Kaum zwei Wochen ist es her, da hat der Bundesfinanzminister noch gewarnt, die Regierung müsse dringend Ausgabenwünsche begraben. Alles gehöre »auf den Prüfstand«. Und in Zeitungen war zu lesen, dass erstmals seit Langem wieder konsolidiert werden müsse – weil mehr Schulden nicht gingen. Und Schulden nun mal Schulden sind.
Jetzt mag der Anlass auf Anhieb hinreichend besonders sein, um ein Sonderding zu begründen und »nicht auf jeden Cent zu gucken«, wie in einem Kommentar zu lesen war. Und doch weckt die bundesfiskalische Wendung seit ihrer Ankündigung am Sonntag beim einen oder anderen kognitive Dissonanz in einem Land, in dem tagein, tagaus erklärt wurde, dass kein Geld für dies und das da sei – und man nur so viel ausgeben könne, wie man einnimmt. Eherne schwäbische Gesetze.
Ein Land, in dem bei entsprechenden Pandemien, Bankenkrisen und Kriegen dann doch immer wieder ganz schön schnell Geld da zu sein scheint. Was wiederum auch jenes konservativ-deutsche Dogma allmählich ad absurdum führt, wonach gute Finanzpolitik durch möglichst strikte Schuldenregeln und unbeugsame jährliche Defizitziele entsteht.
Was alles als Ausnahme gilt
Selbst pazifistisch verankerte Gemüter haben gerade Schwierigkeiten, der Feststellung zu widersprechen, dass die 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr ganz gut sind – um Putins Aggression zumindest warnend etwas entgegenzuhalten. Was dafür spricht, dass es hier um eine absolute Ausnahme geht, die so besonders ist, dass dafür womöglich gar das Grundgesetz geändert wird. So weit, so gut. Was aber, sollte Putin aus welchem Grund auch immer in Kürze nicht mehr da sein – und stattdessen internationale Abrüstungsgespräche stattfinden mit dem Ziel, deutlich weniger als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Militärisches auszugeben? Nur mal angenommen.
Dann könnten andere Dinge wieder umso besonderer wirken. Wenn doch noch eine gefährlichere Virusvariante zu uns mutiert. Oder das Klima einem der Kipppunkte näherkommt, vor dem ja nicht nur Klimaaktivisten, sondern auch artgerecht emotionsfreie Physiker warnen – und plötzlich Ausnahmelage herrscht und Hilfsfonds für Unwetteropfer nötig werden. Nur sehr viel mehr als vergangenen Sommer. Wir hoffen, dass das alles nicht kommt. Es ist aber eben als Risiko nicht so ganz weit weg.
Gibt es dann alle zwei Jahre neue Notfonds, die mit Ausnahmelage begründet werden? Was der Definition der Ausnahme früher oder später dann doch entgegenliefe. Vor allem, weil Putin eben nicht der erste Notfall ist: mit der Begründung gab es 2009 (völlig zu Recht) mehr Schulden wegen der großen Finanzkrise, danach Notlagen in der Eurokrise, gefolgt von Sondersituationen, als die Geflüchteten aus Syrien kamen, von der Notlage der Unwetter 2021 und dem Sonderdebakel der Coronapandemie.
Was also ist die Ausnahme? Die Frage ist ja berechtigt, ob eine womöglich drohende Klimakatastrophe nicht ein mindestens ebenso guter Grund für schuldenfinanzierte Gegenwehr ist – wie nun die Ausgaben, die dafür dienen sollen, Wladimir Putin zu beeindrucken. Das würde auch die argumentativen Verrenkungen kurios wirken lassen, mit denen die Regierenden der Ampelkoalition angesichts drohender CDU-Verfassungsklagen gerade begründen müssen, warum ungenutzte Gelder aus dem Corona-Sonderfonds auch für den Versuch eingesetzt werden dürfen, das Klima zu retten. Weil zwar Corona als nationale Notlage galt, aber nicht die drohende Klimakrise, die ja noch nicht da ist. Tückisch.

Trägst du erst eine Uniform, vergiss dein Hirn und schmeiß es ins Abort!
Wäre es dann nicht überhaupt und per se besser, das Geld zu investieren, bevor die Notfälle eintreten – bevor die Regierung Notfall-Fonds mit Ausnahmeschulden auflegen muss? Ist ja nicht unbedingt schlau, der Bundeswehr erst über Jahre Gelder zu kürzen, weil es das allgemeine Spardiktat will – um sie dann abrupt ertüchtigen zu müssen, weil im akuten Putin-Fall der Verdacht aufkommt, dass sie uns gar nicht mehr so richtig verteidigen könnte. Wenn vorausschauendes Verschulden dazu beitrüge, den Klimawandel zu stoppen, wären teure Sonderfonds gar nicht mehr nötig – weil Flutkatastrophen ausblieben. Vorsorge statt Aufräumen.
Quelle : Spiegel-online >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — Aktion der Grünen gegen das Betreuungsgeld im NRW-Landtagswahlkampf 2012
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Unten — Autor Lupus in Saxonia / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)