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Unerwünschter Informant

Erstellt von Redaktion am Mittwoch 29. Juli 2020

Der V – Mann, den sie nicht haben wollten

File:James Bond Skyfall bus, Bristol (8485992713).jpg

Ein Artikel von Christana Schmidt und Sebastian Erb

Ein Mann wendet sich mit Interna über das rechte Hannibal-Netzwerk an den Verfassungsschutz. Doch die Informationen versickern.

An einem Nachmittag im Juni sitzt ein Parlamentarier in einer Anwaltskanzlei einem Mann mit vielen Geheimnissen gegenüber. Das Treffen findet in Schwerin statt. Der Politiker heißt Dirk Friedriszik, er sitzt für die SPD im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern und sucht Antworten auf die Frage, wieso sich rechtsextreme Polizisten, Reservisten und Bundeswehrsoldaten miteinander vernetzen konnten, wieso sie Feindeslisten schrieben, womöglich rechtsextremen Terror vorbereiteten und was das alles mit einem Verein zu tun hat, den eine Handvoll Elitesoldaten und Freimaurer gründeten: Uniter, den Verein des Ex-KSK-Soldaten und Preppers Hannibal.

Um ihn zu schützen, nennen wir den anderen T. Seine Anwältin sitzt dabei, sie macht sich Notizen. T. legt eine Plastikfigur auf den Tisch, Meister Yoda aus „Star Wars“. Darin versteckt: ein USB-Stick mit zwei Gigabyte Daten, Kontaktlisten, Chatverläufen, Fotos, Videos. Informationen, die helfen, um in das Innere eines autoritären Netzwerks zu schauen, an dessen Spitze ein Führer steht, der eine eigene private Kampftruppe aufbauen will. T. war selbst Teil dieses Netzwerks. Er sagt: „Ich habe mich an das Landesamt für Verfassungsschutz gewandt.“ Die Dateien auf dem Stick hat er dort abgegeben. Er sagt: „Keinen hat es interessiert.“

Im Besprechungszimmer der Anwaltskanzlei riecht es nach Männerparfüm. Friedriszik sagt: „Da ist richtig Druck im Kessel.“ T. sagt: „Ich weiß. Ich werde bedroht.“

Es ist ein seltsames Treffen. Auf der einen Seite des Tisches sitzt ein früherer Bundeswehrsoldat, der als Abgeordneter einer Regierungspartei in der Parlamentarischen Kontrollkommission sitzt, vor der der Verfassungsschutz des Landes offenlegen muss, was er macht, was er weiß, wo er Gefahren sieht. Auf der anderen Seite sitzt ein Mann, der gekleidet ist wie ein Krieger in Freizeit und davon erzählt, wie er mal V-Mann werden wollte, sie ihn aber nicht haben wollten.

Kann so der Schutz vor Extremisten funktionieren?

Die verborgene Welt eines Inlandsgeheimdienstes

Über Monate hinweg haben wir viele Gespräche mit T. geführt, er schilderte, wie der Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern arbeitet, er erzählte vom Leben einer Quelle, zeigte uns Textnachrichten. Der Verfassungsschutz ist Teil des Landesinnenministeriums, die dortige Pressestelle antwortet: „Zu operativen Angelegenheiten des Verfassungsschutzes wird grundsätzlich keine Auskunft erteilt.“

File:Bundesarchiv Bild 183-31316-0002, Berlin, Prozeß vor Obersten Gericht.jpg

Deshalb beruht vieles, was wir im Folgenden berichten, auf T.s Schilderungen. Uns liegt eine eidesstattliche Versicherung von ihm vor. Seine Erzählungen geben Einblick in die verborgene Welt eines Inlandsgeheimdienstes. Sie zeigen, dass der Verfassungsschutz im Nordosten offenbar nicht allzu viel mit den Informationen aus dem rechten Hannibal-Netzwerk anzufangen wusste.

T. sagt: „Ich habe mich an das Landesamt für Verfassungsschutz gewandt.“ Die Dateien auf dem Stick hat er dort abgegeben. „Keinen hat es interessiert.“

Der Sommer des Jahres 2018 neigt sich dem Ende zu, als T. einer Bekannten erzählt, dass er im Verein Uniter aktiv war, bei dem er sich nun nicht mehr sicher ist, ob sich da nicht gefährliche Leute vernetzen. Solche, die dem Staat schaden könnten. Sie rät ihm, sich an den Verfassungsschutz zu wenden, und stellt den Kontakt her. Dann ruft ein Mann an, er stellt sich als Berti vor. Von da an geht alles schief.

