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Die israelischen Trumpess

Erstellt von DL-Redaktion am 14. Mai 2017

Die israelischen Trumpess

Autor : Uri Avnery

WAS WIRD Donald Trump tun, wenn er die Wahlen von jetzt an in anderthalb Wochen verliert, wie die meisten Umfragen ergeben?

Er hat schon erklärt, dass er die Ergebnisse anerkennen wird – aber nur wenn er gewinnt.

Das klingt wie ein Witz. Aber es ist weit entfernt von einem Witz-

Trump hat schon verkündet, dass die Wahl aufgetakelt ist. Die Toten wählen (und all die Toten stimmen für Hillary Clinton). Die Wahl-Komitees sind korrupt. Und die Wahlmaschinen fälschen die Wahlergebnisse.

Nein, das ist kein Witz/ Scherz. Überhaupt nicht.

DAS IST kein Scherz, weil Trump Zig-Millionen Amerikaner vertritt, die der niedrigen Schicht der weißen Bevölkerung angehören, die die weiße Elite den „weißen Abfall“ nennt. In einer höflicheren Sprache werden sie „ die Blau-Kragen-Arbeiter“ genannt und meint damit ungelernte Arbeiter, ungleich den „Weiß-Kragen-Arbeitern“, die in Büros beschäftigt sind.

Wenn die Zig-Millionen Blaukragen-Wähler sich weigern, die Wahlergebnisse anzuerkennen, wird die amerikanische Demokratie in Gefahr sein. Die Vereinigten Staaten könnten eine Bananen-Republik werden, wie einige seiner südlichen Nachbarn, die sich nie einer stabilen Demokratie erfreuten.

Dieses Problem besteht in allen modernen Nation ??-Staaten mit einer ziemlich großen nationalen Minderheit. Die niedrigste Schicht der herrschenden Bevölkerung hasst die Minderheit. Mitglieder der Minderheit verjagen sie aus den unteren Arbeitsplätzen. Und was noch wichtiger ist: die untere Schicht der herrschenden Mehrheit hat nichts, um stolz zu sein, außer dass sie zur herrschenden Schicht gehört.

Die deutschen Arbeitslosen stimmten für Adolf Hitler, der sie zum „Herrenvolk“ und zur arischen Rasse beförderte. Sie gaben ihm Macht und Deutschland wurde bis auf den Grund zerstört.

DER EINE und einzige Winston Churchill sagte das berühmte Wort, dass die Demokratie ein schlechtes System sei. Dass aber all die andern Systeme bis jetzt versuchten ??? , (noch )schlechter zu sein.

Was nun die Demokratie betrifft, so waren die US für die Welt ein ModelL/ Vorbild. Schon in ihren frühen Tagen, zogen sie Freiheits-Liebende von überall an. Vor fast 200 Jahren schrieb der französische Denker Alexis de Tocqueville einen glänzenden Bericht über die „Demokratie in Amerika“.

Meine Generation wuchs mit der Bewunderung einer amerikanischen Demokratie auf. Wir sahen europäische Demokratien zusammenbrechen und im Morast des Faschismus versinken. Wir bewunderten dieses junge Amerika, das Europa in zwei Weltkriegen – aus reinem Idealismus – rettete. Das demokratische Amerika besiegte den deutschen Nazismus und den japanischen Militarismus und später den sowjetischen Bolschewismus.

Unsere kindische Haltung gab einer reiferen Ansicht nach. Wir erfuhren vom Genozid der (Ureinwohner//die eingeborenen Amerikaner und über die Sklaverei. Wir sahen wie Amerika von Zeit zu Zeit von einem Angriff der Tollheit ergriffen wurde wie die Hexenjagd von Salem und die Ära des Joe McCarthy, der unter jedem Bett einen Kommunisten entdeckte.

Aber wir sahen auch Martin Luther King, den ersten schwarzen Präsidenten und jetzt sehen wir wahrscheinlich den ersten weiblichen Präsidenten. Alles wegen dieser amerikanischen Demokratie.

Und nun kommt dieser Mann, Donald Trump, und versucht, die delikaten Bindungen, die die amerikanische Demokratie zusammenhielten, zu zerreißen. Er hetzt Männer gegen Frauen, Weiße gegen Schwarze und Hispanos, die Reichen gegen die Armen. Er sät überall gegenseitigen Hass.

Vielleicht will das amerikanische Volk, diese Plage loswerden und schickt Trump dorthin zurück, wo er herkam –zum Fernsehen. Vielleicht wird Trump wie ein böser Traum verschwinden, wie es McCarthy tat und seine spirituellen Vorfahren.

Lasst uns hoffen. Aber dort ist auch das Gegenteil möglich: dass Trump ein Unglück auslöst, wie es vorher nie gesehen wurde: den Niedergang der Demokratie, die Zerstörung des nationalen Zusammenhalts, das Auseinanderbrechen in Tausend Splitter.

KANN DIES auch in Israel geschehen? Haben wir in Israel ein Phänomen, das mit dem Aufstieg des amerikanischen Trump verglichen werden kann? Gibt es einen israelischen Trump?

Tatsächlich, den gibt es. Aber der israelische Trump ist eine Trumpin.

Sie wird Miri Regev genannt.

