Seicht, seichter, Huffington Post
Erstellt von Gast-Autor am 15. Oktober 2013
Die Online-Variante der Illustrierten GALA
Die Gala für den Magen ?
Autor: Sven Weidner
Datum: 14. Oktober 2013
Die Schauspielerlegende Helene Weigel – liiert mit Brecht, Intendantin des Berliner Ensembles und fester Bestandteil seines Theaters – ist in einer kontroversen Diskussion aufgestanden und rief aus: „Ich möchte was zu essen!“. Die ihr dargebotenen Argumente waren ihr zu lau, zu durchsichtig, zu allgemein. Kurzum: kaum plausibel. Schaut man sich das seit Donnerstag dieser Woche auf deutsch erscheinende Online-Magazin Huffington Post an, bekommt man eine Menge zu essen: es ist aber überwiegend, nein ausschließlich journalistischer Fast-Food, aufgewärmt, fantasielos, irreführend, dumm-manipulativ und suggestiv. Und vor allem geklaut und alles andere als fundiert recherchiert.
Seit Wochen tragen die Macher und Organisatoren jene Namen grell und penetrant durch die Medienlandschaft, die schon für die amerikanische Ausgabe des Online-Portals die Feder ergriffen haben: Barack Obama, Kirk Douglas, Hillary Clinton oder George Clooney haben schon Beiträge geliefert, Man befindet sich also in bester Gesellschaft. Ein buntes, ja attraktives Name-Dropping, das aber noch schöner wird, wenn man die Liste der deutschen Lobbyprominenz und E-Prominenz beäugt, die sich mit kostenlosen Beiträgen für das Qualitätsportal verdient machen: Ursula von der Leyen (ihr Beitrag „Anders arbeiten“ ist pure Unions-Propaganda), René Obermann, Boris Becker, Uschi Glas, Dorothee Bär bilden neben einigen anderen den gemischten Promi-Salat für eine Online-Variante der Illustrierten GALA.
Im Falle von Becker oder Glas muss man Nachsicht haben: bevor sie völlig versinken im Nichts, oder ausschließlich dumme Serien oder Werbeaufträge annehmen, denken sie halt, dass sie die Menschheit mit ihrem Erfahrungsschatz behelligen müssen. Warum aber von der Leyen und Obermann beispielsweise, die ohne wenn und aber handfeste Interessen vertreten, ein Magazin als Podium nutzen können, wo sie redaktionell nicht kritisch hinterfragt, ihren Käse verbreiten können, muss schon diskutiert werden.
Denn auf den ersten Blick, und dank der überbordenden Aufmachung ist für den Leser nicht sofort unterscheidbar, welche Texte nun von der Redaktion und welche von irgendwelchen Profilneurotikern verfasst worden sind. Die linke Spalte ist laut den Machern als „Engagement Platform“ konzipiert. Ein anglisierter, wendiger und verschleiernder Euphemismus für die Tatsache, das Hinz und Kunz zu allem und jedem irgendwas verzapfen, und spiralförmig, wie end- und sinnlos ohne Mehrwert rekommentieren kann.
Aber auch die mittlere und rechte Spalte, die jeweils von der Redaktion zusammengetragenen, oder eigens verfassten Beiträge –so recht weiss man nicht was was ist- enthält, sind auf Unterhaltung und billigen Thrill und Klatsch angelegte Versatzstücke. Als Medien- und Filmwissenschaftler hat der Verfasser vergebens eine Rubrik gesucht, die vielleicht mit „Film“, „Medien“ oder „Kino“ übertitelt ist. Nein, unter der Rubrik „Entertainment“ findet man dann einen üblen wie oberflächlichen Beitrag mit dem Titel „Die heißesten Serien für den Sofa-Herbst“. Das sind spätachziger Formulierungen, die man auf irgendwelchen schon verwelkten Boulevarblättern in einer biederen niederschwäbischen Arztpraxis finden kann. Von „Kulturjournalismus“ haben die angeblich „sehr gut bezahlten“ 15 Redakteure, die an der deutsche Ausgabe des Magazins arbeiten, keinen blassen Schimmer. Interessant auch, dass man nichts über die Textverfasser erfährt, also nicht wissen kann, ob sie vormals in irgendeiner Form journalistisch befasst waren, oder nackig auf einem Berg in Mexiko meditiert haben, bis die Erleuchtung von Miss Huffington über sie hereinbrach.
Das Magazin ist auf pures Entertainment – mit einem Anstrich von Infotainment – gebürstet, was schon in der grafischen Anordnung evident wird. Aufgedunsene Überschriften komplementär in rot oder grün abgesetzte Head- and Sublines, mit großspurigen Versalien sind die unästhetischen eye-catcher, reißerischer Artikel. Artikel, die nicht lange währen und schnell wieder verschwinden, denn über ihre Überlebensdauer entscheidet allein das Interesse des Lesers. Ziel ist es möglichst abertausende Beiträge auf der Plattform zu versammeln: Mit der scheinheiligen Begründung umfassend wirken zu wollen.
Ariana Huffington, Gründerin des Magazins, die auftritt wie eine versprengte Sektenführerin oder die milde Form einer Tea-Party Anhängerin, sieht samt ihrer Entourage in dem neuen Portal ein innovatives Neben- und Miteinander von Medienpartizipation, Unterhaltung und Information. Ihre Blogger, die bei weitem und mit großem Abstand den Löwenanteil der Beiträge verfassen, schreiben umsonst. Die Dame ist der Auffassung, dass alleine die Möglichkeit einer weitgehenden Bekanntmachung des Textes schon Lohn genug sind. Freilich kann die selbsterklärte Massenmedienqueen das locker flockig formulieren, hat sie doch Anteile des Unternehmens für satte 315 Millionen Dollar an AOL verkauft. Sowie es den Bloggern nicht um Geld gehen sollte, so geht es auch Frau Huffington mitnichten darum, und schon gar nicht der Burda Verlagsgruppe, die kräftig mitmischt, und unter deren Ägide hier in Deutschland die Huffington Post firmiert.
Das Magazin ist ein Podium für Aufmerksamkeitsneurotiker, für jene die sich an schlecht-geschriebenen Halbwahrheiten nicht stören; es ist nicht einmal neuer Wein aus alten Schläuchen; das Portal bedient die pathologischen Geltungssucht neurotischer Individuen, die ihr defizitäres Ego durch irgendeinen unheilvollen Quatsch, sowohl auf Sender wie Empfänger Seite zu kompensieren versuchen; immerhin kann man an diesem Portal sehr gut ablesen, wie um die Medien, und die Medienschaffenden bestellt ist. Sie sind mutlos, sie verwechseln Klasse mit Masse, sie sehen im wilden, unstrukturierten Durcheinander des medialen Meinungspluralimus einen Fortschritt. Und so bleibt das scheinbar neue Internet-Magazin doch nur seicht, seichter, Huffington Post.
Grafikquell : Wikipedia Protest outside of Huffington Post luncheon
Date | |
Source | Protest outside of Huffington Post luncheon |
Author | Jayel Aheram from Los Angeles, Calif. |
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