Sucht in der Gesellschaft
Erstellt von DL-Redaktion am Sonntag 2. Oktober 2011
SUCHT IN UNSERER GESELLSCHAFT
Als Sozialarbeiter beschäftige ich mich seit vielen Jahren mit dem Thema „Sucht in unserer Gesellschaft“. Für mich ist das Alltag und ich möchte mit diesem Beitrag keinen wissenschaftlichen Artikel schreiben, sondern vielmehr die Suchterkrankungen bei uns in Deutschland mal mehr aus Sicht der Betroffenen und meinen Erfahrungen mit Ihnen beschreiben. Ich verzichte daher auf Zitate und Verlinkungen, ich denke, meine Erfahrungen und die der Betroffenen, reichen aus, um einen Überblick zu geben, in ein „TABUTHEMA“ unserer Gesellschaft. Alle Namen und Daten der Erwähnten habe ich geändert, zu Ihrem Schutz, aber die Aussagen sind wahrheitsgemäß wiedergegeben.
Angehörige stellen sich meist als erstes z.B. die Frage: „Was ist los? Unser Sohn, unsere Tochter, mein Mann, oder meine Frau, trinken die nicht ein wenig zu viel und warum?“ Eine Antwort darauf werden sie nie finden, zumal es viele Formen der Sucht gibt, von Sexsucht, über Spielsucht, bis hin zur Machtsucht (z.B. Politik) oder Geldsucht (z.B. Banker). Die Sucht hat viele Gesichter und ist eines der grossen Phänomene der Menschheitsgeschichte. Auch Schokolade oder Süssigkeiten z.B. können zur Sucht werden.
Streng genommen, betrachtet die Allgemeinmedizin nur das als Sucht, was körperlich und geistig abhängig macht. Die Sozialwissenschaft sieht das heute anders, dort wird auch als Sucht angesehen, was „nur“ psychisch abhängig macht.
Nehmen wir z.B. die scheinbar harmlosen Antidepressiva, welche psychisch abhängig machen und in 95 % der Fälle, nach allen einschlägigen Untersuchungen, überflüssigerweise ärztlich verschrieben werden, die Geilheit auf politische oder finanzielle Macht oder das Herrschen über andere Menschen wollen, was meist schon im kleinsten sozialen Umfeld, der eigenen Familie anfängt.
So nähern wir uns dem eigentlichen Thema, wenn wir diese Zusammenhänge als Grundlage meines eigentlichen Anliegens sehen:
Ich halte diese Gesellschaft für durch und durch suchtkrank! Und darin liegt das Hauptproblem:
Wir leben in einer kranken und durch und durch suchtkranken Gesellschaft!
Natürlich werden dies die meisten Leserinnen und Leser dieser Zeilen empört von sich weisen, da niemand gerne zugibt, in der einen, oder anderen Form suchtkrank zu sein. Welcher Politiker, welcher Banker möchte schon zugeben, dass sich in seiner Geld- und/oder Machtsucht kaum von z.B. einem Drogensüchtigen in Frankfurt/M., einem Alkoholiker in Köln, oder einem fettleibigen Menschen, der seine Fresssucht nicht mehr unter Kontrolle hat, eigentlich, vom Suchtpotential her, unterscheidet?
Nachweislich hatte ich ja die letzten Monate viel in Hessen mit Suchtkranken zu tun. Wo genau, das schreibe ich zum Schutz der Beteiligten hier nicht, wie o.a., aber ich darf mit ausdrücklichem Einverständnis der Betroffenen ihre Aussagen hier zitieren, mit verändertem Namen und leicht geänderten Lebensdaten.
Als Sozialarbeiter würde ich so was nie machen, ohne Einverständnis aller Beteiligten, es wäre gegen mein Berufsethos, ich würde sonst Menschenleben gefährden.
Paul* , 45 Jahre, ist ein sehr bekannter Politiker in einer linken Partei. Hochgradiger Alkoholiker, 6 Entgiftungen in Kliniken hinter sich, er wollte die Gesellschaft verändern! Toll! Nun war seine Frau mit den Kindern weg, er ist nahezu pleite. „Ja“, sagte er zu mir, „Dieter wir brauchen doch soziale Gerechtigkeit und ich kann nicht anders, ich will dafür kämpfen.“
Ich habe ihm dann erklärt, dass er nicht gegen Windmühlenflügel ankämpfen kann, sondern erst mal seine Machtlosigkeit gegenüber seiner Alkoholsucht eingestehen sollte, dann seine Machtlosigkeit gegenüber den gesellschaftlichen Realitäten und dann erst mal neu lernen müsse, nämlich im Kleinen anfangen, zunächst bei seiner Familie und seinen Süchten.