Sie ähnelt dem Original Trump in vieler Weise. Sie fordert die Tel Aviver „alten Eliten“ heraus , wie Trump gegen Washington aufstachelt. Sie hetzt jüdische gegen arabische Bürger, Orientalen von östlicher Herkunft gegen Ashkenazim europäischer Herkunft. Die Unkultivierten gegen die Kultivierten. Die Armen gegen alle anderen. Sie zerrt an der heiklen Bande der israelischen Gesellschaft,

Sie ist natürlich nicht die Einzige ihrer Art. Aber sie überschattet alle anderen.

Nach den Wahlen zur 20. Knesset, im März 2015 , und dem Zusammenstellen der neuen Regierung, wurde Israel von einer Bande weit rechter Politiker wie eine Bande hungriger Wölfe überrannt. Männer und Frauen ohne eigenen Charme, ohne Würde, besessen von einem gefräßigen Hunger nach Macht, nach Auffälligkeit um jeden Preis, Leute um ihres persönlichen Interesses willen und sonst nichts. Sie konkurrieren miteinander auf der Jagd nach Schlagzeilen und provozierenden Aktionen.

Zu Beginn waren sie alle gleich – ehrgeizig, hemmungslos. Aber allmählich überholte Miri Regev alle andern. Alles was sie tun kann, konnte sie besser. Für jede Schlagzeile, die von anderen gegrabscht wurde , kann sie fünf grabschen. Für jede Verurteilung anderer in den Medien, erhielt sie zehn. (??)

Benjamin Netanjahu ist ein Zwerg, aber verglichen mit diesem Pulk, ist er ein Riese. Um so zu bleiben, gab er jedem von ihnen einen Job, der ihm oder ihr am wenigsten passte. Miri Regev, eine grobe, vulgäre, primitive Person, wurde Ministerin für Kultur und Sport.

Regev, 51, ist eine gut aussehende Frau von Eingewanderten aus Marokko. Sie wurde als Miri Siboni in Kiryat-Gat geboren, einem Ort , für den ich starke Gefühle habe, weil es hier war, wo ich 1948 verletzt wurde. Damals war es noch ein arabisches Dorf, das Irak-al-Nabshiyeh hieß und wo mein Leben von vier Soldaten gerettet wurde, einer von ihnen wurde Siboni genannt ( Keine Verbindung).

Viele Jahre diente Regev in der Armee als Offizier für Öffentliche Beziehungen, sie kam in den Rang eines Oberst. Es scheint, dass sie eines Tages entschied, öffentliche Beziehungen für sich selbst zu sammeln, lieber als für andere.

Seit ihrem ersten Tag als Kultus-Ministerin hat sie die Medien mit einem ständigen Strom von Skandalen und Provokationen versorgt. Auf diese Weise überholte sie nach und nach all ihre Konkurrenten in der Likud-Führung. Sie können nicht mit ihrer Energie und ihrer Erfindungsgabe wetteifern.

Sie erklärte stolz, dass sie ihren Job als Beseitigung aller Anti-Likud-Leute von der kulturellen Arena ansieht – schließlich war es das, warum der Likud gewählt wurde.

In der ganzen Welt unterstützt die Regierung kulturelle Institutionen und kreative Personen, und ist überzeugt davon, dass Kultur ein lebenswichtiges nationales Gut ist. Als Charles de Gaulle Präsident von Frankreich war, näherte sich ihm einmal einer seiner Polizeichefs mit der Forderung eines Problems , eine Haft für den Philosophen Jean Paul Sartre , wegen seiner Unterstützung der algerischen Freiheitskämpfe. De Gaulle weigerte sich und sagte. „Sartre ist auch Frankreich“.

Nun Regev ist kein De Gaulle. Sie droht Regierungssubventionen von jedem Institut zurückzuziehen, das öffentlich gegen die Politik der Regierung des rechten Flügels ist. Sie verlangt die Streichung des Programmes eines arabischen Rapper, der aus den Werken von Mahmoud Darwish liest, dem von arabischen Bürgern und der ganzen arabischen Welt hochverehrten nationalen Dichter. Sie verlangt die Streichung aller Theater- und Orchester-Aufführungen, die in den Siedlungen der besetzten Gebieten stattfinden, wenn sie ihre Fördermittel behalten wollen.

In dieser Woche gewann sie einen überwältigenden Sieg, als Habima, das „National-Theater“ darin übereinstimmte, in Kiryat-Arba, einem Nest der fanatischsten faschistischen Siedlern, eine Veranstaltung zu geben. In der Tat vergeht kein Tag ohne Nachrichten über einige neue große Taten von Regev. Ihre Kollegen platzen vor Neid.

DIE BASIS des israelischen Trumpismus und Miri Regevs Karriere ist die tiefe Abneigung der Orientalischen – oder Mizrahim-Gemeinde. Sie ist gegen die Ashkenazim, die Israelis europäischer Abkunft gerichtet. Sie werden angeklagt, die Orientalen mit Verachtung behandelt zu haben, indem sie sie „das zweite Israel“ nennen.

Seit jene Rekruten, marokkanischer Abkunft, mein Leben in der Nähe des Geburtsortes von Miri Regev retteten, habe ich viel über die Tragödie der Mizrahi-Einwanderung geschrieben, einer Tragödie, von der ich ein Augenzeuge des ersten Augenblickes bin. Viele Ungerechtigkeiten wurden begangen, meist ohne böse Absichten. Aber die größte Sünde wird selten erwähnt.

