Politiker – Setzen, Sechs!
Erstellt von Redaktion am Mittwoch 7. August 2019
Linnemanns Grundschulaussage
Von Fatna Aydemir
Der Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann möchte, dass Kinder erst zur Grundschule gehen, wenn sie genug Deutsch sprechen. Das ist purer Populismus.
Es gibt Themen, da sagen Leute nicht viel dazu, wenn sie keine Ahnung haben. Integralrechnung zum Beispiel. „Äh nein, da kenne ich mich leider nicht aus, sorry.“ Alles gut, wird Ihnen schon niemand übelnehmen. Und dann gibt es solche Themen, bei denen plötzlich alle meinen, mitreden zu können, weil sie eine Meinung haben. Der Dauerbrenner unter ihnen: „Integration“. Ein schön schwammiger Gegenstand, bei dem niemand so richtig weiß, worum es eigentlich geht. Bullshit-Bingo ist sozusagen im Wesen der Sache „Integration“ angelegt.
So ruft Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann auf die Frage der Rheinischen Post, wo die CDU sich denn profilieren müsse: „Ganz klar bei der Integration“!!! Zugegeben, die drei Ausrufezeichen habe ich als Stilmittel dazugedichtet. Einfach weil ich sie mir so gut vorstellen kann. Linnemann dürfte an dieser Stelle des Interviews nämlich so was von erleichtert gewesen sein nach all den Fragen zu Klima und so, wo die CDU nun wirklich keine überzeugende Position zu bieten hat, dass es endlich um das Lieblings-Wischiwaschi-Thema der Deutschen geht – mit dem man ordentlich Stimmung machen kann.
So trollt er vor sich hin
Von den „Vorfällen in Freibädern“ spricht er und von der „Schwertattacke in Stuttgart“, um über aufgewühlte Menschen und neue „Parallelgesellschaften“ zu sinnieren. Die Lösung aller Probleme erkennt Linnemann in der frühen Segregation: Ausländerkinder mit Sprachdefiziten sollen künftig nicht mehr gemeinsam mit Deutsch-Muttersprachlern eingeschult werden. Wow. Eine Glanzleistung an Rhetorik.
Keine Hausaufgaben gemacht
Mal davon abgesehen, dass es schon sehr vieler gedanklicher Verrenkungen bedarf, Parallelgesellschaften mit noch mehr Barrieren zu Bildung auflösen zu wollen, scheint Linnemann einfach seine Hausaufgaben nicht gemacht zu haben. Er behauptet, dass staatliche Schulen voll mit Kindern von Zuwanderern seien, die nicht ausreichend Deutsch sprechen und damit das Niveau senkten.
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Grundschul-Forderung aus der CDU
Profilierung auf Kosten der Kinder
Ein Deutscher Trump – den Kopf voll Sumpf
Kommentar von Anna Lehmann
Ein CDU-Politiker will Kinder, die kein Deutsch sprechen, nicht in den Grundschulen. Das ist falsch. Immerhin reden wir wieder über Bildungspolitik.
Er hat unzweifelhaft einen Nerv getroffen. Mit seiner Bemerkung „Ein Kind, das kaum Deutsch spricht oder versteht, hat auf einer Grundschule noch nichts zu suchen“, hat Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann ein kleines Brausen in der sommerschwülen Nachrichtenlage ausgelöst. Ein kleiner PR-Coup.
Schlimm, mag man meinen, da profiliert sich einer auf dem Rücken von Erstklässlern. Aber zumindest hat Linnemann auch mal wieder eine Debatte über Bildungsgerechtigkeit ausgelöst. Und die gab’s lange nicht, seitdem die Hamburger Bildungsbürger vor fast zehn Jahren das längere gemeinsame Lernen abschmetterten.
Linnemann geht es natürlich nicht um Gerechtigkeit. Seine Bemerkung atmet genau jenen Geist von Aussonderung und Lernen im Gleichschritt, der das deutsche Schulsystem prägt. Statt zu fragen, wie kann die Schule dem Kind gerecht werden, wird immer noch viel zu sehr darauf geschaut: Passt das Kind zur Schule? Spätestens ab der vierten Klasse, wenn es um den Übergang aufs Gymnasium oder um andere Schulformen geht, betrifft diese Frage alle Grundschüler*innen. Und das nicht nur mit Unterstützung konservativer Politiker*innen und Lehrer*innenverbände, sondern auch mit Billigung vieler Eltern, die ihren Nachwuchs sicher vor den Schmuddelkindern beschult wissen wollen.
Quelle : TAZ >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — Wilhelm Busch: Lehrer Lämpel (aus Max und Moritz)…
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2.) von Oben — Carsten Linnemann auf dem CDU Bundesparteitag Dezember 2014 in Köln…
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Unten — Carsten Linnemann auf dem 29. Parteitag der CDU Deutschlands am 6. Dezember 2016 in Essen, Grugahalle…