DEMOKRATISCH – LINKS

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RENTENANGST

Wenn Schurken Schurken bomben

Erstellt von Redaktion am 14. August 2014

Wie man im Irak einen Brand mit Benzin löscht

Autor: U. Gellermann

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Datum: 13. August 2014

Frank-Walter Steinmeier will auch dabei sein: Gerade jetzt, wo bekannt geworden ist, dass nicht nur die USA, sondern auch der Iran jene kurdische Miliz, die im Irak gegen die Gruppierung „Islamischer Staat (IS)“ kämpft, mit Waffen-Lieferungen unterstützt, meldet sich der deutsche Außenminister: „Ich bin angesichts der dramatischen Lage (im Irak) dafür, bis an die Grenzen des politisch und rechtlich Machbaren zu gehen“. Es deutet sich eine große Koalition der Schurken gegen die Schurken an: Der Iran wurde sehr lange von den USA als Schurkenstaat bezeichnet. Ganz sicher sind es aber die USA, die – ob im Irak oder in Libyen – mit offenkundigem Engagement den Schurken gaben. Jetzt hat der „Islamische Staat“ diese Rolle erfolgreich übernommen. Und wer von den Untaten dieser Gruppe weiß, der ist geneigt, einer schnellen Abwehr mit Waffen zuzustimmen. Aber die Verbrechen des „IS“ (früher ISIS) sind nicht neu. Ganz alte Bekannte sind auch deren Finanziers in Katar und Saudi-Arabien. Folgte man also der Logik der Bomben-Problem-Lösung, dann müssten schnellsten Riad und Doha gebombt werden. Auch Istanbul und Washington zu bomben, wäre – immer nach der Viele-Bomben-helfen-viel-Theorie – nicht völlig falsch. Was zu beweisen ist.

Unstrittig liegt die Entstehungsgeschichte des „IS“ im Krieg der USA gegen den Irak. Wie häufig nach den zumeist völkerrechtswidrigen Kriegen der Vereinigten Staaten gab es auch im Irak den Wechsel von einer schlechten Regierung zu einer anderen schlechte Regierung. Wurden vor dem Krieg die Schiiten von den Sunniten unterdrückt, so kehrte sich das Verhältnis danach um. Kosten der Umkehrung: Ein kaputter Staat und etwa eine halbe Million Tote im Gefolge des Krieges. Die nun bedrängten Sunniten folgten der importierten Terror-Logik: Von den fast täglichen Autobomben bis zum „Islamischen Staat“. Man darf davon ausgehen, dass ein Leben in Bagdad vor dem Krieg sicherer war als heute.

Doch nicht nur die kaputten Verhältnisse im Irak waren die Geburtshelfer des „IS“. Auch der Syrien-Krieg gab der brutalen, vorgeblich religiösen Gruppe heftigen Auftrieb. In Syrien war der „IS“ eng mit der Anti-Assad „Nusra-Front“ verbunden. Die bekam mindestens eine Milliarde Euro aus dem mit den USA liierten Katar. Aus Saudi Arabien wurde nicht weniger für den heiligen Kampf gegen ein laizistisches System gespendet, dessen religiöse und ethnische Minderheiten bis heute eher dem alten Syrien zuneigen als einem möglichen neuen, das die USA im syrischen Bürgerkrieg gern durchgesetzt hätten. Dieses Ziel teilte auch die türkische Regierung, angeführt von einem zunehmend großmächtigeren Recep Tayyip Erdogan, die den Radikal-Islamisten ihre Waffen- und Kämpfer-Nachschub-Routen sicherte und deren Verwundete in türkischen Krankenhäusern aufnahm. Offenkundig unter dem zumindest symbolischen Schutz deutscher Patriot-Raketen an der türkisch-syrischen Grenze. Ob „IS“, Nusra Front oder freiberufliche Kämpfer im syrischen Bürgerkrieg: Alle trafen und treffen sich unter dem Dach der „Freien Syrischen Arme“. Die wiederum ist mit dem „Syrischen Nationalrat“ verbunden, der von einer ganzen Reihe westlicher Staaten als legitime Vertretung Syriens anerkannt wird. Fraglos gehören dazu auch wesentliche Teile deutscher Medien, die immer schon wussten, dass Assad böse, „die Opposition“ inklusive des „IS“ aber gut war. Wenn zwischendurch mal der international renommierte Journalisten Seymour Hersh in der „London Review of Books“ berichtete, dass die Nusra-Front („IS“) Zugang zum Nervengas Sarin habe, dann konnte dies die deutsche Regierung und deren Medien nie und nimmer beirren.

Bisher löschen die USA und ihre Epigonen, für die Steinmeier zu gerne „an die Grenzen“ ginge, den Brand im Irak mit Benzin. Zur echten ersten Hilfe würde es gehören, die Zügel der Regierungen in der Türkei, in Katar und Saudi Arabiens anzuziehen und die Basis des „IS“ in Syrien zu zerstören. Erst dann kann eine militärische, von der UN mandatierte Hilfe wirksam werden. Zumal die nächste Bomben- oder Waffen-Lieferungs-Adresse Bagdad sein könnte: Denn der aktuelle irakische Ministerpräsident, Al Maliki, lässt zur Zeit Panzer auffahren, um einen konkurrierenden Regierungs-Chef zu verhindern. So ist es wenn Schurken Schurken bomben.


Grafikquelle    :     Ein Autobombenanschlag in Süd-IrakSPC Ronald Shaw Jr., U.S. ArmyDOD Defense Visual Information Center

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U-Boote der Staatsräson

Erstellt von Redaktion am 11. August 2014

Wie Deutschland das Gaza-Problem löst

Autor: U. Gellermann

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Datum: 11. August 2014

Manchmal könnte man an der deutschen Staatsräson irre werden: Hatte doch die größte deutsche Kanzlerin aller Zeiten erklärt, die „Sicherheit Israels“ sei Teil der deutschen Staatsräson und so einen echte Nibelungen-Eid geleistet. Aber nun, in höchster Not – in einer Zeit, in der die Hamas die Palästinenser aus Gaza in eine Art permanenten Selbstmordanschlag gegen Israel führt, sogar 430 Kinder musste die israelische Armee zur puren Selbstverteidigung umbringen – wird der Räson-Eid scheinbar aufgeweicht: „Der Status quo“, schreibt Außenminister Frank-Walter Steinmeier in der WELT, „das zeigen die immer wiederkehrenden militärischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre, ist nicht haltbar.“ Ja was will er denn, der Steinmeier? Die notwendige israelische Härte gegen den Hamas-Terror, in deren Ergebnis inzwischen fast 2000 tote Palästinenser nötig waren, aufweichen? Den guten alte Status quo – nach der die israelische Regierung in Gaza ein echtes Gefangenen-Lager unterhält, mit Todesstreifen, pädagogischen Bombardements und alledem – etwa abschaffen?

Doch flugs meldete sich der israelische Außenminister Avigdor Lieberman zu Wort und rief die Bundesregierung zu mehr Engagement im Krisenherd Nahost auf: „Die Deutschen als politische Führungsnation in Europa müssen eine ganz entscheidende Rolle im Gaza-Konflikt einnehmen“. Der Mann hat die Gauck-Formel von der deutschen VERANTWORTUNG gut begriffen: „Führungsnation“ nennt uns der ehemalige Saalordner, da wissen wir doch genau, wohin uns das führt. Da schlägt die Räson die Hacken zusammen, meldet sich zur Stelle und liefert umgehend das nächste U-Boot von Kiel nach Haifa. So jedenfalls kündigte es Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel an und wird mit dieser Verschiffung hoffentlich den Status quo weiter vertiefen, wenn nicht gar verbreitern. Denn nicht „Ab-Tauchen“ ist die Devise deutscher Räson, sondern unsere U-Boote werden auftauchen und der Hamas mal zeigen was ein deutscher Torpedo ist.

Schon seit Jahren, genauer seit dem März 1999, helfen wir dem armen israelischen Staat dabei, seine Haupt-Rolle in der Welt zu spielen: Pfahl sein im Fleische arabischen Übermuts, Knüppel sein für alle, die Washington im Nahen Osten nicht leiden mag. Denn in diesem März Ende der 90er Jahre lieferte Deutschland ein erstes U-Boot der Dolphin-Klasse an Israel aus. Das 225 Millionen teure Boot, eigens mit Torpedo-Rohren für atomare Marschflugkörper ausgerüstet, war ein Geschenk an die Ordnungsmacht im Mittelmeer. Der deutsche Steuerzahler hatte sich nicht lumpen lassen, um dem letzten Land ordentlicher Apartheid einen atomaren Angriffs-Vorsprung vor den anderen Staaten in diesem Raum zu sichern. Es gab dann noch eine zweite U-Boot-Lieferung. Ebenfalls gratis. Und erst das dritte U-Boot, im Juni 2000 ausgeliefert, wurde zur Hälfte vom israelischen Staat selbst bezahlt.

Nun also, man ist geneigt zu sagen: endlich, kommt das vierte Boot zum Einsatz. Als erstes könnte es mal die restlichen Fischer vor der Gaza-Küste unter Betreuung nehmen. Bisher hatte die israelische Marine diese Terror-Fischer nur von den guten Fanggründen in der international üblichen 12-Meilen-Zone ferngehalten. Doch was die Fischer dann anlandeten, war zum Sterben immer noch zu viel.
Diese Drohung mit dem palästinensischen Überleben könnte der deutsche Dolphin mit seinem geringen Tiefgang auf nahe Null bringen: So ein paar Bötchen sind für die deutsche Kriegsmaschine kein Problem. Auch die palästinensische Tunnel-Plage – immer wieder schmuggeln die Gaza-Isten Lebensmittel durch die Röhren ins Land – ließe sich damit final klären: Ein paar Torpedos in jeden Tunnel-Eingang, und der Ausgang hätte sich letal erledigt. Für Deutschland ist diese Form der Räsonausübung sogar billiger als üblich, zahlen die Israelis bei diesem vierten Boot doch sogar fast zwei Drittel des Preises. Allerdings kostet es inzwischen mit 550 Millionen Euro auch schon das Doppelte. Schließlich ließe sich mit den atomaren Marschflugkörpern auch eine endgültige Lösung des Hamas-Problems erreichen. So was ist nun mal nicht umsonst zu haben.

Neben dem praktischen Nutzen ist die erneute U-Boot-Lieferung von unschätzbarer moralischer Bedeutung. Sagt doch das deutsche Waffengeschenk klipp und klar: Für die Räson nehmen wir gern den Verfassungsbruch in Kauf. Artikel 26 des Grundgesetzes formuliert eindeutig, dass „Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören“, unter Strafe stehen. Ach was, Strafe, sagt sich der Gabriel. Es geht schließlich auch um das deutsche Waffenmarketing. Was sollen unsere Freunde in der Welt denn denken, wenn wir unsere Verpflichtungen nicht mehr einhalten? Gerade erst haben wir uns im Abkommen der Ukraine mit der EU auf eine „gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ festgelegt. Der neue ukrainische Kriegsminister, Waleri Heletei, ließ bereits verlauten: „Ich werde alles auch für eine ukrainische Krim tun und bin überzeugt, dass wir siegen werden“. Solche Überzeugungen dürfen nicht erschüttert werden. Deutschland wird liefern.

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Fotoquelle: Wikipedia – Urheber Stuart Jamieson

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Abstimmung mit den Füssen in der Ukraine

Erstellt von Redaktion am 6. August 2014

Berliner Regierung duldet und stützt Terror aus Kiew

Autor: U. Gellermann

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Datum: 06. August 2014

Seit Monaten erwecken die Bundesregierung und die ihr angeschlossenen Medien den Eindruck, in der Ost-Ukraine wären es wesentlich pro-russische „Terroristen“, die eine friedliche Entwicklung in der Ukraine verhinderten. Jetzt stimmt die Bevölkerung im Osten der Ukraine mit den Füssen darüber ab, woher der Terror gegen sie kommt: Aus Kiew. Denn, wie das UN-Flüchtlingskommissariat mitteilt, sind seit Jahresbeginn 730.000 Menschen aus dem umkämpften Gebiet geflohen. Und nicht in Richtung des angeblich so demokratischen Kiew, dem der Westen noch schnell ein EU-Assoziierungsabkommen umgehängt hatte wie einen Orden. Jeden Tag wächst die Zahl der Flüchtlinge um 1.200 an. Und sie fliehen nach Russland.

Nach der Logik von USA und EU fliehen die Ost-Ukrainer natürlich in die falsche Richtung. Denn glaubt man den Unsinn, den die Mainstream-Medien verbreiten, dann sind Putin und die Seinen schuld an der Lage im Donbass. An dieser Auffassung konnte weder die Unterdrückung des Russischen, der Muttersprache der Ostukrainer, noch die Drohung der verrückten, aber in Kiew durchaus koalitionsfähigen Julia Timoschenko etwas ändern, die in einem Telefonat empfahl die „acht Millionen Russen auf dem Territorium der Ukraine“ am besten „mit Atomwaffen“ zu erschießen. In die „falsche Richtung“ flohen jüngst auch mehr als 400 ukrainische Soldaten: Über die Grenze nach Russland, um nicht auf die eigenen Leute schießen zu müssen. „Rätselhaft“ fanden das die wenigen deutschen Medien, die diese Desertion überhaupt meldeten. Aber es waren natürlich nicht die ersten Soldaten der regulären Armee, die den Kiewer Befehl auf die Menschen in der Ost-Ukraine zu schießen verweigerten.

Die Gönner der Kiewer Regierung in Berlin, die immer noch mit langen Fingen in Richtung Russland zeigen wenn es um den Absturz des malaysischen Flugzeuges geht, wundern sich nicht einmal darüber, dass das Regime zwar alle zwei Tage irgendwelche Waffenstillstände verspricht, damit die internationalen Experten die Absturz-Stelle untersuchen können, um dann aber, wie auch gestern, erneut das Dauerversprechen zu brechen. Weil wieder einmal versucht wurde ausgerechnet diese Gegend zu erobern. Weder die EU, noch die deutsche Regierung oder deren Medien fordern bisher nachdrücklich den Funkverkehr zwischen der malaysischen Maschine und dem Kiewer Tower an, aus dem man Rückschlüsse auf die Verantwortung für den Absturz ziehen könnte. Statt dessen lassen sie zu, dass an der Absturzstelle Spuren im Gefolge von Kriegshandlungen beseitigt werden können.

Während die deutsche Bundesregierung weiter so tut als wäre nichts, schweigt der deutsche Botschafter in Kiew, Christof Weil, vornehm. Dabei hätte der Diplomat – ein Mann der lange im NATO-Referat des Auswärtigen Amtes und weitere vier Jahre im Internationalen Sekretariat der NATO in Brüssel tätig war – viel zu erzählen. Zum Beispiel darüber, was er denn im letzten Jahr genau mit Oleh Tiahnybok, dem Chef der ukrainischen Nazi-Partei „Swoboda“ beraten hat. Die „Swoboda“ selbst kommentierte diesen höchst anrüchigen Kontakt so: Es sei dabei um das Assoziierungsabkommen mit der EU gegangen und um „Auswege aus der politischen Krise“, dabei sei auch erwähnt worden, das „anti-ukrainische Regime“ Janukowitsch könne gekippt werden. Nach einem kurzen Zwischenstop der Swoboda-Spitze bei der deutschen NPD, führten die Nazi-Ukrainer später eine Serie von Gesprächen mit den Botschaftern Litauens, der USA Tschechiens, Ungarns, Israels und Dänemarks.

Ort um Ort, Stadt um Stadt, zivile Ziele also, werden von den Poroshenko-Truppen unter Beschuss genommen. Zwischendurch beschießt die Kiewer „Nationalgarde“ mal einen Bus mit unbewaffneten Flüchtlingen und deren Kindern aus der Stadt Schachtjorsk oder marodiert in Orten, die den deutschen Medien unbekannt sind und die sie nicht kennen lernen wollen, wie Krasnogorowka und Staromichailowka. In der ostukrianichen Stadt Lugansk sind, dank des Terrors aus Kiew, 250.000 Menschen ohne Wasser und Strom, teilten die örtlichen Behörden mit. Sie sprachen von einer „humanitären Katastrophe“. Auch wenn die deutschen Medien keine Bilder liefern, berichtet die UNO und deren Weltgesundheitsorganisation, dass seit dem Beginn der „Antiterroristischen Operation“ in der Ukraine 1.129 Zivilisten getötet wurden. Aus Berlin kein Ton, kein Protest, kein Eingreifen. Das offizielle, das öffentliche Deutschland macht sich schuldig. Diese Sorte Deutschland paktiert mit Faschisten. Dieses Deutschland deckt den Terror gegen die Bevölkerung in der Ost-Ukraine durch Schweigen, Wegsehen und diplomatische Billigung. Dieses schmutzige Stück Deutschland riskiert gnadenlos einen Krieg mit Russland. Für was? Für die USA.

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Grafikquelle    :     Klaus Wowereit (2009)

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Das Damals im Jetzt

Erstellt von Redaktion am 5. August 2014

Eine Reise in die Vergangenheit von Links und Rechts

Autor: U. Gellermann

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Datum: 04. August 2014
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Buchtitel: Für Isabel
Buchautor: Antonio Tabucchi
Verlag: Hanser

Antonio Tabucchis letzter Roman, nach seinem Tod erschienen, ist eine lange, eine nahezu unendliche Reise in die Vergangenheit. In jene Zeit, in der alles noch klar erschien, die Fronten geklärt und die Bösen Rechts waren, die Guten aber Links. Nicht, dass das heute völlig anders wäre. Aber solche, die als Links galten, drängen in die Mitte, dort treffen sie auf jene, die sich selbst als konservativ, als Rechte verstanden, und so ist die Eroberung der Mitte ein gemeinsames Ziel von fast allen, denn dort wartet der Preis aller Gravitation: Die Macht.

Da sucht einer Isabel, seine Liebe in der Zeit des portugiesischen Faschismus, er sucht sie der Leidenschaft wegen, auch weil sie verschwunden ist, sie könnte sein Kind ausgetragen haben, aber auch in den Folterkellern des Salazar-Regimes ermordet worden sein. Dunkel bleibt die Figur des suchenden Mannes, die gesuchte Frau braucht alles Licht auf, um in ihren Weggefährten – von der Kinderfrau über den Gefängniswärter bis zum mit Opium getränkten Dichter – jenen facettierten Spiegel der Wirklichkeit zu finden, der eben nicht einfaches Abbild ist sondern als ein Mosaik der vielen Sichten und Ansichten ein neues Bild schafft.

Längst hat sich das faschistische Portugal – dessen Widerstandsbewegung Tabucchi seinen großen Roman `Erklärt Pereira´ gewidmet hat – in der Mitte Europas eingefunden. Scheinbar ist das alles vergessen, verklungen, der staatliche Terror und der linke Widerstand, haben sich scheinbar die Hände über den Gräbern gereicht. Ein ehemaliger militanter Maoist, José Manuel Barroso, hat sich zum Präsidenten der Europäischen Kommission verwandelt und so in ihr aufgelöst. Und doch klebt die braune Spur wie eine hässliche Siegelschnur auf der neuen Mitte. Portugal war Gründungsmitglied der NATO, nie hat die US-Militärorganisation Folter und Mord in Portugal kritisiert. Im Gegenteil, als die Portugiesen in den 70er Jahren die Herrschaft der Diktatur abwarfen, ließ die NATO Kriegsschiffe vor der Küste Lissabons kreuzen, inspirierte sie die spanische Franco-Armee zu Truppenkonzentrationen an der portugiesischen Grenze und übte Druck auf die erste freie Regierung des Landes aus.

Tabucchis Sprache, in der Übersetzung von Karin Fleischanderl, erzeugt einen leisen, fast melancholischen Ton. So, als wäre er nicht sicher, dass die Vergangenheit vergangen sei, als sei er noch weniger sicher, dass die Zukunft auch eine Zukunft habe. Und doch war der Schriftsteller neben seinen eher verrätselten romantischen Arbeiten ein heftiger Gegner des Berlusconismus und attackierte die „Bedrohung der Demokratie“ wo er nur konnte und kämpfte um die Zukunft. Bis zu seinem Tod vor zwei Jahren bliebTabucchi jener altmodischen Haltung verpflichtet, die das was Links war als Widerstand begriff und sich nicht mit irgendeiner verschwommenen Mitte arrangierte.

Es gibt sie immer noch, die NATO. Und wer sie als pittoreskes Fossil begreift, der muss nur zur Ukraine schauen. Dort hätte sie gern einen Stützpunkt, möglichst auf der Krim. Bis dahin ist sie auch mit dem EU-Assoziierungsabkommen zufrieden, das legt schon mal militärische Zusammenarbeit fest. Zwar ist die ukrainische Regierung nicht so eindeutig faschistisch wie die damalige portugiesische, aber immerhin. – „Wir sind in unserem Damals“, sagt Isabel , als sie den, der sie gesucht hat in einem kleinen Bahnhof an der Riviera trifft. „Man kann,“ sagt der Suchende, „nicht gleichzeitig im Jetzt und im Damals sein.“ Langsam erklingt Beethovens Klavier-Sonate „Les Adieux, l’Absence, et le Retour“ an den Gleisen, vom Abschied und der Wiederkehr spielt das Stück. – Das Kiewer Lumpenstück ist eines mit den Widergängern derer von damals.


Grafikquelle :  Antonio Tabucchi (2008)

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Politik ist Glücksache

Erstellt von Redaktion am 4. August 2014

Fast jedes Los ein Treffer

Autor: U. Gellermann

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Datum: 04. August 2014

Hereinspaziert, hereinspaziert sollen die Chefs des Deutschen Lottoblocks gesagt haben. Und während für den Millionengewinn, die sechs Richtigen mit Zusatzzahl, die Chance nur bei 1: 140 Millionen liegt, ist der Ex-Polit-Profi beim Lotto-Block immer richtig. Die Zusatzzahl ergibt sich aus der Nummer seines Parteibuches. Der Martin Stadelmaier von der SPD zum Beispiel, lange beim rheinlandpfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck Staatssekretär, kam jüngst zufällig an der Lottobude vorbei und wurde gekidnappt. Da traf er dann auf Ole von Beust, CDU. Den hätten die Lotto-Herren bei eBay günstig erworben, sagen sie. Jedenfalls gehören die beiden zu einer ganzen Reihe von Ausrangierten, die jetzt beim Lotto die Weichen in Richtung Politik stellen. Seinen alten Chef kann Stadelmaier nicht an der Lostrommel treffen, Kurt Beck berät den Pharmakonzern Boehringer Ingelheim. Von dem bisschen Pension, soll der Ex-Ministerpräsident gesagt haben, kann ich mir doch keinen Schoppen zum Saumagen leisten!

In der selben Branche wäre beinahe der Ex-MP von Baden-Württemberg, Stefan Mappus, gelandet: Der sollte zum Darmstädter Pharma- und Spezialchemiekonzern Merck. Da hätten die beiden ehemaligen Ministerpräsidenten konkurrieren können, beinahe wie damals, als der eine in der SPD und der andere bei der CDU noch Demokratie spielten. Wahrscheinlicher wäre eine gemütliche Große Koalition zustande gekommen: Absprachen über dies und das, gemeinsame Strategien zu diesem oder jenem, alles wie früher. Von diesen Elder Statesmen kann der Roland Pofalla, einst Darling bei Angela Merkel, sicher lernen: Geld einstreichen, schlau gucken und die richtigen Leute anrufen, das kann doch einen Profi nicht erschüttern. Nach dem was Frau Merkel eine Schamfrist nennt, geht Pofalla im kommenden Jahr schamlos zum Taschenfüllen und Strippenziehen zur Deutschen Bahn. Endlich, endlich soll der arme Mann geseufzt haben, endlich kann ich mir die dritte Scheidung leisten und den ersten Bentley.

Die Merkel hat ihre Leute überall sitzen. Nicht, weil sie selbst das Job-Feld sondieren will, sondern damit sie ihrem Lieblings-Sport, dem Simsen nachgehen kann: Eckart von Klaeden, früher Staatsminister im Kanzleramt, heute bei Daimler, schickt ihr diese SMS: „Muss die hohe Auto-Abgasnorm sein, Angela?“ Merkel simst zurü: „Nein“. So schnell geht Politik. Hildegard Müller, die war vor von Klaeden Staatsministerin im Bundeskanzleramt und sitzt ihre Zeit heute als Geschäftsführerin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft ab: „Brauchen wir diese Energie-Reform, Angela?“ SMS zurück: „Nein, Merkel.“ Da soll doch noch mal einer sagen, die Kanzlerin sei nicht entscheidungsfreudig. – Wer sich jetzt Sorgen um die GRÜNEN macht, ob die denn auch ein wenig Geld verdienen können und mitmischen dürfen, soll sofort damit aufhören. Der GRÜNE Rezzo Schlauch zum Beispiel, ist fast ohne Umwege von der Anti-AKW-Barrikade zum Atomkonzern EnBW gewechselt. Er hat sich schon ein Ständchen verdient: „Weist du wo die GRÜNEN sind? Zittern ganz verwelkt im Wind. Ist eklig anzusehn, ist eklig anzusehn.“

Doch der Master of the Universe des Seiten-Wechsels ist Joschka Fischer. Schön, wenn der Erfinder des Polit-Turnschuhs sein Gnadenbrot bei Addidas verzehren würde, aber der Mann, der gemeinsam mit seiner amerikanischen Amtskollegin Madeleine Albright dem Staat Kosovo mit Bomben zur Geburt geholfen hat, führt heut mit eben dieser Dame die Lobby-Akten der DAX-Unternehmen Siemens, BMW und des Energieversorgers RWE. Wer jetzt „Schröder!“ in den Wald reinruft und Gazprom raus schallen hört, der sollte sich keine Korruptions-Gedanken machen. Der Gerhard trinkt gerne einen und wo gibt es schon besseren Wodka als in Moskau: „Hol mir ma ne Flasche her!“

Schon heute wird der kluge Politiker über seine Anschlussverwendung nachdenken. Der Steinmeier zum Beispiel hat absolut eine Zukunft als Markt-Schreier: Erst jüngst auf dem Kiewer Maidan hat er den Ukrainern eine Regierungskiste voll fauler Nazi-Äpfel als neue Euro-Norm verkauft. Ursula van der Leyens Perspektive liegt im Marketing: Wer es schafft, die Bundeswehr als Institut zur Familien-Therapie unter die Leute zu bringen und Drohnen als die Fortsetzung der Rohrpost mit anderen Mitteln zu preisen, der kann als Kanzlerin künftiger Kriege das militärische Treiben jederzeit zum sportlichen Wettbewerb erklären. Dabei sein ist alles. Der Große Gauck hat seine neue Rolle als Chef des „Deutschen Verantwortungs-Verbandes“ schon gefunden. Die unter diesem originellen Namen auftretende Vereinigung deutscher Waffenschieber wird mit dem Slogan „Nicht länger heucheln, jetzt endlich meucheln“ die Deutschen herrlichen Zeiten entgegenführen.

Politik ist Glücksverheißung. Auch deshalb sollten die Parlamentswahlen künftig vom Deutschen Lottoblock durchgeführt werden. Um die Verantwortung der Wähler zu erhöhen, dürfen nur jene teilnehmen, die einen Mindesteinsatz leisten. Soldaten zahlen die Hälfte. Rentner das Doppelte. In einer großen Lostrommel warten die Namen diverser Politiker dann darauf, dass sie gezogen werden. Wer kein Amt abkriegt, darf sofort in die Wirtschaft. Statt der sonst üblichen Nieten werden Millionen Arbeits-Lose ausgegeben. Wer wirklich nur Treffer erzielen will, muss gleich zur Bundeswehr. Wer betrügt und dabei erwischt wird, kann leider nicht Journalist werden. Wer sich nicht erwischen lässt, kann sich Hoffnung auf einen Chefredakteursposten machen. Die Ziehung findet unter Kontrolle geprüfter Steuerhinterzieher statt.


Fotoquelle: Wikipedia – Urheber Emkaer

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Colin Powell ist wieder da

Erstellt von Redaktion am 31. Juli 2014

Jeder Schuss ein Russ´

Powell und Scharzkopf

Autor: U. Gellermann

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Datum: 31. Juli 2014

Das waren noch Zeiten als der US-Außenminister Colin Powell im Februar 2003 vor der UN-Versammlung seine Rede zur Begründung des Irak-Krieges hielt: Eine Weltbühne, ein eloquenter Minister, eine farbige Power-Point-Präsentation, das Giftgas waberte geradezu von den Wänden und die Willigen meldeten gehorsamst an Bush jr., den obersten Kriegsherren der USA: Jawoll, mein Feldzugs-Führer, wir folgen Dir. Auch die deutschen Medien ließen sich damals nicht lumpen und stimmten, mit ganz, ganz wenige Ausnahmen in das Kriegsgeschrei der amerikanischen Lumpen ein. A War was born, eine halbe Million Iraker starben.

Fast verstohlen schiebt die aktuelle US-Regierung diesmal vier Fotos über die Theke des internationalen Nachrichtenhandels: Schwarz-weiß sollen die angeblichen Satelliten-Aufnahmen beweisen, dass die Russen Stellungen der ukrainischen Armee beschossen haben. Ein paar Raketenwerfer im Irgendwo, ein paar Einschläge im Nirgendwo. Einschlägige Fachleute sagen, das hätte man im Computer-Programm „Photoshop“ auch besser hinkriegen können. Dass man eigentlich erwartet hatte, das US-Propaganda-Ministerium würde Bilder vom Abschuss des malaysischen Fluges MH 17 veröffentlichen, den es seit Tagen in unterschiedlichen Varianten den Russen anhängen will. Das konnte die deutschen Medien nicht irritieren: Freunde lügen nicht. So wurden die diffusen Fotos fast überall veröffentlicht.

Feinde lügen immer, grundsätzlich. Und da der unerschrockene deutsche Redakteur seit geraumer Zeit den Russen oder den Pro-Russen als Feind ins Visier genommen hat, ist dem nur Schlechtes zuzutrauen: Der Feind spielt mit den Leichen aus MH 17 Fangen, ist eine der Varianten. Kühn setzt sich der Redakteur sogar über TV-Bilder hinweg, die sein Konsument eigenäugig gesehen hat: Wie der Pro-Russe brav die unversehrten Flugschreiber abgeliefert hat. Wie der Pro-Russe Leichen in Säcken zu den Kühlwaggons bringt. Aber wenn der selbe Pro-Russe ein Stofftier aus den Flugzeugtrümmern hochhebt und bei Anne Will das Bild gezeigt wird, dann tut er das „triumphierend“. Ein „Untermensch“ eben, so hat der ukrainische Ministerpräsident ihn und die anderen Pro-Russen ja genannt. Hätte man das Original-Video komplett gezeigt, wie der Mann das Spielzeug respektvoll wieder hinlegt, wie er die Mütze abnimmt und sich bekreuzigt, hätte der Feind zum Menschen werden können. Wer will denn so was? Nur der Feind.

Ein Freund, ein guter Freund, ist – nächst allen Erben von Colin Powell – auch der schockoladensüße Poroshenko, der ukrainische Ministerpräsident. Tag um Tag weigert er sich die Aufzeichnungen des Funkverkehrs zwischen dem Flug MH 17 und dem Tower Kiew herauszugeben. Die hat der ukrainische Geheimdienst. Dort sitzen Freunde der USA. Und so weiter. Inzwischen hat die Poroshenko Soldateska die Absturzstelle beschossen. Weil sie „das Absturzgebiet der Boeing 777 von Terroristen befreien (will), um internationalen Experten Sicherheit zu garantieren und die Möglichkeit für ihre Untersuchungen“, behauptet einer aus der Kiewer Regierung. Wenn Poroshenko nicht so ein guter Freund wäre, hätten die totalitär freien deutschen Medien daran erinnert, dass er zwei Tage zuvor eine Waffenruhe im Umkreis von 40 Kilometern um die Unglücksstelle zugesagt hatte.

Zwischenzeitlich ist in der Ost-Ukraine eine „Schreckensherrschaft“ aufgetaucht, verbreitet eine Presserklärung der UN. Die ist bei den nationalistisch geprägten, zusammengewürfelten Truppen der Separatisten nicht auszuschließen. Schließlich werden sie von den Oligarchen des „Donezker Clan“ finanziert. Die sind kaum zimperlicher als ihre Brüder in Kiew. Aber vom Schrecken dieser, der feindlichen Brüder ist in deutschen Medien wenig zu erfahren. Von den rund Tausend zivilen Toten ist fast nur im Zusammenhang mit der „Schreckensherrschaft“ der Pro-Russen zu lesen oder zu hören. Man könnte denken, die bringen ständig die eigenen Leute um. Wie sie anscheinend auch die Häuser jener Städte beschießen, in denen sie ihre Basis haben. So die ARD: „Auch in das Zentrum der von Separatisten gehaltenen Stadt Donezk schlugen Artilleriegeschosse ein. … In allen Fällen ist unklar, wer geschossen hat.“ Wenn es nicht die Pro-Russen waren, dann werden es eben die Russen gewesen sein. Die fand man in der ARD immer schon unklar.

„Es kommt darauf an, wie man es sieht“, meint Mikael Skillt. „Ich wäre ein Idiot, wenn ich sagen würde, dass ich nicht will, dass die weiße Rasse überlebt“, erzählte jüngst voll Stolz dieser Sniper und Rassist aus Schweden in das Mikrophon der BBC. Er kämpft zur Zeit im Asov-Bataillon, einem pro-ukrainischen, bewaffneten Freiwilligenverband in der Ost-Ukraine. „Ich bin der Führer einer kleinen Aufklärungseinheit, ich bin außerdem Scharfschütze und manchmal arbeite ich als Spezialkoordinator im Häuserkampf gegen Zivilisten.“ Das ist eine der vielen Nachrichten, die man in den deutschen Medien einfach nicht finden kann. Denn das könnte das Bild von den Freunden beschädigen.
„Jeder Schuss ein Russ´“, stand auf den Eisenbahnwaggons, mit denen die deutschen Soldaten an die Fronten des Ersten Weltkriegs transportiert wurden. So holprig darf Propaganda heute nicht mehr sein. Und als Colin Powell damals seine angeblichen Beweis-Bilder an die unschuldige UN-Leinwand warf, war der Irak-Krieg längst beschlossene Sache.

Wer das Video mit dem Stofftier seheh will;

http://www.russland.ru/fakt-oder-fake-der-separatist-mit-dem-erbeuteten-stofftier-video-aus-youtube/

Wer mehr von Mr. Skillt wissen will:
http://www.bbc.com/news/world-europe-28329329

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Fotoquelle: Wikipedia – Urheber United States Army

Dieses Bild wurde von einem Mitglied der United States Army während der Ausführung seiner Dienstpflichten erstellt. Als eine Arbeit der Bundesregierung der Vereinigten Staaten ist dieses Bild in public domain.

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Der Hammer des Antisemitismus

Erstellt von Redaktion am 29. Juli 2014

Raphael Gross

File:Openly antisemitic Protester in Berlin (17.7.2014).jpg

Autor: U. Gellermann

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Datum: 28. Juli 2014

Er kommt aus der Schweiz, der Historiker Raphael Gross, aus dem Land der großen Berge und der kleinen Herzen. Bedächtig ist seine Sprache, der leichte Schweizer Akzent weckt Vertrauen, das dunkle Brillengestell akzentuiert Seriosität. Wer anders als er, der Direktor des Jüdischen Museums Frankfurt, sollte die allfällige Frage nach dem aktuellen Stand des deutschen Antisemitismus beantworten, eine Frage die pünktlich und regelmäßig zu den Kämpfen zwischen Israel und den Palästinensern gestellt wird. Denn immer wieder gibt es Deutsche, die sich mit den Palästinensern solidarisch erklären und Israels Politik kritisieren, da verlangt die deutsche Staatsräson echte Experten, die so überzeugend wie möglich Kritik an Israel als antisemitisch einordnen.

„Aus Friedensdemonstranten werden“, so Raphael Gross in einem Interview mit der FAZ, „im deutschen Kontext hassende Antisemiten“. Und der Herr Professor belegt das wissenschaftlich damit, dass es auf einer der Demonstrationen die Parole „Kindermörder Israel“ gegeben habe. Nun hat die UN-Menschenrechtskommissarin Israel im Gaza-Konflikt scharf kritisiert und von Kriegsverbrechen gesprochen. Und das UN-Kinderhilfswerks Unicef zählt nach zwei Wochen anhaltender Bombardierung von Zielen im Gazastreifen mehr als 120 tote Kinder. Aber da würde der vornehme Schweizer Professor äußerstenfalls die Formulierung `Kinder-Kollateral-Schäden´ zulassen können.

Ein Kapitelchen seiner bedächtigen Antisemitismusforschung widmet der Historiker dem „linken Antisemitismus“ und entdeckt dessen Wurzeln zum Beispiel in der verblichenen DDR. Denn die habe „die Verantwortung für den Holocaust“ durch „antifaschistische Klischees“ ersetzt. Dass die prägenden Politiker der DDR häufig nicht aus dem Klischee sondern aus den realen Konzentrationslagern und den Nazi-Gefängnissen kamen, dass drei ihrer Politbüro-Mitglieder ihre Verwandten an die Judenvernichtungsmaschine der Nazis verloren hatten, das ficht den Wissenschaftler nicht an. Und um die Ausblendung politischer Wirklichkeit zu komplettieren, tropft ihm ein bedeutender Gedanke von der Lippe: Antiamerikanismus und Antisemitismus, da ist er sicher, passen gut zusammen. – Fester kann man ein Brett nicht vor den eigenen Kopf nageln.

Während Raphael Gross so vor sich hin redet, will ihm nicht einfallen, dass neben der deutschen Regierung auch und gerade die USA eine ukrainische Regierung unterstützt, in der Naziaktivisten eine erhebliche Rolle spielen. Deren Chef wurde jüngst noch sorgenvoll von der JÜDISCHEN ALLGEMEINEN als übler Antisemit so zitiert: „Die Ukraine wird von einer russisch-jüdischen Mafia beherrscht.“ Das kann den Einbahnstraßen-Wissenschaftler nicht erschüttern. Vielleicht deshalb mag er auf die soufflierende Frage der FAZ, was denn der Unterschied zwischen einem „waschechten Antisemiten“ und einem „Opponenten der israelischen Regierung“ sei, nur mit zionistischem Beton antworten: „Die Fragerei kann dem Wunsch nach einer Legitimation für eigene Ressentiments dienen.“ Das ist ein spannendes neues Tabu: Wer die Frage nach dem Antisemitismus stellt, ist also selbst ein Antisemit.

Schon einmal, in der Debatte um ein Gedicht von Günter Grass zum denkbaren Israel-Iran-Krieg und dem israelischen Atomwaffenprogramm, sprang der jüdische Dogmatiker Raphael Gross aus dem Anzug des Wissenschaftlers: Das Gedicht sei ein „Hassgesang“, um dann nachzuschieben: „Diese direkt aus dem Nationalsozialismus in Deutschland zwischen 1933 -1945 erwachsene `Moral der Volksgemeinschaft´ – ist es, deren Echo wir leider immer und gar nicht so selten hören, wenn wir der Generation von Grass nur genau zuhören.“ Der Ratzinger-Papst, der DDR-Schriftsteller Günter de Bruyn, der ehemalige deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher, der Kabarettist Dieter Hildebrandt, der SPD-Politiker Erhard Eppler und der Soziologe Niklas Luhmann, alle aus der Grass-Generation und alle mit dem Volksgemeinschafts-Echo kontaminiert? Das meint er ernst, der Herr Professor und hält sich für seriös.

Der schwere Hammer des Antisemitismus wird methodisch geschwungen und mit Vorliebe auf jene Köpfe gehauen, die Israel kritisieren. Wenn dabei auch israelische Köpfe sind, die getroffen werden – wie die Kritiker israelischer Palästinenser-Politik David Grossman, Amos Schocken, Moshe Zimmermann, Schlomo Sand oder Moshe Zuckermann – um so besser. Und so verlassen wir denn die fernen Gipfel des Schweizer Intellekts und begeben uns in die schlammigen Niederungen des von Henryk M. Broder eigenhändig geschnitzten jüdischen Antisemitismus: Antisemit ist immer der, der die aktuelle israelische Politik nicht mag.

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Grafikquelle    :     Am 17. Juli 2014 kamen rund 1000 pro-palästinensische Menschen zusammen um in Berlin gegen eine pro-israelische Kundgebung auf dem Joachimsthaler Platz zu protestieren.

Source Own work
Author Boris Niehaus

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Bombenstimmung bei den Grünen

Erstellt von Redaktion am 28. Juli 2014

Waffenindustrie hat den idealen Partner gefunden

File:Flickr - boellstiftung - Cem Özdemir, Bundesvorsitzender Bündnis 90-Die Grünen.jpg

Autor: U. Gellermann

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Datum: 28. Juli 2014

„Haste mal Munition für mich?“ Die Frage wurde von einem namenlosen Mitglied der GRÜNEN jüngst auf der „Stallwächter-Party“ in der Baden-Württembergischen Landesvertretung in Berlin einem Vertreter der Rüstungsfirma Diehl hinter vorgehaltener Hand gestellt. Der Mann antwortet korrekt: „Aber nur wenn Sie auch eine Panzerhaubitze zum Verschießen haben, und flüstern müssen Sie hier nicht, wir sind einer der offiziellen Sponsoren dieser Party.“

Ausgerechnet der „gute Mensch von Laiz“, Winfried Kretschmann, der in seinem Heimatort im Kirchenchor singt , hatte als Chef der Landesregierung eingeladen und sich vom Waffenschieber Diehl, der gern auch eine Art Streumunition herstellt, mit 5.000 Euro bei seiner Party unterstützen lassen. Die GRÜNEN machten es billig, der Diehl-Konzern gehört mit seinen drei Milliarden Euro Jahresumsatz zu den größten Rüstungsläden Deutschlands und hätte gut und gern ein paar Euro mehr locker machen können. Denn wenn eine Partei seit Jahr und Tag tapfer für die Rüstungslobby eintritt, dann sind es die GRÜNEN.

Erst jüngst, mitten in der Ukraine-Krise, hatte der GRÜNEN-Vordenker Ralf Fücks, Chef der Böll-Stiftung, gefordert, Deutschland müsse „raus aus der Komfortzone“, das Land sei „auf dem Weg zu mehr internationaler Verantwortung“, um dann noch Verständnis für die „Erwartung einer zeitweiligen Verstärkung der NATO-Präsenz an der polnischen Ostgrenze“ zu signalisieren. Fücks, der einst wie Kretschmann zu den maoistisch inspirierten Pol-Pot-Verstehern gehörte, hat augenscheinlich nicht mitbekommen, dass sein damaliger Hauptfeind, die Sowjetunion, sich längst zu einem gewöhnlichen kapitalistischen Staat entwickelt hat und Russland heißt.

„Lenkflugkörper, prima Lenkflugkörper“, rief der Diehl-Mann auf der Stallwächter-Party in den Saal, wedelte mit bunten Prospekten und wußte sich mitten in seiner Zielgruppe. Hatten doch die GRÜNEN dem Syrien-Krieg mit ihrer Zustimmung zur Stationierung von deutschen Patriot-Raketen an der türkisch-syrischen Grenze eine weitere internationale Note gegeben. Dass im Verkaufsprospekt erwähnte „Gefahrenpotenzial terroristischer Angriffe“ könnte der GRÜNEN Europa-Abgeordneten Rebecca Harms zusagen, die den Begriff des „Antiterror-Kampfes“ der Kiewer Regierung für ihren Krieg gegen die Bevölkerung in der Osturlraine problemlos übernommen hat. Mit dem Unternehmen Diehl hätten die Kiewer dann nach dem Sieg über die „Terroristen“ auch einen prima Partner zur sachgerechten Unterbringung der Gefangenen: In der Nazi-Zeit beschäftigte das Unternehmen jede Menge Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge, die dem NSDAP-Mitglied Karl Diehl einst zu günstigen Konditionen zur Verfügung gestellt wurden.

Ob die GRÜNEN sich auf der Party mit den Diehl-Leuten auch über die verpasste Umsatz-Chance im Libyen-Krieg unterhalten haben? Die GRÜNE Frontfrau Renate Künast attackierte damals die Enthaltung der Bundesregierung im Uno-Sicherheitsrat und lobte alternativ den „klugen Diplomaten Wolfgang Ischinger“, der die jährliche Rüstungs-Messe, Münchner „Sicherheitskonferenz“ genannt, leitet. Und der Spitzengrüne Cohn-Bendit sprach sich vehement für die „Flugverbots-Zone“ über Libyen aus, in deren Ergebnis ein kaputtes Land und 50.000 Tote zu beklagen sind. Ob er wohl den Diehl-Prospekt gelesen hatte: „Derzeit sind Bundeswehrsoldaten an multi-nationalen Einsätzen beteiligt, um Konflikte zu verhüten, Krisen zu bewältigen und grenzüberschreitenden Terrorismus zu bekämpfen.“ Zwar hat der internationale Libyen-„Einsatz“ nur mehr Terrorismus erzeugt, aber wer weiß, mit Diehl als Lieferant und den GRÜNEN an vorderster Front hätte alles vielleicht noch besser ausgehen können.

Niemand weiß genau, ob der grüne Europa-Abgeordnete Werner Schulz seine Schaum-vor-dem-Mund-Einlage bei Sandra Maischberger auf der Stallwächter-Party wiederholt hat. Dort hatte er den russischen Präsidenten Putin als „Verbrecher“ bezeichnet, als „Aggressor“ und „Kriegstreiber“, der einen „expansiven Nationalismus“ vertrete. Sorgenvoll wurde schon bei Diehl nachgedacht, ob denn die laufende Produktion für einen Krieg mit Russland ausreiche und um ein wenig Verschiebung des von Schulz offenkundig anvisierten Angriff-Termins gebeten. Alle, die an der GRÜNEN-Party teilgenommen haben, versichern, es sei eine Bombenstimmung gewesen, obwohl so mancher doch unter der Last neuer deutscher Verantwortung geächzt habe. Nur die Leute von Diehl waren nicht ganz zufrieden: „Wir stellen gar keine Bomben her, ja, wenn von einem `Feuerwerk der guten Laune´ die Rede gewesen wäre, dann hätten wir problemlos ein paar unserer Artillerie-Raketen beisteuern können.

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Grafikquelle    :

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Source Cem Özdemir, Bundesvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen
Author Heinrich Böll Stiftung from Berlin, Deutschland

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Freie Welt, freie Presse

Erstellt von Redaktion am 25. Juli 2014

Wann erschiesst sich Putin?

Autor: U. Gellermann

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Datum: 24. Juli 2014

Russland, das wissen die Deutschen aus ihren Medien, das ist das Reich der Finsternis. Vor allem die Sender und Zeitungen dort sind so unfrei und unterdrückt, dass sich keine kritische Stimme mehr erhebt. Das ist im freien Deutschland, auch das scheint der Durchschnittsdeutsche zu wissen, völlig anders. Außer manchmal. Aber dann geht es um die Freiheit anderer. Beispiel im Ukraine-Fall: Da wissen alle wesentlichen Medien im Land inzwischen wer den Abschuss des malaysischen Flugzeugs zu verantworten hat: Der Russe, zumindest der Pro-Russe. Zwar ist bisher nicht einmal der Abschuss endgültig bewiesen, geschweige wer denn abgeschossen hat. Aber das macht nichts. Wenn sich die völlig freien und pluralen Medien mal entschieden haben, dann kann nur der Russe schuld sein. Beweise? Nebbich.

Inmitten langer Artikel und Kommentare, die mit langen Fingern auf den vorgeblich schuldigen Putin, der „einen großrussischen Traum träumt“ und jetzt aber endlich zumindest mit Sanktionen zu bedenken ist, findet sich in der FAZ eine erstaunliche Medienlese aus russischen Zeitungen und Sendern. Zum Abschuss des malaysischen Flugzeuges titelt die Zeitung KOMMERSANT (150.000 Auflage): „Die Trümmer der Boeing fallen auf Russland“ und weist so Russland Schuld zu. Die mit 600.000 Exemplaren Auflage bedeutende russische Zeitungen, NOWAJA GASETA, schreibt sogar „Wir verkünden Trauer“ und die FAZ beschreibt die GASETA als „kremlkritisch“. Und schließlich wird von einem Radio-Sender namens ECHO MOSKWY berichtet, der in Moskau 600.000 Hörer täglich erreicht und in den Regionen immerhin 1,5 Millionen. Dieser Sender sendet tatsächlich: „Ein zweites Lockerbie, durch uns veranstaltet“. Ist der Chefredakteur schon verhaftet? Nein. Ist wenigsten der Eigentümer erschossen? Das wird schwer werden, gehören doch fast 70 Prozent des Senders der Firma GAZPROM und dieses Unternehmen, glauben wir dem deutschen Durchschnittsmedium, gehört dem Staat, also Putin. Nach deutscher Medienlogik muss der sich jetzt selbst erschießen.

Weil wir, wie die deutsche Mehrheit glaubt, so plurale und die Russen nur diese Einheitsmedien haben, hat sich die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG während des Krim-Konfliktes von ihrer monatlichen, bezahlten Beilage RUSSLAND HEUTE getrennt. Es hätte ja sein können, dass sich in dieser deutschsprachigen Zeitung aus Moskau eine andere Meinung zum Krim-Konflikt gefunden hätte als die in der SZ-FAZ-BILD-ZEIT-Melange oder gar im ARD-ZDF-Eintopf. Am konsequentesten pluralistisch war die hochmögende, hochintellektuelle und total ausgewogene ZEIT. Sie kündigte die Zusammenarbeit mit ihrem freien Russland-Korrespondenten Moritz Gathmann. Denn der hatte auch schon mal für RUSSLAND HEUTE geschrieben. Da kann der ZEIT-Leser nur froh sein, dass dieser Agent Putins nicht mehr für ZEIT-Online arbeitet. Der wäre wahrscheinlich so infam gewesen in der Sache des malaysischen Flugzeugs die Frage nach den Beweisen zu stellen. Aber Zweifel verträgt der ZEIT-Leser nicht, denkt die Reaktion fürsorglich.

Der Chef aller westlichen Demokraten, Barack Obama, ist offenkundig ein Absturz-Experte. Deshalb hat er jüngst in der ARD die ukrainischen Separatisten angeklagt: Die hätten die Leichen von der Absturzstelle weggebracht, das sei eine Kränkung der Angehörigen. Diese, bei den in der Ost-Ukraine zur Zeit herrschenden Sommer-Temperaturen, völlig unsinnige Anklage, löst bei der ARD keine Frage nach dem Verstand des US-Präsidenten aus. Nein, sie titelt diesen Beitrag aus der öffentlich-rechtlichen Anstalt wie es sich für eine Anstalt gehört: „Obama nimmt Putin bei Aufklärung von MH17-Absturz in die Pflicht“. Die Pflicht zu anständigem Journalismus hat sich längst aufgelöst.

Der Mangel an ernstzunehmender Recherche in der Ukraine-Russland-Frage im düsteren deutschen Medienwald rührt auch daher, dass die USA für grundsätzlich demokratisch und Russland prinzipiell für undemokratisch gehalten wird. Wer das verinnerlicht hat, braucht keine Recherche, keine Fakten mehr. – Neben der Frage nach der „freien Presse“ ist auch die Frage nach den „freien Wahlen“ entscheidend. Die Antwort des Mainstreams sagt : Die US-Wahlen sind frei, die Russischen Wahlen unfrei. Was zu prüfen ist. Bei den letzten Präsidentschaftswahlen in den USA gab es letztlich nur noch zwei Kandidaten auf dem nationalen Stimmzettel: Obama und Romney. In innenpolitischen Fragen unterschieden sich die beiden in Nuancen. Bei außenpolitischen Themen eher gar nicht. Obama erzielte deutlich mehr Wahlkampfspenden als Romney. Damit war die Wahl entschieden. Die anderen Kandidaten, unter ihnen Jill Stein von den US-Grünen, wurden in den wesentlichen Nachrichten am Wahlabend erst gar nicht mehr erwähnt.

Im „autokratischen“ Russland standen neben Putin vier weitere Kandidaten zur Wahl. Und sie wurden am Wahlabend auch erwähnt. Der kommunistische Kandidat erzielte sogar 17,38 Prozent der Stimmen. Und während seine außenpolitischen Postionen denen Putins ähneln, sind seine innenpolitischen Forderungen fundamental konträr. Das drittbeste Ergebnis erreichte Michail Prochorow mit immerhin noch 8,8 Prozent. Der verfügt über ein Vermögen von 18,5 Milliarden Dollar und musste schon deshalb keine Spenden sammeln. Dem Mann gehört der amerikanische NBA-Basketball-Verein „Brooklyn Nets“. Wie heftig die amerikanischen Medien schäumen würden, wenn ein US-Präsidentschaftskandidat Besitzer von Dynamo-Moskau wäre, nicht auszudenken. Wahrscheinlich würde solch ein Agent Moskaus aus Gründen der nationalen Sicherheit erst gar nicht zur Wahl zugelassen. Vergleicht man also die beiden Wahlkämpfe, dann könnte glatt der Eindruck entstehen, die Wahlen in Russland seien vielfältiger und demokratischer als die in den USA. Aber das kann nicht sein. Es steht ganz anders in der Zeitung.


Fotoquelle: Wikipedia – Urheber Brandt Luke Zorn

Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 generisch“ (US-amerikanisch) lizenziert.

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Die Deutsch-Arabische Gesellschaft klagt an

Erstellt von Redaktion am 24. Juli 2014

Empörte Deklaration zum Israel / Gaza Krieg

Autor: U. Gellermann

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Datum: 24. Juli 2014

Die „Deutsch-Arabische Gesellschaft“, 1966 in Würzburg gegründet, ist ein honoriger Verein mit prominenten Mitgliedern: Präsident ist Peter Scholl-Latour, sein Stellvertreter ist der TV-Publizist Ulrich Kienzle, im Beirat sind die Europa-Abgeordnete Alexandra Thein (FDP) und Dr. Egon Jüttner MdB (CDU). Die Gesellschaft hat in diesen Tagen folgende Deklaration veröffentlicht:

„Bomben, Raketen und Artilleriebeschuss auf Gaza sind nicht nur schwere Verletzungen des Völkerrechts.
Die gezielte Tötung der führenden Mitglieder der in Gaza regierenden Partei Hamas (zusammen mit ihren Familienangehörigen) kann auch politisch nicht bewirken, dort „gemäßigte“ Kräfte zu stärken.

Mit guten Gründen betrachtet die westliche Welt Gaza nach wie vor als „besetztes Gebiet“. Wer von einem Selbstverteidigungsrecht gegen die von dort abgeschossenen Raketen spricht, muss sich fragen lassen, ob es nicht ein Selbstverteidigungsrecht der dort mit Gewalt eingekerkerten Bevölkerung gibt.
Wer das verneint, sollte trotzdem antworten, ob die große Zahl von Toten und Verletzten in einem verantwortbaren Verhältnis zu der kleinen Zahl von Verletzten auf israelischer Seite steht.“

Die Deutsch-Arabische Gesellschaft befürchtet, dass dieser erneute Gewaltexzess den politischen Weg für eine israelische Annexion des ganzen „biblischen“ Landes bereiten soll. Dem israelischen Kabinett gehören mehrere Minister an, die ein solches Ziel laut aussprechen. Selbst der amerikanische Außenminister hat sich nicht mehr gescheut, in diesem Zusammenhang das Wort „Apartheid“ auszusprechen.

Wo kann die Bundesregierung noch von Menschenrechten sprechen, wenn sie aus falsch verstandener Holocaust-Verantwortung zu dem täglichen Unrecht in Palästina schweigt?“

Wer diese Deklaration per mail kommentieren möchte, der findet die Gesellschaft unter

https://www.d-a-g.de/

Auf der Web-Site der Gesellschaft findet sich ein Artikel von Rolf Verleger, der wie ein Kommentar zur Deklaration wirkt. Der Psychologe und Sozialwissenschaftler Rolf Verleger war Direktoriumsmitglied im Zentralrat der Juden in Deutschland und Vorsitzender der Jüdischen Gemeinschaft Schleswig-Holstein. Hier sein Text:

„Als 1903 der junge Michail Rybatschenko bei Kischinew (heute Moldawien, damals Zarenreich) ermordet aufgefunden wurde, stellten dort die „guten Christenmenschen“ die Juden als blutrünstige Monster dar. „Tod den Juden“ wurde geschrieben, gepredigt, gebrüllt und tatkräftig umgesetzt….

Jetzt, über hundert Jahre später, wurden im von Israel besetzten Westjordanland drei jüdische Schüler entführt und umgebracht. Bis heute sind die Täter unbekannt. Aber für „gute Juden“ – in Israel und anderswo – ist die Sache klar: Blutrünstige Monster sind die Hamas, die Araber, die Muslime. „Tod den Arabern“ wird bis weit in die Mitte der Gesellschaft hinein geschrieben, gepredigt, gebrüllt. Und nun auch tatkräftig von Israels Luftwaffe umgesetzt.
… „Tod den Juden“ von damals, „Tod den Arabern“ von heute…
Beim bisher blutigsten Pogrom gegen Gasa, Anfang 2009, schrieb ich meinen Aufsatz „Gasa, der böse, böse Nachbar“… . Darin heißt es:
“Der Nachbar ging mal auf Fischfang. Das haben Sie ihm verboten. Er hatte mal Fabriken. Die haben Sie ihm … zerbombt. Er hatte mal Landwirtschaft. Die haben Sie ruiniert …. Er hatte mal einen Flughafen – gebaut von EU-Geldern. Den haben Sie kaputtgemacht: Böse.
Nachbarn brauchen keinen Flughafen.
Der böse Nachbar, der nur schießen will, soll nicht fischen, nicht arbeiten, nicht Boden beackern, nicht verreisen: Der böse, böse Nachbar soll auf Sie schießen, damit Sie zurückschießen können.
Das tat er denn auch.“
Es scheint sich seit 2009 nichts geändert zu haben. Aber das stimmt nicht. Das Fundament internationaler Unterstützung für dieses Israel ist immer brüchiger geworden.
Kein normaler Mensch möchte mit solchen Rassisten noch etwas zu tun haben. Und das wird seine Wirkung haben. Auch das Zarenreich ist zusammengebrochen.“


Grafikquelle :   Getroffenes Haus im Gazastreifen

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Kiew: Untermenschen auslöschen

Erstellt von Redaktion am 18. Juli 2014

Bundesregierung kooperiert prima mit Poroschenko

Petro Poroshenko (35518348961).jpg

Autor: german-foreign-policy

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Datum: 17. Juli 2014

Die vom Westen protegierte Regierung der Ukraine verschärft ihre Kriegführung im Osten des Landes. Angriffe auf Wohngebiete dauern an; zunehmende Attacken auf die wirtschaftliche Infrastruktur lassen befürchten, dass auch die Großstädte Donezk und Luhansk wie zuvor Slowjansk gleichsam ausgetrocknet werden sollen: In Slawjansk war es nach der Zerstörung der Wasser- und Stromversorgung sogar in Krankenhäusern zu Totalausfällen gekommen, Beobachter sprachen von einer humanitären Katastrophe. In Streitkräften und irregulären Milizen etablieren sich faschistische Kräfte, die Berlin hoffähig gemacht hat – im Falle der Partei Swoboda durch Kooperation und gemeinsames Auftreten des Parteichefs mit dem deutschen Außenminister, im Falle des berüchtigten Prawy Sektor („Rechter Sektor“) durch die billigende Inkaufnahme von dessen Erstarken auf dem Maidan. Zu den Ergebnissen der von Berlin unterstützten Entwicklung gehört, dass kürzlich die zentrale Kiewer Demonstration für die Rechte von Homosexuellen verboten worden ist – von einem Zögling der Berliner Außenpolitik, dem in Deutschland hochpopulären Kiewer Oberbürgermeister Witali Klitschko.

Eine humanitäre Katastrophe

Die vom Westen protegierte Regierung der Ukraine verschärft ihre Kriegführung im Osten des Landes. Nach der Preisgabe der Städte Slowjansk und Kramatorsk durch die Aufständischen sind die Regierungstruppen nun bestrebt, Donezk und Luhansk einzukreisen; dabei kommt es weiterhin zu Angriffen auf Wohngebiete und zu zahlreichen Todesopfern unter Zivilisten. Bereits vor Wochen hat Sergij Taruta, der von Kiew installierte Gouverneur von Donezk, den Beschuss von Wohngebieten scharf kritisiert und darauf hingewiesen, dies treibe den Aufständischen neue Kräfte zu.[1] Dessen ungeachtet attackieren die Regierungstruppen fortgesetzt nicht nur Zivilisten, sondern zunehmend auch die wirtschaftliche Infrastruktur – mit fatalen Folgen. So wird der Direktor eines Grubenunternehmens in Donezk mit der Aussage zitiert, die Truppen hätten offenkundig gezielt die Kohleversorgung für das größte Kraftwerk der Region unterbrochen: „Die Vorräte reichten noch für 20 Tage, danach könne es zu Stromknappheit kommen“.[2] In Slowjansk hatte der Totalzusammenbruch der Infrastruktur eine humanitäre Katastrophe ausgelöst; so hatten Krankenhäuser zuletzt Elektrizität nur noch unmittelbar für Operationen zur Verfügung – selbst die Blutreserven drohten wegen mangelnder Kühlung zu verderben.[3] Ähnliches scheint für Luhansk und Donezk bei fortgesetzten Angriffen der Regierungstruppen langfristig nicht ausgeschlossen.

„Untermenschen“

Dabei steht die ukrainische Regierung, die die Angriffe forciert, einerseits unter massivem Druck faschistischer Kräfte. Ende Juni etwa hatten Tausende Ultrarechte auf dem Kiewer Maidan ein sofortiges Ende des damaligen Waffenstillstandes gefordert; Präsident Poroschenko müsse umgehend den Kriegszustand über das Donbass verhängen, hieß es. Poroschenko wurde als „Verräter“ beschimpft; Anführer ultrarechter Freiwilligenbataillone verlangten, im Osten des Landes auf eigene Faust einzugreifen. Andererseits folgt die Kiewer Regierung mit den Attacken auch eigenen Positionen. So wurde etwa Poroschenko Ende der vergangenen Woche mit einem Ruf nach uferloser Rache zitiert: „Für jedes Leben unserer Soldaten werden die Kämpfer mit Dutzenden und Hunderten der Ihren zahlen.“[4] Bereits zuvor hatte Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk nach einer tödlichen Attacke auf ukrainische Soldaten erklärt, bei den Angreifern handele es sich um „Untermenschen“ („subhumans“), die „ausgelöscht“ werden müssten; es gelte „unser Land vom Übel zu säubern“. Die Stellungnahme, auf der Website der ukrainischen Botschaft in den USA publiziert, ist inzwischen leicht modifiziert worden – statt „subhumans“ ist nun von „inhumans“ die Rede -, aber im Kern noch einsehbar.[5]

Munition gesammelt

Gleichzeitig schreitet unter Präsident Poroschenko die Etablierung ultrarechter Milizen und die Durchdringung des ukrainischen Militärs mit Faschisten voran. Mitte Juni etwa besuchten mehrere Parlamentsabgeordnete der faschistischen Partei Swoboda Einheiten der Streitkräfte, der Nationalgarde und irregulärer Milizen im Osten des Landes – und übergaben ihnen Medikamente, Ausrüstung und Munition, die Swoboda mit einer Sammelaktion in Eigeninitiative beschafft hatte. Man werde auch weiterhin Druck ausüben, um die Verhängung des Kriegsrechts zu erreichen, erklärten die Abgeordneten anschließend. Unter ihnen befand sich Mychajlo Holowko [6], der vor gut einem Jahr gemeinsam mit weiteren Swoboda-Aktivisten die NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag besucht und ihr eine intensivere Kooperation in Aussicht gestellt hatte (german-foreign-policy.com berichtete [7]). Wenige Tage nach dem Einmarsch der Kiewer Regierungstruppen in Slowjansk nahm eine Swoboda-Delegation die Stadt in Augenschein. Bereits unmittelbar nach dem Einmarsch hatte dort ein Reporter der BBC eine frisch aufgehängte Flagge des faschistischen Prawy Sektor bemerkt; er urteilte: „Das wird bei den Menschen in dieser überwiegend russischsprachigen Stadt ein tiefes Unwohlsein auslösen.“[8] Swoboda und der Prawy Sektor sind für ihre exzessiven antirussischen Aggressionen berüchtigt; ihr Erstarken im Verlauf der Maidan-Proteste hat maßgeblich zur Eskalation der Aufstände im Osten der Ukraine beigetragen.

Faschistische Paramilitärs

Mittlerweile beschreiben nicht mehr nur russische und ukrainische, sondern ansatzweise auch westliche Mainstream-Medien den Einfluss faschistischer Kräfte innerhalb der Kiewer Regierungstrupps. Kürzlich hat etwa der französische Auslandssender France 24 geschildert, wie Aktivisten des Prawy Sektor in die Streitkräfte eintreten oder eigene Formationen bilden; vor allem das „Bataillon Asow“ besteht demnach zu einem hohen Anteil aus Faschisten.[9] Es wird unter anderem von Oleh Lyaschko finanziert, der bei den Präsidentenwahlen mehr als acht Prozent der Stimmen erhalten hat. Im Juni hat eine deutsche Journalistin im hakenkreuzverzierten Hauptquartier des Prawy Sektor im Kiewer Hauptpostamt die Auskunft erhalten, die Organisation zähle heute bis zu 10.000 Aktivisten, von denen „Hunderte“ in der Ostukraine kämpften. Durch ihre Kooperation mit der Regierung im Milieu von Streitkräften und irregulären Milizen „werden de facto die rechtsextremen paramilitärischen Gruppierungen legalisiert“, urteilt der ukrainische Politikwissenschaftler Wjatscheslaw Lichatschew.[10]

Die Rolle Berlins

All dies ist für die Beurteilung der deutschen Ukraine-Politik nicht nur deswegen von Bedeutung, weil die Bundesregierung – unbeschadet ihrer aktuellen Forderung nach einem Waffenstillstand und erneuten Verhandlungen – Präsident Poroschenko und seine Regierung ungebrochen unterstützt und mit Sanktionen nur die Aufständischen und darüber hinaus Russland belegt. Vielleicht noch schwerer wiegt, dass Berlin mit seinen Interventionen in Kiew ansatzweise schon seit Anfang 2012, vollumfänglich seit dem Beginn der Maidan-Proteste mit Swoboda kooperiert und die faschistische Partei dadurch weithin akzeptabel gemacht hat (german-foreign-policy.com berichtete [11]). Zudem hat die Bundesregierung das Erstarken des Prawy Sektor auf dem Maidan billigend in Kauf genommen; ihm wird entscheidender Einfluss auf die gewaltförmige Radikalisierung der Proteste und bei Janukowitschs Sturz beigemessen. Den sich daraus ergebenden Einflussgewinn ultrarechter Kräfte in der Ukraine zeigen nicht zuletzt die Ereignisse um eine geplante Demonstration für die Akzeptanz von Homosexuellen in der Ukraine.

Repression? Egal.

Die Demonstration, die letztes Jahr erstmals durchgeführt wurde, sollte am ersten Juliwochenende wiederholt werden – allerdings unter erschwerten Bedingungen: Die Maidan-Proteste hatten, wie ein Bericht von Al Jazeera America konstatiert, mit der äußersten Rechten Kräfte erstarken lassen, die eben auch mit aller Gewalt gegen Lesben und Schwule vorgehen.[12] Auf die Unterstützung der Hauptstadtverwaltung gegen Angriffe der Faschisten konnten die LGBT-Aktivisten dieses Jahr nicht rechnen: Der neue Kiewer Oberbürgermeister Witali Klitschko, ein in Deutschland hochpopulärer Zögling der Konrad-Adenauer-Stiftung, untersagte ihre Demonstration. Ein Aufschrei in deutschen Medien, wie er üblicherweise erfolgt, wenn Homosexuelle in Russland Repression erdulden müssen, blieb aus. Al Jazeera America wies darauf hin, dass das ukrainische Parlament noch im Juni diejenigen Passagen aus dem Abkommen über die Visa-Liberalisierung mit der EU gestrichen hatte, die es zur Einführung von Anti-Diskriminierungs-Gesetzen gezwungen hätten. Berlin und Brüssel nahmen das hin. Man müsse von vorne anfangen, klagt nun die Sprecherin eines ukrainischen LGBT-Verbands.[13] Die Regierung, deren Repression Homosexuelle in der Ukraine ausgesetzt sind, ist außenpolitisch eine willige Partnerin Berlins und Brüssels; für EU und Bundesrepublik besteht daher kein Anlass, sie unter Druck zu setzen.

[1] Reinhard Lauterbach: Zivilisten als Ziele. junge Welt 05.07.2014.

[2] Reinhard Lauterbach: Kein Frieden im Donbass. junge Welt 12.07.2014.

[3] Konrad Schuller: Humanitäre Katastrophe in Slawjansk. Frankfurter Allgemeine Zeitung 05.07.2014.

[4] Ukrainische Soldaten durch Raketen getötet. Frankfurter Allgemeine Zeitung 12.07.2014.

[5] Ukraine’s Prime Minister Yatsenyuk: We will commemorate the heroes by cleaning our land from the evil. usa.mfa.gov.ua 15.06.2014.

[6] MPs from „Svoboda“ delivered ammunition and supplies to participants of Anti-terrorist operation (ATO). en.svoboda.org.ua 14.06.2014.

[7] S. dazu Eine Revolution sozialer Nationalisten.

[8] Fears remain after Ukraine’s rebels flee Sloviansk. www.bbc.co.uk 08.07.2014.

[9] Video: ultra-nationalist militants fighting alongside Ukraine’s army. observers.france24.com 10.07.2014.

[10] Simone Brunner: Gefährliche Hilfe von rechts. www.suedkurier.de 24.06.2014.

[11] S. dazu Die Expansion europäischer Interessen, Termin beim Botschafter und Vom Stigma befreit.

[12], [13] Despite a move toward Europe, LGBT Ukrainians face new hurdles. america.aljazeera.com 05.07.2014.

http://www.german-foreign-policy.com/


Grafikquelle   :   President of Ukraine Petro Poroshenko during a unveiling of the monument Cossack Hetman of the Hetmanate in Left-bank Ukraine Ivan Mazepa on May 7, 2016 in Poltava, Ukraine.

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Was denn ein Hit sei …

Erstellt von Redaktion am 15. Juli 2014

… wurde ich kürzlich gefragt

File:Unheilig der graf Denis Apel CC.jpg

Autor: Barbara Thalheim

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Datum: 14. Juli 2014

Man kann es sich gerade mal wieder bei Youtube anschauen. Ein Klick auf „What Does the Fox Say“ von Ylvis, zwei gut aussehende norwegischen Brüdern, die mittlerweile Millionäre sein dürften. Denn der Song wurde im Netz 300Millionen Mal aufgerufen.
Nochmal zum Nullen zählen: 300 000000.

Worum geht es in diesem Lied? Hier der komplette Text:

„Der Hund macht wuff
Die Katze macht meow
Der Vogel macht tweet
Die Maus macht squeek
Die Kuh macht moo
Der Frosch macht croack
Der Elefant mach toot
Aber es gibt einen Laut
Den niemand kennt.
Wie macht der Fuchs?“

Das ist alles. Dazu kommen ein paar überschaubare Harmonien.

Gute Nacht Abendland!
Nein, man ist kein Puritaner, wenn man sich von dieser textlich-musikalischen Einfalt nicht einfangen lässt.

Mir fällt regelmäßig das Essen aus dem Gesicht, wenn ich in musikalische Zwangshaft genommen werde. Neuerdings dudeln auch nachts in den Self Service Centren der Banken die Hit-Radio-Sender auf Anschlag. Warum habe ich herausbekommen. Damit kein Obdachloser mehr auf die Idee kommt, dort sein Nachtlager aufzuschlagen. Gute Gelegenheit beim Geldabheben überfallen zu werden, denn jeder noch mögliche 110-Hilferuf beim nächstgelegenen Polizeirevier würde vom Diensthabenden als Party-Einladung gedeutet…..schöne Musik bei Ihnen, viel Spaß beim Feiern, sagt der Beamte und legt auf!

Musikalische Umweltverschmutzung nennt man diese Art der Berieselung. Wäre ich Spiele-Erfinderin, würde ich die Figur SILENCIUS mit einem speziellen Lautsprecher-Aufspürdetektor erfinden. In Fußgängerzonen, Bahnhöfen, Fahrstühlen, Kneipen, Massagesalons, Einkaufspassagen, Supermärkten, Anwaltskanzleien, Arztpraxen, Toiletten würden – so die Spielregeln – quäkende Lautsprecher abgeschossen. Wer die meisten Geräuschquellen ausgeschaltet (ja, dieses Wort kommt aus dem „Militärsprech“ und steht für „Humankapital“ töten), hat gewonnen. Mein SILENCIUS wäre auch eine Art Spider-Man. Beim Aufsteigen an Häuserfassaden würde sein Spezialdetektor in Sekundenbruchteilen die Platten-, CD- und mp3-Sammlungen der Bewohner scannen und selektieren und so gleich ein wenig Gehörbildung betreiben.

Dann könnte mir mein Lieblingsnachbar nie wieder seine neue UNHEILIG – CD borgen, – „Barbara, hör dir diese Texte an, der helle Wahnsinn!“ – die Scheibe wäre nämlich auf mysteriöse Weise aus seiner Sammlung verschwunden. Dafür hätte SILENCIUS das Streichquartett „Der Tod und das Mädchen“ von Franz Schubert, die CD „Bad As Mee“ von Tom Waits und das letzte Album der Nouvelle-Vague-Chansonniere ZAZ ins Regal gestellt. Alles Hits – aber eben noch nicht für meinen Nachbarn.

