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Verdächtige Ladung

Erstellt von DL-Redaktion am Samstag 27. Dezember 2014

Mülldeponie Agbogbloshie bei Accra, Ghana

Wie unser giftiger Elektroschrott verbotenerweise in der Welt verteilt wird

von Cosima Dannoritzer

Wer über die Müllkippe von Agbogbloshie geht, hört es bei jedem Schritt unter seinen Füßen knacken. Dieser Teil von Accra, der Hauptstadt Ghanas, ist mit Elektroschrott bedeckt, so weit das Auge reicht: kaputte Tastaturen, die verrostete Unterseite eines Bügeleisens, Bleiglasscherben, zerschlagener Bildröhren. Darunter ist die Erde schwarz verbrannt, beißender Rauch liegt über der geisterhaften Szenerie. Im Fluss, der hier fließt, leben keine Fische mehr; die Möwen, die auf den im Wasser liegenden vergilbten Computergehäusen hocken, halten vergeblich Ausschau nach Nahrung.

Die Industrieländer produzieren pro Jahr zwischen 20 und 50 Millionen Tonnen Elektroschrott. Wenn Wirtschaft und Konsum wachsen, wachsen auch die Müllberge. Wie chronischer Ausschlag breiten sich diese Müllkippen in der ganzen Welt aus – in Afrika, Asien, Osteuropa und zunehmend auch Südamerika.

Das frühere Fischerdorf Agbogbloshie ist heute ein Slum. Kinder werfen Knäuel alter Kabel ins Feuer, um das Plastik vom Kupfer abzuschmelzen, das sich noch verkaufen lässt. Die Flammen werden mit Schaumstoff aus alten Kühlschränken genährt, der Fluorchlorkohlenwasserstoff enthält – dieses klimaschädliche Gas mischt sich so mit anderen Chemikalien zu einem giftigen Cocktail, den die Bewohner des Stadtteils mit jedem Atemzug aufnehmen.

Die Lötverbindungen, das Bildschirmglas und die Platinen der Geräte enthalten Blei, das Nieren und Gehirn schädigt. Das Kadmium aus Schaltern und Laptop-Batterien sammelt sich im Körper an, schädigt die Knochen und verursacht Krebs. Elektronische Geräte enthalten mehrere hundert Chemikalien, denen die Kinder von Agbogbloshie ausgesetzt sind. Viele klagen über Atembeschwerden und Fieber, haben Konzentrationsstörungen und sind auffallend klein für ihr Alter.

Interessanterweise tragen die ausrangierten Geräte oft noch Inventaraufkleber, die ihre früheren Besitzer verraten. Hier liegt Elektroschrott von Schulen, Stadtverwaltungen, Krankenhäusern und Polizeiwachen in aller Welt, vom britischen Verteidigungsministerium und von der US-Armee.

Der Export von Elektroschrott in Entwicklungs- und Schwellenländer ist illegal. Das wurde in der Basler Konvention von 1989 festgeschrieben, die inzwischen von 190 Ländern unterzeichnet wurde. Haiti und die USA, der weltweit größte Produzent von Elektromüll, haben das Abkommen allerdings nie ratifiziert.

Im Januar 2003 hat die Europäische Union, ausgehend von der Basler Konvention, die sogenannte EU-Elektroaltgeräte-Richtlinie (WEEE, Waste Electrical and Electronic Equipment) verabschiedet. Darin steht nicht nur, dass europäischer Schrott in Europa recycelt werden muss und nicht exportiert werden darf, sondern auch, dass die Geräte möglichst umweltfreundlich und leicht zerlegbar hergestellt werden sollten.

Wer sich in Europa ein neues elektronisches Gerät kauft, bezahlt das Recycling gleich mit. Die Verbraucher haben also, wenn sie ihr Gerät entsorgen müssen oder wollen, einen Anspruch darauf, es kostenlos bei einem Wertstoffhof oder Recycler abzugeben. Mit der Recycling-Abgabe, die europaweit jährlich 4 Milliarden Euro einbringt, wird ein System moderner Anlagen unterhalten, in denen diese Altgeräte umweltfreundlich und ohne gesundheitliche Risiken zerlegt und wertvolle Stoffe wie etwa Kupfer wiedergewonnen werden. Doch viele Betreiber klagen, dass sie bei Weitem nicht ausgelastet seien.

Quelle: Le Monde diplomatique >>>>> weiterlesen

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Fotoquelle: Wikipedia – Author Lantus

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