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Stadtgespräch aus Berlin

Erstellt von Redaktion am Donnerstag 24. Februar 2022

Wenn Macht krank macht

Selber Schuld : Denn niemand hatte sie gerufen – auch er fühlte sich Berufen! Es gibt auch ehrbare Jobs.

Von Simone Schmollack

In den vergangenen Jahren wurde die Öffentlichkeit sensibler dafür, unter welchem enormen Druck Po­li­ti­ke­r:in­nen stehen. Immer öfter ziehen diese deswegen nun einen Schlussstrich, um sich selbst und andere zu schützen.

Wie anstrengend, nervenaufreibend und gesundheitszehrend darf ein Job sein? Manche werden sagen: Stress lässt sich bei zahlreichen Jobs schlicht nicht vermeiden, mehr noch, der gehört einfach dazu. Andere werden widersprechen: Arbeit darf nicht krank machen.

Nun gibt es eine Branche, in der die Frage vermutlich erst gar nicht gestellt und die Antwort bereits eingepreist ist: Politik. Wer, wenn nicht Po­li­ti­ke­r:in­nen, sollte allseits bereit und einsatzfähig sein, zu nahezu allen Themen eine kompetente und vor allem die passende Antwort geben können, in Talkshows und anderswo öffentlich präsent sein, aber auch vor Ort bei den Menschen im Wahlkreis. So denken sicher viele Menschen im Land. Der Anspruch an Po­li­ti­ke­r:in­nen ist hoch. Und gleichzeitig ganz schön viel Ballast für die einzelne Person.

Wer hält so was lange durch? Welchen Preis zahlen Po­li­ti­ke­r:in­nen für die Macht, die mit einem Amt oder einem Mandat verbunden ist? Persönlich, gesundheitlich, familiär?

Gerade hat die Fraktionchefin der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus Antje Kapek ihr Amt niedergelegt – nur einen Monat nach ihrer Wiederwahl im Januar. Sie begründete ihren Schritt mit „mentalen und physischen Spuren“, die der vergangene Wahlkampf, die Koalitionsverhandlungen und die Co­ro­na­pandemie hinterlassen hätten. Diese Spuren „kann ich nicht mehr weiter ignorieren“, sagte Kapek.

Ist das verantwortungslos gegenüber dem politischen Amt? Oder verantwortungsvoll gegenüber sich selbst?

Kapek ist nicht die Erste, die die Härte des Politikbetriebs anprangert. 12 Stunden Koalitionsverhandlungen, Dauersitzen, viel Kaffee, kaum Schlaf, die herumlungernde Presse, die nach einem astreinen O-Ton giert.

Claudia Roth, ein Grünen-Urgestein und heute Kulturstaatsministerin, erzählte vor gut zehn Jahren der taz, dass sie manchmal nachts nach Hause in eine leere Wohnung komme und sich wahllos durch das Fernsehprogramm zappe. Einmal sei sie wenige Stunden später auf dem Sofa aufgewacht – immer noch im Mantel.

Milliarden aus dem Fenster werfen? Kita-Plätze statt Betreuungsgeld Aktion mit Sylvia Löhrmann, Cem Özdemir und Stefan Engstfeld.jpg

Werden diese Klagen nicht auf einen sehr niedrigen Niveau geführt ? Für viele Selbstständige und in einer verantwortlichen Position stehenden ist ein 16 – 18 Stunden Tag keine Ausnahme und am Wochenende müssen dann die Bücher geführt werden! Auch trägt der Selbständige die ganze finanzielle Verantwortung und kann sich nicht, wie ein Politiker im Misserfolg vom Acker machen. 

Die Linken-Politikerin Anke Domscheit-Berg beklagte vor zweieinhalb Jahren öffentlich sowohl Arbeitsvolumen als auch Arbeitsbelastung im Bundestag, sie nannte sie „menschenfeindlich“ und „gesundheitsschädlich“. Kurz zuvor waren zwei Abgeordnete mit Schwächeanfällen zusammengebrochen, Domscheit-Berg hat selbst erlitt zweimal einen Burn-out. Auch ihre Kollegin, die Linke Sahra Wagenknecht, zog sich nach einem Burn-out aus der ersten Reihe zurück. Die Grüne Renate Künast offenbarte, dass die Härte des Politikbetriebs auch sie härter gemacht habe.

Bis vor Kurzem waren solche Outings ein absolutes ­No-go, ein Tabuthema, über das öffentlich zu sprechen lediglich eine offene Flanke bot – persönlich, vor allem aber für den politischen Gegner.

Auffällig ist, dass es Frauen sind, die Überlastungen des Politikbetriebs und das eigene Ausgebranntsein zum öffentlichen Thema machen. Männer hingegen zeigen sich meist von überbordender Potenz. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Phi­lipp Amthor findet, an die Belastungsgrenzen zu gehen, „gehört zu einer verantwortlichen Führungsposition dazu“. Oder anders formuliert: Heul nicht rum, du hast es so gewollt, also kommt damit klar.

Quelle         :        TAZ-online        >>>>>       weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —       „Trump. The Killing Machine“

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