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Folgen des Arabischen Frühlings

Erstellt von DL-Redaktion am 29. Dezember 2015

Der Effekt von Schmetterlingsschlägen

von Karim el Gawhary

Mohamed Bouazizis Selbstverbrennung 2010 war ein Signal des Aufbruchs. Das zeigt – trotz vieler Rückschläge – immer noch Wirkung.

Vor fünf Jahren, am 17. Dezember 2011, zündete sich der tunesische Straßenhändler Mohamed Bouazizi selbst an. Im übertragenen Sinne war die verzweifelte Aktion des Gemüsehändlers ein Flügelschlag, der den arabischen Frühling mit all seinen Folgen ausgelöst hat.

Der amerikanische Mathematiker und Meteorologe Edward Norton Lorenz hatte mit seiner berühmten Frage „Kann ein Schmetterlingsschlag in Brasilien einen Tornado in Texas auslösen“, die Theorie des „Schmetterlingseffekts“ begründet. In einem empfindlichen, instabilen System können kleine Abweichungen in den Anfangsbedingungen enorme Folgen nach sich ziehen. Und instabil war das arabische System.

In der Tat hat der Sturz der arabischen Diktatoren auch in Europa mit der Flüchtlingskrise und den Anschlägen in Paris und anderen Orten einen Tornado ausgelöst. Der Effekt von Schmetterlingsschlägen kennt offensichtlich keine Grenzen, das müssen auch jene erkennen, die in Europa immer noch hoffen, sich abschotten zu können. Denn ob wir wollen oder nicht, die europäischen und arabischen Staaten sind eine Schicksalsgemeinschaft. In unserer benachbarten arabischen Welt liegt unsere größte Tankstelle, dort entscheiden sich Fragen, die die europäische Sicherheit betreffen, dort wird die Verzweiflung als wesentliches Motiv immer größer sein als der höchste Abwehrzaun.

„Al-Gar aham min al-Dar – Der Nachbar ist wichtiger als das Haus“, lautet ein arabisches Sprichwort. Will heißen, wenn du eine Wohnung suchst, schau dir zuerst an, neben wem du einziehen möchtest. Das Problem ist, dass das europäische Haus und die arabische Nachbarschaft eine feste geografische Größe ist, deren Mietvertrag sich nicht kündigen lässt.

 Oft blutig und brutal

Bouazizi hat einen Prozess in die Wege geleitet, in dem die gesamte arabische Welt in zunächst hoffnungsvolle Bewegung geraten ist. Dann hat er auch Bürgerkriege wie in Syrien oder im Jemen, Staatsauflösungen wie in Libyen und vermehrte Unterdrückung wie in Ägypten verursacht. Überall werden die Gesellschaftsverträge und politischen Grundlagen derzeit neu ausgehandelt. Nicht, wie anfangs gehofft, auf friedliche, demokratische Weise, sondern oft blutig und brutal. Das Wegziehen des Deckels hat Konflikte ausbrechen lassen, die unter der Oberfläche schon lange gebrodelt haben, etwa der Streit über die Rolle von Religion in Staat und Politik. Es sind Konflikte, die ausgetragen und ausgehandelt werden müssen. Ein Ende dieses Prozesses, der Jahre dauern wird, ist nicht abzusehen.

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Fotoquelle: Wikipedia – Author Ramy Raoof –/– CC BY 2.0

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Trauer in einem Dorf am Nil

Erstellt von DL-Redaktion am 26. November 2015

Beerdigung eines Pariser Anschlagsopfers

von Karim El-Gawhary

Verwandte und Nachbarn trauern in Ägypten um einen in Paris erschossenen jungen Mann. Die Trauer kennt keine Grenzen in der globalisierten Welt.