Hit – das englische Wort für Treffen, Schlagen – ist eigentlich eine genaue Bezeichnung für den Daumen-hoch-finde-ich-gut-Button und die Unsitte immer gut zu finden, was auch andere gut finden.

Ich gehöre zur Fraktion der Massenmusik-Verweigerer. Bei jedem Eurovision Song Contest werde ich regelrecht windelweich ge-schlag-en. Und das, obwohl ich die Sendung nicht schaue. Der perfekt inszenierten medialen Mehr-Scheinen-als-Sein-Hysterie kann man nur noch durch das Verlassen den Kontinents entkommen.

Die liebsten Musikhörer sind mir die, die sich ihre Hits selber suchen – oder selber schreiben. Selbst ein Lied, das keiner kennt, kann ein Hit sein. Einer, mit dem man kein Geld verdient. Und doch ein „Schlag“ mitten ins Herz. Für den, der es geschrieben hat und seinen vielleicht einzigen Hörer.

Ach ja, noch dies:
Gute Musik findet man oft dort, wo man sie gar nicht vermutet. Z.B. bei youtube:
Das „london philharmonic orchester – greatest video game music“ anhören. Auch wenn man keine Videospiele mag. Diese Musik kommt aus dem Abendland. Großartig!!!

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Agent Angela

Erstellt von Redaktion am 14. Juli 2014

Verkauftes Deutschland

Autor: U. Gellermann

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Datum: 14. Juli 2014

Ein Rauschen geht durchs Land: Gezählte zwei US-Spione sind aufgeflogen und während die Perma-Bespitzelung aller Deutschen durch die NSA nur mäßiges Interesse bei den Berliner Funktionären ausgelöst hat, kräuselt der Zwei-Agenten-Stein jetzt den Teich rund um das Bundeskanzler-Amt: Die amerikanische Geheimdienstpolitik sei „ein Förderprogramm für den Antiamerikanismus in Europa“, sorgt sich der tapfere Sozialdemokrat Thomas Oppermann. Wolfgang Schäuble beklagt „so viel Dummheit“ der Amerikaner und ist beleidigt, weil die USA nur „drittklassige Leute“ anwerben. Präsident Gauck barmt um ein „Spiel mit Freundschaft““ und spielt seine Empörung nicht mal schlecht. Doch der einsame Höhepunkt bleibt der Kanzlerin überlassen: Diese Agenten-Affäre sei „Eine Vergeudung von Kraft“, weiß Merkel zu sagen und auch: „Wir sollten uns auf das Wesentliche konzentrieren“. Und dann kommt die Aufzählung jener Problem-Länder – Israel, Syrien, Irak, Ukraine und Russland – bei deren Behandlung die Merkel im Kielwasser der USA paddelt.

Wer die Fotos von der damaligen Verleihung der „Medal of Freedom“ durch Obama, der höchsten zivilen Auszeichnung der USA, an die deutsche Kanzlerin gesehen hat, der sieht eine glückliche, eine strahlenden Frau. Die kleine Angela aus Templin weiß sich am Ziel. Der Orden wird nur an Personen verliehen, die sich für die Interessen Amerikas besonders stark eingesetzt haben. Und kaum jemand aus der ersten Reihe deutscher Politik gilt als so sehr den USA ergeben wie eben sie. Nur Joachim Gauck taucht nicht nur tiefer in den US-Kakao, er schmatzt auch beim Trinken. Beide waren für den Irak-Krieg, beide distanzieren sich bis heute nicht vom Krieg in Afghanistan und beiden ist gemein, dass sie in der DDR völlig unauffällig gelebt hatten bis andere das Trittbrett der DDR-Opposition schnitzten und die heutigen deutschen Spitzenleute kurz aufsprangen, um von dort aus an ihren Karrieren im vereinten Deutschland zu basteln.

Man darf die eigentlichen, die wesentlichen Agenten der USA in Deutschland nicht als bezahlte Verräter begreifen. Sie sind Überzeugungstäter, Einfluss-Agenten, das ist nicht strafbar, sie sind da so reingerutscht. Beispiel Agent Angela: Als Folge der deutschen Einheit wurde ihr bisheriger Arbeitsplatz, die Akademie der Wissenschaften, abgewickelt, sie wurde arbeitslos. Plötzlich nahte Rettung: Sie bekam von ihrer neuen Partei, der CDU, eine Planstelle im Bundespresseamt zugeschanzt: 5.725,86 DM monatlich waren damals viel Geld. Und es sollte Zug um Zug mehr werden. Und mehr Macht, mehr Ansehen, mehr Orden: Großkreuze aus aller Herren Länder, auch aus Saudi Arabien, zwei Ehrendoktor-Würden aus Israel und eben die Freiheits-Medaille der USA. All das war im neuen, gelobten Deutschland nur möglich, wenn man „atlantisch“ dachte und handelte, Kreuzschmerzen vom Bücken vor den USA wurden scheinbar erfolgreich durch Kreuze behandelt. Sogar ein deutsches ist dabei, das große Bundesverdienstkreuz. Und da niemand damals darüber gelacht hat, als die Kanzlerin den damaligen Bundespräsidenten angewiesen hatte ihr das bunte Blech umzuhängen, weil sie „besondere Leistungen auf politischem, wirtschaftlichem, kulturellem, geistigem oder ehrenamtlichem Gebiet“ erbracht habe, glaubt sie auch heute noch selbst an diese Leistungen.

Neben der freundlichen Begleitung des Kriegskurs der USA, neben der kaum verhüllten Duldung der NSA-Überwachung und dem kräftigen Einsatz für das TTIP, jenes Handelsabkommen mit den USA, das der wirtschaftlichen Unterwerfung der EU dient, kommt jetzt noch die Duldung des Billig-Aufkaufs deutscher Betriebe durch US-Unternehmen hinzu: 900 Milliarden Dollar, sagt Ulrich Grillo Präsiden des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, hätten amerikanische Konzern für ihre Einkaufstour in Deutschland bereit gestellt. Dollar-Milliarden, die durch die Steuer-Vermeidung dieser Unternehmen in der EU entstanden sind und jetzt, so Grillo, den „Wettbewerb verzerren“. Mit Angst und Bangen sieht der Mann auch die staatliche Hilfe der USA im Kampf der internationalen Banken für die eigenen Finnazhäuser: Jüngst hat die französische Bank BNP Paribas 9 Milliarden Dollar auf den Tisch legen müssen, wegen angeblicher Verstöße gegen Sanktionen (unter anderem gegen Kuba), die von den USA angeordnet worden waren. Auch die deutsche Commerzbank steht bei den US-Behörden im Verdacht Geld in den Iran und den Sudan transferiert zu haben. Das kann kosten. Vor allem eine gute Position in der globalen Konkurrenz.

„Die Freunde“, ist als offizielle Bezeichnung für die USA zur Zeit ein wenig in den Hintergrund getreten. Auch wenn das beleidigte „unter Freunden tut man das nicht“ deutscher Politiker über die US-Abhörerei noch nicht ganz verklungen ist. Aus dem Mund der Ex-DDR-ler, Merkel und Gauck, klingt der Begriff „die Freunde“ ganz besonders komisch. War er doch zur DDR-Zeiten eine gängige Metapher für die Sowjetunion. Und wie weit die Freundschaft der Freunde ging, war allseits bekannt: Auf keinen Fall bis zur Befehlsverweigerung. So hat denn die imperiale USA die imperiale Sowjetunion wunderbar ersetzt: Die Bundesrepublik dient die Außenpolitik der USA und auch deren Wirtschaftspolitik. So begrenzt sich denn der Patriotismus der deutschen US-Einfluss-Agenten auf das Singen der Nationalhymne beim Finale der Fußball-Weltmeisterschaft, Merkel und Gauck waren dabei und die NSA wird es mitgeschnitten haben.


Fotoquelle: Wikipedia – Urheber Jacques Tilly

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Franz Beckenbauer: I red jetzt erst recht!

Erstellt von Redaktion am 11. Juli 2014

Das Wunder ist wieder da!

Autor: U. Gellermann

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Datum: 10. Juli 2014

Schon damals, in Bern 1954, haben wir der Welt gezeigt wer der Weltmeister ist: Wir! Dann haben wir das Wirtschaftswunder gemacht. Und jetzt? Jetzt kann der Holländer oder der Argentinier im Finale mal sehen, wer der Meister der Welt ist: Wieder wir. Und warum? Schon weil wir seit Jahren der Exportweltmeister sind! Wir liefern alles was die Welt so braucht: Autos, Panzer oder Pillen. Aber wir können auch Tore. Sieben an einem Stück. Gegen die Brasilianer, die Ausländer. Da wolltens uns schon kaputtreden, nach dem Algerienspiel, die Bazis, die gscherten. Aber wir, wie der Phoenix aus der Tasche, wir haben der Welt mal wieder gezeigt wer wir sind, haben wir.

Da könnts hingucken wo Ihr wollt: Überall Schwarz-Rot-Gold! So geht deutsche Verantwortung! Da hat er ganz recht der Herr Bundespräsident. Wenn unsere Jungs ihren Auslandseinsatz in Brasilien so erledigen wie gestern, dann ist nicht nur der Brasilianer erledigt. Wer sich der deutschen Fußballmacht in den Weg stellt wird niedergemacht. Nur keine falsche Bescheidenheit, aber auch keine echte, hahaha. Ob an den Fernsehern oder auf den Viewings: Millionen stehen hinter uns. Na gut, ähh, wir haben früher auch schon mal verloren. Aber jetzt sind wir der Gewinner. Ganz Deutschland eine Sieges-Autobahn.

„Jetzt reicht´s auch einmal“, hat er gesagt der Herr Bundespräsident. Ja früher, in all den Jahren, wo wir aus „begründeter Zurückhaltung“ auf den Titel, wo uns zusteht, verzichtet haben, damit ist jetzt ein Ende. Und wenn es jetzt wieder ein Wunder gibt, dann wird es ein blaues sein, das kann die Welt dann schon erleben. Vielleicht fahr ich doch noch nach Brasilien. Ich kann doch die Frau Merkel nicht allein lassen, beim Jubeln, gegen wen auch immer.

Ist mir doch wurscht, wer gegen uns verliert. Ob der Holländer, wo nur einer wirklich spielen kann, und der hat in München das Robben gelernt, hahaha. Oder der Argentinier, ja, warum heißt er denn auch Messi? Weil er zwanghaft Tore horten will, der Lateinamerikaner, der schlampige. Aber das wird nix, der Argentinier soll erst mal seine Schulden zahlen. Und der Holländer, was will denn der hinterm Deich? Schön, einen König habens, die Käsköpf, die orangenen. Ab wir haben einen Kaiser. Und der bin i. Also.

Wer das runde Leder liebt, es in des Gegners Tor reinschiebt, Euer Franz


Grafikquelle :    Grafikquelle: Verlinkung mit Twitter

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Gniffkes Kniffe

Erstellt von Redaktion am 10. Juli 2014

Das Wording der ARD ist im Einklang

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Autor: Volker Bräutigam

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Datum: 10. Juli 2014

Knapp vor 20 Uhr sendet DAS ERSTE manchmal folgenden Werbespot: „Information schafft das Klima für eine bessere Zukunft – ARD.“ Das wirkt wie die TV-Reklame mit dem Chefkoch, der seinen erwartungsfrohen Gästen bei klassischer Musik und Kerzenschein eine köstliche Bouillon reicht. Gleich nach Gongschlag, Ansage und Erkennungsmelodie bekommst du allerdings ARD-aktuell-Chefredakteur Gniffkes Tagesschau vorgesetzt. Statt einer Bouillon vom Feinsten dünne Einheitsbrühe. Schluck sie gefälligst und nähre damit deine Illusion vom rundum informierten Demokraten.

In unserer kapitalistischen Gesellschaft ist auch die Information bloß Ware, mit der die Geldaristokratie profitable Geschäfte macht. Mohn, Springer, Burda, Madsack, Plattner, Thiel, Haub, Gruner, Jahr, Holtzbrinck, Grothkamp, Donnermuth, Strüngmann usw. Allesamt Milliardäre – und einige zugleich Anteilseigner unserer den Nachrichtenhandel beherrschenden Deutsche Presse-Agentur GmbH (dpa). Jenes Kommerz-Instituts also, das eine Tradition von Falschmeldungen und konformistischer Regierungsnähe hat. Und das trotzdem – oder gerade deshalb? – Hauptlieferant aller Nachrichtenverwurster geblieben ist.

Spätestens seit Beginn der tendenziösen Berichterstattung über den Ukraine-Konflikt scheinst du, gebührenzahlender TV-Kunde, dem prowestlich manipulativen Trug unserer konventionellen Medien aber zu misstrauen. Du hast wohl eingesehen, dass unsere grundgesetzlich verankerte Medien-Freiheit auch die Freiheit zur Falschinformation einschließt. Dass es keine Rechtsmittel gegen Lügen von Politikern und ihren Hofberichterstattern gibt. Du ziehst füglich Konsequenzen und wendest dich von den Traditionsmedien ab – die Zuschauerzahlen von ARD und ZDF sowie die Leserzahlen bei Spiegel & Co. sinken dramatisch – und siehst dich nach neuen Formen des Informationsaustauschs um, im Internet und in den sozialen Netzwerken.

Ziehen die zwangsfinanzierten Sender inhaltliche Konsequenzen aus dieser entlarvenden Entwicklung? Nein, die Verantwortlichen geilen sich lieber an den statistikwirksam hohen Einschaltquoten bei der Übertragung von Sportereignissen auf (Fußball, WM, Olympia), erweitern technische Kapazitäten und tun so, als müsse die Sonne gottgewollt auf ihrem umfriedeten Gebührengarten scheinen.

Ich will das arrogante Gehabe am Beispiel des Umgangs mit einer Beschwerde aufzeigen, die ich wegen der realitätsverzerrenden Nachrichten über die Ukraine-Krise beim Rundfunkrat des NDR eingereicht hatte (der Sender ist im Auftrag der ARD für Tagesschau und Tagesthemen zuständig). Mein Protest galt unbestreitbaren Verstößen gegen geltendes Rundfunkrecht:

§ 5 Programmauftrag
(1) Der NDR hat (…) einen objektiven und umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und länderbezogene Geschehen (…) zu geben. Sein Programm hat der Information (…) zu dienen.
§ 7 Programmgrundsätze
(2) Das Programm des NDR soll (…) die internationale Verständigung fördern, für die Friedenssicherung (…) eintreten (…)
§ 8 Programmgestaltung
(1) Der NDR ist in seinem Programm zur Wahrheit verpflichtet. (…)  Ziel aller Informationssendungen ist es, sachlich und umfassend zu unterrichten (…)
(2) Berichterstattung und Informationssendungen haben den anerkannten journalistischen Grundsätzen (…) zu entsprechen. Sie müssen unabhängig und sachlich sein. Nachrichten sind vor ihrer Verbreitung mit der (…) gebotenen Sorgfalt auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen. (…)
Wie vertragen sich diese hehren Grundsätze mit der prowestlich-USA-tendierten, russlandfeindlichen, agitatorischen Nachrichtenvermittlung der ARD?
Als Tagesschau und Tagesthemen im April wochenlang von „OSZE-Militärbeobachtern“ schwafelten, die in der Ostukraine von „prorussischen Separatisten“ entführt worden seien, sah ich die Regeln sauberen journalistischen Arbeitens eindeutig verletzt und forderte zunächst die Redaktion ARD-aktuell auf, schleunigst von ihrer manipulativen Falschinformation abzulassen. Es war ja hinlänglich bekannt und offiziell geklärt, dass kein OSZE-Beobachterteam, sondern eine verdeckt operierende Clique von NATO-und Bundeswehr-Offizieren in der Ostukraine aufgeflogen war. Die Antwort der Redaktion bestand aus einer kurzen E-Mail mit ein paar ablenkenden Floskeln.

Deshalb wandte ich mich am 29. April an den Rundfunkrat, Aufsichtsgremium und demokratisches Aushängeschild des NDR. Zugleich übergab ich diversen Internet-Portalen (u.a. Medien-Analyse-International) eine umfangreiche Dokumentation. „Ex-Tagesschau-Redakteur beschwert sich über Falschinformationen“ machte die Runde im Internet.

Am 2. Juni schickte mir NDR-Intendant Lutz Marmor folgende „Stellungnahme“ des ARD-aktuell-Chefredakteurs Gniffke: „Wir haben den Begriff ‚OSZE-Militärbeobachter’ richtig verwendet. … Die Bezeichnung … steht im Einklang mit dem Wording von Nachrichtenagenturen und Qualitätszeitungen…“ Gniffke kombiniert also Arroganz und Ignoranz. Er merkt nicht mal, dass er ein intellektuelles Null Ouvert spielt und zugleich die zumindest mentale – nachrichtenagenturgestützte – Gleichschaltung der Medien nachweist, indem er das eigene Falschinformieren mit demjenigen der Agenturen und „Qualitätszeitungen“ rechtfertigt. „In der Gesamtheit unserer Berichterstattung (über die Ukraine, V.B.) ist es uns gelungen, den Konflikt in seiner Breite abzubilden,“ meint er. Na klar, und der Kopf ist nur zum Haarekämmen da.

Natürlich habe ich den Gniffke-Stuss nicht hingenommen und darauf bestanden, dass der Rundfunkrat endlich selbst aktiv wird. Am 18. Juni schrieb dessen Vorsitzende Ute Schildt: „… Der Rechts- und Eingabenausschuss wird sich … am 11. 09. 2014 und der Programmausschuss am 30.09. 2014 mit Ihrer Beschwerde befassen. Die abschließende Beratung erfolgt voraussichtlich in der Sitzung des Rundfunkrats am 31. 10. 2014. Über das Ergebnis werde ich Sie unterrichten.“

Vermutlich also im Laufe des November. Nur keine Eile, Herrschaften. Bis ihr zu Stuhle kommt, kann ARD-aktuell seine Ukraine-Berichterstattung – und nicht nur die – in gewohnt tendenziöser Weise fortsetzen. Und danach wohl auch. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk lebt schließlich im Konkubinat mit der Politik. Einwände? Hygienewünsche? Da könnte ja jeder kommen.

Der schöne Satz von Karl Kraus „Was Redaktionen beschlossen haben, vergelten und büßen Nationen“ (in: In dieser großen Zeit?, Aufsätze 1914-1925) stand übrigens in einem Artikel des leider viel zu früh gestorbenen FAZ-Mitherausgebers Frank Schirrmacher zu lesen. Dieser wahrlich kluge Kopf hatte sich im März zu Recht über die verfälschende und russlandfeindliche Informationspolitik des ZDF und dessen Protagonisten Claus Kleber empört und sie ungewöhnlich scharf kritisiert. Gleiche Brüder, gleiche Kappen: Kleber oder sein ARD-Pendant Thomas Roth sind, wie ihre Chefredakteure, die Kai Gniffkes, Michael Strempels oder Peter Freys, resistent gegenüber Forderungen nach seriösem, unabhängigem Journalismus.

Eine um den Hinweis auf Schirrmacher erweiterte Fassung des in der Politikzeitschrift Ossietzky (15/2014) veröffentlichten Beitrags.

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Grafikquelle :  User:Sogndal 123Eigenes Werk

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Wo bleibt die Revolution?

Erstellt von Redaktion am 8. Juli 2014

Zur Debatte um die Herrschafts-Zeiten

Autor: U. Gellermann

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Datum: 07. Juli 2014
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Buchtitel: Wo bleibt die Revolution
Buchautor: Egon W. Kreutzer
Verlag: EWK

Aus Elsendorf, aus der beschaulichen Holledau, hätte man einen Aufruf zur Revolution eher nicht erwartet. Doch genau dort lebt Egon W. Kreutzer, der mit seinem neuesten Buch die Frage stellt: „Wo bleibt die Revolution?“. Eine revolutionäre Situation entsteht nach Lenin dann, wenn die da oben nicht mehr können und die da unten nicht mehr wollen. Zuletzt war genau dieses Muster in der vergehenden DDR zu beobachten, in der es für einen recht kurzen Moment revolutionäre Verhältnisse gab bis dann der große, kapitalistische westliche Bruder das bisschen Revolution übernahm, um jene Verhältnisse einzurichten, unter denen wir bis heute in Ost und West leiden.

Egon W. Kreutzer beschreibt in seinem ersten Kapitel umfänglich und verständlich, warum es eine Revolution in Deutschland geben sollte: Über die seit Schröders Agenda umgesetzte These davon, dass Privat alles besser könne als der Staat, über den immensen Abbau von Arbeitsplätzen, die Lohndrückerei, über das Afghanistan-Fiasko und die Vergötzung des Marktes. Dabei gelingen dem Autor höchst anschauliche Beispiele, wie jene, wenn er die Hartz-Viererei mit einem Zoo und der von der ARGE verordneten „Präsenzpflicht“ vergleicht. Oder auch die kluge Erklärung zur deutschen Exportweltmeisterschaft, eine Meisterschaft, die letztlich der Mehrheit der Deutschen und auch ihren Nachbarn schadet.

Gerade weil Kreutzer seinen Lesern eine Reihe von Gründen für eine Revolution aufzählt, sind Sätze wie dieser, den Gründen vorangestellt, nur schwer begreiflich: „Angriffe auf die Symbiose von Staat und Kapital kommen folglich einem volkswirtschaftlichen Suizid gleich.“ Gegen wen sollte denn eine Revolution von statten gehen, wenn nicht gegen die auch von ihm heftig kritisierte Symbiose? Wenn nicht gegen die zunehmende Verschmelzung von Staat und Kapital, wenn nicht gegen eine Eigentumsform, in der die einen alles, die anderen zwischen wenig bis nichts haben?

In seinem Kapitel darüber, was denn die Deutschen an einer Revolution hindert, sieht der Autor das mangelnde Selbstwertgefühl der Vielen, das aus Armut, festen Hierarchien und einer Erziehung zur Angst resultiert. Um später dann eine „typische Randgruppenpsychose“ zu konstatieren, die zur Mitte dränge, um von dieser „Mitte“ Veränderungen zu erwarten. Diese Bewegung vom Rand zur Mitte belegt er mit Willy Brandts damals neuer Ostpolitik, die zum Beispiel den Antikommunismus zurückgedrängt habe. Schon diese Überlegung ist recht fragil. Entstand doch genau in Willy Brandts Regierungszeit das Berufsverbot für Linke aller Art, ein wunderbares Instrument der Unterdrückung und der Angstmacherei. Und Willy Brandts Satz, nachdem in Vietnam die Freiheit West-Berlins verteidigt werden würde, spricht denn auch eher gegen Kreuzers These.

Wenn Kreuzer von der Nazi-Keule redet, die sich gegen Vaterlandsliebe wende, kann er das nicht belegen. Auch dass er den Patriotismus an das „Vaterland“ bindet und nicht an die Verfassung, die es zu verteidigen gilt, kommt eher hölzern daher. Und wenn von ihm später zum Beispiel die Pizza als „multikulturelle Errungenschaft“ zitiert wird, die von jedermann toleriert und akzeptiert werden müsse, wolle er sich nicht „dem Vorwurf, der teils strafbewehrten Diskriminierung aussetzen“, dann muss man anmerken, dass die eigentliche Kultur-Debatte längst Teil des „Antiterror-Kampfes“ geworden und der Islamophobie gewichen ist.

Sätze wie „Die inzwischen durchaus aufgeklärte Bevölkerung fordert von ihrer Regierung den Ausgleich zwischen Kapital und Arbeit“, verwischen den schroffen Gegensatz zwischen Arbeit und Kapital, ein Gegensatz, der lange und erfolgreich vernebelt, in die „Sozialpartnerschaft“ umgewandelt wurde, die einer möglichen Revolution sicher im Wege steht, weil erst aus dem Begreifen dieses Widerspruchs revolutionäres Bewusstsein entstehen kann. Auch wenn Kreutzer „einige Gruppierungen“ sieht, „die nur darauf gewartet haben, endlich mit- und aufmischen zu können“, mag er uns nicht mitteilen, wo er denn diese Gruppierungen verortet. Der Mittelstand jedenfalls, den der Autor gegen „die Beschränkung der Freiheit anrennen“ sieht, schmückt zur Zeit seine Autos mit der Deutschlandfahne und wird auch nach der WM, selbst wenn „wir“ nicht Meister werden sollten, brav wieder jene übergroße Koalition unter Einschluss der Grünen wählen, die uns Millionen Almosenempfänger und eine militarisierte Außenpolitik eingetragen hat. Die da unten wollen mehrheitlich so weiter machen, die da oben können ihre Herrschaft bisher ziemlich glatt ausüben.

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Fotoquelle: Wikipedia – August von Pettenkofen (1822–1889) Auf die Infoboxvorlage des Erstellers verlinken wikidata:Q203076

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Kirche rüstet auf

Erstellt von Redaktion am 7. Juli 2014

Zu den Waffen für´s Menschenrecht

Der letzte Kreuzritter ?

Autor: U. Gellermann

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Datum: 07. Juli 2014

In der DDR gab es keine Militärseelsorge. Möglicherweise ist sie daran gescheitert. Gerade jetzt wird mit dem neuen evangelischen Militärbischof Sigurd Rink erstmals ein Hauptamtlicher installiert: Die deutsche Verantwortung wächst, liest man, da wächst die Kirche mit. Die Bundeswehr ist mit jeweils etwa hundert Militärpfarrern der beiden christlichen Konfessionen bestens ausgestattet. Sie sind Angehörige der Armee, Bundesbeamte auf Zeit und werden aus dem Bundeswehr-Haushalt besoldet. Rund 30 Millionen Euro gibt der deutsche Staat im Jahr für die Sorge um die Seelen seiner Soldaten aus. Um die Seelen der Feinde müssen die sich schon selbst sorgen. Die Militärgeistlichen fahren ein Bundeswehr-Auto, wie hoch ihre Zulage bei Auslandseinsätzen ist bleibt unbekannt. Am Feldanzug tragen sie schmucke Kreuze, die dem eisernen ziemlich ähnlich sehen.

Längst ist der pazifistische Überschwang des Religions-Stifters – Liebet Eure Feinde, Selig sind die Friedensstifter – einem forschen Ton gewichen der vom obersten Pfarrer der Bundesrepublik mehrfach eingeläutet wurde, zuletzt in einem Interview des Deutschlandfunks: „In diesem Kampf für Menschenrechte oder für das Überleben unschuldiger Menschen ist es manchmal erforderlich, auch zu den Waffen zu greifen“, meinte Joachim Gauck und erinnert fatal an die Kommission die einst das Gewissen der Kriegsdienstverweigerer prüfte: Wenn jetzt der Russe kommt und ihre Freundin vergewaltig, und sie haben rein zufällig eine Waffe dabei, na, was machen sie denn dann? Rein zufällig hat sich der scheidende EKD-Ratsvorsitzende Schneider nach einer Reise durch den Sudan hinter Gauck gestellt und dessen Satz unterstrichen: „Im äußersten Notfall wo nur die Anarchie herrscht – da kann es gerechtfertigt sein, dass mit Hilfe von Militär der Krieg erst einmal zu Ende gebracht wird.“

Das ist die neue christliche Nächstenliebe: Leider müssen wir ein paar von Euch umbringen, damit die anderen besser leben können. Das hört sich fast logisch, geradezu nach Erbarmen an. Wer die bekannten Fälle von Menschenrechts-Einsätzen kennt, der weiß, dass es nur erbärmlich ist. Von Afghanistan über den Irak und Libyen bis hin zu den denkbar gewordenen „Einsätzen“ in Syrien oder der Ukraine sind die geopolitischen Interessen der USA und ihrer Verbündeten so penetrant deutlich, dass der sprichwörtliche Blinde auf die Bande von Menschenrechts-Heuchlern mit dem Krückstock eindreschen sollte. Und wer bereit ist, sich die Ergebnisse dieser Kriege unideologisch anzusehen, der weiß, dass sie kein Menschenleben und kein Menschenrecht gerettet haben sondern nur neues Unrecht und neue Tote erzeugt haben.

Aber an Fakten ist die Koalition der „neuen deutschen Verantwortung“ nicht interessiert. Ihr Interesse gilt dem Schlussstrich: „Es gab früher eine gut begründete Zurückhaltung der Deutschen,“ sagt der Bundespräsident, „international sich entsprechend der Größe oder der wirtschaftlichen Bedeutung Deutschlands einzulassen.“ Früher meint, als das deutsche NAZI-Erbe noch hinderlich für die neue „Größe“ und militärisches Gehabe schien. Jetzt ist heute und heute können wir auch anders, heißt die frohe Botschaft. Zwar kann kein Land seine Geschichte leugnen, aber wir haben so lange gebüsst, erzählen die „Verantwortlichen“, jetzt sollten wir mal so frei sein in diesen oder jenen Krieg zu ziehen. So wird der Krieg als Befreiung von der Erb-Last verkauft. Das Land über dass sie schwätzen hat nicht einmal einen Friedensvertrag und in all seinen Apparaten – von den Geheimdiensten, über die Armee bis hin zum deutschen Think Tank „Stiftung Wissenschaft und Politik“ – sind die braunen Wurzeln mühelos zu erkennen. Schluss mit der Zurückhaltung, her mit dem Menschenrecht auf Krieg, brüllen die Schlussstrichler und halten das für die neue Freiheit.

Der neue evangelische Militärbischof warnt, wie Gauck, vor einem „neuen deutschen Sonderweg“. Als der Begriff erfunden wurde meinte er die antidemokratischen deutschen Strukturen, deren Wege zur Nazibarbarei führten. Heute meinen die Schlussstrichler das genaue Gegenteil und denunzieren den Unwillen der deutschen Mehrheit gegenüber Auslandseinsätzen der Bundeswehr als Absonderung, als Isolierung, als sei der Wille zu einer friedlichen Außenpolitik eine Krankheit. So dient die aktuelle deutsche Militärseelsorge, darin den Drohnen durchaus ähnlich, nur dem religiös verbrämten Schutz der Deutschen vor einer friedlichen Außenpolitik. So bewahren uns Gauck & Co. tapfer vor dem Schicksal der DDR.


Fotoquelle: Wikipedia – Urheber Carl Friedrich Lessing (1808–1880)

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Panzer vor, noch ein Tor

Erstellt von Redaktion am 3. Juli 2014

Gute Geschäfte mit deutscher Verantwortung

Autor: U. Gellermann

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Datum: 03. Juli 2014

„Es rasselten die Ketten – Es dröhnt der Motor – Panzer rollen in Afrika vor“ sangen die Truppen von Hitlers Wehrmacht anfangs ganz fröhlich – das Ende ist bekannt. Wenn in diesen Tagen die Grundlagen einer neuen „Panzerschmiede“ geschaffen werden, wird nicht gerasselt sondern eher geschlichen: Die erfolgreiche deutsche Krauss-Maffei Wegmann (KMW) Panzerproduktion will sich mit der NEXTER SA, dem französischen Staatskonzern für Panzer, Raketenwerfer und Gewehre zusammentun. Wer sich an die mehr als zehn ehemaligen französischen Kolonien in Afrika erinnert, der weiß, dass es sich nicht nur um eine Rationalisierungsfusion handelt, sondern auch um eine Marketingmaßnahme: Gute alte Kontakte, die der deutsch-französischen Freundschaft schon eine anhaltende Bürgerkriegsbeteiligung in Mali verschafft haben, sollen den Umsatz ankurbeln, das Tor nach Afrika weiter öffnen.

Die angestrebte Fusion der beiden Mordsunternehmen – KMW erzielte einen Gewinn von 80 Millionen Euro, NEXTER machte 74 Millionen Euro – hat auch Gründe in der Euro-Krise: Länder wie Spanien oder Griechenland verteilen keine Großaufträge mehr. Die an Griechenland gelieferten 170 Kampfpanzer vom Typ Leopard im Wert von 1,7 Milliarden Euro, sollen immer noch nicht ganz abgestottert sein. Auch wegen solcher Ausfälle wird die anvisierte EU-Erweiterung um die Ukraine, Georgien und Moldawien eine bedeutende Export-Erleichterung bedeuten. Immerhin kämpften georgische Truppen 2008 im Krieg gegen Russland mit Raketenwerfern, die auf Lastwagen vom Typ Mercedes Actros 3341 montiert waren. Ohne die Fahrzeuge aus Deutschland hätten die Georgier ihre Geschütze nicht an die Front bringen können. Die Raketenwerfer vom Typ LAR-160 stammten aus Israel und können die von Deutschland geächtete Streumunition verschießen – was Georgien im Krieg gegen Russland auch tat. So kommt selbst die von Angela Merkel angemahnte Staatsräson gegenüber Israel zu ihrem Recht: Deutschland liefert die Lafetten, Israel die Werfer, die Russen sind der Feind.

Schon lange wurde über ein Zusammengehen der Konkurrenten KMW und Rheinmetall (vormals Reichswerke Hermann Göring) spekuliert. Doch der Düsseldorfer Rüstungskonzern (Entwicklung von Drohnen, Luftabwehrgeräten und Kettenfahrzeugen) hat seinen eigenen Marketingschritt unternommen: Der einstige Entwicklungsminister Dirk Niebel wurde als Cheflobbyist eingekauft, mal gerade ein halbes Jahr nachdem Niebel aus der Regierung ausgeschieden ist. Niebel hatte sich schon in seiner damaligen Postion erfolgreich für den Export deutscher Panzer nach Saudi Arabien eingesetzt. Sein neuer Arbeitgeber erwartet von ihm nicht nur gute Kontakte zum deutschen Regierungsgeflecht sondern vor allem zu den vielen Ländern, in denen der frühere Minister deutsche Wohltaten verteilte. Insofern wird sich auch sein Augenmerk auf Afrika richten: In Somalia, Südsudan, Mali, Zentralafrika und dem Kongo dauern die Bürgerkriege an. Diese schwere, neue Aufgabe fasste die Rheinmetall Pressestelle wie folgt zusammen: Niebel werde „vom kommenden Jahr an die Mitglieder des Konzernvorstands von Rheinmetall in allen Fragen und Aufgaben der internationalen Strategieentwicklung und beim Ausbau der globalen Regierungsbeziehungen unterstützen“.

Die neue deutsche Militärstrategie – bereits in der Lieferung einer kompletten Panzerfabrik nach Algerien transparent geworden – ist der Krieg aus der Distanz: Man kämpft nicht mehr selbst sondern lässt deutsche Waffen mit deutscher Initiative kämpfen. Das verringert deutlich die Verluste und verschleiert die gewachsene Aggressivität deutscher Aussenpolitik beträchtlich. Auch die von der Kriegsministerin van der Leyen favorisierte Bewaffnung der Bundeswehr mit Drohnen ist dem Krieg auf Distanz gewidmet: So kann der Feind, wo immer er gerade verortet wird, über tausende Kilometer hinweg vernichtet werden. – Während es im Wehrmachtslied noch heißt: „In Afrika da kämpfen im glutheißen Sand – Deutsche Panzer für ihr Volk und Vaterland“, vermeidet der neue deutsch-französische Rüstungskonzern – Arbeitstitel „New Co SA“ – seine vaterländische Steuerpflicht. Wie schon der Luftwaffenkonzern Airbus Group, früher EADS, wird auch die „New Co“ ihren zentralen Firmensitz in den Niederlanden haben und dort zwischen wenig und keinen Steuern zahlen. So erfüllt sich ein europäischer Traum der Rüstungskonzerne: Marktvergrößerung durch neue EU-Mitgliedstaaten, Markteroberung durch Fusion und alles ohne Steuern zu zahlen. Selbstverständlich wird die Regierung Merkel diesem Traum nicht im Wege stehen. So wird die „gewachsene deutsche Verantwortung“ auch zu einem gut wachsenden Geschäft.


Fotoquelle: Wikipedia – Author Sicherheitsoffizier ALÜ
This work has been released into the public domain by its author, Sicherheitsoffizier ALÜ. This applies worldwide.

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Franz Beckenbauer: I red immer noch!

Erstellt von Redaktion am 1. Juli 2014

Buddah-Zauber braucht keiner

Autor: Beckenbauer, Franz

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Datum: 30. Juni 2014

Ja, ist denn schon Weihnachten? Da schenkt der Ammi-Klinsmann doch glatt der deutschen Mannschaft einen netten kleinen Sieg, als hätte der Jogi Löw Anspruch auf Entschädigung nur weil ihn die NSA abgehört hat. Ja und? Die haben doch gar keinen Schwäbisch-Übersetzter, was der schwätzt, kann eh keiner verstehen. Ach der Klinsmann, der Klinsi, jetzt ist er ja zum Cleansie geworden, ein amerikanischer Saubermann, als hätten die da in Kalifornien die Kehrwoche. Hahaha. Damals, als er bei uns in München im Vereinshaus den Buddah aufgebaut hat, hab ich gleich gesagt: Budenzauber kann ja ganz gut sein, aber Buddah-Zauber braucht keiner. Hahaha. Also schön, Deutschland ist weiter, aber was ist mit mir? Ich darf jetzt nach Brasilien dürfen, sagt die FIFA neuerdings. Aber jetzt mag i nimmer! Die werden schon sehn wie sie die WM ohne mich hinkriegen können.

Mir wird immer noch vorgeworfen, ich hätte die Fußball-WM für Russland verschoben. Ja, seid ihr den noch gescheit? Ich hab damals, bei der Vergabe der Spiele an Russland, gleich gewusst, dass der Russe frech werden würde. Da hab ich dann gesagt, hab ich, die schlagen wir doch auf eigenem Boden wenn wir die WM nach Moskau holen. Deutscher Sturm gegen Russischen Drang! Denen liefern wir eine Kesselschlacht, dass die Würste platzen! Versucht haben wir das ja schon einmal, aber diesmal können wir die endlich schlagen: Sturmspitzen vor Moskau. War ich Libero, oder was? Also einer für die Befreiung. Vom russischen Joch. Ihr werdet mir noch dankbar sein, 2018, wenn die deutsche Mannschaft den Russen ein Stalingrad liefert, nur umgekehrt.

Jetzt geht´s ja gegen Algerien. Die Rumpel-Füsse die arabischen. Die können uns doch nur dankbar sein, die Algerier. Hat doch unsere Merkel denen jede Menge erstklassiger deutscher Panzer zugesagt. Da kann der Algerier jeden Krieg mit gewinnen. Nur nicht gegen uns. Wenn sich unsere deutschen Recken heute wieder recken, dann macht der Algerier keinen Stich, macht er dann. – Und wo war der Hitzfeld früher Trainer? Richtig, in München, das sagt doch alles, wer so einen gelernten Münchner als Trainer hat, der kann auch ins Achtelfinale kommen, wie die Schweizer. Da bleibt kein Loch im Käse trocken! Spätestens jetzt muss der Hoeneß-Uli begnadigt werden: Da spielt doch heute seine Schweizer Bank gegen Argentinien, da muss er doch dabei sein. Wer soll denn sonst das Spiel steuern – hahaha – wenn nicht der Steuer-Uli.

Wer dem Ball ans Leder will, der darf nicht stehen still, Euer Franz.

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Fotoquelle: Wikipedia – Photo shot by Derek Jensen (Tysto), 2005-September-17

Ich, der Urheberrechtsinhaber dieses Werkes, veröffentliche es als gemeinfrei. Dies gilt weltweit.

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Das Reich ist reich

Erstellt von Redaktion am 30. Juni 2014

Jeder Deutsche hat 112 000 Euro

Autor: U. Gellermann

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Datum: 30. Juni 2014

Endlich ist sie erschienen, die Schätzung des Bundesverband deutscher Banken (BdB). Auf den deutschen Parkbänken brach Jubel aus. In den Bahnhofsmissionen wurde rhythmisch geklatscht, so manchem Flaschentaucher fiel die 25-Cent-Flasche vor Freude aus der Hand: Über zehn Billionen Euro beträgt inzwischen das Geld- und Immobilienvermögen der privaten Haushalte in Deutschland! Nach Abzug der Schulden bleibt den Deutschen immer noch neun Billionen. Die ersten Schuldnerberatungen schlossen ihre Büros. Auch die 333.000 deutschen Wohnungslosen warfen ihre Plastik-Tüten weg: Denn das Immobilien-Vermögen der Deutschen wuchs binnen zweier Jahre um 500 Milliarden auf 5,5 Billionen. Da wird sich doch sicher ein nettes Plätzchen für die Obdachlosen finden.

Etwas säuerlich kommentiert der Bankenverband, dass nur sechs Prozent dieses überbordenden Vermögens in Aktien angelegt sind. Hat doch die wunderbare Sendung auf der ARD „Börse vor Acht“, früher „Börse im Ersten“, die seit dem Jahr 2000 täglich auf die deutschen Hirne eindrischt das Volk immer noch nicht in Massen an die Geldvernichtungs-Maschine geführt. Aber Geduld, sagt sich Jürgen Fitschen – der nicht nur einer der Deutsche Bank-Chefs ist sondern auch Präsident des Bankenverband – das wird noch kommen. Für ihn persönlich ist alles längst gekommen: Er hat im letzten Jahr mit 7,5 Millionen Euro – deutlich mehr als 2012 verdient, obwohl die Deutsche Bank nach einer Reihe von Skandalen miese Zahlen präsentieren musste. Aber Fitschen weist mit einem langen Finger auf den VW-Boss Martin Winterkorn dessen Jahresgehalt bei 15 Millionen Euro liegt, obwohl der Gewinn vor Steuern bei VW stagniert.

Wenn man das Immobilienvermögen „der“ Deutschen aus dem Gesamtvermögen rausrechnet, hat statistisch noch jeder 64.000 Euro auf der hohen Kante. Das reicht leider nicht, um sich eine wirkliche Spitzenuhr zu leisten, zum Bespiel die Hublot „Big Bang $ 5 Million“. Die heißt nicht nur so, die kostet auch so viel weil sie mit mehr als 1.200 Diamanten besetzt ist. Das würde aber schön glitzern, wenn der statistische Deutsche mit dem dicken Ding am Arm am Normal-Bettler an seinem Lieblings-Supermarkt vorbei ginge. Geben kann er leider nichts, man kommt nicht zu so viel Geld wenn man gibt, man nimmt lieber. Ausgeben aber kann die deutsche Fettschicht ganz gut, wie uns die Unternehmensberatung Roland Berger in seiner Studie zum deutschen Luxusmarkt schon 2012 freudestrahlend berichtete: „Uhren, Schmuck sowie Mode und Accessoires wuchsen von 2010 bis 2011 jeweils um mehr als 20 Prozent.“

Wenn jetzt der Statistik-Deutsche auf seinen Arm schaut und nur die Uhr von Woolworth sieht, dann gehört er wahrscheinlich zu den 28 Prozent der deutschen Bevölkerung, die keinen Euro gespart haben oder sogar verschuldet sind. Und der trübe Blick wird klarer, wenn er dann auch noch weiß, dass die reichsten 10 Prozent in Deutschland durchschnittlich 217.000 Euro besitzen. Angehörige des reichsten Prozents der deutschen Bevölkerung verfügten durchschnittlich sogar über 800.000 Euro. Besonders die Ost-Deutschen, die man erfolgreich heim ins Reich geholt hatte, müssen sich mit einem Blick in die Röhre begnügen: Sie haben nur die Hälfte von dem was der Westdeutsche hat, dafür sind ihre durchschnittlichen Schulden aber höher. Natürlich sind die Armen selbst schuld. Sagen die Reichen. Und haben in gewissem Maße recht. Denn bei deutschen Durchschnitt hat sich immer noch nicht rumgesprochen, dass man den Reichen nehmen muss wenn man den Armen geben will.

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Fotoquelle: Wikipedia – Urheber Janos Korom Dr. from Wien, Austria

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Die Unerwünschten

Erstellt von Redaktion am 27. Juni 2014

Als die amerikanischen Mafiosi heim kamen

Autor: U. Gellermann

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Datum: 26. Juni 2014
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Buchtitel: Die Unerwünschten
Buchautor: Gian Carlo Fusco
Verlag: Berenberg

Es liest sich ein wenig wie pulp fiction, wie jene US-Groschenromane über Verbrechen und andere Grusel, aber jedes Wort in den „Unerwünschten“ von Gian Carlo Fusco ist wahr. Fusco berichtet in einer Mischung aus Literatursprache und Gangster-Slang über die sonderbare Aktion US-amerikanischer Behörden, die 1945 die zweite und dritte Ebene der Mafia-Soldaten, der Auftragsmörder und Befehlsschläger nach Italien zurück schickte, zeitgleich mit der Lebensmittelhilfe, die man den Italienern aus dem Marshall-Plan zumaß. Nicht, dass die US-Behörden über einen makabren Humor verfügten, es traf sich gerade so.

„Während sich die Kugeln eine nach der anderen in John Bonannos Fettschicht bohrten, näherte sich längs des Bordsteins ein schwarzes Automobil mit gruselig anmutendem Verdeck und offenstehender Beifahrertür“. So zieht Fusco diese Sehne seines Spannungsbogens, um ihn dann los schnellen zu lassen: „Der Rächer schob die rauchende Pistole in die Tasche und sprang in den Wagen.“ Der Autor, durch seine Zeit im KZ Bergen-Belsen als Linker ausgewiesen, ist zeitweilig der morbiden Faszination seines Themas erlegen. Aus der Nähe erscheinen die früheren „Gun-Men“ eher armselig. Sie betteln ihn machmal an und er kann sein Mitleid nicht verbergen.

Erneut ist dem Berenberg-Verlag ein Fund gelungen: Gian Carlo Fusco hat seine Reportagen über die „Unerwünschten“ in den späten 50er Jahren geschrieben und erst heute liegen sie auf Deutsch vor (übersetzt von Monika Lustig). Fusco war, als geübter Grappa-Trinker, als einer der keine Gefahr scheute und alle wichtigen Kneipen kannte, immer ganz nah an den Objekten seines Interesses. In seinen Texten sind die Anfänge jenes Krebsgeschwüres zu erkennen, das heute die italienische Gesellschaft überwuchert.

Neben den armseligen „Unerwünschten“ erwähnt Fusco in seinem Buch eher am Rande die Zusammenarbeit von Mafia-Größen mit der CIA. Der Mafia-Boss Lucky Luciano, den die Amerikaner schon 1943 nach Italien expedierten, um ihre Landung in Sizilien zu unterstützen, gilt als erster Abgeschobener, war aber eher ein „Erwünschter“. Auch der Pate „Don“ Vito Genovese begleitete die amerikanischen Truppen nach deren Landung in der Gegend von Nola. Genovese, der sich früher mit 250.000 Dollar bei Mussolini eingeschleimt hatte, zog nun die Uniform der US-Armee an und wurde zum Vertrauensmann von Charles Poletti, der als Oberst der US-Militärregierung in Italien Herr über Visa, Führerscheine und Lizenzen war. Nur logisch, dass Genovese damit den Schwarzmarkt dirigieren konnte. Zwar wurde der Mafioso wegen Mordes verhaftet und in die Staaten überstellt, aber Fusco kommentiert resigniert: „Selbstredend wurde er freigesprochen“.

In Fuscos Buch fehlt die von den US-Geheimdiensten ausgerüstete Mafia-Terror-Gruppe gegen Kommunisten und Sozialisten. Nur in einer Fußnote taucht das Massaker an der Portella della Ginestra, unweit von Palermo, auf, wo am 1. Mai 1947 eine Mafia-Bande im Auftrag des amerikanischen Geheimdienstes mehr als zehn Li
nke umbrachte. Doch wird dieser Mangel durch das warmherzige Portrait des Ezio Taddei weitgehend wettgemacht, jenes anarchistischen Schriftstellers dessen Odyssee durch die Gefängnisse und halb Europa in den USA endete, um von dort aus als politisch Unerwünschter nach Italien abgeschoben zu werden. Dass Taddei Arthur Miller traf, dass er für ihn Passagen seines Romans „Le porte dell´inferno“ ins Englische übersetzte, ist einer jener bedeutsamen Zufälle, der dem Berenberg-Verlag zugefallen ist und die seine zuweilen skurrilen, immer aber intellektuellen Gewinn bringenden Bücher auszeichnen.


Grafikquelle :     Wikipedia – Urheber 100yen

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Mit der Linken ins Grüne

Erstellt von Redaktion am 26. Juni 2014

Wie sich eine Partei überflüssig machen kann

Caren Lay beim „Bäuerlichen Handschlag“

Autor: U. Gellermann

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Datum: 26. Juni 2014

Es ist für außerparlamentarische Linke eher lästig, wenn sie sich mit den Innereien der Linkspartei beschäftigen müssen. In einer Zeit, in der im Irak und in der Ukraine Macht- und Kriegsfragen über den Tag hinaus entschieden werden, in der mit dem TTIP, dem EU-USA-Handelsabkommen, die Unterwerfung der EU unter das Diktat internationaler Konzerne droht und Israel mal eben machtgeil die syrische Armee bombardiert weil ein junger Mann auf dem Golan von einer Rakete der syrischen Opposition getroffen wurde, ist eine Botschaft an das Innere der Linken eher zeitraubend. Doch hat sich die Linken-Spitze jüngst mit ihrer Distanzierung von der Abgeordneten Sevim Dagdelen und deren Vorwurf an die Grünen-Spitzenfrau Göring-Eckardt, sie verharmlose die Kiewer Faschisten, ein sonderbares ignorantes Stück Politik geleistet, das kommentiert werden will.

Nun gibt es nicht wenige linke Leute, die halten die bürgerliche Demokratie und ihr Parlament ohnehin für unwesentlich. Zumeist zeigen sie das per Wahlenthaltung. Natürlich ist der Stimmzettel nur selten ein Instrument wirklicher Emanzipation. Doch wer sich an den kurzen sozialistischen Versuch im Chile der 70er Jahre erinnert und daran, dass die damalige Regierung Allende durch Wahlen an die Macht kam, der kann kaum behaupten, dass Wahlen und Parlamente grundsätzlich nichts bewegen würden. Auch wenn das gewaltsame Ende der Regierung Allende durch einen Putsch beweist, dass Wahlen allein nicht genügen, um die Freiheit aller zu erreichen, gab und gibt die erfolgreiche linke Eroberung parlamentarischer Positionen in Chile doch Hinweise auf die Rolle des Parlaments auf dem Weg zu einem gerechteren Land. Ohne eine konsequente Linke im Parlament, das beweist auch und gerade der aktuelle Bundestag, würden manche gesellschaftliche Fragen gar nicht oder nur regierungskonform in den Medien diskutiert. Das gilt insbesondere für Themen wie die Kriegspolitik der jeweiligen Bundesregierungen und den Hartz-IV-Komplex.

Doch während der Hartz-IV-Komplex von der Linkspartei weitgehend konsistent thematisiert wird, zeigen sich in der Kriegs- und Friedens-Frage immer wieder Schwankungen in der Haltung der LINKEN. Schwankungen, die linke Grundhaltungen für eine friedliche Außenpolitik Deutschlands durch die Linke selbst konterkarieren. Nicht selten werden diese unproduktiven und unkontrollierten Bewegungen von Gregor Gysi ausgelöst oder wohlwollend begleitet. Es ist der selbe Gysi, der große Verdienste um die Linkspartei hat, ohne den es wahrscheinlich die PDS nicht gegeben hätte, jenes Rettungsfloss für Marxisten aller Art, das zum Kern einer neuen linken Partei geworden ist. Und bis heute ist er der heitere, verständliche, TV-taugliche Erklärer vieler linker Argumente.

Doch historische Verdienste bedürfen ständig der Erneuerung, der Bewährung und der Prüfung. Zum Beispiel den Prüfstein Israel: In seiner Rede „Die Haltung der deutschen Linken zum Staat Israel“ von 2008 bei der Luxemburg-Stiftung, kritisierte Gysi ohne jeden Beleg Teile seiner Partei, die vorgeblich den israelisch-arabischen Konflikt in einem Gut-Böse-Schema „implodieren“ ließen. Mit diesen ungenannten Teilen und den ungenannten Belegen peitschte er heftig die Luft, um dann – nach vielerlei Ausflügen, die auch eine unergiebige Anleihe bei Clausewitz einschlossen – zu jenem Kernsatz zu kommen: „Aber das Verhältnis Deutschlands zum Staat Israel kann mit dem Stichwort `Solidarität mit Israel´ gekennzeichnet werden und hat auch den Status einer Staatsräson.“ Solidarität mit einem Apartheid-Staat? Solidarität mit dem Knüppel der USA im Nahen Osten? Was an dieser Solidarität links sein soll, hat er nicht erklärt und erklärt es bis heute nicht. Und warum Linke in der Staatsräson-Galeere der Frau Merkel rudern sollen erschließt er uns auch nicht.

Zum Beispiel EU: Kaum hatte die Linksparteispitze, inspiriert durch Gregor Gysi, die Formulierung, die EU sei eine „neoliberale, militaristische und weithin undemokratische Macht“ aus dem EU-Wahlprogramm der Partei gestrichen, zeigte die EU in der Ukraine was militaristisch ist: Drei EU-Außenminister, unter ihnen der deutsche, stellten sich auf die Seite einer Pro-NATO-Regierung, die mit Nazis gespickt ist und bis heute einen Bürgerkrieg gegen Teile der ukrainischen Bevölkerung führt, um Russland zu einer militärischen Reaktion zu provozieren. Nachdenken bei Gysi und den Seinen? Eine öffentliche Korrektur? Kein Denken daran. Und während nachdenkliche Völkerrechtler wie Reinhard Merkel in der FAZ die Loslösung der Krim von der Ukraine eine „Sezession“ nennen und für völkerrechtskonform halten, hält Gregor Gysi im Deutschlandfunk „die Abtrennung von Territorien durch einen Volksentscheid auf diesem kleinen Territorium . . . für völkerrechtswidrig.“ Juristisch hat er sich verhoben, politisch versucht er anscheinend eine bella figura für die Logen der Bundes-Eliten zu geben.

Fortsetzung folgte: Als die Grünen-Chefin Katrin Göring-Eckardt in ihrer Replik auf einen Beitrag von Sahra Wagenknecht zur Lage in der Ukraine im Bundestag sagte: „Sie reden hier wieder von dem Einfluss der Neofaschisten in der Regierung der Ukraine – meine Güte“ und versuchte mit den schlechten Wahlergebnissen der Nazis eben diesen Einfluss zu bagatellisieren, antwortete ihr die Linke Sevim Dagdelen: „Frau Kollegin Göring-Eckardt, Ihre Rede gerade erinnerte mich an den großen Dichter und Denker Bertolt Brecht, der einmal treffend formuliert hat: Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher! Es entsetzt mich, ich bin darüber wirklich schockiert, dass Sie hier die Behauptung aufstellen, dass sich mit den geringen Stimmenzahlen für die Kandidaten der Swoboda oder des Rechten Sektors das Problem des Neofaschismus, das Problem des Antisemitismus in der Ukraine erledigt haben. Sie wissen ganz genau, dass das nicht stimmt. Drei Minister der Regierung in Kiew, also der Regierung der Ukraine, sind Mitglied der neofaschistischen Partei Swoboda. Ein Minister dieser Regierung steht der Swoboda nahe. Ein weiterer Minister gehört der UNA-UNSO, einer neofaschistischen Organisation, an. Das heißt, eigentlich haben fünf Minister dieser Regierung einen neofaschistischen Hintergrund. Der Rechte Sektor kontrolliert weiterhin den ukrainischen Sicherheitsapparat.“

Diese ebenso klaren wie erschreckenden Tatsachen in einem Parlament zu äußern, das in seiner Mehrheit diese von Dagdelen völlig richtig skizzierte ukrainische Regierung unterstützt, war mutig, wahr und notwendig. Aber in einer Presserklärung mochten sich Gregor Gysi, Katja Kipping und Bernd Riexinger dieser Haltung nicht anschließen: „Eine solche Kritik (an der faktischen Verniedlichung der Nazis in der ukrainischen Regierung A. d. R.) rechtfertigt aber keinesfalls, der Abgeordneten Göhring-Eckardt ein Verbrechen zu unterstellen, sie damit als Verbrecherin darzustellen. Von dieser Äußerung unserer Abgeordneten Sevim Dagdelen distanzieren wir uns.“ Hatte jemand die drei gefragt? Nein. Mussten sie ungefragt einem Mitglied ihrer Partei in den Rücken fallen? Keineswegs. Warum machen sie es dann? Aus jener peinlichen, scheinbaren Wohlanständigkeit heraus, die ein klares scharfes Wort nur deshalb für falsch hält, weil andere es für falsch halten? Oder weil bei den kommenden Landtagswahlen in Thüringen eine Koalition aus LINKEN, SPD und Grünen denkbar ist und man die sensiblen GRÜNEN nicht verärgern will? Dieser Ausflug zu den GRÜNEN ist eher ein Schuss ins Blaue: Niemand weiß mit welch weiteren Anpassungsforderungen SPD und GRÜNE noch kommen werden, niemand weiß, ob es in Thüringen nicht eher zu einer schwarz-grünen Koalition kommen wird, was viel über die inhaltliche Qualität der GRÜNEN aussagt.

Auf die Dauer können taktische, anpasserische Spiele wie jene von Gregor Gysi und seinen Freunden, die Linkspartei ebenso hoffähig wie überflüssig machen: Zwar kann sie so an dieser oder jener Landesregierung beteiligt sein, zwar rückt sie so vielleicht nach den nächsten Bundestagswahlen in die Nähe einer Regierungsbeteiligung, aber in dem Maße, in dem sie den anderen Parteien ähnlich wird und sich selbst unähnlich, entfällt der wesentliche Grund sie zu wählen: Ihre wichtige Position als wirkliche Alternative. Es wäre schade um die LINKE und auch um Gysi, wenn sie in der Profillosigkeit verschwänden. Weil man sie daran erinnern sollte, kommt folgender Aufruf gerade recht:

http://www.brecht-hat-recht.de/hintergrund/

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Fotoquelle: Wikipedia – Urheber Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

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Merkel denkt weiter

Erstellt von Redaktion am 23. Juni 2014

Panzerfabrik für die Ukraine

Autor: U. Gellermann

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Datum: 23. Juni 2014

Das ist ein schöner Deal für die deutsche Kriegsindustrie: „Rheinmetall“ soll, will und wird eine komplette Panzerfabrik in Algerien bauen. Pro Jahr sollen dort 120 Fuchs-Panzer gebaut werden. Der Auftrag hat ein Gesamtvolumen von 2,7 Milliarden Euro. Und weil es hie und da leise Zweifel an dem politischen Sinn dieses Geschäftes gab, weil dumme Fragen aufkamen wie „gegen wen soll Algerien denn Krieg führen?“ oder auch „könnte es der Krieg gegen die eigene Bevölkerung sein?“ hat die große und weise Kanzlerin Deutschlands, deren Umfeld ja den Deal genehmigen muss, eine Erklärung nachgeschoben: „Ohne jetzt auf Einzelheiten einzugehen, ist heute noch einmal deutlich geworden, welche wichtige Rolle auch Algerien in der Region spielt.“ Algerien grenzt an Marokko, Tunesien, Libyen, Niger, Mali und Mauretanien. Von einer Aggression dieser Länder gegen Algerien kann keine Rede sein. Deshalb erinnert die Bundeskanzlerin an die Bedeutung Algeriens im Kampf gegen „Extremisten“.

Zur Zeit ist auch die Ukraine in einen schweren Kampf gegen „Extremisten“ verwickelt. Rund 70.000 russischsprachige ukrainische Bürger weigern sich ganz extrem in der Ukraine zu bleiben. Sie entziehen sich dem frisch gewählten Präsidenten durch Flucht. Zwar behaupten Extremisten wie die aus der Ost-Ukraine geflohene Irina Jarmosch gegenüber der DEUTSCHEN WELLE „Die bringen uns um“, und meint die Kiewer Regierung. Und ergänzt sogar, die ukrainische Armee würde seit Mitte April Hubschrauber einsetzen, schwere Artillerie und Phosphorbomben. Ganze Häuser seien zerstört, sogar ein Kinderkrankenhaus sei beschossen worden. Aber das kann kaum stimmen. Denn in den deutschen Mehrheitsmedien gibt es davon keinerlei Bilder, kaum einen Kommentar dazu. Offenkundig entziehen sich die prorussischen Kräfte bewusst und böswillig ihrer Verpflichtung, die ostukrainischen Industriebetriebe am Laufen zu halten. Wer weiß, dass sich in den grenznahen Regionen der Ukraine zu Russland rund 400.000 ukrainische Flüchtlinge aufhalten, dem wird das ganze Ausmaß an terroristischer Sabotage deutlich.

Auch in Algerien versuchen sich immer wieder Leute der Arbeit im Land zu entziehen und nach Europa zu gelangen. Deren Vorwände zählt „Amnesty International“ auf: „Personen, die der Unterstützung des Terrorismus verdächtigt sind, werden ohne Zugang zur Außenwelt an geheimen Orten festgehalten und gefoltert. Kritik an hohen Amtsträgern und an den Sicherheitskräften ist unter Strafe gestellt. Personen, die sich für die Einhaltung der Menschenrechte einsetzen, werden eingeschüchtert. Im Familienrecht sind Frauen gegenüber Männern rechtlich benachteiligt.“ Natürlich ist Homosexualität in Algerien gesellschaftlich geächtet und dort nach geltendem Recht illegal. In den vergangenen Jahren kam es zu mehreren tödlichen Übergriffen auf Homosexuelle und auch zu einer öffentlichen Steinigung. Falls also Homosexuelle sich zusammenrotten sollten, könnten deutsche Panzer zum Schutz des Staates gegen sie eingesetzt werden.

Natürlich haben auch die Oppositionellen in der Ukraine menschenrechtliche Vorwände für ihre Arbeitsverweigerung. Petitessen wie das Verbot der Kommunistischen Partei, das faktische Verbot der oppositionellen Wochenzeitschrift „2000“, das Verschwinden von Oppositionellen nachdem sie vom ukrainischen Geheimdienst (BSU) festgehalten wurden wie auch deren Folterung, dienen ebenso als vorgeschobene Begründung für separatistische Fluchtbewegungen wie die Kollateral-Schäden im Antiterrorkampf der ukrainischen Armee. In einer solchen Situation könnten Angela Merkels Überlegungen, mit der Ukraine einen Deal ähnlich dem mit Algerien einzufädeln, nur sinnvoll sein. Vor allem der bewährte Spähpanzer Fuchs, mit 12 Mann Besatzung und drei Maschinengewehren auf Lafetten ist zur Aufstandsbekämpfung bestens geeignet. Der Panzer kann schnell von Widerstandsnest zu Widerstandsnest bewegt und wenn der Gegner mit schweren Waffen operiert, auch mit einer 20-Millimeter-Kanone ausgerüstet werden.

Zudem wäre der Aufbau einer deutschen Panzer-Fabrik in der Ost-Ukraine ein Schlag gegen die dort gefertigte russische Rüstungstechnik. Denn wenn die Ukraine jemals ihre Schulden beim „Internationalen Währungsfonds“ zurück zahlen können will, dann muss sie ihren achten Platz auf der Liste internationaler Rüstungsexporteure verteidigen und ausbauen. Und mit solider deutscher Waffentechnik und billigem ukrainischem Personal dürfte das wohl gelingen. Zumal die Ukraine ihre Waffen auch bisher schon gern in Spannungsgebiete und an Systeme geliefert hat, die in der deutschen Öffentlichkeit eher Unbehagen auslösen. So könnte der Merkel-Panzer-Deal Teil einer Umgehungsstrategie sein. – Einen letzten sachdienlichen Hinweis gab der Kurs der Rheinmetall-Aktie, die sich nach der Algerien-Entscheidung mit einem Plus von zeitweise bis zu 3,6 Prozent an die MDax-Spitze setzte: Eine weitere Panzerfabrik würde dem Aktien-Hoch Stabilität verleihen, der russischen Konkurrenz mal zeigen was deutsche Rüstung wert ist und die schwierige Lage der Ukraine stabilisieren. Und das alles verdanken wir dann der zu Recht hochgelobten Kanzlerin. Jener großartigen Frau, die weiter denkt und auch weiter schießen lässt.

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Fotoquelle: Wikipedia – Schnerkel – Urheber Strassengalerie

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Michael Stürmer

Erstellt von Redaktion am 19. Juni 2014

Ein Gespenst, dass sich für Geist hält

File:Graffiti-Sprayer sprayt ein Gespenst (32720551482).jpg

Autor: U. Gellermann

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Datum: 19. Juni 2014

Silbern fällt ihm das Haar vom Scheitel in die Stirn, überaus seriös, trocken die Stimme, ein Bild von einem Journalisten gibt der Chefkorrespondent der WELT ab. Er ist einer, der die Zeiten erklärt, ein Herr der Interpretation: „Es ist schwer, nicht an ein Jugo-Endspiel der Extraklasse zu denken und dabei das Gruseln zu lernen“ tätowiert uns der gelernte Historiker zum Ukraine-Konflikt in die Hirnrinde. Und wer so den damaligen Jugoslawienkrieg, die blutige Demontage eines Staates, als ein sportliches Endspiel bezeichnet, der weiß sich an der Macht, zumindest an der Deutungsmacht.

Hinter seinem Schreibtisch interpretiert er nicht nur das Welt-Geschehen, er hofft es auch zu verändern: „Europa ist zu nah, um den Brennraum zwischen Golf und Mittelmeer sich selbst zu überlassen“ schreibt der Großstratege über den Bürgerkrieg im Irak. Dass es ein Raum ist, in dem Menschen verbrennen, na und? Dass die implizit verlangte Einmischung „Europas“ in den Bürgerkrieg diesen bisher nur angeheizt hat, was soll´s? Dass eine wesentliche Ursache des andauernden irakischen Zerfalls in der „Koalition der Willigen“ liegt, jenem Bündnis, das unter Führung der USA einen Krieg im Irak führte, wer will das heute noch wissen?

Dem Feldherrn auf dem WELT-Hügel ist sein Geschreibsel von gestern ins Vergessen geraten: „Der Zeitpunkt einer Militäraktion (im Irak) muss in der zweiten Januarhälfte liegen: Vorher sind die britischen Challenger-Panzer nicht wüstenfähig, ab April wird das Klima kriegsuntauglich. Washington-Insider rechnen damit, dass die Luftwaffe diesmal in sechs Tagen erreicht, wofür sie 1991 sechs Wochen brauchte“, diktierte er damals die Strategie und erkannte von Berlin aus: „Anzuerkennen ist, das sich Bush nicht… davonschleicht, sondern mit weiteren Truppen Ordnung und Demokratie im Irak durchsetzen will“, so ist es mit dem Brennraum, wenn man nicht selbst drin ist, weiß man alles und das auch noch besser.

Wie wird ein eigentlich normaler Student der Geschichte zu jenem kaltblütigen Monster, dessen verächtliche Sprache ihn als wiedergeborenen Herrenmenschen kennzeichnet? Sicher ist, dass die zehn Jahre, in denen er Direktor der „Stiftung Wissenschaft und Politik“, dem wesentlichen Beratungsinstrument der Bundesregierung für Außenpolitik, den furchtbaren Journalisten wesentlich geprägt haben. In diesem ursprünglichen Projekt des Bundesnachrichtendienstes wurde Stürmer Nachfolger von Klaus Ritter, der als Wehrmachtssoldat am Überfall auf Polen und am Krieg gegen die Sowjetunion beteiligt war und für den ersten Chef des BND, Reinhard Gehlen und dessen Spionagetruppe „Fremde Heere Ost“ gearbeitet hatte. Hier ist die braune Spur zu erkennen, hier wurzelt Stürmer in einem Boden, der mit Blut gedüngt wurde.

„Der Worst Case wird denkbar“, schreibt Stürmer über die Entwicklung im Irak. Und wenn er das Denkbare schreibt, dann schreibt er den Krieg herbei: „Bundespräsident Gauck spricht endlich Tacheles“, jubelt er nach der Münchner Gauck-Rede über die „gewachsene deutsche Verantwortung“. Und wenn er den Israel-Palästina-Konflikt zu analysieren vorgibt, geht ihm der eklige Biologismus glatt von der Zunge: „Im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern geht es . . . vor allem aber um die unaufhörliche Bevölkerungsexplosion unter den Palästinensern.“ Nicht um Völkerrecht, nicht um Gerechtigkeit geht es nach Stürmer im geschundenen Land. Nein, dem Herrn Professor werfen die Araber einfach zu viel.

Dass sie selbst der „Worst Case“ sind, der schlimmste Fall von kriegslüsternem Manipulations-Journalisten, der einem Land widerfahren kann, das kommt den Stürmers in den deutschen Redaktionen nicht in den Sinn. Mit ihnen hat sich das Land zu seiner „neuen Verantwortung“ voran gerobbt, mit ihnen soll das deutsche Wesen wieder zur Genesung der Welt beitragen und ist doch nur eine kranke Deformation aus der Vergangenheit, ein Gespenst, dass sich für Geist hält.

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Franz Beckenbauer: Jetzt red i!

Erstellt von Redaktion am 17. Juni 2014

WM: Mit unseren Recken nicht verstecken

File:Franz Beckenbauer in Moscow.jpg

Autor: Beckenbauer, Franz

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Datum: 16. Juni 2014

Ja ist denn schon Fasching werden viele von Euch gefragt haben, als sie hören mussten, dass die FIFA mich gesperrt hat – für 90 Tage! Für „jegliche Tätigkeit im Fußball“. Als ob man dem Kaiser das Regieren verbieten könnte! Ich komm mir ja vor wie Uli Hoeneß. Weggesperrt geradezu. Nur weil ich angeblich ein paar Fragen nicht beantwortet habe. Ja, antwortet denn die Frau Merkel auf irgendwas wo sie zu gefragt wird? Und der Blatter-Sepp, hat der irgendwann irgendeine Frage jemals beantwortet? Außerdem soll´n die doch froh sein, wenn ich schweige. In diesen Weltmeisterschafts-Vergabe-Angelegenheiten. Die könnten sich glatt einen Katar holen, hahaha, denn wenn ich den Mund aufmache, dann zieht´s, hahaha. Also wenn ich jetzt rede, dann nur über Fußball. Wie die deutsche Mannschaft das in Brasilien ohne mich hinkriegen wird, werden wir ja sehen. Denn dann und wann braucht der Jogi einen Anpfiff, nicht nur zu Beginn des Spiels, hahaha.

Also jetzt zum Spiel Deutschland gegen Portugal. Ja, wenn wir das nicht gewinnen, dann wäre es ja glatt verloren. Kommt´s mir jetzt nicht mit Ronaldo, der ist doch nur ein Fußballdarsteller, kämmt sich alle fünf Minuten die Haare, der läuft doch wie eine Schwuchtel. Is nix mit Homophobie, einige meiner besten Freunde sind schwul. Also nicht wie Ihr denkt, hahaha. Jedenfalls hat der Jogi, weil ich ihm das mit Ronaldo gesteckt habe, unsere größten deutschen Fussball-Recken in die Abwehr gestellt, den Mertesacker, den Hummels, den Boateng und den Höwedes, die machen die portugiesischen Ölsardinen doch zu Sprotten. Na gut, äh, außer Boateng ist keiner in der Abwehr von Bayern München, aber der Boateng, der wird dem Ronaldo mal zeigen was ein echter Bayer ist, der Berliner Neger. Eins ist selbst dem größten Depp klar: Wir müssen gewinnen, wenn wir nicht verlieren wollen.

Es gibt keinen Gegner, den wir fürchten müssen. Nehmen wir mal die Holländer, die haben gegen die Spanier glatt 5 : 1 gewonnen. Und warum? Weil sie mal keinen Käs zusammengespielt haben, hahaha. Der Holländer ist ja schon eher ein Deutscher, nur eben einer mit Wohnwagen. Gegen solche deutsche Tugenden wie hinten reinstellen und vorne reinmachen, da kann eben keiner gegen an. Dass der Kroate gegen Brasilien verlieren musste, ja mei, das habe ich doch vorher schon gesagt. Und wer zu faul zum Arbeiten ist, wie der Grieche, das sagt ja auch die Frau Merkel immer, der hat Schulden, da muss man ja gegen die Drogen-Barone aus Kolumbien verlieren. Das hatte ich schon in der Nase, hahaha. Und, dass der Japaner sich von der Elfenbeinküste hat wegputzen lassen! Da ist doch bei Toyota mal wieder eine Rückruf-Aktion fällig: Schiri ans Telefon, hahaha. Und die Spaghettis haben den Engländern schon gezeigt wo die Carbonari den Most holen: Mit 1: 2 haben die Wembley-Tor-Betrüger gegen Italien verloren. Das kommt davon.

Ist der Ball schön rund, dann ist er auch gesund, Euer Franz.


Grafiquelle :

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Attribution: Елена Рыбакова

Source http://www.soccer.ru/gallery/3324

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Mission Accomplished

Erstellt von Redaktion am 16. Juni 2014

Kaputte Staaten pflastern den Weg der USA

Autor: U. Gellermann

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Datum: 16. Juni 2014

Mission accomplished: Die Mission sei erfüllt behauptete der debile Dauergrinser George W. Bush im Mai 2003 und glaubte den Irak-Krieg beendet zu haben. Nicht weniger ignorant redete sein Nachfolger Obama daher, als er im Dezember 2011 anlässlich des offiziellen Abzugs der US-Truppen aus dem Irak den „Moment des Erfolgs“ bejubelte und erzählte, Amerika würde einen „souveränen, stabilen und selbstständigen Irak“ hinterlassen. Zwischen der ersten und der zweiten Irak-ist-erledigt-Meldung lagen dreizehn Jahre voller Blut und Grausamkeit und nur wenige Jahre, aber Tausende Tote später, eilen sunnitische Kampfverbände in Richtung Bagdad, um die verhasste, von den USA alimentierte Regierung zu stürzen. Der Irak ist ein kaputter Staat: Neben dem täglichen Terror, dem religiösen Kampf zwischen Schiiten und Sunniten, und den verschiedenen Clans und ethnischen Gruppen, sind Folter und Unterdrückung für den irakischen Alltag bestimmend. Nichts ist durch das militärische Eingreifen der USA besser geworden. Immer noch stehen mehr als 15.000 amerikanische Söldner privater Sicherheitsfirmen im Land, immer noch bestimmen die USA wesentlich die irakische Politik.

