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Erstellt von Redaktion am Donnerstag 19. Juli 2018

Flüchtlinge kamen auf den Arbeitsmarkt an

File:2014-10-03 Tag der Deutschen Einheit, (107) Luftballons vom Freundeskreis Hannover für Angela Merkel und Joachim Gauck,, (01).jpg

Von Esther Sievogt

Ali Alkateep arbeitet an einem Roboter. Ajabnoor Khan will Abitur machen. Wie eine Bremer Initiative aus jugendlichen Flücht-lingen die Mechatro-niker von morgen macht.

Die Atmosphäre ist konzentriert. Drei junge Männer, halbe Kinder eigentlich noch, brüten vor Rechnern über Programmiercodes, die gleichzeitig von einem Beamer an die Wand geworfen werden. Ein Mann, der fast ihr Großvater sein könnte, leitet sie an, erklärt, rechnet und ermutigt zum Selberrechnen. Dabei schaut Gerd Urban, so sein Name, immer wieder hellwach und prüfend über die Ränder seiner Brille ins Rund.

Im Nachbarraum löten drei weitere junge Männer unter überdimensionierten Lupen Leiterplatten, sogenannte Platinen, auf die später die Software gespielt werden soll. Der Ausbilder mit weißem Vollbart, Nickelbrille und orangefarbener Fleecejacke wirkt auf den ersten Blick eher wie ein freundlicher Gärtner als der hochqualifizierte Raumfahrtingenieur, der er ist: Heinrich Fischer, der hier Bremer Berufsschülern im Rahmen eines Betriebspraktikums Grundlagen von Robotik und Mechatronik nahebringt, ist ebenso wie sein Kollege Urban nebenan Raumfahrtingenieur bei der Bremer Niederlassung des europäischen Technologiekonzerns Airbus Space & Defense.

Gemeinsam waren Urban und Fischer seit den 1990er Jahren an diversen europäischen Raumfahrtprojekten beteiligt: am Zentralcomputer der internationalen Raumstation ISS – wo sich gerade der deutsche Astronaut Alexander Gerst aufhält –, am Trägerraketenprogramm „Ariane“ und zuletzt bei der Entwicklung des Servicemoduls für die Raumstation „Orion“, die 2019 ins All aufbrechen soll. Jetzt steht Urban kurz vor dem Ruhestand, den sein Kollege Fischer bereits angetreten hat.

An einer der Werkbänke in der kleinen Werkstatt in der Bremer Neustadt sitzt an diesem Vormittag auch George Okoro und versucht sich am Löten von Leiterplatten. Okoro ist ein Pastor aus Nigeria, der in Bremen eine afrikanische Gemeinde betreut. Darüber hinaus arbeitet er schon lange als Integrationslotse bei SOS-Kinderdorf und hat sich hier immer wieder für unbegleitete minderjährige Geflüchtete engagiert – gemeinsam mit seinem Mentor, dem Bremer Pastor im Ruhestand, Hans-Günter Sanders, der an diesem Vormittag ebenfalls in der kleinen Werkstatt vorbeischaut.

Und damit wäre der Großteil der Bremer Protagonisten der Geschichte genannt, die hier erzählt werden soll: die Geschichte eines ebenso innovativen wie beispielhaften Bremer Integrationsprojekts für minderjährige unbegleitete Geflüchtete, für das sich drei ausgesprochen unterschiedliche Player zusammengetan haben: SOS-Kinderdorf Bremen, Airbus und das Berufsschulzentrum Bremen Neustadt, zu dessen Schülern auch die jugendlichen Praktikanten hier gehören: Das sind Mohammad Al Abdullah, Alireza Akbarian, Ali Alkateeb, Mohammad Jawadi, Mohamed Hassan und Hamidreza Hosseini, sechs von insgesamt zwanzig Schülern einer speziellen Berufsschulklasse für Geflüchtete mit Sprachförderung und Technologieschwerpunkt, die von Airbus gefördert wird. Die anderen Schüler der Klasse wurden für ihre Betriebspraktika auf weitere Bremer Technologieunternehmen verteilt, das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz zum Beispiel.

Die Geschichte dieses Projekts, das Integrations- und Industriepolitik auf exemplarische Weise zusammenbringt, beginnt im Sommer 2015: damals, als sehr viele Menschen in diesem Land die Bilder von den Hunderten anderen Menschen nicht mehr ertragen können, die täglich auf der Flucht vor Not und Krieg im Mittelmeer ertrinken; in jenem Sommer, als Angela Merkel schließlich den berühmten Satz sagt, aus dem man ihr seitdem einen Strick zu drehen versucht: „Wir schaffen das!“

Mohammad Al Abdullah zum Beispiel bricht in diesen Tagen fünfzehnjährig aus seiner syrischen Heimatstadt Hama auf, Eltern und jüngere Geschwister zurücklassend, um über die Türkei und die Balkanroute nach wochenlangem Fußmarsch schließlich in Bremen anzukommen. Oder Alireza Akbarian, der – ebenfalls allein – aus dem Iran, wohin seine Familie vor der Gewalt in Afghanistan geflohen war, nach Europa geschickt wird.

In diesem Sommer 2015 werden die unbegleiteten Teenager zu Hunderten in Zelten auf dem Bremer Stadtwerder oder in Turnhallen untergebracht. Zwei ehrenamtliche „Integrationslotsen“ vom SOS-Kinderdorf Bremen – Hans-Günter ­Sanders und sein jüngerer nigerianischer ­Kollege George Okoro – machen sich auf, um sich in dieser Ausnahmesituation einen Überblick über Hilfsmöglichkeiten zu verschaffen. Und sie kommen immer wieder. Einmal mit einem Friseur, der als vertrauensbildende Maßnahme den jungen Männern hippe Haarschnitte verpasst. Ein anderes Mal haben sie Fahrräder dabei und bringen den jungen Männern das Radfahren bei, oder sie organisieren Gesprächsrunden, in denen die Jugendlichen von ihren Familien, Kriegs- oder Flucht­erfahrungen und auch von ihren Hoffnungen erzählen können.

Quelle     :       TAZ        >>>>>         weiterlesen

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Grafikquelle     :

Am Tag der Deutschen Einheit, der schon am Vortag des 3. Oktobers 2014 in Hannover mit einem großen Fest unter dem Motto „Einheit in Vielheit“ im Maschpark hinter dem Neuen Rathaus der niedersächischen Landeshauptstadt und am Maschsee vorab gefeiert wurde, überbrachten Gil Maria Koebberling vom Freundeskreis Hannover und Fred Jaugstetter vom hannoverschen Verein Mentor – Die Leselernhelfer der Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem Bundespräsidenten Joachim Gauck einen bunten „Strauß“ Luftballons mit den Aufschriften „Willkommen in der EXPO-Stadt Hannover“ und „Wir lieben Hannover“ …
Date
Source Foto von Fred Jaugstetter
Author Fred Jaugstetter
Permission
(Reusing this file)
Please see permisson given by Fred Jaugstetter;

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