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Steueramnestie-Vertrag

Erstellt von Redaktion am Donnerstag 11. August 2011

Steueramnestie-Abkommen mit der Schweiz:
Bundesregierung willrechtsstaatliche Prinzipien opfern

Pressemitteilung des MdEP Sven Giegold (Grüne) zum Thema:

 Am Mittwoch, den 10. August, ist ein Steueramnestie-Abkommen zwischen der Schweiz und Deutschland unterschrieben worden. Die Schweizer Banken sollen auf unversteuerte Altvermögen in der Schweiz eine Pauschalsteuer zwischen 19 und 34 % erheben (abhängig von Dauer der Anlage und Art des Kapitaleinkommens). Für die Zukunft sollen Zinsen, Dividenden und Veräußerungsgewinne deutscher Steuerbürger in der Schweiz mit einer anonymen Abgeltungssteuer von 35% bzw. 26,375% belastet werden. Schweizer Banken leisten darauf eine Vorauszahlung von 2 Mrd. CHF. Deutschland bietet seinen Steuerhinterziehern Straffreiheit, ebenso wie den Schweizer Geldhäusern und ihren Mitarbeitern, die regelmäßig Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet haben.

Das Steueramnestie-Abkommen verletzt gleich mehrfach rechtsstaatliche Standards. Der einmalige Steuersatz von lediglich zwischen 19 und 34 % ist nur ein Bruchteil der Steuerschuld samt Verzugszinsen und Strafen. Er ist ein Schlag ins Gesicht ehrlicher Steuerzahler. Die Bundesregierung beauftragt ausgerechnet die Schweizer Banken mit steuerlichen Hoheitsaufgaben ohne effektive Kontrollmöglichkeiten. Sie sind als Dienstleister für Steuerhinterziehung spezialisiert und helfen ihrer Klientel regelmäßig bei der Umgehung bestehender Steuerabkommen, z.B. durch Niederlassungen in Asiatischen Steueroasen. Hier drohen massive Interessenskonflikte. Der deutsche Staat verzichtet zudem auf die strafrechtliche Verfolgung von Mitarbeitern der Schweizer Banken wegen Beihilfe. Schließlich behindert das Abkommen die Ermittlungen bei den angekauften Steuer-CDs. Denn Deutschland akzeptiert in diesem Rahmen, dass die Schweizer Behörden keine Amtshilfe für Altfälle leisten werden. Die Bundesregierung behindert damit die laufenden Ermittlungen der Finanzbehörden und Staatsanwaltschaften der Länder. Es handelt sich also um eine weitere faktische Amnestie durch die Hintertür.

Steuerpolitisch zementiert das Steueramnestie-Abkommen die Abgeltungssteuer auf Kapitaleinkommen in Deutschland und Europa. Wird der Schweiz zugestanden, anonymes Kapital zu verwalten, wird es anderswo kaum abzuändern sein. Sollte demokratisch in Zukunft entschieden werden angesichts wachsender Ungleichheit wieder progressive Steuern auf Kapitaleinkommen (wie auf Arbeitseinkommen) zu erheben, so wird dies durch das Amnestieabkommen erschwert.

Schließlich verfolgt Deutschland mit dem Abkommen international einen Sonderweg. Innerhalb der EU und der OECD gab es wichtige Fortschritte gegen internationale Steuerhinterziehung. Die Abgeltungssteuer auf anonymes Kapital ist eine Lösung für ein Problem, das die Bundesregierung durch konsequente internationale Zusammenarbeit rechtsstaatlich und gerechter beseitigen könnte. Die USA bestehen im Gegensatz zu UK und Deutschland gegenüber der Schweiz auf Informationsaustausch und haben dies gegenüber der UBS bereits durchgesetzt. Weitere Verfahren gegen Schweizer Banken und ihre Mitarbeiter sind anhängig. Dagegen soll die Abgeltungsregelung in der Schweiz dem automatischen Informationsaustausch dauerhaft gleichkommen, was objektiv für die Vermögens- und Erbschaftsbesteuerung nicht zutrifft. Statt die US-Administration bei ihrem Kampf gegen internationale Steueroasen zu unterstützen, macht die schwarz-gelbe Bundesregierung eine deutsch-britische Extrawurst und handelt in der multilateralen Zusammenarbeit unzuverlässig. Zudem erhält Deutschland von der Schweiz mit dem Abkommen schlechtere Konditionen als die USA.