Paul* hat mich viel Kraft gekostet, aber seine Frau hat ihm mittlerweile verziehen, er verzichtet zukünftig auf die Politik, hat seine gut bezahlten politischen Posten abgegeben und arbeitet nun wieder in seinem eigentlichen Beruf als Handwerker.
Er hat scheinbar akzeptiert, dass es Wichtigeres als Macht und Posten gibt.
Miriam*, 36 Jahre, ist Krankenschwester, alkohol- und medikamentenabhängig. Sie hat 2 Suizidversuche hinter sich, die Ärzte sahen für sie als letzten Ausweg als Ergänzung zu den verordneten Antidepressiva nur eine ergänzende Lithiumtherapie, welche wirklich das letzte Mittel ist, siehe unter Google dazu, da jede Unter- oder Überdosierung lebensgefährlich ist.
„Dieter“, sagte Miriam zu mir, „ich halte den Stress in der Klinik nicht mehr aus! Jeden Tag sehe ich das Leid der Patienten, wir haben aber immer weniger Personal im Klinikum, es werden nur weiter Stellen abgebaut, wir schuften bis zum Umfallen und dabei habe ich mir doch nen Beruf ausgesucht, wo es um Hilfe und Nächstenliebe gehen sollte.“
Sie hat mehrmals bitterlich in meinen Armen geweint, ich konnte ihr auch ein wenig Trost geben, aber sie hat mir eines vor Augen geführt:
Wie unmenschlich will diese Gesellschaft eigentlich noch werden?
Ich konnte Miriam einen Ausweg vermitteln, sie hat eine neue Stelle in einem anderen Krankenhaus bekommen, wo wir aber direkt gesagt haben, das und das ist passiert, sie kann nur noch das und das. Sie zukünftig für die Krankenhausdesinfektion zuständig, macht da gerade ne Umschulung und ich hoffe von Herzen, dass sie es schafft.
Sind in Deutschland alle irre geworden, das unmenschliche Arbeitsverhältnisse über Menschenleben stehen?
Josef*, 54 Jahre, alkoholkrank, kommt aus der ehem. DDR. Er hat jahrelang als Bergmann im Kalibergbau gearbeitet, dann nach dem Wegfall der DDR als Verkäufer in einem Medienmarkt in Bayern. Der Mann kann kaum noch laufen, hat sich kaputt gearbeitet, aber die Erwerbsunfähigkeitsrente wurde ihm verweigert.
Ich bin mit ihm öfter spazieren gegangen, nach 250 Metern ging ihm die Puste aus, dann brauchte er Pause.
Er sagte mal zu mir: „Dieter, ich habe mein Leben lang hart gearbeitet, bin nie was schuldig geblieben, aber wo ist diese Gesellschaft, wenn ich mal Hilfe brauche? Ich bettel nach nichts, habe nach der Wende auch in die Rentenversicherung West eingezahlt und kann nicht mehr!“
Wir haben gemeinsam eine Lösung für ihn gefunden, seine Erwerbsunfähigkeitsrente ist jetzt durch, er rief mich gestern an, wollte sich bedanken, aber da war nichts zu danken. Wofür? Ich habe mich aber sehr gefreut, über seinen Anruf, das war Dank genug, dass ich erfahren durfte, dass es ihm gut geht.
Die kapitalistische Produktionsweise ist menschenverachtend und falsch!
Das ist meine Schlussfolgerung aus dem vorstehend Geschilderten.
Sie gefährdet Menschenleben, entfremdet Menschen von ihrer Arbeit, macht sie krank, suchtkrank, todkrank!
Wofür? Für ein paar Autos, ein bisschen Urlaub, ein bisschen „shoppen“ gehen? Ist es das wert, dass unsere Gesellschaft Menschen opfert, für offensichtlichen Wahnsinn?
Es lohnt sich, zumindest für mich, sich mit suchtkranken Menschen zu unterhalten, sie ernst zu nehmen und ihnen sehr gut zuzuhören.
Ich durfte dadurch lernen:
Nicht die Suchtkranken sind das Problem, sondern die Gesellschaft, die sie dazu macht!
