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RENTENANGST

Staatschefs auf der COP 26

Erstellt von Redaktion am Mittwoch 3. November 2021

Zwischen Rhetorik und Realität

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Schurken welche die Welt bedeuten !

Von Bernhard Pötter

Die Regierungen auf dem Weltklimagipfel strotzen vor Eigenlob. Ein genauer Blick zeigt: Bis auf wenige Ausnahmen machen alle viel zu wenig.

 Als Chandrikapersad Santokhi auf die Bühne tritt, plätschert höflicher Applaus durch den riesigen und fast leeren Saal. Der Präsident von Surinam, dunkler Anzug mit blau karierter Krawatte, nimmt sich die reichen Länder vor: „Ich kann meine Enttäuschung nicht verbergen, wie hier die Zusagen gebrochen wurden“, sagt Santokhi. Die Küsten seines Landes sind bedroht, es braucht mehr Geld und Hilfe. Santhoki hört gar nicht mehr auf mit dem Reden. Statt der erlaubten drei redet er sieben Minuten.

Vor ihm hat der Präsident von Kirgistan gesprochen, nach ihm kommt die Präsidentin von Tansania. Es ist der zweite Tag des „High-Level-Segments“, bei dem auf dem Klimagipfel von Glasgow die Staats- und Regierungschefs ihre Erklärungen abgeben. Die großen Namen wie Biden und Macron waren am Vortag dran, jetzt ist Zeit für die Chefs von Serbien, Sierra Leone, Togo oder Cabo Verde.

Man ist versucht, das als UN-Folklore abzutun, wo halt jeder mal zu Wort kommt. Aber das wäre ein Fehler. Denn man würde den Klima-Champion Surinam übersehen. Surinam? Das kleine Land von einer halben Million Einwohner an der Nordküste Südamerikas ist eine Großmacht der Klimaneutralität. Auf 93 Prozent der Landesfläche wächst Wald, der mehr CO2 bindet, als die Surinamer in die Luft blasen.

Das Land mit viel Landwirtschaft und wenig Industrie praktiziert bereits – wie sonst nur das Himalaja-Königreich Bhutan – die „grüne Null“, die alle anderen erst noch erreichen wollen. „Trotz aller Probleme sind wir eines der wenigen CO2-negativen Länder“, betont Präsident Santhoki. Im Januar 2020 waren sie das zweite Land weltweit, das der UNO vereinbarungsgemäß neue Klimapläne vorlegte.

Indien erkennt Ziel der Klimaneutralität an

Indien ist da so ziemlich das genaue Gegenteil: 1,4 Milliarden Einwohner, ein großer und schnell wachsender Klima-Fußabdruck. Aber als Premierminister Narendra Modi am Montagnachmittag zum Mikrofon schreitet, kommt er nicht im Büßergewand.

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Was wären es für unwichtige Zeiterscheinungen ohne rote Teppiche?

Im Gegenteil: Auch er redet fast zehn Minuten, denn er legt hier den neuen Klimaplan vor, der eigentlich seit 2020 fällig ist: Bis 2030 will er die Hälfte der Energie aus Ökoquellen beziehen, damit praktisch den Kohleausbau bremsen und bis 2070 klimaneutral sein. „Das sind nicht nur Worte, sondern ein klarer Sieg“, so Modi.

Das sehen internationale Beobachter ähnlich. Der „Climate Action Tracker“ (CAT), den die Thinktanks Climate Analytics und New Climate Institute betreiben, untersucht die Klimapolitik der wichtigsten Staaten weltweit und vergibt Noten. Ähnlich arbeitet „Climate Transparency“, eine Kooperation von 16 internationalen Universitäten und Umweltgruppen, die für die G20-Staaten umfangreiche Daten zusammentragen, um deren Klimapolitik zu bewerten.

Sie liefern Maßstäbe, um die Leistungen der Länder zu gewichten und zu vergleichen, also die Rhetorik mit der Realität abzugleichen. Das ist umso wichtiger, als im notorisch konfliktscheuen UN-Prozess kaum jemals ein offenes Wort darüber fällt, was jetzt Fortschritt und was Greenwashing ist.

Was also steckt hinter den Reden der Regierenden?

Indien bekam vom CAT bislang ein „höchst ungenügend“. Zu schwach waren Emissionsziel und Politik. Das wird sich nach Modis Ankündigung verbessern, heißt es. Die Details würden gerade durchgerechnet. Aber der Aufstieg von „höchst ungenügend“ zu „ungenügend“ sei wohl drin, sagt Niklas Höhne vom New Climate Institute.

„Von einem Emissionsziel ohne zusätzlichen Effekt wandelt sich das zu einem Ziel mit leichtem Effekt.“ Ganz wichtig auch: Indien ist das letzte große Land, das Klimaneutralität verspricht. Zwar erst für das Jahr 2070. Aber immerhin akzeptiert das das Land das Ziel prinzipiell.

Bidens ungedeckter Klima-Scheck

Was auf der Konferenz gesagt wird, ist oft weit davon entfernt, was zu Hause realistisch und durchsetzbar ist. Bestes Beispiel: US-Präsident Joe Biden verspricht bei seinem Auftritt, das US-Klimaziel zu halten, bis 2030 die Emissionen zu halbieren, „bezahlbare Energierechnungen, gute Jobs, eine saubere Industrie“. Dafür werde er mit seinem Plan zum Wiederaufbau „historische Investitionen in saubere Energien“ auslösen. „Die USA sind wieder mit am Tisch und werden mit ihrem Beispiel vorangehen“, so Biden.

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Biden – ganz bescheiden -ohne den obligatorischen Corona-Schmatzer ? 

Sein Problem: Für seine Klima-Agenda wollte der Präsident ein gigantisches Infrastrukturpaket, direkte Hilfen für saubere Energien und Strafen für dreckigen Strom durchsetzen. Aber durch den Widerstand eines Senators aus dem Kohle-Bundesstaat West Virginia musste Biden diese Pläne teilweise abspecken oder auf Eis legen. Seine Regierung rechnet verzweifelt, ob mit den Einschränkungen die Klimapläne zu schaffen sind. Ergebnis bisher: vielleicht mit viel Glück.

Quelle       :       TAZ-online          >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben        —     Day one of the G20, working with world leaders on our shared interests — from the global pandemic and our global recovery, to confronting the climate crisis, and a host of other issues that matter to the American people.

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