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Unzucht mit Wählern

Erstellt von Redaktion am Sonntag 15. Juli 2018

Der NSU-Prozess schützt die Heimat vor der Wahrheit

Quelle   :  Rationalgalerie

Autor    :  U. Gellermann

Liebt Merkel den Seehofer? Liebt Seehofer die Merkel nicht? Ein Beziehungsdrama senkt sich auf das Gemüt der Deutschen.

Ausgerechnet am Geburtstag des Heimat-Horst bringt sich ein Afghanistan-Flüchtling um. Rund 70.000 Menschen wurden bisher im Afghanistan-Krieg umgebracht. Aber in Deutschland ist der Krieg fast vergessen.

Man ist auf der Flucht vor der Wirklichkeit. Es geht – glaubt man der öffentlichen Debatte – um den Schutz der Heimat. Und die wird, glaubt man der öffentlichen Legende, von Flüchtlingen bedroht. Sonst hätten Seehofer und Merkel doch keine Beziehungskrise.

Schon in den 1990er Jahren hatte sich eine Truppe zum Schutz der Heimat aufgemacht: Der „Thüringer Heimatschutz“. Eine Nazi-Gruppe, die vom Verfassungsschutz gegründet und alimentiert wurde. Ihr Agent vor Ort, Tino Brandt, gehörte auch zu den Gründern einer anderen Heimatschutz-Bande: Dem NSU. Die haben mit den Fremden auf deutschem Boden immer kurzen Prozess gemacht.

Tino Brandt hatte einen kurzen Auftritt im Münchner NSU-Prozess. Über seine Beziehung zum Verfassungsschutz musste er nichts sagen. Denn, so sagte der Bundesanwalt Diemer in München, es sei „ein Missverständnis“ anzunehmen, dass im NSU-Prozess die Aufklärung des gesamten Komplexes stattfinden könne.

Mit dem Ende des Prozesses in München sanktioniert das Gericht faktisch auch eine Entscheidung des hessischen Verfassungsschutzes, der seinen internen Bericht über die Zu- und Mitarbeit seiner Beamten im Umfeld des NSU-Mordes an dem Kasseler Deutschtürken Halit Yozgat für 120 lange Jahre geheim halten lässt. Zu keiner Zeit war der Verfassungsschutz ein Thema im NSU-Prozess. Obwohl an die 40 Agenten des Amtes am Auf- und Ausbau der Nazi-Terror-Gruppe beteiligt waren.

Man steht in der grausigen Tradition der Amtsgründung: Offiziell weiß man von 13 Prozent ehemaliger SS oder Gestapo-Mitarbeiter, die dem Amt bei seinem Start in der jungen Bundesrepublik treu gedient haben. Die Einschränkung „offiziell“ ist notwendig, weil jede Menge Akten und Dokumentw aus dieser Zeit fehlen.

Auch diese Tradition reicht bis ins Heute: Kaum eine Behörde hat so viele Akten geschreddert oder angeblich verloren wie ausgerechnet der Verfassungsschutz. Das ist genau jenes Amt, das dem Heimat-Minister untersteht, der dummstolz in die Kameras grinste als er an seinem Geburtstag von der Abschiebung jener 69 afghanischen Flüchtlinge erfuhr von denen sich dann einer umbrachte.

Der Verfassungsschutz-Agent und NSU-Mitgründer Tino Brandt sitzt im Gefängnis. Nein, nicht wegen seines Terror-Deliktes. Sondern wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen, Beihilfe zu sexuellem Missbrauch und Förderung von Prostitution in 66 Fällen.

Eine Verurteilung wegen Unzucht mit Wählern steht noch bei jenen Innen-und Justizministern aus, die den Verfassungsschutz vor seiner Enttarnung als Nazi-Brutstätte schützen. Jene, die ein Gericht bei der Nichtaufklärung von Naziverbrechen unkommentiert gewähren lassen. Und auch eine Kanzlerin, die statt ihr NSU-Versprechen – „die Morde aufzuklären und die Helfershelfer und Hintermänner aufzudecken“ einzulösen – mit ihrer Beziehungskrise die öffentliche Aufmerksamkeit erneut auf die „Fremden“ richtet. So geht Flucht: Vor der Wirklichkeit und der Verantwortung.

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Grafikquelle  :  Gemeinsame Demonstration von Deutschen und Türken am Tatort im Juni 1993

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