Es ist ein emotional hoch aufgeladener Moment, als nachts ums zwei mehrere tausend Bewohner durch das ägyptische Dorf Bana Abu Nuseir ziehen. „Der Märtyrer ist der Freund Allahs“, rufen sie und legen das islamische Glaubensbekenntnis nach: „Es gibt nur einen Gott und Mohammed ist sein Prophet.“

Viele Bärtige sind unter den Männern, die meisten mit Galabijas, langen Beinkleidern. Die Frauen stehen in den Türeingängen, alle tragen ein Kopftuch, manche haben ihr Gesicht gar ganz verschleiert. Ein junger Mann fällt in Ohnmacht, er wird davongetragen. Und wieder rufen sie es, fast schon hysterisch: „Es gibt nur einen Gott.“ Und wieder skandieren sie die Liebe Gottes zu den Märtyrern.

Die französische Hauptstadt ist weit entfernt, die Pyramiden näher als der Eiffelturm. Und dennoch geht es hier, mitten in der Nacht unter dem zunehmenden Halbmond über dem Nildelta, um die Anschläge von Paris. Aber das ist keine Demonstration, um jene Terroristen als Märtyrer zu feiern, die in Paris, laut eigener Behauptung, im Namen der Religion gemordet haben. Hier wird einem der Opfer von Paris bei einem islamischen Begräbnis die letzte Ehre erwiesen.

Am Abend war die Leiche Saleh El-Gebalis in seinem Heimatort angekommen. Nachdem sie die Pariser Behörden endlich freigegeben haben, ging es mit dem Flugzeug nach Kairo und von dort weiter mit dem Autokorso nach Bana Abu Nuseir, einem 20.000-Seelen-Ort, der drei Autostunden über holprige Wege nördlich der ägyptischen Hauptstadt liegt.

Der 28-jährige Saleh war in Paris einfach zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort. „Er war von einem tunesischen Freund ins ‚La Belle Equipe‘ zum Essen eingeladen worden, jenem Restaurant, an dem die Attentäter 19 Menschen erschossen haben“, erzählt Mahmud El-Naggar. Der Schwager Salehs arbeitet ebenfalls in Paris und war bei der Überführung der Leiche dabei. Saleh habe mit dem Tunesier und einem marokkanischen Freund zusammengesessen, als die Schießerei losging. „Der Marokkaner bekam einen Schuss ins Bein ab. Der Tunesier hatte zwei Kugeln im Körper. Beide überlebten. Saleh war gleich als Erster tödlich getroffen worden, bevor die anderen losliefen. Ich habe das alles von seinem marokkanischen Freund erfahren“, erzählt Mahmud.

„Ich möchte den europäischen Lesern sagen, die, die das getan haben, dürfen sich nicht Muslime nennen oder den Namen ihrer Religion missbrauchen“, sagt Schaker Gebali nach der Beerdigung. Dem Cousin des Toten stehen die Tränen in den Augen. „Das müssen die Europäer unbedingt wissen. Wir haben einen der besten und wertvollsten Menschen in unserem Dorf verloren und er war Muslim“, betont er.

„Dieser Terrorakt hat nichts mit Islam zu tun“

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Fotoquelle: Wikioedia – Urheber Al Jazeera English — / — CC BY-SA 2.0

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Die Familie der Mächtigen

Erstellt von DL-Redaktion am 16. Januar 2015

Die Familie der Mächtigen

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Kein Familientreffen in Palermo sondern in Paris. Frauen ohne Hals, Gott erhalt`s.

Es ist erst ein paar Tage her, dass sich eine Rotte politischer Narren in Paris zusammenfand um eingehakt Ihre Einigkeit zu demonstrieren.  Wie aus der Presse verlautet soll sich auch ein Vertreter der Saudisch Arabischen Regierung an dieser Demo beteiligt haben. Er fand Einlass in diese Kette der erlauchten Welten Führer welche für einen Tag alle gemeinsam Charlie sein wollten.