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Grafikquelle : Kampf dem Drogenmissbrauch: deutsche Briefmarke von 1975
Sonntag 2. Oktober 2011 um 13:56
Ein sehr nachdenklich machender und wahrhafter Beitrag. Respekt, Verständnis, Hinsehen, Zusehen, Anpacken und Helfen ohne Gegenleistung wird selten. Stattdessen Vorurteile, Vorwürfe, Ignoranz, Intolleranz bis hin zur Arroganz. Gegeneinander statt Miteinander. Ellbogen müssen spitz sein. Die Regierung, Medien, Politik, Industrie ect bereiten den Weg für diese Kälte. Der Mensch ist keiner mehr. Human? Humankapital, das man verschwenden, verschleissen darf und wegwerfen und fallenlassen darf und zum krönenden Abschluss diskriminieren, diskreditieren und demütigen. Und dann darf man draufhauen mit der Parolenkeule auf diese saufenden, faulen Schmarotzer.. Deppresionen? Ach stelln se sich ma nich so an, sie sind ja nur befindlich… Burn Out – nich für Sie, das nur was für wirkliche Eliten. Du kleiner Arbeiter, Hausfrau, Mutter, kleine Verkäuferin, Krankenpfleger ect., pp. usw. und so fort Ihr dürft das nicht.. Auch der Lohn den Ihr erarbeitet ist doch ausreichend ( ja ne is klar ). Euer Lohn ist doch die Anerkennung die man Euch aber zunehmend schuldet… ;-(
Sonntag 2. Oktober 2011 um 18:57
Unsere Gesellschaft, damit fängt es an.
Du, ich wir alle sind Gesellschaft. Es gibt nicht die Gesellschaft.
Die Menschheit hat ihre „Erfolge“ ihre „Besitzstände“ immer auf Opfer aufgebaut. Sie sind in Kauf genommen worden. Ob in den Kohlezeichen, den Strassenbaustellen, auf den Dächern und, und, und.
Wenn du diesen Weg verlassen willst muss du die totale Konsumverweigerung beginnen. Und das wird nicht funktionieren weil du, ich, wir alle existieren wollen oder müssen.
Genau genommen sind wir Opfer und Täter gleichermaßen. Der Unterschied, einige tun etwas gegen die Täterrolle.
Durch meine ehrenamtliche Tätigkeiten bei AIDS-Hilfe und Drobs kann ich nur zu gut bestätigen wovon du geschrieben hast.
Inzwischen kann man aber nicht mehr nur an einer Schraube stellen, die ganze Sache ist so sehr verzahnt.
Schlimm ist jedenfalls die große Gleichgültigkeit der Masse die erst dann zur Betroffenheit wird wenn es Familie oder Freundeskreis trifft. Plötzlich schreien nach Hilfe die voher niemand selbst zu geben bereit war.
Dienstag 4. Oktober 2011 um 7:01
[Zitat] „Nicht die Suchtkranken sind das Problem, sondern die Gesellschaft, die sie dazu macht!“
Sorry, aber mit diesem Nachsatz ist der Verfasser völlig auf dem falschen Dampfer! Das sollte er eigentlich besser wissen: Und das ist auch nicht diskutierbar.
Niemand aus der Gesellschaft hat dem Alki den Arm geführt, wenn der sich zugeschüttet hat. Nur er ist dafür verantwortlich. Ganz allein.
Die Gesellschaft als solche ist in der heutigen aufgeklärten Zeit allerdings verantwortlich für die Schwachen – vertreten durch die Politik; denn die verteilt die Kohle. Aber was machen, wenn sich die Politik dieser Verantwortung entzieht? Da kann man kaum etwas tun. Und das ist die Crux: Dass die einschlägigen Fachleute nicht mehr finanziert werden, die dem Suchtkranken den Weg zur Selbsthilfe weisen wollen.
Aus dem zitierten Schlusssatz folgert, dass die sogenannte Gesellschaft Schuld trägt. Das sagt dir jeder Alki, den Meistern der Lüge – dem ‚verbreitetsten‘ Suchtbild: Ich bin nicht schuld!
Diese „Erkenntnis“ zu verbreiten, hat mit Meinung oder Lebenserfahrung (schon garnicht) nix zu tun! Der Verfasser des Berichtes widerspricht damit gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen und absolut fundierter „Praxis“.
Wenn ‚du‘ mal gesoffen hast – gibst du der Gesellschaft die Schuld??? Das lernt man nicht als Sozialarbeiter. Das kann nicht sein! Das sind keine Schlüsse, die man ziehen kann – das sind Kurzschlüsse.
Jeder hat ein Recht auf seinen eigenen Rausch. Man findet den Rausch als Mittel sogar der Therapie oder des Therapeuten. Vergl. in diesem Zusammenhang den Rausch der Schamanen in Südamerika bei den Indios oder in Asien.
