Sind Sie integriert?
Erstellt von Redaktion am Donnerstag 13. Januar 2011
Sind Sie integriert fragt Stefan Ripplinger den Leser.
Überraschende Fragen und noch weit aus überraschendere Antworten. IE
Seit Thilo Sarrazins Bestseller fühle ich mich nicht mehr gut integriert in die Bundesrepublik Deutschland. Nicht weil ich ihn gelesen hätte, sondern weil ich mich geniere, ihn mir zu kaufen. Ausweichen konnte ich dem Buch allerdings nicht, Stücker hundert Exemplare liegen auf einer Palette direkt neben der Kasse der nächstgelegenen Buchhandlung. Ich hätte mir einfach eins nehmen, es dem vermutlich aus einer türkisch-deutschen Familie stammenden Buchhändler hinlegen und ihm zuraunen können: „Nur für die Recherche!“
Andererseits ist dieser Händler ein Profi, er hätte kühl den Preis eingetippt und mir das Buch sogar als Weihnachtsgeschenk verpackt. Nein, das muss ich zugeben, ich habe Sarrazins Bestseller einzig und allein deshalb nicht gelesen, weil er mir peinlich ist. Wegen dieser Ehrpusseligkeit habe ich mich aus der folgenreichsten Diskussion des Jahres gestohlen. Und da ich damit meine staatsbürgerliche Pflicht, gesellschaftliche Diskussionen zu verfolgen, grob vernachlässigt habe, habe ich mich freiwillig desintegriert. Denn heißt „Integration“ nicht auch, an politischen Prozessen zu partizipieren?
Das wollte ich nun genauer wissen, aber in einem halben Dutzend Fachbücher zum Thema fand ich immer wieder denselben Hinweis, es sei in dreißig oder vierzig Jahren Migrationsforschung noch nicht gelungen, zu einer allgemeingültigen Definition von „Integration“ zu gelangen. Der Begriff verschwimmt, je nach Autor und Forschungsansatz, mit Absorption, Adaption, Akkomodation, Akkulturation, Assimilation, Dispersion, Inkorporation, Inklusion, Segregation und auch gern mit Angleichung und Anpassung. Da ist es schwer für einen, der sich integrieren will, zu wissen, was von ihm verlangt wird. „Soll ich mich eher assimilieren oder inkludieren, oder vielleicht erst ein wenig adaptieren, dann dispergieren?“ Das sind die Diskussionen bei uns in Neukölln.
Quelle: Le Monde diplomatique >>>>> weiterlesen
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Source | IMG_9927-Thilo Sarrazin
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Author | Richard Hebstreit from Berlin, Germany |
Donnerstag 13. Januar 2011 um 13:59
Wer nicht liest und hört, was die Gegner der Demokratie unternehmen, um uns zu zerstören, der ist in der Tat nicht integriert in unsere Gesellschaft.
Sarrazin nicht zu lesen, aber mitreden wollen, man kann sein Machwerk ja auch umsonst im Internet lesen, ohne diesem Menschen einen Cent zukommen zu lassen, erinnert mich irgendwie an die Nazi Zeiten.
Da hatte auch kein Mensch Hitlers Hassmachwerk „Mein Kampf“ gelesen, aber alle haben drüber gesprochen.
Wenn ein Journalist in Frankreich nicht in der Lage ist, das Sarrazin Machwerk kostenfrei im Internet runterzuladen, dann stelle ich mir die Frage, „warum ist er Journalist und nicht Bäcker geworden?“
„Le Monde“ ist ja eigentlich eine hoch angesehene Zeitung, aber so viel Unsinn wie in diesem Artikel habe ich selten gelesen.
Donnerstag 13. Januar 2011 um 16:01
…jojo, zum LeMonde-Artikel fällt mir eigentlich auch nur „bescheuert“ ein: „…sondern weil ich mich geniere, ihn mir zu kaufen.“
Aber HALLO – geht’s noch???
Dienstag 18. Januar 2011 um 4:19
Sarazin seinen, roten Schinken kann man nicht nur per Internet herunterladen, sondern auch schon als Antiquariat erwerben. So geht das mit dem Spiegelbestseller, kaum erschienen, schon antiquiert.
Auch das Buch des Herrn aus dem Tausendjährigen Reich kann man sich per Internet herunterladen.
Kurz bei Google ein Stichwort eingeben und schon ist man auf zig Amiseiten.
Der Schnauzi muss dort zig Fans haben, denn man kann das Buch in zig verschiedene Sprachen auf seine Platte laden.
Ein bischen trauere ich den alten Zeiten nach.
Früher hätten diese beiden Bücher neben dem großen Brockhaus, meterweise Regalwände gefüllt.
Heute kann man nicht mehr damit bei der popeligen Verwandschaft mit angeben.
Aber einige Bücher schmücken doch meine Bücherwände.
Angefangen von der Lutherbibel, über den Koran, in Deutscher Sprache selbstredend,
bis zu einigen Druckwerken von Lafontaine.