Jede Gemeinschaft braucht ein Gefühl des Stolzes, das sich auf frühere Ereignisse gründet. Der Stolz wurde den Mizrahim genommen, als sie nach dem 1948er Krieg ins Land kamen. Sie wurden als Leute behandelt, die keine Kultur hatten; ohne Vergangenheit, Höhlenbewohner aus dem Atlas-Gebirge.

Diese Haltung wurde ein Teil der Verachtung der arabischen Kultur, eine tiefe Verachtung, die in die zionistische Bewegung eines Vladimir( Zeev) Jabotinsky, dem rechts-flügeligen ?? Führer und Vorfahre der Likud-Partei gehört, der in seiner Zeit einen Artikel schrieb „ der Osten“, in dem er seine Verachtung für die orientalische Kultur ausdrückte, für jüdische und arabische, weil ihre Religiosität und Unfähigkeit zwischen Staat und Religion zu unterscheiden – nach ihm eine Barriere zu jedem menschlichen Fortschritt war. Dieser Artikel wird heutzutage selten erwähnt.

Die orientalischen Immigranten kamen in ein Land, das vorherrschend „säkular“ und nicht religiös und westlich (ausgerichtet ??) war. Sie waren auch sehr anti-arabisch und anti-moslemisch. Die neuen Immigranten verstanden sehr schnell, dass sie, um in Israel anerkannt zu werden, die israelische Gesellschaft akzeptieren müssen. Sie müssen ihre religiös-traditionelle Kultur los werden. Sie lernten, sich von allem Arabischen zu distanzieren, wie z.B. ihr Akzent und ihre Lieder. Andernfalls würde es schwierig sein, ein Teil der neuen Gesellschaft dieses Landes zu werden.

Vor der Geburt des Zionismus – einer sehr europäischen Bewegung – gab es keine Feindschaft zwischen Juden und Muslimen. Ganz im Gegenteil. Als die Juden aus dem katholischen Spanien vor vielen hundert Jahren vertrieben wurden, ging nur eine Minderheit und immigrierte ins antisemitische, christliche Europa. Die große Mehrheit ging in muslimische Länder und wurde im ganzen ottomanischen Empire mit offenen Armen empfangen.

Zuvor erreichten die Juden im muslimischen Spanien ihren glücklich krönenden Ruhm, das „ Goldene Zeitalter“. Sie waren in allen Teilen der Gesellschaft und in der Regierung integriert und sprachen arabisch. Viele von ihren Männern waren Literaten und schrieben arabisch und wurden von Muslimen wie auch Juden bewundert. Maimonides, vielleicht der Größte der sephardischen Juden, schrieb arabisch und war der persönliche Arzt von Saladin, dem muslimischen Krieger, der die Kreuzfahrer besiegte. Die Vorfahren dieser Kreuzfahrer hatten Juden wie auch Muslime ermordet, als sie Jerusalem eroberten.

Ein anderer großer Mizrahim-Jude war Saadia Gaon, der die Thora ins Arabische übersetzte usw.

Es würde für orientalische Juden nur natürlich gewesen sein, auf diese glorreiche Vergangenheit stolz zu sein, wie deutsche Juden stolz auf Heinrich Heine waren und französische Juden auf Marcel Proust. Aber das kulturelle Klima in Israel zwang sie, ihr Erbe aufzugeben und nur die Kultur des Westens anzunehmen. (Östliche Sänger waren eine Ausnahme – zunächst bei Hochzeitsfeiern und jetzt als Medienstars. Sie wurden volkstümlich „Mediterrane Sänger“ genannt)

Wenn Miri Regev eine kultivierte Person wäre und nicht nur eine Kultusministerin, dann würde sie ihre beträchtliche Energie dazu verwenden, diese Kultur zu neuem Leben zu erwecken und ihrer Gemeinschaft den Stolz zurück geben. Aber das interessiert sie nicht wirklich. /Und es gibt noch einen anderen Grund.

Die Mizrahi-Kultur ist vollkommen verbunden mit der arabisch-muslimischen Kultur. Es kann Jahrhunderte lang die enge Beziehung zwischen den beiden Kulturen nicht erwähnt werden, ohne dass Muslime und Juden für den Fortschritt der Menschheit sorgten, lange bevor die Welt von Shakespeare und Goethe gehört haben. Ich habe immer geglaubt, dass das Zurückbringen des Stolzes die Pflicht der neuen Generation von Friedens-Liebhabern ?? sei, die aus der Mizrahi-Gesellschaft sich erhoben. In letzter Zeit haben Männer und Frauen aus dieser Gemeinschaft Schlüsselpositionen im Friedenslager erreicht. Ich habe große Hoffnungen.

Sie werden die jetzige Kultusministerin bekämpfen – sie ist eine Ministerin, die nichts mit der Kultur gemein hat und eine Mizrahi -Frau ist, die nichts mit den Wurzeln der Mizrahi gemein hat.

ICH HOFFE auf ein jüdisch-mizrahi Wiederaufleben in diesem Land, weil es den israelisch-arabischen Frieden voranbringt und weil es die verlorenen Verbindungen zwischen den verschiedenen Gemeinschaften in unserm Staat stärken kann.