Wie eine heutige „zivilisierte“ Konsumgesellschaft damit umgeht, und damit jeder für sich, ist eine ganz andere Geschichte bei bspw. der „Volksdroge“ Alkohol: Saufen bis der Arzt kommt – oder anders ausgedrückt: Saufen, dass es keiner merkt. Das wird jeden Tag akzeptiert.
Und mit Antoine de Saint-Éxupery (Der kleine Prinz): Ich trinke, um zu vergessen, dass ich mich schäme, weil ich trinke!
Merkt ‚mensch‘ was?
Dienstag 4. Oktober 2011 um 7:47
@Anonymous: So geht das nicht! Mein Artikel ist in sich stimmig und richtig, aus sozialarbeiterischer und sozialwissenschaftlicher Sicht. Die Interpretation meiner Aussagen, […] Anonymous, ist falsch. […], aber nirgends kam jemand auf die Idee, ihn dermassen falsch zu verstehen und zu interpretieren.
Die Kommentare #1 und #2 haben den Zusammenhang ja auch erkannt!
Dienstag 4. Oktober 2011 um 19:57
Bin der Meinung, dass man das Suchtproblem, der Menschheit gesamt betrachten sollte. Es gibt starke Menschen, die einfach aus Situationen herauskommen und Menschen, die es schwieriger haben, grosse Probleme zu bewältigen. Dies ist pauschal geschrieben. So einfach ist es nicht. Die Gesellschaft hat einen riesen Anteil am Geschehen. Das ist auch meine Meinung. Betrachtet man nur mal die Familie. Man kämpft ums Überleben jeden Tag. Dies ist oft massiver Stress. Vater wird arbeitslos, Mutter hat nur einen 400 Euro Job. Wie soll ich alles bezahlen? Schulden, die Grenzen überschreiten. Und dann, Scheidung, die Kinder zur Mutter, was bleibt? Mit Freunden trinken gehn, einmal die Woche, mehrmals die Woche. Am Ende das große Problem. Selbst die Kinder haben dann in der Schule Schwierigkeiten. Die Schule interessiert das nur wenig. So zieht sich das wie ein roter Faden durch.
Hier sind alle gefordert. Die Gesellschaft, die Familie, die Behörden, die Schulen, die Ärzte, die Unternehmen usw. ABER wer tut das heute. Der Mensch ist da, um wie heißt es in dem Lied: „Es wird wieder in die Hände gespuckt, wir steigern das Bruttosozialprodukt“, um den Reichtum und die Reichen reicher zu machen. Da kann man nicht verlangen, dass man sich noch um den Einzelnen so kümmert, dass er ja um Himmels willen nicht abstürzt. Wer nicht mehr kann muß weg. Jeder Mensch strebt nach Selbstverwirklichung. Er kann nur in der Gemeinschaft überleben. Jeder will gebraucht werden. Wenn dies alles weg ist, und er das Gefühl hat, dass er am Rande der Gesellschaft steht, er nicht mehr gebraucht wird, dann kann die Sucht kommen, denn sie tröstet für eine Weile. Sie kann Flucht sein aus dem Dilemma, in ein neues.
Also, doch ein gesamtgesellschaftliches Problem.
Stimmt, es wird viel zu viel geschwiegen darüber. NICHT GUT!
Klar stimmt auch, dass jeder für sich selbst verantwortlich ist. Aber als Herdentiere können wir nicht immer alles allein bewältigen. Frage ich jeden Tag, wie es meinem Nachbarn geht? Wie es der alten einsamen Oma geht? Wie es meinem Kumpel geht, der die x- te Bewerbung geschrieben hat und wieder abgelehnt wurde. Höre ich ihm zu, wenn er fertig und wütend ist?
Also, wollte das alles nicht so knallhart schreiben, wie ich denke. Wir sind ein Teil der Gesellschaft, wir können viel tun. Nicht wegschauen, hinschauen, zuhören, vielleicht wenn nötig auch helfen.
Den Porsche ab in die Garage und ehrenamtlich einiges bewegen.
Das ist mein Nachdenken über das Thema.
Mittwoch 5. Oktober 2011 um 2:05
# 3 Anonymus,
Es gibt nur bedingt einen freien Willen. Ansonsten hast Du den Artikel nicht verstanden.
