Selbstverliebte Opfer
Erstellt von DL-Redaktion am Dienstag 15. Dezember 2015
Schlagloch Terror in Mali
Le Radisson Blu de Bamako, lors de l’attentat du 20 novembre 2015.
Charlotte Wiedemann
Beim Anschlag auf das Radisson Blu in Bamako wurden keine Franzosen getötet. Der Terror bedroht vor allem die Lebensweise von Maliern.
Vielleicht muss man die Geschichte vom Radisson Blu doch anders erzählen.
Erinnert sich jemand? 20. November, Bamako, Mali. Angriff auf das Hotel Radisson Blu, versuchte Geiselnahme. Am Ende 22 Tote und die Behauptung: Dies war ein weiterer Anschlag auf Frankreich – eine Woche nach den Massakern von Paris. Denn Frankreich kämpft in Mali gegen den Terror, kämpft für den Westen, sprich: für unsere freiheitliche Lebensweise.
Könnte es sein, dass sich alles anders verhält? Könnte es sein, dass ein Anschlag in Mali zunächst einmal ein Anschlag auf die Malier ist und ein Angriff auf ihre Lebensweise, nicht auf unsere? Entwickeln wir also versuchsweise ein anderes Narrativ, entlang bisher bekannt gewordener Fakten.
Es war kein Franzose unter den 22 Toten vom Radisson Blu. Die Ausländer unter den Opfern verteilten sich wie folgt: sechs Russen, drei Chinesen, zwei Belgier, je ein Amerikaner, Israeli, Senegalese. Sechs Opfer waren Malier. Zu Tode kamen auch die beiden Angreifer, ebenfalls Malier.
Die antifranzösische Spur
Manche Medien bezeichneten das Radisson Blu als ein Luxushotel, es läge in einer Zone von Botschaften und Ministerien. Wer Bamako nicht kennt, mag sich vorgestellt haben, die Täter seien in einen Hochsicherheitsbereich vorgedrungen. Tatsächlich ist in Mali das normale Leben mit seinen Lehmgassen immer gleich um die Ecke – noch ist es jedenfalls so. Ein paar Gehminuten vom Radisson Blu entfernt befindet sich das bescheidene Büro von Malis Hohem Islamischem Rat, dessen Vorsitzender Besuchern den Weg so zu erklären pflegte: am Radisson Blu rechts.
Was bisher über die Täter bekannt wurde, passt wenig zum Medienbild vom professionellen Anschlag mit der Handschrift al-Qaidas. Den malischen Ermittlern zufolge waren die zwei im Radisson Blu erschossenen Männer die einzigen Angreifer; zwei junge Malier, die zuletzt in einem Viertel im Osten Bamakos wohnten. Zwei weitere Verdächtige wurden verhaftet; die heiße Spur bestand darin, dass einer von ihnen einem Angreifer einen Telefonkredit aufs Handy geschickt hatte. So wird heutzutage in armen Gesellschaften Geld transferiert.
Nach dem Angriff auf das Radisson Blu reklamierten zwei Gruppen die Tat für sich. Die westlichen Medien nannten nur al-Murabitun, eine Al-Qaida-nahe Zelle, von einem Algerier geführt. Dieser Name war Journalisten bereits geläufig; außerdem passte er ins Narrativ vom antifranzösischen Charakter des Anschlags. Was man heute über dessen Ablauf weiß, macht jedoch die zweite Selbstbezichtigung glaubwürdiger. Ihre Urheber sind Einheimische, und die Spur dieser Miliz führt uns mitten hinein in die jüngste malische Tragödie.
Örtliche Milizen
Quelle: TAZ >>>>> weiterlesen
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