Als eine nicht religiöse Person ziehe ich die mizrahi-Religiosität, die immer moderat und tolerant gewesen ist, dem fanatisch zionistisch-religiösen Lager vor, das vorherrschend Ashkenazi ist. Ich habe immer Rabbi Ovadia Josef dem Rabbi Kook , Vater und Sohn, vorgezogen. Ich ziehe Arie Der’i Naftali Bennet vor.

Ich verachte Donald Trump und Trumpismus. Ich mag Miri Regev und ihre Kultur nicht.

(dt. Ellen Rohlfs, vom Verfasser….

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Ohne Augen in Gaza

Erstellt von Gast-Autor am 14. September 2014

Ohne Augen in Gaza

Autor Uri Avnery

DAS PROBLEM  mit dem Krieg ist, dass er zwei Seiten hat.

Alles würde so viel leichter sein, wenn der Krieg nur eine Seite hätte. Natürlich die unsrige.

Da bist du und heckst einen wunderbaren Plan für den nächsten Krieg aus, bereitest ihn vor, trainierst für ihn, bis alles perfekt ist.

Und dann beginnt der Krieg, und zu deiner größten Überraschung scheint es auch eine andere Seite zu geben, die auch einen wunderbaren Plan hat, sich vorbereitet und trainiert hat.

Wenn sich die beiden Pläne treffen, geht alles falsch. Beide Pläne brechen zusammen. Du weißt nicht, was sich ereignet. Wie sollst du weitermachen? Du machst Dinge, die nicht geplant waren. Und wenn du genug davon hast, willst du hinaus und weißt nicht wie. Es ist um vieles schwieriger, einen Krieg zu beenden, als ihn anzufangen, besonders, wenn beide Seiten den Sieg erklären müssen.

Da sind wir jetzt.

WIE HAT er angefangen? Das hängt davon ab, wo man anfangen will.

Wie alles andere  ist jedes Ereignis in Gaza eine Re-Aktion auf ein anderes Ereignis. Man tut etwas, weil die andere Seite etwas getan hat.  Und die tut etwas, weil man etwas tat. Man kann  dies  entwirren bis zum Beginn der Geschichte oder wenigsten bis Simson, dem Held.

Man erinnere sich an Simson, der von den Philistern gefangen genommen, geblendet und nach Gaza gebracht wurde. Dort beging er Selbstmord, indem er den Tempel auf sich herunterriss, und rief: „Lasst meine Seele mit den Philistern sterben!“ (Richter 16,30)

Wenn das zu lange zurück liegt, beginnen wir mit dem Anfang der gegenwärtigen Besatzung 1967.

(Davor gab es noch eine vergessene Besatzung. Als Israel den Gazastreifen und den ganzen Sinai im Laufe des 1956er-Suez-Krieges eroberte, erklärte David Ben Gurion  die Gründung des „Dritten Israelischen Königreiches“, um nur wenige Tage später mit gebrochener Stimme zu verkünden, dass er Präsident Dwight Eisenhower versprochen hatte, sich von der ganzen Sinai-Halbinsel zurückzuziehen. Einige israelische Parteien drängten ihn, wenigstens den Gazastreifen zu halten, aber er weigerte sich. Er wollte keine hundert Tausende  Araber mehr  in Israel  haben.)

Einer meiner Freunde erinnerte mich an einen meiner Artikel, den ich zwei Jahre nach dem Sechs-Tage-Krieg geschrieben hatte, in dem wir Gaza noch einmal besetzten. Ich hatte grade herausgefunden, dass zwei arabische Straßenbauer, einer von der Westbank und der andere vom Gazastreifen genau dieselbe Arbeit machten, aber verschiedene Löhne bekamen. Der Mann aus Gaza bekam weniger.

Als Mitglied der Knesset forschte ich nach. Ein hochrangiger Beamter erklärte mir, dass dies ein politischer Entschluss wäre. Der Zweck war, die Araber dahin zu bringen, den Gazastreifen zu verlassen und in der Westbank  (oder sonst wo) zu siedeln, um die 400 000 im Gazastreifen lebenden Araber, meistens Flüchtlinge aus Israel, zu zerstreuen. Offensichtlich ging das nicht so gut – nun leben dort ungefähr 1.8 Millionen.

Im Februar 1969  warnte ich, „(dass  wenn wir so weitermachen)  wir vor einer schrecklichen Wahl stehen werden –  an einer Welle von Terror leiden, die das ganze Land überzieht oder mit Aktionen von Rache  und Unterdrückung  zu reagieren, die so brutal sein werden, dass sie unsere Seelen korrumpieren  und die ganze Welt dahin bringt, uns zu verurteilen.“

Ich erwähne dies nicht (nur), um mein eigenes Lob zu singen, sondern zu zeigen, dass jede vernünftige Person hätte voraussehen könnem, was heute geschieht.

ES BRAUCHTE für Gaza eine lange Zeit, um diesen Punkt zu erreichen.

Ich erinnere mich an einen Abend in Gaza Mitte der 90er-Jahre. Ich war zu einer palästinensischen Konferenz (über Gefangene) eingeladen worden, die mehrere Tage dauerte. Meine Gastgeber luden mich ein, mit Rachel in einem Hotel an der Küste zu übernachten. Gaza war damals ein netter Platz. Am späten Abend machten wir einen Spaziergang durch die Hauptstraße. Wir hatten freundliche Gespräche mit Leuten, die uns als Israelis erkannten. Wir waren glücklich.