Kennzeichnend für die Auswirkungen von den USA und ihren Freunden dominierten Politik im Nahen Osten ist die Herkunft der ISIS genannten Truppen, die aktuell versuchen den IRAK zu übernehmen: Ihre Gründung und ihren Aufstieg verdanken sie dem Syrien-Krieg, jenem „Bürgerkrieg“ genannten Kampf um ein geschundenes Land in dem, darin dem Irak ähnlich, mit ausländischem Geld und ausländischen Waffen versucht wird die geostrategische Lage zu ändern: Weg von einer relativen Selbstständigkeit der Assad-Regierung und deren Nähe zum Iran, hin zu einem von den Saudis, den Kataris und den USA beherrschten Gebilde. Besondere Protektion genoss die ISIS lange durch das NATO-Mitglied Türkei: Offene Grenzen für den Rückzug aus dem syrischen Kampfgebiet für ISIS-Kämpfer, augenzwinkernde Unterstützung des Waffennachschubs und der medizinischen Versorgung der Truppen galten dem größenwahnsinnigen Erdogan als nützlich. Und dieser schwere Anfall osmanischen Großmachtstrebens wurde mit den deutschen Patriot-Raketen an der türkisch-syrischen Grenze noch unterstützt.

Von Afghanistan über den Irak, über Libyen und Syrien: Die Antwort der USA auf Konflikte aller Art, gerade auch die selbst gemachten, ist der Krieg. Der erzeugt neuen Krieg, den die USA dann erneut mit Krieg bekämpfen. Und auch jetzt will Obama im Irak „nichts ausschließen“, Luftangriffe sind wahrscheinlich, Drohnen sicher. Das mediale Bild der ISIS-Truppen ist barbarisch. Und vielleicht stimmt es sogar. Aber sie haben neben ihrem religiösen Fanatismus auch historische Kenntnisse und Empfindungen, die ihrem westlichen Widerpart völlig abgehen: Auf ein Schild nahe der syrisch-irakischen Grenze schrieben die ISIS-Kämpfer „Die Sykes-Pycot-Grenze zerschlagen!“ Das ist jene Grenze, mit der die Kolonialmächte Großbritannien und Frankreich im Mai 1916 das von den Osmanen annektierte arabische Land unter sich aufteilten: Jordanien und Irak an die Briten, Syrien und Libanon an die Franzosen. Was im Ergebnis jener brutalen Herrschaftsausübung an Blut und Tränen geflossen ist, hat letztlich jene barbarischen Handlungen erzeugt, die heute gern Terrorismus genannt werden.

Sykes-Pycot-Grenze? Die kennt der deutsche Redakteur nicht, will sie nicht kennen. Wohl deshalb fällt ihm nicht im Traum ein, den Beginn des Irak-Krieges – durch Lügen und Betrügen als notwendig kaschiert – als den Auslöser für den heutigen Krieg zu benennen. Statt dessen kommen die „Experten“ der Medien zu Wort: „BILD erklärt die gefährlichste Terror-Gruppe der Welt“ und meint damit keineswegs die Militärindustrie der USA. Im FOCUS findet ein Experte: „Isis-Führer ist noch brutaler als Terror-Fürst Osama bin Laden“. Im HANDELSBLATT darf sich der CDU-Außenexperte Roderich Kiesewetter melden und durch den neuen Irak-Terror eine „massive sicherheitspolitische Bedrohung“ für den Nahen und Mittleren Osten erkennen, um eine Rolle Deutschlands in dem Konflikt nicht auszuschließen. Auf RTL meint der Terrorismus-Experte Michael Ortmann: „Die brutalen ISIS-Kämpfer sind bei Dschihadisten sehr beliebt.“ Der arabische Raum sucht offenkundig den Superterroristen. Und die Blindenanstalt ARD lässt Falko Walde von der verstorben geglaubten FDP-Friedrich-Naumann-Stiftung ein Sportkommentar sprechen: „Kurdische und schiitische Milizen im Irak sind gut aufgestellt.“ Terror goes Boulevard.

War da nicht bis jüngst noch ein Krieg? Richtig, der in der Ukraine. „Wie kann die Erde brennen? Sie brannte etwa 40 Minuten”, sagt ein Anwohner aus einem Vorort von Slawjansk in die Kamera. Natürlich nicht in eine deutsche Kamera. Denn seit dem 7. Juni, als die Tagesschau einen vom “guten Oligarchen” Poroschenko angekündigten Waffenstillstand im ostukrainischen Bürgerkriegsgebiet verkündete, gab es den ukrainischen Krieg offiziell nicht mehr. Obwohl von den Regierungstruppen Phosphorbomben abgeworfen werden, obwohl Tausende auf der Flucht sind, obwohl erneut amerikanische Söldner im Kriegsgebiet gesichtet wurden. Inoffiziell beteiligt sich die deutsche Regierung aktiv am ukrainischen Kampf: Durch die Hintertür ist ein Wirtschaftsembargo gegen Russland eingeführt worden. Das Wirtschaftsministerium lässt Exportgenehmigungen nach Russland monatelang liegen, klagt der deutschen Maschinenbauverband (VDMA). Angeblich nur bei Gütern, die unter den Begriff „Dual use“ fallen, Waren, die sowohl zivilem als auch militärischem Gebrauch dienen können. Wenn man weiß, dass Gas-Energie sowohl im Automobil- wie im Panzerbau Verwendung finden kann, dann kann man sich die Bandbreite der Export-Sanktionen ebenso ausmalen wie die mögliche Antwort der Russen.

Die erbärmlich dumme deutsche Regierung und die ihr angeschlossenen Medien ketten sich seit Jahr und Tag an die Interessen der USA. Weder die Zahl der kaputten Staaten im Ergebnis von US-Interventionen lässt die deutschen US-Freunde an den FREUNDEN zweifeln, noch bringt sie zur Besinnung, dass der Anti-Terrorkampf bisher nur mehr Terror erzeugt. Längst hat man auch für die Ukraine die Lesart vom Anti-Terror-Kampf gegen die Separatisten übernommen. Aber die Gaucks, Merkels, Steinmeiers und van der Leyens glauben an der Seite der USA das große Spiel gewinnen zu können. Und warten auf die nächste Mission-accomplished-Meldung. Nicht beachtend, dass sie damit den eigenen Staat verzocken.

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Fotoquelle: Wikipedia – Urheber 3268zauber

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Wie Draghi die Wirtschaft ankurbelt

Erstellt von Redaktion am 12. Juni 2014

War is good business – Invest your son

Autor: U. Gellermann

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Datum: 12. Juni 2014

Hat Oma schon ein Smartphone? Wenn nicht, soll sie doch ihren Sparstrumpf bei der Kreissparkasse auflösen und schnell eines von diesen schicken Dingern kaufen und noch drei für die Enkel dazu, dann kann sie jeden Tag telefonisch darüber jammern, dass sie bei der Sparkasse keine Zinsen mehr bekommt und, wenn es so weiter geht, noch Geld für´s Geld-Aufbewahren zahlen muss. Das kurbelt die Wirtschaft an, meint Mario Draghi von der Europäischen Zentralbank (EZB) und hat den Leitzins auf 0,15 Prozent gesenkt. Und Draghi muss es wissen. War er doch lange Zeit bei Goldman-Sachs im Vorstand, der wichtigsten internationalen Geld-Manipulations-Maschine und wurde für seinen Job von Silvio Berlusconi vorgeschlagen, dem Freund der Witwen und Waisen, wenn sie denn minderjährig sind.

Es gibt sie noch, die deutschen Sparer. Zwar wächst die Zahl jener, die nichts mehr zurücklegen können: Die Harz-Vierer, die Leiharbeiter, die Niedriglöhner und die Aufstocker. Aber immer noch gibt es Millionen Deutsche, die Monat für Monat so um die 100 Euro beiseite legen. Sei es direkt auf ein Bankkonto, sei es indirekt für eine Lebensversicherung oder für Zusatz-Rentenverträge. Denn dass ihre Rente gering sein wird, davon dürfen die meisten Sparer ausgehen. Zur Zeit erleben sie das wunderbare Banken-Mirakel: Zwar zahlen die Banken fast keine Zinsen mehr wenn sie sich bei der EZB Geld leihen. Aber trotzdem nehmen sie von ihren Kunden ab sechs Prozent aufwärts, wenn die sich ein paar Euro von ihnen leihen wollen. Und weil die EZB so extrem billig daher kommt, zahlen sie den Sparern zwischen nichts und gar nichts mehr für deren Einlagen.

Die vier Smartphones sind von Oma gekauft, mit ihnen wurde die Wirtschaft in China gesichert und wenn man das Phone bei Apple gekauft hat, sind nicht mal Steuern in Deutschland hängen geblieben. Denn die Nobelmarke zahlt ihre Steuern in Irland, also nicht. Jetzt liegen auf Omas Konto immer noch ein paar Euros, die auf einen sinnvollen Verwendungszweck warten. Die Börse gab am Tag der EZB-Zinssenkung einen deutlichen Hinweis: Der Dax, das Börsenfieberthermometer sprang über die historische Marke von 10 000 Punkten! Oma soll jetzt über ihr neues Handy täglich mit ihrem Bankberater über die Börsenkurse reden: Kaufen, verkaufen, kaufen. Das belebt die Finanzwirtschaft. Jenes virtuelle Wesen, das tägliche neue Finanzprodukte erfindet und an An- und Verkauf prima verdient. Was dabei herauskommt? Wer weiß, eine neue Finanzkrise vielleicht oder nur die normale Verflüssigung des Sparerkontos mittels hoher Gebühren oder schlechter Beratung.

Der alte linke Traum von der Enteignung des Kapitals wird wahr. Leider nur im Mikrobereich. Nach ein paar Monaten Bankberatung ist Omas Geld fast enteignet, es hat die Seiten gewechselt, von ihrem Konto auf das Konto der Bank. Dieser Vorgang hat keine neue Straße gebaut, keine superschnelle Internet-Verbindung verlegt, keine Schule saniert. Es wurde Papier bewegt und heiße Luft. Und wer denkt, diese Form der Ankurbelung der Wirtschaft habe sich die EZB mal eben so ausgedacht, bei einer Betriebsfeier vielleicht, der irrt: Mario Draghi war im Januar bei der Klausur der Fraktionen von SPD und CDU anwesend. Zwar galt als Hauptthema der Klausur die Sanktionspolitik der EU gegen Russland, aber wer sich auf einen Wirtschaftskrieg vorbereitet, der braucht Geld. Und Draghi kann es drucken.

Bisher hat keine der EZB-Maßnahmen die wirtschaftliche und soziale Lage in der EU ernsthaft gebessert. Aber seit Beginn des Ukraine-Konfliktes steigen die Rüstungs-Aktien rapide. Dazu Frank Mayer vom Bankhaus Rott: „Was halten Sie von Rüstungsaktien? Die sind todsicher! Sie laufen an der Börse seit Jahren wie Bolle. Etwaige Skrupel werden durch eine unschlagbare Rendite ausgeglichen. . . Rüstung war schon immer ein Wirtschaftsfaktor, trägt sie doch auf einleuchtende Art und Weise zu Wachstum und Wohlstand bei. Zumindest hierzulande. Und er schafft Arbeitsplätze und offiziell auch noch Frieden.“ – So könnte Oma ihre Spekulations-Defizite ausgleichen. Und auf dem neuen Smartphone sich dann die besten Bilder von der Front anschauen. Oder alte Antikriegsposter, mit der Zeile von Allen Ginsberg „War is good business – Invest your son“. Es darf natürlich auch ein Enkel sein.

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Das andere Griechenland

Erstellt von Redaktion am 10. Juni 2014

Stürzt die Götter vom Olymp

Autor: U. Gellermann

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Datum: 09. Juni 2014
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Buchtitel: Stürzt die Götter vom Olymp
Buchautor: Landolf Scherzer
Verlag: Aufbau

Mit großen, staunenden Kinderaugen wandert Landolf Scherzer durch Länder, Gegenden und gesellschaftliche Verhältnisse. Und weil seine Augen in einem höchst klugen Kopf sitzen, können seine Leser durch Scherzers Augen hindurch jene Wirklichkeit sehen, die, unverstellt durch mediale Gehirnwaschmittel, dem Erkennen der Welt dient. Scherzers jüngstes Buch erzählt von seinen zwei Besuchen in Thessaloniki, beim ersten versucht er sich als Pauschaltourist, verkleidet sich kurzzeitig als deutscher Herrenmensch, der glaubt, er könne sich mit dem Wort all-inclusive ein Land aneignen. Dann, bei der zweiten Reise ist sein Erkundungsposten „das schlechteste Hotel von Thessaloniki“. Er lebt mitten zwischen Huren, Flüchtlingen und Ausgestoßenen und kann sich auf ein Netz von Griechen stützen, von denen manche Deutsch können und alle jenes Griechenland kennen, das hungert und ohne Geld existiert, das solidarisch ist und kämpft.

Den Herrenmenschen geben kann Scherzer nicht, auch weil er nicht wenige griechische Verhältnisse in der vergehenden DDR miterlebt hat: Was damals die „Treuhand“ war ist heute die „Troika“, beides Instrumente des Raubs von sozialen Errungenschaften, von Arbeitsplätzen und Gewissheiten. Vor allem aber, weil er kein Herr ist, weil er nüchtern und gründlich recherchiert, auch und gerade über den „faulen Griechen“, jene Schimäre aus deutschen Medien, die der Scherzer-Recherche nicht standhält: Die Griechen arbeiten 44,3 Wochenstunden, die Deutschen nur 41, die Jahresarbeitszeit der Griechen liegt bei 2.120, die der Deutschen nur bei 1.400 Stunden, und während die Deutschen sich 30 Urlaubstage gönnen, begnügen sich die Griechen 23. Und so fort. Zur Recherche gehört auch, dass sich Scherzer vor der Reise mit einem griechisch-deutschen Unternehmer trifft, der ausgerechnet in Suhl, am Ende der bekannten deutschen Welt, einen erfolgreichen Delikatessen-Versand betreibt und der nicht nur köstliches Taramas serviert sondern auch diesen denkwürdigen Satz: „Wissen Sie, dass der reiche Kapitalismus das Wertvollste, das es für den Menschen gibt, niemals finanzieren kann: soziale Sicherheit und ein Leben ohne Zukunftsängste. Die arme DDR konnte das.“

Neben den großen sozialen Sorgen der griechischen Mehrheit, einem Leben, in dem nicht selten der letzte in einer großen Familie, der noch Arbeit hat, die anderen drei, vier, fünf miternähren muss, ein Leben mit brutalsten, von der Troika verordneten Lohnkürzungen, neben diesem Elend findet Scherzer auch das Aufbäumen, nicht nur in Demonstrationen und Kundgebungen, auch und gerade in gut organisierter Lebens- und Nothilfe. Zum Beispiel in der „Gesellschaft der kostenlosen Arzthilfe“, ein Projekt in dem inzwischen 250 Ärzte und Helfer jährlich 8.000 Patienten kostenlos behandeln, Menschen, die man aus dem staatlichen Gesundheitssystem vertrieben hat. Die Portraits der dort Arbeitenden gelingen Scherzer tief berührend. Und damit das Projekt so lange weiter existieren kann, bis die Griechen sich ihr Land zurückerobert haben, schreibt der Autor auch gleich die Spendenkonto-Nummer auf: Piraeus Bank 5272-059087-744. In einem anderen Beispiel wird von einem Betrieb erzählt, den die Arbeiter erfolgreich übernommen haben, nach dem die privaten Eigentümer mit einigen Millionen Euro aus der Unternehmenskasse verschwunden waren. Alle sind gleich, bekommen das gleiche Geld, haben gleich viel zu sagen. Geht nicht? Geht wohl. Bei der „Arbeitergewerkschaft VIO.ME“ in Thessaloniki.

Scherzer lässt in seinem Buch Konstantin Wecker zu Wort kommen, der von seiner Verehrung des großen griechischen Musikers Theodorakis erzählt und davon, wie der unbeugsame Linke, inzwischen 86 Jahre alt, kürzlich bei einer Demonstration von der Polizei mit Reizgas bedacht wird. Auch Asteris Koutoulas, ein in Deutschland lebender griechischer Musikproduzent, Publizist und Filmemacher schreibt in Scherzers Buch und erinnert an die Schande der Europäischen Union, die während der langen, brutalen Militärdiktatur das NATO-Mitglied Griechenland keineswegs isolierte. Auch die USA, die heute so gern Regimes changed, mochte damals die Diktatur nicht unter Druck setzen. Vor allem aber schreibt Scherzer mit liebevoller Zuneigung über jene Griechen, die ihm begegnen, die ihm auf seiner Reise in das griechische Herz weiterhelfen und mit denen er singt, lacht, trauert und feiert. Fast alle, die er trifft, wollen den Sturz jener falschen Götter, die den Markt und die Banken beherrschen, Götter, die eher in Berlin oder Brüssel sitzen als in Athen

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Fotoquelle: Wikipedia – Author stg_gr1

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Gauck treibt Bürgerkrieg

Erstellt von Redaktion am 9. Juni 2014

Tausende sind in der Ukraine auf der Flucht

Autor: U. Gellermann

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Datum: 09. Juni 2014

Hat die westliche Staatengemeinschaft schon eine Flugverbotszone gefordert? Gab es schon den obligaten Aufschrei in den deutschen Medien über das Regime, das sein eigenes Volk bombt? Sind französische, englische und amerikanische Jagdbomber auf der Jagd nach Regimetruppen, um die Opposition vor Angriffen zu schützen? Liefert der Westen Waffen an die kämpfende Opposition? Fragen über Fragen, die in Libyen im Jahr 2011 alle mit einem klaren JA beantwortet wurden.

Tausende sind in der Ukraine auf der Flucht. Vor den Panzern und Bombern des Kiewer Regimes. Sogenannte Antiterror-Einheiten, die für ihre Brutalität bekannt sind, machen Jagd auf oppositionelle Kräfte, die man „Separatisten“ nennt. Die OSZE-Beobachtermission meldet aus Lugansk einen Luftangriff auf Gebäude der staatlichen Verwaltung im Herzen der Stadt. Rücksicht auf Zivilisten wurde offenkundig nicht genommen. Das Kiewer Regime beschuldigt die Aufständischen, sie würden Zivilisten als „Schutzschilde“ missbrauchen. In der Übersetzung aus der Kriegspropaganda bedeutet das nichts anderes, als dass die Schutzschilde eben weggeräumt werden müssen. In der Ukraine herrscht Bürgerkrieg. Und wer Vernunft hat, der rät in Bürgerkriegen beiden Seiten sie sollten vorbehaltlos miteinander reden, um den Frieden zu erreichen. Wer aber seine Interessen über die Rettung von Menschenleben stellt, der begünstigt eine der beiden Seiten. Solche Typen muss man Kriegsprofiteure nennen.

Der aufgeblasene Ochsenfrosch im Amt des deutschen Bundespräsidenten war zur Amtseinführung des neuen ukrainischen Staatsoberhauptes, Petro Poroschenko, in Kiew. Gern hat Gauck dem Milliardär, TV-Zar und Rüstungsproduzenten, der nebenher auch Schokolade herstellt, die blutige Hand gedrückt. Welchem der Nazi-Minister, die immer noch in der Kiewer Regierung ein warmes Plätzchen haben, der Bundespräsident auch die Hand gereicht hat, ist unbekannt. Bekannt ist, dass er bisher noch nie zu der Amtseinführung eines Präsidenten gefahren ist. Bekannt ist auch, dass Gauck in Kiew nicht gefordert hat, die Separatisten an den Runden Tisch zu holen. Über Freiheit hat er geschwafelt, über seine DDR-Erfahrungen. Aber er hat nicht darüber geredet, dass die DDR-Opposition selbstverständlich mit der SED an den Runden Tischen der Wende saß und dass auch deshalb der Übergang unblutig verlief. Gauck hat einfach „die gewachsene Verantwortung Deutschlands“ für das neue Protektorat Ukraine wahrgenommen. Hat einseitig eine Partei im Bürgerkrieg unterstützt. Gauck treibt Bürgerkrieg.

Und während der Protektor aus dem Schloss Bellevue sich seine Hände am Feuer des Bürgerkrieges wärmt, stellt sich die kleine Dicke aus der Uckermark auf die Zehenspitzen und blökt das große Russland an: Putin müsse jetzt die Zeit nutzen „um eine Stabilisierung der Lage insbesondere in der Ostukraine zu erreichen“. Wenn Merkel gleichzeitig sagt „Gewalt zur Lösung der eigenen Probleme darf nicht angewendet werden“, aber keineswegs die Kiewer Regierung aufruft, ihre Terroreinsätze in der Ost-Ukraine zu stoppen, dann macht sie das selbe wie Gauck: Sie nimmt einseitig Partei in einem Bürgerkrieg, sie feuert ihn an statt ihn zu beenden. So geht „neue deutsche Verantwortung“. Diese unverhohlene Unterstützung der Gruppe Timoschenko-Poroschenko-Klitschko bringt den amtierenden ukrainischen Ministerpräsidenten Arsenij Jazenjuk dazu, den OSZE-Plan für einen nationalen Dialog frech abzulehnen. Wer braucht schon die OSZE wenn man das neue, unverantwortliche Deutschland an seiner Seite weiß.

Während die Herren in Kiew hoffen den Bürgerkrieg zu gewinnen, ziehen sie die sozialen Daumenschrauben an: Subventionen für Grundnahrungsmittel, Treibstoff und Energie werden gestrichen, Beamtengehälter gekürzt und Tausende Staatsangestellte entlassen. Nur der Militärhaushalt ist bisher nicht von Kürzungen betroffen. Der Griwna wird abgewertet, die Inflation hat den zweistelligen Prozentbereich erreicht. Das freut den Internationalen Währungsfonds. Die immer zahlreicher werdenden ukrainischen Arbeitslosen eher nicht. – Der Maidan zu Beginn, als er noch nicht von Oligarchen, EU-Funktionären und dem Nazi-Gesindel übernommen worden war, war keineswegs eine Bewegung gegen die Russisch sprehchenden oder Russland. Die ukrainische Korruption sollte beendet werden, die soziale Lage der Menschen gebessert und die Oligarchen aus der Politik vertrieben werden. Die Obamas, Gaucks und Merkels haben eine soziale Bewegung zur Erweiterung ihres Machtbereichs genutzt. Wie viele Menschenleben das kosten mag ist ihnen gleichgültig.

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Obama care for war

Erstellt von Redaktion am 5. Juni 2014

Die Rückversicherung des Todes

Autor: U. Gellermann

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Datum: 05. Juni 2014

Die gute alte MIG 29, Stückpreis 30 Millionen Dollar, fliegt in der Ukraine immer noch. Aber weil das Land schon die letzte Gasrechnung nicht bezahlen konnte und auch die nächste nicht wird bezahlen können, verkauft der ukrainische Staat in diesen Tagen drei von den bewährten Jets an den Tschad. „Vor kurzem“, schreibt die österreichische Zeitung DIE PRESSE, „sahen Planespotter (deren Hobby es ist Flugzeuge zu fotografieren) das erste dieser Flugzeuge von einem Flugfeld nahe Lemberg in der West-Ukraine abheben, neulackiert und mit den Hoheitsabzeichen der tschadischen Luftwaffe in Rot/Gelb/Blau.“ Im Tschad hungern die Menschen. In der Ukraine, wenn der Internationale Währungsfonds mit dem Land fertig ist, bald auch. Aber wen kümmert das, außer die Hungernden?

Die viel größere Sorge hat der Drohnen-Präsident Obama soeben entdeckt: Weil die Ukraine ihre MIG´s verschleudern muss, will der US-Präsident jetzt eine Milliarde Dollar spenden. Für eine „Initiative zur Rückversicherung Europas“. Natürlich erwartet der Friedensnobelpreisträger, dass die Europäer auch diese oder jene Milliarde locker machen. Denn ohne ein paar Kampfjets mehr, diese oder jene neue Korvette oder jede Menge prima Panzer könnten die Ost-Europäer einem Überfall durch Russland nicht standhalten. Und nachdem die „Obamacare“, jene nach dem Präsidenten benannte US-Krankenversicherung eher schlecht als recht läuft, steigt der Mann jetzt ins Waffengeschäft ein. Davon versteht er was. Immerhin hat er schon in seinem ersten Wahlkampf den Afghanistankrieg als „seinen“ Krieg bezeichnet, war in Libyen an 50.000 Toten beteiligt, im syrischen Bürgerkrieg mischt er verdeckt mit, und wer in Pakistan oder Somalia mit den falschen Leuten vor der Moschee steht, kann jederzeit mit einer erstklassigen Drohne versorgt werden.

Weil aber jede Aufrüstung einen Feind braucht, hat Obama befunden, dass die Russen aufrüsten. Nun haben die Russen einen Rüstungsetat von 52.7 Milliarden Dollar und die Amerikaner mit 793,3 Milliarden das 16-fache. Die Russen verfügen nur noch über einen Militärstützpunkt im Ausland, die Amerikaner sind in knapp 40 Ländern mit ihren Militärs vertreten. Aber was solls. Zahlen sind das eine, politische Fantasien das andere. Und nachdem die USA, mit Hilfe der EU, einen halbwegs erfolgreichen Regime-Change in der Ukraine durchgeführt haben – der falsche Oligarch wurde durch den richtigen ausgetauscht – muss das neue Besitztum abgesichert werden.

Im Fall der Ukraine wird mehr verteidigt als nur ein neues Regime. Es geht auch darum, die guten Militär-Traditionen, die Partnerschaft zwischen der ukrainischen Armee und den Streitkräften der USA vor den bösen Russen zu retten. Schon 1995 gab es Manöver der beiden Freunde und weil die so erfolgreich waren, beschloss die NATO zwei Jahre später eine „Charta über besondere Partnerschaft“ mit der Ukraine. Die arme, ständig von den Russen bedrohte Ukraine musste sich aus purer Angst vor denen auch am Jugoslawienkrieg der USA, am Irakkrieg der USA und am Afghanistankrieg der USA mit Truppen beteiligen. Da geht es den Ukrainern wie den Deutschen: Auch deren Freiheit musste dringend am Hindukusch verteidigt werden. Gegen die Russen, wahrscheinlich. Es wird eine Vorahnung gewesen sein, die schon 2013 Truppen aus den USA und aus Deutschland in der Ukraine zusammenführte, um gemeinsame Manöver unter dem Namen „Rapid Trident“ durchzuführen. Und wer jetzt denken würde, dass sich doch dann die Russen hätten bedroht fühlen können, der liegt natürlich völlig schief. Denn es handelte sich nur um einen Teil des Partnership for Peace-Program der USA. Da sagt uns schon der Name, dass die beim Manöver mitgeführten Waffen nur dem Frieden dienten.

Schon länger ist die Ukraine der wichtigste Waffenlieferant für den Tschad: Dutzende Transport- und Kampfhubschrauber aus ukrainischen Beständen sind auf Flugplätzen des Tschad zu finden. Brav stehen sie neben den sechs schweren Suchoi Su-25 „Frogfoot“-Erdkampfbombern, die Kiew geliefert hat. Immerhin wird seit 2003 im Doba-Becken Erdöl gefördert. Unter Führung des US-Konzerns Exxon. Über eine 1050 Kilometer lange Pipeline gelangt der Stoff bis zur Atlantikküste Kameruns, um dort amerikanische Tankschiffe zu befüllen. Solch kostbare Fracht braucht Schutz. Wahrscheinlich deshalb haben die USA in der „Pan-Sahel-Inititative“ mit dem Tschad eine enge militärische Zusammenarbeit vereinbart. Die US-Special-Forces bilden Soldaten des Tschad aus, der Tschad stellt der US-Armee zum Dank Militärbasen zur Verfügung. Wahrscheinlich muss im diktatorischen, korrupten Tschad die Freiheit verteidigt werden. Immerhin gilt der Tschad als das florierende Zentrum des afrikanischen Kinderhandels. Und so kommt die Freiheit des Handels, die verteidigt werden muss, hinzu. Wahrscheinlich gegen die Russen. Da geht ohne Rückversicherung gar nichts.


Fotoquelle: Wikipedia – Author TSGT MICHAEL AMMONS, USAF

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Harald Range

Erstellt von Redaktion am 30. Mai 2014

Kein Aktenzeichen NSA

Autor: U. Gellermann

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Datum: 29. Mai 2014

Sieh mal an: Die Bundeskanzlerin hat ihr Handy vom „Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik“ auf Viren und Trojaner untersuchen lassen, lässt sie mitteilen. Als ob die NSA nicht völlig andere Quellen hätte. Ob nun jene Daten-Staubsauger auf dem Dach der US-Botschaft in Berlin oder das simple Anzapfen der Datennetze an den Knotenpunkten in England. Aber eine eigentliche Quelle zur Verifizierung des permanenten Lauschangriffs auf die Deutschen und ihre Kanzlerin verstopft gerade der Generalbundesanwalt: Harald Range will gegen die FREUNDE der Merkel nicht ermitteln, statt dessen will er mit einer „abschliessenden Entscheidung“ den kaum begonnen Ermittlungen gegen die NSA den Garaus machen.

Nun ist Harald Range seit dem 19. Lebensjahr in der FDP, hat all ihr Schwanken und Wanken erfolgreich mitgemacht und konnte auf diesem devoten Weg zu einem Monatsgehalt von etwa 10.000 Euro aufsteigen. Aber warum arbeitet er nicht dafür? Denn nach § 120 Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) ist er zuständig: Für die „erstinstanzliche Strafverfolgung von Delikten gegen die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland . . . Delikten gegen die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, vor allem von Landesverrat und Spionage.“ All das erfüllt die NSA völlig perfekt. Und wenn man einen von denen erwischen würde, zum Beispiel beim üblichen Gedankenaustausch mit dem Bundesnachrichtendienst, beim „Brückenwirt“ in Pullach, dann wäre schon was fällig: Nach § 96 StGB kostet die landesverräterische Ausspähung zehn Jahre Knast. An der Zuständigkeit und dem Strafmaß zweifelt keiner.

Nur der Generalbundesanwalt hat schwere Zweifel an der Beweislage. Tatsächlich hat sich noch keiner von den FREUNDEN bei ihm oder der Kanzlerin oder irgendeinem der deutschen Emissäre gemeldet und gesagt: Tschuldigung, ich war es, ich habe abgehört. Weder Obama, der oberste Befehlshaber, noch der Chef der NSA, Michael S. Rogers, waren dazu bisher bereit. Zwar sind die USA so verrückt diesen oder jenen Krieg vom Zaun zu brechen, aber sich selbst zu denunzieren, dazu sind sie nicht blöd genug. Doch weiss jeder, der bei Vernunft ist, die Beweislage wäre völlig wasserdicht herzustellen wenn der Generalbundesanwalt den Zeugen Edward Snowden anhören würde. Selbst wenn es dann, mangels namentlicher Anklage nicht zu einem Hauptverfahren und einer Verurteilung käme, würde die Höchststrafe bereits in der Demütigung der USA liegen.

„Spitzel, Sprengstoff und Spione“ – so lautete vor zwei Jahren das Thema mit Generalbundesanwalt Harald Range beim siebten Stiftungsfest der Bürgerstiftung Celle. Über Jahre lebte Range im beschaulichen Celle. Dort, in der „Alten Exerzierhalle“, einer ehemaligen Kaserne, war gut über Spitzel und Spione zu reden. Denn mit dem Handeln hatte es der oberste Strafverfolger der Bundesrepublik nicht so: „Meine politische Grundeinstellung ist: So viel Staat wie nötig und so viel Freiheit wie möglich. Daraus leite ich mein Weltbild und mein berufliches Ethos her.“ Was soll dem Generalbundesanwalt schon der Staat? Zwar soll er ihn schützen, aber wenn der deutsche Staat zum Beispiel der Freiheit der FREUNDE Merkels im Weg stünde? Ja, wo kämen wir denn da hin?

Wir kämen da hin, dass die Verfassung eingehalten würde, auf die auch Range einen Eid geleistet hat: „Ich schwöre, das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und alle in der Bundesrepublik geltenden Gesetze zu wahren und meine Amtspflichten gewissenhaft zu erfüllen.“ Statt dessen erleben wir im Fall NSA den Tatbestand der Rechtsbeugung und der Strafvereitlung. Da wir aber alle wissen, dass der Schmock Range nur die Stimme seiner Herrin ist, macht es Sinn auch an deren Eid zu erinnern: „„Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde“. Es ist doch immer wieder deprimierend zu sehen, wie Eid und Verfassung auf dem Altar der Freundschaft mit den USA verbrannt werden. Auf jenem Scheiterhaufen der Demokratie, der den Geruch von altem Filz und neuer Hörigkeit verbreitet.


Grafikquelle :   Der Hauptsitz der Bundes­anwalt­schaft in Karlsruhe

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Schwarz-Weiss im Kamera-Kampf

Erstellt von Redaktion am 28. Mai 2014

Die Filme von Heynowski und Scheumann

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/99/A_vietnamese_Professor_is_pictured_with_a_group_of_handicapped_children.jpg

Autor: U. Gellermann

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Datum: 26. Mai 2014

Es muss 1968 gewesen sein, vielleicht auch 69. In einem Versammlungsraum der Außerparlamentarischen Opposition (APO) wurde ein Film gezeigt. Gesicht um Gesicht sprach von einer Bettlaken-Leinwand auf junge Westdeutsche ein. Piloten der US-Air-Force erzählten über ihre Einsätze in Vietnam. Es war ein Job, sagte der eine, meine Pflicht, ein anderer, kühl waren die Köpfe aneinander montiert, nah dran die Kamera. Unten waren die Toten zu vermuten, oben die maschinellen Mörder, unten die Vietnamesen, die ihr Land gegen einen scheinbar übermächtigen Feind verteidigten, oben die Roboter mit menschlicher Maske, unten ein verzweifeltes Land, oben Totmacher ohne jeden Zweifel. Der Film war von Heynowski & Scheumann gemacht, von Leuten, die in der DDR lebten. Sie waren zwei und sie hatten Vornamen. Und doch nannte man sie, wie man Firmen nannte, mit einem Begriff: „H&S“. Es sollten viele, viele Filme der beiden Macher noch die Leinwände erreichen. Jede Menge davon liegen uns jetzt als DVD´s in einem Schuber vor. Editiert von Ralf Schenk und der „absolut Medien GmbH“ kommen sie auf den Erinnerungstisch. Denn „H&S“ schien seit dem Ende der DDR dem Vergessen anheim gegeben. Doch wer damals vor dem flimmernden Laken saß, der konnte nur mit Mühe vergessen, der hätte daran arbeiten müssen. Wer nicht vergaß, der trägt seinen Hass auf die niedrigen, befohlenen Mörder bis heute in sich.

Natürlich war das „Verschwinden“ der H&S-Filme kein Versehen. Kaum andere Macher haben den Film als so scharfe, als so gnadenlose Waffe genutzt, immer längs der internationalen Auseinandersetzung, immer zu Themen, die heute lieber vergessen und verschwiegen werden: Filme über die westdeutschen Söldner, die in den 60er Jahren den Kongo heimsuchten, über das Massaker in My Lai, jenes Kriegsverbrechen der US-Armee dem über 500 Zivilisten zum Opfer fielen, bis zum „Krieg der Mumien“, jener filmischen Bestandsaufnahme in Chile nach der friedlichen Revolution und dem von der CIA organisierten Putsch gegen Allende am 11. September 1973. „Wer nicht hüpft, ist eine Mumie“, skandieren im strahlenden Schwarz-Weiss hüpfende, fröhlich lachende junge Chilenen, und wie die Bässe im Chor klären Arbeiter den Zuschauer auf: „Mumien? Das sind Kapitalisten!“ Die Mumien, das wussten H&S während der Filmproduktion schon, haben dann doch gewonnen, ausgehüpft hatten die jungen, friedlichen Revolutionäre. Und doch, wenn gegen Ende des Films das Lied der chilenischen Massen noch einmal aufklingt: „El Pueblo unido, jamás será vencido“, das Lied vom vereinten Volk, das niemals besiegt werden wird, dann handelt der Film von einer Hoffnung, die nur schwach noch schimmert und doch existiert.

Nicht nur das Material war schwarz-weiss, auch die Konzepte der Filme lebten, leben bis heute von klaren Frontstellungen: Dort ihr, hier wir, riefen sie und ließen das vermissen, was heute gern eingeklagt wird: Differenziertheit, das Berücksichtigen beider Seiten, das milde Altersgrau scheinbar perfekter Demokratien. Was gab es bei den US-Piloten zu differenzieren in jenem Augenblick in dem sie „Agent Orange“ versprühten, jenes Gift das heute noch Menschen und Ernten in Vietnam verkrüppelt? Welche der zwei Seiten sollten in Chile gleich berücksichtigt werden? Sollten die Opfer den Tätern gleichen? – Als H&S zu Beginn der 80er Jahre in Kambodscha ihren Film „Die Angkar“ drehten, konnten sie nicht ahnen, dass ihr gnadenloser Bericht über Folter und Mord unter dem Symbol von Hammer und Sichel das Ende ihres berühmten Studios einleiten würde: Ihre Partei, ihre SED empfand den Anti-Pol-Pot-Film als störend in einer Phase, in der die DDR sich dem chinesischen Verbündeten der Roten Khmer näherte. Gerhard Scheumann wagte es auf dem Kongress des DDR-Verbandes der Film-und Fernsehschaffenden 1982 sogar die Medienpolitik der DDR zu kritisieren: „Die Qualität der Medienpolitik ist ein Gradmesser für die soziale Kultur eines Landes.“ Und er befand die DDR-Medienpoltik als unreif in der Behandlung der Probleme des eigenen Landes. Die Obrigkeit schloss das H&S-Studio, die beiden wurden zeitweilig in die Ecke der Parteifeinde gestellt. Erst Jahre später sollten sich H&S von Scheumanns Kritik erholen, sollten sie wieder eine ähnliche Rolle in der DDR einnehmen dürfen wie vor dessen Rede.

Irgendwann in den 80er Jahren besuchte ich Gerhard Scheumann zu Hause, um ihn nach neuen Themen, nach neuen Filmen zu fragen. Auf dem Rückweg von der Ost-Berliner Lenin-Allee, nicht weit von der Kreuzung Ho-Chi-Minh-Straße, bemerkte ich im Rückspiegel einen Lada mit einer Antenne, die es nur an Autos aus der Garage der Staatssicherheit gab. Mir, dem Besucher aus dem Westen mit linker Provenienz, konnte nichts geschehen. Aber Scheumann sollte durch die demonstrative Stasi-Präsenz zumindest eingeschüchtert und Besucher abgeschreckt werden. Zwar gab es, nach einer erzwungenen Schaffenspause, neue Filme von H&S. Aber es gab keine neue, keine andere Medienpolitik. Später sollte es dann, für den kurzen Moment der „Runden Tische“ eine neue DDR geben. Spät, zu spät. Nicht zu spät liegen die neuen DVD´s der alten Filme vor: Historisches Material mit aktuellen Bezügen – auch wenn die tödlichen Flugobjekte heute nicht mehr bemannt sind, die man gegen die da unten lenkt. – Für die große Möglichkeit aus alten Filmen neue Erkenntnisse zu gewinnen ist dem Herausgeber dringend zu danken.

[youtube r7zUb95ofG0]

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Grafikquelle    :  Ho Chi Minh. Professor Nguyen Thi Ngoc Phuong, at Tu Du Obstetrics and Gynecology Hospital is pictured with a group of handicapped children, most of them victims of Agent Orange.

Gruppe von Agent Orange geschädigten Kindern; Quelle: Wikimedia Commons

  • CC BY-SA 3.0
  • File:A vietnamese Professor is pictured with a group of handicapped children.jpg
  • Erstellt: 1. Dezember 2004

 

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Die EU lässt grüßen

Erstellt von Redaktion am 27. Mai 2014

Würden Wahlen etwas ändern, so wären sie verboten*

Begrüßung der Gäste durch Frontex am Mittelmeer?

Autor: U. Gellermann

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Datum: 26. Mai 2014

In einem durchweg lustlosen Akt beerdigten gestern Millionen Europäer ihre Stimmen in den Urnen. Kaum die Hälfte der Wahlberechtigten wollte von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen. Offenkundig hatten nicht wenige die Inszenierung einer scheinbaren Direktkandidatur – Schulz gegen Juncker – durchschaut: Immer noch wird der Präsident nicht unmittelbar gewählt sondern von den Staatschefs der EU ernannt. Und doch taten die deutschen Medien bis zur letzten Sekunde so, als könne man den einen oder anderen Kandidaten ohne jeden Umweg wählen.

Die Vorspiegelung einer Kampfkandidatur war nicht die einzige Lüge dieser Wahl. Denn parallel zu den EU-Wahlen wurden in den Hinterzimmern der Macht die Verhandlungen über das EU-USA-Handelsabkommen (TTIP) fortgesetzt. Ein Abkommen, das die Regeln, nach denen die Europäer künftig leben werden, mehr beeinflusst als jede Wahl. Aber warum sollte es in einem Gebilde, das keine Verfassung besitzt, über das die Bevölkerung nie hat abstimmen dürfen auch anders sein? Die EU hat als EWG, als Europäische Wirtschaftsgemeinschaft begonnen, demnächst wird sie zur Euro-Amerikanischen-Wirtschaftsgemeinschaft umgewandelt und wer die Zeche in dieser Wirtschaft zahlen soll ist klar: Die, denen die Kneipe nicht gehört.

Besonders viele Wahlverweigerer finden sich unter den Arbeitslosen. In einer Studie der Bertelsmann-Stiftung wurde festgestellt: „Hinter der zunehmenden Ungleichheit der Wahlbeteiligung verbirgt sich eine soziale Spaltung der Wählerschaft.“ Mag in der Mittelschicht noch der Glaube vorhanden sein, man könne mit der Wahl tatsächlich etwas bewegen, so ist diese Illusion bei den Abgehängten nicht weit verbreitet. Erstaunlich bleibt der Unterschied zwischen dem erfassten Wählerwillen und der Regierungswirklichkeit: Hartnäckig sagt die klare Mehrheit der Deutschen bei Umfragen, dass sie keine weitere Militarisierung der Bundesrepublik wünscht. Und halsstarrig singen die von der selben Mehrheit gewählten Obrigkeiten das grausige Lied von der „gewachsenen deutschen Verantwortung“, dem militärischen Einsatz in anderen Ländern.

Erst jüngst wollte die EU ihrer angeblich gewachsenen Verantwortung außerhalb der Grenzen gerecht werden: Drei EU-Außenminister begaben sich auf dem Kiewer Maidan unter das Volk, vorgeblich um seinem Willen Genüge zu tun. Der Maidan wollte die Macht der Oligarchen beenden. Jetzt hat die augenscheinlich herumliegende Macht Petro Poroschenko in seine dicken Hände genommen. Poroschenko war in der vergehenden Sowjetunion noch Student. Und jetzt ist er Milliardär und Präsident von Teilen der Ukraine. Wo blieb der „Engel vom Maidan“, Olga Bogomolets, die sich auch zur Wahl gestellt hatte? Im wahltechnischen Aus. Ihr fehlten schlicht die TV-Sender, die Zeitungen, über die Poroschenko verfügte. Der will nun den Maidan neu pflastern lassen. Hat er versprochen. Dazu wird er den immer noch besetzten Platz räumen lassen müssen. Ob die EU-Außenminister die Räumung auch mit ihrer Anwesenheit beehren werden?

Vor den ukrainischen Wahlen hat Gernot Erler der Russlandbeauftragte der Bundesregierung, ein wahres Wort gelassen ausgesprochen: Nach ukrainischem Wahlrecht könne jeder Bürger wählen wo er wolle. Gemünzt war dieser Hinweise auf das Donbass-Gebiet, wo die Anti-EU-Maidan-Leute die Wahl nicht wünschten. Anders als Erler es sich vorgestellt hatte, gab es keine Wählerwanderungsbewegung aus der Ost- in die Westukraine. Und obwohl ARD und ZDF sich große Mühe gaben, die Wahl-Unlust im Osten mit den bewaffneten Separatisten zu erklären, meldete die Kiewer Onlinezeitung „Politnavigator“, die Wähler seien einfach nicht in die örtlichen Wahllokale gekommen. Oder, wie eine junge Frau in die Kamera erzählte: „Wir haben doch schon abgestimmt. Mit unserem Referendum über die Unabhängigkeit.“

In Belgien legten die flämischen Separatisten bei den EU-Wahlen kräftig zu. Das muss außer bei den Anhängern der „Nieuw-Vlaamse Alliantie N-VA“ nirgendwo Freude auslösen. Denn der von der N-VA angestrebte „humanitäre Nationalismus“ ist nichts als eine dünnes Mäntelchen für national gefärbten Neo-Liberalismus. Die Zugewinne der heftig rechten Marine Le Pen in Frankreich sind wesentlich die Kehrseite der vielen gebrochenen Wahlversprechen der angeblich sozialistischen Regierung Hollande. Dagegen ist der beachtliche Wahlerfolg der linksradikalen Syriza-Partei in Griechenland – angesichts von Einkommensverlusten der Bevölkerung von 40 Prozent und Rekorden bei den Arbeitslosen-Zahlen – ein Stimmungsbild politischer Reife: Immerhin hat eine Mehrheit der griechischen Wähler – anders als in den meisten europäischen Ländern – nicht wieder die gewählt, die das Europa der Banken seit Jahr und Tag befördern. Wahlen allein ändern nichts. Sonst wären sie verboten. Aber sie sind Reifeprüfungen für die Bevölkerung.

*Emma Goldmann, 1869 – 1940

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Fotoquelle: Wikipedia – Urheber SSgt Shane Mellor / Public domain photograph from defenseimagery.mil.

Salut – „US-Soldaten wohl in der Panzerkaserne Böblingen (siehe Schild im Bildhintergrund rechts)“.

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Geld stinkt doch

Erstellt von Redaktion am 22. Mai 2014

Deutsche Bank nimmt Blutgeld aus Katar

Judas gibt die dreizig Silberlinge zurück / Tribute Money

Autor: U. Gellermann

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Datum: 22. Mai 2014

Vom römischen Kaiser Vespasian soll die Spruchweisheit „Pecunia non olet – Geld stinkt nicht“ stammen. Der Kaiser hatte eine Latrinensteuer eingeführt und hoffte, durch die Umwandlung von Urin in Geld, die Geruchsspur verwischt zu haben. Nicht, dass die Deutsche Bank ein Ort körperlicher Erleichterung wäre. Und doch geht eine Witterung von ihr aus, die von der Nase unmittelbar zum Brechreiz führt: Das Königreich Katar kauft sich gerade mit Milliarden in die Deutsche Bank ein, wird mit sechs Prozent der Aktien zum größten Einzelaktionär, und will diese Beteiligung noch bis zu acht Prozent ausweiten.

Sie heißen in den deutschen Medien Herrscherfamilie, Scheichs, gern auch Könige oder Prinzen, so wird die Sippe in Katar veredelt. Dass es sich um eine gewöhnliche, brutale Diktatur handelt, ist erstmalig in Vorbereitung der Fußballweltmeisterschaft zum allgemeinen Thema geworden: Der Gestank von Sklavenarbeit wehte aus den Baracken der Bauarbeiter rund um die WM-Stadien. Rechtlos, extrem schlecht bezahlt, wurden nicht wenige von ihnen zu Tode geschunden. Rund 4.000 Opfer zählt der Internationale Gewerkschaftsbund bisher. Deutsche Menschenrechtspropheten, wie der Pfarrer Gauck, haben bisher ihre Teilnahmen an der Fußballweltmeisterschaft nicht absagen wollen.

Man will teilnehmen am Glanz und Reichtum eines grausamen Systems, man will doch den engen Partner der amerikanischen Freunde nicht verärgern, die dort einen Militärstützpunkt mit etwa 5.000 Soldaten unterhalten, auf dem 2002 die Generalprobe für den Irak-Krieg abgehalten wurde. Und schließlich möchte man es sich auch nicht mit einem guten Kunden der deutschen Rüstungsindustrie verderben: Erst jüngst haben die katarischen Sklavenhalter deutsche Panzer und Haubitzen für fast 2 Milliarden Euro geordert, da müssen Merkel und Gauck den üblen Geruch der Diktatur flugs in den erotischen Duft des Geldes umdeuten.

Die Deutsche Bank war noch nie zimperlich, wenn ihr investiertes Geld vom Odeur des Todes umweht wurde: Tapfer hielt man sich die Nase zu, wenn die Bank Bauarbeiten in Auschwitz finanzierte, auch der Handel mit dem Zahngold ermordeter Juden war für sie nicht mit üblem Geruch behaftet. Man verdiente gut an der Arisierung jüdischer Konzerne wie dem Bankhauses Mendelssohn & Co, wie Ullstein oder Salamander. Und auch der Gestank, der aus den braunen Hosen der Naziführung aufstieg irritierte die Deutschbänker nicht, wenn sie die Nähe von Herrmann Göring suchten. Mit Karl Ritter von Halt platzierte man sogar einen Vertrauten im „Freundeskreis Heinrich-Himmler“. Wer an der Finanzierung des deutschen Krieges verdienen wollte, der musste oben mitspielen.

Bis heute ist die Bank im Rüstungsgeschäft. Man unterhält Geschäftsbeziehungen zu diversen Anbietern und Herstellern von Streumunition wie „Alliant Techsystems“, man hat im Portfolio Unternehmen wie GenCorp oder BAE Systems, die an der Herstellung von Atomwaffen beteiligt sind, und natürlich ist die Deutsche Bank über ihre Tochter DWS auch am schmutzigen Geschäft mit der Uranmunition beteiligt. Kein noch so widerliches Geschäft stinkt ihr, der Verwesungsgeruch des Krieges zieht sie geradezu an, denn dort werden außergewöhnliche Profite gemacht: Das Ziel einer zwölfprozentigen Eigenkapitalrendite muss erreicht werden.

Der neue Großaktionär aus Katar ist mit Geld und Waffenlieferungen an radikale Islamisten am mörderischen Krieg in Syrien beteiligt, die islamischen Taliban unterhalten ein „Verbindungsbüro“ in der Hauptstadt Doha und das Land ist ideologisch vom dogmatischen Wahabitismus geprägt, jener Form des Islam, die Homosexualität für ein Verbrechen hält und Frauenrechte für Unsinn. Und dass Zensur im katarischen Internet an der Tagesordnung ist, rundet das Bild ab. „Leistung aus Leidenschaft“ lautet der Slogan der Deutschen Bank. Mit besserem Recht sollte er in „Leistung, die Leiden schafft“ umgewandelt werden. Auch „Nase zu und durch“ wäre angemessen für eine Bank, deren Geschäftsmoral zum Himmel stinkt.

Fotoquelle: Wikipedia – Künstler Mattia Preti (1613–1699) Auf die Infoboxvorlage des Erstellers verlinken wikidata:Q468632 / Pinacoteca di Brera Link zurück zur Museums Infobox-Vorlage wikidata:Q150066

Dieses Werk ist gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist.

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Priester, schwul & hübsch

Erstellt von Redaktion am 20. Mai 2014

Wenn das der Papst wüsste

Datei:Der schwule Pastor Hans-Jürgen Meyer mit Lebensgefährten Bernd im Andersraum zur Lesung aus dem Buch Lieben - Leiden - Lachen.jpg

[youtube zv068dEGMkU]

Autor: U. Gellermann

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Datum: 19. Mai 2014

Er ist attraktiv, der katholische Priester Adam. Das meint auch die junge Ewa, die gelangweilt in der polnischen Provinz hockt und dem Priester eine echte Anfechtung sein könnte. Aber Adam (Andrzej Chyra) bleibt unnahbar. Nicht ganz so standhaft ist er, wenn er sich die knackigen jungen Männer rings um ihn herum ansieht, die sich in seiner Obhut befinden. Denn Adam ist schwul. Und so riskiert er zwar einen Blick auf Lukas (Mateusz Kosziukiewicz) aber erst mal auch nicht mehr. Die polnische Regisseurin Malgoska Szumowska lässt ihren Film „Im Namen des . . .“ sich anschleichen. Kleine Gesten, Augenaufschläge, verstohlene Berührungen, mehr besser nicht, erzählt sie, wenn man im Gefängnis des Zölibat steckt.

Die polnische Provinz ist eine öde, scheinbar reizarme Gegend. Die weite, großzügige Landschaft kontrastiert mit der Stumpfheit des Tagesablaufs der Provinzler. Ein einziger Laden ist der Ersatz für Kino und Kneipe. Diese Kulturwüste soll wahrscheinlich die schwer erziehbaren jungen Männern, die im katholischen Heim mit Sport und Beichte therapiert werden, auf Buße und Reue konzentrieren. Aber wie sollte die Sexualität unterdrückt werden können, wie sollte man sie kanalisieren können? Adam empfiehlt Sport und kalte Bäder. Und so rennt er durch die Gegend, badet viel und kann sein Begehren doch nur im Schnaps ertränken.

Das macht die Szumowska großartig, wenn sie Adam volltrunken mit einem Foto des Papstes durch die Wohnung tanzen lässt. Es gelingt ihr immer wieder Bilder für die Gewissensqualen des Priesters zu finden, für seinen verzweifelten Kampf mit der eigenen Sexualität, den er verlieren muss. Aber seinen Job scheint er – trotz einer Denunziation – behalten zu können. Sein Bischof kennt das, was er ein Problem nennt, man hat den Adam schon einmal versetzt, man wird es wieder tun.

In einer prächtigen, wunderbar fotografierten Prozession gegen Ende des Films, kulminiert noch einmal die ganze Wirkungsmächtigkeit der katholischen Kirche auf dem Land, der tiefe Glaube an die Kraft der heiligen Fahnen und Figuren, die heilige Blindheit, deren Denkverbote Körper und Geist fesseln. Doch wenn zum Schluss der Geliebte Adams als Mitglied eines Priesterseminars auftaucht, wird die Vermutung nahegelegt, dass für den unterdrückten Schwulen die katholische Kirche ein Refugium sein könnte. Wenn das der Papst wüsste.

Zur Zeit in den Kinos

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Grafikquelle    :

Quelle Eigenes Werk
Urheber Bernd Schwabe in Hannover

Lizenz

w:de:Creative Commons
Namensnennung Weitergabe unter gleichen Bedingungen
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Krieg zu Tiefstpreisen

Erstellt von Redaktion am 19. Mai 2014

Israels Seemacht im Mittelmeer

Autor: U. Gellermann

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Datum: 19. Mai 2014

Manche Tage müssen für Angela Merkel ätzend sein. Noch hat sie den Krieg um die Ukraine für die USA nicht gewonnen, da zerren die Israelis an ihren zarten Nerven. Die wollen drei nagelneue Korvetten für ihre Marine haben, aber am liebsten nichts, oder wenn, dann doch nur wenig zahlen. Es geht, sagt die Waffenindustrie, um rund eine Milliarde Euro und die Kriegsschiffe seien bestens ausgerüstet. Das Schiffsgeschütz kann 85 Schuss pro Minute glatte 18 Kilometer weit schießen und dem Raketenwerfer wird im Prospekt geradezu hymnisch eine „bisher unerreichte Effektivität“ zugeschrieben. Leider sind zur Zeit keine Fotos von Wasserleichen im Ergebnis der unerreichten Effektivität verfügbar.

Keine Waffen in Spannungsgebiete! Dieser schöne Satz soll auf dem Klopapier stehen, das der „Bundessicherheitsrat“ benutzt, jenes geheim tagende Gremium das den Waffen-Export kontrollieren soll, sich aber eher als Marketing-Agentur für die deutsche Rüstungs-Industrie versteht. Denn die Lieferung der Korvetten an Israel ist natürlich prinzipiell längst bestätigt, es geht nur noch um die Höhe des Rabatts. Und dass die Gegend, in der die Kriegsschiffe ihren Dienst aufnehmen sollen, ein Spannungsgebiet erster Güte ist, versteht sich von selbst: Sie sollen die Erdgas-Felder, die Israel für sich im Mittelmeer beansprucht und deren Pipelines schützen. Zumindest der Libanon, mit dem sich Israel immer noch im Kriegszustand befindet, meldet ebenfalls Ansprüche für die Gasfelder an. Auch die Türkei und Syrien sind in dieser Gegend nicht völlig anspruchslos.

Nun könnte man annehmen, es gäbe internationales Recht, das die jeweiligen Ansprüche regelt. Gibt es auch. Es ist die „Uno-Seerechtskonvention“. Aber wie es der Zufall will, hat Israel diese Konvention nie unterzeichnet. Auch die besten Freunde der Kanzlerin, die USA, haben die Konvention ebenfalls nicht unterschrieben. Die FREUNDE lassen sich doch von irgendwelchen internationalen Verträgen nicht die Hände binden wenn es um ihre wirtschaftlichen Interessen geht. Und weil in die Entdeckung und Erschließung der Erdgasfelder unter israelischem Anspruch im Mittelmeer auch der US-Konzern „Noble Energy“ – ein Konkurrent von GAZPROM – verwickelt ist, kann man das internationale Recht gleich vierhändig zerreissen.

Das israelische Verteidigungsministerium hat schon im Dezember 2013 bei seinem Finanzminister eine Sonderzahlung in Höhe von 620 Millionen Euro für den Kauf der Korvetten zum „Schutz“ der Gasvorkommen beantragt. Um in die Nähe des realen Preises zu kommen, müsste irgendjemand die fehlende Drittel-Milliarde spenden. Dazu gibt der Regierungssprecher Steffen Seibert sachdienliche Hinweise. Es gäbe wegen der „besonderen Verantwortung“ Deutschlands für die Sicherheit Israels schon lange eine intensive Zusammenarbeit bei der maritimen Rüstung: „Von dieser Grundhaltung weicht die Bundesregierung nicht ab“. Die sechs bereits gelieferten deutschen U-Boote könnten sich in den Häfen der israelischen Kriegsmarine ja einsam fühlen. Auch das muss bedacht sein.

Generell ist die „deutsche Verantwortung“ ja mächtig gewachsen. Das haben Herr Gauck, Frau van der Leyen und der Aussen-Dackel Steinmeier schon mehrfach öffentlich erzählt. Deshalb kann die Bundesrepublik auch problemlos Kriegsschiffe in ein Kriegsgebiet liefern. Genau so, wie sie die gewachsene deutsche Verantwortung in der Ukraine mit der einseitigen Unterstützung einer der Bürgerkriegsparteien belegt. Dass zufällig Bill Clinton der wichtigste Lobbyist für „Noble Energy“ ist, und dass der Ukraine-Konflikt seine Ursache auch in der internationalen Konkurrenz US-amerikanischer Energie-Konzerne gegen den russischen Gas-Betrieb GAZPROM hat, kann die „deutsche Verantwortung“ nur stärken: Bis alles in Scherben fällt.


Grafikquelle :  INS Dolphin

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Die Fassade der großen Stadt

Erstellt von Redaktion am 16. Mai 2014

Und die dahinter, die sieht man nicht

Autor: U. Gellermann

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Datum: 15. Mai 2014
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Buchtitel: Isabel
Buchautor: Feridun Zaimoglu
Verlag: Kiepenheuer & Witsch

Da guckt er aus einer Sprechblase, der wenig begabte Regierende Bürgermeister. Bei der letzten „Hauptstadt-Kampagne“, machte er Werbung für seine Stadt und ein anglizistisches „be berlin“ tropft ihm von der kessen Lippe, und schon war Belin Weltstadt. Das könnte den Schriftsteller Feridun Zaimoglu angeregt haben, als er seinen Roman „Isabel“ auf Kiel legte. Der mit „Kanak Sprak“ berühmt und angenehm berüchtigt gewordene Autor wischt mit seinem Buch der Stadt die Schminke vom Gesicht, treibt die Horden billigen Prosecco trinkendener Galeriebesucher vor sich her und zeigt Berlin von unten, in seiner ganzen Kleinheit und Gemeinheit, wenn er den Soldaten und das abgetakelte Modell Isabel aufeinander treffen lässt. Schon, dass er den Soldaten aus dem Kosovo hat heimkehren lassen, macht das Buch zur seltenen Kostbarkeit. Denn eine Wirklichkeit mit den Folgen des Kriegs, der Verrohung und Zerrüttung, sind eine Seltenheit im deutschen Schriftstellergewerbe. Isabel, in der Türkei geboren, im neuen Deutschland vom Regen in die Jauche geraten, die andere Hauptfigur vom Rand der Stadt, ist „außen bunt und innen grau“ und, sagt sie von sich „unten verstopft“.

Zaimoglu rückt den Rand der Stadt, den Schmutz, die Flaschenfischer, die Suppenküchenbesucher, die Transen und den käuflichen Sex in den Mittelpunkt des Romans, findet das Abenteuer im Gewöhnlichen, formt Sätze aus Wut und in Eis gegossen. Der Autor beschießt seine Leser mit einem Wort-Stakkato bis ihnen die ganze, brutale Wahrheit einleuchtet, zu einem Erkenntnis-Leuchten wird inmitten einer Stadt mit einer dünnen, oberen Fettschicht über einer kargen Armeleute-Brühe. Eine Stadt, in der immer alles neu & groß & wichtig ist und in der eine erbärmliche Existenz wie Sarrazin als Intellektueller gelten darf. – Nun ist der Soldat ein Wachmann, zuständig für die Mensa einer Uni. Dort muss der Schriftsteller keine Geschichten erfinden, er findet sie in den vielen Verrückten, die in der Mensa auf ihr kleines Glück hoffen, auf One-Night-Stands oder Essensreste.

Das große Glück, glauben Isabels Eltern, läge für Ihre Tochter in einem Mann und Kindern, in einer Familie. Deshalb organisiert ihre Mutter, bei einem Treffen in der Türkei eine ganze Parade von Bewerbern um die Hand der Tochter. Ihre Hand hätte auch gern der Gichtige, für den sie einkaufen geht. Ihm ist die bisherige Onanier-Helferin entlaufen, selber machen kann er es wegen der Gicht nicht, also soll sich Isabel nicht zieren, wird gut bezahlt, die kleine Handreichung. Das geht ihr dann doch zu weit. Obwohl sie ein gutes Geld als Beisitzerin bei einem Beischlaf verdient: Das Paar braucht Publikum, eher ein Auditorium, denn Isabel hört alles, sieht nichts, soll abgewandt bleiben. – Da taumeln sie aufeinander zu, der Soldat mit dem kaputten Kopf und die Frau mit dem kaputten Herzen. Taumeln voneinander weg, hätten sich doch gern, kriegen sich nicht, und bleiben sich so fremd, wie nur die Fassade der großen Stadt fremd machen kann. Und die dahinter, die sieht man nicht. Will man nicht sehen. Doch wer Zaimoglu liest, der kann sie kennen lernen und die Wurzeln ihrer Verzweiflung, ihres Zorns und der Hilflosigkeit begreifen

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Fotoquelle: Wikipedia – Author -jkb-

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Wolf Biermann und der Boxer

Erstellt von Redaktion am 15. Mai 2014

Wie Deutschland in der Ukraine Demokratie herstellt

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Autor: U. Gellermann

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Datum: 15. Mai 2014

In ein paar Tagen ist der Sänger in Kiew: Wolf Biermann, der gern auf CSU Parteitagen auftritt und heftig den Irak-Krieg begrüsste, hatte dem Boxer und Präsidentschaftskandidaten Klitschko einen Sympathisantenbrief geschrieben. Den verliest er nun an der Velyka-Zhytomyrska-Straße in Kiew bei einer Veranstaltung europäischer Intellektueller. Das ist schön, wenn ein CSU-Anhänger einem Zögling der Konrad-Adenauer-Stiftung seine Unterstützung versichert. Vor allem aber ist es symbolisch für die deutsche Ukraine-Politk: Man redet mit sich selbst. Die Merkel mit ihrer alten Freundin Julia Tymoschenko, Aussenminister Steinmeier mit seinem neuen Freund, dem Präsident Alexander Turtschynow, der im Bündnis mit der Swoboda-Nazipartei übergänglich das Land regiert und die Swoboda wiederum redet mit Vorliebe mit der NPD. So geht deutsche Demokratie in der Ukraine.

Jetzt dreht Demokratie-Deutschland total auf: Nachdem Wladimir Putin, der neue Feind deutscher Polit-Bürokratie und der ihr angeschlossenen Medien vor Tagen vorgeschlagen hat einen „Runden Tisch“ mit allen Beteiligten einzurichten, findet der Aussen-Steinmeier das auch nicht schlecht. Sagt er. Was er immer noch nicht ausspricht, obwohl er es wissen könnte, ist die Notwendigkeit einer Föderalisierung der Ukraine. Spätestens nach den Volksabstimmungen ist deutlich, dass die Menschen im Osten der Ukraine keine Lust mehr auf einen zentralisierten Staat haben. Und weil die Mehrheitsdeutschen offenkundig nur Freunde im Westen der Ukraine haben, wissen sie alle ganz genau, dass die Volksabstimmung nicht rechtens war. Natürlich war das keine Volksabstimmung nach allen Regeln juristischer Kunst. Aber wer die Bilder gesehen hat, wie Alte und Junge, Kind und Kegel, Väter und Mütter sich an die Wahlurnen gedrängelt haben, der weiß genau: Das war ein Stimmungsbild.

Die Süd-Ost-Ukrainer haben die Schnauze voll von einer Regierung, die US-Söldner der berüchtigten Blackwater-Academi-Mörder zur Bekämpfung von Demonstranten und Besetzern ins Land geholt hat. Von einem Übergangsregime, das Nazis und die zum Verwechseln ähnliche Nationalgarde denen auf den Hals hetzt, die sich ohnehin schon stranguliert fühlen. Von einem Regime, dass den erklärten Volkswillen mit „Anti-Terror-Truppen“ bekämpft. Von der korrupten Timoschenko-Gruppe, die den Kern der vorgeblichen Regierung bildet und sich in der Vergangenheit die Taschen gefüllt hat und erneut gern die Lizenz zum Klauen hätte, um nach einer wie auch immer zusammengebastelten Präsidentschaftswahl der NATO beizutreten. Wer also in der Ukraine Frieden wollte, wer den Bürgerkrieg vermeiden und den Grenzkrieg stoppen wollte, der müsste mit den Leuten in der Süd-Ost-Ukraine reden. Vor den Präsidenten-Wahlen und über eine Föderalisierung, wie sie zum Beispiel die Katalanen in Spanien und die Schotten in Großbritannien durchgesetzt haben. Da sei das Duo Infernale, die gewaltige Merkel und ihr Steinmeier-Dackel vor: Gemeinsam mit der Kiewer Sonder-Regierung schließen sie die Leute aus dem Osten aus.

„Gewalt zur Lösung der eigenen Probleme darf nicht angewendet werden“, plappert die Kanzlerin in eine bleiverseuchte Luft und fordert einen Gewaltverzicht als Voraussetzung zur Teilnahme am Runden Tisch. Dass dann die Vertreter der Euro-Maidan-Regierung keinesfalls teilnehmen dürften, will ihr nicht auffallen. Wenn also die deutsche Regierung am Kiewer runden Tisch präsent ist, legitimiert sie ein Treffen, das den weiteren Krieg gegen die eigene Bevölkerung als Voraussetzung für eine Präsidentschaftswahl begreift. Deshalb ist es auch höchst interessant, wen die Deutschen an den Tisch schicken: Wolfgang Ischinger, den Chef der „Münchner Sicherheits-Konferenz“, eine Konferenz, die alljährlich der NATO ein prima Propaganda-Forum gibt und unter anderem von der Rüstungsschmiede „Krauss- Maffei“ finanziert wird. Ob Ischinger ein paar Panzer zur Aufstandsbekämpfung im Gepäck hat, weiß man nicht. Unbekannt ist auch, ob der „Aussenminister des Allianzkonzerns“ (dort erhält der Ex-Diplomat ein nettes Zubrot als Lobbyist) der Kiewer Übergangserscheinung eine Lebensversicherung aufschwätzen will oder eine kleine Spende mitbringt. Immerhin gehört die Allianz SE zu den großen Parteispendern in Deutschland und hat seit 2000 bereits mehr als 2,7 Millionen Euro an die Bundestagsparteien, mit Ausnahme der Partei Die Linke, gespendet.

Während Merkel und Steinmeier ihre Kiewer Friedens-Inszenierung dirigieren, machen die deutschen Medien das, was sie im Ukraine-Konflikt am liebsten tun: Tatsachen verschweigen wenn sie nicht in ihre ideologischen Raster passen. So gilt das Massaker in Odessa immer noch als eine Art ungeklärter Unfall. So wurden die jüngsten blutigen Kämpfe in Mariupol in den Heute-Nachrichten als „Szenario, das Putin will“ umgelogen. Um vom gewalttätigen Marsch des „Rechten Sektors“ von Mariupol nach Lugansk zu erfahren, musste man die Kiewer (!) Onlinezeitung „Politnavigator“ lesen. Und wenn 2.000 Vertreter der Zivilgesellschaft am 9. Mai in Kiew (!) gegen das Timoschenko-Klitschko-Swoboda-Provisorium demonstrieren, dann ist das so schrecklich, dass die deutschen Mehrheitsmedien einer schweren Stimmband-Lähmung verfallen. Denn so ein Fall ist in der Sprachreglung einfach nicht vorgesehen.

In einer von Biermanns besseren Balladen – im „Lied von den bleibenden Werten“ – ist die Rede von den „großen Lügnern“ und der Frage was von denen bleiben wird: „Von denen wird bleiben, dass wir sie endlich durchschaut haben“. Das ist den Deutschen, bei Betrachtung ihrer Medien, dringend zu wünschen. Biermann allerdings beschränkt sich eher auf ein `Ring frei zur nächsten Runde´: „In diesen Tagen“, schreibt er an Klitschko, „tobt der Freiheitskrieg in der Ukraine. – Wir Deutschen erleben diesen Kampf nur am Fernsehapparat, so wie sonst Ihre Boxkämpfe.“ Die Frage nach der Freiheit für wen und für was stellt er dem CDU-Freund lieber nicht. Denn der könnte – wenn er ehrlich wäre – wahrheitsgemäß antworten.


Grafikquelle : Der Liedermacher Wolf Biermann beim Hausacher Leselenz 2013

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Der IWF zieht in der Ukraine in den Krieg

Erstellt von Redaktion am 13. Mai 2014

Die Ukrainer werden ihre Strom-Rechnung nicht bezahlen können

Autor: Pepe Escobar

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Datum: 12. Mai 2014

Der IWF hat einen Kredit von 17 Milliarden Dollar an die Ukraine genehmigt. Die erste Tranche in Höhe von $ 3.2 Milliarden kam Mittwoch an.
Es ist wichtig, die Bedingungen dieses “Darlehens“ im Mafia-Stil zu identifizieren. Nichts ist im Spiel, das die ukrainische Wirtschaft wiederbelebte. Die Regelung ist untrennbar mit der berüchtigten, auf alle angewandte “Strukturanpassungs”-Politik des IWF verbunden, wie sie Hunderten von Millionen von Menschen in Lateinamerika über Südostasien bis hin nach Südeuropa bekannt ist.

Die Regime-Wechsler in Kiew haben pflichtgemäß stattgegeben, damit das unvermeidliche Sparpaket startend – von Steuererhöhungen und eingefrorenen Renten bis hin zu einem steifen, über 50 prozentigen Preisanstieg für das Erdgas, das ukrainischen Häuser heizt. Das “ukrainische Volk” wird nicht in der Lage sein, im kommenden Winter seine Stromrechnungen bezahlen zu können.

Wie vorauszusehen war, ist das massive Darlehen nicht zum Nutzen “des ukrainischen Volkes” gedacht. Kiew ist im Wesentlichen bankrott. Die Gläubiger reichen von westlichen Banken bis hin zu Gazprom – dem nicht weniger als 2,7 Milliarden Dollar geschuldet wird. Das “Darlehen” wird diesen Gläubigern Geld zurückzahlen; nicht zu erwähnen, dass $ 5 Milliarden der Gesamtsumme für Zahlungen auf – was sonst – frühere IWF-Kredite vorgesehen sind. Es versteht sich von selbst, dass ein Großteil der Mittel von dem aktuellen Oligarchenhaufen, der mit der “Yats”-Regierung in Kiew verbunden ist, ordentlich eingesackt werden wird – im Afghanistan-Stil.

Der IWF hat bereits gewarnt, dass die Ukraine in der Rezession sei und eine Verlängerung des $ 17 Milliarden Darlehens benötigen könnte. IWF-Neusprech qualifiziert dies als “eine signifikante Neukalibrierung des Programms.” Diese wird geschehen, laut dem IWF, wenn Kiew die Kontrolle über die Ost- und Süd-Ukraine verliert – etwas, das bereits im Gange ist.

Der Osten der Ukraine ist das industrielle Herz des Landes – mit dem höchsten Pro-Kopf-BIP und als Heimat von Fabriken und Bergwerken, vor allem in der Region Donezk, die weitgehend gegen die neo-faschistisch-/neo-nazistisch-verbündeten Regime-Wechsler in Kiew mobilisiert ist. Falls der gegenwärtige Flächenbrand weiterhin besteht, bedeutet dies, dass sowohl die Industrieexporte als auch die Steuereinnahmen sinken werden.

