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„Unter Freunden“:

Erstellt von DL-Redaktion am Mittwoch 24. Mai 2017

Vorsitzender des NSA-Ausschusses versucht, sich die Deutungshoheit herbeizuschreiben

Ob es den zuständigen BNDlern gefällt, als Putztruppe für digitalen Giftmüll bezeichnet zu werden?

Was passiert, wenn der Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses ein Buch schreibt? Eine regierungspolitisch gefärbte Interpretation der Erkenntnisse mit einer Metaphernkiste voller Blutspritzer, Polygamie und Giftmüll. Eine Rezension über das Streben nach Deutungshoheit.

Der Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses Patrick Sensburg von der Unionsfraktion und der Journalist Armin Fuhrer haben ein Buch geschrieben, das von den Erfahrungen im Ausschuss erzählt. „Unter Freunden“ heißt es, der Untertitel: „Die NSA, der BND und unsere Handys – wurden wir alle getäutscht?“ Dabei ist ein Werk herausgekommen, das vor absurden Bildern strotzt und eine ganz andere Realität des Ausschusses propagiert, als sie überwachungskritische Beobachter wahrgenommen haben.

Drei Punkte fallen bei der Lektüre auf: Die Autoren haben keine Mühen gescheut, sich bildhafte Vergleiche von Geheimdienst-Aktivitäten auszudenken. Autobahnen, Wälder, Adern sind nur einige der Beispiele. Weiterhin verwenden sie einen beträchtlichen Teil ihres Textes darauf, Whistleblower wie Edward Snowden in Frage zu stellen, während sie die Aussagen von BND-Mitarbeitern und Bundesregierung wesentlich weniger in Frage stellen. Und drittens: Die Schlussfolgerung steht schon am Anfang fest.

Gewitter, Kaffeefilter und Käse

Zunächst zum amüsanten Part, den bildlichen Vergleichen. Die beginnen schon bei der Geschichte, wie der Ausschuss zustande kam, als der „BND in Rotation“ geriet. Nachdem die Fragen der Presse und der Opposition im Sommer 2013 „wie ein Gewitterregen mit Blitz und Donner“ auf den Geheimdienst prasselten. Eines der konventionelleren Bilder, das für sich genommen nicht weiter auffällt, in der Summe aber irritiert.

Ein Klassiker: Die deutsche Autobahn. Hier natürlich die Datenautobahn, am DE-CIX in Frankfurt. Wo sich die Leitungen im einem Kreisverkehr mit vielen Ausfahrten treffen. Ausfahrten nach Afrika zum Beispiel oder Afghanistan. Weil es ein Problem ist, wenn deutsche Autos auf deutschen Autobahnen vom BND abgesaugt werden, wurden sie direkt „hinter der ‚Ausfahrt‘ wieder aussortiert und gelöscht“. Arme deutsche Autos. Unglücklicherweise sind nicht alle deutschen Autos richtig abgebogen, der BND hat es nicht geschafft, alle Daten von Deutschen auszusortieren. Und so kommen die Autoren zu Kaffeefilter- und Käsevergleichen.

Es geht um DAFIS, das Daten-Filter-System, das deutsche Grundrechtsträger und deutsche Interessen aus den Überwachungsdaten ausfiltern sollte, aber nicht richtig funktioniert hat. Das gestanden die BND-Zeugen und damit auch die Autoren ein. „Löchrig wie ein Schweizer Käse“ sei DAFIS aber nicht gewesen, eher wie „ein Kaffeefilter, der fast den ganzen Kaffee aus dem Brühwasser siebt.“ Ein Kaffeefilter „mit Produktionsfehler“ – wer kennt ihn nicht -, bei dem einige Kaffeekörnchen „in die Tasse schlüpfen“:

Da bleibt die Frage, ob dieser Kaffee mit den Körnchen noch genießbar ist oder ob er weggeschüttet werden muss.

Heuhaufen, Anker und Blut

Nur leider geht es nicht darum, ob eine Tasse Kaffee schmeckt oder nicht. Sondern darum, ob Geheimdienste massenhaft Grundrechte verletzen. In einem Ausmaß, dass die Betreiber des DE-CIX dazu bewog, den BND zu verklagen.

Datenflüsse lassen sich nicht nur mit Kaffee visualisieren, die Autoren amüsieren mit Blut und Wasser. „Adern des Internets“ nennen sie die vom britischen Geheimdienst GCHQ angezapften Unterseekabel – „genauso, wie ein Arzt Kanülen an menschliche Adern anlegt“. Nur, dass Ärzte keinen vollständigen Aderlass mehr durchführen, der den Körper vollständig ausbluten ließe. Weil beim Daten-Aderlass jede Menge Material anfällt, müssen die Geheimdienste Selektoren anlegen, „Anker im Datenmeer“, um „die Nadel im Heuhaufen herausfischen“ zu können. Sonst droht, dass die „Datenkraken“ im „Ozean der Informationen“ versinken. Ein ganz schön nasser Heuhaufen, mit Blutspritzern.

NSA, Polygamie und Antisemitismus

Leider ist die Datenkrake keine besonders geschickte Metapher, denn die Krake wurde schon 1938 im NS-Magazin Der Stürmer verwendet und wird daher heute noch als antisemitisch eingestuft. Kein Grund für die Autoren, nicht zusätzlich die „amerikanische Geheimdienstkrake“ ins Rennen zu schicken.

Die NSA, ihr wohl mächtigster Arm, nutzt ein riesiges Rechenzentrum in Bluffdale, Utah. Gelegenheit, ein bisschen über die Geschichte des Ortes zu erzählen. Nicht nur wegen des Rechenzentrums würden viele Menschen gern wissen, was in dem Ort vor sich geht, heißt es. Die Autoren warten mit dem süffisanten Detail auf, dass in Bluffdale eine „Sekte von Polygamisten“ ansässig sei:

Das Treiben auf dem Gelände der Sekte mögen die einen verurteilen, andere würden gerne dabei sein.

Nebenbei lernt der aufmerksame Leser noch, die Zahl der geschlossenen Ehen habe sich dort zwischen 1978 und 2013 verdoppelt. Ein Detail, dessen Sinnzusammenhang sich nicht unmittelbar erschließt. Aber ziemlich in der Mitte des Buches ist es wohl opportun, den Leser mit dem Gedanken an orgiastische Eskapaden – Verzeihung – bei der Stange zu halten.

Unterholz, Putztruppen und digitaler Giftmüll

Quelle :  Netzpolitik ORG >>>>> weiterlesen

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Gtrafikquelle  :   (Symbolbild) CC-BY-NC 2.0 Alexander Synaptic

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