Technologieoffenheit FDP
Erstellt von DL-Redaktion am Donnerstag 8. Juni 2023
Warten auf unrealistische Lösungen
Von Bernhard Pötter
In den Debatten über Heizung und E-Fuels blockiert die FDP. Ihr Argument: Technik und Markt würden das Problem lösen. Experten sehen das anders.
Die Liberalen können noch überraschen. „Es gibt keine blockierende FDP“, sagt der klimapolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Lukas Köhler, wenn man ihn auf die Debatte in der Ampelkoalition rund um Energie und Klimaschutz anspricht.
Die Liberalen sagen von sich, sie seien das Korrektiv für Marktwirtschaft und Technologieoffenheit in der Regierung, „Blockieren hieße, dass wir ohne Bedingungen sagen, es darf nichts kommen. Das machen wir nicht“, so Köhler. „Nach dieser abwegigen Logik müsste man daher auch immer, wenn die Grünen nicht zu hundert Prozent unsere Vorschläge teilen, sagen: Die Grünen blockieren ein Gesetz.“
Der allgemeine Eindruck ist derzeit ein anderer. Demnach sagen die Liberalen zu den Plänen des grünen Wirtschaftsministers Robert Habeck zur Energiewende konstant Njet, verzögern oder stellen unannehmbare Forderungen. Habeck ist beim Thema Heizungsgesetz inzwischen so geladen, dass er der FDP Wortbruch vorwirft. Was ist also dran an diesen verschiedenen Sichtweisen? Hat die FDP gute fachliche Argumente, die Grünen zu bremsen?
Es begann im Februar mit dem Streit über die E-Fuels: FDP-Verkehrsminister Volker Wissing legte sein Veto gegen eine EU-Regelung ein, die die Zulassung von Verbrennerautos nach 2035 untersagte. Parteifreund Köhler steht zu dem dann gefundenen Kompromiss. Er sagt: „Wir widersprechen der Prämisse, dass E-Fuels in der Zukunft global gesehen teuer und knapp sein werden. Jeder Versuch, die Zukunft der Märkte vorherzusagen, ist in der Vergangenheit gescheitert.“
Champagner der Energiewende
Im Prinzip, so Köhler, seien E-Fuels einfach herzustellen. Er kann sich andererseits „nicht vorstellen“, wie die weltweit 1,3 Milliarden Autos rechtzeitig für die Klimaziele des Pariser Abkommens von E-Autos ersetzt werden. Auch weil unklar sei, wo der ganze grüne Strom dafür herkommen soll.
Experten halten E-Fuels für den „Champagner der Energiewende“ – Köhler sagt: „Absoluter Quatsch!“ Dagegen zeigen Kalkulationen von Agora Verkehrswende, der Bundesregierung und der EU-Kommission, dass E-Fuels bisher drei- bis fünfmal so teuer wie E-Mobilität sind und dass E-Autos fünfmal so effizient die Energie einsetzen wie E-Fuels.
Gibt es sie, würden sie für die Industrie oder den Flugverkehr gebraucht, wo es keine E-Alternativen gibt, das sagt auch offiziell das FDP-geführte Forschungsministerium. Deshalb seien diese Treibstoffe knapp und teuer, jedenfalls bis Grünstrom im Übermaß vorhanden ist.
Wasserstoff nur die Ausnahme
Die FDP vertraut da auf den Markt: Der habe es auch geschafft, durch explodierende Nachfrage die Preise durch „Skaleneffekte“ massiv zu senken – beim Solarstrom etwa sind deshalb weltweit in den letzten Jahren die Preise um 80 Prozent gesunken. Aber selbst dann, so Wasserstoffexperte Falko Ueckerdt vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, blieben die Treibstoffe „auf absehbare Zeit knapp und vergleichsweise teuer. Eine Wette darauf, dass es anders kommt, als die Wissenschaft berechnet, ist keine robuste Strategie.“
Ähnlich bei dem Streit fossile Heizungen im „Gebäudeenergie-Gesetz“. Für Habecks Ministerium ist die Heizung auf Basis von grünem Strom über die Wärmepumpe die Regel, nur in Ausnahmefällen sollen Holzpellets oder grüner Wasserstoff zum Tragen kommen.