Hier ist also das IWF- Rezept für den Oligarchenhaufen – einige von ihnen die Milizen des Rechten Sektors aktiv finanzierend: Solange Sie mit einem Volksaufstand in der Ost- und Süd-Ukraine konfrontiert sind, entspannen Sie sich; Sie werden später zusätzliche IWF-Gelder bekommen. Man spreche über einen Crashkurs in Katastrophen-Kapitalismus.

Wir möchten, dass Ihr angreift
Inzwischen hat die jugendliche Delinquenten-Schule der Diplomatie der Obama-Regierung Kurs gehalten: der Plan ist, Moskau zu locken, um “anzugreifen“. Die Vorteile wären immens. Washington würde ein für alle Mal die aufstrebende strategische Partnerschaft zwischen der EU, vor allem Deutschland, und Russland zerstören, die Teil einer organischen Interaktion zwischen Europa und Asien ist; Europa auf Dauer unter Amerikas Fittiche halten; und die Stärkung der Robocop-NATO nach ihrer afghanischen Demütigung.

Nun, sie sind nicht umsonst jugendliche Delinquenten. Doch dieser geniale Plan vergisst eine wichtige Komponente: genug kompetente Truppen, die bereit sind, Kiews Geschmacksmuster zu folgen. Die Regime-Wechsler lösten die Berkut-Bundesbereitschaftspolizei auf. Großer Fehler – weil sie Profis sind; sie sind arbeitslos; und jetzt, mit einem Monster-Groll, unterstützen sie die Ukrainer, die sich zugunsten einer Föderalisierung aussprechen.

Was das Skript des Ministeriums für Wahrheit, das über allen westlichen Medienkonzernen verhängt wurde, als “pro-russische Separatisten” bezeichnet, sind in der Tat ukrainische Föderalisten. Sie wollen keine Spaltung. Sie wollen nicht der Russischen Föderation beitreten. Was sie wollen, ist eine föderale Ukraine mit starken, autonomen Provinzen.

Unterdessen in Pipelineistan…
Washington betet intensiv, dass die Konfrontation zwischen der EU und Russland an der Gasfront außer Kontrolle gerät. Erdgas wird bis zu 25 Prozent des Energiebedarfs der EU bis zum Jahr 2050 abdecken. Seit 2011 ist Russland der Nummer Eins-Anbieter, gefolgt von Norwegen und Algerien.

Die bürokratisch verseuchte Europäischen Kommission (EK) konzentriert ihre Angriffe nunmehr auf Gazprom und die South-Stream-Pipeline – deren Bau im Juni beginnt. Die EK besteht darauf, dass die Vereinbarungen, die zwischen Russland und sieben EU-Ländern bereits getroffen worden waren, die Gesetze der EU verletzen (wie kommt’s, dass sie das nicht schon früher herausfanden?). Die EK möchte, dass South Stream ein “europäisches”, kein Gazprom-Projekt wird.
Nun, das hängt von viel ernsthafter Diplomatie und der Innenpolitik der einzelnen EU- Mitgliedsstaaten ab. Beispielsweise hängen Estland und Litauen zu 100 Prozent von Gazprom ab. Einige Länder, wie Italien, importieren über 80 Prozent ihrer Energie; andere, wie Großbritannien, nur 40 Prozent.

Es ist, als sei die EK plötzlich aus ihrer üblichen Trägheit erwacht und habe entschieden, dass South Stream ein Spielball der Politik ist. Günther Oettinger, der Energiekommissar der EU, dröhnte durchs Horn des EU-Wettbewerbsrechts, das “das dritte Energiepaket” genannt wird – das im Wesentlichen von Gazprom fordern würde, South Stream für andere Anbieter zu öffnen. Moskau reichte eine Beschwerde bei der Welthandelsorganisation (WTO) ein. Die konsequente Anwendung des vor kurzem ausgegrabenen EU-Rechts ist eine Sache. Fakten auf dem Boden sind eine andere. South Stream könnte bis zu 16 Milliarden Euro kosten – aber sie wird gebaut werden, selbst wenn sie durch Russlands Staatshaushalt finanziert werden muss.

Außerdem hat Gazprom allein in 2014 bereits zusätzliche Übereinkünfte mit deutschen, italienischen, österreichischen und schweizerischen Partnern unterzeichnet. Die italienische ENI und die französische EDF sind Partner von Anfang an. Deutschland, Italien, Bulgarien, Ungarn und Österreich sind tief an South Stream beteiligt. Kein Wunder, dass sich keiner von ihnen für weitere Sanktionen gegen Russland ausspricht.

Was einen substantiellen Schritt der EU angeht, um neue Versorgungsquellen zu finden, ist das ein Prozess, der Jahre dauern sollte – und die bestmögliche Alternativquelle, den Iran, einbeziehen sollte, unter der Annahme eines Atomabkommen mit den P5 +1 in diesem Jahr. Eine weitere mögliche Quelle, Kasachstan, exportiert weniger, als es könnte, und das wird aufgrund von Infrastrukturproblemen der Fall bleiben.

Also sind wir zurück bei der ukrainischen Tragödie. Moskau wird nicht “angreifen”. Wofür sollte es? Die Strukturanpassungen des IWF werden die Ukraine mehr als ein Krieg verwüsten; die meisten Ukrainer können sogar am Ende Russland um Hilfe bitten. Berlin wird Moskau nicht verärgern. Washingtons Rhetorik der “Isolierung” Russlands ist einmal mehr als das  entblößt, was sie ist: jugendliche Delinquenz.

Was dem Reich des Chaos bleibt, ist dafür zu beten, dass das Chaos über der Ukraine hängen bleibt, damit an Moskaus Energie zehrend. Und all das, weil das Washingtoner Establishment ob einer aufstrebenden Macht in Eurasien absolut erschrocken ist. Nicht eine, sondern zwei – Russland und China. Schlimmer: strategisch verbündet. Schlimmer noch: darauf aus, die Integration von Asien und Europa voranzutreiben. So fühlen Sie sichdenn  frei, sich ein paar alte Männer in Washington vorzustellen, die wie jugendliche Delinquenten zischen: “Ich mag dich nicht. Ich will nicht mit dir reden. Ich will, dass du stirbst.”

Hier geht es zum Originalartikel:
http://www.larsschall.com/2014/05/10/das-wandernde-auge-der-iwf-zieht-in-der-ukraine-in-den-krieg/


Fotoquelle: Wikipedia – Urheber Villemard
Dieses Werk ist gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist.

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Merkel und der Pisspott

Erstellt von Redaktion am 12. Mai 2014

Annette Schavan am Heiligen Stuhl

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Autor: U. Gellermann

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Datum: 12. Mai 2014

Die kleine Annette aus dem kreuzkatholischen Neuss am Rhein kommt ganz groß raus: Annette Schavan wird die deutsche Botschafterin beim heiligen Stuhl. Die rund 10.000 Euro des monatlichen Diplomatengehaltes wird die Vertraute der Kanzlerin dringend brauchen. Fehlte ihr doch, nach dem Sturz als Ministerin wegen eines betrügerischen Doktortitels, ihr Ministergehalt sehr: Das armselige Gehalt als Bundestagsabgeordnete von 8.000 monatlich reicht ja hinten und vorne nicht. Aber kann es wirklich nur um Geld gehen? Wie alle Welt von der Chefin der Deutschen und der EU weiß, denkt die Merkel in langen Zeiträumen. Was macht die Frau, wenn die dritte Kanzlerschaft rum ist? Noch mal Kanzler? Kaum. Das wäre kein Karrieresprung für die erfolgsverwöhnte Dame.

Im Gepäck der Schavan finden sich Aufzeichnungen über die wundertätige Wirkung der Kanzlerin. Dazu gehört an erster Stelle das Arbeitslosenwunder. Nach langem Bearbeiten der Statistik hat die Kanzlerin zwar die Arbeitslosigkeit nicht abgeschafft, aber die Arbeitslosen wurden so gründlich in allerlei Sozialschubladen versteckt, dass sie fast, beinahe, irgendwie kaum noch existieren. Ein ähnlich großes Wunder gelang der hohen Frau mit der Formel „Hungern für den Aufschwung“. In Ländern wie Griechenland oder Portugal hat sie den Hunger zur Staatsräson erklärt und nun, nach immer mehr Arbeitslosen, nach Selbstmorden und ersten Hungertoten können die Südländer wieder mit den Banken spielen: Sie besorgen sich „frisches Geld“ auf dem Finanzmarkt, das mit einer hohen Verzinsung die Schulden der Länder erhöht und unmittelbar zur Rückzahlung alter Schulden verwandt wird, um dann, beim nächsten, absehbaren Kollaps, nach den EU-Wahlen, in bewährter Form von irgendeinem Schirm gerettet zu werden. Diese Wandlung nennt der Fachmann „Die wunderbare Geldvermehrung“. Auch wenn die Druckindustrie bei diesem Wunder keine kleine Rolle spielt ist es doch die deutsche Angela, die der Umwandlung von alten in neue Schulden geradezu mystischen Charakter verleiht.

Das bisher größte Wunder der wahrhaft großen Merkel aber ist die Verbreitung einer Demokratie-Gläubigkeit von messianischer Dimension. Auch wenn die Kanzlerin nicht allein an dieser Erscheinung gearbeitet hat, ist es doch wesentlich ihr Verdienst, wenn demnächst die schäbigen Reste von Demokratie in der Europäischen Union verschwunden sind. Geht ruhig wählen ruft die Grande Dame der Demokratie-Illusion den Europäern zu, ich kümmere mich derweil um die „Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft“, das TTIP, ein Abkommen zwischen der EU und den USA, über das die Völker nicht abstimmen und das ein lautloser, langsamer Staatsstreich ist. Wenn alles klappt, und was sollte bei der Merkel nicht klappen, entscheiden demnächst geheime Privatgerichte, an denen nur Großinvestoren klagen dürfen, über das Wohl und Wehe der Staaten. Die putinesken Oligarchen werden blass vor Neid werden, wenn die West-Konzerne demnächst wirtschaftliche Entscheidungen gegen die Gesetze der Parlamente durchsetzen und sich den größten aller Rettungsschirme aufspannen können. Schon jetzt, mitten in den Verhandlungen über die Abschaffung europäischer Gesetzlichkeit, hat die Merkel gemeinsam mit ihren „Freunden“ das EU-Parlament ausgeschaltet: Über die Auslieferung der verbliebenen europäischen Freiheiten an die Konzerne entscheidet die „Europäische Kommission“, jener kleine Kreis von nicht einmal durch Wahlen legitimierten Paten, die den Europäern ihre Verfassungen zur Makulatur zerschnipseln.

Doch noch fehlt das wichtigste aller Mirakel. Obwohl die unglaublich tapfere Angela Merkel schon als Oppositionsführerin beinah im Irak-Krieg selbst mitgemischt hat – jedenfalls feuerte sie ihre Freunde in den USA so heftig an, dass es denen gelang nach Hinterlassung von einer halben Million Toten einen kaputten Staat zu kreieren – konnte sie bisher die Deutschen nicht nachhaltig in einen Krieg verwickeln. Doch gemeinsam mit so begabten Kriegspropagandisten wie Präsident Gauck und Ministerin von der Leyen predigt sie seit längeren von der „gewachsenen deutschen Verantwortung“, jener brillanten Beschwörungsformel, nach der Verantwortung nicht für den Frieden sondern für den Krieg übernommen werden soll. Erste kleine Wunder sind bereits erfolgreich platziert: Die deutschen Mehrheitsmedien verkaufen den Ukraine-Konflikt als Kampf für die Freiheit, der heimtückische Russe erlebt seine Wiederauferstehung und der US-Präsident darf „Sanktionen“ heilig sprechen weil ja die Silbe „sankt“ im Wort steckt. Wenn alles mit rechten Dingen zugeht, muss sich doch auf Dauer die Neuauflage des Kalten Krieges in einen heißen wandeln lassen.

So fährt denn die Schavan mit allerlei echten Wundern nach Rom, um den ultimativen Karriere-Sprung der Merkel zu befördern: Zur ersten und auch größten Päpstin aller Zeiten, die bald den alternativlosen Ostersegen über Urbi et Orbi ausgießen wird: „Ich freue mich darauf, Ihnen heute wieder einmal im Rahmen dieses Hierseins auf dem Petersplatz Rede und Antwort zu allen Themen zu stehen, die uns beschäftigen. – Vielleicht haben Sie ja wie ich gerade auch in den letzten Monaten gespürt, dass es eine Zeit rasanter Beschleunigung und Veränderungen ist.“*
So eingeschläfert kann der Erdkreis sich beruhigt wieder hinlegen und auf den nächste Sprung von Angela Merkel warten. Eingeweihte behaupten, er würde göttlich sein. – Allerdings gibt es immer noch Skeptiker, die an das Volksmärchen vom „Fischer un syner Fru“ erinnern. Als die unbedingt auch noch Gott werden wollte, wurde sie vom Wünsche erfüllenden Butt zurück in ihren Pisspott befördert. Aber Volksmärchen werden nur Wirklichkeit, wenn das Volk es will.

*Original-Merkel-Zitate, nur das Wort `Petersplatz´ ist neu.

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Grafikquelle     :    DLR at ILA 2012 in Berlin – Day 1, first impressions

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Mach mal, Russe!

Erstellt von Redaktion am 8. Mai 2014

EU-Händewaschen im Akkord

Autor: U. Gellermann

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Datum: 07. Mai 2014

Golineh Atai, die Korrespondentin der ARD in der Ukraine ist ein Genie: Jüngst, nachdem in einem Gewerkschaftshaus in Odessa 40 Menschen verbrannten, wusste sie schnell wer die Brandstifter waren: „Prorussische Anhänger – Aktivisten – Demonstranten sind mit Bussen weitgehend in die Stadt (Odessa) gekommen und haben mit Waffen, mit Schlagstöcken, mit Molotow-Cocktails die Menge angegriffen.“ Die Schuldzuweisung für das Massaker ist damit klar: Die Pro-Russen, die haben angefangen. Und genial ist diese Feststellung, weil Atai zur Zeit ihres Kommentars 700 Kilometer von Odessa entfernt war, in Donezk, aber von dort aus alles im Auge hatte. Ukrainische Online-Medien vor Ort haben das ganz anders gesehen. Aber die waren ja vor Ort, das trübt die Objektivität. Und weil die ARD ein Hort der Objektivität ist, hat sie zu den Massaker-Ursachen auf „tagesschau.de“ flugs die Kiewer Putschregierung zitiert: „Das Innenministerium in Kiew sprach von krimineller Brandstiftung“. Na, wenn´s Kriminelle waren. . . Auf den Videos der lästigen Leute vor Ort sind Bewaffnete des „Rechten Sektor“ zu erkennen, die das Gewerkschaftshaus stürmen. Macht nichts. Denn – so der Kriegsschäumer Stefan Kornelius in der „Süddeutschen Zeitung“ – die Regierung in Kiew sei „durchaus respektabel“. Die wird schon wissen was Wahrheit ist. So einer wie Kornelius würde offenkundig auch eine Bundesregierung mit NPD-Ministern als „durchaus respektabel“ bezeichnen. Ein echter Demokrat der Mann. Doch den zynischen Höhepunkt lieferte die Website der „Deutschen Welle“ zum Massaker mit der Schlagzeile: „Odessa: Brandherd am Schwarzen Meer“. Schade eigentlich, dass denen nicht „Grillen an der Schwarzmeerküste“ eingefallen ist. Das wäre noch origineller gewesen.

Keine westliche Kamera bei den Müttern, deren Kinder im Gewerkschaftshaus in Odessa verbrannt oder erstickt sind. Jede Menge Kameras und Mikrofone für jene Leute, die seit Tagen und Wochen fordern, die Russen sollten Einfluss auf die Oppositionellen in der Ost-Ukraine nehmen. Ob und wie viel Einfluss Russland auf die Aufständischen in der Ost- und der Süd-Ukraine hat ist unklar. Aber wenn der ehemalige russische Menschenrechtsbeauftragte Wladimir Lukin in Abstimmung mit dem Generalsekretär des Europarats, Thorbjörn Jagland, die Freilassung der Geiseln in Slawjansk erreicht, gröhlt die „Zeit“ ihm hinterher „Putin kann sehr wohl eingreifen – wenn er will“. Schade, dass der Mann vom Europarat nicht als Agent Moskaus entlarvt wurde. Die „durchaus respektable“ Regierung in Kiew peitscht inzwischen im ukrainischen Parlament eine Entscheidung gegen ein Referendum zur Föderalisierung durch. Sicherheitshalber hat man die im Parlament vertretenen Kommunisten vorher ausgeschlossen. Die KPU wollte über die Morde an Zivilisten in Donezk, Luhansk und Odessa diskutieren. Über diese Verbrechen mochte die Timoschenko-Parlamentarier keinesfalls reden. Derweil fällt der Dame Merkel dies aus dem Mund: „Es ist wichtig, dass sich alle Mitgliedstaaten der EU mit der gleichen Botschaft an Russland wenden“. Aber das tun sie doch seit Monaten: EU-Außenminister lungern auf dem Kiewer Maidan rum und feuern die oppositionelle Menge an. EU-Außenminister reichen bewaffneten Nazis die Hände. EU-Regierungen schweigen gleichzeitig, wenn ukrainische „Anti-Terror-Einheiten“ die Menschen in der Ost-Ukraine terrorisieren. Die Botschaft an die Putschregierung ist klar und deutlich: Weiter so!

Manchmal rutscht dem ukrainischen Übergangspräsidenten Alexander Tutschinow, der sich als Vorsitzender des Komitees für Privatisierung die Taschen vollgestopft hatte, eine echte Wahrheit raus: „Sagen wir es doch mal ehrlich: Die Bürger dieser Regionen (Ost- und Süd-Ukraine) unterstützen die Separatisten, sie unterstützen die Terroristen, was die Durchführung der Anti-Terror-Operation erheblich erschwert.“ Hören wir einen Aufschrei der Steinmeiers und der Merkels? Da gibt der Putschisten-Präsident unumwunden zu, dass er zumindest in der Ost- und der Süd-Ukraine das Volk gegen sich hat. Und er beschwert sich, dass dieses blöde Volk sich seiner nagelneuen „Nationalgarde“, rekrutiert aus den jetzt beschäftigungslosen Maidan-Truppen, entgegenstellt. Liest oder hört man in den deutschen Medien das Wort Menschenrechte? Nein. Zu lesen ist die hasserfüllte Überschrift auf der ersten Seite der „Süddeutschen Zeitung“: „Kiew: Russland führt Krieg gegen uns“. Bravo Kornelius, respektable Leistung. Nicht schlecht auch die ARD: Auf der Web-Site der Tagesschau, auf der das markige Merkel-Wort zur europäischen Geschlossenheit referiert wird, häuften sich die wütenden Kommentare der Zuschauer. Das ist der ARD zu viel. Deshalb liest man am 06. Mai 2014 um 16:46 Uhr auf der Seite: „Liebe User, meta.tagesschau.de ist derzeit überlastet. Deshalb kann diese Meldung im Moment nicht kommentiert werden. Mit freundlichen Grüßen, die Moderation.“ Der riesige und mächtige ARD-Apparat konnte zu der Zeit nicht mehr als neun Kommentare verkraften. Da irgendjemandem im Apparat auffiel wie lächerlich diese Begründung war, wurde die Kommentarfunktion kurzzeitig wieder geöffnet, um dann, nach 110 zumeist konträren Kommentaren, um 19.14 Uhr die Kommentar-Funktion erneut zu schließen. Mit folgender Begründung: „Liebe User, um Ihre Beiträge besser bündeln zu können, wird die Kommentierung dieser Meldung geschlossen. Gern können Sie das Thema hier weiter diskutieren:
http://meta.tagesschau.de/id/85042/europarat-moskau-signalisiert-gespraechsbereitschaft“. Besucht man dann diese Adresse wird man weitergeleitet zu http://www.tagesschau.de/ausland/ukraine-konflikt194.html Und dort liest man dann: „Die Kommentierung der Meldung ist beendet.“ Die wollen uns besser bündeln, um uns besser zu bescheissen.

Ein Wort von den EU-Gewaltigen, die der Ukraine eine Assoziierung und eine NATO-Mitgliedschaft aufschwätzen wollten, an ihre Marionetten in Kiew, und die Antiterror-Truppen blieben in den Kasernen. Ein Wort von den Urhebern der Unruhen, und die Kiewer Untergangsregierung müsste den russischen Vorschlag zu einer gemeinsamen Konferenz mit den Oppositionellen aus der Ost- und Süd-Ukraine annehmen. Aber die Anerkennung der Wirklichkeit, das Eingeständnis, dass man zu hoch gepokert hat, das kommt den USA-Verstehern nicht über die Lippen. Das würde ja die Kriegsgefahr mindern. Deshalb waschen die EU-Funktionäre im Akkord ihre Hände in Unschuld und zeigen mit ihren nach wie vor dreckigen Fingern auf Russland und johlen: Mach mal, Russe!

Fotoquelle: Wikipedia –

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John McCain

Erstellt von Redaktion am 5. Mai 2014

Ein Mann gegen Merkel

File:John McCain in Kyiv.jpg

Autor: U. Gellermann

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Datum: 05. Mai 2014

„Freunde“ nennt die merkwürdige Merkel die Leute in den USA, die ihr, vor allem aber uns, immer in jene Gegend treten, in die das offizielle deutsche Herz rutscht wenn es um die USA geht – in die Hose. US-Senator John McCain, auch so ein „Freund“, hat nun die Obama-Versteherin Merkel „peinlich“ genannt. Nicht ihrer devoten NSA-Neigung wegen. Nicht weil Merkel immer noch kein neues Handy besitzt. Nicht weil die schlechte Kanzler-Darstellerin eine Freundin amerikanischer Chlorhühnchen ist. Nein, die Merkel, so McCain, liefere ihr Land der deutschen Industrielobby aus. Nur weil die weiter mit Russland gute Geschäfte machen wolle, habe diese ehemalige DDR-Bürgerin immer noch keinen schärferen Sanktionen gegen Russland zugestimmt.

McCains Verbitterung rührt aus dem Präsidentschafts-Wahlkampf 2008, in dem er gegen Obama antrat. Denn während die größere Fraktion der amerikanischen Oligarchie den späteren Gewinner mit mehr als 770 Millionen Dollar Korruptionsgeld in den sogenannten Wahlkampf schickte, wollte die andere Lobbyisten-Gruppierung den McCain mit nur schäbigen 240 Millionen ausstatten und so verlor der arme Mann seinen Kampf in jener lupenreinen Demokratie, in der Mehrheiten entscheiden – Dollar-Mehrheiten. Für die US-Kriegsindustrie war das kein schlechtes Geschäft. Vom Afghanistan- bis zum Drohnen-Krieg: Obama macht bis heute einen tödlich guten Job.

Die eisenharte Haltung McCains rührt aber auch aus einem hübschen Detail seiner Wahlkampf-Spendensammlung. Hatte er doch damals den russischen Botschafter in den USA, Vitali Tschurkin, angeschrieben und um 5.000 Dollar angebettelt, um Barack Obama zu schlagen und „Freiheit und Demokratie in der Welt zu verbreiten“. Die Russen gaben nichts. Das hat den Senator zur Überzeugung gebracht, dass diese Knauser nichts von „Freiheit und Demokratie“ in der amerikanischen Ausführung halten. Auch später, als der Senator sich für einen Krieg gegen den Iran aussprach und das Barbara-Ann-Lied der Beach Boys in „Bomb, bomb, bomb, bomb Iran“ umtextete, mochten die Russen ihm nicht zustimmen. Deshalb hält er heute die Politik Russlands für „revanchistisch“ und die Deutschlands gegenüber den Russen für eine „Schande“.

Dabei hatte die Merkel, eng an Obama gekuschelt, doch schon brav mit der „dritten Sanktionsstufe“ gegen Russland gedroht und zuvor in herausragender Eigeninitiative eine Bundeswehr-Spionage-Truppe unter der falschen Flagge der OSZE in die Ukraine geschickt. Schon dieser kleine Trick hätte die ohnehin schon explosive Lage weiter verschärfen können und wenn Putin jetzt die Nerven verloren hätte, dann hätten wir jenen Krieg, den Obama und McCain in schöner Gemeinsamkeit mit den deutschen Medien seit Wochen herbei schwätzen. Aber dem Vietnamkriegsveteran McCain ist das alles nicht genug. Anders als Obama, der mit chirurgischer Drohnen-Präzision einzelne Russen aus dem Putingeflecht eliminieren will, möchte der alte Bomber-Pilot einen richtigen Krieg mit allem was an Toten dazu gehört.

In einem Punkt, dem Vorwurf der triefenden Freundschaft zu Lobbyisten, hat die Merkel ihren Kritikern scheinbar Recht gegeben. Bei ihrem Besuch der US-Handelskammer hat sie vehement für die Wirtschafts-NATO, das neue USA-EU-Handelsabkommen geworben. So lobte die Dame das TTIP sei „ein Schlüsselvorhaben der transatlantischen Zusammenarbeit“ und werde „beide Wirtschaftsräume noch enger als bisher zusammenführen“. Aber da das Abkommen der US-Wirtschaft deutlich mehr nutzen wird als der deutschen, kann der Vorwurf McCains, die Merkel habe eine zu große Nähe zum deutschen Lobbyismus kaum zutreffen. So wird der Mann, der schon im Dezember des letzten Jahres auf dem Kiewer Maidan zu Besuch war, sich mit Frau Merkel sicher in jenem damals von ihm skandierten Satz treffen können: „Die Ukraine wird Europa besser machen, und Europa wird die Ukraine besser machen. Die freie Welt ist mit Ihnen, Amerika ist mit Ihnen, und ich bin mit Ihnen“. Wer solche Freunde hat, der braucht keine Feinde mehr.


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ARD: Ukraine-Desinformation

Erstellt von Redaktion am 2. Mai 2014

Beschwerde wegen Verletzung des NDR-Staatsvertrags

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/dc/Tagesschau_logoen_2013-07-11_13-56.jpg

Autor: Volker Bräutigam

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Datum: 30. April 2014

Der Beschwerdeführer Volker Bräutigam war Tageszeitungs-Redakteur, später TV-Nachrichtenredakteur – u.a. für die Tagesschau (ARD) – in Hamburg. Er verlegte in den 1990er Jahren seinen Berufs- und Lebensmittelpunkt nach Taiwan, Republic of China. In Taipeh arbeitete Volker Bräutigam für ein Forschungsprojekt des National Science Council und als Lehrbeauftragter am Übersetzungswissenschaftlichen Institut der Fu-Jen Universität. – Er organisierte im Juli/August 1988 mit der IG Medien/RFFU (heute Ver.di) im Norddeutschen Rundfunk NDR die ersten mit Programmausfällen verbundenen Arbeitsniederlegungen in der deutschen Rundfunkgeschichte.

An
Frau Ute Schildt, Vorsitzende des NDR-Rundfunkrats
Hamburg
Rothenbaumchaussee 131
Nachrichtlich an:
Herrn Intendant Lutz Marmor (p. E-Mail: ndr@ndr.de)
Herrn ARD-aktuell-Chefredakteur Kai Gniffke (redaktion@tagesschau.de)
Frau Chefredakteurin Claudia Spiewak (p. E-Mail: ndr@ndr.de)
Redakteursausschuss des NDR (p. E-Mail: ndr@ndr.de)

Beschwerde über desinformierende Ukraine-Berichterstattung des NDR resp. der Redaktion ARD-aktuell

Sehr geehrte Frau Schildt,
hiermit mache ich von meinem Recht Gebrauch, wegen Art der Berichterstattung des NDR und der von ihm zu organisierenden Sendungen fürs Erste Deutsche Fernsehen, ARD-aktuell, über die Ereignisse in der Ukraine Beschwerde wegen Verletzung des NDR-Staatsvertrags zu erheben.
Konkret beziehe ich mich auf zwei Komplexe von fahrlässiger, wenn nicht absichtlicher Falschinformation:

I.
Die in der Ost-Ukraine am 25. April festgesetzte Gruppe von Offizieren, die dort angeblich auf Basis des Wiener Dokuments der OSZE informatiossuchend tätig geworden war, wurde noch vier Tage nach dem Zwischenfall in den NDR- und ARD-Nachrichten fälschlich als „OSZE-Militärbeobachter“ tituliert, obwohl die OSZE sofort klargestellt hatte, dass die Männer nicht zur OSZE-Mission gehörten. Beleg: Offizielle Erklärung Claus Neukirch, Vizechef des OSZE-Krisenpräventions-Zentrums, am 25. April, gegenüber dem ORF:
„….Wir haben für diesen speziellen Besuch keine Risikoeinschätzung gemacht, weil es nicht unser Besuch ist.“ Und weiter, im Interview: „Ich muss aber auch sagen, dass es sich genau genommen nicht um Mitarbeiter der OSZE handelt (…), sondern es sind Militärbeobachter, die bilateral dort unter einem OSZE-Dokument tätig sind. (…) Bei den Gefangenen handle es sich um eine „bilaterale Mission unter Führung des Zentrums für Verifikationsaufgaben der deutschen Bundeswehr“.

Eine allereinfachste Recherche (hier: Lektüre des allgemein zugänglichen Wiener Dokuments sowie der OSZE-Charta) zu der die NDR- und die ARD-Nachrichtenredakteure lt. Staatsvertrag verpflichtet waren, hätte ergeben, dass die OSZE grundsätzlich keine verdeckten Militärinspektionen durchführt, auch nicht unter dem Wiener Dokument, das im Rahmen vertrauensbildender Maßnahmen Inspektionen in „Bezeichneten Gebieten“ an regulären Truppenstandorten, bei Manövern und bezüglich Hauptwaffensystemen vorsieht. Das Dokument enthält ausführliche Bestimmungen über die Gestaltung militärischer Kontaktmaßnahmen und der Zusammenarbeit (Kap. IV), schafft Transparenz durch Bestimmungen zur vorherigen Ankündigung bestimmter militärischer Aktivitäten und deren Beobachtung (Kap. V bzw. VI), z. B. auch die  förmliche Ankündigung gegenüber sämtlichen OSZE-Mitgliedern; das inspizierende Militärpersonal reist grundsätzlich in Uniform, unter Führung von Hoheits- und von Dienstgrad- sowie Truppenteil-Abzeichen und Orden und jedenfalls unbewaffnet zu den Inspektionsorten.

Im hier angesprochenen Fall war bereits am 25. April bekannt (zahlreiche Quellen im Internet), dass die Gruppe in Zivil unterwegs gewesen war, sich fälschlich als OSZE-Delegation ausgegeben hatte, bewaffnet war und sogar Sprengstoff mit sich führte (Quelle lt. SZ v. 26.4.: „Regierung“ in Kiew!), Aufzeichnungen über Straßensperren u.ä. gemacht hatte, was nicht vom Wiener Dokument abgedeckt ist; sie hatte sich keineswegs an definierten Inspektionsorten offiziell angekündigt und die gesamte Reise auch nicht allen OSZE-Staaten, speziell nicht der Russischen Föderation, bekannt gegeben. Sie war vielmehr heimlich in die ostukrainische Region gereist und hatte als Zweck touristisches Sightseeing-Interesse vorgegeben.

Diese Fakten waren auch den NDR-Redaktionen bekannt bzw. hätten ihnen frühzeitig bekannt sein müssen. Dennoch wurde in Berichten und Kommentaren sogar noch am 29. April der irreführende Begriff „OSZE-Militärbeobachter“ verwendet, die ostukrainischen Aktivisten wurden als „Geiselnehmer“ und „Entführer“ kriminalisiert.

Geradezu klassisch die verfälschende Moderation am 26.4. in den „Tagesthemen“ (Caren Miosga): „(…) Diese Beobachter waren unter dem Dach der OSZE, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (…) unterwegs (…) Sie sind unabhängige Beobachter (…)“

Auch noch am 29.4. war in der 20-Uhr-Ausgabe der Tagesschau gleichsetzend von „OSZE-Militärbeobachtern“ die Rede (z.B. im Reporterbericht Marion von Haaren“).

II.
Ergänzend und zur Abrundung meiner förmlichen Beschwerde darf ich aus einer Protestmail zitieren, die ich an die Redaktion ARD-aktuell gerichtet hatte und in der der zweite Beschwerdekomplex angesprochen ist, nämlich die generell tendenziöse Berichterstattung über die Ukraine:
“ (…) Weshalb es bei Ihnen offenbar noch nicht einmal zu einem Redaktionsbeschluss reicht, das fraglos illegale Putschisten-R e g i m e in Kiew und seine faschistischen Kumpane in Kabinett und Parlament als das zu benennen, was sie sind – und nicht länger fälschend und anerkennend von „Übergangsregierung“ zu berichten und meinungsmachende Titulierungen wie „Interims-Präsident“ und „Regierungschef“ zu verwenden, ist nachgerade unbegreiflich. (…)“

Der hier kritisierte sprachliche Missbrauch ist nichts anderes als fahrlässige, wenn nicht gar absichtliche Desinformation. Die bedauerliche Tatsache, dass die Regierung in Berlin die Junta in Kiew eilfertig und US-hörig de facto anerkannte und entsprechend tituliert, enthebt seriöse Journalisten nicht ihrer Verpflichtung zu sachgerechtem und informativem Sprachgebrauch.
Ich erspare mir an dieser Stelle Zitate aus den Hörfunk-Nachrichtensendungen des NDR, insbesondere von NDR-info, in denen es zu zahllosen vergleichbaren Mängeln in der Berichterstattung und Kommentierung über die Ukraine-Ereignisse kam.

Kennzeichnend für die tendenziöse Informationsgestaltung: Die deutsche Bürgermehrheit der Gegner einer antirussischen Sanktionspolitik wird als „Putinversteher“ verächtlich gemacht (Rainald Becker, Tagesthemen, 23.4. 2014). Hetzerische Äußerungen wie: „… Um Putin in die Schranken zu weisen und eine Spaltung der Ukraine zu verhindern, wenn man es denn wirklich will, braucht es jetzt klare Kante und starke Geschütze“ (Becker, ebd.), sollten sich für Sendungen des NDR von selbst verbieten, auch wenn ihr Autor das Wort „Geschütze“ gleich danach und quasi augenzwinkernd mit „… politische, versteht sich“ relativiert. Solche bösartigen Bemerkungen sprengen den Rahmen eines zulässigen Kommentars im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Aus meiner Sicht verletzen die verantwortlichen NDR-Redakteure unter Verzicht auf eigene Recherche (s.a. die fachlich fundierte Kritik der vielfach ausgezeichneten Journalistin Dr. Gabriele Krone-Schmalz zu dem Thema) und auf saubere sprachliche Bearbeitung der fraglos miserablen Agenturtexte generell folgende Bestimmungen des Staatsvertrags über den Norddeutschen Rundfunk:

§ 5 Programmauftrag
(1) Der NDR hat den Rundfunkteilnehmern und Rundfunkteilnehmerinnen einen objektiven und umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und länderbezogene Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben. Sein Programm hat der Information (…) zu dienen.

§ 7 Programmgrundsätze
(2) Der NDR hat in seinen Programmen die Würde des Menschen zu achten und zu schützen. Er soll dazu beitragen, die Achtung vor Leben, Freiheit und körperlicher Unversehrtheit, vor Glauben und Meinung anderer zu stärken (…). Das Programm des NDR soll (…) die internationale Verständigung fördern, für die Friedenssicherung (…) eintreten (…)

§ 8 Programmgestaltung
(1) Der NDR ist in seinem Programm zur Wahrheit verpflichtet. (…)
3.  (…)  Ziel aller Informationssendungen ist es, sachlich und umfassend zu unterrichten und damit zur selbständigen Urteilsbildung der Bürger und Bürgerinnen beizutragen.
(2) Berichterstattung und Informationssendungen haben den anerkannten journalistischen Grundsätzen, auch beim Einsatz virtueller Elemente, zu entsprechen. Sie müssen unabhängig und sachlich sein. Nachrichten sind vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen.  (…)

III. (Antrag)
„Der Rundfunkrat vertritt die Interessen der Allgemeinheit im Sendegebiet des NDR. Dabei berücksichtigt er die vielfältigen Meinungen der Bürger und Bürgerinnen. Er achtet darauf, dass der NDR seine Aufgabe nach dem NDR-Staatsvertrag erfüllt. Das Gremium überwacht die Einhaltung der Programmanforderungen (…)“ (NDR-Staatsvertrag, § 18). Ich ersuche Sie, sehr geehrte Frau Schildt, höflichst, in diesem Sinne tätig zu werden, meine Beschwerde dem Programmausschuss des NDR-Rundfunkrats vorzulegen und angesichts der Bedeutung der Angelegenheit das gesamte Gremium, dem Sie vorsitzen, damit zu befassen.

Mit freundlichem Gruß

Volker Bräutigam

Notabene:
Ich mache diese Beschwerde öffentlich mittels Weitergabe an Internet-Portale, denn m.E. verletzt der NDR das Interesse der Öffentlichkeit an seriöser Berichterstattung auch und gerade über Russland und die Ukraine in fundamentaler Weise. D.O.

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 Grafikquelle   :  User:Sogndal 123Eigenes Werk

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SS-Gedenkmarsch in Lemberg

Erstellt von Redaktion am 1. Mai 2014

Volker Kauder: Rückfall in die politische Steinzeit

Autor: U. Gellermann

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Datum: 30. April 2014

Der schwere politische Unfall Volker Kauder, zweimal hintereinander bereits „Bierbotschafter des Jahres“, steuerte jüngst einen „Rückfall in die politische Steinzeit“ zur angeheizten Atmosphäre des Ukraine-Konflikts bei. Natürlich meinte Kauder nicht den aktuellen Aufmarsch zum Gedenken an die brave, ukrainische „SS-Division Galizien“ in Lemberg (Lwiw), die so tapfer an der Seite deutscher Truppen am Abschlachten von Juden und Polen beteiligt war. Auch die Minister der faschistischen Svoboda-Partei in der ukrainischen Putsch-Regierung waren ihm nicht steinzeitfällig. Seine Erregung galt vielmehr den von ukrainischen Oppositionellen gefangen genommenen Militärs, die als OSZE-Missionäre erst durch die Ukraine, dann durch die deutschen Medien geisterten. Mit dieser selektiven Wahrnehmung passte Kauder sich wunderbar der veröffentlichten deutschen Mehrheits-Meinung an.

Bis heute haben die deutschen Medien eine nur schwer heilbare Neigung, die festgenommen NATO-Offiziere, unter ihnen vier Deutsche, als Teil der offiziellen OSZE-Beobachter-Mission zu verkaufen. In Wahrheit sind die in Zivil reisenden Militärs nicht im OSZE-Auftrag unterwegs. Vorgeblich wollten sich die NATO-Berufssoldaten unter Führung der Bundeswehr, so der Chef der Gruppe Oberst Axel Schneider, „ein Bild davon machen“, „in welchem Zustand“ die bewaffneten Verbände der Ukraine seien „und was sie leisten können, ob sie offensiv oder defensiv ausgerichtet sind“. Das ist schön. Mitten in einem beginnenden Bürgerkrieg stolperte eine NATO-Observationsgruppe durch die Ukriane, um sich den Zustand der Landes-Armee anzusehen. Und ganz zufällig landen sie im ostukrainischen Slawjansk, in dem zwar keine Regierungsgtruppen stationiert sind, aber Anti-Euro-Maidan-Kräfte Gebäude besetzt halten. Ebenso zufällig findet der NATO-Bummel kurz nach einem Einsatz der Kiewer „Anti-Terror-Kräfte“ gegen die Slawjankser Besetzter statt. Wo Anti-Terroristen unterwegs sind, müssen Terroristen sein, so lautet die offizielle Sprachreglung. Zwar galten die Aufständischen in Kiew als mutige Oppositionelle, aber Aufständische in der Ost-Ukraine, das weiß die ARD-Reporterin wie im Schlaf, sind nun mal Terroristen.

Eine ganz andere Terroristen-Furcht scheint die ukrainischen Juden zu quälen. Denn die israelische Einwanderungsagentur Jewish Agency und das israelische Ministerium für die Aufnahme von Einwanderern teilten mit, dass die Anzahl der jüdischen Emigranten aus der Ukraine in den letzten drei Monaten rasant gestiegen sei. Schon im Juli des letzten Jahres unterzeichneten 30 israelische Knesset-Abgeordnete einen offenen Brief, an den EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz: Sie warnten vor der Svoboda-Partei – damals noch in der Opposition, heute in der Putsch-Regierung – die sei extrem antisemitisch. Sogar die Konrad Adenauer-Stiftung, die ihren Schützling Klitschkow später im Pakt mit der Svoboda gut aufgehoben sah, mochte früher noch feststellen, dass der Svoboda-Chef antisemitische Ressentiments, Fremdenfeindlichkeit und ukrainischen Isolationismus mobilisiere. Das gilt natürlich heute alles nicht mehr. Was stören uns ein paar ängstliche Juden, scheint der Mainstream zu denken, in dem das alles unbeachtet bleibt, wenn es um den fetten Happen Ukraine und um einen möglichen neuen Russlandfeldzug geht. Wer sich erinnern mag, dass es im Jahr 2000 EU-Sanktionen gegen Österreich gab als dort eine Koalitionsregierung mit dem Rechts-Nationalisten Jörg Haider installiert wurde, der kommt aus dem Augenreiben gar nicht mehr raus.

Noch scheint die Begünstigung einer Putsch-Regierung in Kiew nur aus dem radikalsten Propaganda-Feldzug seit den 60er Jahren und ein paar wirtschaftlichen Sanktionen zu bestehen. Doch wer die Zeichen einer von den USA gesteuerten Einkreisung Russlands deuten kann, dem wird Angst und Bange: Für Juni plant die NATO eine neue groß angelegte Marineübung in der Ostsee. Das teilte Pentagon-Sprecher John Kirby am Dienstag mit, ohne dass vom NATO-Mitglied Deutschland ein Einspruch gegen diese antirussische Aktion zu hören gewesen wäre. Das rumänische Militär wird unweit der Grenze zur Ukraine aufgestockt. Wie das Verteidigungsministerium des Landes mitteilt, wird eine Militärübung geplant, an der auch US-Militärs teilnehmen werden. Und in Georgien werden Freiwillige zur Teilnahme am Militäreinsatz gegen die Anhänger der Föderalisierung in der Ost-Ukraine geworben. Das Gerücht, Volker Kauders Sympathien für die korrupten ukrainischen Eliten hinge damit zusammen, dass er den Vorschlag eines Gesetzes gegen die Korruption bei Bundestags-Abgeordneten abgelehnt hat, ist eher verharmlosend. Kauder gehört zu jener Mehrheit im Bundestag, dem die devote Nähe zu den USA allemal lieber ist als eine gewisse Unabhängigkeit deutscher Aussenpolitik, die allerdings Verstand voraussetzt und Mut.

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Fotoquelle: Wikipedia – Stanislaw Kosiedowski, May 2005

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Die Legende lebt

Erstellt von Redaktion am 29. April 2014

Die „bots“ sind wieder da

Bots Waldeck 2016 1842.jpg

Autor: U. Gellermann

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Datum: 28. April 2014

Weißt Du noch? Damals, bei einer dieser Friedensdemonstrationen in den 80ern? Mann trug Bart und eine Hoffnung im Herzen und vorn auf der Bühne, da waren die „bots“ und sangen sich die Seele aus dem Leib: „Alle die gegen Atomraketen sind, sollen aufstehen!“ Wir standen aber schon und warfen nur in kollektiver Zustimmung die Arme in eine Luft, die von Großem schwanger ging: Von den Gedanken, die frei wären, von der unblutigen Revolution und vom weichen Wasser, das den Stein bricht. Noch auf dem Heimweg sangen wir die Frage, was wir denn sieben Tage lang trinken wollten und waren uns sicher „wir trinken zusammen, nicht allein“.

War es der sanfte holländische Akzent der „bots“, der den Deutschen, von Rudi Carell konditioniert, in den Ohren schmeichelte? Es wird eher der Zeitgeist gewesen sein, den die Band begriffen und in Musik umgewandelt hatten, der Hallen füllte. Allein bei „Rock gegen Rechts“ 1979 in Frankfurt wollten 70.000 Menschen den Sound der „bots“ hören und ihre Texte lernen, mitsingen und in den eigenen Alltag einbauen. Natürlich forderte die Band auch auf gegen Atomkraftwerke aufzustehen und verhalf so den beginnenden GRÜNEN zu einer Hymne. Zeiten ändern sich, die „bots“ nahmen eine lange Auszeit, die GRÜNEN fanden Kriege nicht mehr so schlecht wie damals, die Spaltung der Welt in zwei Blöcke schien ein Ende gefunden zu haben.

Eine neue, deutschsprachige CD der „bots“ – Fallen und Aufstehen – lässt den charmanten holländischen Akzent vermissen. Der Sänger Rik Polman spricht – godverdomme! – jenes reine Deutsch, dass er sich erworben hat als seine Eltern in Deutschland lebten. Und waren die Texte der alten „bots“ eher auf das Große-Ganze orientiert, sind die der neuen „bots“ nahe am Kleinen-und-Gemeinen, wie in der Ballade über den „Anzugmann“, jenes geleckte Wesen, das mit kaltem Lächeln Hunderte entlässt und Existenzen ruiniert. Warum die „bots“ ihm einen Reim spendieren, in dem er als „so reich und doch so arm“ bedauert wird, bleibt unerklärt. Mit Songs wie dem über eine Wahlkampfkarawane wird das Politikmachen karikiert, in „Das Biest ist los“ hört man von alltäglichem Frust der zum Amoklauf führt und mit dem Song über das Burnout landet die CD in jenem Alltag, der im Grau das Grauen mit sich trägt.

Die „bots“ können auch anders: In ihrem Lied über „Europa“ wird Klartext zu Bankenrettung gesungen, wird die Dame Europa beschworen, nicht mit den Reichen ins Bett zu gehen und ja, die Schuldscheine sollten zerrissen werden. Altes wie Neues wird von den „bots“ am 5. Mai im Berliner WINTERGARTEN zu hören sein. Ob das weiche Wasser die versteinerten deutschen Verhältnisse zum Brechen bringt bleibt abzubwarten. Aber die Verszeile „Europa hatte zweimal Krieg – der dritte wird der letzte sein“ hat angesichts der Ereignisse in der Ukraine leider nichts an Aktualität verloren.

Hier geht es zum Wintergarten:
http://www.wintergarten-berlin.de/de/programm/specials/wintergarten-spotlights/kuenstler/bots.html


Grafikquelle :   bots (NL) beim Liederfest auf der Burg Waldeck 2016

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Der Raubzug der Bankster

Erstellt von Redaktion am 26. April 2014

Ein Handbuch ökonomischer Anklagen

David de Rothschild 2014.jpg

Autor: U. Gellermann

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Datum: 25. April 2014
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Buchtitel: Der grösste Raubzug der Geschichte
Buchautor: Matthias Weik & Marc Friedrich
Verlag: Bastei Lübbe

Es ist ein Bestseller geworden, der „Grösste Raubzug der Geschichte“, das Buch der Autoren Matthias Weik & Marc Friedrich“, das 2012 in einem kleinen Verlag mit einer Erstauflage von 1.000 Exemplaren erschien und in kurzer Zeit zum „erfolgreichsten Finanzbuch 2012“ wurde. Nun erscheint es als Taschenbuch und hat gute Aussichten auf weitere gute Auflagen. Eine Rezension mit dem Fazit des Buches zu beginnen, mag ungewöhnlich erscheinen, in diesem Fall dient das Fazit der Einordnung: Die Täter des Raubzuges werden dort summarisch genannt: „Die Finanzindustrie mithilfe der Politik und der Notenbanken“ und die Leser-Zielgruppe auch: „Schützen Sie Ihren Wohlstand! Jetzt ist es entscheidend, das persönliche Vermögen zu sichern.“ Es ist der Mittelstand, an den sich die Autoren wenden, sie schreiben im Wesentlichen für jene, die noch was haben, das sie anlegen können. Obwohl das Buch weiß und benennt, das „25 Prozent der Bevölkerung gar kein Vermögen mehr (haben)“ oder überschuldet sind.

Auch wenn sich der „Raubzug“ an nicht wenigen Stellen wie ein Ratgeber zur Rettung von kleinen Vermögen liest, ist er doch zugleich eine Arbeit der Analyse und der Enthüllung, der nicht selten überraschenden Details und des spannenden Rückgriffs in die Geschichte der Finanzkrise, die bis heute anhält und trotz aller Beschwörungen und Beschwichtigungen – jüngst erst mit der Emission griechischer und portugiesischer Staatspapiere – als Zeitbombe immer noch tickt und jederzeit erneut explodieren kann. Von der Entfesselung der Finanzmärkte durch Margret Thatcher: „Lasst uns die Regeln wegwerfen, die den Erfolg bremsen!“ Über den Beginn der deutschen Krise, die von den Autoren in Wilmington USA verortet wird, jener Briefkasten-Ansammlung im US-Bundesstaat Delaware, in dem auch die Bayern LB 1998 eine „Zweckgesellschaft“ gründete, die eigentlich unter den Straftatbestand „Bilanzfälschung und Steuerhinterziehung“ hätte fallen müssen. Bis zur Gründung der ersten deutschen Bad Bank, der „Hypo Real Estate (HRE)“, auf Anregung von Josef Ackermann gegründet und von Kanzler Schröder, Wirtschaftsminister Clement und Finanzminister Eichel freundlich begleitet. Es ist genau jene Bank, die den Steuerzahler später, im Rahmen einer sogenannten Verstaatlichung Milliarden Euro kosten sollte und deren Kauf Oskar Lafontaine damals als „Veruntreuung“ durch die Regierung wertete.

Aus einem Meer von Informationen und Fakten tauchen im „Raubzug“ immer wieder dunkle Monster auf wie jenes, dass die Merkel-Garantie für angeblich „sichere Sparanlagen“ nirgendwo gesetzlich verankert ist. Oder es treibt der unheimliche Jörg Asmussen vorbei, mal in der Rolle als Referent bei Eichel oder Steinbrück, als Aufsichtsrat der Schlüsselbank KfW oder als Formulierer jener Passagen im schwarz-roten Koalitionsvertrag von 2005, der den Finanzmarkt von „überflüssigen“ Regulierungen befreien sollte. Aber manchmal strandet im Buch auch grober Unfug am Rande der Analysenflut. So, wenn die Autoren die Verstaatlichung diverser Banken für „Die Rückkehr des Kommunismus“ ausgeben, obwohl Weik und Friedrich belegen, dass die Gewinne privatisiert und die Verluste sozialisiert werden, also ein Akt vollzogen wird, der nur den herrschenden Kapitalismus stärkt. Genau hier, im Mangel an politischen Kenntnissen liegt die wesentliche Schwäche des Buches.

Diese Schwäche wird teilkompensiert, wenn zum Beispiel im Kapitel „Was wurde aus der Krise gelernt?“ die Frage mit einem kühlen und gut belegten „Nichts“ beantwortet wird. Zum Beispiel wenn bewiesen wird, dass im Ergebnis der Finanzkrise größere Banken entstanden sind, die natürlich „too big to fail“ sind, zu groß also, als dass die Staaten sie fallen lassen könnten und sie so zu „Versicherungsunternehmen“ der Finanzindustrie werden. Die Frage nach dem Verbleib der Finanztransaktionssteuer wird genauso gestellt, wie die Rente mit 54 enthüllt wird für den früheren Co-Chef der Deutschen Bank, Michael Cohrs, der sich sein Früh-Rentnerdasein mit einer Wohnung für 11,5 Millionen Dollar versüßt. Man darf sicher sein, dass solche wie Cohrs Befürworter der Rente mit 67 sind, nur nicht für sich selbst. In einem vernichtenden Kapitel über „Experten“ zitieren die Autoren grausige Sprüche: „Die Finanzkrise wird aus heutiger Sicht keine großen Auswirkungen auf die Struktur privater Banken in Deutschland haben (Dezember 2007, Frank Mattern von der Unternehmenberatung McKinsey)“ – „Aus der Finanzkrise ergeben sich keine unmittelbaren Risiken für die Haushaltsplanung (Oktober 2008, Peer Steinbrück)“ – Ebenso schlau waren die „Wirtschaftsweisen“, die sich im November 2007 sicher waren, dass eine Rezession nicht drohe.

In weiten Teilen liest sich das Buch wie eine Klageschrift gegen das System. Allerdings fehlt ihm die politische Konsequenz daraus, die ja ganz sicher nicht in einer Besserung des Kapitalismus liegen kann. Denn seine Profitorientierung reproduziert – völlig unabhängig von moralischen Kategorien wie Gier – Tag für Tag jenes Desaster, das sich Weltwirtschaft nennt und zu den bekannten Arm-Reich-Verhältnissen führt, zur Vernichtung lebendiger Arbeitskraft zugunsten der virtuellen Finanzwirtschaft: „80 Prozent der Deutschen mussten in den vergangenen Jahren bereits reale Einkommensverluste hinnehmen – Tendenz steigend!“, wissen die Autoren zu schreiben. Und auch: „Zehn Prozent der Deutschen besitzen mehr als 67 Prozent des Gesamtvermögens.“ Trotz solcher Erkenntnisse werden im Buch Agenten der Versicherungswirtschaft wie Bernd Raffelhüschen zur Renten-Zukunft zitiert, der in der Rentenfrage zum Beispiel die Zuwanderung ausblendet, um nur ja private Zusatzversicherungen zu verkaufen. Bei aller System-Enthüllung vermisst man jene politische Dimension, die über die Anklage hinaus in die Veränderung weist. Außer man wollte die empfohlene Anlage in Immobilien bereits als einen Schritt zum System-Wechsel begreifen. Aber die Autoren sind noch jung, das nächste Buch kann ja den nächsten Schritt tun.


Grafikquelle :   French banker David de Rothschild presides over a meeting of the World Jewish Congress Governing Board in Berlin, September 2014

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Vorfahrt für Deutschland

Erstellt von Redaktion am 25. April 2014

Daimler Partei-Spende gibt Gas

Diese korrumpieren nicht!

Autor: U. Gellermann

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Datum: 25. April 2014

Geiz ist geil, scheint der schwäbische Daimler-Konzern gedacht zu haben, als er in diesen Tagen die fällige jährliche Parteienspende von insgesamt nur 320.000 Euro an CDU-CSU-SPD-FDP-GRÜNE überwiesen hat. Gemessen an den acht Milliarden Euro Daimler-Gewinn des letzten Jahres sind die paar Polit-Cents tatsächlich Almosen. Für das bisschen Geld kann man nicht mal einen Mercedes G 63 AMG 6×6 erwerben, der immerhin 451.010 Euro kostet. Gefragt, warum denn die Linkspartei keinen einzigen Cent erhalten hat, soll der Finanzvorstand des Unternehmens gesagt haben: Trabbi-Fahrer kriegen nix.

Angesichts der tatkräftigen Hilfe von Frau Merkel, die einen europäischen Kompromiss über die Klimaschutzregeln für neue, dicke Autos platzen ließ, wären eigentlich Boni für die beteiligten Parteien fällig. Gerade weil die Quandt-Sippe (BMW) der CDU schon eine Sonderzahlung von 690.000 Euro zugesteckt hat, sollte sich der älteste deutsche Automobilkonzern nicht lumpen lassen. Denkbar wäre, dass Daimler die Kosten für einen eigenen Hintereingang ins Bundeskanzleramt übernehmen würde. Immerhin wurden die Lobbyisten der Automobilindustrie in der letzten Legislaturperiode im Monatstakt von Merkel empfangen Da wäre es sinnvoll, wenn man beim ständigen Rein-Raus der Auto-Dealer nicht immer wieder auf Leute der Finanzkonzerne oder der Waffenindustrie treffen würde, es könnte sonst zu Staus und langen Wartezeiten kommen.

Als diskrete Einflussnahme sind auch Lobby-Warften für ausgewählte Bundestagsabgeordnete im Flachland denkbar, jene aufgeschütteten Siedlungshügel, die man von der Nordseeküste kennt, und die aus den Fluten der Klimakatastrophe wenigsten jene retten könnten, denen wir alle die Rettung der deutschen Automobil-Industrie vor irren Umweltschützern und wirtschaftsfeindlichen EU-Regelungen zu verdanken haben. Nicht schlecht wären auch ehrenvolle Auszeichnungen, wie der goldene Mercedes-Stern mit gekreuzten Scheibenwischern und Brillanten, der so tapferen Männern wie Thorsten Albig, dem Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, verliehen werden sollte. Weil er einen Schlagloch-Soli von den Autofahrern einfordert, statt die Automobilindustrie zur Kasse zu bitten oder den öffentlichen Nahverkehr zu fördern. Ganz vorne auf der Liste der Ausgezeichneten müsste auch Barbara Hendricks, die Umweltministerin von der SPD, stehen. Sie schlägt angesichts des Klimawandels vor: Heizung aus, Pullover an! Auch wenn der anerkannte Rassist Sarrazin ein Copyright für diesen Vorschlag besitzt – er hatte diese Klima-Lösung den Hartz-Vierern empfohlen – gebührt doch Frau Hendricks der goldene Stern für die dicke Masche mit der sie uns alle bestricken will.

Auf all diese eigentlich sinnvollen Vorschläge reagieren die Daimler-Vorstände nur mit einem mitleidigen Lächeln. Wozu Extra-Kosten? Hat man doch vor ein paar Jahren den damaligen Bundesverkehrsminister, Matthias Wissmann, eingekauft und zum Präsidenten des Verbands der Autoindustrie (VDA) gemacht. Der saß mit der Merkel, damals noch Umweltministerin, im Kabinett Kohl und kann jetzt im Notfall Briefe schreiben, die mit „Liebe Angela“ beginnen und davor warnen die deutsche Automobilindustrie „kaputt regulieren (zu) lassen“. Das ist das schöne an der Demokratie: Demnächst kann der ehemalige Verkehrsminister und heutige Daimler-Beauftragte Wissman gemeinsam mit dem ehemaligen Kanzleramts-Chef Pofalla im Vorstand der Deutschen Bahn darüber befinden, wie der private Verkehr gegenüber dem öffentlichen begünstigt werden kann, damit derweil der Merkel-Mannschaft genug Zeit bleibt, die Demokratie in der Ukraine oder in Afghanistan zu entwickeln. Auch so kann jene Vorfahrt für Deutschland hergestellt werden, die im Mund von Gauck und anderen zu „mehr Verantwortung für Deutschland“ geronnen ist. Gib Gas, Deutschland! Überall in der Welt.

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Fotoquelle: Wikipedia – Author user:Mjchael

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Obama hat Recht

Erstellt von Redaktion am 22. April 2014

US-Bodentruppen nach Polen

Autor: U. Gellermann

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Datum: 22. April 2014

„Obama hat Recht“ sagte der SPD-Finanzexperte Joachim Poß nachdem er jüngst von seiner Ukraine-Reise zurückgekehrt war. Denn Obama hatte, unmittelbar nach dem Genfer-Abkommen zur Ukraine-Krise, das auf eine friedliche Lösung orientierte, weiter gezündelt: „Ich glaube nicht, dass wir zu diesem Zeitpunkt über irgendetwas sicher sein können“. Und unser Joachim aus Gelsenkirchen gab ihm aus gebückter Haltung schnellsten Recht und wollte auch Sanktionen nicht ausschließen „sollte die Lage weiter so unübersichtlich bleiben.“ Weil Joachim keine Übersicht hat, hat Obama Recht und Sanktionen gegen Russland sind fällig. So funktioniert deutsche Politik.

Obama hat immer Recht, wie man den kränkelnden deutschen Medien entnehmen kann, die sich von ihrer Rückgrat-Operation bisher nicht erholt haben. Denn das Genfer Abkommen kommentieren sie so: STERN: „Separatisten trotzen geplanter Entwaffnung“, ARD: „Russland stimmte der Entwaffnung separatistischer Kräfte im Osten des Landes zu“, ZDF: „Unter anderem hat Russland einer Entwaffnung der Separatisten im Osten der Ukraine zugestimmt.“ TAGESSPIEGEL: „Russland hat der Entwaffnung der Separatisten in der Ostukraine beim Krisentreffen in Genf zugestimmt“, und BILD: „Die pro-russischen Separatisten im Osten der Ukraine müssen ihre Waffen niederlegen und die besetzten Gebäude verlassen.“ Das haben die Redakteure, offenkundig mit der Obama-Brille ausgestattet, in das Abkommen hineingelesen. Aber das Wort Ost-Ukraine kommt im Genfer Abkommen gar nicht vor. Statt dessen steht dort:

Alle illegalen bewaffneten Gruppen müssen entwaffnet werden. Alle illegal besetzen Gebäude müssen ihren legitimen Eigentümern zurückgegeben werden. Alle illegal besetzten Straßen, Plätze oder andere öffentliche Flächen in den ukrainischen Städten und Gemeinden müssen geräumt werden.“ Dreimal in einem Abschnitt das Wort ALLE. Und alle, das schlösse auch den immer noch besetzten Maidan in Kiew ein, das beträfe die immer noch bewaffneten Kräfte des RECHTEN SEKTORS, das wären die Regierungsgebäude, besetzt von einer fraglos illegalen Regierung. Aber deren provisorischer Außenminister, Andrej Deschtschiza, muss die Obama-Version des Textes gelesen haben: „Wenn Sie diese Vereinbarungen aufmerksam durchlesen, ist dort die Rede von der Befreiung von Straßen und Plätzen, die illegal von Protestteilnehmern besetzt sind. Soweit ich weiß, halten sich die Aktivisten auf dem Maidan legal auf“.

Und weiter im Genfer Text: „Alle Seiten müssen jede Form von Gewalt, Einschüchterung oder provokative Handlungen unterlassen.“ Schon wieder dieses ALLE. Aber zwei Tage nach dem Abkommen erklärte die Sprecherin der ukrainischen Staatssicherheit, Marina Ostapenko: „Die Anti-Terror-Operation läuft weiter. Wie lange sie andauern wird hängt davon ab, wie lange Terroristen in unserem Land bleiben.“ Das wird Obama für Recht halten. Aber was bringt schon die US-Unterschrift unter ein Papier, das dem Ende der Gewalt in der Ukraine gewidmet ist, wenn es gegen Terroristen geht? In Obamas Umgebung sind alle erstaunt, dass der Mann den provisorischen Kräften in Kiew noch keine Drohnen angeboten hat. Doch immerhin hat Polens Verteidigungsminister Tomasz Siemoniak angekündigt, dass demnächst US-Bodentruppen in sein Land verlegt werden sollen. Wer das als eine Provokation versteht, die in Genf ALLE Seiten unterlassen sollen, der versteht die US-Logik nicht: Was in Genf vereinbart wurde, gilt nach US-Lesart nur für die Süd-Ost-Ukraine. Wer das nicht glaubt, der muss nur deutsche Medien konsumieren.

Der Recht-Teilhaber Joachim Poß war bei seiner Reise durch die Ukraine auch in Donezk. Ältere Menschen in Donezk können sich noch erinnern, dass die Stadt vom 28. Oktober 1941 bis zum 5. September 1943 von den Deutschen besetzt war. Als die Wehrmacht die Stadt verließ, war sie völlig zerstört. Mehr als 60.000 ihrer Bewohner überlebten den Besuch der Deutschen nicht. Unter ihnen waren 17.000 russische Juden. Gern und oft wird angesichts deutscher Verbrechen an die besondere Verantwortung Deutschlands gegenüber Israel erinnert. Ob Joachim Poß eine besondere Verantwortung gegenüber den Menschen in Donezk verspürte ist unbekannt.

Fotoquelle – Wikipedia – U.S. Army photo by Staff Sgt. Kyle Davis.

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Gehirnwäsche

Erstellt von Redaktion am 17. April 2014

Alles läuft über, auch die ukrainische Armee

File:Ukrainian 2S1 Gvozdika SPG.jpg

Autor: U. Gellermann

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Datum: 16. April 2014

Seit Wochen wäscht der wesentliche Teil der deutschen Medien die Hirne ihrer Konsumenten: Alles Russen! grölt der Mainstream, die da in der Ost- und Süd-Ukraine protestieren, alle von Putin persönlich gesteuert, alle von Moskau bezahlt. Bilder lügen nicht, behaupten die Chefredakteure, während sich die Balken in den Redaktionen biegen. Und was da zu sehen ist, auf den Bildern von Sende-Anstalten und Wichtig-Zeitungen, diese Ansammlung von uniformierten Bewaffneten, das legt die Vermutung nahe, die Redakteure könnten vielleicht Recht haben. So wie sie Recht hatten, als sie die Hartz-IV-Sklaverei unisono als prima Reform verkauften, als sie im Chor den Irak- und den Libyen-Krieg priesen und die Banken-Rettung als alternativlos beschworen. Jetzt könnte die Wende kommen, das Fass mit Lügen-Brühe überlaufen: Panzer der ukrainischen Armee zur „Terroristen-Bekämpfung“ – in Marsch gesetzt von einer durch nichts legitimierten Kiewer Regierung – haben die Seiten gewechselt: Mit Flaggen der Donezker Region und denen Russlands fuhren die Soldaten durch die Straßen von Kramatorsk und Slawjansk. Und es werden nicht die letzten sein. Weil sie eben Ukrainer sind und nicht bezahlte Handlanger der EU und der USA.

Genau ein Tag bevor die Truppen zur „Terroristen-Bekämpfung“ in Bewegung gesetzt wurden war der Direktor der CIA, John Brennan am Wochenende in Kiew gewesen. John Kerrys Sprecherin Jennifer Psaki gestand diesen Blitzbesuch ein, weil er nicht zu leugnen war: „. . . können wir bestätigen, dass der Direktor im Rahmen seiner Europareise in Kiew war“, sagte Psaki. Gab es irgendein wichtiges deutsches Medium, das nach dem CIA-Besuch mal bei der US-Botschaft nachgefragt hat, wo der CIA-Direktor sonst noch war und worüber genau er denn in Kiew geredet hat? Soweit geht der freie Journalist nicht. Da ist er lieber so frei, auf nahezu alle Bilder der normalen Bürger aus dem Osten und Süden der Ukraine zu verzichten, auf vorhandene Bilder von Menschen, die sich das Russisch-Sprechen nicht verbieten lassen wollen, Leute, die nicht als „Separatisten“ mit zehn Jahren Haft bedroht sein möchten, nur weil sie zu den Tausenden gehören, die gegen die Putsch-Regierung in Kiew demonstrieren, Nachbarn, die eine Pseudo-Regierung mit Nazi-Ministern ablehnen. Nein, man braucht die Lüge von den alles bewegenden Russen, um die wirkliche Ausländer-Regie zu tarnen.

Wie zum Beispiel jene fünf Milliarden Dollar, die von den USA für eine „wohlhabende und demokratische Ukraine“ investiert wurden, wie die ebenso arrogante wie dämliche US-Diplomatin Victoria Nuland voll Stolz erzählte. Eine „Investition“ die in der offiziellen deutschen Ukraine-Berichterstattung ebenso eine Nebenrolle spielt wie die Männerfreundschaft zwischen Senator McCain und einem Bandera-Nazi, dem „Swoboda“-Vorsitzenden Oleh Tjahnibok. Das alles wird überblendet von Putin-Fotos in den Medien, die direkt aus dem Labor von Josef Goebbels stammen könnten: Dämonisch, hinterhältig, mörderisch, sieht er auf denen aus, ein Russe eben. Komplettiert werden solche Propaganda-Bilder mit Untermenschen-Formulierungen wie jener in der ARD vom „pro-russischen Mob“. So schnell kann man zum Mob werden, wenn man den Zielen der Vereinigung deutscher Chefredakteure im Wege steht.

Vor ein paar Tagen in der „Tagesschau“: Gezeigt wird eine Mann in russischer Uniform, er sei Oberstleutnant in der russischen Armee sagt er, und er empfehle den ukrainischen Polizisten der Stadt Gorlowka bei Donezk im Osten des Landes sich der neuen Polizeiführung zu unterstellen. Gedreht wurde das Video von einem Parteimitglied der UDAR, der Partei des Boxers Vitali Klitschko. Der russische Oberstleutnant ist ein Fake. Bis heute verweigert die ARD jede Stellungnahme. Eine Stellungnahme sonderte die Redaktionsleiterin des „heute journal”, Anne Reidt ab, als sie auf Vorwürfe reagierte, das ZDF nutze eine ukrainische Regierungsplattform, um ein Interview mit dem Nazi-Swoboda-Chef Oleh Tjahnybok zu senden: „Das ZDF deshalb als Sprachrohr von Swoboda zu bezeichnen, ist unterstellend und falsch.“ Richtig ist: Das ZDF wollte unbedingt eine Rede von Gregor Gysi im Bundestag konterkarieren, der den Swoboda-Chef als das zitierte was er ist: Ein Faschist und Antisemit. Das konnte das ZDF nun wirklich nicht auf dem braven Mann sitzen lassen.

Es sind Ukrainer, die im Osten und Süden des Landes ihre Rechte vertreten. Auch wenn deutsche Medien sie unbedingt zu Russen machen wollen. Es sind Ukrainer, die vor der Machtergreifung der jetzigen Kiewer Regierung ziemlich ruhig und friedlich dort lebten, wo sie heute protestieren und demonstrieren. Dass es da einen Zusammenhang gibt, will die Redaktion nicht wissen. Dass diese Ukrainer selbst auf die Idee gekommen sind sich zu wehren, kann der deutsche Redakteur nicht begreifen, denn er handelt nur auf Befehl der Konformität. Und wenn irgendwo ein Fass überläuft, das weiß er schon vom Vater oder Großvater, dann kann es nur vom Russen gefüllt worden sein.


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Letzte Ausfahrt Uckermark?

Erstellt von Redaktion am 15. April 2014

Vom Antifa-Rennen durch die Marx-Straße

Datei:Schloss Boitzenburg Auffahrt Parkseite SO Burg in 1275 Uckermark Brandenburg Foto Wolfgang Pehlemann DSCN8535.jpg

Parkseite von Schloss Boitzenburg mit auffahrt Ansicht Südosten. Erstmals Baulichkeit als Burg in 1275. Uckermark, Brandenburg.

Autor: Wolfgang Pfeiffer

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Datum: 14. April 2014
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Buchtitel: Vor dem Fest
Buchautor: Saša Stanišić
Verlag: Luchterhand

Im Feuilleton der „Zeit“ bricht der Schriftsteller Maxim Biller eine seltsame Diskussion vom Zaun. Mit Blick auf die Literatur „deutscher Schriftsteller mit nicht deutschen Wurzeln“ (der politisch korrekte Bandwurm für schreibende Immigranten) beschwert er sich darüber, dass diese vaterlandslosen Gesellen, statt die deutschsprachige Literatur aufzumöbeln, sich lieber um deutsche „Wohlfühlpreise“ rangeln als ihrer von Herrn Biller vorgegebenen Bestimmung zu folgen: Über Ihresgleichen zu schreiben.

Im Visier hat der Mann einen Literaten, den er – nicht zu Unrecht – zu den „Stars der neuen Weltliteratur“ zählt: den aus Bosnien stammenden Saša Stanišić. Wessen hat dieser Literat sich schuldig gemacht? Sein neuer Roman „Vor dem Fest“ spielt „in einem Dorf in der Uckermark, unter ehemaligen Ossis, von denen Stanišić so viel versteht wie seine Kritiker vom jugoslawischen Bügerkrieg, vor dem er vor 14 Jahren nach Deutschland fliehen musste … Ist es ihm wichtiger, als Neudeutscher über Urdeutsche zu schreiben als über Leute wie sich selbst?“

Schuster, bleib´ bei Deinem Leisten, will Biller uns sagen! Entweder hat er den Roman nicht gelesen oder er kennt die Uckermark („Jenes Land, das ferne leuchtet“- Ehm Welk) nicht, wahrscheinlich beides. Die Uckermark nicht zu kennen, war bisher für sich genommen keine Schande, aber spätestens nach Erscheinen von Stanišić´ Buch ist es eine Kulturlücke, für die ihn die Uckermärkerin Angela Merkel strafen möge. Die kommt in diesem Buch nicht vor, oder vielleicht nur indirekt, weil sie, wie alle Uckermärker, inkludiert ist in die Beschreibung Stanišić´ so wie in dem Historienroman „Die große Flut“ des Schriftstellers Waldemar Augustiny, der die Uckermärker als „eine Mischung aus Friesen, Mecklenburgern, Hugenotten und Preußen“ charakterisiert. Eine wahrhaft brisante Mischung, die manches, wenn auch nicht alles erklärt.