Ich erinnere mich auch an den Tag, als die israelische Armee sich aus dem größten Teil des Streifens  zurückzog. In der Nähe von Gazastadt stand ein riesiger israelischer Wachturm, viele Stockwerke hoch, „so dass die israelischen Soldaten in jedes Fenster in Gaza schauen konnten“. Als die Soldaten gingen, kletterte ich bis in die Spitze, vorbei an Hunderten glücklicher Jungs, die rauf und runter gingen  wie die Engel auf der Leiter in Jakobs Traum in der Bibel.  Wieder waren wir glücklich.

Das war die Zeit, als Yasser Arafat, Sohn einer Familie aus dem Gazastreifen, nach Palästina zurückkehrte und sein Hauptquartier in Gaza hatte. Ein wunderschöner neuer Flughafen wurde (mit deutschen Geldern) gebaut. Pläne für einen großen neuen Seehafen  wurden herumgereicht.

(Ein großer holländischer Hafenbaubetrieb  wandte sich diskret an micht und bat mich, meine guten Beziehungen zu Arafat zu nützen, damit er ihnen den Job geben würde. Sie deuteten eine sehr große Gratifikation an. Ich weigerte mich höflich. Während all der Jahre,  die ich Arafat kannte, bat ich ihn nie um eine Gunst. (Ich denke, dass dies die Grundlage unserer ziemlich seltsamen Freundschaft war.)

Falls der Hafen gebaut worden wäre, wäre Gaza ein blühender  Handelsplatz geworden. Der Lebensstandard wäre steil angestiegen, die Neigung der Leute für eine radikal islamische Partei wäre geringer geworden.

WARUM GESCHAH das nicht? Israel weigerte sich, den Hafenbau zu genehmigen. Im Gegensatz zu einer klaren Verpflichtung im 1993er-Oslo-Abkommen, schnitt Israel alle Verbindungen zwischen dem Gazastreifen und der Westbank ab. Das Ziel war, jede Möglichkeit für den Aufbau eines lebensfähigen palästinensischen Staates zu verhindern.

Ministerpräsident Ariel Sharon evakuierte  mehr als ein Dutzend Siedlungen entlang der Gazaküste. Einer unserer Slogans vom rechten Flügel heißt: „Wir evakuierten den ganzen Gazastreifen, und was bekamen wir dafür? Qassam-Raketen!“ Also  können wir die Westbank nicht aufgeben.

Aber Sharon  gab den Streifen  nicht der Palästinensischen Behörde.  Die Israelis sind von der Idee besessen, „einseitig“ zu handeln. Die Armee zog sich aus dem Streifen zurück und hinterließ ein Chaos ohne eine Regierung – ohne ein Abkommen zwischen beiden Seiten.

Gaza versank im Elend. Bei den palästinensischen 2006-Wahlen unter der Aufsicht von Ex-Präsident Jimmy Carter gab die Bevölkerung von Gaza – wie die der Westbank – der Hamas eine relative Mehrheit.  Die Bevölkerung applaudierte.

Die israelische Regierung reagierte, indem sie eine Blockade errichtete. Nur begrenzte Mengen von Waren, die von der Besatzungsbehörde genehmigt wurden, wurden durchgelassen. Ein amerikanischer Senator machte einen Höllenspektakel, als er herausfand, dass Nudeln als ein Sicherheitsrisiko angesehen  und nicht hineingelassen wurde. Praktisch wurde auch nichts herausgelassen – was vom Standpunkt der „Sicherheit“ und des Waffen-„Schmuggels“ unbegreiflich ist, aber vom Standpunkt des Strangulierens des Gazastreifens klar ist.

Der Streifen ist, grob gesagt, 40km lang und 10km breit. Im Norden und im Osten grenzt er an Israel, im Westen grenzt er ans Meer, der von der israelischen Flotte kontrolliert wird. Im Süden grenzt er an Ägypten, das jetzt von einer brutalen anti-islamischen Diktatur beherrscht wird und mit Israel liiert ist.  Wie der Slogan aussagt: Es ist „das größte Freiluftgefängnis der Welt“.

BEIDE SEITEN  behaupten jetzt, es sei ihr Ziel, dieser Situation ein Ende zu machen. Aber sie meinen zwei sehr verschiedene Dinge.

Die israelische Seite wünscht, dass die Blockade bleibt, aber in einer liberaleren Form.  Nudeln und vieles andere soll in den Streifen hineingelassen werden, aber unter strenger Überwachung. Kein Flughafen. Kein Seehafen. Hamas muss an der Wiederbewaffnung gehindert werden.

Die palästinensische Seite  wünscht, dass die Blockade ein für alle Mal verschwindet, auch offiziell. Sie wünschen ihren Hafen und den Flughafen. Sie verweigern nicht eine Überwachung entweder international oder durch die palästinensische Einheitsregierung unter Mahmoud Abbas.

Wie diesen Kreis in ein Quadrat verwandeln, besonders wenn der „Vermittler“  der ägyptische Diktator ist, der praktisch als Agent Israels handelt? Es ist ein Kennzeichen der Situation, dass die US als Vermittler verschwunden ist. Nach den sinnlosen Friedensvermittlungsbemühungen John Kerrys, wird die USA jetzt allgemein im ganzen Nahen Osten verachtet.