Berti beruft sich auf die gemeinsame Bekannte, macht aber falsche Angaben. T. legt auf. Dann ruft T. ihn noch mal an. Sie verabreden sich zu einem persönlichen Treffen. Es folgen viele.

T. trifft Berti auf einem Parkplatz am Ostseestrand. Es ist ihr erstes Treffen. T. erzählt, wie ihn ein Polizist für einen Verein anwarb, der Uniter heißt. Ein Verein, in dem sich Spezialkräfte aus Bundeswehr und Polizei vernetzen. Damals ist Uniter öffentlich nicht groß bekannt, inzwischen haben die taz und etliche andere Medien über paramilitärische Trainings, über dubiose Verbindungen zum autokratischen Regime auf den Philippinen berichtet – und über Vorbereitungen auf einen Tag X, an dem die öffentliche Ordnung zusammenbricht.

T. trifft Berti auf einem Autobahnrastplatz. Er bekommt Geld und den Auftrag, Dokumente zu besorgen. Berti, das ist ein Mann mit zotigen Witzen und einer großen Klappe. Er lädt T. zum Steakessen ein, gemeinsam fahren sie in ein anderes Bundesland auf einen Weihnachtsmarkt. Berti raunt geheimnisvoll, Kollegen würden ihn stets beobachten. Einmal zeigt er auf einen Mann und sagt: Dem da hätten sie geholfen abzutauchen. Sie hätten ihm das Leben gerettet. Und eine neue Identität gegeben.

Mit den Informationen passiert nichts

Berti mimt den geheimnisvollen Agenten. T. erzählt er von einer ganzen Auswahl an Identitäten. Eigentlich heißt er anders, sein Klarname ist der taz bekannt. T. bekommt ein Handy. Er soll Namen besorgen, Belege. Zeitweise treffen sie sich fast jede Woche. T. möchte für den Verfassungsschutz arbeiten, fordert einen offiziellen Status als V-Mann. Er will Geld.

Berti gibt ihm mal 200 Euro, mal nur einen Fünfziger, insgesamt 1.200 Euro über mehr als ein Jahr verteilt. T. reicht das nicht. Er wird unzufrieden, auch weil mit seinen gelieferten Informationen offenbar nichts passiert.

Man muss dazu sagen, dass T. in dieser Geschichte nicht der eindeutige Held ist. Er befindet sich in einem eigenen Kampf, der getrieben ist von Rache, und davon spricht er auch. Auch er war Teil der Gruppe, in der man in der Gunst des Vereinsgründers André S. alias Hannibals stehen muss, um in den inneren Kreis aufzusteigen. T. ist das nicht gelungen. Hielt der Verfassungsschutz ihn deshalb nicht für glaubwürdig?

Während sich der Austausch zwischen T. und Berti intensiviert, wird der Verein Uniter und seine Verstrickungen in rechtsextreme Kreise deutschlandweit bekannt. In der taz berichten wir, dass Hannibal sich gemeinsam mit anderen Männern aus Bundeswehr, Polizei und Behörden auf den staatlichen Zusammenbruch vorbereitet, wir können beschreiben, dass sogar der später wegen Terror angeklagte Bundeswehrsoldat Franco A. in dieser Gruppe aktiv war und auch bei André S. zu Hause zu Besuch.

Andere Medien recherchieren, wie sich private Sicherheitsfirmen von Uniter-Mitgliedern distanzieren, dass sogar Ritterorden und Freimaurer nichts mehr mit ihnen zu tun haben wollen. In Brandenburg drängt die Polizeiführung drei Uniter-Mitglieder zum Austritt und ermittelt bis heute gegen sie, weil sie ihre Dienstcomputer nutzten, um Personen nachzustellen. Nach und nach belegen journalistische Recherchen, was T. dem Verfassungsschutz erzählt.