Stanišić seinerseits beschreibt die „urdeutschen“ Uckermärker nicht nur, ihm ist eine literarische Liebeserklärung gelungen (wenn das auch mancher Uckermärker anders sehen dürfte). Nur vergleichbar mit Siegfried Lenz´ Erzählungskunst über dessen ehemalige Heimat, die Masuren. Biller würde sagen, Lenz durfte das, weil er dort geboren wurde und gelebt hat. Darf Stanišić das, dieser zugereiste Serbe, dieser Kollaborateur, über die Uckermark schreiben, so treffend, so liebevoll, so historisch und kenntnisreich, als sei er hier geboren, als sei er ein Urdeutscher, wo er doch nur ein Neudeutscher ist? Nein, Herr Biller sagt nein und nochmals nein! Nicht nur, dass er sich anmaßt, urdeutsche Zustände zu beschreiben, er beschreibt auch noch ostdeutsche! Kein Wunder also, dass wir über ein antifaschistisches Radrennen (sic!) lesen müssen, dabei durch Straßen geführt werden, die Namen von Unpersonen wie Ernst Thälmann oder Karl Marx tragen (und das nach der Wende!), kein Wunder, dass wir solche Sätze lesen müssen wie „Solange noch ein DDR-Fön irgendwo Haare trocken kriegt, ist die DDR nicht tot“, kein Wunder, dass wir über Lada und Ladas, kurz über „früher“ lesen müssen, die Vergangenheit, die in der Uckermark noch so heutig ist. Womit nicht eine nostalgisch verklärte Vergangenheit gemeint ist, wenn der Rentner Imboden in der Garage „mit einem kühlen Sterni in der Hand, dem Narrenstab, etwas sagt, das so beginnt: Eine Schlägerei macht kein Fest besser, es sei denn, sie rettet es.“

Auch stimmt es nicht, dass früher besser gefeiert wurde. Die Zeiten waren bloß noch mieser … Mit „früher“ meint Imboden, meinen alle, immer gleich die gesamte Vorwendezeit. Theoretisch kannst Du mit „früher“ auch das dunkelste Mittelalter meinen, aber auf keinen Fall Gerhard Schröder.“- Auf keinen Fall, Herr Biller, jedenfalls nicht in Ostdeutschland! Vielleicht in Dortmund, ja, da redet man anders über früher, vielleicht auch über Gerhard Schröder, aber nicht in Fürstenfelde/Uckermark! Obwohl die doch tausend Mal mehr Gründe hätten, über Schröder und Hartz IV. zu reden, über die dunkelste Gegenwart. Tun sie aber nicht! Sie reden von früher, wenn sie das Heute meinen. Herr Biller versteht das nicht, Saša Stanišić sehr wohl.

Was ist Heimat? Was ist ein Heimatroman? Wer darf sich wo heimisch fühlen, wer nicht? Dürfen sich die Rumänen, die aus einem „Rumänen raus“ durch die einfache Verwandlung eines Buchstabens (eines römischen Buchstabens) ein „Rumänen- Haus“ machen, dürfen die sich in der Uckermark heimisch fühlen? Oder Frau Kranz, die zugereiste Heimatmalerin, die keine ist („Frau Kranz sieht ihr Dorf nicht, sie weiß ihr Dorf“)? Rico und Luise, die beiden Neonazis, die noch gar nicht wach waren, als Frau Schwermuth das Antifa-Rennen durch die Marx-Straße mit dem Schlachtruf startete: „Keine Bremsen, folg mir, Volk!“?

Wer darf den ultimativen Heimatroman über die Uckermark schreiben? Nur Ehm Welk oder auch Saša Stanišić, der in der Uckermark Menschen getroffen hat „wie sich selbst?“ Jeder, Herr Biller, jeder, der schreiben kann, darf über die Uckermark und über jeden anderen Ort der Welt Heimatromane schreiben! Auch Sie! Wenn Sie denn mal kommen würden …

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Griechenland: Weiter so!

Erstellt von Redaktion am 14. April 2014

Mehr Merkel, mehr Schulden

Autor: U. Gellermann

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Datum: 14. April 2014

Pünktlich zur Vorbereitung der Wahlen in Griechenland besuchte die Zuchtmeisterin der Europäischen Union, Angela Merkel, Griechenland. Und damit niemand nachfragt, ob die Merkel denn nur zur Wahlkampf-Unterstützung für den griechischen Ministerpräsidenten kommt oder die ausstehenden Raten für die an Griechenland gelieferte U-Boot-Technik abholen will, platzt in Athen am Tag vor Merkel die Schulden-Bombe: Eine neue Staatsanleihe hat weitere drei Milliarden zu dem bereits vorhandenen 240-Milliarden-Minus addiert. Und während normale Gläubiger sich angesichts der griechischen Schieflage Sorgen machen würden, knallen bei den Hedgefonds die Champagner-Korken: Man ist sicher, dass die Europäische Union Griechenland nicht fallen lässt: Was auch mit den Griechen geschieht, das Geld der Spekulanten gilt als gut und sicher in der aktuellen Staatsanleihe angelegt.

Nichts ist gut in Griechenland: Dank der von Merkel & Co befohlenen Sparpolitik leben rund 30 Prozent der Griechen an der Armutsgrenze, zwischen 2009 und 2013 gingen 904.200 Arbeitsplätze verloren (-19,9%). Ungefähr 75.600 Unternehmen (30%) mussten schließen, zwischen 2010 – 2013 sanken die realen durchschnittlichen Bruttobezüge um 25,2% und die Einschätzung der Griechischen Bank ist, dass 2013 die durchschnittlichen Bezüge um 7,4% und 2014 um 1,5% sanken bzw. sinken werden. Aber in den deutschen Medien hallt der Jubel über die neuen Schulden heftig nach: Das Land sei wieder kreditfähig. Auch für die EU-Wahlen klingt die Nachricht gut: Weiter so mit Angela Merkel heißt die Botschaft. Nur wenige fragen wie das zusammenpasst: Privatanlegern fünf Prozent Rendite versprechen und die öffentlichen Gläubiger um Aufschub bitten. Weiter so mit Hunger und Selbstmord in Griechenland, weiter so mit staatlichem Selbstbetrug und dem künstlich schön gerechneten griechischen Staatshaushalt, damit die Merkel Stimmen für die EU-Wahlen sammeln kann.

Als der Chef des griechischen Gewerkschaftsverbands (GSEE), Yiannis Panagopoulos, mal bei Angela Merkel zu Besuch war, stellte er die schlichte Frage: „Ist es richtig, dass unsere Regierung Deutschland so viele Waffen abkauft, obwohl sie offensichtlich überhaupt kein Geld für solche Geschäfte hat und deshalb Löhne und Renten kürzt?“ Die Dame Merkel erwiderte umgehend: „Wir haben Sie nicht darum gebeten, einen so großen Teil Ihres BIP für die Verteidigung auszugeben.“ Dann kam sie auf die ausstehenden Zahlungen für U-Boote zu sprechen, auf die Deutschland schon über zehn Jahre warte.- Im August des letzten Jahres hat die Staatsanwaltschaft Bremen die Ermittlungen gegen die Rüstungsunternehmen Rheinmetall-Defence-Electronics und Atlas Elektonik aufgenommen, die sollen bei U-Boot-Deals mit Griechenland griechische Regierungsmitglieder bestochen haben – von Schmiergeldern in Höhe von jeweils etwa neun Millionen Euro ist die Rede. Steuerhinterziehung wird ebenfalls vermutet. Die Ermittlungen dauern an.

An der Spitze der aktuellen griechischen Regierung steht mit Antonis Samaras ein Vertreter jener alten, korrupten Eliten, die Griechenland ins Elend gestürzt haben. Samaras war schon mehrere Jahre Wirtschafts- und Außenminister zweier konservativer Regierungen und gilt als nationalistischer Hardliner, der bis heute der ehemals jugoslawischen Teil-Republik Mazedonien ihren Namen streitig macht und die griechische Hochrüstung gegen den NATO-Partner Türkei – trotz des kaputten Staatshaushaltes – immer billigte. Dieses Muster an konservativer Idiotie erhielt bei den Parlamentswahlen erstklassige Hilfe von Merkel, Hollande, Monti und anderen europäischen Banken-Rettern, die damit drohten Griechenland aus der Euro-Zone zu werfen, falls die linke Partei Syriza die Wahlen gewinnen sollte.

Erst kürzlich erklärte die Stimme seiner Herrin, der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert, die Kanzlerin bewundere den griechischen Weg. Es ist jener abschüssige Pfad, der in den vergangenen vier Jahren zu einem Rückgang des verfügbaren Einkommens um mehr als 30 Prozent führte, den privaten Konsum um 20 Prozent drückte und die Investitionen in den Jahren 2010 – 2013 um 51 Prozent senkte. Das ist der Weg in den Abgrund, begleitet vom Mantra des Weiter-So. Es ist die mit neuen Schulden gepflasterte Straße ins wirtschaftliche und soziale Nirwana, die von der Merkel „bewundert“ und gefördert wird.

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Grafikquelle    :   Simonopetra

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Wenn zwei das Gleiche tun

Erstellt von Redaktion am 9. April 2014

. . . droht der Regierungssprecher mit Sanktionen

Autor: U. Gellermann

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Datum: 09. April 2014

Es ist noch nicht lange her, da waren deutsche Medien voll des klatschenden Beifalls für Demonstranten, da gab es Bestnoten für Barrikaden und EU-Außenminister flogen nach Kiew um den revoltierenden Massen die Hände zu schütteln. Nun wird man EU-Außenminister in der Ostukraine nicht unbedingt vermissen, aber es wäre ein Gebot der Fairness wenn man die russisch sprechenden Ukrainer – die jetzt auch demonstrieren, bisher ohne Barrikaden und ganz sicher ohne Nazi-Begleitung – mit neutralem Interesse begleiten würde. Aber irgendwie ist das Gleiche nicht das Selbe.

Denn was interessiert es den deutschen Redakteur, wenn die nationalistischen West-Ukrainer mit der Abschaffung des Russischen als zweite Amtssprache eine nationale Welle im Osten und Süden des Landes auslösen? Was interessiert es ihn, wenn eine Kiewer Regierung weder durch die ukrainische Verfassung noch durch Wahlen legitimiert ist. Und dass nach wie vor führende Posten in dieser Regierung von Faschisten besetzt sind? Ist ihm doch egal, dem Redakteur. Es darf auch gern eine Redakteurin sein, wie jene in der TAZ, die stellvertretend für den Mainstream steht wenn sie mit Schaum vor dem Mund schreibt: „Zweifellos zieht der Kreml, der unlängst mit aberwitzigen Föderalisierungsplänen für den Nachbarn aufwartete, auch in Lugansk, Charkiw und Donezk wieder maßgeblich die Strippen. Die Devise lautet: destabilisieren und Unruhe schüren um jeden Preis.“ Es ist der Russe! Ist das jetzt endlich klar, fragt Euch die TAZ und erwartet ein total chorisches ja, ja, ja!

Seit dem 19.03.2014 benötigen alle Russen, die in die Ukraine einreisen wollen, ein Visum. Das hat die Euro-Maidan-Regierung verordnet, um einen möglichen „Demonstrations-Tourismus“ zu verbieten. Wenn also jemand genau wüsste und mit Zahlen über Russen aufwarten könnte, die über die ukrainische Grenze einreisen, um eine „orchestrierte Kampagne mit russischer Unterstützung (US-Außenminister Kerry)“ zu inszenieren, dann wären es die ukrainischen Behörden. Aber Zahlen oder Fakten zur „Kampagne“ sind nicht zu haben. Trotzdem droht der mächtige deutsche Regierungssprecher Seibert schon mal mit der Verschärfung der Sanktionen gegen Russland: Man bläst ins Feuer, statt Wasser kippt der Westen Öl in einen durchaus denkbaren Bürgerkrieg.

Und weil der Westen ja alles weiß und das auch besser, geistert die „Gas-Erpressung“ durch die Medien: Der Russe, so ist zu lesen und zu hören, erhöht brutal den Gaspreis um Kiew in die Knie zu zwingen. Tatsächlich streicht der russische Gaslieferant nur die bisher gewährten Rabatte für die Ukraine. Und er landet jetzt bei exakt dem Marktpreis, den man auch den Deutschen abknöpft (352 Euro für 1000 Kubikmeter). Nun sollte man eigentlich Beifall von den Marktwirtschaftlern erwarten, wird doch der Freiheit des Marktes zum Durchbruch verholfen und eine Subvention gestrichen. Doch statt des Applaus nur Kritik: „Während USA, EU und IWF Milliarden nach Kiew leiten, um das Land vor dem Bankrott zu retten, erhöht Gazprom die Gaspreise drastisch“, schreibt die galoppierende Idiotie in der „Süddeutschen Zeitung“ – verschweigend, dass der letzte „Hilfe-Einsatz“ des IWF die Ukraine an den Rand des Staatsbankrottes brachte und diese Krise die Ukraine bis heute destabilisiert.

Es sind Massen, die im Osten und Süden auf die Straße gehen. Und die aktuelle Kiewer Regierung reagiert auf die Proteste in Odessa, Donezk, Mariupol, Lugansk und Charkow so, wie es die alte Regierung auf dem Maidan gern machte, als sie noch im Amt war: Sie schickt „Spezialeinheiten“ um besetzte Gebäude zu räumen und „die Lage zu beruhigen“. Damals wussten die deutschen Medien genau, dass es sich bei solchen Aktivitäten um staatliche Willkür handelte. Heute begleitet die „Spezialeinheiten“ eher eine klammheimliche Freude. Die Zeit der unverhohlenen Sympathie mit Massen, die ihr Recht einfordern, ist vorbei.

Nicht vorbei ist die Kriegsgefahr. Wie immer, wenn der Nationalismus Bewegungen antreibt, setzt der Verstand gern aus. Der „Rechte Sektor“ betreibt nach wie vor Ausflugsfahrten aus der West-Ukraine in die Ost-Ukriane. Und nach wie vor ist der Nazi-Sektor nicht entwaffnet. Warum auch? Stellt er doch Minister in der neuen Regierung. Statt darüber nachzudenken, wie man den Sprachenstreit entschärfen könnte, gelten „Föderalsierungspläne“ als „aberwitzig“. Schon mal nach Belgien geguckt auf die föderale Entzerrung des flämisch-wallonischen Sprachenstreites? Mal einen Blick nach Spanien riskiert, wo Galizien, Katalonien und das Baskenland mit ihren eigenen Sprachen als „historische autonome Gemeinschaften“ gelten? Nein. Man hat die Ukraine fest im Auge als Erweiterungsgebiet für was auch immer. Und wenn der kalte zum heißen Krieg wird? Dann sind es sicher nicht Kinder der Steinmeiers und der gewöhnlichen deutschen RedakteurInnen, die ihn ausfechten müssen. Da ist man schon ein bisschen „gleicher“ als die anderen.

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Grafikquelle   :     Steffen Seibert (2010)

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Liebe in Zeiten der Emanzipation

Erstellt von Redaktion am 8. April 2014

Als Eigenliebe noch die Liebe zum Land einschloss

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Autor: U. Gellermann

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Datum: 07. April 2014
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Buchtitel: Grosse Liebe
Buchautor: Navid Kermani
Verlag: Hanser

Der Junge liebt. Mit jener Unbedingtheit, die nur die erste Liebe kennt. Denn vorher war nichts, also denkt der Junge, auch nachher sei nichts mehr. Als Navid Kermani fünfzehn war, da hatte ihn diese GROSSE LIEBE, nach der er heute seinen Roman nennt, in ihren Bann geschlagen und wenn eine Liebe geschlagen sagt, dann meint sie es auch so. Ganze drei Nächte sind dem Jungen geblieben, Tage dazwischen auch, Küssen, Taumeln, von Sinnen sein, das erinnert der Autor dreissig Jahre später mit einem langen Gedicht, das sich als Roman ausgibt.

Die Liebe hatte ihren Platz mitten in den Auseinandersetzungen um den NATO-Doppelbeschluss, in den 70er, 80er Jahren, in denen der Westen der deutschen Republik von mehr als vier Millionen Unterschriften gegen die Stationierung amerikanischer Atomraketen geprägt war, dem Treppauf-Treppab der Unterschriftensammler, von den Listen des „Krefelder Appells“ an jedem Info-Stand, an viele Straßenecken und in jeder Versammlung, die etwas auf sich hielt. Kermani erinnert sich an eine dieser Bonner Großdemonstrationen, an die strickenden Männer, die unförmigen Kleider der Frauen und die ersten Joints eher spöttisch. Daran, dass eine Generation, die vorherige infrage stellte, dass es der letzte Großversuch der Emanzipation im Westen vor dem war, was wir kleinlaut Wende nennen, daran denkt er kaum ernsthaft.

Es wird eine letztlich unerfüllte Liebe sein, die Kermani besingt, die er mit Zitaten arabischer und iranischer Mystiker schmückt und deren stärkstes eine Szene zwischen den Liebenden Madschnun und Leila erzählt: Madschnun verlangt nach der Geliebten, doch als Leila sich ihm nähert ruft er: „Geh mir aus den Augen, denn die Liebe, die ich zu dir empfinde, nimmt mich so sehr in Beschlag, dass ich für dich keine Zeit habe.“ Das ist sie, die relative Autonomie der Liebe, die zwar den Gegenstand ihrer Projektion braucht, aber in ihrem wunderbaren Wahnsinn existiert sie auch neben der Schönsten, scheinbar sogar ohne sie.

Natürlich war auch in der großen politischen Bewegung jener Jahre ein gutes Stück Selbstliebe, ein Sich-Erkennen im Erkennen des eigenen Landes. Kermani, der voller Inbrunst die verlorene große Liebe zur „Schönsten“ beschreibt, dem kein Wort zu groß ist für das nacherzählte Gefühl, kann das verlorene Ziel der Jahre des Emanzipation-Versuches nur noch als Karikatur erkennen: Alles was dem Ziel nicht diente, so lässt er seine Figuren denken, sei faschistoid, die Revolution wurde mit drei R geschrieben und wenn einer meinte, Hitler sei nicht mit der Friedensbewegung zu schlagen gewesen, dann dächte der eben abwegig. Dem immer noch großen, retrospektiv liebenden Autor, kommt im Rückblick die Liebe zum Land nicht in den Sinn. Auch jene Liebe zu sich selbst, die im Willen zur Veränderung, zur Besserung der Verhältnisse eingeschlossen ist, kann Kermani nicht nacherzählen.

Nicht mehr als drei Tage dauerte sie an, die Liebe zur Schönsten. Und immer noch brennt sie im Buch, lodert sie aus den Zeilen, feuert sie den Schreibenden an wie auch den Lesenden. Es ist das Schicksal der ersten westdeutschen Emanzipations-Generation, dass ihre Liebe zum Land erloschen ist, erkaltet in der grünen Partei, die ihr eine politische Form gab, zur Asche geworden in den Kriegen, die von ihr bejaht wurden, begraben unter dem Leichentuch einer bleichen Modernität, die eine letztlich farblose Intellektuellen-Generation hervorgebracht hat, die in den Winkeln ihrer Privatheit hockt und die Einmischung den Politkern überlässt. Mit Sicherheit in den falschen Ländern, mit den falschen Mitteln und den falschen Argumenten, deren Falschheit von Jedermann zu erkennen wäre, hätte er nicht die Liebe zu sich selbst verloren.

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Nachrichten aus besetztem Land

Erstellt von Redaktion am 7. April 2014

Der Mord ist ein Bekannter aus Ramstein

Autor: U. Gellermann

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Datum: 07. April 2014

Die Burg Nanstein in Rheinland-Pfalz ist ein beliebtes Ausflugsziel. Von hier aus focht Franz von Sickingen seine Fehden mit der katholischen Kirche und dem Hochadel aus. Die Burg erlaubt idyllische Blicke in die Umgebung. Einer der Blicke bleibt unweigerlich an der Ramstein-US-Air-Base hängen, jenem 1.400 Hektar großen Monster, von dem aus die Mord-Flüge der US-Drohnen gesteuert werden. Dass dort mit dem Völkerrecht Fußball gespielt wird belegt ausgerechnet der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages in einem achtseitigen Gutachten zum Drohnen-Krieg von deutschem Boden.

Das arme Völkerrecht: Kaum ein Begriff ist in der letzten Zeit so häufig in den Mund genommen und wieder ausgespuckt worden – meist gen Osten. Wer das Begriffspaar Merkel-Völkerrecht googelt, erhält stattliche 362.000 Treffer, mit dem Doppelbegriff Merkel-Drohnenwaffen sind nur 270.000 Treffer zu erzielen. Denn die Bundesregierung weiß ja nichts von dem, was in Ramstein geschieht. Das jedenfalls predigt der Regierungssprecher, und der weiß zumeist, dass die Merkel nichts weiß, pegelt also den Erkenntnisstand der Regierung gern nach unten wenn ein Thema heikel ist.

Irgendwo dahinten, gern an der pakistanischen Grenze zu Afghanistan, zerreisst eine Drohne aus Ramstein gelenkt dann schon mal eine Großmutter auf dem Feld. Und weil die Drohnen-Mordtaktik so ausgefeilt ist, trifft die nächste Drohnen kurze Zeit später die selbe Stelle. Jetzt werden die Enkel, die Töchter, die Tanten und Onkel zerrissen, die aus Sorge um die Oma herbeigeeilt sind. Die US-amerikanische Technik würde jederzeit ausreichen, den Medien der Welt brillant-scharfe Fotos von den vielen Leichenteilen und Fleischfetzen auf dem Feld zu liefern. Bisher allerdings wurde solch ein Erfolgsfoto allerdings noch nicht gesehen.

Gern wird in äußerst intelligenten Blättern wie der ZEIT über die Völkerrechtswidrigkeit der Drohnen-Morde gerätselt: Ob sie denn, angesichts der Terror-Toten nicht vielleicht doch gerechtfertigt wären, wenigsten ein wenig oder so. Der Großmutter wird das nicht mehr viel helfen. Aber vielleicht hülfe es dem ZEIT-Redakteur, wenn er über ein Todesurteil nachdächte, dem weder eine Anklage noch eine Verhandlung oder eine Verurteilung vorausgegangen sind. Doch weil dem deutschen Durchschnittsjournalisten wahrscheinlich wieder nur ein erschrockenes RUSSLAND! entfahren würde, noch eine kleine Denkhilfe: Tote im Ergebnis von Terroranschlägen werden in zivilisierten Ländern juristisch als Mordopfer gewertet.

Nach den gültigen Verträgen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Unrechtsstaat USA ist ein deutsches Eingreifen in Ramstein und anderen Mord-Stützpunkten nicht möglich. Auch wenn die Zahl der zivilen Drohnen-Toten längst bei mehr als tausend liegt. Die USA haben sich in Deutschland fest einbetoniert: Deren fast 40 Stützpunkte kosten den deutschen Steuerzahler rund 50 Millionen im Jahr und blockieren mehr als 20.000 Wohnungen für Soldaten. Mit der Kündigung der Verträge wäre das Ende der Morde aus Deutschland möglich. Doch, ohne ihn zu fragen, weiß man jetzt schon, dass der Regierungssprecher auch davon wieder nichts wissen will.

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Fotoquelle: Wikipedia -Author Fraschw

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Innere Kündigung der Deutschen

Erstellt von Redaktion am 3. April 2014

Die Merkel sucht dringend ein neues Volk

 Autor: U. Gellermann

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Datum: 03. April 2014

Die angeblich seriöse Umfrage-Firma Gallup hat mal wieder ernsthaft gefragt, wie hoch die emotionale Bindung von „Mitarbeitern“ an ihr jeweiliges Unternehmen ist. Sind Antworten wie „Ich liebe Herrn Zetsche, weil er einen so wunderbaren Schnurrbart hat und ich an seinem Fließband geile Autos herstellen darf“ denkbar? Gibt es Irre, die behaupten am Schalter der Deutschen Bank eine tiefe emotionale Bindung an das Betrügersystem zu empfinden? Kann die schlecht bezahlte, bespitzelte und ausgequetschte Verkäuferin von Lidl eine unheimliche, perverse Neigung zu ihrem Laden empfinden? Das zumindest unterstellt Gallup und kommt trotz der Fragen aus der Anstalt zu solchen Antworten: „Mit 16 Prozent sind nur wenige aller Arbeitnehmer bereit, sich freiwillig für die Ziele ihrer Firma einzusetzen. – 67 Prozent der Deutschen machen nur Dienst nach Vorschrift. – Der Anteil der Arbeitnehmer, die innerlich gekündigt haben, liegt bei 17 Prozent.“

Das Human-Kapital ist einfach nicht dankbar. Obwohl man in den letzten Jahren viele Überkapazitäten abgebaut, Arbeitnehmer auf das Feinste outgesourct und freigesetzt hat, scheinen die Verbleibenden ihr Privileg noch Arbeit zu haben, nicht recht zu würdigen. Die rund sieben Millionen, die von der staatlichen Fürsorge leben müssen, sind immer noch nicht Ansporn genug, die Entlassungsproduktivität, jenen kranken Eifer, der aus Angst entsteht, zu steigern. Denn aus der lustlosen Buchung von Belegen, dem stoischen Rühren von Beton und dem routinierten Absondern von flotten Sprüchen sollte eine hingebungsvolle Zuneigung zu jenen entstehen, die uns großzügig Arbeit geben. Arme Arbeitgeber, zahlen sie doch immer wieder Gehalt ohne entsprechende Dankbarkeit zu erzeugen.

Als ähnlich undankbar erweist sich auch der deutsche Wähler. Rackern sich doch diverse Koalitionen, uneigennützig wie sie sagen, für die Deutschen ab, doch die Wähler bleiben immer häufiger zu Hause: Rund ein Drittel geht nicht mehr zu Bundestagswahlen, bei Europawahlen sieht es noch schlimmer aus und in manchen Städten liegt der Anteil der Wähler nur noch um die 50 Prozent. Dabei nehmen die Regierenden dem gemeinen Mensch doch die Last der Entscheidung ab, wie die größte aller Merkels es so eindringlich formulierte: „Die Leute sollen uns Politiker die Politik machen lassen, weil wir so viel mehr davon verstehen“. Und statt diesen Satz mit Ehrfurcht zu schlürfen, gehen immer mehr Deutsche in das Exil der inneren Kündigung und selbst jene, die noch wählen gehen, halten die Politiker mehrheitlich für arrogant, gierig und unehrlich.

Die passive Form der Kündigung schlägt in die aktive Kündigung um, wenn es um das Zeitungsabonnement geht. Seit Jahr und Tag sacken die Auflagen der Blätter. Nur zu gern wird der tiefe Fall der Leserquote mit dem Internet erklärt. Gemeint ist: Da bekommt man die selben Informationen wie in den Zeitungen billiger und bequemer. Dass es auch damit zu tun hat, dass es bei manchen Themen völlig gleich ist welches Blatt man liest, weil ohnehin überall das Gleiche zu lesen ist, will den Verlagen nicht in den holen Kopf. Auch dass die Damen und Herren in den Reaktionen gegen die Interessen ihrer Leser schreiben, will ihnen nicht einleuchten. Tapfer rühren sie im Ukraine-Krim-Komplex die Kriegstrommeln während nach einer N24-Emnid-Umfrage 82 Prozent der Befragten für direkte Gespräche mit Putin sind, um die Krise im Dialog zu lösen. Und nur zwei Prozent befürworten eine militärische Drohung gegen Russland. Wetten dass, wenn es eine Kündigung der öffentlich-rechtlichen Medien gäbe, jede Menge Leute bereit wären auf die Rundfunkgebühren zu verzichten?

So ist die „Innere Kündigung“ zu einem Merkmal des deutschen Alltags geworden, das nur mühsam von der Äußerlichkeit des Frust-Kaufens, der Billig-Unterhaltung und des Parolen-Nachsprechens überdeckt wird. Doch auch hier weiß die schlaue Firma Gallup eine Lösung: Reduziert ein Unternehmen den Anteil seiner Beschäftigten ohne emotionale Bindung und tauscht sie gegen solche mit hoher Bindung aus, können die Humankosten deutlich reduziert werden. Na bitte, das Land braucht einfach ein neues Volk.

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Fotoquelle: Wikipedia – Urheber Singhalawap

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Die Nato auf dem Maydan

Erstellt von Redaktion am 1. April 2014

Türkische Verhältnisse in der Ukraine?

 Autor: U. Gellermann

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Datum: 31. März 2014

Auf einem Maydan kam es tagelang zu Protesten. Nicht zum ersten Mal war der Ort Schauplatz von Kundgebungen, die von der Polizei blutig niedergeschlagen wurden. In zuweilen tagelangen Kämpfen wurden hunderte Personen verletzt, Beobachter sprachen vom „Staatsterrorismus“. Die demokratische Bewegung gegen einen autoritären Staat beklagte erste Todesopfer. – Jetzt, so sollte man meinen, wäre die Zeit gekommen, in der sich europäische Außenminister auf den Maydan hätten begeben müssen, in der sie ein Konzept für einen Regierungswechsel aus der Tasche gezogen hätten und der Opposition zu Hilfe geeilt wären. Aber sie kamen nicht. Denn es war nicht der Maydan in Kiew, sondern der Taksim-Maydan im Istanbul des letzten Jahres. Und unter den Demonstranten waren keine bewaffneten Nazis. Aber der Hauptunterschied liegt auf der Hand: Die Türkei ist bereits in der NATO, war also durch den türkischen Staat auf dem Maydan bereits vertreten. Die Ukraine soll erst noch NATO-Mitglied werden.

Tapfer waren die türkischen Soldaten in den Korea-Krieg der USA gezogen, auch im Afghanistankrieg sind sie wieder dabei. Schon lange mischt sich die Türkei in den syrischen Bürgerkrieg ein: Spätestens seit dem Mai 2012 werden Kämpfer der syrischen Opposition vom türkischen Geheimdienst trainiert und bewaffnet. Die türkisch-syrische Grenze ist offen für die Waffenversorgung syrischer Islamisten. Zuweilen beschießt die türkische Armee syrisches Gebiet oder holt syrische Flugzeuge vom Himmel über Syrien. Der zunehmend größenwahnsinnige Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan gratuliert dann gern der Armee. Und nun das geleakte Gespräch zwischen dem türkischen Außenminister, dem Geheimdienstchef, dem stellvertretenden türkischen Generalstabschefs und dem Staatssekretärs im Außenministerium über einen fingierten Raketenangriff von Syrien aus auf türkisches Staatsgebiet. Nicht weil Syrien eine Bedrohung für die Türkei wäre. Sondern weil Kommunalwahlen bevorstanden. Und nichts, das weiß man von den NATO-Bruderstaaten Frankreich, England und den USA, stimuliert die patriotische Stimmabgabe besser als ein ordentlicher Krieg.

„Sie sind entschlossen (die Gründerstaaten der NATO), die Freiheit, das gemeinsame Erbe und die Zivilisation ihrer Völker . . zu gewährleisten“, steht in der Präambel des 1949 beschlossenen Nordatlantik-Vertrages. Was mochte mit dem Erbe gemeint sein? Die Kolonien, die einige der NATO-Staaten damals noch besaßen? Und war mit der Zivilisation auch die faschistische Herrschaft in Portugal, einem Gründungsmitglied des Militärbündnisses, gemeint? – Die NATO ist nicht zimperlich: Man war schon im Irak und in Libyen. Und man hat, auf Wunsch der Türkei – nach vorgeblich Raketeneinschlägen von Syrien – Patriot-Raketen an der Grenze stationiert. Gemäß Artikel 4 des NATO-Vertrages. Dass die deutsche Kriegsministerin den kühnen deutsche Raketenmannschaften jüngst einen Besuch abgestattet hat, gilt als Verschärfung der Lage.

In der NATO-Präambel wird die „Herrschaft des Rechts“ beschworen. Im Fall der Türkei gilt dieser Schwur selten. Folter war und ist auf türkischen Polizeiwachen üblich. Der Artikel 301 des türkischen Strafgesetzbuches stellt die „Beleidigung der türkischen Nation, der türkischen Republik und der Institutionen und Organe des Staates“ unter Strafe. Der Allerwelts-Paragraph zur täglichen Unterdrückung gilt vor allem für den aktuellen Ministerpräsidenten: Niemand ist so schnell beleidigt wie Erdogan. Das Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus räumt dem türkischen Staat die Möglichkeit ein, vorübergehend Zeitungen zu verbieten. Für ethnische und religiöse Minderheiten ist die „Herrschaft des Recht“ weitgehend ungültig. Und wer als Schwuler zur türkischen Armee eingezogen wird, der lernt die widerliche Erniedrigung kennen, wenn er mit „Video-Beweisen“ seine „psychosexuelle Störung“ belegen muss. Danach bleibt ihm natürlich der Staatsdienst verschlossen.

Die Incirlik Air Base ist ein Stützpunkt der NATO bei Incirlik, rund 12 Kilometer östlich von Adana im Süden der Türkei. Von hier aus landete und startete die Luftwaffe der USA in den völkerrechtswidrigen Krieg im Irak. Von hier aus versorgen die USA ihre Truppen in Afghanistan, dem Schauplatz des anderen völkerrechtswidrigen Krieges. In Incirlik warten 90 Atombomben vom Typ B61 auf ihren Einsatz, obwohl die Türkei den Atomwaffensperrvertrag unterschrieben hat. Die Türkei galt und gilt den USA als unsinkbarer Flugzeugträger. Außerdem leistet sich der türkische Staat, die nach den US-Streitkräften, zweitgrößte Armee innerhalb der NATO mit etwa 612.000 Soldaten. Da kann man es einfach mit der „Herrschaft des Rechts“ nicht so genau nehmen.

Wer auf der englischsprachigen Website der NATO den Übersetzungsknopf anklickt, der findet keine Übersetzung ins Deutsche. Was er findet ist das Klick-Feld „Українська“, man spricht bei der NATO also vorsorglich schon mal Ukrainisch. Glaubt man den deutschen Medien, dann ging und geht es auf dem Kiewer Maydan um die „Freiheit“. Es steht zu befürchten, dass es um jene Freiheit geht, die der Nordatlantik-Vertrag eigentlich meint: Wo und wann auch immer militärisch einzugreifen wenn es die USA für nützlich halten.

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Fotoquelle: Wikipedia – Author Amakuha

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100 Tage Steinmeier – ein Trauerspiel

Erstellt von Redaktion am 29. März 2014

Ein offener Brief von Friedemann Wehr

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Autor: Friedemann Wehr

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Datum: 28. März 2014

Sehr geehrter Herr Außenminister Steinmeier,

 

Sie sind jetzt 100 Tage im Amt und ich erlaube mir, Ihre Taten zu würdigen. Bei Wikipedia heißt es:

 

Die 100-Tage-Frist bemisst die Zeitdauer, die nach einer Faustregel des Journalismus einem neuen (politischen) Amtsinhaber oder einer neuen Regierung zugestanden wird, um sich einzuarbeiten und erste Erfolge vorzuweisen. Danach kommt es zu einer ersten Bewertung der Regierungsleistung (100-Tage-Bilanz).

Müsste ich ein Arbeitszeugnis formulieren, dann würde ich Ihre 100-Tage-Bilanz mit den Worten: „Er bemühte sich, allen Anforderungen gerecht zu werden“ beschreiben. Oder eine andere, vielleicht bessere Formulierung, wäre „wegen seiner Pünktlichkeit war er stets ein gutes Vorbild“. Im Vergleich zu Ihrem Vorgänger, den ich eher als etwas dröge oder faul eingeschätzt habe, sind sie das komplette Gegenteil. Ihr Handeln ist nach meinem Geschmack eher als “hyperaktiv” zu bezeichnen und mir kommt dabei das ADHS-Syndrom in den Sinn. Ich habe dass Gefühl, dass Sie den Genscher – gemessen in Flugstunden – unbedingt in diesem Jahr noch übertreffen wollen. Leider geht das auf Kosten der Qualität.

Sie haben wahrscheinlich einen Eintrag ins Guinessbuch der Rekorde verdient, als Unterzeichener eines internationalen Vertrages, der noch keine 24 Stunden Bestand hatte. Sie haben mit dem ukrainischen Präsidenten Janukowitsch am 21. Februar vereinbart, ein Übergangskabinett unter Beteiligung der Opposition zu bilden und die Tinte war nicht noch nicht trocken, als Janukowitsch schon in der Nacht fliehen musste, weil ihre Mitunterzeichner Jazenjuk, Tjagnibok und der Rechte Sektor es sich anders überlegt hatten. Ich wäre mir – mit Verlaub, Herr Außenminister – verarscht vorgekommen.

Betrachten wir mal Ihre neuen Freunde: Den Westerwelle hatte man seinerzeit gut beraten, dass er sich nicht mit dem Nazi Tjagnibok fotografieren lassen sollte. Ich hatte meinen Augen nicht getraut, als ich Sie im SPD-vorwärts in trauter Eintracht mit diesem Top 5 der Antisemitenliste sah. Stimmt, manchmal kann man sich die Freunde nicht immer aussuchen. Dann nehmen wir mal den anderen, Herrn Jazenjuk. Das Knäblein hat mit seinen 39 Jahren doch schon alles gemacht, was man sich vorstellen kann: Vizepräsident der Nationalbank, Vizegouverneur, Außenminister, Parlamentspräsident, Fraktionsvorsitzender, usw. Er wollte vor fünf Jahren sogar schon mal Präsident werden. Aber das ukrainische Wahlvolk verschmähte ihn mit 6,69% der Stimmen. Man sieht, wenn das Volk ihn nicht per Stimmzettel haben wollte, dann geht es auch anders – per Putsch. Dieser „Dr. Seltsam“ muss schon was besonderes sein, wenn der von einem Job zum nächsten hüpfen kann. Dann macht man sich als Laie einmal schlau und siehe da, der Gute hat die richtigen Freunde. Er hat sie sogar alle auf seiner Website (Open Ukraine – die Jazenjuk Stiftung!) gelistet. Lassen Sie mal, Ihre Mitarbeiter über die dort aufgeführten Organisationen recherchieren, wenn Sie meinen Findings nicht trauen. Da gibt es die „Open Society Foundations“, des Großzockers George Soros: “Sie setzen sich für Menschenrechte ein, sofern sie zur Durchsetzung US-amerikanischen Interessen nützlich sind” (hat Wikipedia so nett formuliert) und eine “National Endowment for Democracy” (NED), das trojanische Pferd der CIA (wie William Blum das formuliert hat). Für diesen Karrieristen machen Sie den Steigbügelhalter? Ich fass es nicht. Manchmal empfiehlt es sich, dass man sich erst Gedanken macht, bevor man in den Flieger steigt. Was in Kiew abläuft ist Orangene Revolution 2.0, wofür Amerika 5 Mrd. Dollar investiert hat. Sogar die handelnden Personen sind – fast (darauf komme ich noch) – die gleichen. Vielleicht haben die Oligarchen jetzt die EU als neue Zapfstelle entdeckt? Was haben Ihnen denn die Oligarchen Taruta und Achmetow beim Kaffeetrinken versprochen? Bestimmt nicht, dass Prickel (so Steinmeiers Spitzname bei TuS 08 Brakelsiek) demnächst bei Schachtar Donezk (Sponsor: Achmetow) aufläuft.

Die EU hat sich ja förmlich mit Hilfsgeldern überschlagen. Beim Lesen dieses Artikels traf mich ja der Schlag. Da steht:
„Bei seinem Besuch in Kiew sicherte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier der ukrainischen Übergangsregierung weitere Hilfe bei der Stabilisierung des Landes zu. Dabei ging es auch um mögliche deutsche Hilfe bei der Modernisierung und Verstärkung der ukrainischen Streitkräfte.“

Das ist nicht zu fassen. Wir rüsten die Ukraine auf? Gegen wen? Ist das Ihre angekündigte Einmischung? Angeführt von Frau Timoschenko, die ja Klassenbeste im Zusammenbauen der Kalaschnikow war und die auch bereit sein soll, den Bastard Putin abzuknallen, wenn man der WELT glauben darf? Die Dame ist längst nicht resozialisiert und müsste eigentlich zurück in den Knast, aber mit westlicher Hilfe darf die Freundin von Frau Merkel jetzt sogar wieder als Präsidentin kandidieren. Friedliche Aussichten.

Wer „Steinmeier warnt“ goggelt, der bekommt 175.000 Fundstellen. Sie sind der große Warner in Deutschland (Frau Merkel bringt es nur auf 91.100 Warnungen). Allerdings vermisst man von Ihnen eine Warnung vor dem Rechten Sektor, oder vor der Swoboda. Für welche Außenpolitik stehen Sie eigentlich? Die Bevölkerung in Europa hat die EUroschranzen satt, die willfährig nur das vollziehen, was die Amerikaner verlangen: Osterweiterung, SWIFT-Abkommen, ACTA, TTIP, Genmais u.v.m. Wir wollen keine Chlorhühnchen und kein Fracking und wenn die rechten Parteien in Europa die einzigen sind, die dagegen angehen, dann brauchen sie vor einem Rechtsruck in Europa nicht zu warnen – sondern Sie sind ein Teil des Problems!

Jetzt komme ich auf die neuen Mitspieler, die man noch als nützliche Idioten betrachtet, zurück. Der rechte Sektor will keine Orangene Revolution 2.0 und wenn die gleichen Gesichter sich wieder die Taschen füllen und die Ernüchterung durch die neoliberale Wirtschaftspolitik zuschlägt, befürchte ich erneute Gewalt. McCain, Ashton und viele andere Maidantouristen haben Sprüche gekloppt und Erwartungen geweckt, die nicht zu erfüllen sind. Die Demonstranten in Madrid werden in unseren Medien als Randalierer bezeichnet, die Randalierer in Kiew dagegen als Freiheitshelden der EU hochstilisiert, denen Sie sogar medizinische Hilfe in Deutschland anbieten. Da fehlt das Augenmaß. Diese angebotene Großzügigkeit wird schnell zu Ende sein, wenn in Kiew die Austeritätspolitik ihre Auswirkungen zeigt und der Maidan in die andere Richtung umschlägt. Ist die Ukraine in der EU, dann werden aus Helden wieder Randalierer – ohne Einladung in die Charité.

Leider könnte ich noch seitenlang über diese konzeptionslose Außenpolitik schreiben (oder ist “Warnen und Sanktionieren” Ihr Konzept?), aber ich will Ihnen auch einen Rat geben: Sie fliegen zu Obama und sagen: “Lieber Barack, wir kümmern uns nicht um den Dreck vor Deiner Haustür, und Du Dich nicht um unseren. Wir lösen das intern”. Dann fahren Sie zu Putin und erklären ihm ähnliches. Das wäre eine Position. Wir brauchen keine Sanktions-, sondern eine Kommunikationspolitik, die auf einen Interessenausgleich zwischen den europäischen Staaten ausgerichtet ist. Wir wollen „Versöhnen statt Spalten“, wie es Johannes Rau einmal treffend formuliert hat. Das war mal sozialdemokratische Politik! In diesem Sinne zu Handeln, wäre die Aufgabe eines deutschen Außenministers.

Das hat Ihnen einer geschrieben, der vor 35 Jahren einmal Kandidat der SPD für das Europäische Parlament war. Da stand Europa für Frieden und Verständigung und nicht für militärisches Engagement. Was ist aus dieser stolzen Partei geworden?

Friedemann Wehr

Hier geht´s zum Originalartikel:

http://www.altermannblog.de/100-tage-steinmeier-ein-trauerspiel/


Grafikquelle    :        Persönlicher Brief

 

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Alaska back to Russia

Erstellt von Redaktion am 28. März 2014

Völkerrecht und Sezession

Es wurde schon einmal versucht die beiden Erdteile wieder näher aneinander zuziehen!

Autor: U. Gellermann

Rationalgalerie

Datum: 28. März 2014

Völkerrecht! ruft´s zur Zeit heftig aus dem Medienwald und findet sein Echo zuweilen in der Wirklichkeit: Bürger von Alaska, einem Bundesstaat der USA, wollen nicht nur raus aus den Vereinigten Staaten sondern sich ausgerechnet Russland anschließen. So jedenfalls ist es in einer Petition zu lesen, die auf den Seiten des White House unter der Überschrift „We the People“ aufzurufen ist (Link siehe unten). Mehr als 29.000 Unterschriften zieren die Petition. Um eine Reaktion des Weißen Hauses auszulösen, braucht dieser Hilfe-Ruf nach Staatenwechsel allerdings zumindest 100.000 Unterschriften.

Nur scheinbar ist die Alaska-zurück-nach-Russland-Petition völlig sinnfrei. Immerhin landete der russische Seefahrer und Kaufman Grigori Iwanowitsch Schelichow 1783 mit zwei Schiffen auf der Insel Kodiak. Nach Attacken der Koniag-Indianer ließ er das Feuer auf sie eröffnen und tötete und verwundete jede Menge „Eingeborene“. Nachdem er so seine Herrschaft sichergestellt hatte, gründete er die erste ständige Siedlung in Alaska an der heutigen Three Saints Bay. Von solcher Art der Landnahme könnten auch amerikanische Indianer erzählen, wenn ihr Stamm denn überlebt hat. Durch diese gewaltsame Besetzung gehörte Alaska dann völkerrechtlich lange Zeit zu Russland. Erst 1867 erwarben die USA das Gebiet vom Russischen Kaiserreich. Für für 7,2 Millionen Dollar wechselte das Land mit Mann und Maus den Besitzer. Ein Schnäppchen.

Aber dürfen die Alasker dass denn, so einfach das „Land der Freien und Mutigen“ – von denen die amerikanische Nationlahymne fabuliert- verlassen? Es gibt Völkerrechtler, die sagen: Ja, dürfen die. Denn die Unabhängigkeitserklärung der USA sieht ausdrücklich die Sezession, die Abspaltung vor, wenn sich die Regierung in eine “tyrannische” Richtung entwickelt: „So ist es ihr Recht, ja ihre Pflicht, solche Regierung abzuwerfen“ schreibt die Unabhängigkeitserklärung dem Volk der damals englischen Kolonien vor und meinte seinerzeit den englischen König. Schon damals gab es eine Fraktion der Völkerrechtler, die dem bewaffneten Referendum der Kolonisten skeptisch gegenüberstand. Aber wenn doch Tyrannei herrscht, meinte die andere Fraktion, deren Nachfahren bis heute auf der in der Erklärung von 1776 beschriebenen Sezessionsmöglichkeit beharren.

Der letzte Präsidentschafts-Wahlkampf in den USA hat ungefähr sechs Milliarden Dollar gekostet, die von den beiden Kandidaten zur Manipulation des Wahlvolkes eingesetzt wurden. Kein vernünftiger Mensch wollte bestreiten, dass es sich hier um die Tyrannei des großen Geldes handelte. Doch damit nicht genug. Der „Patriot Act“, ein unter dem Präsidenten Busch dekretiertes Gesetz, das bis heute gültig ist, schränkt die Freiheit der US-Bürger so erheblich ein, dass die Tyrannei unabweisbar ist: Telefon- oder Internetüberwachung ist ohne richterliche Genehmigung möglich, Hausdurchsuchungen dürfen ohne Wissen der betreffenden Person durchgeführt werden, das FBI hat das Recht, Einsicht in die finanziellen Daten von Bank-Kunden zu nehmen, ohne dass Beweise für ein Verbrechen vorliegen und so fort. Infolge dieses „Act“ wurde der Whistleblower Bradley/Chelsea Manning gefoltert und für 35 Jahre ins Gefängnis verbannt. Und der Enthüller Edward Snowden ist vom Tod bedroht und musste ins Ausland fliehen. Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ stuften die USA in der Rangliste der Pressefreiheit um 13 Plätze herunter, sie liegen nun hinter Staaten wie El Salvador und Rumänien. Mit dem „National Defense Authorization Act 2012“ verschärfte die Obama-Administration die prekäre Freiheits-Lage der US-Bürger weiter: Die Befugnisse des Militärs wurden ausgeweitet, es darf jetzt amerikanische Bürger und Ausländer auf Verdacht zeitlich unbegrenzt inhaftieren. Schließlich wurden mit dem „Federal Restricted Buildings and Grounds Improvement Act of 2011“ – nach dem Start der Occupy-Bewegung in Kraft gesetzt- Protestaktionen in der Nähe von Regierungsgebäuden untersagt.

Die Petition „Alaska zurück nach Russland “ wurde von einem namenlosen Bewohner von Anchorage, der größten Stadt Alaskas gestartet. Dem Vernehmen nach sucht die NSA, eines der tyrannischen US-Unterdrückungs-Instrumente, heftig nach den Urhebern des Aufrufes. Erste Vermutungen weisen auf die indigenen Völker Alaskas. Immerhin findet in Anchorange jährlich das „Indigenous World Film Festival“ statt. Dessen Initiatoren sollen prophylaktisch bestritten haben eine terroristische Vereinigung zu sein. Höchst bedenklich stimmt die NSA auch die Städtepartnerschaft von Anchorage mit der russischen Stadt Magadan. Noch sucht man nach den Verantwortlichen für diesen russophilen, unpatriotischen Akt. Sicher ist eins: Falls die Bürger von Alaska ernsthaft versuchen sollten die Tyranei abzuwerfen, werden die USA bei wirtschaftlichen Sanktionen nicht stehen bleiben.

Hier geht´s zur Petition:

https://petitions.whitehouse.gov/petition/alaska-back-russia/SFG1ppfN

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Fotoquelle: Wikipedia – Urheber Unbekannt

Dieses Werk ist gemeinfrei in den Vereinigten Staaten, weil es vor dem 1. Januar 1923 veröffentlicht wurde.

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Harald Martenstein

Erstellt von Redaktion am 27. März 2014

Der Linken-Versteher

Autor: U. Gellermann

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Datum: 25. März 2014

Mit den Jahren ist Harald Martenstein immer stärker geworden, um die Hüften herum, versteht sich. Für die Nicht-Westberliner muss man Martenstein erklären: Er veröffentlicht im Westberliner-Provinzblatt „Tagesspiegel“ sonntäglich eine Kolumne. Und da der „Tagesspiegel“ sich für bedeutend hält, bedeutelt Martenstein mit. Na und, wird der Hamburger oder Münchner fragen, warum geht mich das was an? Weil Martenstein der ideale Gesamt-Kolumnist einer provinziellen deutschen Medienlandschaft ist, in der einer vom anderen abschreibt, einer den anderen auf den selben Veranstaltungen trifft und alle, wirklich fast alle, mit einer einzigen gemeinsamen Meinung auskommen, die sie für die ihre halten. Dieser Proto-Martenstein versteht die Linken nicht, weil die vorgeblich ein „großes Verständnis für die politischen Positionen von Wladimir Putin zeigen“.

Das ist das Hobby deutscher Kolumnisten: Sie bauen sich einen Pappkameraden auf, nehmen dann ihren Laptop und schlagen kräftig auf ihn ein: Nimm dies, linker Schurke, rufen sie, streichen sich über die geföhnten Haare, deren Länge bei Martenstein darauf hindeuten soll, dass er mal total alternativ war, um nach diesem kräftezehrenden Akt erschöpft ins gemachte Bett zurück zu fallen. „Ich verstehe euch nicht“, schreibt der Tagesspiegel-Dichter. Schon, dass Martenstein die Linken duzt, weist ihn als Kenner der Szene aus: Du, Linker, hör mal: Was wäre, wenn morgen die Österreicher Süd-Tirol besetzten? So repetiert er eine Frage zum Krim-Komplex, die vorher nur 30 andere Kolumnisten aufgeworfen haben. Wohl wissend, dass es ungleich schwierigere Fragen wären, wenn man die Begriffs-Paare Flamen-Wallonen, Schottland-England oder Katalonien-Spanien genutzt hätte. Vom mafiösen Kosovo ganz zu schweigen.

Nach dieser garantiert intellektuellen Einleitungsfrage wechselt er vom Repetier- zum schweren Maschinen-Gewehr: „Hitler hat damals mit genau den gleichen Argumenten, die jetzt Putin benutzt, die Tschechoslowakei zerschlagen . . .“ Da kennt er nix, der Martenstein, da folgt er blindrechts dem Hitler-Putin-Verweis von Hillary Clinton: Saddam Hussein galt ihr auch als so eine Art Hitler, der Vergleich hat dann im Irak etwa eine halbe Million Tote gekostet, was mag der Putin-Hitler-Vergleich kosten wenn Martensteins Blindflug in die Geschichte zur Landung käme? Das wäre mal was, wenn dabei „Putins Russland“, diese „Despotie“ zerstört würde. Wenn der Krieg nur nicht Martensteins Häuschen in der Uckermark erreicht, wo sollte er sich sonst vom Sudeln erholen?

Beim schwachen Denken der Martensteins darf die rhetorische Frage nicht fehlen, jene plumpe Sprachfigur, die den Schöpfern der Pappkameraden so sabbernd von der Zunge glitscht: „Was genau findet ihr (Linken) an Putin . . . so gut, so sozialistisch und so fortschrittlich? Den Schwulenhass? Die Schauprozesse gegen Oppositionelle? Die Zensur?“ Eh, Martenstein, alter Wichser, was sollen wir Linken jetzt antworten? Wäre dir ein bekennendes „alles“ recht? Und wenn wir das gestehen, würdest du uns dann Asyl gewähren in jenem echt demokratischen NATO-Gebilde, in dem Foltergefängnisse zur Normalität gehören, in dem jeder schreiben darf was er will, Hauptsache er wagt sich nicht zu weit aus dem Arsch seines Verlegers raus, in jener US-Kolonie, in der die Oligarchen vornehm Finanz-Investoren genannt werden und der Krieg immer eine heilige Mission zur Bekehrung Andersdenkender ist? Mann, Harald, wir würden alles dafür geben, wenn wir soviel Herrschaftsspeichel lecken dürften wie du, wenn du uns nur verraten könntest, wie man sich dabei nur für so einzigartig halten kann wie ihr, ihr seriellen Spiegelfechter für Freedom and Democracy.

Das Buch zum Schmock:
http://www.amazon.de/Der-Schmock-Das-bekannte-Unwesen/dp/3844276165


Grafikquelle    :     Harald Martenstein bei einer Lesung im Leipziger Hauptbahnhof 2008

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Die Mord – Julia

Erstellt von Redaktion am 26. März 2014

Eine Merkel-Freundin für Russen-Vernichtung

File:Msc 2009-Saturday, 14.00 - 16.00 Uhr-Dett 024 Tymoshenko.jpg
[youtube HfpO630GwII]

Autor: U. Gellermann

Rationalgalerie

Datum: 25. März 2014

Was ist im Medien-Rauschen zu hören? Grausiges Schweigen. Was twittert die Politik-Szene? Null Text. Zwar haben die deutschen Blöd-Maschinen über Jahre die heilige Julia angebetet, selbst ihre Bandscheibe wie eine Reliquie verehrt und ihren Russenhass geflissentlich überhört. Aber jetzt, als die Merkel-Freundin Julia Tymoschenko in einem mitgeschnittenen Telefonat zum Mord, zur atomaren Vernichtung aufruft, findet sich kein Wort der Empörung, keines der Entschuldigung, dem blonden Gift die Hand gereicht zu haben.

TYMOSCHENKO: „Scheiss drauf … wir sollten Waffen nehmen und die verdammten Katsaps (Russen) töten, zusammen mit ihren Anführern.“

Im abgehörten Telefonat mit dem ehemaligen stellvertretenden Leiter des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats der Ukraine, Nestor Shufrych, zeigt die Tymoschenko ihren wahren Charakter: Tollwütig, mörderisch und eindeutig rassistisch wütet sie gegen den russischen Feind, mit dem sie doch jahrelang gute Gas-Geschäfte gemacht hat. Und wie reagieren die Heiligenverehrungs-Medien wenn sie denn reagieren? Die BILD-Zeitung schreibt: „In einem Telefongespräch zog die ukrainische Politikerin furchtbar böse über Kreml-Chef Wladimir Putin und die Russen her.“ Furchtbar böse, wie niedlich. Und die WELT sorgt sich: „Ein mitgeschnittenes Telefonat bringt die ukrainische Politikerin Julia Timoschenko in Erklärungsnot.“ Erklärungsnot, Atemnot, Russentod, alles eins.

TYMOSCHENKO. „Sehen Sie, ich selber bin bereit ein Maschinengewehr in die Hand zu nehmen und dem Drecksack (Putin) in den Kopf zu schiessen.“

„Willkommen in der Freiheit”, jubelte Kanzlerin Angela Merkel der sakrosankten Julia entgegen. Und die Tymoschenko revanchierte sich artig auf dem Kongress der Europäischen Volkspartei: „Angela war die stärkste Anführerin für Demokratie und Freiheit“. Von der stärksten Führerin gibt es zur Mordhetze der Tymoschenko keine Stellungnahme. Warum auch? Mit Millionären stellt sich die Merkel immer gut. Und Geld hat die ehemalige Ingenieurin der Maschinenbaufabrik „Lenin“ ausreichend: Ihr Privatvermögen wird auf mehrere Hundert Millionen Dollar geschätzt. Die düsteren Quellen der „Gasprinzessin“ finden sich zwischen 1995 und 1997. Damals setzte sie im Gashandel mit Russland zehn Milliarden Dollar jährlich um.

TYMOSCHENKO: „Verdammt, wir sollten Atombomben auf sie abschiessen“, (auf die Frage was man denn mit den acht Millionen Russen in der Ukraine machen solle).

In dieser Situation ist von der neuen Kriegsministerin, Ursula von der Leyen, im SPIEGEL ein Plädoyer, für eine stärkere Rolle der Nato zu lesen: „Jetzt ist für die Bündnispartner an den Außengrenzen wichtig, dass die Nato Präsenz zeigt“. Wie selten geschmackvoll. Nach dem von den EU-Ministern auf dem Maidan gebilligten Putsch, will von der Leyen die NATO an den Ost-Außengrenzen mobilisieren. So heizt man Kriege an. In schöner Gemeinsamkeit mit einer Mords-Schwester aus der Ukraine.

TYMOSCHENKO „Ich hätte einen Weg gefunden die Trottel zu töten. Und ich hoffe sobald ich es tun kann, werde ich alle meine Verbindungen nutzen und die ganze Welt alarmieren, um Russland in ein verbranntes Feld zu verwandeln.“

Frau Tymoschenko hat das abgehörte Telefonat vom 18. März 2014 um 23:17 nach ukrainischer Zeit bestätigt.
Frau von der Leyen inspiziert zur Zeit die deutschen Raketenstationen an der türkisch-syrischen Grenze.

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Grafikquelle     :

This file is licensed under the Creative Commons Attribution 3.0 Germany license.
Flag of Germany.svg
Attribution: Harald Dettenborn

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Was deutsche Medien verschweigen

Erstellt von Redaktion am 25. März 2014

Ukrainische Krim-Soldaten wechseln
mehrheitlich in russische Armee

Autor: U. Gellermann

Rationalgelerie

Datum: 24. März 2014

Wenn man alles aufschriebe, was zum Ukraine-Krim-Komplex im Norm-Medien-Deutschland ungesagt bleibt, hätte man viel zu tun. Immerhin gibt es die von deutschen Journalisten verantwortete Online-Zeitung „russland.RU“ die vor Ort unabhängig recherchiert. Hier ihr jüngster Artikel:

Das ukrainische Militär zieht von der Krim ab – nicht jedoch die Mehrheit ihrer Soldaten. Denn die weitaus überwiegende Zahl will bleiben und weiter unter russischem Kommando dienen. Während diese Aufteilung recht friedlich abgeht, geht es beim Fußball auf der Krim und in der Ukraine kontroverser zu.

Dieser Bericht beruht ausschließlich auf den Meldungen der Onlinepresse vor Ort, um die Beeinflussung unserer Berichterstattung durch deutsche oder russische Propaganda zu verhindern

Von der Kaserne in Kertsch meldet unser Medienpartner Kertsch FM, das der größte Teil der ukrainischen Soldaten bleiben und unter russischem Kommando kämpfen will. Von 280 dort dienenden Soldaten wollen etwa 200 in die russische Armee wechseln, 60 bei den Ukrainern bleiben und 20 ihren Dienst komplett quittieren. Dieses deutliche Stimmungsbild habe sich erst in den letzten Tagen nach und nach abgezeichnet, während ursprünglich mehr Soldaten bei den Ukrainern bleiben wollten. Wer in der ukrainischen Armee bleiben möchte, muss die Halbinsel in den nächsten Tagen verlassen. Ähnliche Meldungen gab es gestern bereits von Einheiten in Sewastopol und Simferopol. Vor allem Soldaten von der Krim selbst und aus dem russischsprachigen Osten der Ukraine dürften eine Versetzung aufs Festland unter dem Kommando der Euromaidan-Regierung ablehnen. In den großen deutschen Medien ist darüber – wie so oft bei negativen Euromaidan-Nachrichten – nichts zu lesen und es wird der falsche Eindruck erweckt, die ukrainischen Soldaten blieben alle “bei der Stange” und würden “von der Krim vertrieben”. Das trifft tatsächlich nur noch für eine kleine Minderheit tatsächlich zu.

Ähnliche Meldungen gab es bereits gestern bei anderen Onlinzeitungen wir Krym.net. Hier war von Einheiten in Simferopol die Rede, die zu 90 % in russische Dienste wechseln wollen. Grund sei unter anderen, dass sich die Soldaten von der Führung in Kiew im Stich gelassen fühlten, so die Zeitung. Auch sei der Sold in der russischen Armee höher. Hier wird auch deutlich, warum die Ukraine auf die Besetzung durch russische Soldaten militärisch so passiv reagiert hat. Die Mehrheit ihrer dortigen Soldaten wäre wohl bei Kämpfen gegen die russische Armee nicht dabei gewesen. Somit scheint die weitgehende Auflösung der ukrainischen Militäreinheiten auf der Krim, die die “abtrünnige” Provinzregierung bereits kurz nach ihrer Machtübernahme vermeldet hatte, nun tatsächlich stattzufinden, während zu Beginn des Konflikts nur eine Minderheit der ukrainischen Truppen die Seiten gewechselt hatte.

Die Onlinezeitung Forpost berichtet weiter von Querelen rund um den örtlichen Fußballclub in Sewastopol. Dieser spielt noch in der ukrainischen Liga und hätte eigentlich ein Heimspiel gegen Charkow, ebenfalls in der Ostukraine gelegen. Der Verband wollte, dass die Partie nicht auf der Krim, sondern auf neutralem Boden gespielt wird, was die Sewastopoler ablehnten, weil sie nicht auf dem Heimvorteil verzichten wollten. Da man sich offenbar nicht einig wurde, ist mittlerweile Alexander Krasilnikow, der Präsident vom FC Sewastopol, von seinem Posten im Vorstand des ukranischen Fußballverbands zurück getreten.

Weitere Meldungen von der Krim berichten von langen Schlangen beim Anstehen für russische Pässe und der Produktion der ersten Russland-Landkarte mit der Krim dabei. Währenddessen ist auch die Währungsumstellung im vollen Gange. Alle Griwna-Guthaben sollen zum Kurs 1 : 3,8 auf Rubel umgestellt werden. Als zukünftige Partnerstadt für Sewastopol ist Ufa in der russischen Republik Baschkortostan im Gespräch schreibt die Onlinezeitung sevnews.info

Hier geht´s zum OriginalartikeL.

www.russland.ru/krim-ukrainische-soldaten-wechseln-mehrheitlich-in-russische-armee/

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Grafikquelle    :    Russische Soldaten auf Schützenpanzerwagen BTR-80 im Rahmen des IFOR-Einsatzes, November 1996

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Die Wirtschafts-Nato

Erstellt von Redaktion am 24. März 2014

In Erwartung des Staatsstreichs in Zeitlupe

Ich sehe was, was du nicht siehst – ein schönes Spielchen / Linker Parteitag

Autor: U. Gellermann

Rationalgelerie

Datum: 24. März 2014

In Frau Merkels jüngster Regierungserklärung donnerte und blitzte es: Russland soll raus aus der Gruppe der G8, statt dessen muss die Ukraine jetzt erst recht Mitglied der EU werden, und dann warf General Merkel noch ein paar Sanktionsdrohungen hinterher. Nur wie nebenbei tauchte in all dem Gefechtslärm das EU-Freihandelsabkommen mit den USA , das TTIP auf: „Es muss zu schaffen sein“, forderte die Merkel in Vorbereitung des EU-Gipfels Ende März. Häh? Was muss denn da zu „schaffen“ sein? Eine Frage, die keine Antwort kennt. Denn die Grundzüge dieses Abkommen sind völlig geheim. Kaum weiß man wer da verhandelt, geschweige, dass ein Papier vorläge, das man diskutieren könnte. Zwar betrifft das Abkommen 800 Millionen Menschen, aber es wurde noch keinem Parlament vorgelegt, weder den europäischen noch den nationalen Volksvertretungen.

Es sind zumeist namenlose Vertreter von Großkonzernen und wirtschaftlichen Interessengruppen, die über das TTIP beraten und fast 50 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistungen damit regeln wollen. Man muss davon ausgehen, dass sich die Regeln in einem Wort ausdrücken lassen: Profit. Dafür stehen auch zwei der wenigen bekannten Gesichter im Kuhhandel um noch mehr Freiheit für die Wirtschaft. Der Chefunterhändler für die USA ist Ron Kirk. Neben einer mäßigen politischen Karriere zeichnet ihn seine Partnerschaft in der texanischen Anwaltskanzlei Vinson & Elkins aus, eine der üblich-üblen amerikanischen Lobby-Läden. Noch ein wenig übler ist der europäische Chefunterhändler: Karel De Gucht. Dass der Mann als Minister der belgischen Bundesregierung des Insiderhandels im Fall der drohenden Insolvenz der Fortis Bank beschuldigt und wegen Steuerhinterziehung angeklagt wurde, gehört wahrscheinlich zur Grundausstattung des freien Händlers.

Aus den geleakten europäischen Leitlinien für das TTIP-Abkommen weiß man, dass die Handelsfreiheit auf „die beiderseitige Liberalisierung des Handels mit Waren und Dienstleistungen“ abzielt und erschauert: Liberalisierung, die Zerschlagung staatlicher Regelung der Wirtschaft hat unmittelbar zu dem Desaster jener brutalen Finanzkrise geführt, deren Folgen immer noch nicht beseitigt sind. Und deren Rücknahme Jahr für Jahr versprochen und gebrochen wird. Jetzt also noch mehr Freiheit für Banken, Hedge-Fonds, Zocker? An keinem Beispiel der angestrebten Handelslibertinage ist der irre Charakter des TTIP besser zu erkennen als am „Investitions-Schutz“.

„Der geplante sogenannte Investitionsschutz“, so schreibt Wikipedia kühl, „sieht vor, dass ein ausländischer Investor den Gaststaat wegen `indirekter Enteignung´ auf Erstattung entgangener (auch künftiger) Gewinne verklagen kann. Die Klage ist beispielsweise dann möglich, wenn ein Staat neue Umweltauflagen oder ein Moratorium (etwa für Fracking) beschließt.“ Als ein Vorläufer dieser wunderbaren Geldvermehrung darf der Streitfall „Philip Morris gegen Uruguay“ gelten. Der Tabak-Freihändler Philip Morris klagte, dass Warnungen vor Gesundheitsschäden auf Zigarettenpackungen seinen Marktanteil negativ beeinflussten. Es dürfe ja wohl ein Recht auf Krebs geben. Verhandelt wird der Fall vor einem „Weltbank-Tribunal“, einem Schiedsgericht in Wirtschaftsfragen. Schon, dass dieses Schiedsgericht diesen Fall angenommen hat, ist ein Skandal. Noch skandalöser sind die ernannten, nur ja nicht gewählten Exekutiv-Direktoren des Gerichtes. Unter ihnen die Deutsche Ingrid G. Hoven. Die war mal Abteilungsleiterin im Entwicklungsministerium. Und sonst? Sonst hat sie einen klandestinen Aufsatz mit dem Titel „Elemente und Erfahrungen in der Reorientierung staatlicher Ausgaben in Guatemala“ geschrieben, der die alte Leier von der Privatisierung des staatlichen Sektors spielt, eine Melodie, die schon mehr als einen Staat in die Pleite geführt hat.

Das TTIP soll so etwas wie eine Wirtschafts-NATO werden. Eine Gewaltnummer, die von Lori Wallach, der Chefin der größten Verbraucher-Schutzorganisation der Welt „Public Citizen“, als „die große Unterwerfung“ der Teilnehmerstaaten unter die Interessen von Großkonzernen und als „Staatsstreich in Zeitlupe“ bezeichnet wurde. Das ist jene Freiheit, die Frau Merkel auch für die Ukraine herbeisehnt. Erst ein auch von Frank Walter Steinmeier orchestrierter Staatsstreich, danach die Aufnahme in die NATO, begleitet von einer feindlichen Übernahme durch den IWF (Internationalen Währungsfonds), um dann endgültig durch das TTIP von den Resten der Souveränität befreit zu werden, weil ja die zur Zeit einzig gültige, hehre, menschenrechtlich verbriefte Freiheit im Handel liegt. Arme Ukraine. Sie braucht dringend eine Revolution. Nur orange sollte sie besser nicht sein.

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Fotoquelle: Wikipedia – Urheber NATO Training Mission-Afghanistan from Afghanistan Lt. Kris Hooper

Dieses Bild ist das Werk eines Seemanns oder Angestellten der U.S. Navy, das im Verlauf seiner offiziellen Arbeit erstellt wurde. Als ein Werk der Regierung der Vereinigten Staaten ist diese Datei gemeinfrei.

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Schwaigen im Oberland

Erstellt von Redaktion am 21. März 2014

Demokratie-Wunder bei bayerischer Kommunalwahl

File:Abbazia di Ettal - Baviera.jpg

Autor: Wolfgang Blaschka

Rationalgalerie

Datum: 20. März 2014

VON UNSREM TAPFEREN FRONT-KORRESPONDENTEN IN BAYERN

In Bayern ticken die Uhren etwas anders, sagt man. Vergisst aber regelmäßig hinzuzufügen, wie denn anders, also ob der Zeiger vor geht oder nach. Dabei funktioniert die Demokratie auf dem Land so unmittelbar, dass es schon zukunftsträchtig ist, zumindest bei Gemeinderatswahlen. Da geschehen echte Wunder, gelegentlich auch im Ort Schwaigen. Da überlegen Leute, die gar nicht kandidiert haben, stattdessen als Wahlleiter fungierten, ob sie nicht zur Stichwahl antreten sollen, nachdem der Bürgermeister-Kandidat nicht einmal 50 Prozent geschafft hat, obwohl er keinen Gegenspieler hatte. Er war wohl nicht oft genug im Wirtshaus gewesen, der Schwarzberger Karl, hat scheint´s zuwenig Freibier ausschenken lassen, sonst wäre ihm das vielleicht nicht passiert.

Jedenfalls haben sie ihn gewählt, aber nicht mehrheitlich. Da wollte er nach der Wahl einfach nicht mehr den Dorfdeppen abgeben und schmiss entnervt hin. Mit 46,41 Prozent fehlten ihm 22 Stimmen. Als einziger Kandidat im ersten Anlauf zu scheitern, das war schon hart, zumal es eben keinen Kontrahenten für die Stichwahl gab.

Noch härter war, dass der Wahlleiter, der Nichtkandidat Hubert Mangold, immerhin 55 Stimmen bekam, wie gültig oder ungültig auch immer. Nun ist zwar das Bayerische Kommunalwahlgesetz sehr basis-freundlich, aber soweit geht es natürlich auch wieder nicht, dass man gar nicht antreten müsste, um dennoch gewählt werden zu können. Die Wahlberechtigten dürfen ansonsten treiben, was sie wollen: Einzelne KandidatInnen vorhäufeln und streichen, kumulieren und panaschieren, also querbeet durch alle Listen kreuzeln, bis der Arzt kommt, weil die Wahlhelfer reihenweise umkippen beim Auszählen. Natürlich dürfen sie auch die kompletten Wahlvorschläge der Parteien und Wählervereinigungen übernehmen sowie versehentlich falsch und damit ungültig, absichtlich ungültig oder gar nicht wählen. Nicht zielführend wäre zum Beispiel, auf den Stimmzettel den Heiligen Ambrosius oder den Abt von Kloster Ettal zu schreiben, wenn der gar nicht zur Wahl stünde, oder eben einen anderen Kandidaten, der überhaupt keiner ist.

Damit nähern wir uns also der Region, in der dies tatsächlich vorkam. Dort, wo die Garmischer Autobahn im Nichts bzw. in die alte Bundesstraße 2 mündet, wo das Ettaler Mandl grüßt, wo die Welt noch oder schon wieder in Ordnung und die CSU weitgehend abgemeldet ist, weil plötzlich alle nur noch Unabhängige Wähler sein wollen, da liegt ein weit verstreutes Dorf, ein Geheimtipp der Postdemokratie zwischen grünen Wiesen und Hängen mit einigen Gehöften, darunter historische Bauernhäuser als Flachsatteldachbau mit Traufbandwerk, teils mit Bundwerk-Kniestock und Hochlaube am Zierbund sowie Blockbauten auf Feldsteinunterbau als Kornkästen samt einer Kapelle und einer Kirche irgendwo inmitten von nichts als Schwaigen. Die Ortsteile drumherum tragen lauschige Namen: Apfelbichel, Grafenaschau, Plaicken, Vorderbraunau, Hinterbraunau und Fuchsloch. Schwaigen gibt es also eigentlich nur als Zusammenschluss von Weilern und Dörfern, es gehört verwaltungsmäßig zu Ohlstadt. Dennoch hat es ein eigenes Rathaus mit 8 Gemeinderäten und einem Bürgermeister. Der mag aber jetzt nimmer.

Nun redet man offen darüber, ob man das Schweigen brechen darf: Wer hat die Stimmzettel aus dem Feuerwehrhaus in die Lindach geworfen? Sie mussten kurzfristig nachgedruckt werden, was sicherlich weniger aufwändig war als dies bei den Riesenlappen mit den 932 Namen in München gewesen wäre. Die waren ausgeklappt 1,38 Meter breit und hätten leicht als Zeltplanen getaugt, wären sie nur wasserdicht gewesen. In Schwaigen ging das bei den knapp 600 Einwohnern und entsprechend weniger Wahlberechtigten deutlich leichter. Dennoch ein schwerer Fall für die Polizei, weit schlimmer als Maibaumstehlen: Wahlsabotage!