# Es sind die Normen und Regeln, die wir selbst erstellen und deren Einhaltung wir von anderen verlangen, die viele Menschen in die Sucht treiben. Der Menschen will Glück und Zufriedenheit.Uns wird eingetrichtert, dass man das nur mit Geld und einen gewissen Wohlstand erreichen kann. Dazu muss man Sklavenhafte Arbeitsbedingungen akzeptieren und all die negativen Eigenschaften der Gesellschaft. Nichts mehr, mit dem freien Willen. Sobald aber jemand diesen Normen und Regeln nicht mehr einhalten kann, oder will, wird er von der Masse, der Gesellschaft, ausgegrenzt. Es ist die Jagd nach dem Glück und der Zufriedenheit die uns antreibt. Wie man Glück und Zufriedenheit am besten erreichen kann und welche Ziele erstrebenswert sind, das sagen uns jeden Tag die Medien! Unser Unterbewusstsein ist nun mal so programmiert, dass wir eine Behauptung die acht mal glaubhaft wiederholt wird, als Wahrheit ansehen. Dass wir das glauben, was andere für richtig halten, dafür werden in Deutschland Milliarden ausgegeben. Viele Menschen zerbrechen daran und flüchten sich dann in die Sucht.
Uns wird eingebläut dass es nicht mehr die gute Tat, das Mitgefühl, oder die Hilfsbereitschaft,ist die einen Menschen wertvoll und glücklich machen, sondern allein die Gier nach dem Erfolg, dem Geld, dem vermeintlichen Glück.(mein Brot, mein Haus, meine Yacht, usw.) Dass diese Dinge auf brutale oder unmenschliche Weise erreicht werden und auch nicht glücklich und zufrieden machen, ist in unserer Gesellschaft Nebensache.(keine Bomben bauen kostet Arbeitsplätze) Es ist schon bezeichnend, dass die Selbstmord und Suchtrate unter den Ärzten, die all die materiellen Dinge haben, am größten ist. Und hier wiederum sind die Psychologen besonders betroffen. Wer diese Zusammenhänge nicht erkennt, wird auch keine Möglichkeit haben sich dem Teufelskreis zu entziehen.
Ich halte deshalb die Arbeit von Dieter Carstensen für eminent wichtig. Er scheint sehr viel von dem Schicksal anderer zu lernen und ist nebenbei noch glücklich und zufrieden. Für mich ein Idealzustand.
Donnerstag 6. Oktober 2011 um 3:15
Als langjähriger Suchttherapeut im klinischen Rehatherapiebereich u.a. in einer Einrichtung, wo jeder Therapeut in seinem Ex-Leben, irgendwie süchtig war, möchte ich meine Gedanken dazu auch geben.
Zur Info nebenbei, ich bin jetzt in PTBS tätig, ist die Gesellschaft für nicht gefässtigte Krankmachend, wenn nicht sogar Suchtfördernd. Von irgend woher müssen die 8 Prozent Abhängige in Deutschland ja kommen. Die DHS, Hauptstelle für Suchtgefahren in Hamm, spricht schon von ca. 12 Prozent Süchtigen.
Das geht durch alle Altersstrukturen oder Berufssparten.
Wer in den Berufssparten lt. WHO am meisten betroffen ist, trägt eigendlich nichts zur Sache bei. Nur zur Info, Ärzte und Geistliche gehören zu der Berufssparte, die am meisten unter den Süchtigen anzutreffen sind.
Warum dieses so ist gibt es lt. Studien mehrerere Gründe, die auch einleuchtend sind.
Aber alles auf die Gesellschaft schieben ist zu leicht, besonders für Süchtige.
Er ist der jenige, der nicht NEIN sagt. Warum es so ist, wie es ist, kann er auch nicht durch Entgiftungen, egal ob kalt oder heiß, erfahren.
Dazu fehlt ihm erst einmal die Einsicht. Wenn ihm diese Einsicht fehlt, befindet er sich in ein Hamsterrad und eine Entgiftung folgt der nächsten. Bis zum leider bitteren Ende!
Wenn dieser Süchtige in Therapiestunden, egal ob als Einzel,- oder Gruppenstunden nicht lernt, NEIN zu sagen und ein Gesunder ICH-Mensch wird, nützen alle Entgiftungen nichts. Ausserdem muss der Ex-Süchtige erst einmal eine geregelte Struktur in seinen Tagesablauf bekommen. Vorher war die Beschaffung das a und o, der einzige Freund war der suchtmachende Stoff, jetzt gibt es ein ICH und dann erst kommen andere. Deshalb gibt es Suchttherapeuten, ich helfe dem Süchtigen den Berg hoch zugehen, nehm ihn an die Hand, schieb ihn hinauf. Runter muss er es alleine schaffen.
Das ganze kann ein langjähriger Prozess für beide, Therapeut und Süchtigen, werden.
