Syrien – Ende des Patts
Erstellt von DL-Redaktion am Sonntag 7. Mai 2017
Syrien und das Ende des Patts?
Trump meeting with his national security team after ordering missile strikes in Syria
von Michael Brozska
Der Giftgasangriff auf die von den Rebellen kontrollierten Stadt Chan Scheichun hat den Krieg in Syrien wieder ins Zentrum der internationalen Aufmerksamkeit gerückt und zugleich gefährlich angeheizt. Für die US-Regierung steht der Schuldige fest: Sie macht den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad für den Angriff verantwortlich. Als Vergeltung griff die US-Armee nur wenige Tage später den Stützpunkt der syrischen Luftwaffe bei Schairat an. Dieser Luftschlag bedeutet eine Zäsur: Es ist der erste direkte US-Angriff auf die syrische Armee. Russlands Präsident Wladimir Putin verurteilte das Vorgehen der US-Regierung umgehend als Aggression gegen eine souveräne Nation und Verstoß gegen internationales Recht.
Der Vorfall hat das ohnehin komplizierte Verhältnis zwischen den USA und Russland weiter abgekühlt. Beide Seiten machen sich gegenseitig für die Verschlechterung der Lage in Syrien wie des Verhältnisses untereinander verantwortlich. Gleichzeitig haben der Vergeltungsschlag und die Ankündigung der US-Regierung, bei weiteren Gräueltaten ähnlich zu reagieren, allen Beteiligten die gefährlichen Folgen einer weiteren Eskalation in Syrien bewusst gemacht. Umso drängender stellt sich die Frage, welche Aussichten es derzeit auf ein gemeinsames diplomatisches Handeln der USA und Russlands gibt – und damit auf ein Ende des Syrienkrieges. Gewiss, eine tragfähige Antwort auf diese Frage erscheint angesichts der Sprunghaftigkeit sowohl von Donald Trump als auch von Wladimir Putin gewagt. Gleichwohl haben die Ereignisse der letzten Wochen einmal mehr deutlich gemacht, wie aussichtslos die Lage vor Ort ist – und zwar für alle Seiten. Damit aber wachsen auch die Chancen, dass sich die Regierungen in Moskau und Washington besinnen und gemeinsam nach politischen Kompromisslösungen suchen.
Die USA als direkte Kriegspartei
Die Erkenntnis, dass es auf absehbare Zeit keinen militärischen Sieger im Syrienkrieg geben wird, ist nicht neu. Weder der völkerrechtswidrige Einsatz von Chemiewaffen noch der ebenfalls völkerrechtswidrige US-amerikanische Luftangriff haben das Geschehen auf den syrischen Schlachtfeldern nachhaltig zugunsten einer Seite verändern können. Im Gegenteil haben die jüngsten Entwicklungen die militärische Pattsituation, mit all ihren zerstörerischen Auswirkungen für die zivile Bevölkerung, sogar noch weiter zementiert. Und solange die syrische Regierung wie auch die Rebellengruppen hinreichend Nachschub an Waffen, Geld und militärischer Unterstützung erhalten, wird eine entscheidende Wende im Krieg auch in Zukunft ausbleiben.
In Moskau mag man aufgrund von Trumps Äußerungen während des Wahlkampfs noch die Hoffnung gehegt haben, der US-Präsident würde einen militärischen Sieg der Regierungsseite hinnehmen, wenn zugleich der sogenannte Islamische Staat in gemeinsamer Anstrengung Russlands und der USA niedergekämpft würde. Diese Hoffnung, wenn sie denn tatsächlich bestand, sollte nun endgültig begraben sein. Auch in Moskau dürfte die politische und militärische Führung inzwischen davon ausgehen, dass Trump einen drohenden militärischen Sieg Assads ebenso wenig hinnehmen würde, wie Putin dessen Niederlage akzeptierte, als sich die syrischen Regierungstruppen im Herbst 2015 bereits auf dem Rückzug befanden. Dieser wurde damals mit russischer Luftunterstützung noch aufgehalten.
Vor diesem Hintergrund hat der US-amerikanische Angriff auf den Militärstützpunkt bei Schairat gleich mehrere politische Dimensionen. Einerseits hat er die Vereinigten Staaten unmittelbar zur militärischen Partei im Syrienkrieg gemacht. Andererseits hat US-Präsident Trump durch Art und Begründung des Angriffs nicht nur eine aggressivere, sondern auch eine politisch offenere Politik der USA im Syrienkonflikt signalisiert.
Zum einen entschied sich Trump für einen gezielten Militärschlag auf eine einzelne Luftwaffenbasis, von der die Giftgasraketen angeblich abgefeuert wurden. Alle anderen Optionen hätten wahrscheinlich zu deutlich größeren Schäden bei der syrischen Luftwaffe und damit zu einer empfindlichen Schwächung der Militärmacht Assads geführt. Zum anderen wurde der Luftschlag ausschließlich mit dem Einsatz von Nervengas begründet – ein massiver Völkerrechtsverstoß, den die USA, so Trump, nicht hinnehmen können. Gleichzeitig brandmarkte die US-Regierung Assad persönlich als Kriegsverbrecher.
Eine solche Fokussierung auf eine Person entspricht US-amerikanischer Tradition. Assad ist nicht der erste gegnerische Führer, der als grundböse und als Ursache allen Übels angesehen wird. Beispiele aus der Vergangenheit sind etwa Muammar al-Gaddafi und Saddam Hussein. Zugleich eröffnet diese Zuspitzung paradoxerweise den Spielraum für politische Kompromisse: Eine nichtmilitärische Lösung im Syrienkrieg ist aus Sicht der USA denkbar – allerdings nur unter der Bedingung, dass Assad nicht Teil der Zukunft Syriens ist.
Die Suche nach der Wahrheit
Quelle : Blätter >>>>> weiterlesen
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