Die hatte sich bereits bei der Aufstellungsversammlung angekündigt. Da hatte der 66-jährige Schwarzberger, der schon seit 1996 den Rathauschef gibt, einen heftigen Dämpfer hinnehmen müssen: Von den 67 möglichen Stimmen konnte er nur 36 auf sich vereinigen. Immerhin mehr als die Hälfte, aber eben doch irgendwie blamabel. Mangels Rückhalt wollte er schon damals alles hinwerfen, zumal er ahnte, wie die Wahl erst ausgehen würde. Ihn hat das Ergebnis also nicht wirklich überrascht: „Das war für mich klar. Das hat sich so abgezeichnet.“

Was aber nicht so klar ist: Wie der 49-jährige Mangold, der als Wahlleiter fungierte, an die 55 Stimmen kam. Er konnte auch noch nicht sagen, wie er mit der aktuellen Situation umgehen und ob er sich einer Stichwahl stellen kann. Er müsse die Sache erst mit seiner Familie und seinem Arbeitgeber besprechen. So läuft das auf dem Dorf: Man fragt erst mal zuhause und beim Chef nach, ob man das überhaupt darf. Vielleicht sagt auch der Pfarrer: „In Gott’s Namen, dann mach´s halt“. Aber was wird die Wahlleitung in Ohlstadt dazu sagen, oder gar der Landkreis-Wahlleiter in Garmisch-Partenkirchen? „Passt scho´, dann macht´s halt nachad der Andere“?! Wenn das nun der Wolpertinger gewesen wäre?! Selbst wenn jetzt der jüngere Telekom-Referent am 30. März tatsächlich antreten dürfte, fände er keinen Gegenkandidaten mehr. Eine Stichwahl ist eben was anderes als ein Schafkopf-Solo. Wahrscheinlich muss es doch einfach im Wirtshaus ausgekartelt werden. Dann könnten die Schwaigener ihre Stimmzettel getrost unbeschriftet lassen, woraus ihr Wählerwille allerdings auch nicht viel eindeutiger herauszulesen sein dürfte, was jedoch zwingend vorgeschrieben ist. So humorlos ist das Wahlgesetz vermutlich auch im Werdenfelser Land, oder?

Dort im 23,58 Quadratkilometer großen Schwaigen herrscht eine ganz spezielle Form direkter Demokratie. Jeder kennt jeden, alle sind um ein paar Ecken miteinander verwandt, versippt und verschwägert, und können sich daher kaum noch riechen, weil allen derselbe Stallgeruch anhaftet. Deswegen liegen die Ortsteile auch so weit auseinander. 25 Personen pro Quadratkilometer können sich gut aus dem Weg gehen und brauchen eigentlich keinen „Moar“, wenn´s der alte schon nicht mehr machen will, soll oder darf. Vielleicht schickt die Bezirksregierung von Oberbayern ihnen einen kommissarischen Zwangsverwalter, den sie dann auflaufen lassen.

So unabhängig und frei haben Wähler selten agiert. Sie haben einfach dem Wahlleiter ihre Stimmen gegeben, der gar nicht auf dem Zettel stand. Ein ungewöhnliches Verfahren, zugegeben. Freilich: Notorische Legalisten könnten an dieser Wahl etwas regelwidriges entdecken. Aber davon sie gar für ungültig zu erklären war noch keine Rede. Dieses jenseitsdemokratische Schwaigen hat vielleicht sogar Zukunftspotenzial. 2011 gab es dort immerhin noch 5 freie Kindergartenplätze neben 15 bereits belegten.

Wer also unbedingt eine konkurrenzlose kommunalpolitische Karriere hinlegen möchte … bis dahin geht sogar die Autobahn von und nach München. In sehr schöner Landschaft so nah am Fuße des höchsten Gipfels der deutschen (naja, nicht ausdrücklich Demokratischen) Republik. Es muss halt noch ein bissel geübt werden. Das wird schon noch.

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Bolivars Erben

Erstellt von Redaktion am 18. März 2014

Linksregierungen in Lateinamerika

Autor: U. Gellermann

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Datum: 17. März 2014
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Buchtitel: BOLIVARS ERBEN
Buchautor: Dieter Boris
Verlag: Papyrossa

In nüchterner Sprache und mit akribischer Recherche berichtet Dieter Boris in seinem neuen Buch B0LIVARS ERBEN über die neuen, linken Wege, die in Lateinamerika gegangen wurden und noch gegangen werden, um nach dem Ende des „neobliberalen Wirtschafts- und Geschäftsmodells“ dessen Schäden zu beseitigen. Gerade aus der Erfahrung und in Absage an dieses Modell, das eine „Völlige Öffnung der Ökonomien, Liberalisierung aller Preise, weitestgehenden Rückzug des Staates aus der Wirtschaft, Abbau sozialstaatlicher Sicherungen, Privatisierung von Unternehmen und bis dahin öffentlicher Dienstleistungen“ vorsah und umsetzte, hat sich der Linkstrend in einer Reihe von Latino-Ländern durchgesetzt.

Wenn zur Zeit die Proteste gegen die linke Regierung in Venezuela deutsche Bildschirme füllen, dann werden diese Aktivitäten kaum mit jenen sozialen Spannungen erklärt, die aus den von den Linken zurückgedrängten oberen Schichten kommen, die zu gerne wieder ihre alten Bastionen besetzen würden. Man fühlt sich an die „Kochtopf-Demonstrationen“ im Chile Allendes erinnert, in denen immer wieder Damen im Chanel-Kostümchen so taten, als würden sie gleich verhungern. Es sind wesentlich die Kinder der venezolanischen Oberschicht, die ihre Barrikaden vorgeblich gegen die Korruption bauen, als wären ihre Väter nicht eben durch Korruption das geworden was sie durchweg heute noch sind: Reich.

Es ist auch und gerade die Umverteilung gesellschaftlichen Reichtums in Venezuela, der in mancher Hinsicht auch für andere linksentwickelte Länder steht: „Vor allem im Gesundheits- und Bildungswesen bedeutet für die Masse der Armen Venezuelas . . . die seit 2003/04 mit Hilfe kubanischer Ärzte und Pädagogen eingerichteten Gesundheits-, Alphabetisierungs- und Erziehungsstationen, einen Quantensprung“, schreibt Boris und stellt fest, dass rund 17 Millionen der 25 Millionen Bürger von diesen Maßnahmen erfasst werden. In Bolivien hebt er das neue Rentenprogramm hervor, in Argentinien die Abkehr vom privaten Rentenversicherungssystem und in allen Ländern mit Linksregierungen schätzt er die Re-Verstaatlichung privater Betriebe als positiv ein. Allerdings macht er sich keine Illusionen: Er merkt zum Beispiel in Venezuela Korruption und mangelnde Transparenz an und sieht „Paternalismus und teilweise militärische Strukturelemente.“

Als prägend begreift Boris die „neuen Formen gesellschaftlicher Partizipation“ in Lateinamerika, die jene Verselbständigung des alten Parteiensystems, durch Wahlenthaltung und Ablehnung belegt, transformieren soll: „In Venezuela, Bolivien und Ekuador wurde das vorherige parlamentarisch-repräsentative System über die Wahl von Verfassungsgebenden Versammlungen . . . entscheidend modifiziert, um dadurch direkt-demokratische, plebiszitäre, aber auch kulturelle und regionale Besonderheiten respektierende Momente aufzunehmen.“ Nachdrücklich weist er den Versuch westlicher Kommentatoren zurück, die Änderung und Erweiterung überholter parlamentarischer Riten als Populismus zu denunzieren. Ihm sind all diese Mühen „Suchprozesse“ nach neuen, direkteren und auf die gesellschaftliche Basis orientierten Formen der Teilhabe an den politischen Entscheidungen.

Wer die Medienlandschaft der Bundesrepublik Deutschland betrachtet, der könnte angesichts des großen staatlichen Sektors in der TV- und Rundfunklandschaft im Vergleich zu Lateinamerika den galoppierenden Sozialismus vermuten. Um so unverständlicher ist das regelmäßige deutsche Aufjaulen, wenn das bis jüngst nahezu vollständig private Medienwesen in einigen Ländern Lateinamerikas eine Korrektur erfährt. Am Beispiel Argentiniens, wo in der Diktaturzeit nur private TV- Stationen betrieben werden durften, hat die Entmachtung der Clarin-Gruppe, die bisher 58 Prozent des Kabelmarktes besaß (und 73 des Zeitungsmarktes und des Pay-TV-Sektors) im Ergebnis des neuen Mediengesetzes Unternehmensanteile verkaufen müssen, um eine gewisse Pluralisierung des argentinischen Medienmarktes zu erreichen. Umgehend soldarisierten sich die Neue Zürcher Zeitung, die New York Times und die Frankfurter Allgemeine und beharrten auf einem angebliche Abbau der „Pressefreiheit“. Das faktische Monopol der Clarin-Gruppe fanden sie nicht des Erwähnens wert.

Im Buch von Boris finden sich Analysen der verbesserten wirtschaftlichen Binnenstrukturen, der erstaunlichen Entschuldungsprozesse lateinamerikanischer Länder, vor allem aber die bei uns wenig bekannten Versuche, einen der EU ähnelnden gemeinsamen Wirtschaftsraum zu schaffen, der von der Zollunion MERCOSUR bis zur UNASUR der „Union Südamerikanischer Staaten“ reicht, einer Vereinigung, die laut Gründungsurkunde dem Kampf gegen „Ungleichheit, soziale Ausgrenzung, Hunger, Armut und Unsicherheit“ gewidmet ist. Dass solche Vereinigungen immer auch gegen den übermächtigen Nachbarn USA gerichtet sind, wird bei TELESUR besonders deutlich. „Diese von Präsident Chavez im Juli 2005 kreierte gesamtlateinamerikanische Nachrichtenagentur . . . versteht sich explizit als Gegenkraft zu den großen privaten nordamerikanischen Fernsehstationen CNN und Univision sowie der britischen BBC“. Spätestens an dieser Stelle blinkt aus dem zuweilen trockenen Text eine gewisse, händereibende Fröhlichkeit, wenn der Autor aufzählt wer schon alles den Latino-Sender stützt: „Außer Venezuela auch Argentinien, Bolivien, Kuba, Ekuador, Nikaragua und Uruguay“. Bei aller wissenschaftlicher Kühle: Ein wenig Vergnügen muss sein.

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Grafikquelle    :    Marsch für die neue Verfassung

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Kurz vor Krieg in der Europa-Manege

Erstellt von Redaktion am 17. März 2014

Daniel Cohn-Bendit, Rebecca Harms und die Nazis

File:Dany-Cohn-Bendit-1.jpg

KRIM-Bevölkerung mit Mehrheit für Anschluss an Russland*

Autor: U. Gellermann

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Datum: 17. März 2014

Da saßen sie vor ein paar Tagen in der Plenartagung des Europäischen Parlamentes, all die Vertreter von Staaten, die sich der ekligen Flecken auf ihren frisch gebügelten Freiheits-Westen nicht bewusst sein wollten: Nahezu alle dort versammelten Staaten hatten sich mal widerrechtlich in Afghanistan rumgetrieben oder treiben es dort immer noch. Nicht wenige von ihnen hatten den Tod in den Irak getragen. Um die 50.000 Menschen wurden von Engländern und Franzosen in Libyen umgebracht. Einige von ihnen war schon tapfer in Jugoslawien dabei gewesen, als Belgrad munter bombardiert wurde. Als sie gemeinsam mit der durch Drogenschmuggel finanzierten UCK (`Befreiungsarmee des Kosovo´) den Staat Kosovo ausriefen, dessen Autonomie nicht mal durch eine Volksabstimmung gedeckt war.

Jetzt aber ging es im EU-Parlament darum, einer Volksabstimmung schon vorab jede Legitimität abzusprechen: Der Abstimmung der Krim-Bevölkerung darüber, wie sie ihre alte Autonomie wiedererlangen könnte. Es ist jene Autonomie, die bereits in der Krim-Verfassung von 1992 garantiert und in einem Referendum 1994 von gut zwei Dritteln der Bevölkerung bestätigt wurde. Nun wird sie erneut von einer erkennbaren Mehrheit verlangt. Demokratie? Referendum? Wegen solch demokratischer Anstrengungen wurde schon mal ein griechischer Präsident von der EU zurückgetreten, bevor die Griechen das Wort Volksabstimmung auch nur hätten aussprechen können. Und jetzt wollten die Krim-Russen das Veto der EU einfach ignorieren? Nein, schrie das EU-Parlament, das sei ja „die Aggression Russlands in Form der Invasion der Krim“, und das Vorgehen Russlands stelle eine Bedrohung für die Sicherheit der EU dar. Merke: Wenn eine Bevölkerung abstimmen will, wird die Sicherheit der EU bedroht. Deshalb müsse das Krim-Referendum als „illegal“ gewertet werden.

Schaum brandete auf vor den Mündern der Parlamentsmehrheit. Wenn jetzt der Putin in der Parlaments-Manege gewesen wäre, Löwen hätten sie losgelassen, dann hätte er mal sehen können, der neue Zar, wie echte Demokraten zubeissen können. Statt der Löwen kamen die grünen Clowns des EU-Parlamentes: Sie stolperten, fielen wieder hin, standen auf, wedelten mit kleine Tröten in den Händen. Die Rebcca Harms hatte eine rote Nase, der weißgeschminkte Dany Cohn-Bendit trug eine dieser absolut komischen Glatzen-Perücken. Sie hielten sich an den Händen und sangen: „Putin ist doof, Schröder aber auch, Putin ist doof, und der Schröder auch.“ Auf den Rängen des EU-Parlamentes ging das Entsetzen um. Zwei Irre sprachen das aus, was die Mehrheit denkt und will: Einen Maulkorb für Schröder. Der soll nicht mehr sagen dürfen, dass Deutschland im Verein mit den USA im Kosovo-Fall das Völkerrecht gebrochen hat. Klammheimlich darf man das denken. Aber sagen? Da geht doch der ganze Lack von Meinungsfreiheit und Demokratie ab! Vorhang! Vorhang!

Und während die Clowns in Brüssel noch Purzelbäume schlugen, organisierte Andrij Wolodymyrowytsch Parubij in Kiew die neue „Nationalgarde“. Parubij ist der Mitbegründer der rechtsextremen Sozial-Nationalen Partei der Ukraine, des Vorläufers der heutigen Swoboda-Partei. Er ist als „Kommandeur des Maidan“ bekannt und ein guter Freud des „Rechten Nazi-Sektors“. Nun also soll neben der regulären Armee, eine private, paramilitärische Truppe von bis zu 60.000 Mann formiert werden. Parubij ist Chef des ukrainischen „Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates“ und seine neue „Nationalgarde“ ist natürlich ein Instrument des Bürgerkrieges. Denn in der regulären ukrainischen Armee gibt es Soldaten mit Zweifeln an der Legitimität der Putschregierung. Derweil drängen die US-amerikanischen Republikaner auf Waffenlieferungen an die Ukraine. Das Muster ist bekannt. Mit dieser Privatarmee lassen sich die Großdemonstrationen für Autonomie in der Ostukraine, in Charkow, Odessa und Donezk niederschlagen. Zumindest der Bürgerkrieg wird vorbereitet. Und wo ein Bürgerkrieg ist, das weiß man spätestens aus Libyen, da ist die NATO nicht weit.

*MELDUNGEN VON DER KRIM

Am Referendum auf der Krim nahmen mehr als 80 Prozent der wahlberechtigten Krim-Einwohner teil. Nach vorläufigen Angaben sprachen sich 93 Prozent der Teilnehmer am Referendum für einen Anschluss der Krim an Russland aus. – Wenn sich das Ergebnis erhärtet, haben nicht nur die Russen der Krim sondern auch Wähler aus den Minderheiten der Krim-Ukrainer und Krim-Tataren für den Anschluss an Russland gestimmt.

Entgegen irreführender anderslautender Meldungen deutscher Mehrheitsmedien gab es natürlich auch die Möglichkeit gegen einen Beitritt zu Russland zu stimmen, der nur nicht den Status vor der Unabhängigkeitserklärung, sondern eine Rückkehr zu einer früheren Verfassung bedeutet hätte – ebenfalls mit größerer Autonomie der Halbinsel.

Die Ukraine will in den nächsten Tagen Tausende Menschen zur Nationalgarde einberufen, teilte der Interims-Innenminister Arsen Awakow (Inhaber der „Basis-Bank“ und diverser regionaler TV-Sender) mit.

 


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Daniel Cohn-Bendit lors des Assises Constituantes d’Europe Ecologie à Lyon

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Aus der Ostukraine

Erstellt von Redaktion am 14. März 2014

Demonstrationen zur Freilassung der Oppositionsführer

File:Soviet ballte tank T62 in Kiev, Ukraine.JPG

Autor: U. Gellermann

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Datum: 13. März 2014

Während deutsche Medien (löbliche aber einsame Ausnahme war die Ausstrahlung der jüngsten Sendung „Anstalt“ im ZDF) beharrlich über die Unterdrückung der Proteste in der Ost-Ukraine schweigen, berichtet „russland.RU“, eine unabhängige deutsche WebSite vor Ort, das, was die Wahrheit ist: Die scheinbar „Neuen“ in Kiew sind keinen Deut besser als die alte Janukowitsch-Gruppierung. Sie haben nur bessre Beziehungen zur EU, zur NATO und den deutschen Medien. Hier ein Artikel aus „russland.RU“:

„Die russischsprachige Ostukraine kommt nicht zur Ruhe. Nachdem der führende prorussische Oppositionelle aus Donezk Pawel Gubarjow auf Anordnung eines Gerichts in Kiew mindestens zwei Monate einsitzt, haben seine Anhänger vor Ort im Donbass Demonstrationen angekündigt, bis man ihn frei lässt und ein Referendum über die weitere Zugehörigkeit des Donbass zur Ukraine nach dem Vorbild der Krim stattfindet. Gestern demonstrierten in Donezk nach der örtlichen Onlinezeitung Ura-Inform 5-7.000 Menschen in Donezk auf einer prorussischen Kundgebung.

Gubarjow war am 6. März verhaftet und sofort aus der Ostukraine heraus nach Kiew bebracht worden. Der “Gouverneur der Menschen”, wie er von seinen Anhängern genannt wurde, war der führende Kopf der prorussischen Opposition in Donezk und hatte mehrere Protestdemonstrationen gegen die Euromaidan-Regierung organisiert. Deshalb sprechen seine Anhänger von einer politischen Gefangenschaft. Der ukrainische Staat wirft im Anstiftung zu Unruhen und die Verletzung der Integrität der Ukraine vor, was nach ukrainischem Recht eine Straftat ist. Ein bereits vom dortigen Gebietsparlament angesetztes Referendum im Donbas wurde per Gerichtsbeschluss wieder abgeblasen.

Die Verhaftung ist Teil einer größeren Kampagne der Euromaidan-Regierung in der südlichen und östlichen Ukraine, die mehrheitlich russischsprachig ist. Verhaftet wurden auch weitere Oppositionsführer in Charkow, Odessa und Lugansk, ausgetauscht zahlreiche Führungsspitzen in Politik und Verwaltung wie Gouverneure und Polizeichefs – alle durch treue Gefoglsleute des Euromaidan. Der ehemalige Gouverneur von Charkow Dobkin steht aktuell unter Hausarrest. Das trug auch zu einer weiteren Radikalisierung der Gegner der neuen ukrainischen Regierung im Osten des Landes bei. Von den großen deutschen Medien wird über diese Repressalien im Gegensatz zu russischen auf der Krim konsequent nicht berichtet.

Unruhe gab es auch unter Bergleuten in Lugansk, die seit zwei Monaten erfolglos auf ihren Lohn warten. In Tscheljabinsk in Russland gab es aus Solidarität mit den Bürgern von der Krim und der Ostukraine eine Demonstration mit 15.000 Teilnehmern.

Durch die Presse der Ostukraine schwirrt auch die Geschichte des ukrainischen Seemanns Maxim Knjasews. Dieser, russischer Muttersprachler von der Krim, ist in Odessa vom Flaggschiff der ukranischen Marine desertiert und hat sich auf eigene Faust auf die Krim durchgeschlagen. Dort will er sich jetzt der russischen Marine anschließen. Knjasew berichtet von einer schlechten Motivation der russischsprachigen Matrosen vor Ort, die zum Teil ähnliche Pläne wie er hätten oder abwarten wollten, wie sich die Lage vor Ort weiter entwickelt.“

Hier der Link zum Original-Beitrag:

http://www.russland.ru/ostukraine-demonstrationen-bis-referendum-und-freilassung-fuehrer/

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Hoeneß bleibt Präsident!

Erstellt von Redaktion am 13. März 2014

Das Volk will es so und Volkswagen auch

Wo ist der Unterschied ? Einer macht und der Andere lässt?

Autor: U. Gellermann

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Datum: 13. März 2014

Eine unheilige Allianz aus SPD, GRÜNEN und LINKEN fordert in diesen Tagen den Rücktritt von Uli Hoeneß vom Amt des Bayern-Präsidenten und rüttelt so an den Grundfesten unseres Landes. Nur wegen läppischer 27 Millionen irgendwie vermiedener Steuern. Aber Hoeneß ist ein ehrenwerter Mann! Hat er sich nicht in den 34 Jahren seiner Managertätigkeit um die Unterhaltung der Deutschen verdient gemacht? Saßen nicht neben ihm, auf allen Tribünen dieser Erde, Kanzler, Minister und Bundespräsidenten, um dem Ausland mal zu zeigen was gewachsene deutsche Verantwortung bedeutet? Stammt nicht von ihm jener deutsche Kernsatz „The trend is your friend“, der in seinem weisen Opportunismus wesentlicher Bestandteil aller deutschen Wahlkämpfe und auch der Parlamentsdebatten ist? Also!

Als 2008 irgend so ein dahergelaufener Finanzminister und seine Gebrauchskanzlerin die letzten Hemden der Deutschen gegen den Untergang der „Hypo Real Estate“ verwetteten, gingen den Deutschen etwa 19 Milliarden Euro verloren. Was gelang dem Uli zur gleichen Zeit? Eine Wette gegen den Dollar in Höhe von 150 Millionen Euro. Und was kam dabei heraus? Rund 70 Millionen Gewinn! Während die europäischen Regierungen in den letzten Jahren eine Bank nach der anderen mit Steuergeldern retteten, hat der Hoeneß-Uli sein eigenes Geld in die Spekulationen gesteckt und so den Banken zu gesunden Geschäften verholfen. Mal ehrlich: Was ist das bisschen Steuerhinterziehung gegen jene Steuergeldvergeudung der europäischen Rettungsschirme?

Der Uli Hoeneß und sein FC Bayern München sind außerdem auch das soziale Abbild unserer Republik: Allein im letzten Jahr konnte der bayerische Fußballklub 373 Millionen Euro umsetzten während solche Schluss- und Nordlichter wie Eintracht Braunschweig mal gerade 17 Millionen verzeichneten. Wahrscheinlich bekommen deren Spieler zusätzlich Hartz IV, weil sie von ihrem Job nicht leben können. Kennen Sie Norman Theuerkauf? Der ist Spieler bei Eintracht Braunschweig – geboren in Nordhausen (DDR!) – war ein Schnäppchen. Der hat 0,2 Mio. Ablöse gekostet und so spielt er auch. Philipp Lahm, der Kapitän der Bayern, den jeder kennt, schleppt jährlich 14 Millionen ab. Ja, so geht Marktwirtschaft. Und diesem Sinnbild von Leistung, die sich lohnen soll, will man jetzt den Kopf abschlagen!

Jeder weiß, dass Deutschland ein einig Autoland ist, von daher ist es nur folgerichtig, wenn das VW-Tochterunternehmen AUDI zehn Prozent der Aktien von Bayern München hält und im letztem Jahr mal eben 25 Millionen zusätzlich in den Verein steckte. Und nur logisch, dass der Vorstandsvorsitzende von VW, Martin Winterkorn, im Aufsichtsrat des FC Bayern sitzt. „Volks-Wagen“ heißt der Laden ausgeschrieben, dem der Mann vorsteht, es ist also das Volk, das so oder so an Bayern München beteiligt ist. Und dem prominentesten Vertreter des deutschen Volkes soll jetzt der Prozess gemacht werden?

Schließlich und endlich: Bayern München hat unter der Führung von Uli Hoeneß beinahe schon alle geschlagen: Die russischen Fußballklubs ZSKA Moskau, Zenit St. Petersburg oder wie sie alle heißen mögen. In der jetzigen kriegerischen Situation ist deshalb der Rat des Deutschen Meisters unersetzlich. Schön, der Klub aus München hat auch schon mal gegen die Russen verloren. Aber so ein Missgeschick ist einem anderen Führer auch schon passiert. Uli Hoeneß jedenfalls muss Präsident bleiben!

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Fotoquelle: Wikipedia _ Urheber Usien

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Der Krim – Krieg

Erstellt von Redaktion am 10. März 2014

Vor dem Krieg: Propaganda-Schlacht

Chonhar Russian Checkpoint.jpg

Autor: U. Gellermann

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Datum: 10. März 2014

Die schwere Artillerie ist schon in Stellung gebracht: Hillary Clinton vergleicht den russischen Präsidenten Putin mit Hitler. Weil der den Leuten auf der Krim, nach einem Machtwechsel in Kiew, die Selbstbestimmung sichern will. Natürlich hat der Mann seine eigenen Interessen. Hillary Clinton allerdings war immer völlig selbstlos: Als sie sich für den Krieg im Irak aussprach, als in ihrer Amtszeit als US-Außenministerin in Libyen der von den USA geplante Regime-Change zu jeder Menge Toten und einem kaputten Land führte und als sie mehr „Engagement“ in Syrien forderte. Soll Putin jetzt zurück schießen und sie eine kriegsgeile Nazi-Tusse nennen und Obama, wegen Guantanamo, einen KZ-Wächter?

Noch in diesem Monat werden die Menschen auf der Krim in einem Referendum zwei Fragen beantworten können: „Sind Sie für die Einbindung der Krim in die russische Föderation als Teil der Föderation?“ Und: „Sind Sie für die Wiederherstellung der Verfassung von 1992?“ Im Mai 1992, als in einer postsowjetische Situation jeder machen konnte was er wollte, rief das Krim-Parlament die „Republik Krim“ als souveränen Staat aus. Kurz danach wurde mit massivem Druck aus Kiew die Autonomie der Krim rückgängig gemacht. Natürlich gegen die Mehrheit der Bevölkerung. Heute werden die Panzer des Völkerrechts angeworfen: Gegen eine Volksabstimmung. Die berühmte Juristin Angela Merkel weiß natürlich genau: Das Referendum sei „illegal“.

Als sich im Februar 2008 der Kosovo, unter dem militärischen Protektorat der NATO, für unabhängig erklärte, war die Merkel bereits drei Jahre im Amt. Wirkliche Völkerrechtler hielten die kosovarische Unabhängigkeit, bei der es nicht mal eine Volksabstimmung gab, für illegal. Von der Merkel war damals dazu kein Ton zu hören. Als die NATO, von keinem Mandat gedeckt, 1999 fast drei Monate lang Belgrad des Kosovo wegen bombardierte, kannten die NATO-Stäbe nicht mal das Wort „illegal“. Auch nicht der deutsche Brigadegeneral Fritz von Korff, der seine Panzer in das damals noch serbische Kosovo führte. Bis heute halten sich 5.000 US-Soldaten im Land auf.

Jetzt wird die Stalinorgel, der alte Raketenwerfer vorgefahren: Die Rechte der Krim-Tataren, nach dem Zeiten Weltkrieg von Stalin unter grausamem Umständen deportiert, jetzt mit etwa 12 Prozent die zweitgrößte Minderheit auf der Krim, würden bei einem Referendum nicht beachtet, liest und hört man. Die 1944 gegründete tatarische Waffen-Gebirgs-Brigade der SS wird nahezu nie erwähnt. Auch nicht das Parlament der Krim-Tataren, der Kurultai, das sich als Volksvertretung für die gesamte Krim versteht und so mit dem eigentlichen Krim-Parlament konkurriert. Auffällig ist, dass sich die selben, die sich Sorgen um die Minderheitenrechte der Tataren machen, über die Minderheitenrechte der Serben im Kosovo damals kein Wort verloren. Selten zu lesen ist auch von den 10.000 Krim-Tataren, die am Ende des letzten Monats eine Sitzung des Parlamentes blockierten, auf das Parlament Druck ausübten, weil dort auf einer außerordentlichen Plenarsitzung eine Loslösung der Krim von Kiew diskutiert werden sollte.

Erst wurden die Drohnen der Sanktionen gegen Russland gestartet. Angeblich punktgenau. Kollateralschäden in der eigenen Wirtschaft werden in Kauf genommen. Dann entsenden die USA Kampfjets nach Litauen, weitere Flugzeuge der US-Luftwaffe sollen nach Polen verlegt werden. Ausgerechnet der Flugzeugträger USS George H.W. Bush verstärkt die US-Mittelmeer-Flotte. Ein US-Zerstörer ist auf dem Weg ins Schwarze Meer. Wäre die russische Flotte unterwegs, die deutschen Medien würden das Wort der Woche benutzen: Säbelrasseln. Da es Angela Merkels Abhör-Freunde sind, die ihre Streitkräfte in Stellung bringen, handelt es sich nur um eine „Reaktion“.

Begonnen hatte es in Kiew mit friedlichen Demonstrationen gegen eine korrupte Regierung. Längst hört und sieht man von diesen Leuten in den deutschen Medien nichts mehr. Seit die EU eine politische Enteignung der friedlichen Bewegung zugunsten ihrer geostrategischen Ziele durchgesetzt hat. Seit die korrupte Timoschenko-Partei sich auf die Bürgerrechtsbewegung draufsetzte. Seit die aus dem Ausland gesteuerte Klitschko-Gruppe, besonders von deutschen Medien hofiert, sich zum Sprecher des Maidans erklärte. Seit der Maidan von bewaffneten Nazis dominiert wurde. Die Propagandaschlacht ist noch in vollem Gange. Der Krieg wird weiter angeheizt.


Grafikquelle     :      Russian military checkpoint near Chonhar, Kherson Oblast, Ukraine

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Der Russe ist wieder da!

Erstellt von Redaktion am 5. März 2014

Prima Kriegs-Klima in der Ukraine

Bildergebnis für Wikimedia Commons Bilder Krieg in der Ukraine

Autor: U. Gellermann

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Datum: 05. März 2014

Da war doch was: Am 21. Februar hatten drei europäische Außenminister, der damalige Präsident der Ukraine, ein Vertreter Russlands und drei ukrainische Vertreter der Opposition ein Übereinkunft zur Beendigung der Kiewer Wirren unterzeichnet: „Innerhalb von 48 Stunden nach Unterzeichnung dieser Übereinkunft wird ein Sondergesetz verabschiedet, unterschrieben und verkündet, das die Verfassung von 2004 wiederhergestellt und alle seither beschlossenen Änderungen zurücknimmt. Die Unterzeichner erklären ihr Bestreben, anschließend eine Koalition zu bilden und eine Regierung der nationalen Einheit innerhalb von zehn Tagen zu bilden“. Dieses Papier für eine „Übergangsregierung der nationalen Einheit“ war am nächsten Tag Makulatur und ist seitdem, obwohl es als großer Sieg des deutschen Außenministers galt, nicht wieder aufgetaucht. Statt dessen wurde der Präsident verjagt, der „Maidan“ übernahm die Macht und damit, so erzählen die deutschen Medien bis heute und mit großem Wohlwollen, „das Volk“.

Als dann andere Teile des „Volkes“ in anderen Teilen der Ukraine – auf der Krim, in Odessa, in Charkow und in Donezk – sich ähnlich verhalten wie der von deutschen Medien als Institution des ukrainischen „Volkes“ inthronisierte „Maidan“, hört das Wohlwollen aber schnell auf: Der Russe ist wieder da. Der Russe, jene schreckenerregende von den Nazis eingeführte Figur, der asiatische Untermensch, der auf den CDU-Plakaten der 50er Jahre seine gierigen Finger nach Deutschland ausstreckte und bis zum Ende der Sowjetunion für fast alles Böse auf der Welt verantwortlich war, der Russe steckte dahinter. Nicht nur die auch von Walter Steinmeier unterzeichnete Übereinkunft, die ein Ende der Gewalt in der Ukraine hätte ermöglichen können, war verschwunden. Auch der Rest von Objektivität, Verstand und Analyse war mit diesem Papier aus den deutschen Leit- und Massenmedien weg. Dass jede Menge Ukrainer, bei diversen Wahlen für andere Parteien als die plötzlich herrschende Timoschenko-Klitschko-Svoboda-Gruppe gestimmt hatten: Geschenkt. Dass die russisch sprechenden Ukrainer an der jetzigen Regierung nicht beteiligt sind: Selber schuld, sind ja bloß Russen.

Nur selten ist aus deutschen Medien zu erfahren („Spiegel-online“ bildet eine löbliche Ausnahme), dass die ukrainische Nazi-Partei „Svoboda“ im Kiewer Kabinett mit mehreren Ministern, einem Vizepremier und dem Generalstaatsanwalt Oleg Machnitzkij vertreten ist. „Im Mai 2013 „, schreibt der SPIEGEL, „war eine dreiköpfige Swoboda-Delegation bei der (NPD-) Fraktion der Rechtsextremisten im Dresdner Landtag zu Besuch.“ Auch die Bitte des „Rechten Sektors“, der auf dem Maidan dominierenden, bewaffneten Nazi-Formation, der tschetschenische Terroristen Doku Umarow möge doch den ukrainischen Kampf gegen Russland unterstützen, ist in den deutschen Norm-Medien nicht zu finden. Bilder aus der West-Ukraine – dem Hort der ukrainischen Europa-Bestrebungen – auf denen die vielen Denkmäler für den Nazikollaborateur Stepan Bandera, zu sehen wären, sind in Deutschland nicht zu haben. Und dass Bandera von der „orangenen Timoschenko-Revolution“ zum „Helden der Ukraine“ ernannt worden war will die Redaktion lieber nicht wissen.

Auch ein journalistischer Leckerbissen wie dieser, dass die Hackergruppe „Anonymous Ukraine“ das e-Mailkonto des litauischen Präsidenten-Beraters Laurynas Jonavicius gehackt hat und die darin gefundenen e-Mails von Vitali Klitschko veröffentlichte, kommt irgendwie nicht rüber. Vielleicht weil die Klitschko-Mails rund um den Aufritt der litauischen Parlamentspräsidentin Loreta Graužinienės auf dem Maidan in Kiew auch folgenden Wunsch enthielt: „Nach unserem Telefongespräch bin ich der Meinung, es wäre nützlich den Besuch einiger hochrangiger Funktionäre der EU zu planen. Der Maidan braucht ständige moralische Unterstützung. Es wäre angemessen jemanden aus Berlin einzuladen.“ Aber in den deutschen Medien wird der Maidan hartnäckig weiter als ausschliesslich spontane Volkserhebung verkauft.

So ziemlich alles was die Mehrheitsmedien nicht berichten, ist aus gut zugänglichen Quellen im Netz zu erfahren. Von den unten angeführten Links muss man zum SPIEGEL oder zum NEUEN DEUTSCHLAND nichts sagen. Allein die Website „russland.ru“ bedarf der Erläuterung: In der Redaktion sind ausschließlich deutsche Journalisten, die zumeist vor Ort sind oder, weil sie russisch können, sich aus unabhängigen ukrainischen Online-Zeitungen bedienen. Vor Ort ist zwar auch ein großer Stab deutscher Standardjournalisten, die aber im wesentlichen alle das gleiche erzählen: Der Russe kommt!

Einen kleinen Hinweis worum es in der Ukraine wirklich geht, gab versehentlich die vorgeblich alternative TAZ: „Würde sich Russland jetzt von der Krim zurückziehen, könnte sich die Nato von einigen bisherigen Rücksichten verabschieden. Endlich würden die Ukraine und Georgien Vollmitglieder werden. Von einer US-Marinebasis in Sewastopol redet niemand öffentlich, aber das Ziel ist alles andere als abwegig.“ Das schreibt am 3. März. 2014 der Soziologe Erhard Stölting. Genau Erhard, darum geht es: Weg mit den blöden Rücksichten auf den Russen, her mit einer US-Marinebasis in Sewastopol.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/krim-krise-die-fatalen-fehler-der-kiewer-regierung-a-956680.html

www.russland.ru/ukraine-special/

http://www.neues-deutschland.de/artikel/924654.im-geiste-von-stepan-bandera.html


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English: A Russia-backed rebel armored fighting vehicles convoy near Donetsk, Eastern Ukraine, May 30, 2015.
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Author Mstyslav Chernov

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Ukraine nähert sich der Nato

Erstellt von Redaktion am 25. Februar 2014

Die EU hat ein neues Entwicklungsprojekt

File:New Russia on territory of Ukraine.PNG

Autor: U. Gellermann

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Datum: 25. Februar 2014

Unmittelbar nach dem Machtwechsel in der Ukraine gab es zwei wesentliche Weichenstellungen: Die eine liegt in jener Äußerung des deutschen Außenministers, der das Auftauchen von Julia Timoschenko auf dem Maidan damit kommentierte, dass sie eine „große Verantwortung für die Zukunft ihres Landes“ trage. Timoschenko, die sich nicht in das Rennen zur Wahl des Ministerpräsidenten begab sondern sich für die ukrainischen Präsidentschaftswahlen aufspart, hat so den offiziellen Segen der EU bekommen: Mach mal, Julia. Eine zweite Weiche stellte das Parlament. Es schaffte die Zweisprachigkeit – Ukrainisch und Russisch – in jenen Gegenden ab, in denen bisher die alte Janukowitsch-Regelung galt, wonach in einer Region, in der mindestens zehn Prozent der Bevölkerung eine andere Muttersprache habe, diese den Status einer regionalen offiziellen Sprache bekommt. Also weg mit Russisch als zweiter Amtssprache.

Es gibt viele Zahlen darüber, wie viele Ukrainer primär Russisch oder Ukrainisch sprechen, sie alle pendeln so um die 50 Prozent für die jeweilige Sprache. Ein zarter Hinweis auf die wirkliche Wirklichkeit gibt die Lage auf dem Zeitungsmarkt: Die auflagestärkste Zeitung „Fakty i kommentarii“ (1,1 Millionen) erscheint in Russisch. Die beiden nächstgrösseren (700.000 und 500.000 Auflage) erscheinen ebenfalls in Russisch. Mit der Entscheidung des Parlamentes ist der Sprachenkonflikt, der natürlich ein politischer Streit und ein Moment der Unterdrückung ist, vorprogrammiert. Angenehm unideologisch verhält sich bisher die große Mehrheit der Ukrainer, die im Alltag einfach „Surschyk“ sprechen, eine Mischung aus Ukrainisch und Russisch.

Unangenehm ideologisch sind die neuen Kandidaturen für das Amt des Ministerpräsidenten zu werten. Mit Petro Poroschenko ist einer der alten Oligarchen auf den Stimmzettel zurückgekehrt. Er ist nicht nur einer der reichsten Männer der Ukraine sondern auch ein braver Besucher der „Münchner Sicherheitskonferenz“, jenem privaten NATO-Gremium, das Jahr für Jahr das atlantische Bündnis preist. Dass Poroschenko seine politische Basis im Westen der Ukraine hat, dort wo die Statuen des ukrainischen Nazi-Kollaborateurs Stepan Bandera viele Plätze zieren, versteht sich. Auch der zweite Kandidat, Arsenij Jazenjuk, kommt aus dem Westen des Landes, ist aber eine junge, postsowjetische Figur des ukrainischen Neoliberalismus. Jazenjuk, der zeitweilig stellvertretender Vorstandsvorsitzender der zweitgrössten ukrainischen Bank (in österreichischem Besitz) war, wurde landesweit so richtig bekannt, als er 2008 gemeinsam mit Julia Timoschenko einen Brief an die NATO unterschrieben hatte, in dem um den Beitritt der Ukraine gebettelt wurde. Die wirkliche Wahl heißt also: Timoschenko oder Timoschenko. Die Spaltung des Landes in einen eher russisch orientierten Osten und einen eher Ukrainisch sprechenden Westen ist vorbereitet.

Keine Spaltung des Landes will zum Beispiel die Obama-Beraterin Susan Rice. Ihr Statement steht für viele Politiker-Stellungnahmen aus dem Westen. So freundlich sich das anhört, so sicher ist es, dass der Westen, wenn er schon die Ukraine übernehmen möchte, den industriellen Osten, dort wo Kohle- und Stahlarbeiter das bisschen Reichtum erwirtschaften, mitschlucken möchte. Denn irgendwie muss der IWF seine Kredite an die Ukraine doch zurückbekommen. Der Währungsfonds hatte mit seiner Schocktherapie von 1992 bis 1995 einen Rückgang des Bruttoinlandsproduktes von 60 % ausgelöst, von dem sich das Land bis heute nicht erholt hat. Gefährdet sind auch jene 6,4 Milliarden Dollar ukrainischer Staatsanleihen, die von der US-Fondsgesellschaft Franklin Templeton gehalten werden. Wer sich vor Augen hält, dass Templeton 707 Milliarden US-Dollar schwer ist – zum Vergleich der ukrainische Staatshaushalt, der mal gerade 41 Milliarden Dollar ausmacht – der kann sich vorstellen wo die Loyalitäten von Frau Rice liegen. Man will die industriellen Pfänder im Osten nicht in einer Spaltung verlieren.

„Die EU hat auf dem Maidan ein gewaltiges Entwicklungsprojekt geerbt“, schreibt der Mentor der Münchner Sicherheitskonferenz, Stefan Kornelius, in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG und gibt so den Kurs an: Zwar ist der ukrainische Bär noch nicht so ganz erlegt, aber sein Fell wird schon mal in ein Entwicklungsprojekt der EU überführt. Für jene Kiewer, die sich mit ihrem Protest auf dem Maidan einfach nur eine andere, bessere Ukraine versprochen haben, wird die Rolle als Beute ein schmerzhaftes Erwachen bedeuten. Wer EU-Erbstücke wie Rumänien oder Bulgarien kennt, der weiß das.


Grafikquelle :

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English: Map of what was called New Russia during the Russian Empire (now southern Ukraine).
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Source Self-made map, based off of Image:Map of Ukraine political simple blank.png.
Author Dmytro S.
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Jugoslawien in Kiew

Erstellt von Redaktion am 22. Februar 2014

Vom Bürgerkrieg zur Spaltung

Autor: U. Gellermann

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Datum: 21. Februar 2014

Großmächtig bewegen sich EU-Außenminister in der Hauptstadt der Ukraine. Mal standen sie selbst auf dem Maidan und orchestrierten den Protest, mal mahnten sie Reformen aller Art an, dann wieder übten sie Druck auf einen gewählten Präsidenten aus. Gut zwanzig Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion, nachdem man die NATO um jede Menge ehemaliger Staaten des Warschauer Paktes erweitert hatte, fehlen zur NATO-Ausdehnung nur noch Weißrußland und die Ukraine, dann steht man endlich an der russischen Grenze, dann kann man den Russen jene Sorte Demokratie befehlen, die in einem vom Westen diktierten Freihandel besteht: >Beim Eintritt in den Westen werden Sie gebeten aus Sicherheitsgründen all ihre Rohstoffe abzugeben<.

Dass die im Westen hochgelobte Opposition in ihren Reihen einen starken faschistischen Block hat von dem sich die anderen bisher nicht distanzieren: In den deutschen Medien kaum der Rede wert. Dass eine der drei Oppositionsparteien, von Frau Timoschenko inspiriert, der Regierungspartei (bis auf deren NATO-Verweigerung) zum Verwechseln ähnlich ist: Macht nichts, Hauptsache sie steht der NATO und der EU freundlichst gegenüber. Dass der CDU-Zögling Klitschko „den Westen“ zu einer Militärintervention aufgerufen hat: Er will doch nur spielen. Und wenn es ein Spiel mit dem Feuer ist? Dann kommen „wir“ eben und löschen.

Was wäre wenn sich die Stadt München als autonom gegenüber der Bundesregierung erklärt hätte, wie die Stadt Lwiw, die in den deutschen Medien hartnäckig „Lemberg“ heißt, es gegenüber der Kiewer Zentralregierung tut? Was wäre wenn eine stark von der NPD geprägte „Opposition“ diverse deutsche Regierungsgebäude und zentrale Plätze dauerhaft besetzt hielte und mit Molotowcocktails und erbeuteten Waffen diese Besetzungen verteidigte? Was wäre wenn diese Opposition – wie jüngst im Nordwesten der Ukraine, in Riwne geschehen – ein Atomkraftwerk gestürmt und besetzt hätte? Längst wäre die Bundeswehr in Bewegung gesetzt worden, um den Zerfall des Landes zu stoppen.

Die Destabilisierung der Ukraine wird aus dem Ausland gut begleitet: Vom US-amerikanischen Vordenker Zbigniew Brzeziński, Dauergast auf der Münchner Sicherheitskonferenz, der sich dringend ein Russland ohne eine verbündete Ukraine wünscht, über den Vietnamkriegsveteranen und ehemaligen US-Präsidentschaftskandidaten John McCaine, der auf dem Maidan die Protestler anspornte: „Ukrainisches Volk! Das ist euer Moment! Die Freie Welt ist mit euch! Amerika ist mit euch!“ Bis zu Cem Özdemir, den notorischen Bellizisten, der mit Inbrunst plädierte: „Die Ukraine gehört zu Europa“, so wie vor ihm schon der Ex-Außenminister Westerwelle oder der CDU-Abgeordnete Wellmann, dem in der „BZ“ zum Thema einfiel, dass die Ukraine immerhin „seit 500 Jahren christlich“ sei.

Es ist der ausgeprägte Nationalismus in der West-Ukraine, der sich gegen die russischsprachigen Ost-Ukrainer und vehement für die Verbreitung der ukrainischen Sprache einsetzt. Ähnlich wie beim Zerfall Jugoslawiens dienen die nationalen Widersprüche in der Ukraine einer Einmischung von Außen, die damals in den Bürgerkrieg mündete. Die vorschnellen Anerkennung der neuen Teilstaaten durch die Bundesrepublik Deutschland verschärfte die Krise. Und während in den westlichen Medien hauptsächlich der serbische Nationalismus bemängelt wurde, war die kroatische Nationalvariante zusätzlich faschistisch gefärbt: Symbole der mit den Nazis verbündeten Ustascha-Bewegung dominierten zeitweilig die kroatische Öffentlichkeit und der spätere kroatische Staatspräsident Franjo Tudjman betonte er sei stolz, weder mit einer Serbin noch mit einer Jüdin verheiratet zu sein. Das Muster ist erkennbar. Nur nicht für die Mehrheitsmedien in Deutschland und für die Mehrheit im deutschen Parlament.

Der im Ergebnis der Aufspaltung Jugoslawiens entstandene Staat Bosnien Herzegowina steht vor dem Scheitern. In der Republik Kosovo sind seit 1999 mehrheitlich NATO-Truppen stationiert, die Wirtschaft wird vom Internationalem Währungsfonds und organisierter Kriminalität geprägt. Die USA unterhalten dort mit dem „Camp Bondsteel“ ihren größten Stützpunkt außerhalb der USA. Das Militärlager beherbergt eine „Black Site“, eines der Foltergefängnisse der USA. – Der Ukraine ist zu wünschen, dass ihr ein „jugoslawisches Modell“ erspart bleibt. Allerdings ist die Aussicht, mit einer NATOisierten Ukraine das Schwarze Meer zu beherrschen, die erheblichen Öl-Reserven der Region ebenso zu kontrollieren wie jene noch nicht erschlossenen Öl- und Gasvorkommen, die im Schelf des Schwarzen Meeres lagern, höchst verlockend.

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Fotoquelle: Wikipedia – Author Elke Wetzig (User:Elya)

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Edathy und die falschen Fragen

Erstellt von Redaktion am 19. Februar 2014

Das Berliner Staats-Theater spielt das verkehrte Stück

Autor: U. Gellermann

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Datum: 18. Februar 2014

Hat sich der ehemalige Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses Sebastian Edathay nun strafbar gemacht oder nicht? Hat der SPD-Fraktionschef Oppermann wirklich Edathy informiert oder nicht? Ist der Edathy-Verdacht der Auslöser einer Staatskrise oder was? Vorne auf der Bühne des Berliner Staats-Theaters läuft ein Stück über Empörung und Entsetzen, über Verrat und Misstrauen, über die scheinbar großen Abgründe großer Politik. Hinter dieser Inszenierung lauern ganz andere Fragen, die selten gestellt werden und bisher nicht beantwortet wurden.

Im Oktober letzten Jahres, nur kurz nach der Bundestagswahl, wurde ausgerechnet Klaus-Dieter Fritsche, damals Staatssekretär im noch von Hans-Peter Friedrich geführten Innenministerium, über den zur Zeit heftig diskutierten Verdacht gegen Edathy informiert. Sein Informant war der Chef des Bundeskriminalamtes Jörg Ziercke. Klaus-Dieter Fritsche ist seit dieser Zeit im Rang gestiegen: Heute ist er für die Belange der Nachrichtendienste im Bundeskanzleramt zuständig.

Fritsche und Edathy kennen sich gut: Sie waren Kontrahenten im NSU-Untersuchungsausschuss. Falls es einen Verdacht gegen Edathy auf strafbare Handlungen gegeben hätte, wäre der unmittelbare Weg zum zuständigen Staatsanwalt der richtige Schritt gewesen. Wenn nicht, wäre die Information belanglos und hätte unter Verschluss gehalten werden müssen. Weder das eine noch das andere ist geschehen. Daran schließen sich folgende Fragen an: Warum und von wem gelangte die Information an den Chef des Bundeskriminalamtes? Warum gab er diese Information an den damaligen Staatssekretär Fritsche im Innenministerium weiter? Warum unternahm der nichts anderes, als seinen Minister zu informieren?

Klaus-Dieter Fritsche ist eine düstere Eminenz des Geheimdienstgeschäftes: Er leitete drei Jahre lang das Büro des bayerischen Law-and-Order-Ministers Beckstein. Von dort aus stieg der CSU-Mann zum Vizepräsident des Verfassungsschutzes auf. Nach dem nächsten Karrieresprung landete er auf dem Platz des Geheimdienstkoordinators im Bundeskanzleramt, um dann dem damaligen Innenminister als Staatssekretär mit der Zuständigkeit für die Geheimdienste zu dienen. In dieser Eigenschaft wurde er vor den NSU-Untersuchungsausschuss zitiert.

Fritsche war das was man einen Un-Zeugen nennen darf. Vor dem Ausschuss kritisierte er die Weitergabe geheimer Informationen an die Medien und behauptete, dass die Untersuchungsarbeit „von einem Skandalisierungswettstreit überlagert“ werden würde. Die drängenden öffentlichen Fragen nach dem Versagen der mit dem NSU befassten Ämter bezeichnete er als „beißende Kritik, Hohn und Spott (der) über einen ganzen Berufszweig von Polizisten und Verfassungsschützern niedergeht“. Ein besonders frecher Höhepunkt seines mangelnden Demokratie-Verständnisses war seine Antwort auf die Frage der Abgeordneten, ob es legitim sei V-Leute im Umfeld des NSU zu verschweigen: „Ja! Das Staatswohl ist wichtiger als parlamentarische Aufklärung.“ Es war Sebastian Edathy, der dem aggressiven Auskunftsverweigerer entgegenhielt: „Es gibt Grenzen dessen, was man hier hinnehmen muss“. Warum ausgerechnet der Antidemokrat Fritsche von der Kanzlerin befördert wurde, ist eine der Fragen, die Merkel ganz persönlich beantworten muss.

Es war Fritsche, der als Vizepräsident des Verfassungsschutzes 2003 in einem Schreiben formulierte: “In der Presse wird angeführt, dass es im Rechtsextremismus sehr wohl ein potentielles Unterstützerfeld gebe. Hierzu wird auf drei Bombenbauer aus Thüringen verwiesen, die seit mehreren Jahren “abgetaucht” seien und dabei sicherlich die Unterstützung Dritter erhalten hätten. Dem ist entgegenzuhalten, dass diese Personen auf der Flucht sind und – soweit erkennbar – seither keine Gewalttaten begangen haben. Deren Unterstützung ist daher nicht zu vergleichen mit der für einen bewaffneten Kampf aus der Illegalität”. Zu der Zeit hatte der NSU bereits vier Morde hinter sich. Die Frage an Fritsche, wie er zu solchen „Erkenntnissen“ kam steht immer noch aus. Wie auch die gründliche Untersuchung des Klu-Klux-Klan-Geflechtes in Baden-Württemberg aussteht und die genaue Prüfung jenes hessischen Verfassungsschutzmannes, der gemütlich im Tatort-Café eines NSU-Mordes saß.

Eine erste Gelegenheit zu solchen Fragen ergibt sich am Donnerstag dieser Woche. An diesem Tag soll der Bundestag über den Antrag aller Fraktionen zur „Bekräftigung der Empfehlungen des Abschlussberichts des 2. Untersuchungsausschusses der 17. Wahlperiode „Terrorgruppe Nationalsozialitischer Untergrund“ debattieren. Fraktionsübergreifend war der Untersuchungsausschuss zu der “Überzeugung” gekommen, dass “eine Reihe von Korrekturen und Reformen (bei Polizei, Justiz und dem Verfassungsschutz) dringend geboten sind.” Man darf davon ausgehen, dass der „Fall Edathy“ die Debatte überlagern wird. Und ob sich jemand findet, der in dieser Situation die wirklich wichtigen Fragen stellt, ist auch zweifelhaft.

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Fotoquelle: Wikipedia – Author Jorge Royan

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BERLINALE: Von trutzig bis putzig

Erstellt von Redaktion am 18. Februar 2014

Ein Festival des unteren Mittelmasses

Autor: U. Gellermann

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Datum: 17. Februar 2014

Filmfest-Jurys sind selten gescheit. Warum sollte es bei der diesjährigen Berlinale anders sein. Den Goldenen Bären bekam ein besonders schlechter Slapstick-Krimi aus China: „Black Coal, Thin Ice“ von Diao Yinan. Alle paar Minuten wurde irgendjemand umgelegt, sorgfältig verpackte Leichenteile fuhren durch die Volksrepublik, lebendige Körper wurden mit Schlittschuhen zerhackt und schuldig war ein beschädigter Mantel. Wer diesen konfusen, unsinnigen Film mit einem Goldbären belohnte, der musste zwanghaft dem katatonisch dort durch die Kulissen stolpernden degradierten Kommissar, gespielt von Liao Fan, zu einem Silbernen Bären verhelfen.

Es konnte bei dieser umnachteten Art Filme auszuzeichnen nicht ausbleiben, dass ein Kammerspiel im Bühnenbild eines Jahrmarkt-Theaters den Preis für einen Spielfilm erhielt „der neue Perspektiven eröffnet“. Endlich, so wird sich die Jury gedacht haben, wurde dem 92 Jahre alten Regisseur des Films „Aimer, boire et chanter“, Alain Resnais, mal eine neue Perspektive eröffnet. Da erscheint es nur logisch, dass die Jury den durchaus heiteren Unsinn des Films „The Grand Budapest Hotel“ von Wes Anderson mit dem Großen Preis der Jury bedachte: Nie wurde eine Burleske vor dem Hintergrund des aufkommenden Faschismus lustiger choreographiert. Auch die Nazis waren komisch, geradezu zum Verlieben skurril.

Richard Linklater, der Regisseur von „Boyhood“ hätte unter diesen Bedingungen eigentlich seinen Silbernen Bären für die Beste Regie nicht annehmen dürfen. Die Nachbarschaft zu vielen anderen prämierten Filmen ist durchaus rufschädigend für ein Werk, das in zwölf Jahren harter, geduldiger und kluger Arbeit entstanden ist und mit dem Portrait eines in den USA aufwachsenden Jungen (Ellar Coltrane) den ultimativen Familienfilm geschaffen hat. Mitten in den Vereinigten Staaten der Konkurrenz, der Marktfixiertheit und hohler Phrasen gelang dem Regisseur ein warmherziger Entwicklungsroman, der, selten genug, von den Filmjournalisten und dem Publikum einhellig gelobt wurde.

Vor einem ähnlichen Problem standen Anna und Dietrich Brüggemann, die für „Kreuzweg“ einen Silbernen Bären für „Kreuzweg“ mit nach Hause nehmen durften. Gelang ihnen doch ein eindrucksvolles Bild katholischen Sekten-Unwesens, das, mitten in Deutschland, dem Zerrbild des fanatischen Islam entsprach und dessen Opfertod eines Mädchens zur Anklage gegen religiöse Verbohrtheit geriet. Die Brüggemanns kamen der Jury wegen nicht nur in schlechte Gesellschaft, sie wurden auch zum Alibi dafür, dass einer der wenigen großartigen Filme des Festivals „Macondo“ nicht ausgezeichnet wurde. Mit dieser Arbeit schuf die Regisseurin Sudabeh Mortezai, geboren in Ludwigsburg (BRD), aufgewachsen in Teheran und Wien, ein dichtes, ungemein freundliches Portrait einer kleinen tschetschenischen Gemeinde in einer Flüchtlingssiedlung am Rande von Wien. Der Realismus der Regisseurin besteht in der großen Kunst jener Mikro-Beobachtung, die Aufschlüsse auf die Makro-Verhältnisse des globalen Flüchtlingselends gibt und die Entwurzelten nicht nur als Opfer zeichnet.

Man ist fast geneigt die Jury zu entschuldigen wenn man sich die diesjährige Auswahl des Berlinale-Wettbewerbs anschaut. Da gab es mit „Aloft“ das esoterische Stück einer langen Wanderung zu einer Heilerin, bei dem ein mystischer Falke durch Schnee und Eis geschleppt wurde. Mit „The Monument Men“ durften George Clooney, Matt Damon, Bill Murray und Cate Blanchett gegen Ende des 2. Weltkrieges einen patriotisch inszenierten Klamauk zeigen. Lars von Trier spekulierte mit „Nymphomaniac“ auf den Marketing-Effekt, der in mechanisch wiederholtem Beischlaf stecken kann: Huch, wie sündig. Mit einem Bundeswehr-Verteidigungsfilm gelang es Feo Aladag die wirkliche Lage in Afghanistan zu vernebeln. Der chinesische Regisseur von „No Man´s Land“ wird mit seiner Erfindung des Martial-Arts-Car-Film nicht nur den Rekord in Car-Crash-Acts überbieten, er wird auch einen schnellen Weg zu den infantilen Nutzern der Spielkonsolen von Nintendo und Sony finden: Selten wurde der gewaltsame Tod schneller, brutaler und vielfältiger präsentiert als in diesem chinesischen Zitate-Film.

War die Film-Ausbeute dieses Jahres besonders schlecht? Haben die Festivals in Cannes und Venedig der Berlinale die besten Filme schon weggeschnappt? Oder ist es eher so, dass die Berlinale allen alles bietet statt auf Qualität zu orientieren? Mit gezählten 14 Rubriken wartet das Festival auf, darunter auch dem „Kulinarischen Kino“, das der Berlinale-Chef und Vegetarier Dieter Kosslick zu Recht als seine Erfindung betrachtet. In dieser Reihe wurde auch ein Kino-Drama um Cesar Chavez versteckt, ein bestechender Film über den Mann, der die mexikanischen Saisonarbeiter in Kalifornien in Streik und Kampf für bessere Lebensbedingungen und gegen Rassismus führte. Diese Weltpremiere von Diego Luna hatte fraglos mehr Gehalt und Qualität als die Mehrheit der Filme im Wettbewerb.

Dieter Kosslick, der seit 2001 die Berlinale leitet, darf seit seiner Vertragsverlängerung seinen Geschmack bis ins Jahr 2016 ausleben. Ihm, dem freundlichen Entertainer, ist ein schöner Ruhestand zu gönnen. Bald. Möglichst. Doch von seiner Chefin, der neuen Beauftragten der Bundesregierung für Kultur, Monika Grütters, ist Besserung nicht zu erwarten. Die ehemalige Mitarbeiterin der skandalösen Berliner Bankgesellschaft wußte in ihrer Einfalt zur Eröffnung der Berlinale zu sagen, dass Filme wie „The Grand Budapest Hotel“ und „Monuments Men“ nahe an die Brüche des 20. Jahrhunderts führten. Ein CDU-Parteibuch mag auf gut dotierte Posten führen, gute Kenntnisse müssen damit nicht verbunden sein.

Die Berlinale wurde 1951 vom US-Filmoffizier Oscar Martay wie ein trutziges Statement im Kalten Krieg als „Schaufenster der freien Welt“ erfunden. Jetzt ist sie, mit eben solchen von Kosslick und Grütters herausgehobenen Filmen wie „The Grand Budapest Hotel“ und „Monuments Men“ ins Stadium des Putzigen eingetreten.

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Fotoquelle: Wikipedia – Urheber Times

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DEMOKRATUR PUR

Erstellt von Redaktion am 17. Februar 2014

Freiheit ist geheim, Daten sind transparent

Autor: U. Gellermann

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Datum: 17. Februar 2014

Seid umschlungen – Milli-o-nen, heißt es an einer gewagten Stellen in Schillers Ode an die Freude, die, von Beethoven vertont, zur Hymne der Europäischen Union geworden ist. Zwar darf man sicher sein, dass Schiller, in einer geschwisterlichen Gefühlsaufwallung Millionen Menschen meinte, die zu Brüdern werden sollten. Aber wer die konkrete EU betrachtet, von ihrer Entstehung als Wirtschaftsgemeinschaft (Montanunion, EWG) bis zur heutigen Währungsunion, der weiß: Es geht um Geld, Finanzen, Billionen. Irgendwann, nach der Finanzkrise von 2008, schworen die diversen Staatenlenker, dass die Finanzgeschäfte transparenter werden würden. Statt dessen wird seit geraumer Zeit ein Freihandelsabkommen der EU mit den USA geheim verhandelt. Der Handel soll frei sein. Über andere Freiheiten aber mag die EU nicht nachdenken.

Gerade erst tagte der Innenausschuss des Europäischen Parlamentes zur NSA-Spionage-Affäre. Wer nun gedacht hätte, dass die EU die einseitige Transparenz – die britischen und der US-amerikanischen Geheimdienste wissen so ziemlich alles, ihre treuen Verbündeten aber zwischen wenig und nichts – zugunsten der europäischen Privatsphären verändern würde, sah sich getäuscht: „Zutiefst erschüttert“ sei das Vertrauen zwischen den Partnern, orgelte der Ausschuss seine Empörung in die laue Luft über Brüssel. Aber zu einer Maßnahme, die den Geheimdiensten wirklich weh getan hätte, dem verdienstvollen Edward Snowden Asyl und Schutz anzubieten, dazu konnten sich die Mehrheitsfraktionen nicht durchringen.

Der CDU-Abgeordnete Axel Voss, dessen Kompetenz in Lautsprecherei durch die Mitgliedschaft in drei (!) Bonner Karnevalsvereinen nachgewiesen ist, warf den LINKEN und GRÜNEN im EU-Parlament, die für das Snowden-Asyl plädierten, „Personenkult“ vor. Dauernder karnevalitscher Klatschmarsch kann blöd machen. Die Sozialdemokratin Birgit Sippel, Mitglied des Deutschen Alpenvereins, versteigt sich sogar zu einer interessanten These: Da sie „bei uns keine Mehrheit für den Schutzantrag“, sähe, „reicht es nicht.“ Dann stimmen die europäischen Sozialisten lieber gar nicht erst für den aussichtslosen Antrag. Das ist der Gipfel eines devoten Pragmatismus: Wenn es eine Mehrheit für undemokratische Feigheit gibt, dann wollen wir uns nicht ausschließen.

„Überm Sternenzelt“, textete Schiller in seiner Ode weiter, „muss ein lieber Vater wohnen.“ Welch eine letztlich trübe Vorahnung muss den Dichter beherrscht haben: Über den goldenen Sternen der EU-Flagge wohnt tatsächlich der godfather, der Pate aus den USA, dessen Demokratieverständnis schon im eigenen Land nur schwach entwickelt ist und dessen Bereitschaft, die Demokratievorstellungen anderer Länder zu berücksichtigen nicht einmal bis zu den Handys deutscher Kanzler reicht. „In Vielfalt geeint“, so lautet das Motto der Europäischen Union. Tatsächlich sollte es in „In Einfalt vervielfältigt“ heißen. Geben doch die vielen in der EU versammelten Nationen ihre Souveränität zugunsten einer servilen Pro-US-Haltung auf: Bitte sehr, bitte gleich sagt das EU-Parlament. Gekocht wird in den USA und die Kellner im EU-Parlament servieren ihren Bürgern eine üble Suppe aus amerikanischem Lobbyismus gewürzt mit NSA-Kraut. Am 25. Mai, dem Tag der EU-Wahlen, kann man in diese Suppe spucken.

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Fotoquelle: Wikipedia – Author Kokin

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Berlinale: Gute deutsche Soldaten

Erstellt von Redaktion am 13. Februar 2014

Schlechte Bürokratie in Afghanistan

My Lai massacre showing mostly women and children dead on a road.

Autor: U. Gellermann

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Datum: 12. Februar 2014

Was es nicht gibt in Afghanistan: Den Bruch des Grundgesetzes, das uns keine Auslandseinsätze erlaubt; die unschuldigen Zivilisten, die von den internationalen Truppen weggebombt werden; Korruption auf allen Ebenen, Heroinhandel und einen Krieg aus geostrategischen Gründen. Jedenfalls kommt all das nicht in Feo Aladags Film „Zwischen Welten“ vor. Was es dort gibt sind deutsche Soldaten, die Kühe kraulen; Bundeswehr-Kumpels, die wegen eines afghanischen Kindes ihr Leben riskieren; die einen flotten Disco-Strip hinlegen, um für eine erschossene Kuh Geld zu sammeln; die Ihre Entlassung riskieren, um einer afghanischen Frau das Leben zu retten. So freundlich und heldisch kann der Krieg in Afghanistan sein.

Am Strand von Rügen entschließt sich Hauptmann Jesper (Ronald Zehrfeld) zum zweiten Mal nach Afghanistan zu gehen. Weil, so erzählt der Film implizit, sein Bruder dort umgekommen ist. Sucht er auch den Tod, will er seinen Bruder rächen? Das mag der Film nicht beantworten. Also zieht Jesper mit seinem Trupp und dem neuen Dolmetscher Tarik (Mohsin Ahmady) los, um in einem Dorf nahe Kunduz einen Checkpoint zu beziehen, der auch von Arbaki-Milizen besetzt ist. Glauben wir dem Film, dann sind das alles selbstlose Heimatschützer, glauben wir der Karzai-Regierung und dem Sender Al Jazeera, dann sind sie ein Haufen von Schutzgelderpressern, Räubern und Vergewaltigern. Als diese Truppe einen ihrer Toten bergen will, fragt Hauptmann Jesper das deutsche Hauptquartier, ob der dabei helfen darf. Die Befehlsstelle sagt nein. Ab hier beginnt Feo Aladags durchgehendes Szenario von den tapferen Frontkämpfern und den sturen Bürokraten in den Kommandostäben. Ein Szenario, dass in den Landserheftchen über den 2. Weltkrieg schon genutzt wurde: Klar, irgendwie war der Krieg nicht so toll, aber die kämpfende Truppe, die war gut, tapfer und gerecht, damit hat sich dann die Frage nach dem Sinn des Krieges erübrigt.

Der Feind hat in „Zwischen Welten“ kein Gesicht, er ist heimtückisch und bedroht den Übersetzer der kernigen deutschen Truppe und dessen Schwester. Da der Feind zwar schießt, vorzugsweise aus dem Hinterhalt, aber nie zu sehen ist, sehen wir auch seine Toten nicht. Da richtet sich der Film ganz nach dem deutschen Mainstream: Es gibt nur deutsche, oder mit den Deutschen verbündete Tote. Wenn denn doch mal über afghanische Tote geredet werden muss, dann sind es heimtückische Benzindiebe. So nimmt des Schicksal seinen Lauf: Die Schwester des Übersetzers wird angeschossen, der deutsche Hauptmann bringt sie, gegen einen ausdrücklichen Befehl, zum Bundeswehrlazarett, seine Truppe wird auf einer von der Regie vorgesehen Patroullienfahrt vom unsichtbaren Feind überfallen und einer von Jespers Kameraden stirbt. Natürlich kommt der Hauptmann vor Gericht, die böse Bürokratie siegt und der tapfere Jesper darf am Grab seines Bruders traurig gucken.

Frau Aladag, die sich freiwillig embedded hat, macht uns in ihrem Drehtagebuch mit ihren Positionen vertraut: Es mangele in Deutschland an „ehrlichem Respekt“ gegenüber „unseren Soldaten“. Und der Bundestag habe habe die Bundeswehr nach Afghanistan geschickt, „Um eben diesen Menschen zu helfen“. Diese Menschen sind „ihre Fahrer, ihre Köche, ihre Dolmetscher und ihre Familien“. Dass es die alle nicht gäbe, wären die Deutschen nicht da, fällt der Regisseurin nicht auf. Sie schreibt in ihrem Drehtagebuch weiter, dass sie uns erinnern wollte „an die Verantwortung unserem eigenen Gewissen gegenüber.“ Das muss ein merkwürdiges Gewissen sein, das an keiner Stelle des Films die Präsenz deutscher Soldaten in einem fremden Land infrage stellt.

BERLINALE: Lars von Trier in Czernowitz

Ziemlich öde Schwanzparade

„Das wirst Du alles im zweiten Teil erfahren“, sagte die Kollegin neben mir im Kino, als ich nach dem Sinn von „Nymphomaniac“, dem neuesten Film des Regisseurs Lars von Trier fragte. Aber nach gefühlten drei Kilometern Schwänzen in immer der selben Möse bin ich nicht sicher, ob es eine Auflösung der Sinnfrage gibt, oder ob sich die Langeweile des ersten Teils einfach nur fortsetzen wird.

Es ist die klassische Psychiater-Situation: Eine Frau (Charlotte Gainsbourg) liegt auf einer Couch, neben Ihr sitzt ein Mann (Stellan Skarsgard) und hört zu wenn die Frau aus dem Leben plaudert. Sie sei schlecht sagt die Frau, weil sie von frühester Jugend an rumgevögelt habe, so an die 10 Männer seien es täglich gewesen, und allein die Organisationsarbeit habe sie beträchtliche Mühe gekostet. In diesen Mühen sehen wir nicht die Gainsbourg, sondern ihre jüngere Ausgabe, die Schauspielerin Stacy Martin, die trotz einer weitgehend öden Handlung eine beträchtliche Ausstrahlung zeigen kann und weit über das gleichgültige Rammeln hinaus Gefühle vermittelt.

Zum Beispiel dann, als Ihr Vater auf Raten stirbt und sie das zeigt, was, so Lars von Triers Drehbuch, Gift für den Sex ist: Liebe. Denn so wie sie ihren Vater töchterlich liebt, so sind ihr die Kerls, mit denen sie in Bussen und Bahnen, auf Tischen und Stühlen, in Häusern und im Freien ihrer Passion nachkommt, herzlich gleichgültig. Der zuhörende Mann erklärt ihr, dass sie nicht schlecht sei, den Männern habe sie nichts angetan und wenn es ihr denn Freude mache, bitteschön, was soll´s.

Während der 180-minütigen Schwanzparade habe ich an einen alten, jiddischen Witz denken müssen: Jossele aus Czernowitz war in Paris und als er zurück kommt wollen seine Freunde wissen, was er erlebt hat. Natürlich war Jossele auch im Bordell. Und? Wie war´s? Na, überall rote Teppiche. Und dann? Dann diese Kronleuchter, wie eine Feuerwerk. Und dann? Es gab Champagner, so einen habt ihr noch nicht getrunken. Und dann? Und dann bin mit einer halbnackten, wunderschönen Frau auf´s Zimmer gegangen. Und dann, und dann, und dann rufen seine Freunde im Chor. Und Jossele antwortet: Dann, dann war es genau so wie in Czernowitz.

Es steht zu befürchten, das Lars von Trier auch im zweiten Teil nicht über Czernowitz hinaus kommen wird.

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Fotoquelle: – Wikipedia – Author Ronald L. Haeberle

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Nationalismus oder Internationalismus

Erstellt von Redaktion am 12. Februar 2014

Zur Europa-Debatte in der Linkspartei
Wolfgang Gehrcke MdB

Autor: U. Gellermann

Rationalgalerie

Datum: 12. Februar 2014

Im Entwurf für das Europa-Wahlprogramm der Linkspartei wird die EU als „neoliberale, militaristische und weithin undemokratische Macht“ bezeichnet. Diese Formulierungen haben eine kontroverse Debatte ausgelöst. Im Gespräch mit Uli Gellermann (Rationalgalerie) beschreibt der Linke-Politiker Wolfgang Gehrcke seine Vision einer Demokratisierung der EU. Auf WeltnetzTV. Hier der Link zum Video: http://weltnetz.tv/video/528

Uli Gellermann: In etwa einigen Monaten sind die Europawahlen, die EU-Wahlen. In ein paar Tagen hat die LINKE einen Parteitag zu den Europawahlen.

Wolfgang Gehrcke: Stimmt beides.

UG: Ja, ja. Die Europäer allerdings, anders als die Parteien in Europa, die Europäer fremdeln mit Europa. Ich sage mal zwei Zahlen: 1979 gab es noch 62 Millionen, die wählen gegangen sind zu den Europawahlen, in 2009 gibt es noch 53 Millionen. Aber es sind längst viel, viel mehr Wähler dazu gekommen. Also, es gibt keine große Nähe der Europäer zu ihrem Konstrukt. Wann hast Du denn eigentlich zum ersten mal erlebt, dass Du Europäer bist?

WG: Ich hab immer Schwierigkeiten mit diesem Deutschland gehabt und dieses Deutschland hat immer Schwierigkeiten mit mir gehabt. Ich war genauso zuhause in Dänemark oder bin noch besser zuhause in der Toskana. Ich bin aber auch zuhause in Hamburg oder sonstwo.