In der Mitte der Therapie oder zum Ende kommen dann der Ehepartner und oder Arbeitgeber dazu. Auch mit diesen werden erst Einzel- dann Gruppengespräche zusammen mit den Süchtigen geführt.
Schade ist nur, das von Kostenträgerseite die Krankenkassen sich immer mehr von Therapiekosten verabschieden und lieber zig Entgiftungen, auch wenn sie Unnütz sind, bezahlen.
Und nicht vergessen, gesund oder austherapiert gibt es nicht bei Süchtigen.
Das ist eine lebenslange Krankheit, die leider nicht heilbar ist.
Auch ein Rückfall ist keine Schande, wenn er einmalig bleibt.
Donnerstag 6. Oktober 2011 um 5:18
#7 hat einen sehr qualifizierten (Insider) – Beitrag geschrieben! Der Verfasser des Berichtes ist auf diese Grundproblematiken nicht eingegangen, sondern berichtet bspw. von „Josef“, dem er geholfen hat, seine Rente zu erlangen.
Wie ging es mit seiner Sucht weiter!? Und was ist mit Paul? Säuft er noch oder warum nicht mehr?
Und was überhaupt nicht passt ist, pauschal zu behaupten, dass die Gesellschaft durch und durch suchtkrank ist.
Was nun? Ist sie das oder ist sie nur schuld an der Sucht anderer?
Und wenn Otto Kokoschka meint, ich hätte den Artikel nicht verstanden, hat er sich von vordergründigen Inhalten blenden lassen, indem er nette Geschichten gelesen hat, die Mitleid erzeugen.
Mitleid allerdings ist genau das, was völlig fehl am Platze ist. Und Otto – wenn du mal gesoffen hast und eine Therapie machen durftest und bist heute trocken geblieben bist, dann ‚Hut ab‘, aber deine eigene Lektion hast du nicht gelernt: Der Mensch ist das einzige Wesen, welches einen freien Willen besitzt. Und den muss er einsetzen, das erste Glas stehen zu lassen; denn das ist immer nur eine Armlänge weit weg.
Wenn weder „gesoffen“, „Therapie“ und „trocken“, lieber Otto, rede nicht von Dingen und bewerte sie, von denen DU nichts verstehst. Und glaube mir, Otto, ich weiss wovon ich redete.
van Helsings letzten Satz möchte ich ergänzen: „Hinfallen“ (Rückfall) darfst du, aber die Schande besteht darin, nicht aufzustehen.“
Und noch eine Maxime: Der bessere Therapeuth ist der, der selber mal „drauf“ war; denn der weiss, wovon er redet und labert den den Patienten nicht voll! Die Betonung liegt auf WAR. Eine_r der noch selber säuft oder Kettenraucher ist oder gar auf „H“ noch steht oder den Kaufrausch pflegt oder Automatenn füttert, lügt sich in die eigene Tasche.
Dass die kapitalistische Produktionsweise menschenverachtend ist, mag sein. Aber sie hat sicher nichts damit zu tun, dass jemand dadurch die Volksdroge Alkohol bei sich einzusetzen veranlasst wird. Hunderttausende beweisen das jeden Tag. (Dann sollte in der alten DDR niemand gesoffen haben dürfen.)
Und wenn jemand säuft, weil er Stress hat, sind wir wieder beim Thema: Er wird sich nicht (nie) selber irgendeine Schuld geben; denn schuld sind immer die anderen. Das ist der Leitsatz des „praktizierenden“ Alkis. Schuld aber trägt er – er ganz allein! Sicher nicht Gesellschaft als solche.
Donnerstag 6. Oktober 2011 um 5:53
Lieber Gabriel,
herzlichen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar!
Deine Ergänzungen zu meinem Artikel weiss ich zu schätzen, sie sind ja inhaltlich eine wertvolle Hinzufügung.
Nur habe ich meinen Artikel aus einem ganz anderen Blickwinkel geschrieben, das bitte ich zu bedenken.
Im Moment wird er übrigens heiss im Blog „Der Spiegelfechter“ diskutiert, siehe hier:
http://www.spiegelfechter.com/wordpress/6935/sucht-in-unserer-gesellschaft?utm_source=feedburner&utm_medium=feed&utm_campaign=Feed%3A+DerSpiegelfechter+%28Der+Spiegelfechter%29
Ich gebe Dir recht, für Betroffene wäre es tödlich, alles auf die Gesellschaft zu schieben, es wäre ja ein Freibrief, mit der Sucht weiter zu machen.
Allerdings habe ich ja nicht aus der Sicht der Betroffenen geschrieben, sondern eine Analyse aus meiner persönlichen Sicht geschrieben.
