auf eine Gegenwehr vor
Einige nichtbürgerliche Linke und auch migrantische Bewegungen haben viel weniger Probleme, islamistischen Faschismus als genau solchen zu betrachten und zu bekämpfen. Teile der Antifa zum Beispiel sammeln seit langer Zeit Informationen über Islamismus in Deutschland als Basis für die Gegenwehr. Das deutsche Linksbürgertum dagegen neigt viel zu häufig dazu, Islamisten und ihr mörderisches Schaffen zu ignorieren, zu normalisieren oder gar zu verharmlosen. Deutlich wird das im Vergleich.
Ende Juni 2021 ermordete ein Attentäter mit dem Ruf »Allahu akbar« in Würzburg drei Frauen und verletzte sechs weitere Menschen. Es gibt sowohl Hinweise auf ein islamistisches Attentat wie auch auf eine schwerwiegende, psychische Erkrankung. Beides muss sich nicht ausschließen, mögliche Beziehungen dazwischen werden seit Langem in der Forschung diskutiert. Es ist auch bekannt, dass extremistische Organisationen online versuchen, instabile Personen zu rekrutieren.
Allerdings wurde der rassistische Terroranschlag 2020 in Hanau mit neun migrantischen Mordopfern ebenfalls von einem Mann verübt, der amtsbekannt paranoide Wahnvorstellungen hatte. Das Problem zeigt sich, wenn man linksbürgerliche Reaktionen auf die beiden Attentate vergleicht. Es waren teilweise dieselben Leute, die bei Hanau umgehend von einem rassistischen Attentat sprachen – den Mörder von Würzburg aber ebenso schnell beinahe entschuldigend als psychisch gestört einsortierten. Als spiele eine ideologische Motivation nun wirklich gar keine Rolle.
Bewusstes Schweigen gegenüber Menschenfeindlichkeit
Persönlich halte ich es für geboten, Rassismus auch dann Rassismus zu nennen, wenn eine Person psychisch auffällig ist – selbst wenn es Argumente gibt, beides getrennt zu betrachten. In jedem Fall muss für Islamismus aber dasselbe gelten. Es geht nicht, dass man für rechtsextreme Taten sofort Schuldige benennt, aber sich bei islamistischen Taten lieber auf die psychosozialen Umstände konzentriert oder sie gleich ganz ignoriert.
Besonders laut oder empathisch war das Linksbürgertum in den sozialen Medien nach dem Mordanschlag von Würzburg zudem nicht. Ich mag mich irren, aber meiner persönlichen Einschätzung nach wäre das bei einem rechtsextremen Anschlag in gleicher Größenordnung anders gewesen. Ich sehe darin übrigens weniger Bigotterie, sondern vor allem die Furcht davor, »den Rechten Futter zu geben« (Zitat aus den sozialen Medien auf die Frage nach dem Schweigen).
Es ist dies wiederum das kaum verkappte Streben nach dem Mannschen politischen Pseudogleichgewicht. Und zusätzlich mutloser Quatsch sowie eine Hybris, die der eigenen Reaktion viel zu viel Relevanz beimisst. Es ist die politische Entsprechung von Julius Cäsars Härte gegen seine Ehefrau: Als einst im alten Rom über Pompeia – wahrheitswidrig – getratscht wurde, sie hätte den römischen Diktator betrogen, trennte er sich mit der Begründung von ihr, die Frau des Cäsars dürfe noch nicht einmal in Verdacht geraten.
Teile des Linksbürgertums möchten noch nicht einmal in den Verdacht geraten, etwas zu sagen, was von manchen als rassistisch bezeichnet werden könnte – und halten deshalb zum Thema Islamismus lieber die Schnauze. Das ist doppelt schlimm, weil es einerseits bewusstes Schweigen gegenüber Menschenfeindlichkeit bedeutet. Und weil andererseits dieselben Leute nicht überragend einsichtig oder kenntnisreich sind, was strukturellen Rassismus oder ihre eigenen, durchaus vorhandenen Alltagsrassismen angeht. Es geht ja in Deutschland Rassismus nicht allein von Rechten aus, vielmehr ist er gesellschaftlich tief verankert. Auch im Linksbürgertum.
Islamistisch gefärbte Vielfalt ist keine
Quelle : Spiegel-online >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben —DITIB-Zentralmoschee Köln – April 2015
© Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)
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Unten — Sascha Lobo; 10 Jahre Wikipedia; Party am 15.01.2011 in Berlin.…
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- Erstellt: 15. Januar 2011
Erstellt am Donnerstag 8. Juli 2021 um 12:51 und abgelegt unter Feuilleton, Kultur, Positionen, Religionen. Kommentare zu diesen Eintrag im RSS 2.0 Feed. Sie können zum Ende springen und ein Kommentar hinterlassen. Pingen ist im Augenblick nicht erlaubt.