Israel kann Hamas nicht „zerstören“, wie unsere halbfaschistischen Politiker (auch in der Regierung)  laut fordern.  Außerdem wünschen sie das gar nicht wirklich. Wenn die Hamas „zerstört“ ist, würde der Gazastreifen  der palästinensischen Behörde  (nämlich Fatah) übergeben werden. Das würde die Wiedervereinigung der Westbank mit Gaza bedeuten – nach all den lang andauernden und erfolgreichen  israelischen Bemühungen, sie zu teilen. Das ist nicht gut.

Falls Hamas bleibt, kann Israel der „Terror-Organisation“ nicht erlauben, zu gedeihen.  Eine Entspannung der Blockade wird nur begrenzt möglich sein – wenn überhaupt. Die Bevölkerung wird Hamas sogar noch mehr schätzen und von Rache für die schreckliche Zerstörung  träumen, die Israel während des letzten Krieges anrichtete. Der nächste Krieg wird schon um die nächste Ecke sein – wie fast alle Israelis sowieso denken.

Am Ende werden wir dort sein, wo wir anfangs waren.

ES KANN keine wirkliche Lösung für Gaza geben, ohne eine wirkliche Lösung für Palästina.

Die Blockade muss enden mit ernsthaften Sicherheitsbedenken auf beiden Seiten in Rechnung gezogen.

Der Gazastreifen und die Westbank (mit Ost-Jerusalem) müssen vereint werden.

Die vier „sicheren Durchfahrtswege“ zwischen den beiden Gebieten – im Oslo-Abkommen versprochen – müssen endlich geöffnet werden.

Dann muss es längst fällige palästinensische Wahlen für die Präsidentschaft und das Parlament geben, mit einer neuen Regierung, die von allen palästinensischen Fraktionen  und von der Weltgemeinschaft anerkannt wird, einschließlich Israel und der USA.

Eine ernsthafte Friedensverhandlung, die  sich auf die zwei-Staaten-Lösung gründet, muss beginnen und innerhalb einer vernünftigen Zeitspanne zum Ziel kommen.

Hamas muss  offiziell  das Friedensabkommen akzeptieren, das bei dieser Vierhandlung erreicht wird.

Israels legitime Sicherheitsanliegen müssen  berücksichtigt werden.

Der Gaza-Hafen muss geöffnet werden, um den Gazastreifen und den ganzen Staat Palästina  in die Lage  zu versetzen, Waren zu importieren und zu exportieren.

Es hat keinen Sinn, eines dieser Probleme getrennt zu „lösen“. Sie müssen gemeinsam gelöst werden. Sie können auch gemeinsam gelöst werden.

Es sei denn, wir wollen von einer Runde zur nächsten gehen, ohne Hoffnung und Erlösung.

„Wir“ –  die Israelis und Palästinenser – die von diesem Krieg gemeinsam umschlungen sind.

Oder  tun, was Simson tat:  Selbstmord begehen.

(Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert)

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Der Mord

Erstellt von Gast-Autor am 29. Dezember 2013

Der Mord

Autor Uri Avnery

VOM ERSTEN Augenblick an hatte ich nicht den leisesten Zweifel daran, dass Yasser Arafat ermordet wurde.

 Es war eine Angelegenheit einfacher Logik.

Auf dem Rückweg von der Beerdigung traf ich zufällig Gamal Zahalka, ein Knesset-Mitglied von der national-arabischen Balad Partei, einen hoch qualifizierten Pharmazeut mit Doktortitel. Wir tauschten unsere Ansichten aus und kamen zu derselben Schlussfolgerung.

Die Untersuchungsergebnisse der Schweizer Experten von letzter Woche bestätigten nur meine Überzeugung.

ZUNÄCHST EINE simple Tatsache: Menschen sterben nicht ohne Grund.

Ein paar Wochen, bevor dies geschah, besuchte ich Arafat. Er schien durchaus bei guter Gesundheit zu sein. Als wir gingen, bemerkte ich zu Rachel, meiner Frau, er scheine mehr auf Draht und aufgeweckter zu sein als während unseres letzten Besuches.

Als er plötzlich sehr krank wurde, gab es keinen offensichtlichen Grund. Die Ärzte im französischen Militärhospital, zu dem er auf Drängen seiner Frau Suha gebracht wurde und wo er starb, fanden keine Erklärung für seinen Zustand. Sie fanden keine Krankheit. Absolut nichts.

Was an sich sehr seltsam war: Arafat war der Führer seines Volkes, der de facto Oberhaupt eines Staates war, und man kann sicher sein, dass die französischen Ärzte keinen Stein auf dem andern ließen, um zu diagnostizieren.

Da blieb nur Strahlung und Gift. Warum wurde kein Gift bei der Autopsie entdeckt? Die Antwort ist einfach: um ein Gift zu entdecken, muss man wissen, nach welchem man sucht. Die Giftliste ist fast unbegrenzt, und die Routinesuche ist auf eine kleine Zahl begrenzt.

Arafats Leiche wurde nicht nach radioaktivem Polonium untersucht.

WER HATTE die Gelegenheit, ihm das Gift zu verabreichen?

Praktisch jeder.

Während meiner vielen Besuche bei ihm, wunderte ich mich immer über die laschen Sicherheitsvorkehrungen.