UG: Gibt es eigentlich in Deutschland ein europäisches Bewusstsein?

WG: Wenn Europa gesagt wird, reden wir ja von der Europäischen Union, das ist aber nur ein Teil Europas. Leider ist die Europäische Union politisch und vielleicht auch mental in den letzten Jahren sehr stark von Deutschland geprägt worden, also die Europäische Union ist deutscher geworden, aber Deutschland ist damit nicht europäischer geworden. Dieser Blick von oben herab: ‚Es wird wieder deutsch gesprochen’, Volker Kauder von der CDU, wir sagen, was Sache ist. Das finde ich ausgesprochen unangenehm. Es ist zum Nachteil der EU und es ist auch zum Nachteil unseres Landes. Das Land ist nicht offener geworden.

UG: Auch in Deutschland sacken die Beteiligungszahlen bei den Wahlen. Aber meinst Du, die Deutschen hätten überhaupt kein europäisches Bewusstsein?

WG: Nein, das meine ich überhaupt nicht. Meine Eltern, die Generation meiner Eltern, sind aus diesem Deutschland nur einmal rausgekommen, Vater als Soldat, das war beim faschistischen Überfall auf die Sowjetunion, und Mutter als Krankenschwester. Danach sind sie aus Deutschland nie herausgekommen. Die hatten kein Geld. Und ansonsten hörte ihr Bewusstsein auch an der Grenze ihres Schrebergartens auf. Und dass das geöffnet ist! Ich habe lange Zeit darüber gespottet und dann habe ich ein schlechtes Gewissen gekriegt und dann habe ich darüber nachgedacht, dass unendlich viele Deutsche, Westdeutsche, mit ihrem Auto an den Gardasee, das war ja das beliebteste, also nach Italien gefahren sind. Und umgekehrt relativ viele Ostdeutsche Richtung Bulgarien gefahren sind, das war für beide Deutschlands ein Fortschritt. Man hat diese Befreiung gesehen in Westdeutschland in der amerikanischen Rockmusik gegen den Förster vom Silberwald und in Ostdeutschland in den russischen Weiten gegenüber der Enge des eigenen Landes. Das möchte ich nicht missen. Und das ist heute ein großes Problem: Hartz IV Empfänger können nicht mehr ins Ausland fahren, haben kein Geld mehr. Das ist ein Rückschritt zu dem, was wir schon überwunden geglaubt hatten, und das halte ich für schade.

UG: Du giltst als EU-Kritiker und in der öffentlichen Debatte werden EU-Kritiker gern als Nationalisten gebrandmarkt. Und wer für die EU ist, nennt sich Internationalist. Bist Du also eher ein Nationalist?

WG: Das ist ein Ball paradox. Nach dieser Definition wäre Angela Merkel eine glühende Internationalistin, die könnten wir glatt zur Vorsitzenden der Kommunistischen Internationale wählen, ich wäre ein finsterster Nationalist. Angela Merkel aber macht die EU kaputt, macht Europa kaputt mit ihrer Politik, ich möchte eine andere EU, möchte ein anderes Europa. Wenn wir weltweit sagen: Eine andere Welt ist möglich, was ich auch glaube, muss auch ein anderes Europa möglich sein.
Nationalist – wenn das andere über mich behaupten, dann lässt mich das kalt, ich kann gut mit der CDU und den konkurrierenden Parteien umgehen. Wenn das aus der eigenen Partei heraus gesagt wird, dann ist das eine Sauerei, weil sie es besser wissen müssten. Und dann ist es auf der Ebene einer platten Propaganda.

UG: Bleiben wir bei dieser Frage, bleiben wir beim Nationalismus. Es gibt mit der AfD eine Anti-Europa-Partei, sag ich mal so verkürzt. Man sagt, sie sei eine echte Konkurrenz zur Linkspartei. Hast du vor der AfD Angst?

WG: Nein, ich habe keine Angst vor der AfD. Es wäre mir lieber, wenn sie Angst vor mir hätte, damit könnte ich gut leben. Das ist keine Anti-Europa-Partei, das ist eine anti-sozial-Partei, die mit jenem Spruch: ‚Es wird wieder deutsch gesprochen in Europa’ glänzend leben kann. Es ist noch nicht einmal eine anti-Euro-Partei, so weit langt es bei denen überhaupt nicht. Sie wollen, dass die deutschen Eliten in Europa bestimmend bleiben, dass sich eine Wirtschaftspolitik durchsetzt, die sich an den Interessen der Eliten misst, sie wollen ein Deutschland, das Facharbeiter und Intelligenz anwirbt, aber die einfachen Leute aus Europa, die sollen alle draußen bleiben und nichts zu sagen haben. Die AfD ist eine Elitenpartei der Eliten, die in Deutschland bestimmen wollen. Und deswegen ist sie untauglich, davor muss man keine Angst haben. Sie ist keine anti-Europa-Partei; das wäre viel zu einfach.

UG: Aber es scheint so, als ob sie der Linkspartei Stimmen wegnähme.

WG: Das könnte sein, wenn wir große Fehler machen. Rechter Populismus hat in Krisenzeiten immer Zulauf. Das kann man sehen in Frankreich, selbst in den Niederlanden, in Dänemark, wo ich so gern hingefahren bin, das ist ja eine Katastrophe. Das hat Zulauf, wenn man sich als Linke dem nicht entgegenstellt und wenn man als Linke nicht darüber nachdenkt, warum wählen Menschen, denen es nicht gut geht, möglicherweise rechts. Ich will die nicht beschimpfen, sondern ich will sie davon abbringen. Deshalb muss ich soziale Fragen thematisieren, muss im Dialog mit diesen Menschen sein.

Ich kann gut verstehen, wenn viele Menschen sagen: Warum soll ich zu den Europawahlen gehen? Ich habe selbst gut verstanden, dass viele Schwierigkeiten hatten, zu den Bundestagswahlen zu gehen, weil sie sagen, es ändert sich ja doch nichts. Also muss man glaubwürdig mit ihnen im Gespräch sein. Nicht zu viel versprechen, sondern sich mit ihnen auseinandersetzen. Und die Linke muss keine Angst vor rechten Populisten haben, die Linke muss gegenhalten, muss klar und präzise sein, muss eine Zuneigung, ein Gespür für die einfachen Menschen in diesem Lande haben. Das spüren die ganz genau, ob man von ihnen was will oder ob man auf sie von oben runter guckt.

UG: Die Verteidiger des Status Quo in Europa sagen, das sei deshalb so notwendig, weil die EU ein Friedensprojekt ist. Wer macht denn eigentlich Frieden mit wem in Europa?

WG: Das ist eine spannende Frage. Um das gleich zu sagen: Mit der NATO habe ich meinen Frieden nicht gemacht, werde ich auch nicht machen. Doch es ist schon ein gesellschaftlicher Fortschritt, dass in Europa die großen Länder keine Kriege mehr gegeneinander geführt haben. Das ist aber nicht Verdienst der EU. Die EU war eine Verabredung, wie man eine Wirtschaftspolitik, blockgespalten, im Westen betreiben kann, wo Deutschland mit eingebunden ist und Wirtschaftspotenzen gekoppelt werden. Mit einem Friedensprojekt hat das relativ wenig zu tun gehabt. Und man muss auch ein darauf aufmerksam machen, dass es EU-Staaten waren, wie Frankreich, die in dieser Zeit blutige Kriege in Afrika und in Indochina geführt haben. Das ist eine Legende, dass die EU als Friedensprojekt gegründet worden ist. Auch die EU war Teil des Kalten Krieges, sie ist als Projekt des Kalten Krieges gegründet worden und das merkt man ihr noch heute an.

UG: Stichwort Libyen, da waren ja auch europäische Länder verwickelt. Stichwort Afghanistan: Da sind ja sogar wir verwickelt. Kann es sein, dass die Kriege, die wir früher innerhalb von Europa hatten, nur exportiert worden sind?

WG: Ja, die werden exportiert und sind immer noch mit wirtschaftlichen Interessen verbunden. Wenn jetzt geredet wird, Europa – Europa, das ist schon sprachlich und gedanklich Unsinn – Europa muss in Mali und in Zentralafrika helfen, heißt das ja, schleichend über Nacht ist aus der EU auch ein Militärbündnis geworden, gibt es einen Generalstab in der Europäischen Union. Wer hat den eigentlich eingesetzt? Wer ist hier Kommandeur? In Mali geht’s um Gold, zweitgrößter Weltproduzent von Gold, da geht’s um Diamanten, da geht’s um Uran.

Man redet über Menschenrechte und viele in der Welt, immer mehr, wissen ganz genau, wenn der Westen über Menschenrechte redet, dann sind Naturressourcen gemeint. Und davon muss man sich abgrenzen. Ich möchte ja, dass aus den EU-Staaten einmal ein Friedensprojekt wird. Und Deutschland soll anfangen. Ich habe mich immer über die Vorstellung gefreut, Deutschland soll den Kriegsdienst verweigern. Das wäre doch mal was in der deutschen Geschichte: Wir verweigern den Kriegsdienst. Wir schicken keine deutschen Soldaten. Dann hätte sich vieles erledigt, wenn das einmal Politik würde. Nicht das, was Gauck von den Deutschen will wie jüngst auf der Münchner Sicherheitskonferenz: Mehr Soldaten, mehr Kriegsbeteiligung, wir sind wieder wer in Europa!

UG: Im Entwurf des Parteivorstands der LINKEN, in diesem Europa-Programm steht ein Satz der heißt: „Spätestens seit dem Vertrag von Maastricht wurde die EU zu einer neoliberalen, militaristischen und weithin undemokratischen Kraft.“ Darüber gibt es eine Menge Debatte.

WG: Man kann immer darüber reden, ob irgend etwas `genial formuliert´ ist. Ich kann mir bessere, genialere Formulierungen vorstellen, wo man das Janusköpfige erfasst, beides, auch die Wünsche der Menschen nach mehr Frieden und Kooperation in Europa. Aber ich habe mich immer gefragt, warum solche Aufregung? Die ganze Debatte, in der LINKEN und in der Öffentlichkeit, über unser Europawahlprogramm bezieht sich auf so ein kleines Stückchen, drei Sätze in der Präambel!. Aber ich habe mich auch gefragt, was ist eigentlich falsch daran? Stimmt es, dass die EU – leider – immer mehr militärorientiert ist? Ja, das stimmt! Das kann doch keiner ableugnen. Wir haben alle protestiert, wie die EU den Friedensnobelpreis gekriegt hat. – Ist die EU neoliberal? Was an Zerstörungen hier angerichtet worden ist, in vielen europäischen Ländern, ist doch nicht von der Hand zu weisen. Und, dass sie demokratisch sei, also so verstiegen kann ja noch keiner argumentieren! In der EU entscheiden nicht Volksmassen, noch nicht mal Parlamente. In der EU gibt es abgehobene Gremien, die den nationalen Regierungen diktieren. Wer hat die Troika gewählt? Also, ich nicht!

Und die Troika geht nach Griechenland und sagt: So, jetzt ist Schluss! Sie sagt denen auch, ihr braucht einen neuen Staatspräsidenten, weil der alte – der sehr viel Murks fabriziert hat – eine Volksabstimmung machen wollte. Die wirken dafür, dass in Italien ein anderer Präsident kommt. Wer hat solche Einrichtungen gewählt? Überhaupt keiner. Das hat mit Demokratie nichts zu tun.

UG: Ich kann mich sogar erinnern, dass die Formulierung gedeckt ist durch ein anderes Parteiprogramm, das von Erfurt …

WG: Ja klar.

UG: Und das ist mit einer, glaub ich, sehr hohen Mehrheit verabschiedet worden.

WG: Ja, in einer Urabstimmung mit über 90 Prozent. Aber ich will mich auch nicht immer auf Programme zurückziehen …

UG: Nein, aber gibt es denn gravierende Unterschiede zwischen diesem Satz und dem, was im Erfurter Programm steht?

WG: Nein, gedanklich überhaupt nicht. Ich will mich nicht auf Programme zurückziehen. Ich bin schon immer für eine lebhafte, streitbare Debatte. Ich habe mit Diether Dehm zusammen einen Alternativvorschlag gemacht. Eigentlich auch aus dem Wunsch, weil wir wollten, dass die LINKE und ein Teil der Öffentlichkeit mal über Europa debattieren. Ein bisschen die Diskussion haben wir in Gang gebracht. Das ist nicht viel, aber wenn man die eigene Partei motivieren will, sich in einem Wahlkampf zu engagieren, dann braucht das Diskussion und dann braucht das auch die Überzeugung, dass das, was man aufschreibt, dem entspricht, was man eigentlich will.

UG: Was unterscheidet denn das alternative Programm von Dehm und Dir vom Programm, das als erster Leitantrag steht?

WG: Wir haben eine andere Sprache gewählt.

UG: Nun gut.

WG: Naja, das ist ja nicht ganz unabhängig, weil Form und Inhalt haben ja ein bisschen was miteinander zu tun. Ich glaub‘, wir haben zwölf Seiten geschrieben. Das offizielle Programm hat über vierzig Seiten. Das ist auch noch kein Qualitätsunterschied, aber das zeigt schon ein bisschen, dass man unterschiedlich denkt. Der Vorschlag von Diether und mir ist EU-kritischer. Das ist uns wichtig. Er verbreitet weniger Illusionen über die EU. Das ist kein Programm, wo wir sagen, wir wollen aus der EU austreten. Das halte ich für Unsinn. Aber es gibt in Europa linke Parteien, die sagen: Wenn wir die Macht hätten, würde unser Land austreten aus der EU. Dänemark zum Beispiel, das sind auch keine Europa-Feinde. Im Gegenteil, sie sind große Freunde von Europa. Aber sie sind kritisch zur EU. Das gibt’s alles.

Wir sind also EU-kritischer, deutlich EU-kritischer, weniger Illusionen über die EU und wir sagen sehr klar, dass wir eine Neugründung wollen. Neugründung bedeutet, dass die vertraglichen Grundlagen anders gestellt werden müssen, nicht mehr Lissabon- und Maastricht-Vertrag. Das bedeutet, dass man keine Militärverpflichtungen eingeht, keine Aufrüstungsverpflichtung. Eigentlich bin ich ein Freund von einer Europäischen Verfassung, aber eine Verfassung, die demokratisch ist. Ich möchte natürlich, dass die Rechte der Mitgliedsländer gewahrt bleiben, ob groß oder klein. Heute entscheiden die Großen über die Kleinen. Und die Regionen und Kommunen müssen mehr zu sagen haben in diesem Europa. Das wäre eine Neugründung, das bedeutet, man muss verhandeln miteinander.

Die großen Staaten, also auch die deutsche Bundesregierung, wollen eine Vertragsveränderung, um ihre Absichten besser durchsetzen zu können. Diesen Streit – Neugründung, Neustart oder einfach so weiter zu machen -, den muss man austragen. Da sind wir deutlich. Und dann haben wir ein paar sehr schöne Ideen in unserem Programm drin. Die braucht man ja auch zu so einem Laden.

Ich will dieses Freihandelsabkommen mit den USA nicht, das ist was Schlimmes. Da wird Europa zur Festung gemacht. Ich will FRONTEX nicht. Ich möchte, dass Menschen nach Europa kommen können, die in Not sind, die hier leben müssen. Die kommen ja nicht, weil sie Europa so toll finden. Das heißt, ich will in eine ganz andere Richtung. Warum kann man nicht sagen, alle europäischen Länder – die in der EU sind -, packen ihr Geld, das sie für die Entwicklungszusammenarbeit ausgeben wollen, zusammen und geben das an die UNO, damit es verteilt werden kann, ohne dass gleich Wirtschaftspolitik der einzelnen Länder damit betrieben wird. Es gibt viele neue Ideen, die wir angesprochen haben.

UG: Kannst Du es nachvollziehen, dass Leute in Deiner Partei sagen, ein zweiter, alternativer Programmentwurf, das riecht nach Spaltung?

WG: Ich kann das nachvollziehen. Es ist falsch, aber ich kann das nachvollziehen. In linken Parteien ist, Gott sei Dank, heute die Sorge vor Spaltungen sehr hoch. Selbst in einer solchen linken Partei wie wir sind, ist der Wunsch, wir mögen doch alles einheitlich und geschlossen machen, sehr groß. Der hat auch seine Berechtigung. Trotzdem sage ich: Wir dürfen uns zusammen nicht dumm machen. Aus einem Disput kann eine Ausstrahlung wachsen, wenn wir über richtige Fragen in einer vernünftigen Art und Weise miteinander streiten. Wir sind ja die Einzigen, die überhaupt Debatten in Gang schieben. Diese langweilige SPD sagt ja nur „mehr Europa, mehr Europa“. Das sagt Merkel auch: „Mehr Europa, Europa“. Und die Grünen stehen dahinter und klatschen Beifall. Was ist denn das für eine Politik? Ich möchte eine lebendige Partei haben, die diskutiert, wo man sich auch gegenseitig die Chance gibt, sich gegenseitig zu überzeugen. Ich behaupte ja nicht, dass alles richtig ist, was ich denke. Da bin ich sehr offen. Ich möchte aber auch, dass andere sich die Chance lassen, darüber nachzudenken, ob nicht einiges richtig ist, was ich in diesen Auseinandersetzungen meine und andere meinen. Die Angst vor der Spaltung ist immer eine richtige Angst der Linken. Wir haben uns zu oft zerlegt über unwichtige Fragen, haben hohe Preise gezahlt. Aber vor Angst darf man sich auch nicht klein machen.

UG: Wenn Du jetzt einem Deiner Wähler sagen müsstest, wozu Europa denn eigentlich nütze ist, kannst Du das in einer Kurzfassung erklären?

WG: Es kann ja auch sein, dass wir wirklich mal ein anderes Europa erhalten als diese EU. Ich würde meinen Wählerinnen und Wählern sagen: Ich möchte gern, dass wir uns in Europa darauf einigen, dass annähernd gleiche Lebensbedingungen geschaffen werden. Dann könnte jemand, der nicht mehr in Deutschland arbeiten möchte, ohne Probleme nach Rumänien gehen und der Rumäne ohne Probleme nach Deutschland. Es sind annähernd gleiche Lebensbedingungen und da können alle Unterschiedlichkeiten sich gut ausleben. Ich möchte ihnen sagen, wir haben es nicht nötig, das Geld der Steuerzahler für die Rettung der Banken einzusetzen. Die haben genügend Profite gemacht. Wenn man die ganzen Billionen, die sich auf den Konten der wenigen wirklich Reichen angehäuft haben, nimmt, könnten wir alle Schulden in Europa bestens bezahlen. Wir lebten alle besser. Das kriegt man nicht mehr in den einzelnen europäischen Ländern alleine hin.

Wir müssen auch mehr in Deutschland tun. Ich möchte mehr Bürgerinnen und Bürger unseres Landes auf den Straßen sehen, mich selber auch mehr auf den Straßen bewegen. Ein solcher Austausch wäre ganz toll. Ich würde es auch ganz toll finden, wenn zu einer obligatorischen Schulausbildung gehören würde, ein Jahr Schule macht man in einem anderen Land in Europa. Warum sollen nicht Schülerinnen und Schüler aus Berlin ein Jahr in Polen machen? So etwas zu denken, kreativ zu denken, das wäre Aufgabe einer linken Politik. Und wenn die Verabredung ist, kein Soldat aus einem europäischen Land geht künftig mehr in Auslandseinsätze, wäre das grandios.

Das wäre das, was man heute einlösen sollte.

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The Grand Budapest Hotel

Erstellt von Redaktion am 11. Februar 2014

Zeitvergeudung auf hohem Niveau

Autor: U. Gellermann

Rationalgalerie

Datum: 10. Februar 2014

Tatatata: Der Eröffnungs-Film der Berlinale wirft mit Filmprominenz nur so um sich. In „The Grand Budapest Hotel“ sind sie alle versammelt: Ralph Fiennes, Willem Dafoe, Harvey Keitel, Jude Law, Bill Murray, Edward Norton und Tilda Swinton leihen im Film von Wes Anderson einem exquisiten Comic Strip ihre Gesichter. Aber auch wenn der Regisseur behauptet, er habe seine Story irgendwie dem österreichischen Schriftsteller Stefan Zweig zu verdanken, muss man den großen Autor in Schutz nehmen: Keiner seiner Bücher ist zu erkennen.

Zu erkennen ist eines der östlichen Länder der österreichischen Doppelmonarchie in der Zwischenkriegszeit. Der noch kaum verblassende Glanz eines Luxushotels ist die üppige Dekoration für den Lebensweg eines Concierge (Ralph Fiennes), dem der erheblich clevere Zero (Tony Revolori) als Lobby Boy assistiert. Nichts ist echt, bis in die kleinsten Lebensregungen ist alles wunderbar süßlich gefälscht und im Mittelpunkt steht die Form. Der Inhalt? Die Inhaberin des Hotels, die völlig verschandelte, weil auf über 80 Jahre gemaskenbildnerte Tilda Swinton, wird ermordet. Sie hat dem Concierge ein elend kostbares Gemälde vermacht, das ihre Sippe dem nicht gönnt.

Pünktlich mit Tilda Swintons Tod beginnt eine Schnitzeljagd durch die 20er Jahre, drohend, aber leider auch zu komisch, stehen die Nazis am Horizont, immer wieder fährt die Kamera faszinierend durch lange Flure, mal jene des Luxushotels, dann wieder durch jene eines Gefängnisses in dem der Concierge gelandet ist weil er unter Mordverdacht steht. Dort wird er, gemeinsam mit einer ausgesucht skurrilen Verbrechertruppe, ausbrechen und keinen Gag auslassen. Nicht einmal auf das in Pasteten eingebackene Ausbruchswerkzeug kann verzichtet werden.

Hundert Minuten Filmzeit gehen im „The Grand Budapest Hotel“ wie im Flug vorbei und wer ganz genau hinsehen will, der erkennt, statt des erwarteten Budapest das Städtchen Görlitz, den eigentlichen Drehort, und kann auch dieser sächsischen Stadt einiges abgewinnen. Der Film ist gemacht, um die Zeit zu vertreiben, und wenn alle einzelnen Diapositive, Standbilder die vorgeben Film zu sein, mit sanftem Klick gezeigt worden sind, ist die Zeit auch endlich vergnüglich vergeudet. Auf ziemlich hohem ästhetischen Niveau. Man wird sehen, was das wahrscheinlich größte Filmfestival der Welt mit seinen 409 Filmen, seiner nahezu halben Million Zuschauern, seinen 936 Vorführungen und seinen vielen Stars in den nächsten Tagen noch zu bieten hat. Sicherlich ein wenig mehr Inhalt.

BERLINALE: Sari trifft Dirndl

Über aus der Art geschlagene Kinder

Zu den vielen Sektionen der Berlinale, gehört auch die Reihe „Perspektive Deutsches Kino“. Hier sind die künftigen Fassbinders zu entdecken oder die Andreas Dresens oder Fatih Akins. Und zwei von diesen Talenten haben gemeinsam einen sehr privaten Film über zwei fremde Kulturen gemacht, über die Sitten und Bräuche der Bayern und der Tamilen: „Amma & Appa“. Schnell erfährt der Zuschauer das Amma nichts anders ist als Mamma auf Tamil, und Appa wiederum Pappa in der fernen fremden Sprache bedeuet.

Da lieben sie sich nun, die Franzi und der Jaya. Sie so handfest und pragmatisch wie nur je eine junge Frau in Bayern geboren wurde. Er eher zart und sensibel wie, ja nun, wie einer der Kunst studiert. Und weil Jaya aus Indien stammt und eher Englisch spricht (von seinem Herkunfts-Tamil ganz zu schweigen), kommt der Hochdeutsche in den angenehmen Genuss von Untertiteln auch unterhalb des Film-Bayerischen. Ob die das im Fernsehen auch machen könnten? Bei all den Dramen, die in den Alpen spielen und in denen kernige Burschen den drallen Madeln immer Worte zuwerfen, die wie Oachkatzlschwoaf klingen und weiß-Gott-was zu bedeuten haben? Das wäre eine echte Hilfe. Wer jetzt von Rassismus spricht, verkennt die tiefe Ausländerfreundlichkeit des Filmkritikers: Er will doch nur verstehen.

Um Verständnis ringen auch Pappa und Mamma in Franzis Fall. Die Franzi, sagt der Pappa, die habe schon immer eine Vorliebe für dunkle Typen gehabt, jo mei, er will das verbotene N-Wort nicht sagen, aber ganz schön dunkel sei der Jaya schon und Franzi ist schon dreissig, da waren die Eltern längst zehn Jahre verheiratet. Und ihre jüngere Schwester ist auch schon verehelicht, in Glitzerweiß und in einer Orgelkirche, prächtig anzuschauen. Nur sie, die Franzi, hat eine Beziehung zu einem indischen Tamilen, dessen Heimatort für indische Verhältnisse eher ein Kaff ist, Cuddalore, und das in Süd-Indien liegt, weit weg von den modernen indischen Zentren. Aber jetzt, sagt sich die Franziska Schönenberger, jetzt will sie die Verhältnisse mal anschieben und begibt sich gemeinsam mit ihrem Komilitonen Jayakrishnan Subramanian auf nach Indien und in einen Dokumentarfilm den die beiden drehen.

Was „Jo mei“ in Tamil heißt, sagt der Film nicht, aber so was wie „meine Fresse“ werden Amma und Appa, die Eltern von Jaya, sicher ausgerufen haben, auf Tamil versteht sich, als ihr Sohn sie mit seinen bayerischen Heiratsplänen konfrontiert hat: Keine Inderin! Keine Tamilin! Keine aus der selben Kaste! Und, last but allerschlimmst: Nicht mit tamilischen Eltern aus der gleichen Kaste vorher verabredet, ohne dass die Kinder lange gefragt wurden. Jetzt könnte der interkulturelle Dialog an seiner wundesten Stelle schon zugrunde gehen. Was? Keine Liebesheirat, eine Zwangsverheiratung gar? Aber Franzi und Jaya spielen da nicht mit und lassen Franzis Eltern vor der Kamera erzählen, dass deren Heirat zwar nicht arrangiert aber schon gut geplant war und das mit der Liebe, jo mei! Das zu erzählen ist den beiden höchst liebevoll geraten und mit jenem Augenzwinkern, das nur den besseren Filmemachern gelingt.

Völlig verständnislos fragt die Amma: Was macht die fremde junge Frau? Wenn die sich freut, macht sie laut „ha-ha“ und wenn sie traurig ist kräftig „hu-hu“, und ganz plötzlich fällt einem das grobe Deutsch bei der Zurschaustellung der Gefühle auf und die würdige tamilische Zurückhaltung. All das haben Amma und Appa ausgelöst, nur weil sie die Fremde höflich aufgenommen (ha-ha) und ihr dazu noch einen Sari geschenkt haben (hu-hu). Aber das Weinen ist doch aus purem Glück! Wenn dann liebevoll die Pflege des hinduistische Hausaltar gezeigt wird und im Gegenschnitt der ebenso liebevolle Aufbau einer Weihnachtskrippe in Bayern, dann ist der Betrachter schon darauf eingestimmt, dass sich die bayerischen wie die tamilischen Eltern zumindest in einem einig sind: In ihrer Sorge über die Zukunft dieser beiden aus der jeweiligen Art geschlagenen Kinder.

Zu sehen ist noch ein bayerisches Grillfest auf einem tamilischen Dach, zu sehen ist ein fahrender Tempel, zu sehen ist in keiner Minute eine Denunziation einer der beiden Kulturen. Und wenn man aus dem Film herauskommt, ist man klüger und fröhlicher als man hineingegangen ist. Was mit der Hochzeit ist? Jo mei, was, je nach Betonung ebenso „meine Fresse“ heißen kann wie „Du meine Güte“ oder auch „Schaun mer mal“. Womit dann wieder die Frage nach den Untertiteln auftaucht.

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Fotoquelle: Wikipedia – Author *Solar ikon*

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Terror in Tuben

Erstellt von Redaktion am 10. Februar 2014

Fahndung nach Al Dente ist ausgelöst

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Autor: U. Gellermann

Rationalgalerie

Datum: 10. Februar 2014

Zahnpasta-Tuben sind der letzte Schrei bei Terroristen. Das erzählen deutsche Medien in diesen Tagen nachdrücklich. Die kühne aber höchst geheime NSA hat unter den Millionen Mails, die sie liest und den Trillionen Telefonanrufen, die sie abhört wieder schlimme Wörter gefunden: Zahn und Pasta. Sofort haben die deutschen Medien diese Meldung gehorsamst weitergegeben. Zwar rätseln die Kryptomanen der Agentur noch, ob es statt „pasta“ auch „basta“ hätte heißen können. Oder ob gar die „Pasta“ der Italiener gemeint gewesen ist, dann hätte es sich ja nur um Nudeln gehandelt. Aber der im Abhörbericht enthaltene Begriff „al dente“ (für die Zähne) weist doch, so die Experten, auf einen gewissen Al Dente hin, den haben die Geheimdienstler schon lange im Auge, beziehungsweise im Ohr. Auf alle Fälle werden sie jetzt auf Zahnpasta-Tuben im Flugverkehr achten und auf den gefährlichen Al hinter dem sich wahrscheinlich ein Ali verbirgt.

Nun ist es so, dass seit Jahren an den Flughäfen Flüssigkeiten aller Art nicht im Handgepäck mitgeführt werden dürfen. Und die deutsche Bundespolizei hat in einem Merkblatt genauestens geklärt, was eine Flüssigkeit außer Nitroglyzerin auch sein kann: „Hierunter sind alle Substanzen zu verstehen, welche bei Raumtemperatur flüssig, zähflüssig, gelartig, cremig oder von ähnlicher Konsistenz sind (zum Beispiel Pasten, Lotionen, Mischungen von Flüssigkeiten und Feststoffen, Suppen sowie Streichkäse/-wurst, Zahnpasta, Haargel, Sirup, Parfüm und Rasierschaum)“. Es gab sogar schon Fälle, dass eine Groß-Tube Chlorodont vom Grenzbeamten ausgedrückt wurde und ein schönes Muster auf dem Förderband hinterließ. Aber das ficht die deutschen Medien nicht an. Sie haben es von der NSA, also amtlich, erfahren: Der Terror kommt aus der Tube. Das ist neu und bedrohlich.

Weil der Tuben-Terror die Olympiade in Sotschi bedroht, haben die USA sogar zwei Kriegsschiffe ins Schwarze Meer entsandt. Voller Marine-Elite-Soldaten. Auch das melden die Medien erleichtert. Denn wenn diese oder jene Tube am Strand von Sotschi auftauchen würde, dann wären die Marines willens und in der Lage, den Strand zu stürmen, alle Araber oder Tschetschenen umzulegen, um danach die Köpfe auf einer internationalen Pressekonferenz zu präsentieren. Die Spitze der NSA bekäme von Putin einen schönen Orden und alles wäre wieder gut.

Nichts ist so richtig gut mit der NSA teilt die gute, alte SPD der Öffentlichkeit mit. Und wer jetzt gedacht hätte, die Sozialdemokratie, zwischenzeitlich in einer Regierungskoalition verankert, wäre nach der Meldung über das abgehörte Schröder-Handy jetzt zu energischen Schritten gegenüber den amerikanischen „Freunden“ bereit, der irrt. SPD-Justizminister Maas wirft dem US-Geheimdienst NSA zwar willkürliche Überwachung vor: „Wer Kanzler-Handys abhört, der liefert keinen Beitrag zum Schutz vor Terroranschlägen.“ Aber das muss man aus dem Politischen ins Deutsche übersetzen: Wenn die Überwachung nicht willkürlich wäre, sondern schön ordentlich, mit dem Abgehörten und der SPD abgestimmt, dann könnte man, ja was könnte man dann? Dass es sich um ein sozialdemokratisches Kanzlerhandy handelt ist dem Heiko Maas besonders verwerflich. Denn nur das Abhören von Otto Normalo liefert scheinbar echte Beiträge zur Terrorabwehr. Wer weiß, ob dieser Otto am Telefon nicht das Chlorodont-Attentat geplant hat.

Selbst der Präsident des Deutschen Softball-Verbandes und SPD-Innenexperte Michael Hartmann, hat zur NSA eine total radikale Meinung: „Wer uns ausspäht, muss damit rechnen, dass er seinerseits ebenfalls Zielobjekt wird“. Man kann die NSA förmlich zittern hören. Denn Michael Hartmann wird künftig, wenn er selbst spioniert, drei Tage vor den deutschen Medien vom Zahnpasta-Attentäter wissen, umgehend einen Bundeswehrflottenverband ins Schwarze Meer beordern, um den tschetschenischen Muslimen mal zu zeigen was eine Antiterror-Einheit ist. Außerdem wird der Bundesnachrichtendienst umgehend den Hintermann dieses Tuben-Terrors, den unheimlichen Al Dente auf die Fahndungsliste setzen. – Die SPD wird es der NSA schon zeigen. Bei Gelegenheit. Oder später. Vielleicht.


Grafikquelle    :

Source Flickr: Thomas de Maizière
Author Christliches Medienmagazin pro
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Die Steuervermeidungs-Republik

Erstellt von Redaktion am 6. Februar 2014

Steuerbetrug ist ein wichtiger Teil des Systems

Autor: U. Gellermann

Rationalgalerie

Datum: 06. Februar 2014

Ein Staatssekretär in Berlin erhält monatlich etwa 6.000 Euro. Davon hätte André Schmitz, rechte Hand des Berliner Regierenden Bürgermeisters, gut leben können. Aber es reichte nicht, er musste noch Steuern hinterziehen. Alice Schwarzer hat ausreichend verdient, um mindestens 2,4 Millionen auf einem Schweizer Bankkonto zu deponieren. Die Honorare der BILD-Zeitung für Frau Schwarzer müssen ziemlich üppig sein. Die fälligen Steuern hat sie lange nicht zahlen wollen. Der Bundesschatzmeister der CDU, Helmut Linssen, hat immer gut verdient: Als Landes-Finanzminister, als Abgeordneter, als Aufsichtsrat, als Vorstand einer lukrativen Stiftung. Aber Steuern zu zahlen war ihm lästig. Er parkte sein Geld in Panama.

Nun schäumen die Medien. Aber es ist eben nur Schaum. Die wirkliche Welle, der Tsunami der Steuervermeidung ist gesetzlich geregelt: Lag der Spitzensteuersatz zu Zeiten der Regierung Kohl noch bei 53 Prozent, werden den Reichen heute nur noch milde 42 bis äußerstenfalls 45 Prozent auferlegt. Das hatte Rot-Grün so eingeführt. Das setzte Schwarz-Gelb fort und die CDU-SPD-Truppe denkt gar nicht daran etwas zu ändern. Man mag Reiche. Man fühlt sich wohl in deren Nähe. Eines der Argumente für den niedrigen Spitzensteuersatz ist der Fluchtgedanke: Wer die Steuern erhöht, der treibt seine Reichen außer Landes. Nur Undankbare, wie Schmitz, Schwarzer oder Linssen, so die Mär, begnügen sich nicht mit der deutschen Niedrigsteuer.

Längst sind eine ganze Reihe von Unternehmen innerhalb der EU völlig legal „geflohen“: Malta erhebt keine Steuern von Unternehmen, Zypern nur zehn Prozent und Irland 12,5 Prozent. Der EU-Staat Estland erhebt auch keine Unternehmenssteuern. Schmitz, Schwarzer und Linssen sind einfach zu blöd, sich der legalen Steuervermeidung zu bedienen. Und Blödheit muss bestraft werden. Zumal sich hinter der öffentlichen Aufregung über Einzelne ein System der Reichen-Begünstigung glänzend verbergen lässt.

Noch besser ist es, wenn der Staat sich selbst betrügt: Im letzten Jahren gingen 2,62 Millionen Beschäftigte mit einer sozialversicherungspflichtigen Stelle zusätzlich mindestens einem Minijob nach. Minijobs, dass sind jene Konstrukte, bei denen man bis zu 450 Euro im Monat verdienen darf und keine Sozialabgaben zahlen muss. War es 2003 noch jeder 23. Beschäftigte, der einen Zweitjob hatte, betraf es im vergangenen Jahr jeden 11. Arbeitnehmer, der zusätzlich zu seinem Hauptjob einen zweiten oder dritten ausübte, um über die Runden zu kommen. Das errechnete Minus in den Sozialkassen liegt deshalb bei 2,19 Milliarden im Jahr. Da müssten sich die Schwarzers und die Linssens schon ganz schön anstrengen, um auch nur in die Nähe dieser Einnahmeverluste zu kommen.

„Deutschland geht es gut“, dieser von Angela Merkel gestanzte Satz gilt natürlich nicht für jene, die sich nur mit einem zweiten Job über Wasser halten können. Er gilt genau für die, deren Einnahmen an der Steuer vorbei in die privaten Taschen fließen. Das System Merkel fördert die öffentliche Armut und den privaten Reichtum. Es ist diese Auffassung vom Staat, die den Steuerbetrug zur Normalität macht. Das entschuldigt zwar keine Steuerhinterzieher, aber es erklärt sie: Als Teil des Systems.

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Grafik: DL

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Sacre-Coer sehen und sterben

Erstellt von Redaktion am 4. Februar 2014

Lars Kraume Film „Meine Schwestern“

Raoul Reinert, Lars Kraume 01 (23422425691).jpg

[youtube 86wjwjpJJY4]

Autor: Hans-Günther Dicks

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Datum: 03. Februar 2014

Mit den Happyends im Film ist es eine vertrackte Sache. Das Kino als Wohlfühlunterhaltung liebt sie, „don´t worry, be happy“, weil sie helfen, die Zuschauer mit etwas Glücksgefühl in die Welt zu entlassen. Diese aber hat in der Realität nur einen begrenzten Vorrat an glücklich endenden Geschichten, und gerade die, „die das Leben schrieb“, vertragen oft kein Happyend. Die in Lars Kraume „Meine Schwestern“ zum Beispiel, zu der sich der Regisseur durch den frühen Herztod seines Bruders anregen ließ. Für das Happyend-Dilemma fand er eine so simple wie elegante Lösung. Er tut, was den Rezensenten seines Films gewöhnlich zu tun verboten ist – er verrät den Schluss seiner Geschichte gleich vorneweg. Auf einer Bahre, bedeckt mit einem Tuch, wird da mit geübten Handgriffen eine Leiche in das Regal einer Leichenhalle geschoben, deren Stimme uns aus dem Off von ihrem Leben und ihrem Ende berichtet: Wegen eines schweren Geburtsfehlers von den Ärzten schon als Baby fast aufgegeben, ist sie sogar 30 geworden, hat aber dann eine komplizierte Herzoperation nicht überlebt.

Linda hieß, nein, heißt sie, denn nun führt Kraumes Film uns zurück in die letzten Wochen ihres Lebens, die sie in Vorahnung des Ausgangs mit ihren beiden Schwestern verbringen will, und zwar im Nordseedorf Tating, wo die Familie oft Urlaub gemacht hatte. Katharina, die älteste und dreifache Mutter, ist wenig begeistert von Lindas Idee, willigt aber doch ein, als Linda gemeinsam mit Clara, der Jüngsten, reisefertig an ihrer Tür klingelt. Als Stille, Nordseeluft und alte Urlaubserinnerungen nicht mehr ausreichen, die düsteren Gedanken zu verscheuchen, macht sich das Trio auf zu einer Tante ins bunt-muntere Paris, obwohl Lindas Ohnmachtsanfälle die Freude am Zusammensein immer öfter trüben. Doch als Linda von einer Party ausreißt und auf der großen Treppe hinauf nach Sacre-Coeur zusammenbricht, ist die Heimreise zur Operation unaufschiebbar…

So bekommt der in seiner Unerbittlichkeit schockierende Filmbeginn den Charakter von Befreiung, macht die nachfolgende Gelöstheit im Erzählstil erst möglich und jede falsche Rührseligkeit obsolet. Ruhige Totalen leerer Nordseestrände, die Nostalgie im Dorf ihrer Kindertage, in dem die Zeit still zu stehen scheint, und kurz darauf die pulsierende Metropole Paris mit Touristenattraktionen und buntem Lichtermeer, von Kameramann Jens Harant ohne aufgesetzte Mätzchen eingefangen, all das spiegelt das Wogen der Emotionen, die Katharina und Clara ebenso bewegen wie die quasi mit dem Tod groß gewordene Linda. Was wir darüber hinaus über die Auswirkungen von Lindas Krankheit auf ihre gesamte Familie erfahren müssen, vermitteln knappe Andeutungen in den Dialogen: Das Sorgenkind Linda hat der älteren Katharina allzu früh ihre Jugend geraubt, und auch Clara musste mit dem zufrieden sein, was an Zuwendung für sie übrig blieb.

Der erwähnte dramaturgische Kniff allein hätte freilich kaum ausgereicht, „Mein Schwestern“ zu einem der gelungensten deutschen Filme des vergangenen Jahres zu machen, der nach dem Berlinale-Start 2013 nun endlich auch die Kinos erreicht. Aber in Jördis Triebel (Linda), Nina Kunzendorf (Katharina) und Lisa Hagmeister (Clara) fand Kraume die kaum zu übertreffende Idealbesetzung des Trios, das alle Stimmungsumbrüche zwischen vager Hoffnung, trotzigem Humor, lautem Trubel und stiller Nachdenklichkeit umso glaubwürdiger verkörpern kann, da alle drei ihre Figuren gemeinsam mit dem Regisseur schon in der Drehbuchphase entwickeln konnten. Ein leider viel zu selten erprobtes Verfahren, das bald Nachahmer finden sollte, denn der so erzielte Gewinn an fast dokumentarischer Realitätsnähe ist unübersehbar. (Dass die Männerfiguren, vor allem Stephan Grossmann als Katharinas Ehemann, deutlich schwächer konturiert sind, war vielleicht Absicht, schmälert Kraumes Leistung jedenfalls nur marginal.) Wen „Fack ju Göhte“ und ähnlich pubertäre Volksverblödungen nicht endgültig aus dem Kino vertrieben hat, der sollte sich „Meine Schwestern“ nicht entgehen lassen.

Der Film kommt am 6. 02. in die Kinos

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Grafikquelle   :  Raoul Reinert (Produzent), Lars Kraume (Regisseur) Deutsche Akademie für Fernsehen – Symposium und Preisverleihung in Köln

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Deutschland, Deutschland, überall!

Erstellt von Redaktion am 3. Februar 2014

Drohnen-Uschi, Raketen-Meier & Panzer-Gauck

Gleicher unter Gleichen

Autor: U. Gellermann

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Datum: 03. Februar 2014

Noch wird die erste Strophe des „Deutschland-Liedes“ nicht wieder gesungen. Deutschland, Deutschland über alles, das geht noch nicht. Aber Deutschland überall, überall in der Welt, das geht wieder. Weit über drei Millionen Treffer erreicht man bei der Suchmaschine Google, wenn man die Begriffe „Deutsche-Rolle-Aussenpoltik“ eingibt. Denn endlich, endlich sollen die Deutschen ihre düstere Vergangenheit, ihre militärische Präsenz in diversen Ländern der Welt, den schweren Schatten der Hitlerei abstreifen und wieder kriegsfähig werden. Jubel brandet auf: „Ohne uns ist vorbei“, schreibt die ZEIT. Im WDR erzählt einer dieser verhinderten Generäle: „Jetzt rückt Afrika ins Blickfeld der Bundeswehr, aber das Entscheidende ist: Jetzt übernimmt die deutsche Außenpolitik endlich die Verantwortung, die schon lange von ihr erwartet wird.“ Ein Jammer, dass Erwin Rommel schon tot ist. Bis in die Provinz gelangt die Kriegsbegeisterung: „Einmischen statt wegsehen“ verlangt der „Weserkurier“. Wir sollen wieder eine Rolle spielen, überall auf der Welt.

Ein Trommelfeuer geht auf die armen Deutschen nieder. Sie, die noch jüngst in einer Umfrage mit 58 Prozent gegen militärische Einmischung in anderer Länder Probleme votierten, die sogar meinten Deutschland mische sich bereits jetzt zu häufig ein, werden von Ihren Medien und ihrer Obrigkeit eines Schlechteren belehrt. Die Reichskanzlerin versichert dem UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, Deutschland werde sich endlich „bei der Lösung internationaler Konflikte einmischen“. Als wären wir nie in Afghanistan gewesen. Außenminister Steinmeier beklagt eine „Kultur des Heraushaltens“, und sondert diesen Satz ab: „Es wird zu Recht von uns erwartet, dass wir uns einmischen“, als stünden nicht immer noch 1.500 Bundeswehr-Soldaten im Kosovo und diverse Marineeinheiten am Horn von Afrika. Und die Kriegsministerin von der Leyen entdeckt die militärische Landkarte neu: „Afrika ist unser direkter Nachbar, an der Meerenge von Gibraltar liegen die Kontinente nur 14 Kilometer voneinander entfernt“, um dann den Grund für´s Einmischen zu buchstabieren: „Ein boomendes Afrika ist eine Chance, gerade für ein Land mit einer so starken Exportwirtschaft.“ So ein Truppen-Export wird Afrika schon in die richtige Richtung boomen: Die Afrikaner werden mit teuren deutschen Autos versorgt und die Deutschen bekommen billige Rohstoffe.

Doch den Höhepunkt aller Brandreden lieferte der notorisch verhaltensauffällige Gauck auf der Münchner Sicherheitskonferenz ab. Schon der Titel seines Vortrags, „Deutschlands Rolle in der Welt: Anmerkungen zu Verantwortung, Normen und Bündnissen“, weist auf die Rolle rückwärts zum rasselnden Säbel hin. Dann beklagt er die „finanzielle Auszehrung“ der NATO, um mit Tränen in den Augen über deutsche Laufbahnen zu sinnen: „Es ist kein gutes Zeichen, wenn jüngere Mitglieder des Bundestages das Gefühl haben, die Beschäftigung mit Außen- und Sicherheitspolitik sei nicht karrierefördernd.“ Da gab es einst viel bessere Zeiten, als Gaucks Vater, in einer Uniform mit hübschen Hakenkreuzen verziert, Karriere im besetzten Polen machen konnte. Ja, damals kamen die Deutschen noch rum: Von Stalingrad bis El Alamein. Und weil diese Erfolgsgeschichte fortgeschrieben werden soll, bringt er die Balken im „Bayerischen Hof“, dem Tagungsort der Konferenz, zum biegen: „Eines haben wir gerade in Afghanistan gelernt: Der Einsatz der Bundeswehr war notwendig.“ Für was? Für wen? Die Gaucks dieser Erde, servile Erfüllungsgehilfen der erfolgreichen deutschen Waffenindustrie, haben aus den vielen Toten Afghanistans offenkundig nichts gelernt.

Die Ein- und Aufmischer der Münchner Sicherheitskonferenz haben natürlich auch Oppositions-Vertreter aus der Ukraine eingeladen. So ist zu vermuten, dass wie im Fall Syrien, eine Opposition hofiert wird, die dem Bürgerkrieg nicht abgeneigt ist. Kaputte Staaten pflastern den Weg der Bellizisten. Ob am Wiederaufbau wirklich so viel zu verdienen ist wie die Säbelrassler hoffen? Eine Antwort auf diese Frage gibt, sicher ungewollt, die „Süddeutsche Zeitung“ wenn sie in ihrer Sonderbeilage zur Sicherheitskonferenz ein Foto mit einer riesigen preussischen Pickelhaube versieht. Wer glaubt das sei ironisch gemeint, muss nur den nebenstehenden Kommentar lesen, der die Frage „Selig sind die Friedfertigen?“ mit einem klaren NEIN beantwortet. Weil Deutschland endlich wieder überall sein soll.

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Fotoquelle: Wikipedia – Urheber blu-news.org

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Pete Seeger

Erstellt von Redaktion am 31. Januar 2014

Als ich mal proamerikanisch war

File:2016 Republican Clown Car Parade - Trump Exta Special Edition (18739683269).jpg

[youtube jW2MRTqzJug]

Autor: U. Gellermann

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Datum: 30. Januar 2014

„If you miss me at the back of the bus“ klang es aus dem tragbaren Plattenspieler, „you can´ t find me nowhere,“ sang Pete Seeger und machte klar worum es ging, „Come on over to the front of the bus, I´ ll be ridin´ right there, I´ ll be ridin´ right there. . . “ Die Farbigen der USA sollten nicht mehr hinten im Bus sitzen müssen, verlangte der aktive Bürgerrechtler Seeger und außerdem, verdammt, sollten sie auch die Swimming-Pools der Reichen benutzen dürfen, statt im Fluss zu schwimmen. So klingt es weiter im Lied. Es war ein feuchter Keller, in dem wir Seeger zuhörten und versuchten seinen Sound zu kopieren: Ein Waschbrett und Mutters Fingerhüte, über alle zehn Finger gestülpt, ersetzten das Schlagzeug, Besenstiel und Teekiste behaupteten ein Bass zu sein, nur das Banjo war nicht selbst gebaut und konkurrierte blechern mit meiner Stimme. Eigentlich wollten wir Skiffle spielen, jene Musik aus den USA, die später in der Rockmusik aufgehen sollte. Aber wir entdeckten auch, dass es Leute wie Woody Guthrie gab und solche wie Peter Seeger, die in ihren Liedern behaupteten, dass dieses große Land das ihre sei und nicht nur das der Reichen. Und die mit der Frage nach den Blumen, von denen keiner weiß wo sie geblieben sind, die Frage zum Sinn der Kriege stellten: „Where have all the soldiers gone? Gone to graveyards, everyone. Oh, when will they ever learn?“, hatte Seeger gedichtet und während wir noch so taten als könnten wir eine musikalische Karriere machen, erwischte uns die politische Moderne aus den USA.

Pete Seeger saß in den 50ern ein Jahr im Gefängnis, weil er vor dem „Komitee für unamerikanische Umtriebe“, der US-Geistes-Gestapo, die Aussage verweigerte: Die Frage nach seiner Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei der USA, die Frage ob er denn Kommunisten kenne und Namen nennen könne. Seit jener Zeit weiß ich, dass ich pro-amerikanischer Umtriebe verdächtig bin, der Umtriebe von Martin Luther King, Occupy Wallstreet und Edward Snowden, um nur eine Handvoll von denen zu nennen, die mir bis heute nahe stehen und deren erster in der Reihe Pete Seeger war. Rund 17 Jahre wurde der große Folkmusiker von den US-Medien boykottiert und doch erreichten seine Lieder uns, die wir während des Drecks-Kriegs der USA gegen Vietnam nicht nur „Ledernacken – Koffer – packen“ skandierten sondern eben auch „We shall overcome“ sangen, jenen Choral der Antikriegsbewegung, der es mit Joan Baez und Bruce Springsteen bis in die Hitparaden brachte. – Pete Seeger, der war mit uns verbündet, der symbolisierte jenes Amerika das wir uns wünschten.

Von Bob Dylan bis Bruce Springsteen: Vielen war Pete Seeger ein Vorbild, kaum jemand lebte so konsequent ein Leben auf der Seite der Unterdrückten, der Marginalisierten. Die politische Auseinandersetzung im West-Deutschland der Berufsverbote und des NATO-Doppelbeschlusses ließ das Singen in den Hintergrund treten. Und nach der hundertsten Wiederholung von „We shall overcome“ schien das Lied verbraucht, nur noch ein bedingter Reflex, so angestaubt wie die Ostermarsch-Demonstrationen, und doch bleibt „Deep in my heart, I do believe, We shall live in peace some day.“ Pete Seeger ist gestorben. Wir werden seine Arbeit ohne ihn fortführen müssen.


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Edward Snowden soll bleiben wo er ist

Erstellt von Redaktion am 30. Januar 2014

Bundesregierung lobt Menschenrechte in Russland

Dmitry Medvedev at the 34th G8 Summit 7-9 July 2008-43.jpg

Ich bin jetzt auch SPD, Putin ist ein lupenreiner Demokrat

Autor: U. Gellermann

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Datum: 30. Januar 2014

So nebenbei gab es jüngst einen fundamentalen, aber kaum beachteten Kurswechsel in der deutschen Aussenpolitik. Das seit langem geschmähte Russland, von der Bundesregierung gegeißelt wegen mangelnder Menschenrechte, vom Bundespräsidenten abgestraft durch seinen Olympia-Boycott, in den Mainstream-Medien der Diktatur verdächtigt, wird durch einen Satz der stellvertretenden Sprecherin der Bundesregierung, Christiane Wirtz, geadelt: „Die Voraussetzung dafür, dass Herr Snowden in Deutschland Asyl bekommen könnte, liegt nicht vor“. Und sie kann sich dabei ausschließlich auf den Artikel 16a, 1  des Grundgesetzt berufen: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“, heißt es dort. Also wäre eigentlich alles klar mit dem Asyl für den verdienstvollen Whistleblower. Wenn es da nicht eine Einschränkung gäbe, den Absatz 2 im selben Grundgesetz-Artikel.

Im Absatz 2 wird eine einzige Ausnahme vom Asylrecht wie folgt beschrieben: „Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist.“ Da isser, der Persilschein für Putin: Der steht nun neuerdings einem Land vor, in dem „Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt“ sind. Zeitgleich erwägt der Generalbundesanwalt Ermittlungen wegen des ausgespähten Handys der Kanzlerin. Nicht wegen der Millionen anderer Deutscher, deren persönliche Daten in Obamas dunklem Keller lagern. Doch immerhin, es werden Ermittlungen gegen die NSA erwogen. Wenn der Generalbundesanwalt es ernst meint, muss er mit Snowden reden. Auf dem Boden der Bundesrepublik. Man darf gespannt sein, wie der Antrag Snowdens auf Aysl beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aufgenommen wird.

Ganz so groß ist die Spannung dann doch nicht, denn das Migrationsamt untersteht dem Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Der hat jüngst die Obama-Narkose-Rede zur NSA als „gute und wichtige Rede“ bezeichnet und davor gewarnt, sich zu sehr auf die NSA zu konzentrieren. Bei Thomas de Maizière lässt die Konzentration immer nach, wenn es um Demokratie geht. Und während die CDU mauert, kann man sich an Äußerungen von SPD-Politikern zum Snowden-Komplex nur aus der Vorwahlzeit erinnern. Die braven Oppermänner, noch im Sommer gern in der Rolle der brutalen NSA-Aufklärer, sind verstummt. Auch vom Präsidenten der Freiheit, Joachim Gauck, ist kein Wort zu hören. Vielleicht fährt er, um dem Grundgesetz genüge zu tun, nun doch nach Sotschi.

Doch während das amtliche Deutschland mit der Besserung des russischen Images beschäftigt war, hätte das erste deutsche TV-Programm, beinahe, fast, ungefähr, die Ehre der deutschen Medien gerettet: Es gab ein Snowden-Interview. Das „Beinah“ lag an der Sendezeit nach 23.00 h, traditionell sackt um diese Zeit die Quote in den Keller. Das „Fast“ lag dann auch noch darin, dass die englische Originalfassung im Internet dem „Geoblocking“ unterlegt: Ausländer können sie nicht abrufen. Vorgeblich aus rechtlichen Gründen. Man ist behutsam wenn es um die USA geht. Aber vielleicht ist ja das nächste Interview mit Wladimir Putin. Der könnte dann Fragen zum Asylrecht beantworten.

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Grafikquelle   :  TOYAKO-ONSEN, HOKKAIDO, JAPAN. Russian President Dmitry Medvedev with U.S. President George W. Bush and German Federal Chancellor Angela Merkel. In the background, British Prime Minister Gordon Brown and French President Nicolas Sarkozy.

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Nelson Mandela

Erstellt von Redaktion am 29. Januar 2014

Der lange Weg zur Freiheit

Autor: U. Gellermann

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Datum: 28. Januar 2014

Kaum zwei Monate ist es her, da waren sie am Grab des großen Mannes, die Staatsmänner des Westens und haben ihm ihr Beileid hinterher geworfen. Worte der Entschuldigung dafür – dass ihre Staaten mit dem Apartheid-System paktiert hatten, dass sie Nelson Mandela jahrzehntelang auf ihrer Terroristenliste hatten – fanden sie nicht. Im Gegenteil versuchten sie sich mit dem Leichentuch die Krokodilstränen abzuwischen und ein Zipfel von Mandelas Ruhm zu stehlen. Ein Ruhm, so erzählt es der Film „Mandela – Der lange Weg zur Freiheit“, der von einem klugen, bescheidenen und beharrlichen Mann auf dem Weg zur Freiheit mit dem Verlust seiner Freiheit erkauft wurde.

Die Regiearbeit von Justin Chadwick – warmherzigeTöne, warmes Licht – lässt keinen Zweifel zu, dass der Film auf der Seite von Nelson Mandela gedreht wurde: Das ganze Ensemble des Films, allen voran die Verkörperung Mandelas, der strahlende Idris Elba, begreift sich retrospektiv als Teil der südafrikanischen Befreiungsbewegung. „Dies ist eine südafrikanische Geschichte,“ sagte Mandela als seine Autobiografie vorlag, zum Filmproduzenten Anant Singh, „deswegen will ich, dass Du sie erzählst.“ Singh, der als indischer Einwanderer der dritten Generation von der Apartheidregierung als „nicht-weißer“ Bürger eingestuft wurde, war selbst Teil der Befreiungsbewegung.

So sehr der Film Nelson Mandela in den Mittelpunkt stellt, so erzählt er doch parallel einen wesentlichen Abschnitt der Geschichte des Afrikanischen Nationalkongress (ANC) dessen Jugendorganisation Mandela gemeinsam mit Walter Sisulu gegründet hat. Sorgsam zeichnet der Film die historischen Linien der farbigen Bewegung gegen die Apartheid nach: Vom gewaltlosen Widerstand, den die Regierung mit brutalen Akten der Gewalt, mit Gefängnis und Folter zu brechen versuchte, über Sabotage bis zum bewaffneten Kampf gegen Armee und Polizei des Regimes. Der Film leistet hier, völlig unpathetisch, die Erklärung warum aus staatlicher Gewalt die Gewalt von unten resultiert.

Auch die privaten Momente in Mandelas Leben werden behutsam bebildert und lassen so einen Blick auch auf Winnie Mandela zu, der von der ersten schwarzen Sozialarbeiterin berichtet, von ihrer persönlichen Emanzipation, die mit der Befreiung des Volkes eng verbunden war. Die lange Gefängniszeit, 27 Jahre sperrte die Regierung Nelson Mandela weg, für ihn sind es Jahre der Reifung, der Prüfung und für seine Bewegung Jahre des unerbittlichen Kampfes. Es ist das große Verdienst des Films, dass der lange Weg zur Freiheit nicht als süßliche Story des Erfolgs über die Leinwand flimmert. Auch der Verzicht auf ein Heldenepos gibt der Arbeit jene Grundierung an Ehrlichkeit, die Voraussetzung für Erkenntnis und Nähe zugleich ist.

Der Film kommt am 30. Januar in die Kinos.

[youtube nu6t_TXvunw]

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Fotioquelle: Wikipedia

This file is licensed under the Creative Commons Attribution 2.0 Generic license.
Attribution: South Africa The Good News / www.sagoodnews.co.za

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Ludwig Erhard in Kiew

Erstellt von Redaktion am 28. Januar 2014

Vitali Klitschko und der CDU-Kühlschrank

Autor: U. Gellermann

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Datum: 28. Januar 2014

In den letzten Jahren haben die deutsche Regierung und die ihr angeschlossen Medien eine interessante Zuneigung zur Opposition entwickelt. Natürlich nicht zu der in Deutschland, Gott behüte, nein, zu der in fremden Ländern. Wie zu den libyschen Rebellen, die mit freundlicher Unterstützung der NATO ein kaputtes Land hergestellt haben. Oder zum syrischen Widerstand, in dem nicht wenige einen mittelalterlichen Gottesstaat anstreben. Die neue Lieblings-Opposition mischt gerade die Ukraine auf. Weil, so wird in den Medien berichtet, das ukrainische Volk unbedingt in die EU will und die aktuelle Regierung lieber Wirtschaftshilfe aus Russland annimmt. Das letztere geht natürlich gar nicht. Hatte man doch die Ukraine, als künftigen Markt und auch geostrategisch schon fest zum EU-Block gerechnet.

Und weil das so ist, stört es auch weder Medien noch Regierung sonderlich, dass die tapferen ukrainischem Rebellen Polizisten abfackeln und mit Stahlstangen und Molotowcocktails unterwegs sind. Genauso wenig ist die neue Liebe dadurch belastet, dass man den Hitlergruß auf den ukrainischen Barrikaden sieht. Dass eine der drei verbündeten Oppositionsparteien vom Jüdischen Weltkongress als richtig antisemitisch eingestuft wird und tausende ihrer Anhänger mit schwarz-roten Fahnen des Nazi-Kollaborateurs Stepan Bandera durch die Gegend laufen. „Wir“ haben ja „unseren“ Vitali Klitschko, einen Zögling des sowjetischen Militärkomplexes. Sein Vater war Offizier in der Roten Armee, der Großvater im sowjetischen Geheimdienst NKWD und Vitali boxte für den Armeesportklub ZSK. Klitschko war inzwischen eher in Deutschland anzutreffen (seine Klitschko Management Group GmbH“ hat ihren Sitz in Hamburg-Ottensen) als in der Ukraine. Auf ihn setzt schon lange die Konrad-Adenauer-Stiftung. Mit freundlicher Organisations- und Propaganda-Hilfe. Das Bündnis Klitschkos mit Nazis stört die Stiftung wenig.

Damit auch der letzte Ukrainer weiß, wie gut Marktwirtschaft geht, hat die CDU-Stiftung einen Videoclip mit Balalaika-Musik und ukrainischen Untertiteln produziert, der an einem Kühlschrank demonstriert, wie Ludwig Erhardts Markwirtschaftstheorien funktionieren. Mit dem wird nun lustig gegen die Planwirtschaft agitiert, die es in der Ukraine nicht gibt, und der erzählt wie die Monopole durch Erhardts Theorien ausgeschaltet werden. Angesichts der monopolisierten Bankenmacht im Westen ein kapitaler Witz, aber vielleicht sind die Ukrainer ja unwissend. So unwissend wie die Mehrheit der DDR-Bevölkerung, die ihre De-Industralisierung und deren hohen Arbeitslosenraten hinter dem Konsumangebot des Westens einfach nicht erkennen konnte.

Dass es in der EU Armenhäuser gibt wie Griechenland und Portugal, erzählt die CDU-Stiftung natürlich nicht. Stattdessen schwafelt die Stiftung vom „demokratischen Wiederaufbau . . . “ und der „außenpolitischen Verankerung in einer transatlantischen Wertegemeinschaft“. Dass uns gerade die transatlantische Gemeinschaft auf direktem Weg in den Afghanistankrieg geführt hat, steht auch nicht gerade im Mittelpunkt der CDU-Agitation. In einem der EU-Länder, die künftig die Partner der Ukraine sein sollen, in Rumänien, wird schon mal auf die Teilung des Landes spekuliert: In einen europatreuen Westen und den russlandtreuen Osten. Zugleich meldet die größte Zeitung Rumäniens „Adevărul“, die dem Ölmagnaten Dinu Patriciu gehört, territoriale Ansprüche auf angeblich rumänische Gebiete in der Ukraine an und erwägt eine militärische Intervention. Willkommen im Europa der uneigennützigen Vaterländer.

In der „Süddeutschen Zeitung“ warnt der Bellizist Daniel Brössler davor, die Ukraine den Russen zu überlassen. Im Deutschlandradio wird vor der „tödlichen Umarmung“ der Ukraine durch Russland gewarnt. Außenminister Steinmeier versteht „eine frustrierte Opposition, die seit Tagen und Wochen spürt, dass sich nichts bewegt“. Das Öl, das aus dem Westen in den beginnenden ukrainischen Bürgerkrieg gekippt wird, erinnert fatal an die Kriegsbegleitungstöne zu anderen Bürgerkriegen. Eines ist sicher, Vitali Klitschko war bei den bisherigen Wahlen, die von den EU-Beobachtern damals nicht bemäkelt wurden, immer dritter Sieger. Vielleicht klappt es ja jetzt, wenn nur lange genug mit dem Kühlschank Ludwig Ehrhardts auf die Ukraine eingedroschen wird.

Zum Kühlschrank-Video:

http://www.kas.de/ukraine/de/publications/21275/

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Fotoquelle:

Diese Datei ist unter der Creative Commons-Lizenz Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland lizenziert.
Namensnennung: Bundesarchiv, B 145 Bild-F009772-0011 / CC-BY-SA

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Markus Lanz

Erstellt von Redaktion am 25. Januar 2014

Fass die Sahra, Markus fass!

File:Markus Lanz bei Menschen 2012.jpg

Autor: U. Gellermann

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Datum: 24. Januar 2014

So eine schöne große Frau, denkt sich der Moderator, warum habe ich die nicht abgekriegt? Und für einen Moment wird ihm bewusst was er ist: Ein billiger Schwätzer, eine intellektuelle Eintagsfliege, einer, der dieser Frau im roten Kleid nicht das Wasser reichen kann. Und weil das so ist, sagt sich der Markus Lanz, mache ich die Sahra Wagenknecht jetzt fertig. Denn bisher, wann immer er sich in seinen Diskussionsrunden mit der Bundestagsabgeordneten auf ein Gespräch eingelassen hatte, ist er mit eingezogenem Schwanz nach Hause gegangen. Zuletzt in einer Debatte um die Millionärsteuer, da nahm er zwar die Brechstange und fragte, ob denn sie selbst oder noch mehr Oskar Lafontaine verblödet wären, aber auch in dieser Runde war er mal wieder nur peinlich.

Markus Lanz weiß was er tut: Als Moderator beim ZDF bekommt er jährlich 1.248.000 €. Seit Oktober 2012 moderiert er „Wetten, das…?“ und erhält dafür jährlich weitere 128.000 €. Mit der Talkshow „Markus Lanz“ steckt er nochmal 250.000 € jährlich ein. Wieviel Millionen aus seiner Produktionsgesellschaft „Mhoch2“ in seine Taschen fließen ist nur zu vermuten. Wer solche Summen einsackt, der hat was zu verteidigen. Also ran an die Sahra, mit dem Klassiker-Instrument des Talk-Show-Diktators, der stupiden Ja-Nein-Frage: „Raus oder rein?“ – „Euro – Ja oder Nein?“ Flankiert von der Totschlagfrage „Ja, was ist Europa?“ Und als diese Frage tatsächlich nicht in zwei Sekunden beantwortet wird, schiebt der öffentlich-rechtliche Rammbock hinterher: „Sagen Sie’s mal!“

Es sind nur noch wenige Monate bis zu den Europawahlen. Und es sieht nicht nach einem guten Ergebnis für die Parteien aus, die seit Jahr und Tag in den Rundfunkräten sitzen. Natürlich ruft von denen keiner den Lanz an und vergibt Aufträge. Aber das gute TV-Hundchen Markus hat eine feine Nase: Die Einschaltzahlen bei dem von ihm moderierten ZDF-Flagschiff „Wetten dass?“ sinken. Noch steht die Kündigung nicht ins Haus, aber wenn er jetzt die Wagenknecht fertig macht, das gibt dann Bonuspunkte. Aber selbst dafür, trotz eines starken Senders im Rücken und assistiert vom Sternautor Hans-Ulrich Jörges, reichten die paar Gramm grauer Zellen nicht, über die Lanz verfügt. Ob diese Niederlage das ZDF veranlasst, weiterhin Rundfunk-Gebühren in einen Millionär mit begrenzter Reichweite zu investieren?

Ein Jeep fährt durch Äthiopien: Markus Lanz ist, scheinbar im Auftrag der UNICEF unterwegs, um neue Brunnen anzulegen. Auf dem Geländewagen ist der Schriftzug VOLVIC zu erkennen. Das ist das Wasser, vom Danone-Konzern produziert, in dem im letzten Jahr das Herbizid Atrazin gefunden wurde. Wenn man VOLVIC trinkt, so die Marketing-Kampagne, dann finanziert man damit neue Brunnen in Äthiopien. Und Lanz ist das Gesicht der Kampagne. Die peinliche Frage von CharityWatch nach den 0,018 Euro, die pro Kasten VOLVIC nach Äthiopien fließen beantwortet Lanz faktisch so: „Die wirklich großen Entscheidungen werden ja heute nicht nur von Spitzenpolitikern, sondern auch in Vorstandsetagen getroffen. Und – entgegen der allgemeinen Schelte – steht dort eben nicht nur und ausschließlich der Profit im Fokus.“ Nicht nur ausschließlich: Das ist wie beinah fast doch.

Oscar-Preisträger Tom Hanks wünschte sich nach seinem Auftritt im bei Lanz, dass ihn jemand „da rausgeholt“ hätte. Der britische Sänger Robbie Williams will nie wieder „drei Stunden auf diesem Sofa (bei Lanz) sitzen“. Aber als einmal Edmund Stoiber den Lanz besuchte, wußte der Moderator zu schleimen: „Der Auftritt von Edmund Stoiber in unserer Talkshow war für mich ein Highlight“. Als Sahra Wagenknecht, mal wieder von einem entfesselten Lanz unterbrochen worden war, redet sie über den schnellen Wechsel aus Regierungsämtern in die Wirtschaft. Darauf fiel dem testosterongesteuerten Moderater, dessen Publikum der Wagenknecht applaudierte, ein: Das ist doch Populismus. Damit das ZDF seinem Publikum endlich mal zuhört und sich von Lanz trennt, gibt es eine wunderbare Petition, die inzwischen deutlich mehr als 160.000 Unterstützer zählt:

https://www.openpetition.de/petition/online/raus-mit-markus-lanz-aus-meiner-rundfunkgebuehr

Es ist geradezu ein Akt der Sozialhygiene diese Petition zu unterschreiben.

Wer mehr Schmöcke lesen will findet sie hier:

http://www.amazon.de/Der-Schmock-Das-bekannte-Unwesen/dp/3844276165


Grafikquelle :    Markus Lanz Moderator bei Menschen 2012

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Krieg in Mali

Erstellt von Redaktion am 20. Januar 2014

Schutztruppen im Goldrausch

Autor: U. Gellermann

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Datum: 20. Januar 2014

Wer deutsche Medien konsumiert, der entdeckt rund um den anhaltenden Mali-Bürgerkrieg die alten abgegriffenen Vokabeln: Die „Mission“ (SPIEGEL) ist wieder da, auch der neutrale „Einsatz“ (FAZ), der wohl leider „robust“ sein wird, feiert seine Auferstehung. Die extrem bescheuerte SÜDDEUTSCHE ZEITUNG lässt sogar den Begriff „Schutztruppe“ wieder aufleben. Weil die deutsch-französische Brigade bald nach Mali marschiert. Als wisse sie nicht, dass unter dem euphemistischen Namen „Schutztruppe“ schon einmal deutsche Mörderbanden in Afrika marodierend unterwegs waren. Und natürlich geht es, wie schon vor einem Jahr, als die französischen Truppen einen angeblich kurzen Rein-Raus-Krieg in Mali führen wollten, nur um eine „Sicherung“, das klingt wie Versicherung und kann nicht so schlimm sein. „Deutschland bereitet Afrika-Einsatz vor“ so lautet die durchgängige Schlagzeile. Und bestenfalls erfährt der Medienkonsument noch, dass die deutschen Truppen die französischen in Mali entlasten sollen, weil die gerade in der Zentralafrikanischen Republik beschäftigt sind. Vermutlich auch mit einer „Mission“.

Was man in den deutschen Medien nicht findet, ist das Wort „Gold“. Zwar haben mehr als ein Drittel der Bevölkerung in Mali keinen sicheren Zugang zu sauberem Trinkwasser. Zwar liegt die durchschnittliche Lebenserwartung dort bei 48,1 Jahren. Aber in Mali gibt es jede Menge Gold. Nach Südafrika und Ghana hat Mali die drittgrösste afrikanische Goldindustrie: 2009 wurden bereits mehr als 51,3 Tonnen Gold produziert, Tendenz steigend. Natürlich bleibt von den enormen Gewinnen so gut wie nichts im Land. Es sind internationale Konzerne wie der US-Finanzinvestor Randgold Resources Ltd. mit dem Sitz im europäischen Steuerparadies Jersey, die sich die Taschen füllen. Unter den Konzernen ist ebenfalls die Pearl Gold AG mit Sitz in Frankfurt, die dort auch an der Börse notiert ist. Das deutsch-französische Unternehmen braucht die deutsch-französische Brigade dringend: Denn der Bürgerkrieg lässt die Ausbeutung der malischen „Kodieran-Goldmine“ stocken.

Auch das Wort Uran taucht in den vornehmen deutschen Medien nicht auf. Schon vor Jahren hat der französische Atomkonzern AREVA Uranvorkommen in Mali entdeckt. Auch die kanadische Rockgate Capital Corp. schürft in dieser Gegend. Über den Vertrag mit dem korrupten malischen Regime erfährt man keine Einzelheiten. Richtiges Pech hat die australisch-britische Oklo Uranium Ltd. Ihre Ausbeutungs-Stätten liegen im Gebiet der Tuareg-Rebellen. Ähnlich schlecht geht es der kanadischen Great Quest Metals Ltd., deren Aktienkurse seit dem Beginn des Bürgerkrieges 2012 auf ein Siebentel ihres bisherigen Wertes fielen. Nach der Nachricht über die französische „Intervention“ hat sich der Wert der Aktie allerdings fast verdoppelt. Sie alle können auf den „Einsatz“ der deutsch-französischen Brigade nicht verzichten. Ein Einsatz, der dann ganz sicher als Sicherung der Menschenrechte und der Demokraten verkauft werden wird. Schon bei den malischen Präsidentschafts-Wahlen Mitte des letzten Jahres, bei denen die jeweilige Wähler-Stimme für etwa 1,50 Euro gehandelt wurde, fanden deutsche Medien das Ergebnis durchweg demokratisch.