Vergleichbar ist diese Menschenkette auch mit einer Wagenburg zu der sich vor mehreren Generationen die neuen Siedler in Amerika zusammen schlossen um ihr eindringen gegen die aufsässigen Einheimischen zu verteidigen. Auch die moderne Trutzburg ist sich sicher einig in der Verteidigung Ihrer Macht und den damit verbundenen finanziellen Pfründen. Die Waffenlieferanten  sind doch auf diese Gegenseitigkeit angewiesen.

Wird wohl einer der Herrschenden den Vertreter aus Saudi Arabien den Zugang zu dieser Kette verweigert haben? Wird Merkel gefragt haben warum er Charlie verteidigt um es ein paar Tage später zuzulassen das ein 31 jähriger Blogger zu 20 mal 50 Peitschenhieben und 10 Jahre Haft verurteilt wird, da er die Religion kritisierte? Spätestens jetzt wird jeder Leser hier still den Kopf schütteln und denken „Nein, sie hat nicht gefragt“. Das alleine reicht als Hinweis auf die Perversion dieser Veranstaltung vollkommen aus. Oder warum reiste die gesammte Bande nicht gleich in das Scheichtum um dort Ihre Demo fortzuführen? Denn dort könnte ein Leben gerettet werden. Stop – wir vergessen hier dass für eine politische Show nur Leichen die entsprechende Aufmerksamkeit in den Medien bringen.

Heute also wird Raif Badawi in seine Heimat die nächsten 50 Peitschenhiebe über sich ergehen lassen müssen und viele Menschen werden sich gut vorstellen können dass dieser Araber dem Charlie aus Paris ziemlich gleichgültig gegenüber stehen wird, da er heute am eigenen  Leib spüren wird wie viel das Leben eines einfachen Bürger in dieser „demokratischen“ Wagenburg Wert ist. Diese aber haben Ihren Charlie schon lange wieder vergessen und warten auf den nächsten Fototermin um Werbung für sich selber machen zu können, damit die Tränen des Propheten nicht umsonst vergossen wurden.

Die nächsten 50 Peitschenhiebe

VON KARIM EL-GAWHARY

SAUDI-ARABIEN Der Blogger Raif Badawi wird heute wieder ausgepeitscht. Er legte sich mit dem erzkonservativen religiösen Establishment an. Die Herrscher lavieren zwischen radikalen Scheichs und der Reformbewegung

An diesem Freitag ist es zum zweiten Mal so weit: Der saudische Blogger und Aktivist Raif Badawi wird nach den Gebet in Hand- und Fußschellen auf einem der Plätze in der saudischen Stadt Dschiddah vor die Al-Dschafali-Moschee geführt werden. Ein Polizeioffizier wird mit einer Rute hervortreten und wird 50-mal auf den Rücken und die Beine Badawis einschlagen.

 Geht es nach einem saudischen Gericht, wird sich diese Szene an den nächsten 19 Freitagen wiederholen. Es hatte Badawi zu 1.000 Peitschenhieben, 50 pro Woche, und einer Haftstrafe von zehn Jahren verurteilt. Sein Vergehen: Er hat im erzkonservativen Königreich eine liberale Webseite gegründet, in der er immer wieder das religiöse Establishment kritisiert hatte.

Quelle: TAZ >>>>> weiterlesen

Alle sind Charlie. Aber wer hilft Raif Badawi?
Und nun zum Staatsterrorismus

Arabiens repressive autokratische Regime vermarkten sich wieder einmal als die Verteidiger der Religion. In Saudi-Arabien wird Raif Badawi, ein liberaler Blogger und dezidierter Kritiker des erzkonservativen religiösen Establishments, jetzt jeden Freitag auf mittelalterliche Weise brutal ausgepeitscht. In Ägypten wurde am Montag der der Beleidigung der Religion angeklagte 21-jährige Student Karim al-Banna zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, weil er sich in den sozialen Medien als Atheist geoutet hatte.

Quelle: TAZ >>>>> weiterlesen

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