Erstellt von Redaktion am Montag 2. März 2020
Am Gefängnistor war der Traum von Freiheit aus
Ein Beitrag von Can Dündar
Der Fall des willkürlich kurz vor seiner Freilassung wieder verhafteten türkischen Menschenrechtlers Osman Kavala belegt: Erdogan läuft weiter Amok.
Den Shuttle kennen wir: Deniz Yücel, Peter Steudtner, ich und Tausende, die dem größten Journalistengefängnis der Welt entkamen.
Ist dank politischer, juristischer oder diplomatischer Bemühungen ihre Freilassung beschlossen, werden sie mitsamt ihrer in der Zelle gepackten Habseligkeiten von einem Shuttle zum Tor der Haftanstalt Silivri gebracht und entlassen. Es folgt die Umarmung der Angehörigen und Freunde.
Auch Osman Kavala wurde vorige Woche in den Shuttle gesetzt. Nach zwei Jahren und vier Monaten in Untersuchungshaft war er freigesprochen worden, hatte in der Zelle froh seine Sachen gepackt, den Kühlschrank und das Fernsehgerät anderen Häftlingen überlassen. Endlich würde er die draußen wartenden Freunde umarmen können. Doch kurz vor dem Tor wurde das Fahrzeug gestoppt, ein Zivilbeamter erklärte, gegen Kavala läge ein neuer Haftbefehl vor. Noch vor dem Tor war der Traum von Freiheit aus.
Was in der Zwischenzeit geschehen war, erfuhr die Türkei am nächsten Tag vom Staatspräsidenten: „Es gibt Typen von Soros-Art, die manche Länder aufmischen, indem sie einen Aufstand anzetteln“, sagte Erdogan und brachte die Rede auf Kavala, ohne ihn namentlich zu nennen: „Mit einem Manöver versuchten sie gestern, ihn freizusprechen.“
Offensichtlich hatte er persönlich interveniert, die Freilassung gestoppt und Kavala erneut einsperren lassen. Gegen die Richter, die er bezichtigte, den Freispruch versucht zu haben, wurden unverzüglich Ermittlungen eingeleitet. Dies war der jüngste konkrete Beweis dafür, wie die Justiz in der Türkei unter der Fuchtel des Palasts steht.
Insgesamt 2970 Jahre Haft gefordert
Der in Paris geborene Unternehmer Osman Kavala, der in Manchester Wirtschaftswissenschaften studiert hatte, ist für seine Unterstützung sozialer Projekte bekannt. Er engagierte sich in zahlreichen NGOs, von Helsinki Citizens’ Assembly bis zum Türkisch-Griechischen Freundschaftsverein. Im Oktober 2017 wurde er bei der Rückkehr von einem Projekttreffen mit dem Goethe-Institut in Gaziantep festgenommen. Nicht vom Haftrichter erfuhr er, was man ihm vorwarf, sondern wiederum von Erdogan. In einer Rede vor dem Parlament bezichtigte der Staatspräsident Kavala, „der Rote Soros der Türkei“ zu sein und die Gezi-Proteste vom Sommer 2013 organisiert und finanziert zu haben.
Quelle : Spiegel-online >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — Opening Keynotes „Loving out loud for those who are being silenced“ am 08.05.2017 mit Can Dündar auf der re:publica (#rp17) in Berlin. Foto: re:publica/Gregor Fischer
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Unten — Can Dündar & Erdem Gül support
Erstellt am Montag 2. März 2020 um 11:35 und abgelegt unter Asien, Deutschland_DE, Kultur, Mensch.
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