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Stadtgespräch aus Hanau

Erstellt von Redaktion am Dienstag 5. Mai 2020

Sprecherin über Hanau-Begegnungsstätte
„Namen zu nennen, genügt nicht“

City sign HANAU am Main - panoramio.jpg

Interview von Christan Jakob mit Newroz Duman

Unweit des Tatorts des Anschlags von Hanau entsteht eine Begegnungsstätte. Ein Gespräch mit Newroz Duman über das Erinnern.

taz: Frau Duman, am Dienstag eröffnet in Hanau eine Begegnungsstätte in Erinnerung an den Mordanschlag am 19. Februar. Wie muss man sich diesen Ort vorstellen?

Newroz Duman: Der Laden ist ein Projekt der Initiative 19. Februar. Die ist in den Tagen nach dem Mordanschlag entstanden. Damals herrschte vor allem Chaos. Schon vor dem Anschlag gab es in Hanau die Gruppe Solidarität statt Spaltung. Aus diesem Kreis heraus waren wir ab dem 19. an unterschiedlichen Stellen unterwegs, etwa auf Demos und Mahnwachen. Wir haben uns jeden Abend getroffen und zusammengetragen: Was ist passiert, wer weiß was, was muss getan werden, was ist morgen dran? In dieser Zeit sind auch FreundInnen aus Frankfurt, Hamburg und Berlin gekommen. Bald ging es dann nicht mehr nur darum, Infos zu beschaffen, sondern auch Unterstützung zu leisten.

Welche Unterstützung zum Beispiel?

Etwa AnwältInnen zu beschaffen, Kontakt zu Beratungsstellen vermitteln oder zu schauen, wer eine Psychotherapie braucht, zu suchen, wo es dafür freie Plätze gibt, wer trotz Corona weiter Therapien anbietet. Bürokratie war ein großer Teil der Arbeit. Opferfamilien haben Anspruch auf finanzielle Unterstützung, es war aber für sie oft nur schwer zu durchschauen, wie sie die bekommen können. Da war wochenlang sehr viel unklar. Wir haben die ganzen Informationen zusammengetragen und geholfen, Formulare auszufüllen, das bieten wir auch immer noch an. Es war schnell klar, dass das Ganze, was seit dem Anschlag passiert ist, längerfristig einen Raum braucht, einen Ort, an dem das alles zusammenkommen kann, an dem wir jeden Tag erreichbar sind. Denn hinzu kam ja, dass durch Corona viele offizielle Unterstützungsangebote auf Eis gelegt wurden, weil öffentliche Orte zugemacht haben. Trotzdem war es natürlich wichtig, weiter den Kontakt zu halten. Deswegen eröffnen wir jetzt die Anlaufstelle.

Das Café liegt in der Krämerstraße, direkt am Heumarkt, einem der beiden Tatorte. Wie konnten Sie so schnell ein solches Lokal finden?

In dem Raum war früher ein Geschäft, er steht aber seit zwei Jahren leer. Deshalb konnten wir den direkt anmieten. Allerdings kostet er 2.500 Euro im Monat Miete und der Vertrag läuft drei Jahre, weshalb wir gerade Spenden sammeln.

Inwieweit sind Angehörige der Opfer beteiligt?

Zwei Familien von Ermordeten bezeichnen sich als Teil unserer Initiative, einige Angehörige arbeiten im Laden mit. Mit einem Großteil der Familien von Ermordeten stehen wir in Kontakt. Hinzukommen Verletzte, unverletzt Überlebende und deren Angehörige. In den Shisha-Bars und drumherum waren an jenem Abend ja viele Menschen. Ich kann es nicht genau sagen, aber seitdem wir den Laden aufbauen, hatte ich persönlich Kontakt zu etwa 50 Menschen aus diesen Gruppen. Manche habe ich bislang nur einmal gesehen, manche sind jeden Tag hier.

Der Laden ist also schon offen?

Die offizielle Eröffnung ist am Dienstag. Aber wir haben schon vor Wochen mit der Renovierung begonnen und parallel dazu gibt es die ganze Zeit schon Treffen.

Trotz Corona?

 

Mit Freund_innen aus anderen Städten, die uns unterstützen, haben wir Telefonkonferenzen gemacht. Die AktivistInnen aus der Region haben sich weiter getroffen, um gemeinsam den Raum aufzubauen – mit Abstand zueinander. Was auch trotz Corona weitergelaufen ist, waren die Besuche an den Gedenkorten in Hanau-Kesselstadt und am Heumarkt, jeweils mittwochs und samstags. Es hat sich schon im Februar so entwickelt, dass Menschen an diesen Tagen dort zusammengekommen sind, aufgeräumt und neue Blumen dorthin gebracht haben. Das ist so weitergelaufen, das waren auch wichtige Gelegenheiten zum Austausch, unter anderem mit NachbarInnen.

Die Anlaufstelle wird auch als „Denkmal“ angekündigt. Inwiefern?

In unserer Selbstdarstellung haben wir es so formuliert, besser kann ich es auch nicht ausdrücken: „Unsere Erinnerung wird nicht in Stein gegossen, sondern bleibt lebendig.“ Die Angehörigen müssen hier keine Termine machen. Dieser Ort steht ihnen immer offen. Wenn sie reden wollen, wenn sie Fragen haben, wenn sie Hilfe brauchen, wenn sie etwas unternehmen wollen. Dann kommen sie einfach vorbei, sind nicht allein.

Es soll bei der Anlaufstelle auch um Erinnerung gehen. Was, glauben Sie, droht in Vergessenheit zu geraten, wenn Sie die Erinnerung daran nicht wachhalten?

Quelle         :          TAZ         >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen        :

Oben       —        City sign HANAU am Main

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Unten         —      Ханау – родина сказочников братьев Гримм.

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