File:Merkel ddr perso.jpg

Und dann ist da das paramilitärische Training in Baden-Württemberg, über das wir im Dezember 2018 berichteten, sieben Monate später schreibt der Stern darüber, schließlich beginnt eine Staatsanwaltschaft zu ermittelt, ob bei dem Training ein Verstoß gegen das Waffengesetz vorliegt.

Der Verfassungsschutz macht keine gute Figur

T. hatte nach eigenen Angaben dem Landesverfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern schon im September 2018 von dem Training erzählt. Es scheint, als sei diese Information sogleich irgendwo auf einem Parkplatz in Mecklenburg-Vorpommern versickert.

Wir wollen wissen, ob T.s Schilderungen stimmen. Ob Berti überhaupt der ist, für den wir ihn halten, also rufen wir ihn an. Wir fragen, wieso er Uniter-Leute kennt, sich mit ihnen trifft. Er sagt: „Wenn Sie meinen Namen kennen, wissen Sie auch, wo ich arbeite.“ Dann beendet er das Gespräch.

Das Hannibal-Netzwerk ist für das Bundesland von besonderer Bedeutung: Gleich zwei lose Enden führen nach Mecklenburg-Vorpommern. Sie sind bis heute juristisch nicht ausermittelt – und auch der Verfassungsschutz macht keine gute Figur bei der Aufklärung.

Einerseits ist da die Prepper-Gruppe Nordkreuz, die sich in Chatgruppen organisierte. Hannibal hatte sie ins Leben gerufen, es gab sie nicht nur in Norddeutschland, sondern auch im Westen, Süden und Osten. Zwei Nordkreuz-Mitgliedern wirft die Bundesanwaltschaft Rechtsterrror vor. Sie sollen Feindeslisten angelegt und geplant haben, am Tag X Menschen abzutransportieren und zu liquidieren.

Hinzu kommt der Administrator der Gruppe, er ist inzwischen verurteilt, weil er illegal Schusswaffen besaß und Munition von der Bundeswehr und von Polizeidienststellen aus ganz Deutschland bei sich gehortet hatte. Die Männer hatten Leichensäcke bestellt, ein Safe House eingerichtet. Diese Hauptakteure von Nordkreuz gelten inzwischen als eindeutig rechtsextrem. Der Verfassungsschutz des Landes präsentierte sich als Behörde, die kaum mit eigenen Erkenntnissen zur Aufarbeitung beitragen konnte. Zu diesem Ergebnis kam jedenfalls eine unabhängige Expertenkommission, die der Innenminister Lorenz Caffier (CDU) eingesetzt hat.

Quelle        :      TAZ         >>>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen      :

Oben       —      A great all over advertisement for the latest 007 film, Skyfall seen here on the side of a double decker First Bristol bus.

Author Charlie from United Kingdom /  Source —

James Bond Skyfall bus, Bristol
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2.) von Oben      —      Berlin, Prozeß vor Obersten Gericht Info non-talk.svg

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Flag of Germany.svg
Attribution: Bundesarchiv, Bild 183-31316-0002 / Weiß / CC-BY-SA 3.0

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Unten     —       : Driving license (Fahrerlaubnis) of Angela Merkel currently Chancellor of the Federal Republic of Germany.

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Author Schnuvv        /          Source     —  Own work

Ein Kommentar zu “Unerwünschter Informant”

  1. Jimmy Bulanik sagt:

    Bei diesem Skandal stellt sich die Frage nach der Rolle der SPD in Mecklenburg – Vorpommern. Das fällt mitunter auf die Landesregierung, Ministerpräsidentin Manuela Schwesig zurück. Vertrauen in die SPD in Mecklenburg – Vorpommern bildet dieses nicht. Es bedarf zukünftig die Einsetzung eines Untersuchungsausschuss Im Landtag von Mecklenburg – Vorpommern mit politischen Konsequenzen. Auf jeden Fall muss diese Thematik gerade im Jahr 2021 vor der Wahl des Landtag thematisiert werden. Alles andere ist ein größerer Skandal hinter dem Skandal vor den Augen der Welt. Investoren zieht ein rechtsterroristischen Netzwerk in Mecklenburg – Vorpommern jedenfalls nicht an. Dahingehend ist es keine Verwunderung das Investoren lieber in Bundesländer in Westdeutschland Betriebe aufbauen.

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