Während die meisten EU-Länder sich im „Euro-Plus-Pakt“ zur Steuerkooperation verpflichtet haben, sorgt das Amnestieabkommen für eine fiskalpolitische Spaltung Europas. Die kurz vor dem Abschluss stehende Verschärfung der EU-Zinsrichtlinie und die Ausweitung des automatischen steuerlichen Informationsaustauschs auf alle EU-Länder inklusive Österreichs und Luxemburgs wird durch das Amnestieabkommen politisch hintertrieben.

Völlig unklar ist, wie glaubhaft verhindert  werden soll, dass das Abkommen zum Reinwaschen und sicheren anonymen Verwaltung krimineller Gelder missbraucht wird, die derzeit in anderen Staaten liegen. Die Schweiz könnte so zum dauerhaften Einfallstor für kriminelle Gelder nach Europa dienen. Bundestag und Bundesrat  sollten diesem Amnestieabkommen die Zustimmung verweigern und  nicht für ein paar Silberlinge die Prinzipien des Rechtsstaats opfern. Vielmehr sollten die Bundesländer die Daten aus den Steuer-CDs und aus dem automatischen Informationsaustausch der EU konsequent nutzen. Die Verjährungsfristen für Steuerhinterziehung sollten verlängert werden. Damit würden auch die Folgen des BGH-Urteils zum „Fortsetzungszusammenhang“ geheilt, die derzeit die Einnahmen aus den Steuer-CDs wie anderen Steuerverfahren mindern. Schließlich sollte Deutschland die Helfer bei der Steuerhinterziehung ähnlich konsequent verfolgen wie die USA. Dann wäre bald Schluss mit dem Spuk der Steueroasen.

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Hier noch ein Interview zum Umgang der Regierung mit der Euro-Krise.

„Merkel nimmt Parlament nicht ernst“

Die  Regierung informiert den Bundestag nur unzulänglich über die Europa-Krise. Das beklagt der grüne Europa-Abgeordnete Sven Giegold. Das ist in anderen Ländern besser.

taz: Herr Giegold, viele Parlamentarier klagen, dass der Bundestag bei der Europa-Krise außen vor bleibt. Zu Recht?

Sven Giegold: Ich verstehe und teile diese Kritik. Die deutsche Regierung macht es dem Bundestag sehr schwer, seine Haushaltsverantwortung und sein Mitspracherecht wahrzunehmen. Kanzlerin Merkel nimmt die Parlamentarier nicht ernst.

Wie kommen Sie darauf? Das Parlament hat den Rettungsschirm beschlossen, es wird sich im September wieder damit befassen.

Die Regierung informiert die Abgeordneten nur unzulänglich über zentrale Entscheidungen. Sämtliche Dokumente der Euro-Gruppe – das Gremium, in denen die Staaten ihre Wirtschaftspolitik koordinieren – stehen unter Geheimhaltung, die Abgeordneten haben keinen Zugang zu ihnen.

Die Euro-Gruppe tagt informell. Warum sollte das Parlament Einblick bekommen?

Die Grundlage wirklicher Kontrolle ist Dokumenteneinsicht, nur sie befähigt die Parlamentarier, sich ein Urteil zu bilden. Es reicht nicht, wenn sich der Finanzminister oder sein Staatssekretär kurz in den Europaausschuss setzt, und mündlich ein paar Fragen beantwortet. In Deutschland handelt die Regierung in einer Logik internationaler Geheimdiplomatie, dabei geht es hier um europäische Innenpolitik. Gleichzeitig ist der Bundestag selbst an seiner Machtlosigkeit schuld. Er könnte sich problemlos Zugriff verschaffen, er müsste nur das EU-Informationsgesetz ändern. Doch das verhindern die Fraktionen von Union und FDP.

Quelle: TAZ >>>>> weiterlesen

IE

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Grafikquelle   :   Sven Giegold 2010

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