Ich stimme Dir zu, es ist für die Betroffenen eine Katastrophe, wie sehr für Therapien in den letzten Jahren die finanziellen Mittel zusammen gestrichen wurden.
Ein Skandal erster Güte, aber Suchtkranke haben eben keine Lobby, so wie die Banker.
Daher mein Dank an Dich für Deine Gedanken,
liebe Grüße, Dieter
Donnerstag 6. Oktober 2011 um 7:00
#Anonymous Und an Dich lieber Anonymous möchte ich ein paar persönliche Worte richten:
Aus allen Deinen Zeilen lese ich heraus, dass Du selber Betroffener zu sein scheinst.
Nur “Insider” argumentieren so wie Du. Ist ja auch vieles richtig, von dem was Du schreibst, wenn man es aus Sicht von Betroffenen sieht, aber ich habe es nun mal aus einer ganz anderen Sicht geschrieben.
Ich bitte Dich freundlich, die beiden Sichtweisen nicht in einen Topf zu werfen.
Wenn Du die Diskussion, die sehr ernsthaft geführt wird, auf “Der Spiegelfechter” zu meinem Artikel verfolgst, wo auch selber Betroffene für mich wichtige Kommentare geschrieben haben, wie hier ein Freund von mir, dessen richtigen Namen ich kenne, wir telefonieren oft, er ist seit 12 Jahren trockener Alkoholiker, dann wirst Du vielleicht nicht mehr so mit meinen Gedanken grollen und hadern.
Hier der Link zu dem Kommentar: http://www.spiegelfechter.com/wordpress/6935/sucht-in-unserer-gesellschaft#comment-135105
Würde ich mir wünschen, liebe Grüße, Dieter
Freitag 7. Oktober 2011 um 17:44
Etwas Statistik:
Es soll in der Bundesrepublik Deutschland 3,5 Millionen Alkoholiker geben,
ca. 9 Millionen EW sind stark gefährdend.
(Die Tabletten-, BTM-, Toxicomanen, oder Spiel-, Internet-, Mager-, Brech-, usw. als Süchtige, kommen noch oben drauf.)
Nur diese 3,5 Millionen Alkohol-Süchtige kosten den Steuerzahler, Krankenkassen und Rentenversicherungsträger jedes Jahr 24,5 Milliarden EURO.
Die Kosten durch Fehlzeiten bei der Arbeit, Straftaten, etc. sind darin noch nicht enthalten.
Die Alkoholsteuer spülte im Jahr 2009 ca. 3,5 Milliarden EURO in den Steuersäckel.
Die Industrie gab 2009 an Werbung für Alkohol 1 Milliarde EURO aus.
Warum ist Tabackwerbung verboten, aber Alkoholwerbung nicht?
Auch dafür gibt es Gründe, die die Politik nicht gerne hört!
Bei Empfängen zb. gehört schon morgens ein Glas Schampus zum guten Ton.
Abends trifft man sich in Runden, bei einen Glas Wein oder Pils.
Sind diese Politiker schon Alkoholiker?
Zur weiteren Info: Die Menge von 1,5 Flaschen Bier jeden Tag getrunken!
Herzlich Willkommen im Club!
Anonymous : Wenn ein Alkoholsüchtiger der gleichzeitig Raucher ist, in eine Therapieeinrichtung kommt, liegt das Hauptaugenmerk auf den Alkohol.
Erst wenn dieser „Trockene Süchtige“ gefässtigt ist, kann man im zweiten Schritt ein Nichtrauchertraining ins Auge fassen. Im Übrigen, gilt wegen den Begleiterkrankungen in jeder Therapieeinrichtungen, innerhalb der Gebäude ein stricktes Rauchverbot.
Zuletzt, nicht alle kommen freiwillig in eine Therapieeinrichtung, viele werden von Gerichten auch vor der Wahl gestellt, entweder Haftstrafe oder Langzeittherapie,aber Stationär.
Gefürchtet, aber sehr efektiv sind „Geschlossene Therapien“.
Nicht vor dem Wörtchen „Geschlossen“, sondern dieses Wörtchen bedeutet Gruppenarbeit und Beschäftigung mit sich selbst.
Vom Aufwachen bis zum Einschlafen. Ausserdem kommen alle Gruppenmitglieder an einen Datum in die Therapieeinrichtung und gehen auch wieder zusammen an einen Datum.
Zuzugeben, das man Süchtig ist, ist keine Schande, die wenigsten schaffen es alleine Trocken zu werden.