Bei unserm ersten Treffen im belagerten Beirut wunderte ich mich über sein Vertrauen mir gegenüber. Zu jener Zeit war bekannt, dass Dutzende von Mossad-Agenten und Phalangisten-Spione die Stadt nach ihm durchkämmten. Er konnte nicht sicher sein, dass ich selbst ein verdeckter Mossad –Agent sein könnte oder dass mir einer folgte oder dass ich nicht irgendein Gerät mit mir trug, das den Ort verraten würde..

Später in Tunis war die Sicherheitskontrolle seiner Besucher flüchtig. Die Sicherheitsvorkehrungen des israelischen Ministerpräsidenten sind unermesslich strenger.

In der Mukata’a in Ramallah wurden keine Sicherheitsmaßnahmen hinzugefügt.

Ich hatte mehrmals mit ihm gegessen und wunderte mich wieder über seine Unbekümmertheit. Amerikanische und andere ausländische Gäste, die pro-palästinensische Aktivisten waren (oder so taten, als wären sie es), wurden von ihm frei eingeladen, saßen neben ihm und hätten ihm leicht Gift ins Essen streuen können. Arafat scherzte mit seinen Gästen und fütterte sie oft mit der eigenen Hand mit Fleischstückchen.

Gewisse Gifte benötigen keine Lebensmittel. Ein leichter physischer Kontakt genügt.

DOCH DIESER Mann war einer der bedrohtesten Personen auf der Welt. Er hatte viele Todfeinde; ein halbes Dutzend Geheimdienste waren auf seine Vernichtung aus. Wie konnte er nur so leichtsinnig sein?

Als ich mit ihm demonstrierte, erzählte er mir, er glaube, er stünde unter göttlichem Schutz.

Als er einmal in einer Privatmaschine von Tschad nach Libyen flog, verkündete der Pilot, dass das Benzin ausgegangen sei und sie mitten in der Wüste notlanden müssten. Arafats Leibwächter bedeckten ihn mit Kissen und bildeten einen Ring um ihn. Sie wurden alle getötet; aber er überlebte fast ohne einen Kratzer.

Seitdem wurde er sogar noch fatalistischer. Er war ein frommer Muslim – wenn auch ein unauffälliger. Er glaubte, dass Allah ihm die Aufgabe anvertraut habe: das palästinensische Volk zu befreien.

WER ALSO hat den Mord begangen?

Für mich kann es keinen wirklichen Zweifel geben.

Wenn auch viele ein Motiv hatten, so hatte nur eine Person die nötigen Mittel und einen tiefen und andauernden Hass gegen ihn: Ariel Sharon.

Sharon war wütend, als Arafat ihm in Beirut durch die Finger entwischte. Hier war sein Opfer so nah und so fern. Der arabisch-amerikanische Diplomat Philip Habib brachte es fertig, dass man den PLO-Kämpfern samt Arafat erlaubte, sich ehrenhaft mit allen Waffen aus der Stadt zurückzuziehen. Ich lag auf dem Dach eines Hangars im Beiruter Hafen, als die Jeeps der PLO-Kämpfer mit fliegenden Fahnen zu den Schiffen eilten.

Ich konnte Arafat nicht sehen. Seine Männer versteckten ihn in ihrer Mitte.

Seitdem machte Sharon kein Hehl aus seiner Entscheidung, ihn zu töten. Und wenn er sich zu etwas entschlossen hatte, es zu tun, dann gab er niemals auf. Selbst bei viel kleineren Dingen, wenn sein Plan durchkreuzt wurde, kam er immer wieder auf ihn zurück, bis er Erfolg hatte.

Ich kannte Sharon gut. Ich kannte seine Entschlossenheit. Als ich zweimal das Gefühl hatte, dass sich Sharon seinem Ziel nähere, ging ich mit Rahel und einigen Kollegen in die Mukata’a, um als menschliche Schutzschilder zu dienen. Später befriedigte es uns, in den Zeitungen ein Interview mit Sharon zu lesen, in dem er sich beklagte, dass er nicht in der Lage gewesen sei, den geplanten Mord durchzuführen, weil „einige Israelis dort waren.“.

DIE LIQUIDIERUNG Arafats war mehr als eine persönliche Rache. Es war ein nationales Ziel.

Für Israelis war Arafat die Verkörperung des palästinensischen Volkes, ein Objekt abgrundtiefen Hasses. Er wurde mehr gehasst als jedes andere menschliche Wesen, außer Adolf Hitler und Adolf Eichmann. Der generationen -lange Konflikt mit dem palästinensische Volk war durch diesen Mann personifiziert.

Es war Arafat, der die moderne nationale palästinensische Bewegung ins Leben gerufen hatte, deren oberstes Ziel es war, den zionistischen Traum zu vereiteln: das ganze Land zwischen Meer und Jordan zu besitzen. Er war es, der den bewaffneten Kampf (Terrorismus) führte, und als er sich zu einem friedlichen Abkommen wandte, den Staat Israel anerkannte und das Oslo Abkommen unterzeichnete, wurde er noch mehr gehasst. Frieden war an die Rückgabe von viel Gebieten an die Araber gebunden, und was könnte schlimmer sein?

Der Hass gegen Arafat hatte längst aufgehört, rational zu sein. Für viele war er eine totale physische Zurückweisung, eine tödliche Mischung von Hass, Aversion, Feindschaft, Mistrauen. Seit er in den 60ern auf der politischen Bühne auftauchte, waren Milliarden von Worten über ihn in Israel geschrieben worden. Ich habe wahrlich nie ein einziges positives Wort über ihn gesehen.