Das Wort „Tuareg“ kann man tatsächlich schon mal lesen oder hören. Mal werden sie nur als „Rebellen“ bezeichnet, dann gern auch pauschal unter dem Begriff „Islamisten“ geführt, um schließlich in die Schublade des „Terrorismus“ gesteckt zu werden. Sich die Geschichte der Tuareg anzusehen, das ist für den deutschen Redakteur einfach zu schwierig. Er müsste dann schreiben, dass die Tuareg im Ergebnis willkürlicher französischer Kolonialpolitik in Mali immer benachteiligt wurden. Und viele von ihnen als Elitetruppen Gaddafis in dessen politisches Nomaden-Konzept eingebunden waren, aber dann von den NATO-Streitkräften aus Libyen vertrieben wurden. Wenn er das schreibt, der Herr Redakteur, wie soll er angesichts des kaputten Libyens seine Kriegsbegeisterung von damals rechtfertigen? Und wie könnte er dann in diesen Tagen den von Frau Merkel erfundenen „Ertüchtigungs-Einsatz“ zugunsten der Regierungstruppen wohlwollend an den Medienkonsumenten weitergeben?

Natürlich werden die deutschen Truppen, die den französischen nur den Rücken für den Krieg in der Zentralafrikanischen Republik freihalten sollen, die malischen Truppen nur „ertüchtigen“, wie die deutschen Soldaten das höchst erfolgreich seit Jahren in Afghanistan tun. So erfolgreich, dass nichts gut ist in Afghanistan. Die französische Armee ist bei ihrem parallelen „Einsatz“ in der Zentralafrikanischen Republik in einem Land unterwegs, dessen Boden jede Menge Uran und Diamanten birgt. Der frühere Staatschef und selbsternannte Kaiser der Zentralafrikanischen Republik (ZAR), Jean-Bédel Bokassa, ging mit diesen Diamanten großzügig um. Er verschenkte sie bei Staatsbesuchen als Gastgeschenk. Auch an den französischen Präsidenten Valéry Giscard d’Estaing. Wahrscheinlich rein zufällig betreibt der französische Atom-Konzern AREVA sein Urangeschäft ebenfalls in der ZAR. In den nächsten Tagen und Woche werden wir aus den deutschen Medien allerdings erfahren, dass es sich bei der „Operation“ in der ZAR um einen humanitären Einsatz handelt. Und dass unsere tapferen Truppen die malische Armee nur ertüchtigen, um dieser Humanitäterä zum Erfolg zu verhelfen.

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Barbara Thalheim

Erstellt von Redaktion am 17. Januar 2014

Herzblut fließt aus der neuen CD

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Autor: U. Gellermann

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Datum: 16. Januar 2014

Was da aus dem Lautsprecher kommt, das heisert, das flüstert, das röhrt: Barbara Thalheim hatte mal wieder eine Häutung erzählt ihre neue CD „Zwischenspiel“ und so überlegt der Hörer, ob die Lieder vorher alle nur ein Vorspiel waren und ob das Zwischenspiel uns auf ein Endspiel vorbereiten soll, jene finale Musik, die auch die Verdammten dieser Erde aufwachen lässt. Denn natürlich tarnen sich die Texte der Thalheim nur als private Liebeslieder, in Wahrheit ist die komplette CD ein öffentliches Bekenntnis zur Menschenliebe, zu jener Sorte Zuwendung, deren Ergebnis nur Umwälzung werden kann.

Überdeutlich wird das Umwälzungspotential im Stück „Ist vielleicht . . .“, hier wird der Konjunktiv zum Hebel Zukünftiges zu verändern, es für möglich zu halten, dass in jedem beliebigen Kind ein Mozart stecken kann, in jedem Punk ein Heine, in jedem Autist ein Humboldt zu finden wäre, wenn man nur achtsam mit ihnen umginge. Und wenn die Sängerin ausruft, sie sei „Zum Sehen geboren“, dann ist das poetische Plädoyer für eine Selbstständigkeit zu hören, die mit der lateinischen Emanzipation nur mühsam das Wort Befreiung kaschiert: „Ich bin zum Sehen geboren, und nicht, dass mir einer sagt was er sieht“ singt Barbara Thalheim und wir wissen: Die lässt sich nix sagen, die sagt lieber selbst was.

Wie wird einer, eine Sängerin, Musikerin? Früher fing man mit der Blockflöte an, später ging man zum Take That-Konzert, heute lässt man sich von Dieter Bohlen traktieren. Viele wollen, wenigen gelingt es. Man muss bluten, wenn man auf die Bühne will, man muss sein Herzblut opfern, sich ausliefern. Was kann bei Barbara Thalheim der Auslöser für diese Art von Masochismus gewesen sein? Sicher ist, das ist aus ihren Liedern zu hören, dass sie ein einsames Kind war. Kann sein, dass ihr häufiger Wechsel zwischen Leipzig und Berlin, bedingt durch den Beruf ihres Vaters, zur Einsamkeit beitrug. Wie in aller Kunst sind es Verletzungen, die jener Sublimierung bedürfen, die auf die Bühne führen.

Immerhin drei Jahre war Barbara Thalheim Mitglied des Oktoberklubs, jenes schnellen Talentbrüters in der DDR, der sich dem politischen Lied und auch dem Land verschrieben hatte. Und wenn sich die Thalheim auf dem Weg zum eigenen Lied auch zeitweilig als Botin im Deutschen Theater betätigte, in der fürsorglich-vormundschaftlichen DDR entging sie nicht einem „Berufsausweis als Sängerin“ und einem Hochschulstudium. Das hinderte sie nicht den kaum akademischen Pfad zum Chanson zu finden. Da haben wir sie nun heute, eine der wenigen deutschen Diseusen, auf ihrer neuen CD eingebettet in eine Gruppe exzellenter Musiker, in der Rüdiger Krause die Töne aus seiner Gittare perlen lässt, Topo Gioia mit Latino-Trommeln den Takt schlägt und Bartek Mlejnek mit dem Bass den Rhythmus vorgibt.

„Mein Kinderland, mein flaches Land,“ davon erzählt das letzte Stück der CD. Von einem abgebrannten Land ihrer Kindheit singt die Thalheim und das Herzblut sickert aus den Zeilen, manchmal marschieren auch zu Riesen aufgeblasene Zwerge aus dem Lied, und doch bleibt ihr das flache Land jene widersprüchliche Heimat, der man nicht entkommen kann. In diesem großen Gesang schillert ihre Stimme, manchmal scheint sie zu brechen, dann wieder posauniert sie, schwillt an zur Kampfansage, tropft aus allen Ritzen der Traurigkeit und erklärt unmissverständlich: Barbara Thalheim ist eine große Sängerin.

Das „record release concert“ der CD ZWISCHENSPIEL ist am 25. 01. 2014 um 20.00 Uhr im Kino Babylon zu hören und zu erleben (www.babylonberlin.de).


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Andreas Augstein

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Das deutsche Recht liegt am Boden

Erstellt von Redaktion am 16. Januar 2014

No-Spy-Abkommen im No-Go-Bereich

Autor: U. Gellermann

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Datum: 16. Januar 2014

„Auf deutschem Boden gilt deutsches Recht“, hatte die Kanzlerin zu Beginn der NSA-Affäre gesagt und dann ist sie in Deckung gegangen. In den Merkel-Bunker des eisernen Schweigens. Der deutsche Boden ist eine arme Sau: Fast 54.000 Hektar sind von US-Militäreinrichtungen besetzt. Neben den Kasernen, Übungsplätzen und Spionage-Zentralen stehen auf diesem Boden in US-Verwaltung 24.000 Wohnungen. In 2013 waren im Bundeshaushalt noch 56 Millionen für die Stationierung ausländischer Streitkräfte ausgewiesen. Auf deutschem Boden werden also auch noch die Gelder erwirtschaftet, mit denen die US-Militäreinrichtungen unterhalten werden. Gut 56.000 amerikanische Soldaten haben ihre Stiefel auf deutschem Boden geparkt. Und das wiederum tun sie nach deutschem Recht.

Denn im Gefolge des heißen und des kalten Krieges hat die Bundesrepublik Deutschland zum einen 1951 das NATO-Truppenstatut abgeschlossen und zum Gesetz erhoben. Zum anderen hat sie 1954 den „Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland“ im Bundes-Gesetzblatt verkündet. Nun ist der heiße Krieg fast siebzig Jahre vorüber und der kalte auch mehr als zwanzig. Die politisch-militärischen Gegebenheiten, aus denen die Verträge resultieren, sind längst vergangen. Und die Verträge sehen Kündigungsmöglichkeiten vor: Der NATO-Vertrag kann mit einer einjährigen Kündigungsfrist beendet werden, der Stationierungsvertrag erst zwei Jahre nach der Kündigung. Würde die Bundesrepublik das tun, dann hätte sie wieder ein ziemlich souveränes, deutsches Recht.

Wenn die deutsche Regierung also Herrin des eigenen Bodens wäre, dann könnte sie mit gutem Recht das US-Spionage-Nest im „Dagger-Komplex“ in der Nähe des hessischen Griesheim schließen. Dort wird seit Jahr und Tag alles abgehört und observiert was möglich ist. Und möglich ist – dank des Spionagezulieferers MacAulav-Brown, der den Komplex regelmäßig mit „Cybersecurity“ ausstattet – so ziemlich alles. Dass der Spionageladen vom ehemaligen CIA-Agenten Sid Fuchs geleitet wird ist sicher ebenso ein Zufall, wie dass mit Dell Daily, einem früheren US-Botschafter und Major General Gerard Brohm der Beirat des Unternehmens prominent besetzt ist. Auch wäre es der deutschen Regierung möglich, das Hauptquartier der US-Gesamtstreitkräfte für den Aufgabenbereich Afrika (US-AFRICOM) in Stuttgart-Möhringen zu schließen. Einer der Standorte, von dem aus die USA ihren dreckigen Drohnenkrieg führen.

Sieben Monate nach dem Beginn der NSA-Affäre ist der alten wie der neuen Regierung nichts anderes eingefallen als das Mantra des Regierungssprechers Seibert: Er könne „auch für die Bundesregierung hier keine Details aus den bisherigen Gesprächen“ bekannt geben. Es handele sich um einen „Arbeitsprozess“. Erst jetzt wurde bekannt, dass ein deutscher Islam-Konvertit vor zwei Jahren von einer Drohne ermordet wurde. Ziemlich sicher von deutschem Boden aus, ganz sicher nicht dem deutschen Recht entsprechend. Der „Arbeitsprozess“ des Herrn Seibert ist offenkundig ein kurzer Prozess. Ohne Anklage, ohne Gericht, aber mit letalem Ausgang.

Mit gespieltem Erstaunen registriert das offizielle Berlin, dass die USA kein „No-Spy-Abkommen“ wünschen. Irgendeiner dieser Regierungssprecher hat sogar behauptet: „Die Bundesregierung ist in Gesprächen mit den US-Partnern, um die Zusammenarbeit unserer Dienste auf eine neue Grundlage zu stellen. Diese vertraulichen Gespräche dauern an.“ Es ist eine Lautsprecherei, die nur das Leisetreten der Bundesregierung verbergen soll: Denn es müssten nur jene Verträge gekündigt werden, mit denen Tag für Tag deutsches Recht gebrochen wird. Dann wäre ein No-Spy-Abkommen nicht mehr nötig. Die Mitgliedschaft der Bundesrepublik in der NATO fände ihr wohlverdientes Ende. Der deutsche Boden könnte aufatmen. Und die deutschen Gespräche wären wieder halbwegs vertraulich.

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Fotoquelle: Wikipedia – Author Joachim S. Müller

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Das rechte Wort zur NATO: Auflösen!

Erstellt von Redaktion am 13. Januar 2014

Gregor Gysi gibt den Völkern neue Signale

File:NATO Flag (1).jpg

Autor: U. Gellermann

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Datum: 13. Januar 2014

Alle lieben Gregor Gysi, na gut, vielleicht Angela Merkel nicht. Aber sonst kann kaum eine Talkshow an ihm vorbei. Immer charmant, immer witzig und schlagfertig. Und die wenigen, die den Entertainer der Linkspartei nicht mögen, die sind vom Neid geritten. Doch während bis gestern manche amüsierte Betrachter den Gregor nur für einen heiteren Linken allgemeiner Provenienz gehalten haben, erkennt eine erstaunte Öffentlichkeit nun den tiefen Denker, den Mann für´s Große, den wahren Welten-Grübler und überwältigenden Internationalisten. Denn Gregor Gisy will die NATO Auflösen! Jetzt mag dieser oder jener denken: Kenn ich schon, die Linkspartei will doch schon die ganze Zeit raus aus der NATO, was soll daran neu sein? Falsch. Das neue Gisy-Wort heißt nicht AUSTRITT, es heißt AUFLÖSUNG.

Der Vordermann der Linkspartei sagt klar und weit über den Tag hinaus zur bisherigen Linie seiner Partei, die nur den kleinmütigen „Austritt“ aus der NATO will: „Das ist mir zu national gedacht. Das hieße ja, die NATO bleibt wie sie ist, nur Deutschland nimmt nicht mehr daran teil.“ Da isser, der große InterNATOnalist. Obwohl, das hätte er auch schon früher sagen können. Vor diesen albernen Parteiprogrammen der LINKEN, die immer nur vom Austritt schreiben. Denn für Gysi ist klar: Wenn die Deutschen aus der NATO träten, würden die anderen in der NATO machen was sie wollen! Vielleicht gar einen Krieg, in Afghanistan oder in Libyen, oder so. Nee, nee, man darf die USA oder die Engländer und Franzosen auf keinen Fall alleine lassen!

Natürlich will Gysi nicht einfach in der NATO bleiben. Das könnte ihm ja falsch ausgelegt werden. So, als würde er nur den Quatsch wiederholen, den die anderen Parteien vor der Existenz der Linkspartei gebetet haben: „Wir bleiben drin, obwohl der kalte Krieg zu Ende ist!“ Nein, unser Gregor denkt gern groß: Wenn es nach ihm ginge, dann würde die NATO in ein völlig neues System für Sicherheit und Zusammenarbeit überführt. So eine Art UNO, nur besser bewaffnet. Mit Russland, Nordkorea oder Aserbaidschan und wem auch immer. Zack, würde sich die NATO auflösen und das neue Bündnis könnte endlich die Weltregierung ansteuern, die wir alle doch im Grunde unseres Herzens anstreben. Und Gregor würde Präsident, oder besser: Inter-Papst.

Aber Gysi wäre nicht Gysi, wenn er bei einem kurzen, harten Schlag gegen den Nationalismus seiner Linkspartei stehen bleiben würde. Denn die LINKE, nach Gysis Meinung ziemlich blöd, will vor den Europa-Wahlen tatsächlich über die EU programmatisch sagen, die sei eine „neoliberale, militaristische und weithin undemokratische Macht“. Zwar steht das so oder so ähnlich schon im Erfurter LINKEN-Programm – mit überwältigender Mehrheit verabschiedet – aber was sind dem Vordenker Mehrheiten: „Ich bin sicher, dass da noch etwas geändert wird“, sagt Gregor, und auch: „Für uns linke Internationalisten gibt es kein Zurück zum früheren Nationalstaat. Wir müssen Befürworter der europäischen Integration sein.“ Nun hat zwar keiner aus seiner Partei gesagt, man wolle raus aus der EU. Aber man kann ja nie wissen, denkt sich der Internationalist und beugt vor. So wie bei der NATO hat er sicher einen tollen Plan für die EU. Auflösen vielleicht und in ein neues, besseres System überführen. Er wird ihn uns mitteilen, wenn er mal Zeit hat, zwischen zwei Talkshows vielleicht.

Gregor ist die Hoffnung aller: Die hungernden Griechen empfinden zwar die EU-Politik als scheiss-neoliberal, aber Gregor wird eine Lösung wissen. Er ist auch die Hoffnung jener, die in der EU eine Maschine sehen, die seit Jahr und Tag, ohne demokratische Legitimation Banken-Rettungsschirme betreibt, aber Gregor wird einen Ausweg finden, vielleicht gar eine Auflösung. Und er ist auch die Hoffnung der somalischen Fischer, die vom militärischen Arm der EU, den EUFOR-Streitkräften vor den Piraten geschützt werden. Na gut, sie hatten vielleicht gedacht, die EU-Fregatten würden die internationalen Fischfang-Flotten vor ihrer Küste vertreiben, die ihnen die Existenzgrundlage wegfangen. Aber immerhin sind die EU-Kriegsschiffe schon mal da. Der Anfang ist gemacht, den Rest wird Gregor schon erledigen, irgendwie ein besseres System erfinden.

Diese titanische Gedankenarbeit, dieser geradezu brutale Internationalismus, wer dankt es Gysi? Es gäbe da immerhin die ESDP-Medaille (European Security and Defence Policy). Sie ist eine Auszeichnung für Militärpersonen der EU, die an Auslandseinsätzen teilgenommen haben. Und so ein Internationalist, der ist eigentlich immer im Auslandseinsatz. Und weil auf der Rückseite des versilberten EU-Ordens immerhin PRO PACE UNUM (Gemeinsam für den Frieden) steht, müsste eigentlich auch seine dusslige, eher pazifistische Partei zufrieden sein, wenn Gregor das Ding „an einem blauen Band mit einem breiten gelben Mittelstreifen auf der linken Brustseite“ baumeln hat. Noch vor dem Europa-Parteitag der LINKEN. Das wäre mal ein Signal, das die Völker glatt ins letzte Gefecht treiben könnte.

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Grafikquelle    :   This work has been released into the public domain by its author, Julo. This applies worldwide.

Description NATO flag
Date
Source Image:FlagaNATO-PL.jpg
Author Julo

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Mit Geld Rasse kaufen

Erstellt von Redaktion am 9. Januar 2014

Israel als genealogisches Unternehmen

Autor: U. Gellermann

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Datum: 09. Januar 2014

An der Klausner Straße, auf dem Campus der Universität Tel Aviv, befindet sich das „Museum des jüdischen Volkes“. Dort existiert eine Datenbank, die rund 300 000 Proben „jüdischer“ DNA aufbewahrt. Nirgendwo sonst ist das zweifelhafte Bekenntnis des israelischen Staates zu einer jüdischen Rasse klarer zu erkennen als eben dort. Nur ein paar Jahrzehnte nach den Nürnberger Rassegesetzen der Nazis – kaum zwei Generationen nach der verbrecherischen Justifizierung einer jüdischen Rasse – erlebt ein scheinbar wissenschaftlicher Rassismus seine Wiedergeburt. Auf einen Schlag wurden damals Millionen Deutsche oder Polen oder wo sonst der deutsche Stiefel hintrat, ob sie in die Synagogen gingen oder nicht, zu „den Anderen“, zur „fremden Rasse“ zum Feind des „eigenen Blutes“ erklärt.

Es sind keine Millionen, die zur Zeit in den Straßen von Tel Aviv demonstrieren. Und sie sind auch nicht vom Tod bedroht. Aber der Staat Israel nennt sie „Mistanenim, Eindringlinge“. An ihrer Hautfarbe ist zumeist zu erkennen wo sie herkommen: Aus afrikanischen Staaten, deren Repressionen sie entkommen sind. Über 50.000 von ihnen leben inzwischen in Israel. Sie wollen als politische Flüchtlinge anerkannt werden. Ihre Chancen stehen schlecht: Der israelische Staat hat seit seiner Gründung im Jahr 1948 weniger als 160 Flüchtlinge als Asylbewerber anerkannt. Obwohl nicht wenige Flüchtlinge eine Arbeit haben – natürlich illegal in Hotels und Restaurants, als billige Küchenhilfen oder Putzkräfte – sollen sie, wohin auch immer, „rückgeführt“ werden. Und damit sie möglichst freiwillig gehen, hat man für sie Lager eingerichtet. Ähnlich wie „Holot“, jenes in der Negev-Wüste liegende „offene Gefängnis“, aus dem viele der Demonstrierenden kamen. Man plant mehr Lager. Denn ein neues „Eindringlingsgesetz“ sieht vor, Asylsuchende bis zu einem Jahr im Gefängnis und danach sogar auf unbegrenzte Zeit in „Holot“ zu inhaftieren.

Es ist nicht so, dass Israel grundsätzlich kein Interesse an einer Einwanderung hätte: Zeitweilig waren es mehr als 50.000 Menschen jährlich, die aus der Sowjetunion oder deren Nachfolgestaaten nach Israel einwanderten. Aber im Unterschied zu den farbigen Asylanten konnten die eine jüdische Mutter nachweisen, waren also „rasserein“. Nicht wenige von ihnen findet man inzwischen in jenen Siedlungen wieder, die im Westjordanland auf Palästinensergebiet ein privilegiertes Dasein führen: Sie dürfen alles, die ursprünglichen Einwohner wenig bis nichts. Doch schon in der Gründungsgeschichte des „jüdischen Staates“ wurde das „gelobte Land“ als Raum ohne Volk betrachtet. Auch die rund 25 Prozent Israelis, die weder dem jüdischen Glauben anhängen noch solche Vorfahren nachweisen können oder wollen, werden im israelischen Gottesstaat ignoriert, genauer: Diskriminiert.

Jüngst war US-Außenminister John Kerry mal wieder in Israel. Zu den afrikanischen Demonstranten, die sich in großer Zahl vor der US-Botschaft in Tel Aviv versammelt hatten, kein Wort. Die Exil-Afrikaner wussten genau, warum sie vor dieser Botschaft demonstrierten: Ohne amerikanisches Geld, ohne amerikanische Waffen und amerikanische Hegemonie könnte Israel seine rassistische Politik keine drei Tage aufrecht erhalten. Doch Kerry war nicht wegen der Afrikaner in Israel, er wollte erneut ein Abkommen zwischen den Israelis und den Palästinensern auf den Weg bringen. Während seines Besuchs fuhr der israelische Innenminister Gideon Saar demonstrativ zu einer symbolischen Grundsteinlegung in einer neuen jüdischen Siedlung im palästinensischen Jordantal. Dort wußte er zu sagen, dass „unsere Präsenz hier im Jordantal . . . nicht vorübergehend ist.“

Es scheint, dass die Hoffnungen der Palästinenser auf Kerrys Vermittlungsbemühungen vergeblich sind. Aber es bliebe ihnen ein Ausweg: Im schweizerischen Ort Baar wartet eine Chance für diejenigen, die falscher Abkunft sind: Die „iGENEA AG“ bietet Gentests an und ist spezialisiert auf die Frage „Sind Sie Jude? Haben Sie jüdische Wurzeln? Sind Sie Aschkenase oder Sepharde? Sind Sie ein Levi oder ein Cohen?“. Die Tests kosten zwischen 199 Euro (Basic) und 1.999 Euro (Expert). Unklar ist, ob der teurere Test den Probanden vielleicht zu einem besseren Juden macht als der billige Basis-Tarif. Sicher ist, dass zum Beispiel Anja Pfeiffer aus Deutschland hochzufrieden war: „Letztendlich kam tatsächlich eine jüdische Abstammung mütterlicherseits heraus“, verkündet sie auf der Website des Rasse-Unternehmens. So besteht auch für die Deutschen endlich eine Möglichkeit aus der Rolle der Täter in die Haut der Opfer zu schlüpfen. Man muss nur Geld auf den Tisch legen.

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Grafikquelle    :    Rassismus  – Unbekannt Dieses Bild ist unter der digitalen ID cph.3g05342 in der Abteilung für Drucke und Fotografien der US-amerikanischen Library of Congress abrufbar. Diese Markierung zeigt nicht den Urheberrechtsstatus des zugehörigen Werks an. Es ist in jedem Falle zusätzlich eine normale Lizenzvorlage erforderlich. Siehe Commons:Lizenzen für weitere Informationen.

  • GemeinfreiHinweise zur Weiternutzung
  • File:Racistcampaignposter1.jpg
  • Erstellt: 1. Januar 1866

 

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Ronald Pofalla

Erstellt von Redaktion am 6. Januar 2014

Die Armutswanderung eines Merkel-Knappen

Autor: U. Gellermann

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Datum: 06. Januar 2014

Es war einer der besinnlichen Tage während der Koalitionsverhandlungen. Der politische Betrieb stockte faktisch. Denn erst nach der Bildung einer neuen Regierung würde es wieder richtig losgehen. Ronald Pofalla, Chef des Bundeskanzleramtes, saß in seinem Büro und rechnete so vor sich hin: Da waren die 8.000 Euro monatlich aus seinem Bundestagsmandat, dazu kamen die rund 14.000 Euro monatlich aus seiner Tätigkeit als Bundesminister für besondere Aufgaben, macht unterm Strich 22.000. Aber die Kosten! Zwei Scheidungen, also zweimal Unterhalt. Pofalla seufzte, zog das Kleingeld aus der Hosentasche, zählte und kam auf magere zweidreiundfünfzig. Es konnte nicht mehr so weitergehen.

Der arme Pofalla – mit einem schweren karnevalesken Akzent auf die Welt gekommen, verschärft durch ein durchdringendes Näseln – hatte schon während des Studiums Finanzprobleme. Aber der junge, aufstrebende CDU-Politiker fand einen reichen Gönner, der ihn mit monatlich 1.200 Mark unterstützte. Der Unternehmer Bernhard Josef Schönmackers, der mit dem CDU-Jungstar einen „Beratervertrag“ abschloss, betrieb im Kreis Kleve eine Reihe von Entsorgungs- und Umweltfirmen. Wer aus Müll Gold machen will, der muss mit den Ämtern reden. Und in den Ämtern sitzen die Parteileute. Dort wird über die Vergabe der kommunalen Müllentsorgung entschieden. Deshalb war eine Investition in den geldhungrigen Pofalla eine gute Investition. Sinn und Zweck dieser Anlage, sagte Schönmackers, habe in „der politischen Unterstützung des Aufbaus und der Erweiterung unseres Betriebes“ bestanden.“

Als Pofalla mal wieder in Geldnot war, seine Ehe war 1996 in die Brüche gegangen, brauchte der arme Ronald, obwohl er längst gut bestallter Rechtsanwalt war und auch seine Bundestags-Diäten seit sechs Jahren pünktlich eintrafen, mal wieder dringend Geld: 150.000 Mark. Sein Unternehmerfreund ließ sich nicht lumpen und legte die Summe auf den Tisch. Schönmackers wunderte sich allerdings, dass der CDU-Funktionär das Geld bar haben wollte. Er hatte angenommen, „dass solche Geldbewegungen von Konto zu Konto zu erfolgen haben“. Und als der Müllbaron mal wieder Besuch von der Steuerfahndung bekam, gab er zu Protokoll, er habe seinen Schützling Pofalla „regelmäßig“ auf die Rückzahlung angesprochen, der aber habe „jedes Mal weiterhin den Wunsch geäußert, diese Rückzahlung zu verschieben“. Ob das Darlehn jemals zurückgezahlt wurde, ist unbekannt.

Immer wenn es um dubioses Geld geht, ist Ronald zur Stelle. Als in den 90er Jahren der CDU mal 2,1 Millionen abhanden gekommen waren und Kanzler Kohl zwar zugab, dass der das Geld an der Kasse seiner Partei und dem Fiskus und dem Parteiengesetz vorbei gemogelt hatte aber leider den Spendern eine Schweigegelöbnis gegeben habe, da war es ausgerechnet die Anwalts-Sozietät in der Pofalla tätig war, die sich des Kohl-Omerta-Falles annahm. Die Sozietät Holthoff-Pförtner (Essen/Berlin) erreichte im Fall Kohl, dass das Verfahren gegen die Zahlung von 300.000 DM eingestellt wurde. Man weiß nicht ob der lumpige Betrag von Schönmackers gezahlt wurde. Oder ob der Sozietätschef Holthoff-Pförtner eingesprungen ist. Können hätte er schon können: Immerhin ist er Sprecher der „Funke Familien Gesellschaft“ (früher WAZ-Medien-Gruppe), die mit 27 Tageszeitungen, 13 Wochenzeitungen, 175 Publikums- und Fachzeitschriften, 99 Anzeigenblätter und 400 Kundenzeitschriften eine gute Milliarde Umsatz jährlich anschafft.

Als steuerliche Ermittlungen gegen Holthoff-Pförtner liefen, fanden die Finanzbeamten bei Pofalla einen „ungeklärten Vermögenszuwachs“ in Höhe von 700.000 Mark. Im Laufe des Verfahrens bejahte die Staatsanwaltschaft Kleve einen Tatverdacht und sprach sich für eine Hausdurchsuchung aus. Dazu musste aber die Immunität des Bundestagsabgeordneten aufgehoben werden. Als das dann gelang, war bei Pofalla nichts mehr zu finden. So blieb die Herkunft einer knappen Million „Vermögenszuwachs“ ungeklärt. – Wer heute auf die offizielle Bundestags-Web-Seite des CDU-Bundestagsabgeordneten geht, findet unter dem Punkt „Veröffentlichungspflichtige Angaben“ einen höchst interessanten Hinweis: „Individuelle Erläuterungen zu den Veröffentlichungspflichtigen Angaben finden sich auf der Homepage von Ronald Pofalla“. Wer diesem Link folgt, findet auf der Pofalla-Homepage: NICHTS. Obwohl der Bundestag zwingend vorschreibt, dass zum Beispiel „Entgeltliche Tätigkeiten neben dem Mandat“ oder „Funktionen in Unternehmen“ angegeben werden müssen, prangt Pofallas Mitarbeiter-Foto nach wie vor auf der Website der dubiosen Sozietät Holthoff-Pförtner. Wer so lange auf dem Schoß der Kanzlerin gesessen hat, der muss sich augenscheinlich nicht an die Regeln halten.

Als nun der arme Pofalla sich seiner Armut bewusst wurde, beschloss er in finanziell bessere Gefilde der Bundesrepublik abzuwandern. Zwischen 1,2 und 1,8 Millionen jährlich schwebten ihm vor. Die Summen, sagte er sich, könnten doch zum Bespiel beim Staatsbetrieb Deutsche Bahn zu erzielen sein. Wann er seine Wünsche der Frau Merkel vorgetragen hat ist unbekannt. Sicher ist nur, er wird ihr einen Vorschlag gemacht haben, den die Kanzlerin nicht hat ablehnen können. Denn so einer wie Pofalla weiß viel. So einer muss abgefunden werden. Und wer jetzt laut MAFIA schreit, der beleidigt die ehrenwerte Gesellschaft. Denn die würde ihre unlauteren Geschäfte nie so schamlos in aller Öffentlichkeit abwickeln.

Das Buch zum Schmock

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Wie können sie es wagen?

Erstellt von Redaktion am 3. Januar 2014

 Die unterstehen sich das, weil wir sie lassen.

Messeturm
Der Messeturm, Goldman Sachs International Niederlassung Frankfurt

Autor: U. Gellermann

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Datum: 02. Januar 2014
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Buchtitel: Wie können sie es wagen
Buchautor: Peter Mertens
Verlag: VAT

„Sie“, das sind jene Men In Black, deren Wohnzimmer die Börse, deren Lektüre die Bilanzen und deren Klo wir sind, denn sie scheißen auf uns. Geschrieben, in ein Buch gebracht, hat die empörte Frage ein: belgischer Autor: Peter Mertens, der auch ein entschieden linker Stadtrat in Antwerpen ist. Belgien, könnte man denken, Belgien ist doch dieses nette kleine Land mit den leckeren Pralinen und den unendlich vielen Biersorten. War da sonst noch was? Ja. Belgien bereichert uns mit einem Buch: „Wie können sie es wagen“ über den „Euro, die Krise und den großen kapitalistischen Raubzug“. Und Mertens schreibt heiter und wütend zugleich, überschüttet seine Leser mit einer Fülle von Fakten und vermittelt ihnen parallel das Gefühl, das alles sei locker zu bewältigen und wenn das alles gebündelt und gezwirnt würde, man dann einen ordentlichen Strick bekäme, um „sie“ zumindest zu fesseln.

Mertens beendet die belgische Pralinen-Saga, wenn er notiert, dass „sie“ in Belgien keine Steuern zahlen, wenn sie nur genug fiktive Zinsen in ihre Bilanzen eintragen, und dass deshalb internationale Konzerne wie VW, BASF oder Bayer dort ihre Bilanzen waschen lassen. Wenn er sich dann der EU zuwendet, deren Parlament in Brüssel sitzt, findet er 4.500 Lobbyisten, die dort akkreditiert sind: Sechsmal so viele, wie es Parlamentsmitglieder gibt. Und dann exekutiert er am Beispiel der Dexia Bank, wie europäische Bankenpolitik funktioniert: Einst war die Dexia, als sie noch Crédit Communal hieß, eine staatseigene Bank. Die wurde für schäbige 750 Millionen verkauft und privatisiert, um sie dann in der Bankenkrise für vier Milliarden zurückzukaufen und 54 Milliarden Staatsgarantien für eine Bad Bank abzugeben, in der die faulen Papiere lagern. Ist jemand verhaftet worden, hat einer den Strick genommen oder bekommen? Nein, haften müssen immer nur die Normalos, das Heer der braven Bürger. Denn, so zitiert Mertens den Nobelpreisträger Joseph Stiglitz: „Es gibt heute größere Banken als vor der Krise“.

Dieses elegante Haftungsprinzip wurde, so beweist Mertens, in Europa von den New Age Sozialdemokraten eingeführt: Mit dem Einfrieren der deutschen Löhne ab 1996 begann die Deregulierung des Arbeitsmarktes, die Lockerung des Kündigungsschutzes bis hin zu Hartz IV dem neuen Sozialgefängnis. Dass parallel die Kontrollbremsen des Finanzsektors gelöst wurden, Hedgefonds und Leerverkäufe erlaubt und die Unternehmenssteuern gesenkt wurden, galt fortan bis in die Merkelei hinein als Modell Deutschland und hat die Deutschen bis heute 400 Milliarden Euro Steuereinnahmen gekostet, die natürlich bei den Renten eingespart werden müssen. Dieses wunderbare Modell führt bei den Deutschen zu gut sechs Millionen Hartz-IV-Empfängern, in Griechenland zur Zunahme der Selbstmordrate um 30 Prozent und zu immer mehr und mehr Arbeitslosen in Europa. Insbesondere die deutschen Medien, begleitet von der schlechten Bismarck-Kopie an der Staatsspitze, werfen den Südländer dann gern vor, sie hätten über ihre Verhältnisse gelebt und würden nur zu Recht bestraft. Mertens schildert die „Verhältnisse“ am Beispiel Portugals: Ein Viertel aller Kindern wächst dort in Armut auf, einer von fünf Portugiesen muss mit weniger als 360 Euro leben. Rund eine Million Menschen sind ohne Arbeit. Das sind die üppigen Verhältnisse in Portugal nach dem vierten von der deutschen EU diktierten Sparpaket.

Mertens Buch widmet sich dem Goldman Sachs-Dreigestirn: Den Herren Henry Paulsen (langjähriger US-Finanzminster und ehemaliger Spitzenmann bei Goldman Sachs), Mario Draghi (Chef der EZB und ehemaliger Spitzenmann bei Goldman Sachs) und Mario Monti (vorgeblicher Italien-Sanierer) und natürlich auch Berater bei Goldman Sachs. Und er skizziert wie die angeblich völkerverständigende EU immer mehr ultrarechte und nationalistische Parteien hervorbringt. Das intensivste Kapitel in diesem klugen Buch handelt von Chile und wie dort der Neoliberalismus sich auf das Schönste mit der Diktatur paarte. Eine einzige leise Kritik sei angemerkt: Der Originaltitel des Buches lautet im Niederländischen „Hoe durven ze?“ Das müsste im Deutschen „Was unterstehen die sich?!“ heißen und die Antwort lautet: Die unterstehen sich das, weil wir sie lassen.

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Fotoquelle: Wikipedia – Norbert NagelEigenes Werk

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  • CC BY-SA 3.0
  • File:01-01-2014 – Messeturm – trade fair tower – Frankfurt- Germany – 03.jpg
  • Erstellt: 1. Januar 2014

 

 

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Willkommen im Neuen Jahr

Erstellt von Redaktion am 2. Januar 2014

Liebe FreundInnen der RATIONALGALERIE!

Autor: Botho Cude

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Datum: 02. Januar 2014

Nie wurde von Menschenwürde so viel geredet und geschrieben und nie stand die Schnüffelei dermaßen im Flor.
Ernst Jünger (1988)

Kam euch das vergangene Jahr 2013 auch etwas zu ernst vor, liebe LeserInnen? Statistisch haben in den Nachrichten die Busunglücke abgenommen und die Wetterkatastrophen sind häufiger geworden. Andauernd wurde gerettet.
Endlich brachte der smarte junge Mann aus den Staaten ein wenig Stimmung in die Bude. Einen Moment war man versucht zu glauben, dass die Schweden einen Nobelpreis außer der Reihe vergeben würden. Aber seit dem Tod Karls XII. sind sie extrem vorsichtig geworden im Umgang mit den Großmächten.

Irgendwann in den bleiernen Achtzigern des vergangenen Jahrhunderts beklagte ich mich bei Norbert Randow über die permanente Überwachung durch die Staatssicherheit. Da sagte der verewigte Freund zu mir: „Es ist gut, wenn sie alles über uns wissen. Dann müssen sie uns nicht mehr foltern.“ Das war bestimmt nicht ernst gemeint.
Wie gut man auf uns aufpasst, dürften manche unserer LeserInnen längst geahnt haben. Aber als Edward Snowden auspackte, waren die meisten von dem Lauf der Dinge doch etwas überrascht. Normalerweise (so kennen wir es aus den Hollywoodschinken) steigt beim Showdown der Held (Bruce Willis oder Will Smith) nach einer Rundreise durch die Welt des Bösen, voller Dreck und Blut, am Weißen Haus aus einem verbeulten Taxi, erhält vom Präsidenten einen Orden und sabbert eine schöne Frau ab. Der Superschurke verschwindet in einer Erdspalte, einem Atompilz oder wird von einem Kometen erschlagen. Diesmal kam unser Held nach Hongkong, aber nicht etwa, um dort 007 auf einem U-Boot zu treffen. Er flog weiter nach Moskau ins Reich der Finsternis und informierte die Welt. Bolschoje spassibo, Wladimir Wladimirowitsch!

Woher wusste wohl der damalige Innenminister in Nullkommanichts, dass so ein Teufelskerl kein Asyl erhalten kann? Jedem Meuchelmörder gönnt die deutsche Bürokratie drei Monate Bearbeitungszeit. Empörung schlug bekanntlich in Regierungskreisen erst hoch, als verlautbarte, die Kanzlerin sei abgehört worden. Und zeitgleich erschienen in amerikanischen Gazetten verquaste Berichte über ihre östliche Sozialisierung. Die NSA hatte ihnen das pikante Detail zugespielt. Immer wenn Mutti auf ihrem Partyhandy mit einem Gesinnungsgenossen sprach, drückte sie zum Schluss die Endetaste. Wie wir nunmehr wissen, sind die Dinger darauf ausgelegt, den Raum abzuhören, auch wenn sie vermeintlich ausgeschaltet sind. Und so schnitten die Techniker in der amerikanischen Botschaft unzählige Male den abschließenden Stoßseufzer mit: In der DDR war alles besser.
Genug der ollen Kamellen.

Im Neuen Jahr gibt es viel zu tun, liebe LeserInnen. Packen wir es aus!
In der Ukraine geht der Boxeraufstand in die nächste Runde. Und in Russland starten die putzigen Pussys die punkfarbene Revolution. Deshalb muss Präsident Gauck auch nicht bei den olympischen Spielen in Sotschi antreten. Aber zum Nachweis, dass er nicht gedopt hat, sollte er trotzdem eine Urinprobe abgeben. Griechenland wird weiter gerettet. Die EU spendiert Milliarden für einen unterseeischen Bahnhof in der Ägäis, den Herr Mehdorn irgendwann zum Flughafen umbaut.

Damit wenden wir uns der Heimat zu. Deutschland wird von der schwergewichtigsten Koalition aller Zeiten regiert. Anscheinend hält der Wähler nichts vom schlanken Staat und hat deshalb die FDP aussortiert. Die gefräßigen Raupen haben sich in der Provinz verpuppt. Pünktlich zur nächsten Legislaturperiode wollen sie als liberale Zitronenfalter wieder in den Bundestag flattern. Rösler und Westerwelle, die nicht länger Zitronen falten dürfen, streiten noch, wer von ihnen ins Dschungelcamp darf, um dort lebendige Kröten zu schlucken.

Aus den Satiresendungen wissen wir, dass sich über Mutti keine guten Witze reißen lassen. Priol und Pelzig haben aufgegeben, um nicht weitere vier Jahre über die Raute witzeln zu müssen. Das war der schwerste Kollateralschaden der letzten Wahl. Und über Frank Walter gibt´s auch nichts zu lachen. Er ist seiner Chefin irgendwie ähnlich.

Was bleibt zu tun?
Heißt uns hoffen! Nämlich dass der große Blonde mit dem schwarzen Humor irgendwie die Fahrradmaut durchkriegt, damit die Autofahrer sorglos rechts abbiegen können.
Lasset uns beten! Und zwar für unsere Ursula, dass sie die Tretminen im Kanzleramt vermeidet, die Kollege Altmaiers Bullmastiff dort hinterlässt.
Helft alle blasen! Denn unmöglich kann der Siggibär mit seinem kurzen Hemd genug Wind machen, um die Energiewende hinzukriegen.
Beendet das Fasten! Die Dicke wird das Ministerium für Freizeit und Fitness umkrempeln wie einen alten Hut. Als Mindestlohn darf sie Muttis Hosenanzüge auftragen.
Schüttelt die Hände! Dem Vereinigungsparteitag von CDU und SPD steht nichts mehr im Weg.

Schließlich wollen wir noch einen Blick über den großen Teich riskieren, liebe LeserInnen. Der Chef der Jahn-Behörde ist zweifellos der geeignete Experte, um die NSA zu übernehmen. Dann dürfen wir alle Einsicht in unsere alten Emails beantragen, die wir irgendwann verschusselt haben. Zum Dank wird durch die GröKaZ in der Hauptstadt die Mohrenstraße politisch korrekt in Obamaallee umbenannt. Das klingt ein wenig wie das Gegröhl auf der Fanmeile.

Wir wanken glorreichen Zeiten entgegen.
Haltet durch, liebe LeserInnen!

Die RATIONALGALERIE wünscht euch
ein diskretes und keimfreies Jahr 2014.

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Grafikquelle   : Silvesterfeuerwerk

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Vom Fliegen und Betrügen

Erstellt von Redaktion am 31. Dezember 2013

Wie Horst Seehofer Reichsführer wird

Der Türsteher leert Anderen das Fliegen, mnachmal durch einen Tritt

Autor: U. Gellermann

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Datum: 30. Dezember 2013

Wie fast immer kommen die besten Vorschläge zur Entwicklung von Demokratie und Freiheit aus den Reihen der CSU. Schon mit der Ausländer-Maut hatte die Partei Genialisches vorgeschlagen. Auch wenn die Maut bislang auf die Autos der Ausländer begrenzt war, barg sie doch Entwicklungspotenzial: Warum sollten künftig nicht ausländischen Personen auch – ob sie denn per Auto, Flugzeug oder zu Fuß unsere Grenze queren – eine Maut für den Zutritt unseres schönen Landes zahlen? Sie bekämen dann an der Grenze für, sagen wir 100 Euro, eine Plakette auf den Arm tätowiert und dürften dann in ganz Deutschland ungehindert herumreisen.

„Wer betrügt, der fliegt!“, das ist nun der neueste Vorschlag der christlich-sozialen Alpen-Schutz-Staffel. Zwar hat diese Kurzfassung einen kleinen Haken: Wohin sollten die Betrüger aus den Reihen der CSU denn fliegen? Die Verwandten-Beschäftiger, die Hand-Aufhalter, die ZDF-Flüsterer? Aber wer dann genauer liest, der ist gleich beruhigt: Nur Ausländer sind für die Freiflüge raus aus dem schönsten aller Länder vorgesehen, noch genauer: „Sozialbetrüger“. Da meint der Alpen-Schutz natürlich nicht jene Amigos, die den Banken das Betrügen durch Rettungsschirme erleichtern. Auch nicht jene Spezln, die Arbeitslose durch Hartz Vier um ihre Teilhabe am sozialen Leben bescheissen. Nein, es soll sich um Rumänen und Bulgaren handeln, die sich ab Januar ungeniert der „Arbeitnehmerfreizügigkeit“ bedienen können, die ihnen eine marodierende Europäische Union anbietet.

Der Bulgare als solcher, das weiß der CSU-Sturmbann-Führer Uhl, ist der geborene Sozialbetrüger. Und der Standarten-Führer Hans-Peter Friedrich kennt den Rumänen genau: Die leeren ruck-zuck die Sozialkassen wenn man denen nicht auf die Finger guckt, meint der gewesene Innenminister. Auch die Gau-Führerin Gerda Hasselfeldt hat die Ausländer durchschaut: „Der fortgesetzte Missbrauch der europäischen Freizügigkeit durch Armutszuwanderung gefährdet nicht nur die Akzeptanz der Freizügigkeit bei den Bürgern, sondern bringt auch Kommunen an die Grenzen ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit.“ Ja mei, die Gerda, die weiß was vom Betrügen, färbt sie doch ihre längst grauen Haare in diesem Deutsch-Blond-Ton und hält so die eigene Partei zum Narren. Auch dass die Gerda zwar erzkatholisch ist aber schon zum zweiten Mal verheiratet, das ist doch gekonnter Betrug am heiligen Sakrament der Ehe. Wenn das der Papst wüsste!

Aber der Bereichs-Führer Seehofer ist wie immer der, der weiterdenkt. Will er doch den von der Koalition vereinbarten Mindestlohn nicht für „Saisonarbeiter“ gelten lassen. Da hatten die anderen Koalitionspartner die Spargelstecher und Erdbeerpflücker im Auge. Wenn nun, denkt sich der Seehofer-Horst, wenn nun der rumänische oder bulgarische Saisonarbeiter zu Wahlzeiten in geordneten Gruppen und freien Zügen über die Grenze geführt würde und die wahlmüden Deutschen beim Wählen ersetzen täte, dann bekäme die Freizügigkeit einen Sinn. Für ein kleines Geld könnte so ein Saison-Wähler am Tag gleich mehrere Stimmen abgeben und so den jeweiligen Sieg der CDU-CSU auf breiter Front sichern. Nach der Wahl würde der Saison-Wähler dann wieder in sein Herkunftsland zurückgeführt und alle wären es zufrieden.

Irgendwie muss der Bundestagspräsident, der Norbert Lammert, vom Seehofer-Plan Wind bekommen haben. Flugs hat er eine Debatte um die Verlängerung der Wahlperiode zum Bundestag von bisher vier auf demnächst fünf Jahre angeschoben. Das würde, wenn denn der Seehofer-Plan umgesetzt wäre, die Kosten minimieren: Die Bundes-Saison-Wähler müssten nur alle fünf Jahre für einen Tag gelöhnt werden. Juliane Klöckner, früher Deutsche Weinkönigin, heute für die CDU in der Pfalz tätig, weiß gut, wie störend Wahlen sein können: „So (wenn man die Wahlperioden ausdehnt) bleibt mehr Zeit, um wirklich Politik zu machen. Man ist nicht sofort wieder im Wahlkampfmodus.“ Wirkliche Politik, unbehelligt von dahergelaufenen Wählern und wohlfeilen Wahlversprechen, will endlich auch der berühmte SPD-Innenexperte Michael Hartmann machen. Es sei, sagte der Präsident des Deutschen Softball-Verbandes, „nahezu überfällig, die Wahlperioden des Bundestags auf fünf Jahre zu verlängern“. So würde „gründlicheres und weniger vom Wahlkampf getriebenes Arbeiten möglich.“

So naht denn der Tag, an dem Königin Angela nicht mehr regieren mag und Seehofer vom bayerischen Bereichs-Führer zum Reichs-Führer aufsteigt, an dem Norbert Lammert für die nächste, zehnjährige Wahlperiode zum Bundestagspräsident auf Lebenszeit ernannt wird und Juliane Klöckner den Nobelpreis für Wahl-Physik erhält. Und die SPD? Die SPD wird sich bis zu diesem Tag endgültig überflüssig gemacht haben.

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Grafikquelle    :  A bouncer in front of a strip club in San Francisco.

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„Die Todesliste“

Erstellt von Redaktion am 27. Dezember 2013

Nur ein toter Islamist ist ein gutes Islamist

Autor: U. Gellermann

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Datum: 26. Dezember 2013
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Buchtitel: Die Todesliste
Buchautor: Frederick Forsythe
Verlag: C. Bertelsmann

Nahezu überall in der westlichen, der vorgeblich besten aller Welten, so kolportiert Frederick Forsyth in seinem jüngsten Roman „Die Todesliste“, greifen bisher unbescholtene männliche Einwanderer aus dem Nahen Osten zum Messer oder zum Gewehr und bringen irgendwen um. Weil irgendein Prediger – natürlich widerlich und hasserfüllt und ohne jeden Grund – die Männer über das Internet zum Töten aufruft. So, wie der Westen gut und tapfer ist, so ist die islamische Welt im Forsyth Buch böse und korrupt. Die islamischen Kämpfer sind „abgerichtet“ und deshalb muss man sie „zur Strecke“ bringen, wie man tollwütige Hunde abschießt. Es ist das Menschenbild, von dem man hoffte, dass es mit Bush jr. verschwinden würde und das dann mit Obama fröhliche Urstände feierte: Wir sind die Menschen, die Islamis sind die Untermenschen.

Schon mit seinem ersten Roman „Schakal“ gelang Frederick Forsyth ein Bestseller: Allein in Deutschland verkaufte sich der Politthriller um Charles de Gaulle und einen Auftragskiller der OAS mehr als 300.000 mal. Und Jahr für Jahr legte der ehemalige Pilot der Royal Air Force und Kriegsberichterstatter mit Riesenauflagen nach. Doch während er sich mit seinem Erstling noch gegen die reaktionären Algerien-Franzosen wandte, legt er mit seiner neuesten Arbeit ein Agitationshandbuch für die US-Geheimdienste und deren Terrorismus unter dem Deckmantel der Terror-Bekämpfung vor: „Wir sind die überwachte Generation.“ Wenn man einen Terroristen unter einer Million Menschen finden will, dann muss man eben die Million überwachen“, darf er in einem ARD-Interview zur Werbung für sein jüngstes Buch sagen. „Es ist wie ein zweiter Kalter Krieg. Dieser Tatsache müssen wir Tribut zollen. Und auf einige unserer Menschenrechte verzichten“.

Aus der Perspektive eines US-Agenten, der sich auf die Jagd nach dem Prediger begibt, darf der Leser tief in die US-Geheimdienst-Szene eintauchen, erfährt dass im gesamten pakistanischen Offizierscorps „Johnnie Walker Black-Label das Getränk der Wahl ist und lernt fast alles über Drohnen was der Laie wissen muss. Einzelheiten, Ortsbeschreibungen und penible Waffenkunde sind die Stärken des Autors. Über das kleine Detail, dass sich Forsyth den kurzen Lebenslauf des amerikanisch-jemenitischen Imam Anwar al-Awlaki zur Vorlage genommen hat, schweigt sich der Hassschreiber aus. Der extreme Prediger war nur 40 Jahre alt, als ihn eine US-Drohne umlegte, sein Sohn war gerade 16 Jahre alt geworden, als ihn Obamas Drohnen-Todesurteil zwei Wochen später erwischte. Auch Überlegungen wie jene, dass die mögliche Anstiftung zum Mord, deretwegen al-Awlaki vor einem ordentlichen Gericht keine Todesstrafe zu erwarten gehabt hätte, mochte Forsyth sein schriftstellerisches Talent nicht verschwenden.

Was scheinbar seriöse Verlage wie Bertelsmann, die total seriöse ARD oder das sich intellektuell gebende 3-Sat Kulturmagazin dazu treiben, den menschenverachtenden Dreck von Forsyth mit Buch und Interviews zu verbreiten, kann man nur vermuten: Bei Bertelsmann wird es schlicht Geld sein, mit Forsyth ist der Umsatz garantiert. Bei den öffentlich rechtlichen Anstalten sind es wohl die Insassen, die verrückt auf die Nähe zu Bertelsmann sind. – Forsyth nennt seinen Superagenten Kit Carson. Das kann bei einem so genau recherchierenden Autor kein Zufall sein: Der historische Kit Carson war einer der beliebtesten Indianer-Schlächter der jungen USA, bekannt durch seinen Vernichtungsfeldzug gegen die Navajo. Die Hauptstadt des Bundesstaates Nevada wurde ihm zu Ehren Carson City genannt. Wenn sich die inzwischen alten USA viel Mühe geben, den Feldzug gegen den Islam zu gewinnen, scheint das ziemlich aussichtslos zu sein. Doch offenkundig gilt das alte Motto aus den Indianerkriegen immer noch: Nur ein toter Islamist ist ein gutes Islamist.

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Grafikquelle   :    Bilal Philips und Pierre Vogel, 2011

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Der heilige Chodorkowski

Erstellt von Redaktion am 26. Dezember 2013

Der Ketzer Affo Tchassei

Autor: U. Gellermann

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Datum: 26. Dezember 2013

Pünktlich zu Weihnachten haben uns der ehemalige Außenminister Genscher und die Bundesregierung einen Messias beschert: Michail Borissowitsch Chodorkowski, ein russischer Oligarch, schwebte in einem Privatflugzeug ein und war für ein paar Tage das bedeutendste Symbol der Freiheit. Gegen die russische Unterdrückung, gegen den neuen Zaren Putin, gegen die olympischen Unterdrückungsspiele in Sotchi. Gegen alles, was für die braven Deutschen östlich, also von Übel ist. Schließlich hatten sich deren Väter oder Großväter als Soldaten schon zu vorzüglichen Russlandkennern entwickelt. Welch ein schönes Blitzlichtgewitter wartete auf den Erlöser, Kameras ohne Zahl und eine extrem gut besuchte Pressekonferenz im Berliner „Mauer Museum“. Damit auch dem Letzten klar wurde: Chodorkowski war ein Kämpfer gegen die Mauer, Putin hat sie gebaut.

Affo Tchassei kam vor zwei Jahren über das Mittelmeer nach Europa. Mit weiteren 750 Menschen in einem 25 Meter langen Boot. Sie hatten kaum Wasser, drei seiner Mitpassagiere ertranken. Manchmal ertrinken auch komplette Schiffsbesatzungen. Nach seiner Ankunft in Lampedusa schlief Tchassei zwei Nächte mit 4500 anderen Geflüchteten auf dem Boden eines Erstaufnahmelagers. Nach den christlichen Wertekategorien muss der Flüchtling ein Ketzer sein. Denn nur Ketzer, Dissidenten lässt man zwei Jahre lang in einem italienischen Lager verfaulen: Arbeitsverbot und kein Ausgang. Dann schoben ihn die italienischen Behörden ab nach Hamburg. Dort lebt er jetzt mit vielen anderen Lampedusa-Flüchlingen. Mal auf der Straße, mal im Kirchenasyl. Ursprünglich kommt er aus Togo.

Chodorkowski war mal ein kleiner kommunistischer Funktionär im sowjetischen System: In einem Institut erklomm er den Rang des stellvertretenden Vorsitzende der kommunistischen Jugendorganisation „Komsomol“. Von dort aus, in der Zeit des schweren Säufers und Freundes von Helmut Kohl, Boris Jelzin, als Staatsvermögen an alle möglichen Gelegenheitsdiebe verschleudert wurden, gründete Chodorkowski erst eine Bank, dann erwarb er zu einem Spottpreis einen Ölkonzern. Auch, weil alle anderen Bieter nicht zugelassen waren. Der junge Oligarch verfügte über politische Macht: Seit 1992 war er Mitglied im Beraterstab des russischen Premierministers und im März 1993 stellvertretender Minister für Brennstoffe und Energie. Ende 1993 beteiligte er sich an der Finanzierung und Organisation des Wahlkampfes für Präsident Jelzin. Während die deutschen Medien rührende Bilder von den Strickjacken-Freunden Helmut und Boris unter die Massen warfen, fand einer der größten Raubzüge der Geschichte statt: Ein paar Oligarchen rissen sich das russische Volksvermögen unter den Nagel, sie wurden unermesslich reich, der Rest der Russen wurde ärmer.

Die Vorfahren von Affo Tchassei konnten bereits von 1884 bis 1914 Deutsche kennen lernen: Seine Heimat war in dieser Zeit deutsches „Schutzgebiet“. Wahrscheinlich wurden die Togolesen damals von der deutschen Polizei zum Schutz vor sich selbst niedergeschossen und unterdrückt. Noch heute zeugen Massengräber wie jenes in der Nähe der Stadt Yendi vom mörderischen Fleiß der Deutschen. Nach dem ersten Weltkrieg, übernahmen die Franzosen den „Schutz“ der Togolesen. Auch Tchassei sollte die beiden Nationen später kennen lernen. Längst war der junge gebildete Mann als Oppositioneller vor der Familiendiktatur der Gnassingbé-Sippe aus dem Kinderhändler-Land Togo geflohen, seit sechs Jahren schon hatte er einen guten Job in Libyen, da zerstörten NATO-Truppen seine Lebensperspektive. Sie brachten jene „Opposition“ an die Macht, die ihn und viele andere in Boote setzte, um sie dem Tod oder der Asyl-Suche preis zu geben. Frankreich war am Libyenkrieg unmittelbar beteiligt, die deutsche Bundesrepublik nur durch Hilfsdienste und Kopfwackeln in den NATO-Gremien.

Von Beginn an war Chodorkowski ein Darling der deutschen Medien. Als er dann endlich den Boden der Bundesrepublik betrat, brach ein nie gekannter Jubel aus: „Freiheit, Freiheit, Freiheit“, skandierte das HANDELSBLATT und der SPIEGEL assistierte mit „Mission Freiheit“. Ein ehemaliger Außenminister fädelte den Freiheits-Flug des Oligarchen ein, der Bundespräsident freute sich heftig, die Kanzlerin, die den deutschen Botschafter in Moskau angewiesen hatte, alles Mögliche für die Entlassung Chodorkowskis aus der Haft zu tun, kommentierte: „Ich habe mich sehr oft dafür eingesetzt, dass Herr Chodorkowski freigelassen werden kann, und deshalb freue ich mich natürlich, wenn das morgen passieren sollte.“ Dass der „Europäische Gerichtshof für Menschenrechte“ das Verfahren gegen Chodorkowski nicht als politisch werten mochte, das erfuhr man aus deutschen Medien nur am Rande. Denn der neue Beruf des Milliardärs ist „Regimekritiker“. Wie gut für ihn, dass er nicht die US-Regierung kritisiert wie Edward Snowden. Dann hätte er nie Asyl bekommen.

Politisches Asyl hat Affo Tchassei natürlich bis heute nicht. Er, wie die vielen anderen Flüchtlinge in Deutschland, wäre froh wenn man ihm den § 23 des Aufenthaltsgesetzes zugestehen würde. Denn andernfalls können Flüchtlinge in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden. In Tchasseis Fall kann das Haft oder Tod bedeuten. Haben wir in der Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten ein gekonntes Schluchzen gehört, als er so unkonkret wie möglich für die Flüchtlinge forderte: „Machen wir unser Herz nicht eng“. Geschickt vermied er eine Ansprache der Verantwortlichen, eingeübt hatte der gelernte Prediger das Weihnachts-Tremolo. Affo Tschassei wird auf die Besserung seiner Lage lange warten müssen. Seine Aussichten sind eher trüb.

Wenn die Sicht aus dem Berliner „Adlon“ für Michail Chodorkowski trüb sein sollte, dann liegt es nur am Berliner Schmuddelwetter. Das Verfahren gegen seine Schweizer Bank wegen Geldwäsche hat der Münsteraner Oberstaatsanwalt Rainer Neuschmelting vorläufig eingestellt. Der Visumantrag für die Schweiz läuft. Dort, wo ein Teil von Chodorkowskis Geld liegt, gehen zwei seiner Söhne auf exklusive Schulen. Das Vermögen des Oligarchen vermutet der FOCUS bei 17 Millionen aufwärts. „Das Geld reicht mir zum Leben“, sagt Michail Chodorkowski bescheiden. So wird der neue Heilige belohnt. Vom ketzerischen Asylanten kann man das nicht sagen.

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Fotoquelle: Wikipedia – Author John Edwards

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Die Kirche der Kommunisten

Erstellt von Redaktion am 24. Dezember 2013

Zu einem Bericht aus dem GULAG

Gulag Perm-36

Autor: U. Gellermann

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Datum: 23. Dezember 2013
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Buchtitel: Zehn Jahre Lager
Buchautor: Rudolf Hamburger
Verlag: Siedler

Schweigen, geschwiegen, beschwiegen: Keiner sollte es wissen, dass sie im sowjetischen Lager waren, nicht weil ihre Umgebung das suspekt gefunden hätte, sonden weil kein Schatten auf die heilige Sowjetunion, auf das Mekka der Kommunisten fallen durfte, kein Makel die Idee beflecken sollte, der sie sich verschrieben hatten. Ungezählte deutsche Kommunisten kannten die Lager, den GULAG, von innen. Einer von ihnen war Rudolf Hamburger, über den ein englischer Freund sagte: „He was the last Victorian Communist.“ Auch er schwieg jahrelang. Erst jetzt liegt sein Bericht aus dem Lager gedruckt vor.

Irgendwie geriet Rudolf Hamburger, der während des Kampfes gegen die Nazis für den sowjetischen Geheimdienst aktiv war, in die Fänge des eigenen Dienstes. Er, der sein Leben für das erste vorgeblich sozialistische Land riskiert hatte, der in der Sowjetunion um Asyl nachsuchte, wurde von einer irrationalen Sicherheitsmaschine unter dem Vorwurf des Verrats in eine Farce von Gerichtsverhandlung geschleppt, um danach für zehn Jahre von Lager zu Lager, von Erniedrigung zu Erniedrigung, von Gemeinheit zu Gemeinheit gezerrt zu werden. Die Herrschaft des Stalinismus, im GULAG ausgeprägt, zerstörte nahezu jeden marxistischen Denkansatz und vor allem Menschen in der Sowjetunion.

Hamburger erzählt eindringlich vom alltäglichen Hunger als Disziplinierungsmoment, vom Regime der Kriminellen im Lager, von den wenigen Freundschaften, die er schloss und die immer nur so lange Bestand hatten, bis er selbst oder der Freund mal wieder in ein anderes Lager versetzt wurde. Einmal erlebt er in einem der Arbeitsgefängnisse sogar einen Moment der Liebe: Fatma, die schöne Frau aus dem Iran, ebenfalls eine „Politische“ gibt dem verlorenen Mann eine kurze Zeit schmerzlicher Zärtlichkeit, überschattet von der Trennung durch die nächste Deportation.

Doch trotz aller Repression: Rudolf Hamburger, der eher zarte Intellektuelle aus gutbürgerlichem Haus, lässt nicht ab vom Nachdenken über eine bessere Welt für alle: „Aufgeben, das ist der Tod. Hat das Volk in höchster Gefahr gegen den Erzfeind der Menschheit, den Faschismus, aufgegeben? Aus der Asche der schrecklichsten aller Kriege wird ein neuer Geist entstehen, der Härten und Unrecht von heute austilgen und auch uns Unterdrückten einen Platz im Leben zuweisen wird.“ Mitten im Hunger, im Elend ist Hamburger in der Lage sogar über die brutalen Kriminellen zu reflektieren und ihnen in einem besseren System, von dem er glaubt, dass es kommen wird, eine Chance auf Besserung zuzusprechen.

Wir verdanken dem Sohn des Autors, dem Shakespeare-Übersetzer Maik Hamburger, die Edition des berührenden Lager-Berichtes. Hamburger, in Shanghai geboren, gehört dem verzweigten Clan der Kuczinskys an, seine Mutter ist die berühmte „Sonja“, die der sowjetischen Armeeaufklärung die Atom-Unterlagen von Klaus Fuchs übermittelte. Der Sohn des Autors war nicht selten mit seinem Vater, einem wichtigen Architekten der DDR, im Streit über Formen der DDR-Herrschaft und trägt mit seinem klugen, warmherzigen Nachwort sehr zum Verständnis des Hamburgerschen Lebensweg bei.

Erst als Michael Gorbatschow einen Teil der sowjetischen Archive öffnete, als politische Häftlinge in der Sowjetunion rehabilitiert wurden, brachen auch manche ehemalige politische Gefangene ihr Schweigen. Der neue „Papst“ hatte es ja erlaubt. – Dort, wo die alte Gläubigkeit in den vielen Fraktionen der Linken dem Wissen gewichen ist, wo die Bereitschaft existiert sich dem schweren Erbe der sozialistischen Deformation zu stellen, nur dort hat ein neuer Sozialismus eine Chance, so gering sie auch erscheinen mag. Rudolf Hamburgers „Zehn Jahre Lager“ leistet dazu einen wesentlichen Beitrag. Nur mit dieser Offenheit kann „Das Gewöhnliche zum Wunderbaren werden“, so lautet der letzte Satz in einem Bericht, der aus dem Unmenschlichen kommt und doch nie das Menschliche verloren hat.

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Fotoquelle: Wikipedia – Author Wulfstan

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Weihnachten auf Mallorca

Erstellt von Redaktion am 23. Dezember 2013

Sie scheißen auf die Armut

Autor: U. Gellermann

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Datum: 23. Dezember 2013

Gegerbte Gesichter vor dem Supermarkt in Son Veri Nou: Deutsche Arbeitslose, Menschen, deren Traum vom ewigen Sommer auf Mallorca gescheitert ist, warten darauf, den Einkaufswagen vom Auto der Käufer wieder an den Stellplatz zu fahren. Das bringt einen Euro. Son Veri Nou ist kaum 20 Auto-Minuten von Palma, der Hauptstadt der Insel, entfernt. Der kleine Ort ist vollgestellt mit Protzkästen am Meer: Die größeren kosten um fünf, sechs Millionen, kleinere sind schon für zwei Millionen Euro zu haben. Man lässt peruanische Dienstmädchen einkaufen. Die haben selbst nicht genug, um den Arbeitslosen etwas abzugeben. Die, die abgeben könnten, zumeist Immobilienspekulanten, wohnen im Winter nicht auf der Insel. Zu kalt. Zu wenig mondän. Man lebt in Madrid oder Barcelona.

Eine goldglänzende Sonne beleuchtet die pittoreske Altstadt von Palma. Es geht auf Weihnachten zu. Blechern dringt der internationale Weihnachtsmusik-Terror aus den Lautsprechern an der Plaza Major: „I´m dreaming of a white Christmas“. Ein Weihnachtsmarkt sucht verzweifelt nach Kunden. Um die tausend Krippenfiguren werden angeboten. Die Geburt Jesu steht, wie jedes Jahr, vor der Tür. Ochs, Esel, Maria, Josef: Alle und alles sind in allen Größen im Angebot. Auch der „Caganer“ ist zu haben, die Bauernfigur aus dem 18. Jahrhundert, mit heruntergelassenen Hosen, scheisst in einer Ecke auf den Krippenboden. Immer schon haben die Katalanen und die Leute auf den Balearen diese Figur mit Gesichtern ihrer Politiker versehen. In den letzten Jahren taucht neben dem spanischen Ministerpräsident Mariano Rajoy immer häufiger der Kopf der Dame Merkel auf. Die heruntergelassenen Hosen stehen ihr.

Jeden Tag, so berichtet das deutschsprachige „Inselradio“, werden vier Zwangsräumungen allein in Palma exekutiert. Vor ein paar Tagen hat ein Mann in der Calle Francisco Fiol y Juan versucht, sich das Leben zu nehmen, weil er exmittiert werden sollte. Er war nicht der erste, er wird nicht der letzte sein. In ganz Spanien stehen 350.000 Hausbesitzer vor der Zwangsräumung. Weil sie ihre Kredite nicht bedienen können. Während die Dame Merkel und andere Schönschwätzer behaupten, die EU würde sich von der Krise erholen, steigt zum Beispiel in Spanien die Zahl der Kreditausfälle. Seit Beginn der Krise haben mehr als vier Millionen Menschen ihre Arbeit verloren. Und der Internationale Währungsfonds teilt mit, dass die spanische Arbeitslosenquote nicht vor 2018 unter 25 Prozent sinken wird. Es wird ein teurer Kaffeesatz sein, aus dem die Experten lesen.

Die Deutschen wähnen sich, im Vergleich zu den Südländern, in einem Land der Seeligen. Warum nur? Im vergangenen Jahr gab es 25.000 gerichtlich registrierte Zwangsräumungen in Deutschland. Weitere 40.000 Räumungen wurden ohne Erlaubnis der Gerichte durchgeführt. Wer die Miete oder die Kredite nicht zahlen konnte, verließ noch während des Verfahrens seine Wohnung. Nicht selten wurde nachgeholfen. Ganze Regionen veröden, sagt der Paritätische Wohlfahrtsverband in seinem jüngsten Armutsbericht. Mit einer 15,2-prozentigen Armutsquote, so der Bericht, „ist 2012 ein neuerliches, trauriges Rekordhoch erreicht.“ Gleichzeitig wächst, ob in Spanien oder Deutschland, der Reichtum der Reichen.

Man muss nicht nach Spanien fahren, um die Ursachen der wachsenden Armut zu erkennen. Der jüngste Koalitionsvertrag von CDU und SPD verzichten auf jede Steueranhebung bei den Superreichen. Der Winter der sozialen Kälte breitet sich aus in Europa. Und den Berufseuropäern fällt dazu nichts anderes ein, als die jeweiligen Haushalte auf Kosten der Ärmsten zu sanieren. Ob Angela Merkel oder Mariano Rajoy: Sie scheissen auf die Armut. Und wenn ihnen nicht in den entblößten Arsch getreten wird, dann scheißen sie auch noch morgen.

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Fotoquelle: DL/privat

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Die Banken-Revolution

Erstellt von Redaktion am 20. Dezember 2013

Ein Jackpot will geknackt werden

Autor: U. Gellermann

Rationalgalerie

Datum: 19. Dezember 2013

Es war schon dunkel in Brüssel als sich die 28 Verschwörer in einem der hinteren EU-Räume die Hände rieben und Wolfgang Schäuble das Ergebnis ihrer geheimen Beratung zusammenfasste: „Wir revolutionieren den Finanzsektor“, rief der deutsche Kassenverwalter in die Runde. Kaum unterdrückte Erregung prägte seine Stimme. Einzelne Bravorufe der versammelten europäischen Finanzminister stimmten dem Mann aus Berlin zu. Am anderen Tag sollten die europäischen Regierungschef dem revolutionären Aufruf des 28er Rates nur noch zustimmen müssen. Lange genug hatte man gewartet, vor den deutschen Wahlen sollte niemand beunruhigt werden. Aber jetzt, jetzt kommt sie schon, die Revolution.

Wer nun gedacht hatte, die Verschworenen hätten – schwarze Fahnen in der Hand – ein paar Banken besetzt oder geschlossen oder ein wenig angezündet, der sah sich enttäuscht. Man will einen „Fond“ gründen. In diesen Topf sollen die europäischen Banken dann mehr als 50 Milliarden einzahlen. Und wenn dann wieder eine Bank pleite geht, dann möchte man schon aus diesem Topf, wenn er denn mal gefüllt sein wird, die kaputte Bank sanieren. Und damit nur ja keine revolutionäre Hast ausbricht, wird der Topf, Euro-Tröpfchen für Euro-Tröpfchen, in zehn Jahren gefüllt sein. Bis dahin geht natürlich keine Bank pleite. Aber im Jahr 2024, wenn Schäuble und die anderen Revolutionäre längst die Tantiemen ihres Aufstandes gegen die Macht der Banken verzehren, dann geht es los mit dem Revolutions-Topf.

Nicht nur, dass die geplante Banken-Eigenrettung in eine ferne Zukunft geschoben wird. Im Banken-Jackpot wird dann auch gerade mal so viel Geld sein, um zwei mittlere irische Banken zu retten. Und wenn doch eine Bank vorher Geld haben will, oder wenn es deren drei oder vier sind? Dann tritt der bewährte Europäische Rettungsschirm in Kraft oder die Europäische Zentralbank als Retter auf. Also der Steuerzahler. Wie schön, dass die Revolutionsminister gleich auch einen neuen Rat gegründet haben: Ein Gremium aus nationalen Bankaufsehern und EU-Vertretern wird künftig über die Vergabe der Topfmittel entscheiden. So wird die EU unvermittelt zur europäischen Räterepublik. Im sechsten Jahr nach Lehman Brothers: Fürchtet euch, Bank-Konzerne!

So viel revolutionäre Energie! Und alles nur, weil im Mai die Wahlen zum Europa-Parlament abgehalten werden. Soll der blöde Wähler doch denken, die Bankenkrise sei gelöst. Die Fahne der von Schäuble ausgerufenen Revolution soll zudem all das Elend überdecken, das die Bankenrettung vor allem im Süden Europas ausgelöst hat: Selbstmorde, Obdachlosigkeit, Krankheit. Es wäre an der Zeit jene Revolution zu erwägen, die den eigentlichen Jackpot knackt. Die den Banken die Macht der Spekulation nimmt, die Ihre Gewinne dem öffentlichen Wohl zuführt und das Zocken beendet. Aber solange Wähler nichts tun als wählen, solange sie sich mit Ersatz-Revolutionen abspeisen lassen, solange wird die Verschwörung zugunsten der Banken ihren Lauf nehmen.

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Fotoquelle: Wikipedia – Author © Ralf RoletschekFahrradtechnik und Fotografie

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