(Garnicht geschrieben habe ich hier von Co-Abhängige. Das ist auch so eine Geschichte.)Deshalb gibt es in jeder Kommune als 1.ten Schritt
Selbsthilfegruppen von Suchtverbänden wie zb. AA, Guttempler, Blaues Kreuz, usw.
Deshalb, siehe oben in meinen 1.ten Kommentar, ist manchmal der Hausarzt nicht die erste Wahl.
Freitag 7. Oktober 2011 um 21:01
Lieber Gabriel,
meinen Dank auch für diese Ergänzungen von Dir.
Es gibt für Suchtkranke den Kernmerksatz: „Du schaffst es nur alleine, doch Du schaffst es nicht alleine.“
Ist scheinbar ein Paradoxon, bringt es für mich aber bestens auf den Punkt.
Du wirst diesen Satz kennen, da bin ich mir sicher.
Einen der für mich wichtigtsten Beiträge zum Thema Sucht hat der Suchttherapeut Franz Strieder, ich meine 2003, in der Zeitung „HaLT“, einer Zeitschrift für Suchtexperten veröffentlicht.
Er hiess „„Der instinktive und der paradoxe Weg“, hier als PDF Datei zu laden:
http://www.google.de/webhp?rls=ig#sclient=psy-ab&hl=de&rls=ig&rlz=1R2GZAZ_deDE421&site=webhp&source=hp&q=machtlosigkeit%20der%20instinktive%20oder%20&rlz=1R2GZAZ_deDE421&pbx=1&oq=&aq=&aqi=&aql=&gs_sm=&gs_upl=&bav=on.2,or.r_gc.r_pw.,cf.osb&fp=c26f75275b84990f&biw=1197&bih=560&pf=p&pdl=3000
Ich zitiere mal die für mich wichtigste Keranaussage daraus:
„„Ich sollte so sein“ usw. Was aber tatsächlich geschieht ist, dass die Idee einer
vorsätzlichen Änderung niemals, nie und nimmer, funktioniert. Sobald man sagt: „Ich
möchte mich ändern“, ein Programm aufstellt, wird eine Gegenkraft in einem erzeugt,
die von der Veränderung abhält. Änderungen finden von selbst statt. Wenn man tiefer
in sich hineingeht, in das, was man ist, wenn man annimmt, was da vorhanden ist,
dann ereignet sich der Wandel von selbst. Das ist das Paradoxe des Wandel ns.
Vielleicht kann ich das mit einem guten alten Sprichwort untermauern, das folgendes
sagt: „Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert“
Franz Strieder belegt in seinem Artikel bestens, dass es bei Suchterkrankten eben nicht mehr um den „Willen“ geht, sondern und aufgeben und abgeben, um Einsicht.
Franz Strieder sagt in seinem Beitrag, der für zu den besten in der mir bekannten Literatur zum Thema Sucht gehört, auch:
„Mit dem Willen, mit dem Planen gelingt es dem Alkoholiker nicht, von seiner
Abhängigkeit wegzukommen. Erst in der Annahme der Krankheit, in der Annahme
meiner Abhängigkeit kommt es zur Heilung. Indem ich kapituliere, Ja-sage zu meiner
Krankheit, sie nicht mehr als einen Feind sehe, den ich bekämpfen muss, sondern als
Stück meiner Persönlichkeit werde ich zum Gewinner, zum Menschen mit neuem
Leben.“
Franz Strieder ist Suchttherapeut mit jahrzehntelanger Berufserfahrung in Suchtkliniken, für mich einer der renomiertesten Experten auf diesem Gebiet.
Ich wollte hier ja bewusst keinen Fachartikel schreiben, meine aber schon, mich im Thema recht gut auszukennen.
Fritz Perls, Gründer der Gestalttherapie drückte das Dilemma so aus:
„Was aber tatsächlich geschieht ist, dass die Idee einer
vorsätzlichen Änderung niemals, nie und nimmer, funktioniert. Sobald man sagt: „Ich
möchte mich ändern“, ein Programm aufstellt, wird eine Gegenkraft in einem erzeugt,
die von der Veränderung abhält. Änderungen finden von selbst statt. Wenn man tiefer
in sich hineingeht, in das, was man ist, wenn man annimmt, was da vorhanden ist,
dann ereignet sich der Wandel von selbst. Das ist das Paradoxe des Wandels.“
Vielleicht kann ich das mit einem guten alten Sprichwort untermauern, das folgendes
sagt: „Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert“
Danke lieber Gabriel für Deine statistischen Ergänzungen, ich hoffe meine Sichtweise mit meiner Ergänzung auch ein wenig klarer gemacht zu haben.
Liebe Grüße,
Dieter