Während all dieser Jahre führte eine Armee bezahlter Propagandaschreiberlinge eine unnachgiebige Dämonisierungskampagne gegen seine Person. Jede vorstellbare Anklage wurde gegen ihn vorgebracht. Die Behauptung, dass er AIDS habe, was jetzt wieder in den israelischen verdeckten Propagandabemühungen steckt, sowie die Behauptung dass er Homosexuell sei, wurde schon damals erfunden, um alle homophoben Vorurteile gegen ihn zu mobilisieren. Es ist unnötig zu sagen, es wurde nie ein Beweis darüber vorgelegt. Die französischen Ärzte fanden keine Spur von AIDS.

IST DIE israelische Regierung fähig, sich zu entscheiden, solch eine Tat auszuführen? Es ist eine bewiesene Tatsache, dass sie es ist.

Im September 1997 wurde eine israelische Exekutionsgruppe nach Amman gesandt, um Chalid Mishal, den Hamas Führer, zu ermorden. Das gewählte Mittel Levofentanyl, war ein tödliches Gift, das auch keine Spuren hinterlässt und Wirkungen hervorruft, die wie ein Herzanfall aussehen. Es wurde durch eine leichte physische Berührung am Ohr ausgelöst.

Die Tat war vermasselt. Die Killer wurden von Passanten verfolgt; sie flohen in die israelische Botschaft, wo sie belagert wurden. König Hussein – allgemein ein israelischer Kollaborateur – war wütend. Er drohte damit, die Täter aufzuhängen, wenn nicht das lebensrettende Gegengift sofort geliefert würde. Der damalige Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gab sofort nach und sandte den Mossad-Chef mit dem geforderten Gegengift nach Amann. Mishal wurde gerettet.

2010 wurde ein anderer Trupp mit einem Mordauftrag in ein Hotel nach Dubai gesandt: ein anderer Hamas-Mitarbeiter, Mahmoud al-Mabhouh, war diesmal das Ziel. Sie verpfuschten auch diesen Auftrag – obwohl es ihnen gelang, ihre Beute zu töten, indem sie sie erst mit einem geheimen Gift lähmten und dann erstickten. Auch dieses Gift hinterließ keine Spuren. Sie wurden aber von den Hotelkameras entdeckt und ihre Identität entschlüsselt.

Gott weiß, wie viele nicht vermasselte Morde auf diese Weise ausgeführt worden sind?

Israel ist natürlich nicht allein auf diesem Feld. Zuvor wurde ein russischer Spion, Alexander Litvinenko, schlecht beraten und missfiel Vladimir Putin. Er wurde mit demselben radioaktiven Polonium vergiftet wie Arafat, aber bevor er starb, entdeckte ein aufmerksamer Arzt das Gift. Zuvor wurde ein bulgarischer Dissident vergiftet, indem er mit einem winzigen Pellet berührt wurde, das von einem Regenschirm abgefeuert wurde.

WARUM TÖTETE Sharon Arafat nicht früher? Schließlich waren die palästinensischen Führer sehr lang in seinem Ramallah-Compound belagert. Ich selbst sah, wie israelische Soldaten nur wenige Meter von seinem Büro entfernt waren.

Die Antwort ist politisch. Die USA fürchteten, dass wenn Israel als derjenige angesehen wird, der den PLO-Chef, – für Millionen in der ganzen arabischen Welt als Held betrachtet,- getötet wird, die Region gegen die US-Bush-Regierung explodieren würde. George Bush junior verbot dies. Die Antwort war, dies in einer Weise zu tun, dass es nicht auf Israel hinweisen würde.

Dies war übrigens für Sharon ganz normal. Ein paar Wochen vor der Invasion in den Libanon 1982 erzählte er dem US-Außenminister Alexander Haig von seinem Plan. Haig verbot es ihm – wenn es nicht eine glaubwürdige Provokation geben würde. Siehe da, ein niederträchtiger Mordversuch wurde auf das Leben von Israels Botschafter in London gemacht. Die Provokation war unerträglich, und der Krieg begann.

Aus demselben Grund leugnete die Netanjahu-Regierung jetzt energisch eine Beteiligung an der Ermordung von Arafat. Statt mit Prahlerei über den erfolgreichen Mord behauptet unsere Propagandamaschine, dass die Schweizer Experten inkompetent seien oder gelogen hätten (Wahrscheinlich sind sie alle Antisemiten) und dass die Schlussfolgerungen falsch seien. Ein geachteter israelischer Professor kam mit der Erklärung, alles sei Unsinn. Selbst die alte Geschichte über AIDS wird wieder erzählt.

Sharon in seinem endlosen Koma kann nicht reagieren. Aber seine alten Assistenten sind erfahrene Lügner und wiederholen ihre verlogenen Geschichten.

FÜR MICH ist der Mord an Arafat ein Verbrechen an Israel.

Arafat war der Mann, der bereit war, Frieden zu machen, und in der Lage war, alle Teile des palästinensischen Volkes dahin zu bekommen, ihn zu akzeptieren. Er legte auch die Termine fest: einen palästinensischen Staat mit Grenzen auf der Grünen Linie mit seiner Hauptstadt Ost-Jerusalem.

Dies ist genau, was sein Mord verhindern sollte.

(Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert)

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