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Thüringen und die Folgen

Erstellt von Redaktion am Donnerstag 13. Februar 2020

Der Teufel an der Türe

Veitshöchheim Haus der Fastnacht 06.jpg

Ein Kommentar von Jagoda Marinic

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder ist zum moralischen Imperativ der Konservativen geworden. Und das kommt so:

Gott sei Dank gibt es Markus Söder. Dieser Gedanke war mein persönlicher Dammbruch nach Thüringen. An einem ganz normalen Tag im Jahr 2020 musst du Videos mit Markus Söder retweeten. Söder als einer der vernünftigsten Konservativen in diesem Land. Das sagt viel über Deutschland aus.

Rechts von der CDU/CSU sei kein Platz, sagt Markus Söder. Das ist die Lektion, die er aus dem letzten Wahlkampf gezogen hat. Markus Söder war der Prototyp des Politikers, an dem sich jemand mit linken Einstellungen reiben kann: Ein Ego wie ein Felsmassiv, weil Zweifel nicht zum Selbstbild eines Konservativen gehören, schließlich hat ein Konservativer die Welt überschaubar sortiert. Machtlust gepaart mit Machtfürsorge. Das ist ja der älteste Trick der Konservativen:

daherkommen wie Väter, um jene anzusprechen, die Verantwortung gerne an zuverlässige, saumagenessende Übermächte abgeben.

Nach Thüringen ist Söder plötzlich der wandelnde moralische Imperativ der Konservativen. Einer, der das Konservative in die Zukunft retten möchte – und es vielleicht vermag. Vor einigen Jahren habe ich in einer Konfrontation mit Söder verstanden, was der Unterschied zwischen einem Söder und einem Gauland ist. Einem Demokraten und einem Antidemokraten also.

Das war bei Anne Will. Wir talkten zum Thema Merkel und Willkommenskultur. Söder hielt Monologe, für Konservative ist Mansplaining eher Zulassungsvoraussetzung als Makel. Plötzlich redete er über das Thema doppelte Staatsbürgerschaft und weshalb diese nicht möglich sei – obwohl es rechtlich längst geht. Ich entgegnete damals: „Nein, Herr Söder, was nicht geht, ist zig jungen Deutschen ihre Identität rückabwickeln.“ Da hielt Söder kurz still und widersprach nicht. Er merkte, warum auch immer: Es geht hier um die Zukunft Deutschlands, um friedliches Zusammenleben, um Menschen, die Teil dieses Landes sind und für die er als Politiker mitverantwortlich ist.

Jugend entheimaten

Danach dachte ich: Wie wäre das Gespräch gelaufen, wenn da an Söders Stelle Gauland gesessen wäre? Gauland wäre es schlichtweg egal, wie vielen jungen Deutschen mit eingewanderten Eltern er den Boden unter den Füßen wegreißt. Er würde meine Sätze als Sprungbrett missbrauchen, weiter zu spalten und diese Jugend zu entheimaten.

In diesem Moment wurde mir erstmals in einer Debatte erlebbar, warum wir von demokratischen Parteien sprechen und von solchen, die es nicht sind. Demokratische Parteien halten sich an demokratischen Konsens. Artikel 1 des Grundgesetzes, zum Beispiel: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Diese Würde reservieren undemokratische Politiker – in noch vorsichtigen Dosen – nur für einige Menschen. Alle wissen, welche das sind. Und welche nicht. Die Trennlinien sind völkisch, mehr nicht. Diese Trennlinie zu inszenieren ist eines ihrer Ziele – in jedem Gespräch.

FC Bayern Munchen president Uli Hoeness during his short autograph-session in Minsk before the BATE-FCB match.jpg

Die deutsche Mitte hat jahrzehntelang extrem rechte Positionen mitgetragen. Sie war es gewohnt, Alt-Nazis in Führungspositionen zu hieven nach dem Krieg, weil man ja Eliten brauchte. Die deutsche Mitte ließ Ende der Neunziger Roland Koch Unterschriften gegen die doppelte Staatsbürgerschaft sammeln. Ich war 21 Jahre alt damals und verstand: Der sammelt gegen Menschen wie mich. Ich schrieb wegen diesem Roland Koch meinen ersten Artikel. Sie waren peinlich, diese Roland Kochs, sie wurden bald schon lächerlich. Die CDU hat sich weiterentwickelt. Hin zur Mitte. Kann sie weiter in die Zukunft? Das ist die Frage, um die es jetzt geht.

Quelle         :          TAZ         >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen       :

Oben      —            Veitshöchheim, Haus der Fränkischen Fastnacht, Fassadenmalerei (2015) mit Motiven aus der Fernsehsendung „Fastnacht in Franken“: Links im Gefängnis Markus Söder, der sich 2014 für die Fernsehsitzung als Shrek verkleidet hatte.

Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland“ lizenziert.

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