Die FDP aber sieht Wasserstoff nicht als knappes Gut, „bei der großen Nachfrage in den Industrieländern und der Zahlungsbereitschaft wird das Angebot in den nächsten Jahren massiv zunehmen“, ist sich Köhler sicher. „Das ist kein Hexenwerk“, er setze darauf, dass klimaneutraler Wasserstoff „sehr günstig werden wird“. Auch hier sieht allerdings das Forschungsministerium „bereits heute effizientere Alternativen“ beim Heizen als Wasserstoff.
Emissionen verschieben
Beispiel Tempolimit: Die FDP glaubt nicht, dass sich durch langsameres Fahren der Verkehr verringern oder verlagern würde. Eine Studie des Umweltbundesamts, die deutliche CO₂-Reduktion durch das Tempolimit im Straßenverkehr errechnete, konterte die FDP-Fraktion mit einer umstrittenen „Kurzstudie“. Auch Köhler hält eine Reihe der Annahmen aus der Studie für fragwürdig. Den Verdacht eines Gefälligkeitsgutachtens wies das Amt empört zurück.
Streitpunkt Klimaschutzgesetz (KSG): Die FDP hat erreicht, dass darin die scharfen Sektorziele aufgeweicht werden, nach denen die betroffenen Ressorts wie Verkehr und Gebäude jährlich CO₂-Minderungen nachweisen müssen. Weil das CO₂-Gesamtbudget aber sinkt, müssen andere Bereiche wie Industrie oder Kraftwerke mehr einsparen, wenn etwa der Verkehr seine Ziele nicht erreicht.
Nur Intelligenz geht in der Politik freiwillig ! Dummheit sitzt Probleme aus.
Wie soll das gehen? „Es gibt diese Flexibilitäten zwischen den Sektoren“, ist sich Köhler sicher. „In den letzten beiden Jahren haben wir die Klimaziele eingehalten, weil Industrie und Energie weniger emittiert haben als geplant. Wir verschieben die Emissionen ja jetzt schon: Mehr Elektroautos und mehr elektrische Wärmepumpen bewegen die Emissionen von Verkehr und Gebäuden hin zu den Kraftwerken.“ Diese aber unterliegen dem Emissionshandel – also müssten sie laut FDP wie geplant sinken.
Allerdings: Die Verschiebung der Emissionen durch E-Autos und Wärmepumpen (und dadurch deutlich sinkende Emissionen bei Verkehr und Gebäuden) ist derzeit in der Statistik noch kaum sichtbar. Auch hier geht die FDP eine Wette darauf ein, dass die Situation in der Zukunft besser ist, als es sich derzeit abzeichnet.
Der Glaube an die Kernfusion
Am deutlichsten wird diese Begeisterung für die Technik wohl beim Beispiel Kernfusion. Zum Erstaunen vieler Fachleute erklärte FDP-Bildungsministerin Martina Stark-Watzinger Ende 2022, sie hoffe auf Strom aus der Kernfusion in einem Zeitraum von „ich sag mal zehn Jahren, es kann auch etwas länger dauern“. Das widerspricht selbst den optimistischsten Planungen der Kernfusionsfans in der EU: Eine „kommerzielle Stromproduktion“, die zu den Klimaschutzzielen beitragen könne, sei „erst nach 2050 denkbar“, heißt es von der EU-Kommission, die das Projekt unterstützt.
Köhler verteidigt seine Parteifreundin Stark-Watzinger: „Als Liberale blicken wir optimistisch auf den technologischen Fortschritt. Und als liberale Forschungsministerin blickt sie daher genau mit diesem Optimismus auf die Schaffenskraft von Menschen und Unternehmen.“ Für ihn sind die Milliardensummen, die aus der Privatwirtschaft in den letzten Jahren in Start-ups zur Fusionstechnik fließen, ein Hinweis darauf, dass an der Kernfusion etwas dran ist. Als seien nicht schon früher Milliardensummen von Wagniskapital für technologische Blütenträume verbrannt worden.
Quelle : TAZ-online >>>>> weiterlesen
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